Die Preisträger 2018 - Genossenschaftsverband Bayern
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Die Preisträger 2018 Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis Volontärsjahrgang V 16 der katholischen Journalistenschule ifp ›Ausgezahlt: Leben ohne Bargeld‹ Webprojekt, veröffentlicht am 30.06.2017 Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis Katrin Langhans ›Der Mann, der Gefahren sucht‹ Süddeutsche Zeitung, 24.08.2017 Förderpreis für junge Journalisten Jana Wolf ›Künstliche Intelligenz und Arbeitswelt 4.0‹ Mittelbayerische Zeitung, Serie, 03 bis 17/2017
Die Jurymitglieder
Dr. Robert Arsenschek, Akademie der Bayerischen Presse
Florian Ernst, Genossenschaftsverband Bayern
Dr. Astrid Freyeisen, Bayerisches Fernsehen
Markus Hack, Nürnberger Nachrichten
Hannes Lehner, Straubinger Tagblatt
Martin Prem, Münchner Merkur
Wolfgang Sabisch, freier Journalist und Trainer
Holger Schellkopf, Werben & Verkaufen Verlag
Stefan Stahl, Augsburger Allgemeine
Daniela Wiegmann, Deutsche Presse-Agentur
Die Preisverleihung
am 5. Oktober 2018 in München
Moderation von Tilmann Schöberl,
Bayerischer Rundfunk
Begrüßung durch Dr. Jürgen Gros,
Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB)
Laudatio zum Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis von
Michael Husarek, Chefredakteur, Nürnberger Nachrichten
Laudatio zum Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis von
Melanie Bergermann, Ressortleiterin Blickpunkte,
Wirtschaftswoche
Laudatio zum Förderpreis für junge Journalisten von
Peter Wagner, freier Journalist und Entwicklungsredakteur SZ Scala,
Träger des Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preises 2013
Festvortrag von Kayhan Özgenc,
Mitglied der Chefredaktion, Bild am Sonntag
Filmbeiträge und Fotos von der Preisverleihung sind unter
www.gv-bayern.de/journalistenpreise abrufbar.
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Die Preise
Friedrich Wilhelm Raiffeisen:
»Als die notwendigste Vorbedingung (der
Verbesserung der Lage) gehört dazu, der
Bevölkerung zum Bewusstsein zu bringen, dass
sie in ihrer Lebensweise, in ihrem Geschäfts-
betriebe, in ihrem ganzen Verhalten eine
Änderung eintreten lassen muss. Es bedarf
dazu rücksichtsloser Aufdeckung der Ursachen
der vorhandenen Schäden...«
Hermann Schulze-Delitzsch:
Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisen-
banken würdigen mit ihren Journalistenpreisen »Wer es weiß, an wie kleinen Summen oft
seit dem Jahr 2012 herausragende publizistische Wohlstand und Existenz ganzer Familien
Arbeiten aus Print, TV, Hörfunk sowie den Online- geknüpft sind, wie wenig in manchen Fällen
Medien. Eine Fachjury aus Vertretern der unter- dazugehört, um den redlichen Arbeiter … nicht
schiedlichen Mediengattungen bewertet die selten für immer in das Elend zu stürzen, der
eingegangenen Bewerbungen und entscheidet wird den Wert einer Einrichtung ermessen,
über die Preisträgerinnen und Preisträger. 2018 welche es diesen Leuten möglich macht, einen
vergeben die Volksbanken und Raiffeisenbanken Vorschuss gegen mäßige Zinsen und diejenige
den Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis zum Sicherheit zu erhalten, die sie zu bieten
Thema wirtschaftliche Bildung (8.000 Euro), vermögen.«
den Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis zum
Thema Verbraucherschutz (8.000 Euro) sowie
den Förderpreis für junge Journalisten zum
Themenfeld Digitalisierung (4.000 Euro).
Mit der Preisvergabe erinnern die bayerischen
Volksbanken und Raiffeisenbanken an ihre
Gründerväter, die Genossenschaftspioniere
Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann
Schulze-Delitzsch. Ihre Genossenschaftsidee gab
eine Antwort auf wirtschaftliche und soziale
Fragen, die aus der Industrialisierung im 19. Jahr-
hundert resultierten. Für beide beruhte Bildung
auf der Kenntnis der wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Zusammenhänge, die sie als
Voraussetzung für eine nachhaltige Verbesse-
rung der Lage der Bevölkerung betrachteten.
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Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis 2018 zum Thema wirtschaftliche Bildung
Preisträger: Volontärsjahrgang V 16 der katholischen Journalistenschule ifp
›Ausgezahlt: Leben ohne Bargeld‹
Webprojekt, veröffentlicht am 30.06.2017
Begründung der Jury
Das digitale Bezahlen ist gerade bei
jungen Menschen auf dem Vormarsch.
Junge Leute sind es auch, die sich im
Webprojekt ›Leben ohne Bargeld‹ da-
mit beschäftigt haben. Wie verändert
sich eine Gesellschaft durch die Digi-
talisierung des Bezahlens? Das ist die
Leitfrage für ihre hintergründige Re-
cherche. Sie zeigt auf: Die Deutschen
wollen keine Zukunft ohne Bargeld. Ihr
Herz hängt an Münzen und Scheinen.
84 Prozent können sich laut Studie
eines großen Bankhauses ein Leben
ohne Bares in der Tasche nicht vorstel-
len. Sie schätzen die Anonymität und
die Freiheit, die Bargeldzahlungen mit
sich bringen. Dennoch, so das Fazit der
Autoren, habe das digitale Bezahlen
bereits den Alltag der Menschen stark
verändert. Dreiviertel der Deutschen
fände das bargeldlose Zahlen einfa-
cher und Fakt sei, dass sie so viele Pro-
dukte online kaufen wie nie zuvor.
Dem Volontärsjahrgang des ifp ist ein
erfrischend kreatives Online-Stück
mit professionell umgesetzten Web-
formaten gelungen: Vom animierten
Erklärvideo über interaktive Karten bis
hin zum Interview mit einer Psycho-
login, die seit Jahren untersucht, wie
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der gewünschte Interviewpartner in
dieser Woche gar keine Zeit für unsere
Fragen hat, wenn wir widersprüchli-
che Informationen von verschiedenen
Quellen erhalten, oder wenn es bei der
Technik hapert.
Volontärsjahrgang V 16 (v. li. n. re): Laurine Zienc, Henning M. Schoon, Anna-Lena Herbert, Worin lag der Erkenntnisgewinn?
