Friedrich Kasy und die Vartian-Sammlung - Ein wissenschaftliches Schweinebegräbnis
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SOMMER 2021 Friedrich Kasy und die Vartian-Sammlung TITELSTORY Ein wissenschaftliches Schweinebegräbnis FORSCHUNG »Forscher-Selfies« des 19. Jahrhunderts EINST & JETZT
Livin Farms entwickelt innovative Technologien für die Zucht von Insekten. Lebensmittelreste können mithilfe von Insekten verwertet und wieder zu wertvollen Proteinen umgewandelt werden. Auf diese Weise können Kreisläufe geschlossen und Ernährungssysteme nachhaltiger gestaltet werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Wissens vermittlung. Im Rahmen des Explorer www.livinfarms.com Challenge Schulprojektes bringt Livin Farms die Themen Nachhaltigkeit, Kreislauf contact@livinfarms.com wirtschaft und Insekten an Wiener Schulen. @livinfarms 2 Öffentliche Mittelschulen in Wien können kostenlos am Explorer Challenge Schul projekt teilnehmen und sich schon jetzt für das Schuljahr 2021/22 voranmelden. Mehr Informationen zum Projekt auf thehiveexplorer.com Kontakt Explorer Challenge Schulprojekt: mariela@livinfarms.com Livin Farms und die Explore Challenge werden sich im Rahmen des Wiener Ferien spieles von 25. bis 28. August 2021 in der Ausstellung Ablaufdatum. Wenn aus Lebensmitteln Müll wird, die noch bis 5. September 2021 im NHM Wien zu sehen ist, präsentieren. B E Z A H LT E A N Z E I G E Medieninhaber: Naturhistorisches Museum Wien, w. A. ö. R., Burgring 7, 1010 Wien | Gedruckt nach der Richtlinie »Druckerzeugnisse« Konzept: Capitale Wien | Produktion: Druckerei Walla GmbH, 1050 Wien | des Österreichischen Umweltzeichens, Riedeldruck Herausgeber: Andreas Kroh & Andrea Krapf | Technische Unterstützung: GmbH, Auersthal UW-Nr. 966 Josef Muhsil-Schamall | Redaktion: Stefan Eichert, Andreas Hantschk, Christoph Hörweg, Stefanie Jovanovic-Kruspel, Irina Kubadinow Bitte sammeln Sie Altpapier für das Recycling. The print version of this magazine is awarded Link zur Offenlegung gem. §25 MedienG: www.nhm-wien.ac.at/impressum the EU Ecolabel licence number: EU Ecolabel: AT/028/049 Titelbild: Roter Apollo (Parnassius apollo), Foto: Alice Schumacher.
Liebe Leserin, I N H A LT lieber Leser, 4 die Zeit der Selbstisolation endet, Sie kön- TITELSTORY nen wieder durchs Haus streifen und da- Wie der Forscher Friedrich Kasy die Natur freikaufte rüber bei einer Erfrischung im wunder- schönen Café ins Gespräch kommen. Es 8 summt und brummt nicht nur im Haus PORTRAIT In der Dinowerkstatt und auf dem Dach, sondern auch drau- ßen: In der Außenstelle Petronell werden 11 wieder Bootsfahrten angeboten; die Fos- ZAHLENSPIELE silfinder-App motiviert zum Durchstreifen Schmetterlinge des Wienerwaldes. Dort wird man auch auf Schmetterlinge stoßen. Diese Grup- 12 FORSCHUNG pe und speziell die Vartian-Schmetter- Ein wissenschaftliches lings-Sammlung sind ein Schwerpunkt Schweinebegräbnis des Heftes: Warum werden Schmetterlin- 14 ge überhaupt in endlosen Kästen aufbe- CITIZEN SCIENCE wahrt? Welche Erkenntnisse werden dar- Fossilien finden leicht gemacht aus gezogen, und wie können diese dann auch so umgesetzt werden, dass langfris- 16 EINST & JETZT tig der Lebensraum für die Schmetterlin- »Forscher-Selfies« ge, Wanzen, Käfer oder Feldhamster des 19. Jahrhunderts erhalten bleibt? 18 FREUNDE NHM Naturverbundener Steirer trifft zierliche Venus und dynamischen Spannende Erkenntnisse und vor allem Homo sapiens viel Spaß beim Lesen wünschen Ihnen 20 FORSCHUNG Katrin Vohland (Generaldirektorin) Naturschutzforensik: Markus Roboch (wirtschaftlicher Geschäftsführer) dem illegalen Tier- und Pflanzenhandel auf der Spur 23 KIDS’ CORNER Der Feenstaub der Schmetterlinge IMPRESSUM gegenüberliegende Seite
TITELSTORY Wie der Forscher Friedrich Kasy die 4 Natur freikaufte Text: Andreas Hantschk, Martin Lödl & Sabine Gaal-Haszler Fotos: Alice Schumacher & Martin Lödl Schon lange bevor »Natur auf der rechten ker gefürchtet, seine Genauigkeit Seite: Ein winziger bei wissenschaftlichen Arbeiten freikaufen« zur Initialzün- Teil der umfang wurde in Fachkreisen geachtet. dung von Naturschutzge- reichen Sammlung von Eva Vartian, Ganz im Sinne des Museums bieten und Nationalparks die heute im NHM war ein wesentlicher Teil von Ka- wurde, setzte Friedrich aufbewahrt wird sys Forschungsarbeit mit Reisen Kasy, ein Mitarbeiter des verbunden: Zehn Reisen nach Ma- nhm Wien, ein Zeichen. zedonien, Fahrten nach