DIE ROTHSCHILDS UND JOSEPH SÜß OPPENHEIMER - DRUMMER UND ARNS HISTORIKER GBR

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DIE ROTHSCHILDS UND JOSEPH SÜß OPPENHEIMER - DRUMMER UND ARNS HISTORIKER GBR
Die Rothschilds
und Joseph
Süß Oppenheimer
Zu den bekanntesten Figuren jüdischer Ceschichte in Deutsch-
land zählen die Rothschilds und der Hoffaktor Joseph Süß
Oppenheimer. Über sie sind zahllose Schriften, bildliche Darstel-
lungen, Karikaturen und schließlich auch Filme produziert wor-
den. Anhand der Rothschild-Karikaturen wird in diesem Band
                    '19.
exemplarisch die im      iahrhundert entwickehe antisemitische
Bilderwelt gezeigt. Daran schließen sich vergleichende Analysen
der filmischen lnterpretationen der Rothschilds und von     nJud

Süß< im anglo-amerikan ischen und im nationalsozialistischen
Film.

                      rsBN 3-7995-231 7-0

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lüdische Figuren
in Film
und Kqrikotur
Die Rothschilds und
Joseph Süß
Oppenheimer

Herausgegeben
von Cilly Kuqelmann und
Fritz Backhaus
Schriftenreihe des   lüdischen           Die Deutsche Bibliothek       - CIP-
                                                                                        lnhalt
Museums Frankfurt am     Main            Einheitsaufnahme
Herausgegeben   im Auftrag des Dezer- Jüdische Figurcn in Film und Kari-
nats für Kultur und Freizeit der Stadt katur i die Rothschilds und Joseph
Frankfirrt am   Main                     Süss Oppenheimer       / Uüdisches             Cilly Kugelmann und Fritz Backhaus
Verantwortlich: Georg    Heuberger       Museum, Stadt Frankfurt am Mainl.
                                                                                        Einleitung                                                 '       '    7
                                         Hrsg. von   cilly   Kugelmann und      tritz
Rand   2                                 Backhaus.   -   Sigmaringen   :

Jüdische Figuren in Film und   Karika-   Thorbecke,   1995                              Klaus Herding
tur. Die Rothschilds   undJoseph Süß     Schriftenreihe desJüdischen                                             Karikatur                             .
                                                                                        Die Rothschilds in der                                 ...             13
Oppenheimer                              Museums Frankfult am Main;2)
Herausgegeben von      Cilly Kugelmann ISBN 3-7995-2317-0
ünd Fritz   Backhaus                     NE: Kugelmann,       CillyLHrsS.l;Jüdi-        certrud Koch
                                         sches Museum        :         Tauben oder Falken   - die Roths(hild-Filme im Vergleich               65
Die Beiträge von Gertrud   Koch,         Schriftenreihe des Jüdischen . .   .

Alfons Arns und Klaus Kreimeier ver-
                                                                                        Alfons Arns
danken ihre Entstehung    einer          (o 1996   byjan lhorbecke   verlag,
Tagung, die dasJüdische Museumin         siSmarinSen     undJüdisches Museum            Fatale Korrespondenzen. Die Jud-Süß-Filme von Lothar
Zusammenarbeit mit der Evangeli-         der Stadt Fmnkfurt am Main                     Mendes und Veit Harlan im Vergleich                                    97
schen Akademie Arnoldshain im            Alle Rechte vorbehalten
Januar 1995 durchgeführt hat.            Gesamtherstellung: M. Liehners
                                                                                        Klaus Kreimeier
                                         Hofbuchdruckerei GmbH & Co.
                                         Verlagsanstalt, Sigmaringen                    Antisemitismusim nationalsozialistischen Film   ........           135
                                         Printed in Germany
                                         ISBN 3-7995-2318-9
                                                                                        Filmographie                                 ..........            158

                                                                                        Autoren.                                           ......          i67

                                                                                        Abbildungen                                  ..........            :|67
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SroorffiF**.ruRTAM MAIN
97

Alfons Arns
Fatale Korrespondenzen
Die Jud-Süß-Filme von Lothar Mendes und Veit Harlan im
Vergleich

Vergleichende Analysen von Filmen haben den Vorteil einer
Präzisierung der ieweiligen Interpretation, besonders wenn,
wie während der Tagung
                          "Die Rothschilds und Joseph Süß
Oppenheimer. Jüdische Figuren im Film
l_atale   Korrespondenzen                                           99

Filmwissenschaftlerin R6ginc Mihal Friedman zuerst hingewie-        doch mit der Konzentration und Ausrichtung der deutschen
sen hat und der   in der Forschung zum antisemitischen Film im      Filmindustrie das Gegenstück zu Holl)'wood vor. Der deutsche
Dritten Reich bislang nicht aufgegriffen wurde. Friedman weist      Revuefilm im Dritten Reich als Plagiat der großen amerikani-
dem englischen Film "Jew Süss" im Zusammenhang mit der              schen Revuefilme von Florenz Ziegfeld bis Busby Berkeley ist
Entstehung des nazistischen "Jud Süß" die zentrale inspirie-        hier nur das schlagendste Beispiel ftir das bewußte Kopieren
rende Funktion zu, im Doppelsinn des französischen Begriffs         ausländischer Erfolgsfilme, um schließlich der analogen heimi-
                         ("pretexte
100                                                        Alfons Arns   Fatalc Korrespondenzen                                           101

dig, daß auch nur ein Finger in Deutschland sich zu seinem                 Schon kurz darauf kam es aber zu heftigen Angriffen       in   der
Lobe rührt".                                                             deutschnationalen und dann auch der katholischen Lokal-
  Nach der Premiere von "Jew Süss" die Regie hatte der im                presse,   ia sogat zu Demonstrationen und Krawallen, und          so