Sara Mierzwa, Lena Binz, Michael Mahler, Linda Bößing (ganz vorne), Antonia Schlosser, Romina
Carolin Stork, Philipp Adolphs (dahinter), Antonio Lagator, Johanna Fischotter, Melanie Pies-Kalkum Dass es nicht nur die reichen Industrie-
nationen sind, die mit kreativen Lö-
sungen bedeutende Schritte zum bar-
das Netz unser Handeln, Fühlen und Smartphone-Apps und digitale Wäh- geldlosen Zahlungsverkehr machen,
Denken beeinflusst. Dem Projekt liegt rungen? Mit welchen kreativen Ideen hat uns überrascht. Unsere interaktive
eine gründliche Recherche zugrunde. wird der bargeldlose Zahlungsverkehr Karte zeigt die erstaunlichsten Ideen,
Es beleuchtet das Bargeldthema von weltweit umgesetzt? Welche Gefah- die wir weltweit entdeckt haben. Eine
den unterschiedlichsten Seiten, der ren kann das beispielsweise für unsere weitere Erkenntnis ist, dass Deutsch-
Fokus bleibt dabei aber immer auf den Privatsphäre mit sich bringen? Und: land hier im Vergleich eher Schlusslicht
jungen Menschen. Auch die Autoren Wie funktionieren eigentlich Bitcoins, ist – das fanden wir allerdings weniger
selbst lassen sich in den Geldbeutel die Blockchain & Co.? Gemeinsam überraschend, wie die meisten Bilder
schauen und vermitteln, wie die Hal- mit unserem Studienleiter Burkhard unserer eigenen Portmonnaies auf der
tung zum Bargeld divergiert – und wie Schäfers und der Seminarleiterin Karin Webseite verdeutlichen. In unseren
privat sie im Grunde ist. Selten ist so Schlüter haben wir mögliche Formate Erklärvideos zu Bitcoins und der Block-
verständlich erklärt worden, wie Bit- und Ideen für unser Webprojekt ent- chain werden Chancen und Risiken für
coin und Blockchain funktionieren. Es wickelt. die Zukunft hinterfragt. Dabei, und
macht Spaß, sich durchzuklicken und im Interview mit einer Expertin, wur-
ist gleichzeitig ungemein erkenntnis- Welche Herausforderungen de uns bewusst, dass der Trend zum
reich: Wirtschaftliche Bildung im haben sich bei der Recherche des bargeldlosen Zahlen nicht nur tech-
besten Sinne und damit preiswürdig. Themas ergeben? nologische Fragen aufwirft, sondern
Um die Webseite inklusive einer klei- auch soziologische und sogar psycho-
nen Social-Media-Offensive zu kon- logische. Wie wir in Zukunft bezahlen
Fragen an die Preisträger zipieren und zu erstellen, hatten wir möchten, betrifft uns alle – und für
weniger als eine Woche Zeit. Neben viele Deutsche ist Geld eine durchaus
Wie ist der Volontärsjahrgang auf die der Einarbeitung in das durchaus kom- persönliche und emotionale Angele-
Idee für das Webprojekt gekommen? plexe und vielfältige Thema nahm na- genheit. Dieses Thema wird uns noch
Der große Hype um Bitcoins nicht nur türlich auch die technische Umsetzung lange beschäftigen.
in der Börsenwelt, sondern auch in den einige Zeit in Anspruch. Glücklicher-
Medien, hat uns bewusst gemacht, weise hat uns der ifp-Referent Michael
dass wir in einer sehr spannenden Zeit Haas beim Programmieren und Coden
leben. Staaten, Banken und Verbrau- unterstützt. Außerdem mussten wir
cher verabschieden sich zunehmend uns selbst, dreizehn junge Journalis-
vom Bargeld und suchen nach digita- tinnen und Journalisten, gut organi-
len Alternativen. Für das Abschlusspro- sieren und die Aufgaben verteilen, um
jekt im Rahmen unserer Journalisten- schnell, aber korrekt recherchieren zu
ausbildung wollten wir wissen, wie die können. Zu guter Letzt bedeutet der
Menschen damit umgehen. Welche Zeitdruck auch, dass man spontan und Zum Webprojekt:
Vorteile bieten uns Kreditkarten, flexibel reagieren muss: Etwa wenn https://geld.journalistenschule-ifp.de/
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Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis 2018 zum Thema Verbraucherschutz
Preisträgerin: Katrin Langhans
›Der Mann, der Gefahren sucht‹
Süddeutsche Zeitung, 24.08.2017
DEFGH Nr. 194, Donnerstag, 24. August 2017 DIE SEITE DREI HF2 3
von katrin langhans Kretschmann. „Wissen Sie, was einer mei-
G
ner Lieblingssprüche ist? Wer glaubt, dass
ert Kretschmann weiß nicht Verbraucherschutz die Verbraucher
mehr, ob der Fernseher lief, schützt, der glaubt auch, dass Zitronenfal-
aber er erinnert sich noch dar- ter Zitronen falten.“ Er lacht kurz auf. „Ich
an, dass er mit seiner Frau auf verstehe die Behörden einfach nicht.“
dem Sofa saß. Plötzlich qualm- Ein Schreiben, das der SZ und dem BR
te es, Gestank lag in der Luft. Kretschmann vorliegt, zeigt, wie undurchsichtig die Lage
sprang auf, zog den Stecker aus dem Gerät. selbst für Lebensmittelkontrolleure ist.
Wie kann das sein, dass der Fernseher, Nach den EU-Kriterien für Lebensmittelsi-
gerade mal ein paar Monate alt, auf einmal cherheit darf ein Hersteller etwa Hack-
brennt? Die Antwort fand er im Internet. fleisch nicht mehr verkaufen, wenn er bei
Die Lötverbindung war kaputt, der Fernse- einer Eigenkontrolle feststellt, dass die mi-
her längst vom Hersteller zurückgerufen – krobiologische Belastung zu hoch ist,
nur wusste Kretschmann davon nichts. wenn beispielsweise zu viele Salmonellen
Heute, zehn Jahre später, sitzt Kretsch- gemessen werden. Findet aber ein amtli-
mann, graue Haare, blau-weiß kariertes cher Kontrolleur denselben Erregerbefall,
Hemd, Pensionär, in seinem Kellerbüro. muss er zusätzlich nachweisen, dass tat-
An der holzvertäfelten Wand hängt ein sächlich eine Gesundheitsgefahr besteht.