Marokko, Armenien und in den Iran sowie Von seinem Gehalt kaufte die Teilnahme an der Expedition er wertvolle Flächen, nach Nubien in Ägypten zeugen um sie vor der Zerstörung von Abenteuerlust und Ausdauer. zu bewahren. Drei von insgesamt sechs großen Expeditionen in den Nahen und Mittleren Osten führte der For- Friedrich Kasy wurde 1920 in Wien scher gemeinsam mit dem Ehe- geboren. Seine Reifeprüfung leg- paar Eva und Asad Vartian durch. te er 1940 an der Bundeslehr- und So steht sein Name auch in direk- Versuchsanstalt für chemische In- ter Verbindung mit einer wahren dustrie ab. Erst nach dem Krieg Perle unter den insektenkundli- konnte er sich seinen Traum erfül- chen Sammlungen unseres Mu- len: Er studierte Zoologie und Bo- seums: der Vartian-Sammlung, die tanik an der Universität Wien. Der heute in einem eigenen Raum im Insektenforscher und Naturschüt- Dachgeschoß untergebracht ist. zer wurde 1956 in den wissen- schaftlichen Dienst des NHM Wien aufgenommen. Von 1970 bis 1985 »Allein in die Rettung der leitete er dort die Schmetterlings- sammlung. Als Wissenschaftler bekannten Zitzmanns hat sich Kasy mit der Erforschung dorfer Wiesen im Burgen- einiger Familien der Kleinschmet- terlinge einen Namen gemacht. land steckte er zehn Unter Kolleg*innen war er als Kriti- Monatsgehälter.«
TITELSTORY Eva Vartian (1925–2017) beglei- tete über Jahrzehnte ihren Mann, »Die von Friedrich Kasy einen bekannten Wiener Teppich- händler, auf seinen Einkaufsrei- begründeten Natur sen in den Orient. Die Künstlerin schutzgebiete stellen bis und Entomologin nutzte die Zeit, um Schmetterlinge zu sammeln zum heutigen Tag wert und zu dokumentieren. »Vartian, volle Inseln der Bio The Carpet Company« existiert noch heute, das Stammhaus be- diversität in der Um findet sich in der Wipplinger- gebung von Wien dar.« straße in Wien. 1995 erwarb das NHM Wien die überaus wertvol- 6 le Sammlung von Eva Vartian, was schaft die letzten, vergleichsweise dem Einfühlungsvermögen und winzigen Biodiverstitäts-Hotspots Fingerspitzengefühl von Kasys buchstäblich am Rande der Ver- Nachfolger als Leiter der Schmet- nichtung standen. terlingssammlung, Martin Lödl, zu Kasy investierte nicht nur Zeit verdanken ist. Er leitet heute die und Mühe, sondern auch beträcht- zweite Zoologische Abteilung. Der liche Summen an Geld für zunächst Ankauf wird als Meilenstein in der private Ankäufe von Grundstü- entomologischen Geschichte Ös- cken. Einer Festschrift zu seinem terreichs gewertet. 65. Geburtstag in den Annalen Wenn Friedrich Kasy nicht ge- des NHM Wien ist zu entnehmen, rade mit dem Ehepaar Vartian un- dass er allein in die Rettung der terwegs war oder, wie in seinen bekannten Zitzmannsdorfer Wie- späten Jahren, Nationalparks in sen im Burgenland zehn Monats- Afrika und anderen Erdteilen be- gehälter eines A-Beamten steckte suchte, widmete er sich mit großer – und dies, wie es heißt, ohne über Leidenschaft dem Schutz von Na- Nebeneinkünfte zu verfügen! turlandschaften im Osten Öster- In einem 1967 erschienenen reichs. Schnell erkannte er, dass in Friedrich Kasy bei Artikel beschreibt Kasy die Be- der intensiv genutzten Agrarland- der Freilandarbeit. mühungen um den Schutz der Pi- schelsdorfer Fischawiesen im Sü- den von Wien. Das von den Flüssen Fischa und Leitha durchflossene Gebiet ist der Rest einstmals aus- gedehnter Wiesenlandschaften der feuchten Ebene. Nasse sowie trockene Standorte finden sich in engster Verzahnung, sodass die außergewöhnliche Landschaft zu den artenreichsten heimischen Biotopkomplexen gehört. Die Un- terschutzstellung des Gebietes ist zu einem guten Teil der Hartnä- ckigkeit von Friedrich Kasy zu ver- danken. Er konnte die Landespo- litik sogar dazu motivieren, zehn Hektar der wertvollsten Flächen anzukaufen. In seiner Argumen- tation bleibt er trotz aller Begeis-