Jahte 7926 von Deutschland nach Amerika ausgewanderte                    wurde der Film kurze Zeit später verboten mit der Begründung,
Lothar Mendes (7894-197q,6 der übrigens wie Veit Harlan                  "daß es sich um einen iüdischen Propagandafilm handele, der
Anfang der zwanziger Jahre in Berlin Schauspielschüler bei Max           in dieser Form geeignet sei, öffentliches Argernis ru e.r"ge.,..t
Reinhardt war   - am 4. C)ktober   1934 im Londoner Tivoli lief der      Die gleichgeschaltete deutsche Presse empörte sich ebenfalls
Film im Oktober desselben Jahres für kurze Zeit auch in ver-             und meinte: "Der Regisseur des Films, ein von England ausge-
schiedenen Wiener Kinos in der englischen Originalfassung         mit    wanderter polnischerJude, scheute sich nicht, sämtliche Nicht-
einkopierter Übersetzung des Dialogs. Die         in Wien    erschei-    juden   in dem Film als moralisch    minderwertige und sogar
nende Filmzeitschrift "Paimanns Filmlisten" fand in ihrer                menschlich entartete Wesen darzustellen..e
Kurzankündigung des Films lobende Worte für das kulturhisto-               Im Deutschen Reich lief der Film natürlich zu keiner Zeit, was
rische Schauspiel; dort heißt es      im Stile   eines Telegramms:       aber das Reichsfilmarchiv   in Berlin nicht hinderte, sich eine
"Joseph Süss Oppenheimer, Finanzberater Karl Alexanders, Her-
                                                                         Kopie mit deutschen Untertiteln zu besorgen. Auf einer ent-
zogs von Württemberg, verliert seine Geliebte an diesen, der             sprechenden Karteikarte des Archivs zum Film findet sich
ihm später auch die Tochter raubt. Obwohl         Süss   nun erfährt,    neben einer grotesk verfälschenden Inhaltsangabe dazu der fol-
daß er adeliger Abstammung, bleibt er Jude, hetzt den Herzog             gende Kurzkommentar für den Benutzer:
                                                                                                               "Der Film, der sich auf
zu einem Staatsstreich, nach dessen Mißlingen dieser stirbt. Er          das Buch des Juden Lion Feuchtwanger stützt und die histori-
selbst   wird auf Grund eines verschimmelten Paragraphen zum             schen Tatsachen verzent wiedergibt, ist unter jüdischer Regie
Tode verurteilt. Das Sujet sieht den Stoff unter dem Gesichts-           und z.T. von deutschen Emigranten zu einer Verherrlichung des
punkt des unterdrückten Judentums, setzt vieles als bekannt              ,Jud Süß, gestaltet worden".r0 Während der Vorbereitung zu
voraus, erfordert einige geschichtliche Kenntnisse zum Ver-              "Jud Süß" dann im Zeitraum 7939-7940 zeigte Goebbels dem
ständnis seiner Hintergründe. Es ist mit viel Detailarbeit und           Filmteam um Veit Harlan den Mendes'schen
                                                                                                                     ',Jew Süss", der
Atmosphäre inszeniert, gibt veidt eine dankbare Rolle. Sehr              laut Harlan "eine deutliche antisemitische Wirkung. hinter-
sorgfältig gewähltes Ensemble. Zeit- und milieugetreue Auf-              ließ.rr Man kann also davon ausgehen, daß zumindest Goeb-
machung, wirksame Massenszenen, schöne Photographie. Die                 bels, Harlan und die Drehbuchautoren Eberhard Wolfgang Möl-
einkopierte Übersetzung des ausgezeichnet pointierten Dialoges           ler und Ludwig Metzger den Film und damit auch den Roman
ist zufriedenstellend, der Ton einwandfrei. Zumindest über dem           von Feuchtwanger bestens kannten. Kurz vor Abschluß der Dre-
Durchschnitt, aber vorwiegend für spezielles Publikum".T                 harbeiten sah sich Goebbels den l'ilm nochmals       in   privater
102                                                     Alfons Arns   Fatale Korrespondenzen     103

                                         37   Standphoto aus
                                          ,Jew Süss.: Conrad Veidt
                                         als Jud Süß.

Runde an, wie man einer Tagebuchnotiz vom 27. Juni 1940 ent-
nehmen kann; dort heißt es u.a.: "Der große Luftangriff auf
England ist noch einmal abgeblasen worden. Statt dessen ein
mittlerer auf englische Fluganlagen. Aber auch der verfehlt
seine Wirkung nicht. Abends schaue ich mir in Lanke den
Judenfilm ,'Jud Süß" mit Conrad Veidt an. Hier haben die Juden
aus einer Finanzhyäne einen Heiligen gemacht. Das können sie.

Aber uns beschwindeln sie nicht mehr. Die neue Wochenschau.
Herrlichl Keine Neuigkeiten. Nachrichtenflaute!".12