Blechschild, auf dem sich ein Kind lä-
chelnd Brei in den Mund schiebt. Vor ihm
flackert der PC-Bildschirm im Halbdun- Von den meisten Rücknahmen
keln. Kretschmann öffnet die Seite „pro- in Deutschland erfährt
duktrueckrufe.de“, ein Portal, das er vor die Öffentlichkeit nie etwas
zehn Jahren selbst gegründet hat, kurz
nachdem sein Fernseher gebrannt hatte.
Auf der Seite postet Kretschmann Rück- Brancheninsidern zufolge machen sich
rufe von Herstellern: entflammbare Elek- Hersteller diese Absurdität zunutze. Es ist
trogeräte, giftige Kleidung, verseuchtes ganz einfach: Man schreibt groß auf die
Spielzeug. Allein zu gefährlichen Lebens- Hackfleisch-Packung, dass man das Pro-
mitteln hat er Hunderte Einträge verfasst. dukt vor dem Verzehr erhitzen muss. Bei
Er warnt vor Glasscherben im Gurkenglas, Hitze sterben Salmonellen ab. Beamte müs-
Kunststoffteilchen in Nasi Goreng oder Sal- sen die Kennzeichnung in die Risikobewer-
monellen im Käse. Als Anfang August Mel- tung miteinbeziehen und haben es dem-
dungen von Eiern, die mit dem Insekten- nach schwerer, die Gesundheitsgefähr-
gift Fipronil verseucht sind, durch die Me- dung nachzuweisen. Wer die Packung oh-
dien gingen, erstellte er Listen der zurück- ne Lesen aufreißt und das Hack gewürzt
genommenen Eierchargen. auf sein Brötchen legt, der hat – wenn es
dumm läuft – Pech gehabt.
Lebensmittelexperten und Krisenmana-
Viele Warnungen kommen am ger, die Unternehmen beraten, schätzen,
Freitagabend. Dann also, wenn in dass mehr als 90 Prozent der Rücknahmen
den Behörden niemand da ist ohne Ankündigung erfolgen, also ohne
dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Man
nennt das den „stillen Rückruf“. Branchen-
Nur selten erregt eine Rücknahme so insider sagen, dies geschehe etwa, wenn ge-
viel Aufsehen wie die der Fipronil-Eier, ringe Belastungen mit Listerien oder Sal-
weil Behörden mit der Informationsweiter- monellen nachgewiesen wurden, oder Spu-
gabe schlampten, während Menschen in ren von Reinigungsmitteln.
18 EU-Ländern Eier mit den Giftspuren Auch mit Fipronil belastete Waren ver-
aßen. Zwar stuft das Bundesinstitut für Ri- schwinden derzeit unbemerkt vom Markt.
sikobewertung eine gesundheitliche Ge- Backwaren oder Nudeln etwa, in denen
fährdung als „unwahrscheinlich“ ein, aber nur geringe Mengen des Insektengifts ge-
ungeklärt ist, wie lange verseuchte Produk- funden wurden. „Wir raten Unternehmen
te schon im Umlauf sind. Die Bundesregie- Auch beim Fipronil-Skandal war er schneller. Gert Kretschmann in seinem Kellerbüro im nordrhein-westfälischen Greven. FOTO: KALA dazu, die Produkte zurückzunehmen, um
rung spricht von etwa zehn Millionen kon- das Vertrauen der Verbraucher zu wahren“,
taminierten Eiern in Deutschland, der nie- sagt Michael Lendle, der mehr als 50 betrof-
dersächsische Agrarminister Christian fene Unternehmen berät. Der Münchner
Meyer von mehr als 35 Millionen. Rechtsanwalt Alfred Meyer, der ebenfalls
Der deutsche Lebensmittelmarkt ist
zwar im internationalen Vergleich relativ
sicher, aber Kunststoffteile im Essen kön-
nen zu Atemnot führen und Bakterien bei
Der Mann, der Gefahren sucht Rücknahmen betreut, sagt: „Fipronil
kocht gerade hoch, weil die Behörden im
Wahlkampfjahr offensiver kommunizie-
ren.“ Dabei sei in den vergangenen drei Wo-
Immunschwäche zum Tod. Allein im Jahr chen die Gesundheitsgefahr in anderen Fäl-
2016 starben in Deutschland laut dem Ber- Verseuchte Eier, Scherben in Sauerkirschen, tödliche Potenzmittel: Vor riskanten Waren len relevanter gewesen. Zum Beispiel bei ei-
liner Robert-Koch-Institut 18 Menschen
im Zusammenhang mit Salmonellosen. Ei-
warnt Gert Kretschmann oft schneller als jede Behörde. Warum eigentlich? nem mit Salmonellen belasteten Katen-
schinken von Gelderland, der von Netto zu-
ne Krankheit, ausgelöst durch Salmonel- rückgerufen wurde. Auf der offiziellen Sei-
len, die sich bei mangelhafter Hygiene in te steht nur: Gesundheitliche Beschwer-
Hackfleisch oder Käse bilden können. den können nicht ausgeschlossen werden.