befinden. Neben botanischen und entomologischen Raritäten emp- fiehlt sich diese Gegend auch al- len Freund*innen von Wirbeltie- ren. Das Schutzgebiet beherbergt ein wichtiges Brutvorkommen der Heidelerche sowie eine der größ- ten Populationen der Smaragdei- dechse in Österreich. In pionierhafter Weise begann Friedrich Kasy Anfang der 1970er– Jahre, aufgelassene Weingarten- terung Realist: Die Belassung eini- Originalzeichnung flächen entlang der Thermenlinie ger natürlicher Restflächen könne einer Ziermotte anzukaufen. Noch heute wird eine von Eva Vartian, dazu beitragen, die chemischen, am Waldrand befindliche Hüt- die Friedrich Kasy physikalischen und biologischen nach der Künstlerin te, die dem großen Entomologen 7 Veränderungen des Bodens durch benannte. und Naturschützer als Unterstand intensive Bewirtschaftung zu stu- diente, respektvoll als Kasy-Hütte dieren. Denn am Rande des pro- bezeichnet. jektierten Schutzgebietes hatten Die von Friedrich Kasy begrün- Landwirte damals bereits begon- deten Naturschutzgebiete stel- nen, den Boden umzuackern. Der len bis zum heutigen Tag wertvol- enthusiastische Titel des Artikels le Inseln der Biodiversität inmitten (»Ein Stück Wiesenherrlichkeit einer von Flächenverbrauch, Bo- vor den Toren Wiens gerettet«) denversiegelung und Intensivland- ist aus dieser Vorgeschichte her- wirtschaft zerstörten Landschaft in aus durchaus verständlich. Heu- der näheren und weiteren Umge- te umfasst das Naturschutzgebiet bung von Wien dar. Nicht nur für Pischelsdorfer Fischawiesen 17,5 die Forschung sind sie von interna- Hektar in Eigentum und Pacht. tionaler Bedeutung. Die geschütz- Schon früh beschäftigte sich ten Gebiete sind auch Orte der Kasy mit der Lichtfangtechnik, bei Umweltpädagogik und Wissens- der nachtaktive Schmetterlinge vermittlung. Bei Wanderungen mithilfe heller Lichtquellen ange- oder Exkursionen sieht man hier, lockt werden. Dabei entdeckte er was naturnahe Landschaften im in langen Leuchtnächten die Na- Osten Österreichs sind und »kön- tur zumeist allein. Seine zahlrei- nen«. Und vielleicht sind sie dar- chen Abenteuer im In- und Aus- über hinaus auch ein Beispiel für land waren Gegenstand launiger eine gute Investition eines öster- Erzählungen am Leuchttuch, reichischen (Beamten-)Gehaltes! wenn er doch einmal Kolleg*innen einlud, ihn zu begleiten. Aktion »Natur freikaufen« Wer sich auf einen Spazier- vom Naturschutzbund gang entlang der Thermenlinie Niederösterreich: zwischen Gumpoldskirchen und Pfaffstätten begibt, fühlt sich in- Die Pischelsdorfer Fischawiesen mitten von Trockenrasen und sind ein besonders schmetter- Flaumeichenwäldern schon bald lingsreicher Lebensraum: wie in einer anderen, mediterra- nen Welt! Das Schutzgebiet Glas- lauterriegel-Heferlberg-Fluxberg Der Künstlerin und Schmetter- lingssammlerin Eva Vartian ist umfasst heute mehr als 24 Hekt- in der Ausstellung »Sehnsucht ar, die sich überwiegend im Eigen- Ferne« ein Bereich gewidmet tum des Naturschutzbundes NÖ (siehe Heftrückseite):
Ihre Sammlung ist mit 3,5 Millio- nen Fossilien ohnehin ein außer- gewöhnliches Archiv über die Erdgeschichte. Aber was momen- tan vorbereitet wird, toppt alles: Ein Trio aus der geologisch-palä ontologischen Abteilung präpa- riert den ersten europäischen Di- nosaurier des Naturhistorischen Museums Wien. 9 Interview: Redaktionsteam »Naturhistorisches« Fotos: Alice Schumacher & Thomas Filek »Ich wollte jedes Wochenende ins Muse- l inks: Iris Feichtinger Fundstelle von frühen Dinosauriern aus der um«, erinnert sich Anton Fürst. Dinos ha- beim Vermessen Trias-Zeit. In einer Tongrube fand man in eines Oberschenkel ben ihn schon als Kind interessiert. Auch den 1970er Jahren erstmals Fossilien. Rasch knochens des seine Diplomarbeit verfasste der Paläon- Plateosaurus. zeigte sich, dass ganze Skelette von mehre- tologe über Stegosaurier. Seit zwölf Jahren ren Tieren erhalten waren. arbeitet er im Naturhistorischen Museum auf dieser Seite: Die Knochen von »Plateo« waren in Wien. Das aktuelle Projekt ist definitiv ein 3D-gedruckte Kartons einzeln verpackt und beschriftet, »Ersatzteile« Highlight in seiner Karriere: Das Haus be- in der Hoffnung, dass die Zollbeamten sie werden mit Pig- kommt das Skelett eines Plateosaurus als menten eingefärbt. nicht öffnen und durcheinanderbringen Dauerleihgabe. Fürst knüpfte dafür den würden. Heil in Wien angekommen, muss- Kontakt in die Schweiz. ten die rund 300 Einzelteile vom Sediment In Österreich gibt es nur wenige Fund- befreit und mit Kunstharz gehärtet werden. stellen. Durch ein paar Zufallsfunde kennt Jetzt liegen sie feinsäuberlich beschrif- man einzelne Saurierknochen, gesamte tet in stapelbaren Kisten in der Werkstatt Skelette entdeckte man hierzulande noch der geologisch-paläontologischen Abtei- nie. Und Originalskelette von Dinosauri- lung. Anton Englert bastelt sie Stück für ern sind für Museen eigentlich kaum leist- Stück mit viel Geschick und Feingefühl auf bar. Umso erfreulicher ist der Neuzugang. ein Gerüst. Dass er gelernter Mechaniker Begeistert schildert Anton Fürst