                                                                      38   Filmplakat,tudSüß".
104                                                                    Fatale Korrespondenzen

Negative Symbiose                                                      und unlreimlichen Ritualen. Mendes verfällt Feuchtwangers kli-
                                                                       scheehaftem Orientalismus und macht Oppenheimers Tochter
Schon aufgrund seiner Entstehungsgeschichte ist also der Har-          Naomi zu einer keuschen Salome und seinen Mentor zum
lan-Goebbelsche "Jud Süß" aufs engste mit der Mendes'schen             fernöstlichen Weisen, während bei Harlan alle Frauen, beson-
Version verknüpft, die sich ihrerseits explizit als eine Adaption      ders aber die jüdischen, sexuell lasziv und charakterschwach
nach dem äußerst erfolgreichen historischen Roman ,'Jud Süß-           sind. Als seien sie parallel entstanden, ist der wohlmeinende
von Lion Feuchtwanger aus dem Jahre 1925 ausgibt. Es ist aber          Film eines Exilanten so zum philosemitischen Spiegelbild eines
vor allem die ästhetische Gestaltung der beiden Filme, die den         faschistischen Hetzwerks geworden. In beiden Fällen erscheint
Schluß zuläßt, daß der eine ohne den anderen nicht mehr zu             jedoch die Verbindung von Verschwendungssucht, Promis-
denken ist. Lothar Mendes' "Jew Süss" - so die dementspre-             kuität und weiblicher Verfuhrbarkeit als das eigentlich bren-
chende These der Filmkritikerin Mariam Niroumand "lebt in              nende Thema..1s
einer Art negativer Symbiose mit seinem nationalsozialisti-               Dieser Einschätzungist grundsätzlich zuzustimmen, insbe-
schen Gegenstück 'Jud Süß, von Veit Hatlan13..13                       sondere was die Funktion der Frauenrollen in beiden Filmen
  Harlan, so Niroumand weiter, "beruft sich auf Wilhelm                betrifft, und doch suggeriert die sprachlich ungenaue Rede vom
Hauffs Version,la Mendes auf den Roman von Lion Feuchtwan-             "philosemitischen Spiegelbild" eine Gleichzeitigkeit, die natür-
ger. Dabei gleicht die negative Symbiose der Filme    in frappie-      lich nicht bestanden hat. Außerdem entsteht der Eindruck, als
render Weise der zwischen den beiden Hauptfiguren. Die Deka-           hätte der englische Film auch nach Harlans Machwerk entste-
denz des Fürsten (von beiden Filmen pudstisch verdammt) ist            hen können, was abwegig ist. Ich denke, der Fall liegt kom-
an den Ehrgeiz und den Assimilationswunsch des ,Hofjuden.              plizierter. Die offenkundigen Schwächen des Mendes-Films   -
gebunden und umgekehrt oMy fate is tied to yours, and yours            seine Klischeehaftigkeit   und eindimensionale Typisierung -
to mine,, murmelt Oppenheimer düster). Während aber bei                wurden von Harlan rigoros ausgenutzt und reizten förmlich
Mendes der Assimilationswunsch des Oppenheimer aus dem                 zum Widerspruch.
Wunsch des Aufgeklärten entspringt, sein Volk aus dem Getto               Das Hauptproblem des Mendes-Films aber liegt meiner Mei-
zu befreien und ihm den Weg    in die Stadt zu öffnen, wird   er bei   nung nach in der widersprüchlichen, reduktionistischen und in
Harlan zum Kennzeichen einer charakterlosen, raffgierigen              einem wichtigen Punkt sogar falschen und bewußt umgedreh-
Rasse ('wie die Heuschrecken sind die Juden über unser Land            ten Bezugnahme auf den Roman ,'Jud Süß" von Lion Feucht-
hergefallenr. Ist bei Mendes das iüdische Heim mit Büchern,            wanger, wodurch er dem nazistischen    dud Süß" ungewollt die
Kerzen und Gemälden ein großbürgerliches Interieur, wird es            entscheidende Motivierung für die Ausgestaltung seines Plots
bei Harlan zur Lasterhöhle mit kabbalistischem Budenzauber             liefert-
106                                                                    Fatale Korrespondenzen                                                    107

Vom historischen Roman zur didaktischen Vcrfilmung

Bereits imJahre 1916 hatte lreuchtwanger ein Schauspiel in drei
Akten mit dem Titel ,tud Süß" geschrieben, das aber nach vie-
len lnszenierungen (übrigens auch in Frankfurt am Main mit
Eugen Klöpfer   in der Rolle desJuden   Süß, derselbc, der dann   in
"Jud Süß" den Landschaftskonsulenten und Judenhasser Sturm
spielt) vom Autor selbst zurückgczogen wurde zugunsten der
breit ausladenden epischcn Form eines noch zu schreibenden
historischen Romans. In dem Drama zeigt Feuchtwanger dcn
württembergischen Finanzienrat -|.S. Oppentreimer als gespal-
tene figur zwischen orthodoxem Judentum und der säkularen
Welt des Stuttgarter Hofes. Die Verzichtsproblematik, dic
Feuchtwangersche ldee des
                          "Nichtwollens" stehen im Zentrum.            39     Standphoto aus "Jud Süß.: Die lrankfurter.ludengasse in der Vorstcllung
Hier findet sich auch schon die dann im späteren Roman als
                                                                       Veit Härlans und seines Szencnbildners Otto FIunte.
zentraler Bezugspunkt für Süß fungierende märchenhafte Toch-
ter, die jetzt noch Tamar heißt.
  Auch wenn es Feuchtwanger nach eigenem Bekunden nicht                             r7
                                                                       ziehen..          Adel und Bürgertum, Fürstenhof und Masse, soziales
darum ging, "etwa den Mann Josef Süß zu retten oder eine anti,         Leben, religiöse Gegensätze und wirtschaftliche Raffinements
semitische Legende zu zerstören",16 so gibt doch der Anfang der        werden dergestalt zu einem kolossalen Geschichtsgemälde
zwanziger Jahre entstandene Roman genaue Einblicke          in   das   zusammenführt. "Joseph Süß", so Reinhold Jaretzky in seiner
politisch-soziale Gefüge in Deutschland zu Beginn des 18. Jahr-        Feuchtwanger-Monographie, "herrscht über diese Szenerie,
hunderts, vor allem was die Situation der Juden angeht. "Sein           kämpft mit den einen, intrigiert gegen die anderen, der schlaue
Roman", so Detlev Claussen, "verstrickt das Publikum mit                Funktionär eines Systems, der die Geldwirtschaft blühen läßt
Gefühl und lntellekt in die welt, in der Joseph Süss aufsteigt,         und deshalb nötig ist. Der jedoch schließlich ein typisches
die ihn mit Neid verfolgt und umbringt. Feuchtwanger läßt uns           Schicksal durchlebt, nämlich als Sündenbock vernichtet zu wer-
diese Welt durchschauen, er gibt Einblick       in   das Leben des      den   -   eine aktuelle Anspielung auf die antisemitische Welle der
                                                                                                18
Hofes, des Volkes und der Juden. Wir lernen Joseph Süss ken-            Nachkriegsjahre."
nen   der Dramatik des Geschehens kann man sich nicht ent-
10u                                                    Alfons An5    Iatale Korrespondenzen