Kretschmann hat viele Jahre bei der dem Portal des Verbraucherschutzminis- nahme der Hersteller Fristen definieren“, zungen im Rachen drohen. So war es auch nicht mehr unbefangen durch den Super- Alles nichts Neues, das ergab auch eine
Bundeswehr gearbeitet, als Personaler teriums stand der erst tags darauf um sagt er. „Die Seite ist eine gute Idee, funkti- im März bei einem Käse, in dem Kolibakte- markt gehen.“ Manchmal erwischt sich Auswertung der Verbraucherzentrale Ham-
und in der IT. Geblieben sind ihm aus die- 20.26 Uhr. oniert aber in der jetzigen Form nicht.“ rien vermutet wurden, die zu blutigem Kretschmann dabei, wie er beim Einkau- burg. Bei mehr als der Hälfte von 50 Fällen
ser Zeit Ordnungsliebe und Disziplin. Je- Dass dies kein Einzelfall ist, zeigt auch Das merkt auch Kretschmann, er be- Durchfall und schlimmstenfalls zum Tod fen das Kirschglas umdreht, die Chargen- fand sich auf dem bundesweiten Portal kei-
den Morgen nach dem Aufstehen schaut er die Verbraucherorganisation Foodwatch kommt häufig Mails von besorgten Eltern. führen können. Wieder war Kretschmann nummer checkt, sicher ist sicher. ne Aussage über gesundheitliche Gefah-
auf sein iPad, Mails checken. Meist hat er in ihrem Report „Um Rückruf wird gebe- Sind die Himbeeren vom Norovirus betrof- schneller. „Ich verstehe nicht, warum die Neben ihm liegen zwei Handys auf dem ren. Fünf Mal wurden die Auswirkungen
da schon über Google Alerts ein Dutzend ten“, der dem Bayerischen Rundfunk und fen? Meine Tochter hat sich übergeben, wo Behörden so lange brauchen, da geht es Tisch, eines nutzt er privat, das andere für verharmlost. Bei Glasscherben fehlte der
Nachrichten zu Stichworten wie Rückruf, der Süddeutschen Zeitung vorliegt: Fast je- kann ich eine Probe von dem Trinkpäck- um lebensgefährliche Folgen.“ Rückrufe. Ein Kollege seines Sohnes hat Hinweis, dass man sich innere Blutungen
Warnung und Sicherheitshinweis im Post- der zweite Rückruf auf der staatlichen chen abgeben? „Viele verwechseln mich für ihn eine App entwickelt. So kann er zuziehen kann, bei Listerien war nur von
fach. „Das Problem hat viele Namen“, sagt Plattform erfolgt verzögert. Hersteller war- mit der Verbraucherzentrale“, sagt Kretsch- Warnhinweise per App und Whatsapp ver- „Kopfschmerzen“ die Rede, nicht von mög-
Kretschmann. nen oft früher als die Behörden. Food- mann. Er hat sich Textbausteine zurechtge- „Französischen Käse“, sagt breiten, sortiert nach Postleitzahl, für Le- lichen Todesfällen. Das Bundeslandwirt-
Nach dem Ehec-Skandal, als 53 Men- watch hat in zwei Durchgängen 92 Meldun- legt, gibt weiter, welche Behörde zuständig Kretschmann, „oder Zwiebelmett bensmittel, aber auch für Kleidung, Spiel- schaftsministerium schreibt auf Anfrage,
schen 2011 an den Folgen des aggressiven gen auf „lebensmittelwarnung.de“ analy- ist, wenn man Plastik in der Apfelsaftschor- esse ich gar nicht mehr.“ zeug und Elektrogeräte. „Jedes zurückge- Ziel der Seite sei die Warnung der Verbrau-
Darmkeims gestorben waren, beschloss siert. So erfuhr man im Frühjahr drei Tage le gefunden hat. Seit Kretschmann seine rufene Produkt birgt eine Gefahr“, sagt er. cher, nicht die medizinische Aufklärung.
auch die Bundesregierung, ein Internetpor- verspätet von einem möglicherweise ge- Seite betreibt, liest er Bücher wie „Rückruf- „Informationen müssen klar und schnell Kretschmann klickt auf ein Standardfor-
tal für gefährliche Lebensmittel einzurich- sundheitsschädlichen Stoff in Bio-Säug- management“ oder „Produkthaftpflicht“. Das Verbraucherschutzministerium in erfolgen.“ Die Behörden verlassen sich oft mular, das er für Unternehmen entwickelt
ten. Seither betreibt das Bundesamt für lingstee und von Metallsplittern in Netto- Freitagabends verlässt er ungern das Baden-Württemberg begründete die Ver- auf den Warnhinweis der Hersteller. Oder hat. Darauf stehen Felder wie „Problem“,
Verbraucherschutz das Projekt „lebensmit- Würstchen. Bei einem Fall vor vier Jahren Haus, er nennt es „das Freitagsproblem“. zögerung in einem Schreiben an Food- verzichten schon mal auf eine Rückrufmel- „Gesundheitsgefahr“ und „Ansprechpart-
telwarnung.de“. Die Plattform zählt schon dauerte es 20 Tage, bis der Hinweis auf der Kretschmann öffnet eine Excel Tabelle, watch lapidar: „Zwischen der Unterneh- dung, wenn sie den Warnhinweis als „nicht ner“. Infos, die man auch bei dem jüngsten
mehr als 500 Einträge. Beamte aus den Seite stand, dass ein Potenzmittel eine in der er seine Warnhinweise archiviert, menswarnung und dem behördlichen Hin- überregional“ relevant einstufen. Am En- Eintrag auf der Behördenseite vermisst. Ei-
16 Bundesländern stellen die Meldungen nicht zugelassene Substanz enthielt und scrollt zu den Sauerkirschen, bei denen der weis hierauf lag das Wochenende.“ Bei de ist die behördliche Webseite nicht aktu- ne bayerische Brauerei rief am vergange-
auf das Portal. Und das, salopp gesagt, möglicherweise Herzinfarkte auslösen Discounter Kaufland im Januar darauf hin- möglicherweise mit Listerien verseuchten ell – und voller Lücken. nen Freitag Flaschenbiere zurück. Der
recht schlampig. könne. Man habe den Hersteller nicht frü- wies, Glasscherben könnten in einer Pro- Pilzen erklärt man die späte Warnung mit Per Gesetz ist der Hersteller verantwort- Grund: „Eine mögliche Gefahr für die Ge-
Gert Kretschmann, der täglich alleine in her erreicht, da dieser seinen Sitz in den duktcharge sein. Kretschmann zeigt auf dem „Jahreswechsel“, in einem anderen lich für Rücknahmen. Handelt der zu sundheit“ sei nicht auszuschließen. Auf An-
seinem Kellerbüro im nordrhein-westfäli- Niederlanden habe – so die Begründung das Datum. „Viele Lebensmittelwarnun- Fall waren es die „Weihnachtsfeiertage“. lasch, können Behörden eingreifen. Dabei frage schreibt das zuständige Bayerische
schen Greven sitzt und das Internet durch- der federführenden Behörde in Hamburg. gen kommen am Freitagnachmittag oder Kretschmann ist kein panischer haben sich die Länder auf das sogenannte Landesamt für Gesundheit und Lebensmit-
sucht, hat in diesem Jahr schon in neun Fäl- „Es kann nicht sein, dass Verbraucher am Abend“, sagt er. „Da sind die Beamten Mensch, aber ein skeptischer. „Französi- Sitzland-Prinzip geeinigt. Findet also die telsicherheit, dass der Konsum „zu Verät-
len schneller einen Warnhinweis gepostet bei lebensgefährlichen Produkten wochen- oft schon im Feierabend.“ Das heißt, der schen Käse und Zwiebelmett esse ich gar hessische Behörde Glasscherben im Gur- zungen“ führen könne. Bisher seien aber
als die Behörden. „Alles eine Frage der lang warten müssen, bis sie bundesweit Verbraucher muss oft bis Montag warten. nicht mehr“, sagt er. Wegen der Salmonel- kenglas, und der Produzent sitzt in Bayern, keine konkreten Fälle bekannt, man habe
Technik“, sagt er. Auch beim Fipronil- informiert werden“, sagt Martin Rücker, So erfuhr man im Januar 2017 auf dem Por- len, oder wegen Escherichia Coli. „Meine ist die bayerische Behörde zuständig, auch daher auf diesen Zusatz verzichtet.