den Ro- und Anlagenmonteur ist, kommt ihm da- adtrip mit dem hauseigenen Bus. Das For- bei zugute. Das Gestell schneidert er dem scherteam holte das Objekt aus Frick. Die Skelett quasi auf den Leib. Genauer gesagt: kleine Gemeinde im Kanton Aargau gilt un- er schmiedet, schweißt, dreht und bohrt ter Fans als die bedeutendste europäische es. Beachten muss Englert, ein Tüftler und schon seit 29 Jahren am Naturhistorischen Museum, dabei vieles: Die Körperhaltung »Ich wollte jedes sollte dem letzten Stand der Wissenschaft entsprechen und dynamisch wirken, aber Wochenende dennoch stabil sein. Der Pflanzenfresser lief vorwiegend auf den Hinterbeinen. Au- ins Museum.« ßerdem müssen die fossilen Teile im Metall- gerüst gut fixiert sein, sie dürfen aber nicht unter Spannung stehen. Mag. Anton Fürst, Präparator
PORTRAIT Plateosaurier lebten wahrscheinlich in Bevor Anton Englert die Knochen aber kleinen Gruppen in einer steppenartigen montieren kann, gehen sie durch die Hän- Landschaft. Im trockenheißen Klima der de von Iris Feichtinger. Sie ist die dritte im Trias-Zeit waren Wasserlöcher überlebens- Präparationsteam. Vor ihr am Arbeitsplatz wichtig für sie. Auf der Suche nach Wasser zwischen Schwämmchen, Bürsten, Pinsel, blieben immer wieder Saurier im weichen Klebstofftuben und Farbpigmentdöschen Schlamm rund um die Quellen stecken und liegt ein Schulterblatt auf Schaumstoff ge- konnten sich nicht mehr befreien. So kam bettet. »Ich war überrascht, dass es so gut es zu der einzigartigen Ansammlung an erhalten war«, sagt sie über das fragile Skeletten. Die verwesenden Kadaver wur- Stück. Das Alter des Neo-Wieners wird von den häufig von kleinen Raubsauriern, von den Wissenschaftler*innen übrigens auf 210 denen ebenfalls Teile gefunden wurden, an- bis 220 Millionen Jahre geschätzt. gefressen. Einzelne Knochen verschleppten Apropos: Zur Zeit der Entdeckung von 10 sie. Daher sind die Skelette kaum vollstän- unten: Anton Fürst Plateosaurus gab es den Begriff Dinosaurier (links) und Anton dig. Auch unser »Plateo« ist nur zu 60 Pro- noch gar nicht! Dieser Terminus wurde Englert (rechts) zent erhalten, ein zweites Exemplar dient bei der Montage erst 1841 durch den englischen Anatomen als »Ersatzteillager«. des Skelettes. Richard Owen eingeführt. Plateosaurus war somit einer der ersten Dinosaurier, die mit einem eigenen Namen bedacht wurden. Den ersten Fund eines Knochens der Rie- »Ich war überrascht, senechse machte 1834 der Chemielehrer Johann Friedrich Engelhardt in einer Ton- dass es so gut grube bei Nürnberg. Deswegen steht auf den Skizzen in der Werkstatt als Bezeichnung erhalten war.« der Spezies »Plateosaurus engelhardti«. Benannt wurde die Art 1913 durch den deut- schen Paläontologen Eberhard Fraas, der Iris Feichtinger BSc. MSc., Präparatorin ihr den Namen Plaetosaurus trossingensis gab. Die Forscher*innen nennen ihn »Pla- teo«. Noch. Vielleicht bekommt er ja einen eigenen Namen, wenn er für Ausstellung im Herbst fertig herausgeputzt ist.
ZAHLENSPIELE Text: Sabine Gaal-Haszler Grafik: Josef Muhsil-Schamall Bis zu 28 cm beträgt die Flügelspann Die schnellsten Flieger sind die Schwärmer mit 50 km/h weite des größten Tag- falters, des Königin-Ale- auf Langstrecken. Die Windenschwärmer fliegen auf Kurzstrecken. 100 km/h xandra-Vogelfalters (Ornithoptera alexandrae). Bis zu cm Flügelspannweite kann die 31 11 Weiße Hexe (Thysania agrippina) aus Südamerika, der größte Bis zu 16 cm Flügelspannweite kann der größte Nachtfalter, erreichen. Schmetterling Österreichs – das Große Wiener Nachtpfauenauge (Saturnia pyri) – aus der Familie der Pfauenspinner erreichen. Mehr als 3.000 km legen die Monarchfalter (Danaus plexippus) auf ihrer Wanderung über den nord amerikanischen Kontinent zurück. Nur 4 mm Flügelspannweite haben die kleinsten Schmetterlinge USA der Welt. Sie gehören zur Familie der Zwergminiermotten (Nepticulidae). 25 cm lang (und damit länger als sein Körper) ist der Rüssel des Schwärmers Xanthopan morganii 400 cm praedicta. Er bestäubt die Orchidee 2 Angraecum sesquipedale auf Madagaskar. Flügelfläche, und damit Charles Darwin sah die Blüte dieser Orchidee und sagte voraus, dass es einen Falter mit einem solch langen mehr als jede andere Art, Rüssel geben müsse, um den Nektar sammeln zu können. erreicht der südostasiatische Das Tier selbst wurde erst viele Jahre später entdeckt und Atlasspinner (Attacus atlas). erhielt den Beinamen »praedicta«, die Vorausgesagte.