  Der Roman ist aber auch eine psychologische Annäherung             aber verbanden mit diesem Namen den Harlanschen "Jud Süß".
an den Machtmenschen Süß. Und nochmals Jaretzky in ciner             Wie hoch diese Zahl wohl wäre, wenn der Film nicht verboten
prägnanten Zusammenfassung des Romangeschehens:                      wäre? Barbara Gerbers Einschätzung ist zuzustimmen, daß das
                                                     "Er
erzählt von seiner Prunksucht und Eitelkeit und von seiner           Datum 1940 bezogen auf die Jud-Süß-Figur eine rezeptions-
außerordentlichen Intelligcnz und Virtuosität, die seine Finanz-     geschichtliche Zäsur bedeutet: ,Der 'Jud Süß, des nationalsozia-
politik so glorreich macht und eine langiährige Komplicen-           listischen Films (...) ließ sich so leicht nicht mehr beiseite
schaft mit dem geistig weniger begnadeten Herzog begründet.          schieben. Monumental überragte er sogar seinen Feuchtwan-
Ein Ereignis von ebenfalls psychologischer Bedeutung aller-          gerschen Romanvorgänger..21 Wer also heute den Namen ,Jud
dings beendet die Komplicenschaft der beiden Machtbesesse-           Süß" erwähnt, so Gerber       weiter, besrhwört bei den Alteren die
nen und motiviert den jähen Sturz. Denn der Herzog hat sich          Erinnerung an den halb dämonischen, halb erotisch verführe-
tödlich vergriffen an dem einzigen Menschen, der für Süß zählt,      rischen 'Jud Süß, eines nach 1945 verbotenen Kinostreifens mit
an seiner verborgen gehaltenen Tochter. Um diese Tat zu ver-         Ferdinand Marian         in
                                                                                           der Titelrolle herauf, der 'unter allen
gelten und damit seine Würde zu verteidigen, bricht Süß mit          Nazifilmen der bekannteste. war. So nachhaltig ist im Fall die-
seinem bisherigen Leben. Den Herzog zu stürzen und dann den          ses Süß das   Bild eines Menschen von späterer Wiedergabe und
eigenen Sturz zu ertragen, ia lustvoll zu erleben, sich vom prin-    Neuherstellung geprägt, daß vielen dazu konkret als erstes eine
zip der Macht     selbstzerstörerisch abzuwenden: so   läuft   der   Großaufnahme ienes deutschen Leinwandstars einfallen würde
äußere Glanz über    in den inneren des Verzichts. In     einenr     und bestimmt nur die wenigsten an Kupferstiche aus der
Lebensbogen, der   mit Großmannssucht beginnt und in stiller         Perückenzeit dächten".22
Märtyrerkraft endet, gibt Feuchtwanger ein Bild seiner Lebens-          Der Produzent Michael Balcon und der Regisseur Lothar
philosophie".re                                                      Mendes beziehungsweise ihre Drehbuchautoren Arthur Rawlin-

  "Jud Süß" ist das populärste und meistgedruckte Buch von           son und Dorothy Farnum reduzierten das komplexe Romange-
Feuchtwanger, übersetzt in viele Sprachen, was Medienwissen-         füge Feuchtwangers zu einem didaktischen Extrakt, der einen
schaftler dazu veranlaßt hat, die internationale wie interme-        Beitrag zur Abwehr des aktuellen Antisemitismus leisten sollte.
diale Vermarktung mit Akribie und deutscher Gründlichkeit zu         Um dies zu erreichen, mußten sowohl am Bild des historischen
untersuchen.2o Dabei ergibt sich zum Beispiel, daß bei einer         Oppenheimer als auch an Feuchtwangers Jud-Süß-lnterpreta-
Umfrage im Jahre 1983 in der Bundesrepublik Deutschland der          tion deutliche Korrekturen vorgenommen werden. "lJie ver-
Name Jud Süß als Kurzname dcs Joseph Süß Oppenheimer von             schiedenen geschäftlichen Praktiken des Hoffaktors, seine
relativ vielen Personen (ca. eine Million) mit Feuchtwangers         Tätigkeiten als Resident, Merkantilist, Münzpolitiker, Kauf-
Roman assoziiert wurde. Rund sechs Millionen Bundesbürger            mann und Politiker, interessieften die Drehbuchautoren nicht.
Alfons Arns   Fataie Korrespondcnzen

Nur Oppenheimers Wirken als Ratgeber und Iiinanzienrat wird           are often obscure2s.. Der Kritiker der Exilzeitung oPariser Tage-
unbeschönigt dargestellt. Ökonomische und soziale Bezüge des          blatt" Erich Kaiser fand dagegen, daß der Regisseur Lothar Men-
Themas werden radikal gekappt. Die Aufstiegsproblematik als           des das im Roman breit ausgesponnene und in vielen Neben-
Angleichung an die nichtjüdische höfische Kultur interessiert         handlungen aufgelöste Thema mit fester Hand anpackt und es
nicht. Alltagsschilderungen finden sich nur in den Ghettosze-         auf sein Leitmotiv zudckführt: "das Schicksal des jüdischen
nen. Auch die Figur des Mannes Süß wird eindimensional                Menschen, der herrschen will, aber kraft nur ihm eigener seeli-
gefaßt, sein Privatleben
                         'gereinigt,: Die vielen Amouren werden       scher Bindungen, die     ihn zu ganz bestimmten Handlungen
ersatzlos gestrlchen, Süß wird zum fast treuen Liebhaber seiner       zwingen, der Aufgabe nicht gewachsen ist..26 Feuchtwangers
Mätresse. Feuchtwangers geschichtsphilosophische Konzeption           Haltung zu N{endes "Jew Süss" ist ebenso widersprüchlich wie
vom Weg des westöstlichen Menschen (...) ist einer gegenteili-        kurz ausgefallen: sie bewegt sich von der knappen Bemerkung
gen Sicht gewichen; es geht ietzt nur noch darum, was der             "Scheißfilm. bis hin zu ein "prächtiger Film". Und es ist
Romanautor als Intention in Abrede gestellt hatte: die antise-        bezeichnend, daß Feuchtwanger in seinem berühmten offenen
mitische Legende zu zerstören. Feuchtwangers Vielseitigkeit,          Brief an sieben Berliner Schauspieler aus dem Jahre 1941 (dar-
sein Facettenreichtum werden durch eine konventionelle Dra-           unter Heinrich George und Eugen Klöpfer) anläßlich der Urauf-
maturgie mit eindeutigem Rollenschema vereinfacht: Sympa-             führung von "Jud Süß" in Venedig (5.9.1940) den Men-
thie und Antipathie, fast gänzlich ohne Zwischentöne, werden          des'schen Film mit keinem Wort erwähnt, was ja durchaus
in didaktischer Absicht zugeteilt. (...). Der im Film dargestellte    nahegelegen hätte.27 Feuchtwanger war in diesem Brief ohne
Weg des Süß ist deshalb von fast schon wieder beeindruckender         den Film gesehen zu haben      -   fälschlicherweise davon ausge-
Schlichtheit..2:r                                                     gangen, daß Goebbels und Harlan seinen Roman zur alleinigen
  Die Schwächen von dew Süss" hatten auch zeitgenössische             Grundlage ihres ,Jud Süß" gemacht, diese also gewissermaßen
Kritiker erkannt, wenn zum Beispiel der Engländer G. A. Atkin-        eine Verfilmung seines Romans vorgelegt hätten. "Sie haben,
son zu dem Schluß kommt: "Nicht die schändlichen Verhält-             meine Herren, aus meinem Roman ,Jud süß, mit Hinzufügung
nisse haben Süss vernichtet. Er hat sich selbst vernichtet, und       von ein bißchen Tosca einen wüst antisemitischen Hetzfilm im
wie es scheint einzig 'pour le bon motif.. Ein klarer Fall von        Sinne Streichers und seines 'Stürmers, gemacht..
Harakiri, meine ich, fast donquichottisch..2a Und der Kritiker          Nach der erstmaligen öffentlichen Aufführung von "Jew
der "New York Times" Andre Sennwald meinte: "It is the prin-          Süss" in Deutschland überhaupt am 19. Oktober 1973 in Berlin
cipal misfortune of 'Power." (so hieß der Verieihtitel des Films      (Akademie der Künste)28 übte der Kritiker des
                                                                                                                    "Tagesspiegel"
in den USA, A. A.) "that, amid the handsome historical settings,      Volker Baer mit der Elle des Feuchtwangerschen Romans vor-
the narrative 1s muddled (verworren, A. A.) and the motivations       sichtige Kritik an Mendes' Film, hin- und hergerissen zwischen
Alfons Arns   fatale Korrcspondenzen