Skandal war er schneller. Er verlinkte am Geschäftsführer von Foodwatch Deutsch- tal des Ministeriums erst drei Tage später, Familie muss einiges aushalten, hol dies dann, wenn die Gurken in Bayern gar nicht
31. Juli, mittags, einen Warnhinweis. Auf land. „Der Bund müsste für die Stellung- dass beim Kirschenessen schwere Verlet- nicht, hol jenes nicht. Ich kann schon gar verkauft werden. „Unzweckmäßig“, sagt Mitarbeit: Benedict Witzenberger
Tod in der Tiefe
Bei der Recherche über ein U-Boot und seinen Kapitän starb die Journalistin Kim Wall. Nur Peter Madsen weiß, was auf seiner „Nautilus“ geschah
von silke bigalke der vergangene Woche in einem offenen U-Boot und seinen beiden Passagieren. Sie Der Polizei erklärt er, er habe die Schwe- sich zu melden. Mit Hilfe dieser Aussagen etwa die, dass er Kim Wall wohlbehalten
Brief an die Medien. „Dass ihr etwas in Ko- finden die Nautilus am nächsten Morgen. din noch am Abend vor dem Unglück an können die Behörden schließlich den letz- wieder an Land abgesetzt habe. Oder die,
J
emand hat sich Mühe gegeben, die Lei- penhagen passieren könnte, nur wenige Ki- Der Kapitän winkt vom Turm, er habe tech- Land gebracht. Die Ermittler heben die ten Weg der Nautilus nachvollziehen. Sie dass sein U-Boot aufgrund technischer Pro-
che in der Ostsee zu versenken. Er hat lometer vom Heim ihrer Kindheit entfernt, nische Schwierigkeiten. Eine halbe Stunde Nautilus vom Meeresgrund. Sie finden Hin- rechnen nicht mehr damit, Kim Wall le- bleme gesunken sei.
sie durchlöchert, wohl damit Gase ent- hätten wir uns überhaupt nicht vorstellen später ist die Nautilus gesunken. Ein priva- weise darauf, dass das Boot absichtlich ver- bend zu finden. Der Erfinder sei „nicht gewalttätig“, al-
weichen können und sie nicht wieder auf- können. Nun sieht es aus, als sei das tes Motorboot fischt Peter Madsen aus senkt wurde. Madsen bleibt in Haft, Ver- Am Montag veröffentlicht die Polizei lerdings streite er „mit Gott und jeder-
taucht. Er hat den Körper zusätzlich mit ei- Schlimmste geschehen.“ Kim Wall galt zu dem Wasser und bringt ihn an Land. Ei- dacht auf fahrlässige Tötung. dann die letzte Aussage von Peter Madsen, mann“, zitierte das dänische Boulevard-
nem Metallstück beschwert. Und er hat diesem Zeitpunkt noch als vermisst. nem dänischen Fernsehteam sagt er im Zwei Tage nach dem Schiffbruch ändert oder zumindest Teile davon. Die aktuelle blatt BT Madsens Biograf Thomas Djur-
Kopf, Arme und Beine vom Rumpf abge- Kim Walls Reportage über Peter Mad- Vorbeigehen, er sei traurig, dass die Nauti- Peter Madsen seine Aussage offenbar, Version des U-Boot-Kapitäns lautet nun: sing, kurz nachdem das U-Boot sank. So
schnitten. Deswegen hat es einige Zeit ge- sen wird nie erscheinen. Dafür geht nun lus gesunken sei, ein Problem mit dem Bal- doch das Gericht hält sie zurück. Die Poli- Kim Wall sei tot, ein Unfall an Bord. Er ha- hat sich Madsen inzwischen mit der Grup-
dauert, bis die dänische Polizei die Tote die Geschichte eines versenkten U-Boots, lasttank, alles sei ganz schnell gegangen. zei bittet Schiffsbesatzungen und Passagie- be sie auf See „bestattet“, irgendwo in der pe von U-Boot-Enthusiasten, mit denen er
Begründung der Jury
identifizieren konnte. Erst ein DNA-Test eines durchlöcherten Torsos und vieler Kein Wort über Kim Wall. re, die in der Unglücksnacht auf See waren, Køge-Bucht, südlich von Kopenhagen, die Nautilus schuf, zerstritten, genauso
hat bestätigt, dass es sich um die vermisste merkwürdiger Widersprüche um die Welt. dort wo auch sein U-Boot sank. wie mit dem Verein für die Rakete.