FORSCHUNG Ein wissenschaft- liches Schweine begräbnis 12
Experimentelle Archäologie kann wertvolle Erkenntnisse rund um prähistorische Grabriten bringen. In Asparn an der Zaya wurden für ein Forschungsprojekt bronze- und eisenzeitliche Bestattungen nachgestellt. Mit Schweinen statt menschlicher Körper. Text: Karina Grömer Fotos: Peter Grömer & Andrea Krapf 13 Im Sommer 2018 und 2019 rückte die Frei- l inks: In den Nach der Verbrennung dokumentier- willige Feuerwehr des niederösterreichi- Flammen vergeht ten die Wissenschaftler*innen die übrig nicht nur brenn schen Ortes Asparn an der Zaya aus. Der gebliebenen Reste – Knochen, verschmor- bares Material – ungewöhnliche Einsatz: Sie assistierten auch Grabbeigaben te Metall- und Keramikobjekte und sogar im archäologischen Freilichtmuseum MA- aus Ton oder Metall Textilreste – wissenschaftlich mit einer MUZ bei einer Brandbestattung. Ein bunt- verformen sich. »Ausgrabung«. Alles sollte dann – wie das gemischtes Team aus Wissenschaftler*in- auch in prähistorischen Zeiten der Fall ge- nen verschiedener Disziplinen errichtete oben: Bei beiden wesen sein dürfte – in Urnen oder als Lei- den Scheiterhaufen. Darauf wurde ein to- Experimenten chenbrandschüttung endgültig in einem wurden ähnliche tes Schwein verbrannt. Ausgestattet wur- Grab deponiert werden. Der mittelbronze- Beigaben ver de das Tier mit Bronzeobjekten, wie man wendet. zeitliche Grabhügel wurde im November sie in Inzersdorf ob der Traisen gefunden 2020 nach dem Vorbild und mit den Origi- hatte. Eine Doktorarbeit an der Universi- nalsteinen des Gräberfeldes Pitten im Frei- tät Wien befasste sich mit dem 3.000 Jah- lichtmuseum nachgebaut. Dieser Grabhügel re alten, spätbronzezeitlichen Gräberfeld hatte zwei Kammern, was dem Forschungs- im Traisental. Mit einer experimentellen unten: Neben team die Möglichkeit gab, neben der Brand- Gegenständen Brandbestattung wollte die Jungforscherin auch eine Körperbestattung anzulegen. wurden oft auch das Rätsel um Bronzeartefakte, die auf un- Speisen als Bei Bei letzterer beerdigte man ebenfalls ein terschiedliche Art verschmort waren, lösen. gaben bestattet. Schwein, ausgestattet mit denselben Bei- gaben wie bei den Verbrennungen, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Die Grabbeigaben sowie die textile Aus- stattung des Schweines stellte man nach 2.800 Jahre alten Mustern her. Auch Haar- spiralen aus Bronze werden immer wie- der gefunden. Sie wurden an meinen blon- den Zöpfen befestigt, die ich extra für die Schweinekremation abgeschnitten habe. Das Experiment ist als Langzeitstudie angelegt: nach 20 Jahren soll der Grabhügel geöffnet und die noch erhaltenen Überreste wissenschaftlich untersucht werden. Podcast mit Karina Grömer über blonde Zöpfe und tote Schweine:
CITIZEN SCIENCE 14 Fossilien Seit mehr als 50 Jahren sammelt Dr. Peter Skoumal Fossilien. Schon in seiner Jugend begeisterte er sich für die Formen der Fossi finden lien, die er in der Umgebung von Gmunden fand. Das Gebiet im Inneren Salzkammer gut ist bekannt für seinen außerordentli leicht chen Fossilreichtum und wird vom NHM Wien seit Jahrzehnten beforscht. So konn- te der Geologe Dr. Herbert Summesberger gemacht beim Bau einer Forststraße in den 1970er Jahren den Gosauer Riesenammoniten fin- den, der im Saal 8 ausgestellt ist. Ging es Skoumal anfangs um die Schön heit der Objekte, wollte er bald mehr erfah Text: Irina Kubadinow ren. Summesberger weckte in ihm das In Fotos: Alexander Lukeneder & www.mockuptree.com teresse an den Geschichten, die Fossilien erzählen. Gemeinsam publizierten Sum mesberger und Skoumal drei wissenschaft Unter dem Begriff »Citizen Sci Frisch aus dem Ge- stein: ein fossiler ence« versteht man die Teilhabe Kopffüßer (ausge- an Forschung durch Bürgerinnen storbener Verwand- und Bürger. Durch die Zusammen ter der heutigen »Es ist ein Geben arbeit von Wissenschaftler*innen Tintenfische). und Nehmen.« und interessierten Laien profitie Dr. Alexander Lukeneder, Paläontologe ren beide Seiten.
liche Arbeiten. Noch heute – beide sind Eine Fundmeldung funde eingegeben werden, deren Bestim mittlerweile in Pension – verbindet sie eine auf der »Fossil mung noch nicht ganz geklärt ist. Gleich finder« Webseite Freundschaft, die im Verein der Freunde des zeitig bietet die Applikation die Möglichkeit mit Foto und NHM gepflegt wird. Fundortangabe. zum Austausch: Es gibt eine Kommentar Hammer und Meißel haben Peter Skou funktion, einen News Feed und einen Like- mal noch immer nicht losgelassen. Er un Button. terstützt das aktuelle Projekt des NHM-Pa Lukeneder rät: »Besonders viele Fos- läontologen Dr. Alexander Lukeneder, das silien lassen sich im Lainzer Tiergarten, in sich mit der Verbreitung von Fossilien be Sievering und entlang des Wiener Stadt- schäftigt. wanderweges Nr. 6 finden.