40   Standphoto aus "Jud Süß": Oppenheimer bittet Rabbi Löw in der Syna-     41  Standphoto aus "Jew Süss.: Oppenheiner im Gespräch mit Rabbi Gabriel
goge um finanzielle Unterstützung, um den drohenden Volksaufstand mit        und seiner Mutter. Ihm wird offenbart, daß sein Vater ein christlicher Adeliger
Söldnern abwehren zu können; ein Porträt "jüdischer Verschwörung".           ist.

der Bewunderung der schauspielerischen Leistung Conrad                       Auch Mendes' "Jew Süss" hält sich an diese Konvention, wenn
Veidts und dem Mangel an politischem Bewußtsein. "Jew Süss.                  mit Süss' engelgleich entrückter Tochter Naomi und der schö-
sei eben auch ein Film des Exils, ,der seine heutige Wirkung                 nen Sybille Magdalena Weissensee Figuren in den Vordergrund
wohl vornehmlich von der konträren Erscheinung und Umge-                     gerückt werden, die bei Oppenheimer zarte Liebesgefühle aus-
bung des anderen ,,Jud Süß," bezieht, neben dem er sich in sei-              lösen, beim Herzog Karl Alexander aber nur die pure geile Lust.
ner selbstverständlichen Honorigkeit und           -   aus heutiger Sicht    Den demütigenden Verzicht auf Sybille Weissensee zugunsten
möchte man sagen: unpolitischen             -   Distanziertheit beinahe      des Herzogs kann Süß         im Austausch noch mit Reichtum und
naiv ausnimmt..29                                                            Einfluß kompensieren. Die bewußte Partizipation an der Macht
   Am Beispiel des amerikanischen Rothschild-Films hat nun                   ist iedoch vorbei, als der Vergewaltigungsversuch des Herzogs
R.M. Friedman darauf hingewiesen, daß           in der Holl)'woodschen       mit dem Tod seiner Tochter endet. Von da an wird die persön-
Fiktion soziale, politische oder ökonomische Konflikte meistens              liche Rache und der Haß zum einzigen Motor des Handelns, der
in   sentimentalische oder erotische transformiert welden.3o                 Aufstieg ist nicht mehr wichtig. Süß animiert den größenwahn-
Alfons Arns   Fatale Korrespondenzen                                       115

sinnigen Karl Alexander zum absolutistischen Staatsstreich            ja erotisch-sexuell zu benennende Rivalität zwischen Oppen-
gegen die Landstände. Der Herzog wird ein Opfer der Süß'schen         heimer auf der einen und dem Herzog sowie dem auf Rache sin-
Intrige, während Oppenheimer selbst sich als Sündenbock               nenden Konsistorialrat Weissensee auf der anderen Seite zusam-
anbietet. Der Anstoß zur Rückgewinnung der jüdischen lden-            men, dessen Tochter Sybille Magdalena Oppenheimer dem
tität, verkörpert in der isolierten Reinheit Naomis, wird also vor    Herzog als Mätresse zugeführt hatte. Die mehr oder weniger
allem über den Konflikt zwischen Süß und Herzog motiviert.            >obiektive< Sicht Feuchtwangers wird ersetzt durch die subjek-
Diesem Ziel dienen unmittelbar, wenn auch handlungslogisch            tivierende Perspektive bei Mendes, dessen Oppenheimer von
kaum   mit dem       erzählerischen Hauptstrang verbunden, die        Beginn an alle Fäden allein in den Händen hält; Gut und Böse
Appelle und Mahnungen der Wegbegleiter Isaak Landauer und             sind damit für den Zuschauer klar voneinander geschieden. Wie
des Rabbiners Gabriel und     im Gefolge davon die Rettung     des    unsicher aber Michael Balcon und Lothar Mendes hinsichtlich
iüdischen Händlers Seligmann und die verschiedenen Ghetto-            ihres eindimensionalen dramaturgischen Konzepts gewesen
szenen.                                                               sein müssen, kann man daran erkennen, daß allein zehn ver-
  Nun ist diese Konstruktion mit den beiden Frauengestalten           schiedene Treatments erarbeitet wurden, und noch das 1935     in
Naomi und Sybille Weissensee im Zentrum schon bei Feucht-             Großbdtannien publizierte Drehbuch ("scenario") weicht
wanger vorhanden und bildet auch dort wie im Film den dra-            erheblich von der Endfassung des schließlich fertig montierten
                                                                               . ll
maturgischen Knoten für den sich anbahnenden Konflikt zwi-            illms   aD.