Journalistin Kim Wall handelt. Und dass es Kim Wall und Peter Madsen treffen sich Am Montagnachmittag entdeckt ein Kim Wall arbeitete als freie Journalistin
ihr Blut war, das die Ermittler an Bord der am 10. August, einem Donnerstagabend, Radfahrer an der Küste der Insel Amager und recherchierte oft ohne festen Auftrag-
versunkenen Nautilus gefunden haben. in Kopenhagen. Die letzten Bilder der bei Kopenhagen etwas im Wasser. Es gibt geber. Sie pendelte zwischen New York
Das U-Boot war die letzte Story, an der Schwedin zeigen sie neben dem Dänen auf Bilder von Einsatzwagen auf dem Fahrrad- und Peking, hatte die letzte Zeit aber in Ko-
Kim Wall gearbeitet hat, die Nautilus und dem Turm der Nautilus. Sie trägt einen weg, Polizeibooten, Tauchern. Sie bergen penhagen verbracht. Als er von einer ver-
ihr Erbauer Peter Madsen. Mit ihm war die den Torso einer Frau. „Wir können nicht er- schwundenen schwedischen Journalistin
Die Autorin porträtiert in ihrem Seite- Tag das Internet nach Rückrufen und
Schwedin vor knapp zwei Wochen in See ge- kennen, was das mit unserem Fall zu tun und dem U-Boot hörte, habe er gleich ge-
stochen. Der 46-jährige dänische Tüftler Der DNA-Test bringt dann die hat“, sagt die Verteidigerin von Peter Mad- wusst, um wen es sich handelt, sagt Jan
ist häufig interviewt worden. Seine Nauti- Gewissheit – und der Familie sen, Betina Hald Engmark, da noch der dä- Hendrik Hinzel. Er hat mit Kim Wall auf
lus gilt als das größte privat gebaute „grenzenlosen Kummer“ nischen Tagezeitung Jyllands Posten. der Columbia Universität in New York Jour-
Drei-Artikel Gert Kretschmann. In sei- macht das, was eigentlich selbstver-
U-Boot der Welt, und dann bastelte er auch Am Mittwoch sind die Ergebnisse des nalismus studiert und war mit ihr wochen-
noch an einer Rakete, die ihn ins Weltall DNA-Tests da. Sie bringen Gewissheit und lang für Recherchen auf dem Pazifik unter-
bringen sollte. So waghalsig Madsens Pro- leuchtend orangen Pulli, die langen Haare „grenzenlosen Kummer“ für die Familie wegs. Ihre gemeinsame Geschichte über
nem Kellerbüro in Nordrhein-Westfa- ständlich sein sollte: Verbraucher bei
jekte auch waren, als Kim Wall mit ihm von hat sie zusammengebunden, im Hinter- von Kim Wall. Ihre Mutter Ingrid schreibt die Marshallinseln ist 2015 in der Süddeut-
Kopenhagen aus aufbrach, wirkte der grund sieht man die Windräder auf dem auf Facebook, dass sie den Umfang der Ka- schen Zeitung erschienen. „Sie hat oft Ge-
Ausflug vergleichsweise ungefährlich. Die Öresund und den Abendhimmel. Die däni- tastrophe noch nicht überblicken kann, schichten über Freaks und Verrückte ge-
30-Jährige hatte ganz andere Reisen hin- sche Fahne weht auf dem U-Boot-Turm im und dass viele Fragezeichen blieben. Über schrieben, aber sie als Menschen immer
len betreibt der Bundeswehr-Pensionär lebensbedrohlichen Gefahren klar und
ter sich, hatte über Atommüll auf den Mar- Wind. Kim Wall schaut in die Kamera und die Todesursache etwa konnte die Polizei ernst genommen“, sagt Hinzel. Kim Wall
shallinseln recherchiert, über Folter in lacht. Wenige Stunden später, in der Nacht am Mittwoch noch nichts sagen. Madsen sei stets unterwegs und immer fröhlich ge-
Uganda und Minenfelder in Sri Lanka. zum Freitag, melden ihre Angehörigen sie bleibt bei seiner Unfall-Version. Frühere wesen. Ihr Studienfreund sagt: „Sie hatte
Sie hätten sich oft Sorgen um Kim ge- als vermisst. Polizei und Militär suchen Kapitän Peter Madsen (rechts) will Kim Wall auf See „bestattet“ haben. Aber warum Versionen seiner Geschichte haben sich nie Probleme, die Menschen dazu zu brin-
das Portal ›produktrueckrufe.de‹. Er vor allem schnell informieren. So warnt
macht, schrieben ihre Eltern und ihr Bru- mit Booten und Helikoptern nach dem ist dann bislang nur ihr Torso gefunden worden? FOTOS: TOM WALL/DPA, HOUGAARD NIELS/DPA allerdings schon als falsch herausgestellt, gen, sich ihr zu öffnen.“
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www.sz-content.de SZ20170824S4172989
gründete es, nachdem sein Fernseher er vor Glasscherben im Gurkenglas,
in Brand geriet, weil ihn eine Herstel- Plastikteilchen im Nasi Goreng und Sal-
ler-Rückrufaktion nicht erreicht hatte. monellen in Eiern oder Käse. Seit dem
Akribisch durchsucht er seither Tag für Ehec-Skandal 2011 betreibe das Bundes-
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Katrin Langhans
amt für Verbraucherschutz zwar ein Fragen an die Preisträgerin liegen, aber noch nicht den zulässigen
digitales Informationsportal mit dem Grenzwert überschreiten. So erfuhr ich,
Namen ›lebensmittelwarnung.de‹, Wie sind Sie auf Herrn Kretschmann dass auch Backwaren, die mit Fipronil
so die Autorin. Beamte aus allen Bun- gestoßen? belastet waren, still vom Markt ver-
desländern würden dort Warnungen Langhans: In einem Gespräch mit schwanden – ohne dass die Öffentlich-
vor Lebensmitteln einstellen. Das ge- Foodwatch zum Thema Lebensmittel- keit davon erfuhr.
schehe aber nur lückenhaft, langsam sicherheit erfuhr ich, dass es jemanden
und schlampig, kritisiert Kretschmann. gibt, der im Münsterland privat bloggt, Worin liegt Ihr persönlicher
Selbst bei lebensgefährlichen Mängeln in welchen Produkten Glasscherben Erkenntnisgewinn?
würde verzögert zurückgerufen. So ist oder Salmonellen stecken. Da war für Langhans: Erstaunt hat mich ein be-
›Überzeugungstäter‹ Kretschmann oft mich sofort klar: Ich will diesen Mann hördliches Schreiben, das mir im Zuge
schneller als die Behörden. kennenlernen. der Recherchen zugespielt wurde. Es
zeigt, wie kompliziert die Rechtslage
Der doppeldeutige Titel zieht den Leser Ich bin nach Greven gefahren und für Lebensmittelkontrolleure ist. Nach
in die wunderbare Porträt-Reportage habe mir angeschaut, wie Gert EU-Kriterien für Lebensmittelsicherheit
des Online-Portalbetreibers hinein. Kretschmann, Rentner und IT-Fach- darf ein Hersteller Hackfleisch nicht
Ein Rentner, der auf eigene Faust und mann, in seinem Keller im Schummer- mehr verkaufen, wenn er bei einer
mit bewundernswertem Engagement licht arbeitet. Er hat sich Google-Alerts Eigenkontrolle feststellt, dass zum Bei-
Gefahrenmeldungen veröffentlicht eingerichtet, die ihn schnell informie- spiel zu viele Salmonellen gemessen
und damit den ›Verbraucherschelmen‹ ren, wenn ein Hersteller gefährliche werden. Wenn aber ein amtlicher Kon-
im Nacken sitzt. Schon die Leistung Produkte zurückruft. Vor Ort konnte trolleur dieselbe Belastung findet, muss
der Autorin, diesen engagierten Men- ich live miterleben, wie auf seiner Seite er zusätzlich nachweisen, dass tatsäch-
schen entdeckt zu haben, ist hoch ›produktrueckrufe.de‹ schneller eine lich eine Gesundheitsgefahr besteht.