«. Und betont: Das Projekt »Fossilfinder« bietet inter »Mit dem Eintragen in die App erfahren wir essierten Citizen Scientists, Schüler*innen alle etwas. Ich helfe gerne beim Bestimmen und Hobbysammler*innen eine Plattform, und gebe Tipps. Gleichzeitig lernen wir For- um ihre Funde zu teilen und von Wissen scher*innen neue Fundgegenden kennen. schaftler*innen bestimmen zu lassen. Die Es ist ein Geben und Nehmen«. dabei entstehende Datenbank bietet In Das Projekt ist für den Citizen Science 15 formationen über Fundmöglichkeiten und Award 2021 nominiert, der am 30. November die Biodiversität vergangener Zeiten. Foto 2021 im NHM Wien vergeben werden soll. dokumentationen sind dabei genauso will kommen wie aktives Sammeln. Zusammen mit der Plattform »Spott Infos zum Projekt Fossilfinder: eron« hat Lukeneder die interaktive App »Fossilfinder« entwickelt. Sie ermöglicht einen einfachen Einstieg in die Forschung: Citizen Scientists können ihre Funde und Zur neuen Karten-App: relevante Orte direkt in eine digitale Karte eintragen und in verschiedenen Kategorien klassifizieren. Es können aber auch Fossil
EINST & JETZT »Forscher-Selfies« des 19. Jahrhunderts »Visitkarten-Porträts wa- ren nicht weniger als der analoge Vorläufer heuti- ger sozialer Netzwerke. 16 Sie waren das Facebook des 19. Jahrhunderts.« so die Kunstwissenschaftlerin Martina Baleva. Ähnlich un- seren heutigen Selfies dien- ten sie dem »Networking«. Text: Stefanie Jovanovic-Kruspel Fotos: Archiv NHM Ende des 18. Jahrhunderts wur- Josef Mann de das Sammeln von Naturalien vor künstlicher Berglandschaft, immer mehr zur wissenschaftli- als Freilandforscher chen Praxis. Die Ausbeute wis- inszeniert. senschaftlicher Expeditionen präsentierte man in den großen Museen. Die Menschen, die das Material gesammelt hatten und auswerteten, rückten damit eben- falls in den Fokus der Öffentlich- keit. Neue Mittel fotografischer Selbst-Inszenierung erlaubten es den bürgerlichen Forschern – da- mals fast ausschließlich Männer – die damalige wissenschaftliche erstmals aus ihrer bisherigen An- Community Europas. onymität herauszutreten. Die in Unter »Visitkartenporträts« vielen Abteilungen des NHM Wien versteht man ein 1854 vom franzö- verwahrten historischen Porträt- sischen Fotografen André Adol- sammlungen legen beredtes Zeug- phe-Eugène Disdéri (1819–1890) nis davon ab. entwickeltes Verfahren, das es er- So umfasst beispielsweise die möglichte, schnell und preiswert Porträtsammlung der Schmetter- ganze Serien kleiner Porträts her- lingsabteilung mehr als 100 »Vi- zustellen. Als sich 1859 sogar Kai- sitkartenporträts«, die zwischen ser Napoleon III mithilfe dieser 1850 und 1920 entstanden sind. Technik ablichten ließ, wurden Die Dargestellten repräsentieren diese Porträts zu einem »gesell- einen bunten Querschnitt durch schaftlichen Muss«. In Wien wur-
Warum ließen sich gerade die- se zwei Herren so erzählfreudig »Es kam zu einer darstellen? – Vielleicht, weil sie beide neben der Entomologie auch wahrhaften Visit- künstlerisch tätig waren. Mann war Naturalienmaler und Guille- kartenepidemie.« mot selbst Fotograf. Offenbar wa- ren sie sich der Wirkung von Bil- dern besonders bewusst. Zu einer Zeit, als es noch kein de sie von dem Fotografen Ludwig Biologiestudium gab und entomo- Angerer 1857 eingeführt. Es kam logische Forschung vor allem von zu einer wahrhaften »Visitkarten- Personen mit medizinischem oder epidemie«. Dank moderater Preise pharmazeutischem Hintergrund war es nun auch dem Bürgertum als Liebhaberei betrieben wurde, möglich, Bildnisse von sich anfer- hatte die bildliche Selbstdarstel- 17 tigen zu lassen. lung entscheidenden Einfluss auf Oft wurden diese Bilder gesam- die Etablierung dieser Disziplin. melt und in ledergebundenen Fo- Die Bilder sind damit der Spiegel toalben zur Ansicht ausgelegt. In eines neu aufkeimenden Selbstbe- der Schmetterlingssammlung ist wusstseins. zwar kein Album erhalten geblie- ben, dennoch dienten die Bilder Podcast »Im Museum« mit eindeutig repräsentativen Zwe- Stefanie Jovanovic-Kruspel cken. Man versuchte, möglichst zum Thema der »Forscher- viele Porträts zu erhalten und ver- Selfies«: sah sie mit genauen Lebensdaten. Der Großteil der Porträts in der Schmetterlingssammlung ist ein- heitlich und wenig individualisiert gestaltet. Einige Bilder stechen je- doch hervor, da sich die Darge- stellten klar als Entomologen in- szenierten. Beispiel dafür sind die Bildnisse des Wiener Samm- lers und Präparators Josef Mann (1804–1889). Er ließ sich mehrfach als Schmetterlingsforscher porträ- tieren: einmal in künstlicher Berg- landschaft mit Netz und Sammel- tasche, ein anderes Mal ebenfalls im »Freiland« mit Fliegenklatsche und Sammeldose unterm Arm, läs- sig an einen Baum gelehnt und zu- letzt am Schreibtisch sitzend mit Insektenladen beim Präparieren. Ebenfalls eindeutig als Ento- mologe auszumachen, ist der fran- zösische Schmetterlings- und Hei- matforscher Antoine Guillemot (1822–1902). Er posiert in Expedi- Bereit zum Auf- bruch ins Feld: tionsbekleidung mit Hut, Kescher Antoine Guillemot und Sammeltasche, bereit seiner in Expeditions Forschungsarbeit nachzugehen. kleidung.