schen Herzog und Oppenheimer. Die Kunstfigur der Naemi/                 Der Grund für die im Mendes-Film erfolgte Engführung des
Naomi ist dabei eine freie Hinzuerfindung Feuchtwangers zum           Romans auf die Rückkehr Oppenheimers zur iüdischen Lebens-
historischen Oppenheimer, deren Funktion eben darin besteht,          welt (mit den beiden Höhepunkten: Süß'Einzug in das Frank-
den inneren Umschwung emotionsbetont zu motivieren und                furter Ghetto gewissermaßen als
                                                                                                      "König der Juden" und sein
erst wirklich   in   Gang zu setzen: die passive Naomi zwischen       Einstimmen in das Kaddisch-Gebet kurz vor der Hinrichtung)
väterlicher Zuneigung und herzoglicher Geilheit. Dennoch ist          und die Eliminierung etwa des Konflikts zwischen protestanten
im Roman die Oppenheimersche Sicht des Geschehens nur eine            und Katholiken scheint plausibel; er liegt in den enttäuschten
- wenn auch die dominante - unter mehreren, versucht Feucht-          Hoffnungen auf Emanzipation der Juden in Deutschland zum
wanger mit wechselnden Perspektiven den verschiedenen                 Zeitpunkt der Entstehung des Films im Jahre 1934, die Mendes
Akteuren und ihren Interessen (unter anderem der ebenso               in Gestalt einer selbstberuhigenden Utopie ganz auf den histo-
katholische wie absolutistische Regent, die protestantischen          rischen Jud-Süß-Stoff und die literarische Verarbeitung durch
Landstände, die Würzburger Jesuiten) gerecht zu werden. Bei           Feuchtwanger proiizierte (vgl. den Insert am Schluß des Films:
Mendes jedoch schnurrt all dies auf eine beinahe rein pdvate,         "Perhaps one day the walls will crumble like the walls of Jedcho
Fatale Korrespondenzen                                                 LL7

                                                                          43   Standphoto aus,Jew Süss": Oppenheimer mit Adeligen am Hofe Karl
42  Standphoto aus 'Jud Siiß": Oppenheimer im Mittelpunkt der höfischen   Alexanders. Nach dem plötzlichen Tod des Herzogs übetnimmt er vor den ver-
Gesetlschaft als ,,Spieler" und ,,Verführer der Frauen"                   sammelten Adeligen die Verantwortung für den geplanten Staatsstteich und
                                                                          Iäßl si(h selbstsi(her gelangen nehmen.

and all the world will be one people."). Ungleich schärfer als            garts, Württembergs und schließlich Nazideutschlands ent-
zum Zeitpunkt der Entstehung des               Feuchtwanger-Romans        gegengehalten wurden. Wenn Württemberg               in "Jud Süß" eine
Anfang der zwanziger Jahre stellte sich angesichts der Macht-             Metonymie Nazideutschlands ist, dann ist das Stuttgarter Stadt-
übernahme der Nazis und des Exils zahlloser Juden aus                     tor dazu die vielsagende Metapher.32
Deutschland die Frage, so R6gine Mihal Friedman, ob ein Jude
als freier Mensch unter Nicht-Juden leben konnte. Die Frage
muß aber auch lauten, ob ausgerechnet die historisch weit                 Der keusche Joseph

zurückliegende Erfolgs- und Leidensgeschichte des Süß Oppen-
heimer die richtige Folie war für diese Fragestellung. Der nazi-          Wirklich problematisch aber ist die in ,,Jew Süss" vermutlich
           Süß" des Jahres 1940 gab ledenfalls darauf in                  aus naheliegenden dramaturgischen Gründen der Zuschauer_
stische   tud
Zusammenfassung aller bisherigen antiiüdischen Maßnahmen                  identifikation vorgenommene monokausale Verknüpfung die-
die Antwort, indem dieser Utopie die verschlossenen Tore Stutt-           ser Identitätsgewinnung       mit den erwähnten dramatischen          Lie_
118                                                                    Iatale   Korrespondenzen                                       119

beskonflikten; der im Roman angesprochene religiöse Konflikt           Hochverrats, Aussaugung des Landes und anderer Delikte zum
zwischen Christen und Juden wird nämlich auf dem Feld der              Tode durch Erhängen.

Erotik und der Sexualität ausgetragen. Der Herzog als lärmender             In Mendes'   ,,Jew Süss.   nun wird dieser Anklagepunkt zum
und stets betrunkener Sexualprotz fungiert nur noch als klar           alleinigen Grund der Verurteilung, ganz entgegengesetzt zu den
umrissenes alter ego, von dessen hedonistischer Lebenswelt             Ausführungen im Roman und zur historischen Wahrheit. Der
sich Oppenheimer nach anfänglicher Faszination schon bald              Grund dafür, aus Süß Oppenheimer einen keuschen Joseph zu
entfernt. Das in bezug auf den Harlan-Film folgenschwerste,            machen, der dennoch nach dem besagten Paragraphen des
wenn auch aus der Perspektive des Films nachvollziehbare               Reichskriminalgesetzes      mit dem Tode bestraft wird, liegt ver-
Manko in Mendes' ',Jew Süss" scheint mir zu sein - und darauf          mutlich darin, daß dadurch die Willkür der Richter um so hef-
geht merkwürdigerweise keine der vorliegenden vergleichen-             tiger erscheinen sollte. Deshalb auch streicht die Kamera zu
den Analysen zu den beiden Jud-Süß-Filmen ein -33, daß                 Beginn der Gerichtsszenein einer langsamen Fahftbewegung
Oppenheimers Verhältnis zu Frauen und die Gdnde seiner                 an einer Wandinschrift vorbei, auf der zu lesen ist: FIAT
schließlichen Verurteilung zum Tode ins glatte Gegenteil des-          JUSTITIA OMNIBUS        -
                                                                                            was soviel heißt wie:
                                                                                                                   "Jedem
                                                                                                                          geschehe
sen verkehrt werden, was Feuchtwanger zeigen wollte.                   Recht." Die Größe der richterlichen Willkür entsprach damit
      Im Roman sind sowohl der Herzog als auch Süß Oppenhei-           der heroischen Größe des betont asexuell agierenden Conrad
mer sinnenfreudige Männer mit zahheichen, zum Teil drastisch           Veidt. Der Preis für diese dramaturgische Konstruktion war
geschilderten Frauenaffären. Als Oppenheimer nach dem Tod              hoch, nämlich die Preisgabe der historischen Wahrheit an
des Herzogs schließlich vor Gericht steht und man       ihn   keines   einem entscheidenden Punkt-
der zu Last gelegten Verbrechen wie Hochverrat und Landfrie-
densbruch überführen kann, kommen die Richter, die ihn um
jeden Preis hängen sehen wollen, auf die Idee, das uralte und          ,'Jud Süß": Das nazistische Remake