einzuschätzen. Langhans hat darüber Warnmeldung zu mit Fipronil kontami- Das ist absurd.
hinaus umfänglich recherchiert: Sie nierten Eiern stand als auf der von Be-
erklärt unterschiedlichste Aspekte hörden gespeisten Seite ›lebensmittel-
des Verbraucherschutzes bis hin zu warnung.de‹. Wieder in der Redaktion
juristischen Fragen der Haftung. Auch wollte ich wissen, wie oft Kretschmann
menschelt die Geschichte und sie ist schneller war als die Behörden. Und
gut sowie spannend erzählt. Ein wich- ein Datenvergleich der Seiten ergab:
tiger Artikel, weil er symptomatisch Allein binnen eines halben Jahres war
aufzeigt: Bei Produktrückrufen kom- Kretschmann neun Mal zügiger darin,
men die zuständigen Behörden ihren vor Gefahren in Lebensmitteln zu war-
Informationspflichten offenbar zu spät nen, als die Bundesseite.
nach. Es ist empörend, dass der Einzel-
kämpfer Kretschmann oft schneller Mit welchen Herausforderungen waren
warnt. Das ist Verbraucherschutz pur Sie bei der Recherche konfrontiert?
und spiegelt die Intention des Her- Langhans: Es war gar nicht so leicht,
mann-Schulze-Delitzsch-Preises am Insider der Rückrufbranche zu finden,
stärksten wider. die ehrlich darüber sprechen wollten,
an welchen Schwachstellen das System
hakt. Mich hat dann überrascht, dass
Insidern zufolge etwa 90 Prozent der
Rückrufe still ablaufen. Das bedeutet,
Hersteller rufen Produkte zurück, bei Den Artikel abrufen:
denen Spülmittel oder Listerien vor- www.gv-bayern.de/journalistenpreise
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Förderpreis 2018 für junge Journalisten zum Thema Digitalisierung Preisträgerin: Jana Wolf ›Künstliche Intelligenz und Arbeitswelt 4.0‹ Mittelbayerische Zeitung, Serie 03 bis 17/2017 Begründung der Jury Roboter lenken Autos, intelligente vielfältigen Anwendungsbereiche von wie Menschen handeln. Bekannt Computer erkennen schwere Krank- künstlicher Intelligenz unter die Lupe. wurde der Fall der Start-up-Gründerin heiten, Algorithmen helfen bei der Alle Beiträge eint, dass es immer auch Eugenia Kuyda, die ihren tödlich verun- Suizidprävention. Das alles ist heute um die weitreichende Frage geht, wie glückten Freund durch Chatbots und möglich. In der crossmedialen Serie künstliche Intelligenz unsere Gesell- lernfähige, intelligente Programme ›Künstliche Intelligenz und Arbeitswelt schaft verändert. Wolf beschreibt bei- ›wiederbelebte‹ und von seiner künst- 4.0.‹ in der Mittelbayerischen Zeitung spielsweise, wie lernfähige Programme lichen Nachahmung nun im Tonfall nimmt die junge Autorin Jana Wolf die die Art und Weise nachahmen können, verblüffend ähnliche E-Mails und 8
Foto © Johann Ziereis
Jana Wolf Fragen an die Preisträgerin
Nachrichten erhält. In einem weite- Wie sind Sie auf die Idee ren. Dazu brauchte es geeignete
ren Artikel aus der Reihe berichtet für die Serie gekommen? Ansprechpartner, die die Technologie
Wolf über künstliche Intelligenz, die Wolf: Das Thema ›künstliche Intel- seriös beurteilen können und zugleich
im Bereich Seelsorge zum Einsatz ligenz‹ (KI) tauchte in Redaktions- einen Bezug zur Region haben. Ohne
kommt. Auch gesellschaftlich-ethische konferenzen immer wieder auf – in dass sie nur eigene Produkte oder die
Fragen werden aufgeworfen: Gibt es unterschiedlichen Zusammenhängen. eigene Forschung bewerben wollen.
bei Krankheiten ein Recht auf Nicht- Mal ging es um neue Finanz-Apps, von Eine andere Herausforderung: Ist die
Wissen? Und wie hoch ist die Gefahr denen die Bankfiliale um die Ecke unter Rede von KI, werden oft Begriffe durch-
einer Entsolidarisierung, wenn künftig Konkurrenzdruck gesetzt wird. Mal um einander geworfen: Robotik, Big Data,
Krankheiten präzise vorhergesagt wer- eine Software zur Diagnose von Krebs, Deep Learning oder Algorithmen sind
den können? die an der Regensburger FH entwickelt eben nicht das Gleiche. Mein Ziel war
wird. Oder um intelligente Videoüber- es, präzise zu bleiben.
Wolf ist eine handwerklich gut ge- wachungssysteme, die in der Nähe
machte, informative Serie zum kom- der Redaktion der Mittelbayerischen Worin liegt Ihr Erkenntnisgewinn?
plexen Thema ›künstliche Intelligenz‹ Zeitung (MZ) produziert werden. Die Wolf: Ich habe mich in der Serie auf
gelungen. Sie bespielt es von unter- Beobachtung, dass KI nicht nur im Bereiche fokussiert, die den Menschen
schiedlichen Seiten und greift dabei Silicon Valley, sondern auch in der nahe kommen: auf neue Kommunika-
spannende Anwendungsformen auf. Region ein heißes Thema ist, gab den tionsformen zum Beispiel und auf die
Das globale Thema holt sie in die Regi- Anstoß zur Serie. Gestalt gewonnen Frage, ob Chatbots Menschen nachah-
on: Mehrfach hakt sie beispielsweise hat die Idee dann im Austausch mit men können. Oder auf Therapiemetho-
bei der Fachhochschule Regensburg meinem MZ-Kollegen Stefan Stark. Wir den in der Psychologie und auf die Fra-
nach. Ihre Artikel überzeugen dabei haben uns gefragt, wie wir all die An- ge, ob KI-Technologien dabei tatsäch-
durch journalistische Stilsicherheit. wendungsbereiche von KI unter einen lich helfen können. Ich wusste etwa bis
Wolf gelingen mitreißende Feature- Hut bekommen. Und wie wir komple- zu dieser Recherche nicht, dass Spin-
Einstiege – so beispielsweise in der xe Technologien am besten für unsere nenphobien mit Virtual-Reality-Brillen
Reportage über die Therapie von Leserschaft aufbereiten. Die Texte therapiert werden können. Oder dass
Spinnenphobikern. Die crossmediale sollten in der Region verankert sein Facebook-Algorithmen als Warnsystem
Umsetzung ist mit flächigen Optiken, und zeigen, welchen Einfluss KI auf die bei Suizidgefahr eingesetzt werden.