FREUNDE NHM Naturverbundener Steirer trifft zierliche Venus und dynamischen Homo sapiens 18
Das Haus muss noch ge schaftlich konzentriert, in die Tie- schlossen bleiben und so fe gehend. Das fasziniert mich: Die Menschen, die hinter den Kulissen fühlt sich Harald Pflanzl eines Museums wirken, aber auch wie im Film »Nachts im die Themen, mit denen sie sich so Museum«, als er zum intensiv beschäftigen. Interview durch die ver- lassenen und dunklen Säle Wer sind die Freunde des NHM? Pflanzl: An der Natur Interessier- geht. Seit fünf Jahren ist te mit Bezug zum Museum, aber er Präsident der Freunde auch zu dessen Themenschwer- des Naturhistorischen punkten. Wir sind mit rund 3.000 Museums. Mitgliedern einer der mitglieds- stärksten Vereine in Österreich. Interview: Redaktionsteam 2023 feiern wir unser 100-jähriges »Naturhistorisches« Bestandsjubiläum. 19 Foto: Christina Rittmannsperger Gibt es Überschneidungspunkte zu Bürgerforschungsprojekten? Sie stehen seit 2016 dem Verein Die dynamische Re- Pflanzl: Viele Mitglieder engagie- vor. Wie sehen Sie Ihre Rolle? konstruktion eines ren sich in diesem Bereich und die jungpaläolithischen Pflanzl: Unser Auftrag ist es, die neue Generaldirektorin treibt Citi- Homo sapiens mit wissenschaftliche Arbeit zu unter- Speer wurde vom zen Science voran. Das ist eine tol- stützen – bei Ankäufen, bei Projek- Verein »Freunde des le Sache, um die Wissenschaft auf ten wie den Ausgrabungen in Hall- Naturhistorischen eine breitere Basis zu stellen. Museums« finan- statt, bei Publikationen und bei der ziert. Weiterbildung junger Menschen, Was ist Ihr persönliches Lieb- zum Beispiel durch den Carl von lingsobjekt? Schreibers-Preis. Pflanzl: Aus der Schule ist mir die Venus von Willendorf in Erinne- Was ist Ihr persönlicher Bezug rung gewesen. Als Erwachsener zum Haus? war ich überrascht und doch ein Pflanzl: Als Kind war ich leider bisschen enttäuscht, dass die Ve- nie hier, denn ich bin in der Steier- nus gar nicht so opulent ist, son- mark, in der Gegend um Turnau im dern eine zierliche Sandsteinfi- Hochschwabgebiet aufgewach- gur. Das war eindrucksvoll und sen. Aber ich hatte schon immer die Faszination hat sich bis heute einen starken Bezug zur Natur. Als erhalten. Volksschüler war ich dauernd im Wald unterwegs, etwa wenn die Dipl.-Ing. Harald Pflanzl leitet die Geschäfte Vermessungsingenieure dort zu des weltweit größten Chemiekonzerns BASF tun hatten. Das hat mich geprägt. in Nord-West- und Zentraleuropa und ist Geschäftsführer in Österreich. Er hat an der Kommt daher Ihre Motivation Montanuniversität Leoben sein Studium ab- solviert und ist Präsident des Vereins der sich zu engagieren? Freunde des NHM. Pflanzl: Ja, einerseits ist es diese Naturverbundenheit, andererseits ist es auch interessant, mit Men- schen zu tun zu haben, die sich mit etwas komplett anderem beschäf- Mitglied werden: tigen, als ich es in meinem Beruf tue. Mein Aufgabenbereich liegt im General Management, hier hingegen arbeitet man wissen-
FORSCHUNG Naturschutzforensik: dem illegalen Tier- und Pflanzenhandel auf der Spur 20
Der illegale Handel mit Tie- ren und Pflanzen boomt und ist wesentlicher Treiber des globalen Biodiversitätsver- lustes. Mit taxonomischer Expertise, genetischen Analysen und Grundlagen- forschung engagiert sich das NHM im Kampf gegen diese Bedrohung. Text: Stefan Prost & Elisabeth Haring Fotos: James Morgan / WWF, BMF / ZA & Paul Hilton / Earth Tree Images 21 Noch vor einem Jahr wusste kaum auf dieser S eite: tigen Verkehrsknotenpunkten wie jemand, was ein Schuppentier ist, Exotische Vögel dem Flughafen in Schwechat im- werden teils lebend, und doch hält es seit vielen Jah- mer wieder zu Beschlagnahmun- teils als Präparate ren einen traurigen Rekord: Das geschmuggelt gen. Um Tiere, Pflanzen oder aus Schuppentier (englisch Pangolin) und an Sammler ihnen hergestellte Produkte zu ist das am meisten illegal gehan- verkauft. beschlagnahmen und Schmugg- delte Säugetier der Welt. ler gerichtlich zur Rechenschaft Der Handel mit geschützten zu ziehen, muss allerdings eine Tier- und Pflanzenarten boomt. Straftat eindeutig nachgewiesen Daran hat auch die derzeit anhal- werden. Hier kommt die Natur- tende COVID-19 Pandemie nichts schutzforensik ins Spiel. geändert. Schon vor etwa zehn Auch Mitarbeiter*innen des Jahren war der Handel mit ge- NHM helfen, geschützte Arten zu schützten Arten die viertgrößte il- bestimmen. Ihre taxonomische legale Industrie der Welt – hinter Fachkenntnis reicht in vielen Fäl- Drogenhandel, dem Handel mit len aus, um diese aufgrund äußer- gefälschten Waren und dem Men- licher Merkmale zu bestimmen. schenhandel. Und in den letzten In manchen Fällen allerdings, Jahren erhöhte sich das Ausmaß wenn es sich zum Beispiel um Tei- massiv. Lebewesen werden aus le oder verarbeitete Produkte han- den verschiedensten Gründen il- delt, können nur Laborverfahren legal gehandelt: zum Beispiel als weiterhelfen. Mittels genetischer Jagdtrophäen, Souvenirs, Haus- Analysen kann man bestimmen, tiere, Nahrungsmittel oder als um welche Arten es sich handelt traditionelle Heilmittel. Auch in und so geschützte Arten identifi- Österreich werden Arten illegal l inks: Der illegale zieren. Das Labor für Molekula- Handel mit Elfen- gehandelt. International dient Ös- re Systematik am NHM führt sol- bein ist für den Tod terreich vor allem als Zwischen- vieler Elefanten che forensischen Aufträge mittels station, und so kommt es an wich- verantwortlich. DNA-Analyse durch.