nicht mehr angewandte ReichskriminalSesetz hervorzukramen,
wonach der "fleischliche Umgang eines Juden mit einer Chri-            Esist kein Zufall, daß Goebbels und Harlan diese Umkehrung der

stin" mit dem Tode bestraft werden muß. Da auf diese Weise             Verurteilungsgründe für ihren melodramatischen Film übernom-

auch zahheiche christliche Frauen zum Tode verurteilt werden           men haben, bot sie doch die Gelegenheit, den gesamten Kom_
müßten, läßt man schließlich          so kann man bei Feuchtwanger     plex der beabsichtigten antisemitischen Feindbildprojektionen _
                                  -
nachlesen        diesen Anklagepunkt fallen, was übrigens auch den     also die kontrollierende Verfugung Oppenheimers über die Zir_
             -
historischen Tatsachen entspricht, und verurteilt Oppenheimer          kulation der Blicke, des Geldes und der politischen Macht _ am
wegen sogenannter Amtserschleichung, MaiestätsbeleidiSunS,             roten Faden der Sexualität anzubinden.3a Man mußte nur die
12It                                                                              Fatale   Korrespondenzen                                        121

                                                                    t,
                                                                            I

                                                                                  45   Standphoto aus ,'Jrrd
44     Standphoto aus ,,Jew Süss": Die Gemahlin Herzog Karl Alexanders koket-     Süß": oppenheimer kurz
tiert mit Oppenheirner, der selbst zurückhaltend agjert.                          vor der Vergewaltigung
                                                                                  Dorotheas, der Ehefrau
                                                                                  seines Widersachers l_aber.

Charakterisierung der Hauptfigur dahingehend verändern, daß
Oppenheimer als sexuell aktiver und attraktiver Frauenverführer                   dadurch, daß Oppenheimers sexuelles Begehren sich einzig auf
agiert, der schließlich eine Frau aus dem Volke und Sute Christin                 die Figur der Dorothea Sturm richtet, die Tochter des Land-
schändet und damit gute Gründe für seine Verurteilung liefert;                    schaftskonsulenten Sturm gespielt von Christina Söderbaum.
eine Rolle, die dann ja auch Ferdinand Marian zur Zufriedenheit                   Durch die Konfiguration des Selbstmords hatte sich dann auch
Harlans ausfüllte. ,Der Jude Süß muß am Schluß des                lilms   ster-   das letzte Problem der Stimmigkeit des Plots   von selbst gelöst.
ben, nicht weil er die Macht im Staat usurpierte, einen schwa-                       Man kann also davon ausgehen, daß sowohl der Mendes'sche
chen Schwabenherzog zum Luxus verführte, sondern weil er sich                     "Jew Süss. als auch der Feuchtwangersche dud Süß" und dessen
als Jude einer keuschen Magd aus Stuttgart näherte, die einem                     Popularität beim Publikum Goebbels und Harlan dazu animiert
deutschen Schreiber versprochen war.u3s Süß Oppenheimers Ver-                     haben, ihreßeits zum passenden Zeltpunkt eine nazistische Ver-

 halten gipfelt so in der Terminologie der Nazis in einem Akt der                 sion des Stoffes vorzulegen. Durch die historische Biographie
 ,Rassenschande". Das Problem der tödlichen Bedrohung christli-                   von Selma Stern,'Jud           Ein Beitrag zur deutschen und zur
                                                                                                                Süss.

 cher Frauen durch den besagten Urteilsspruch löste Harlan                                     Geschichte" (Berlin, 1929) und die Tragödie ,'Jud Süß"
                                                                                  'üdischen
Fatale Korrespondenzen

von Paul Kornfeld aus dem Jahre 1930 hatte die Figur des Süß           ruhevoller und biederer Mann", "eng verhaftet seinem Vater-
Oppenheimer zusätzliche Aktualität erhalten. Goebbels brannte          land.. Seiner mehrschichtigen Erzählperspektive folgend, hatte
geradezu darauf, den filmischen Schlußstein       in der Wirkungsge-   Feuchtwanger versucht, einer filmischen Kollisionsmontage
schichte zu setzen, zumal es fast ausschließlich iüdische Autoren      nlcht unähnlich, der fiktiven Selbstdarstellung der Fürsten, des
waren, die   in der Figur   des Jud Süß    ihr   eigenes momentanes    Volkes, der Juden, des Herzogs und Oppenheimers ieweils facet-
Schicksal zwischen Anpassung und Selbstbehauptung zu spie-             tenreich und durchaus kritisch gerecht zu werden. Um so leich-
geln versuchten.                                                       ter ließen sich dann für Harlan bei der Konzeption des Dreh-
  Um ihre Absicht zu erreichen, plünderten Goebbels und Har-           buchs bestimmte Teile herauslösen und mit den verschiedensten
lan den gesamten, schier unerschöpflichen Fundus der Jud-Süß-          Versatzstücken kombinieren. Anders aber als bei Mendes läßt
Literatur, vor allem Wilhelm Hauffs Novelle ,,Jud Süß. und eben        Harlan die dort im Zentrum stehende iüdische Lebenswelt ganz
auch Feuchtwangers historischen Roman.36 Die Grundkonstella-           in den Hintergrund treten, konzentriert sich statt   dessen auf die

tion fand man sicherlich in Hauffs Novelle aus dem Jahre 1827,         scheinbar gegensätzliche Entfaltung der höfischen und der bür-
wo sich aus der Perspektive einer gut christlichen Familie aus         gerlichen Welt und schafft so ein klar profiliertes, mehrschichti-
dem Volke der von Neid geprägte Antisemitismus gegen den                  vom "gesunden Volksempfinden" geprägtes ldentifikations-
                                                                       ges,