Online-Bildergalerien, Videos und Arbeits- und Lebenswelt hat. Ich habe auch festgestellt, wie viele
Info-Boxen für eine Regionalzeitung Mythen sich um die KI gebildet haben
mustergültig. In ihrer Gesamtheit ist Mit welchen Herausforderungen und welche erstaunlichen Fähigkeiten
die Serie für eine Nachwuchsjournalis- waren Sie konfrontiert? Maschinen angedichtet werden. Nach
tin beeindruckend konzipiert. Sie geht Wolf: Diskussionen um neue Techno- dieser Serie bin ich umso mehr davon
nach Meinung der Jury dabei an die logien sind oft sehr emotional aufge- überzeugt, dass sich nicht alle Verän-
Grenzen dessen, was eine regionale laden und schlagen schnell in Extreme derungen durch KI über einen Kamm
Tageszeitung leisten kann: Jana Wolf aus: Die einen sehen in intelligenten scheren lassen, auch weil am Ende der
hat viel Zeit investiert und investieren Computern die besseren Menschen, Mensch die Maschinen programmiert
dürfen. Sie schafft es, den ›Megatrend‹ die anderen warnen vor Jobkillern oder und ihren Handlungsspielraum fest-
künstliche Intelligenz auch Bevölke- vor dem Kontrollverlust gegenüber legt. Durch die Recherche habe ich
rungsschichten nahezubringen, die übermächtigen Systemen. Ich fand es also nicht nur viel über Computer,
davon möglicherweise noch gar nicht herausfordernd, die richtige Balance sondern auch so manches
betroffen sind, es aber sein werden. Sie zu finden: Technische Aspekte genau über Menschen gelernt.
ist damit eine würdige Preisträgerin. erklären, technologischen Fortschritt
differenziert einordnen und ethische
Fragen beleuchten – und dabei keine Die Serie abrufen:
Schreckensszenarien heraufbeschwö- www.gv-bayern.de/journalistenpreise
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Rückblick
Die Preisträger 2017: Die Preisträger 2016:
Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis
Jessica Seidel, Valerie Tielich, Simon Kunert Julia Graven
›Ostbayern 4.0‹ ›Weiter geht ’s‹
Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung Impulse
Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis
Hannes Grassegger, Dr. Till Krause Philipp Grüll
›Im Netz des Bösen‹ ›Die Story: Salmonellenausbruch
Süddeutsche Zeitung Magazin – die Spur führt nach Niederbayern‹
Bayerischer Rundfunk/BR Fernsehen, Kontrovers
Förderpreis für junge Journalisten
Moritz Aisslinger Frederik Obermaier
›Die armen Kinder vom Silicon Valley‹ ›Verdorben‹
Die Zeit Süddeutsche Zeitung
Förderpreis für junge Journalisten
Julia Häglsperger, Robert Grantner
›Jetzt mal ehrlich: Wie sicher sind unsere Daten?‹
Bayerischer Rundfunk/BR Fernsehen
Die Preisträger 2015: Die Preisträger 2014:
Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis
Sebastian Heinrich Winfried Schuhmann, Gerd Vanselow
›Der alte Mann und die Donau‹ ›Neue Bauern, altes Dorf‹
Mittelbayerische Zeitung Medienwerkstatt Franken, Franken TV
Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis Robert H. Schumann, Günther Wittmann
Christiane Hawranek, Maximilian Zierer ›Großmarkt der Betriebsamkeit‹
›Unter Beobachtung: Wie Überwachungs- Medienwerkstatt Franken, Franken TV
kameras unser Leben ausspähen‹
Bayerischer Rundfunk ›Pizza International‹
(Hörfunk B5 Aktuell, Redaktion Politik und Medienwerkstatt Franken, Franken TV
Hintergrund, Funkstreifzug) und Webstory
Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis
Förderpreis für junge Journalisten Susanne Schäfer
Susanne Weiß ›Alles unverträglich? Millionen Deutsche
›Dorfläden – eine bedrohte Idylle‹ glauben, Brot, Milch oder Obst machten sie krank‹,
Münchner Merkur/Tölzer Kurier Die Zeit , 21. November 2013
Die Preisträger 2013: Die Preisträger 2012:
Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis
Peter Wagner: Sonja Krell, Michael Kerler, Detlef Drewes:
›Entscheidung in Sicht‹ ›Warum die Hälfte unserer Lebensmittel
jetzt-Magazin / Schule & Job / im Abfall landet‹
Süddeutsche Zeitung Augsburger Allgemeine
Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis
Stefan Schmid: Pauline Tillmann:
›Genuss-Scheine wörtlich genommen: ›Abgespeist – Warum die Verbraucher von
Wenn Anleger ihre Rendite in Naturalien den Behörden schlecht informiert werden‹
bekommen‹ B5 aktuell, Funkstreifzug
Bayern 2
Matthias Dachtler:
Volontärspreis ›Geplante Obsoleszenz‹
Hannes Vollmuth: br-alpha/on3-südwild
›Die Montagsdemonstrantin‹
taz Volontärspreis
49. Kompaktklasse der Dt. Journalistenschule
in München:
›Ich rette Deutschland‹
AFK TV
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Genossenschaftsverband Bayern e. V. Stab Medien und Kommunikation Türkenstraße 22 – 24 80333 München Tel. (0 89) 28 68 - 34 02 Fax (0 89) 28 68 - 34 05 presse@gv-bayern.de Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Florian Ernst Redaktion: Ursula Weiß Alles zu den Journalistenpreisen der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken: www.gv-bayern.de/journalistenpreise
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