FORSCHUNG Schwieriger als die Identifi- tätsverlust in den artenreichsten zierung der Art ist meist der Her- Gebieten unserer Erde, den Bio- kunftsnachweis. Diese Infor- diversitäts-Hotspots, etwa in den mation ist wichtig, um gezielt Regenwäldern Brasiliens oder im Schutzprogramme in den Her- Meereslebensraum des Korallen- kunftsländern zu entwickeln. dreiecks zwischen Pazifischem Neben taxonomischer Experti- und Indischem Ozean. Diese Hot- se ist auch hier die Genetik ge- spots zeichnen sich durch einen fragt, denn ein DNA-Vergleich er- großen Anteil endemischer Arten laubt nicht nur die Artzuordnung, aus, also solchen, die nur in diesen sondern kann mitunter auch Aus- Gebieten vorkommen. Gerade die- kunft über die geografische Her- se Regionen müssen oft mit wenig kunft geben. Nicht selten werden wissenschaftlicher Infrastruk- 22 wildgefangene Lebewesen fälsch- tur und Forschungsförderung lich als Zuchten ausgewiesen, um auskommen. Für Analysen wer- Gesetze und Exportverbote zu den Proben oft international ver- umgehen. In solchen Fällen kön- schickt, wodurch kriminaltechni- nen DNA-Analysen helfen, etwa in sche Untersuchungen verzögert Form von Elternschaftstests, bei werden können. Eine Möglich- denen geprüft wird, ob die Eltern- keit, forensische DNA-Analysen tiere als Zuchttiere registriert sind. in Zukunft in den betroffenen Die illegale Ausbeutung der Ländern durchführen zu können, Natur, wozu auch der illegale sind neuentwickelte, kostengüns- Tier- und Pflanzenhandel zählt, Die Schuppen von tige Miniatur-Laborgeräte. Sie Schuppentieren ist mittlerweile der stärkste Trei- sind widerstandsfähig, was für gelten als tradi ber des rasanten Artensterbens. tionelle Medizin. den Einsatz in entlegenen Orten Arten verschwinden heute schnel- Sie werde neben wichtig ist. Das NHM hilft mit, die- ler als sie entdeckt, beschrieben lebenden Tieren se Geräte ausgiebig zu testen und und konserviertem und geschützt werden können. robuste Protokolle für forensische Fleisch bei Besonders schwerwiegend ist der Zollkontrollen Analysen zu erarbeiten. rasant fortschreitende Biodiversi- beschlagnahmt. Schuppentiere – prominente Opfer menschlicher Naturausbeu- tung – stehen für unzählige ande- re Arten. Die Naturschutzforen- sik ist nur ein Puzzleteil im Kampf gegen den illegalen Handel von Lebewesen. Wir alle können die- sen Kampf unterstützen, vor al- lem durch Bewusstmachen und Thematisierung. Denken Sie dar- an beim nächsten Souvenierkauf! Wildlife-Crime-Report der UNO:
Schmetterlinge sind faszinierend: sie flattern lustig STECKBRIEF umher, leuchten in allen Farben oder schillern. Die — Körper dreigliedrig: Kopf, Brust, Hinterleib — Facettenaugen aus tausenden Linsen Versuchung, eines der kleinen Wesen einzufangen, — eingerollter Saugrüssel um damit zu spielen, ist groß. Doch Vorsicht! Da- — 3 Beinpaare — 2 Flügelpaare, die oft bunt gefärbt sind bei verlieren diese kleinen Feenwesen den Staub — entwickeln sich aus Raupen ihrer Flügel und können nicht mehr fliegen, heißt — Nahrung der Raupen: Blätter, Blüten — Nahrung der Schmetterlinge: Nektar es. Stimmt das wirklich? Und was genau ist dieser — Lebensdauer: ca. 1 Jahr Staub? Kids’ Corner 23 Der Feenstaub der Schmetterlinge Text: Andrea Krapf Fotos: Andrea Krapf & Andreas Kroh Der vermeintliche »Feenstaub« Ihr solltet also sehr vorsichtig sein, der Schmetterlinge besteht aus wenn ihr Schmetterlinge fangen unzähligen, winzigen Schüpp- wollt! Auch Verletzungen an den chen. Sie sind der Grund für die Augen oder den Fühlern sind für feenhafte Erscheinung dieser Tie- die zarten Tiere gefährlich. Be- re. Denn jede Schuppe hat eine rührt sie daher so wenig wie mög- eigene Farbe oder spiegelt einen lich, verwendet ein feines Netz Teil des Lichts zurück. Das funktio und schaut euch den Schmetter- niert, weil kleine, nebeneinander ×2,5 ling in einer Becherlupe an! liegende Rillen auf den Schüpp- chen Licht einer bestimmten Far- be zurückwerfen. Die Schuppen sind meist hohl, lie- gen wie Dachziegel am Flügel und dienen auch dem Auftrieb beim Fliegen. Sie sind mit einem klei- nen Stiel befestigt, wie Federn an einem Vogelflügel. Weil sie nicht festgewachsen sind, können sie ganz leicht verloren gehen. Das passiert dem Schmetterling auch ×190 im Laufe seines Lebens. Fliegen kann der Schmetterling dann im- mer noch, es ist aber etwas müh- ×10 samer für das kleine Tier.
24 AUFBRUCH IN NEUE WELTEN 20.03. – 07.11.2021 SCHALLABURG IM EWIG EN EN GEFANG EIS M N OO EU R ER E CAPE S Bezahlte Anzeige B E Z A H LT E A N Z E I G E Naturhistorisches, Ausgabe 2/2021 Österreichische Post AG S P 20Z042008 S Naturhistorisches Museum, Burgring 7, 1010 Wien Retouren an Postfach 555, 1008 Wien
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