Finanzienrath Süß Oppenheimer unverhohlen Bahn bricht.:i7              angebot. Während bei Mendes das christliche Volk eher am
Hier mußte man nur die verschiedenen Stimmen aus dem Volke             Rande und fast nur als Masse agiert (zum Beispiel die Pogroms-
vereinen in det Figur des    ch stlichen    Landschaftskonsulenten     zene), ist bei Harlan das Volk als Masse und als personifizierter
Lanbek und seines Sohnes Gustav, und schon hatte man die den           und daher Identifikation stiftender Gegenspieler präsent (Sturm,
Nazifilm kennzeichnende grundlegende Frontstellung zwischen            Faber, Dorothea, Major Röder); vordergründig gegen den Herzog,
Christen und fuden, zwischen dem Landschaftskonsulenten                in Wahrheit aber gegen den Hofjuden Oppenheimer. Diese Kon-
Sturm, dessen Schwiegersohn Faber und dem Hofluden Oppen-              struktion ist im Sinne der Produktionsidee insofern geschickt, da
heimer.                                                                Süß ietzt als fremder Eindringling von außen     in die scheinbar
  Die Bezugnahme des Nazifilms auf Feuchtwanger ist oft in             friedliche Harmonie und festgefügte Ordnung von Adel und Bür-
Abrede gestellt worden, doch sind die Übernahme ausgewählter           gertum erscheint, als eine vorübergehende Störung, die es zu
Figuren und das Herausbrechen einzelner Segmente aus dem               beseitigen gilt. (Man beachte die Chronologie der Schauplätze    in
Roman unverkennbar. So ist zum Beispiel die Figur des Land-            der Exposition mit den Stationen Stuttgarter Schloß, Haus Sturm,
schaftskonsulenten Sturm schon     im   Roman vorhanden, wenn          Frankfurter Ghetto und wieder Haus Sturm; völlig anders dage-
auch nur vom Namen her und in knappen Umrissen. Sturm ist              gen der Mendes-Film, wo die ganze Exposition aus der Ghettos-
dort der Präsident der Landstände, "ein ernsthafter, bedachter,        zenerie besteht mit der Knabenschule im Mittelpunkt.) Harlans
Alfons Arns     latale Korrespondenzen

Film besteht daher aus einer sich steigernden Serie von Volksauf-          Anteilnahme entwickeln soll, einen staatlichen Mikrokosmos;
ständen gegen den Juden, der via Herzog als Anstifter allen übels          die Gewalt, die sich gegen die Familie Sturm richtet, steht für
gezeigt wird.
                                                                           iene gegen wüfttemberg insgesamt. Doch weicht der Film vom
                                                                           bürgerlichen Trauerspiel     in   essentieller Weise ab, indem die
                                                                           Quelle des Bösen, gewöhnlich der Aristokratie zugeschrieben, auf
Das Modell des bürgerlichen Trauerspiels                                   den beziehungsweise die Juden verlagert wird.
                                                                              Was die soziologische Kodierung        betrifft, so werden in   ,,Jud

In einer ausführlichen Studie zur antisemitischen Textur in Veit           Süß. - wie etwa in Frieddch Schillers "Kabale und Liebe" - zwei
Harlans ,,Jud Süß":r8 hat die Literaturwissenschaftlerin Linda             Verhaltenscodices entwofen; während das Bürgertum durch
Schulte-Sasse zeigen können, daß der Film      in der grundlegenden        Gemeinsinn, Tugendhaftigkeit, Treue und Rechtschaffenheit
Anlage des Drehbuchs und der soziologischen Kodierung des                  charakterisiert ist, zeichnet sich die Aristokratie durch Ehrgeiz,
historischen Stoffs dem Genre des bürgerlichen Trauerspiels                Eigendünkel und Lasterhaftigkeit aus. Die Kodierung der Figur
nachgebildet ist; jene selbstbewußte Ausdrucksform des entste-             des Joseph Süß Oppenheimer           in   ,Jud Süß" stimmt nun in
henden Bürgertums im 18. Jahrhundert, die darauf abzielte, die             beträchtlichem Maße mit derjenigen der Aristokratie im bürger-
absolutistische Trennung von Politik und Moral aufzulösen.                 lichen Trauerspiel überein. Insofern spielt Süß zunächst die klas-
Allen Bürgern und speziell der Aristokratie sollten die tragischen         sische Rolle des höfischen Intriganten      mit dem entsprechenden
Konsequenzen des Mißbrauchs von Macht demonstriert werden.                 Lebensstil. Die Verschiebung zum ,Bösen. geschieht dadurch,
Die Iamilie wurde in diesen Dramen als Hort sozialer Harmonie              daß der traditionelle aristokratische Schurke durch einen von
propagiert, beispielgebend für die ganze Gesellschaft.   Es ist   offen-   außerhalb der sozialen Ordnung, aus einer vermeintlich fremden
sichtlich, daß diese Moralisierung und Personalisierung von                Kultur kommenden Juden ersetzt wird: ein Transfet der histo-
Geschichte all ienen politischen Bewegungen stets willkommen               risch gerechtfertigt werden kann mit der Tradition der soge-
war, die ein Interesse daran hatten, soziale Probleme zu verdrän-          nannten Hofiuden, die    -   dem Ghetto entronnen     -   als Finanzbe-
gen   -   besonders also den Nationalsozialisten.                          rater an absolutistischen Höfen tätig waren. Die Kritik am
  Der Film ,'Jud Süß" macht nun für die dramaturgische Kon-                autoritären absolutistischen System verlagert sich so nach außen,
zeption auf geschickte Weise Anleihen beim Modell des bürgerli-            wo nunmehr die Quelle für den eigentlichen Antagonismus der
chen Trauerspiels. So dreht sich dessen Plot gleichfalls um den            beiden sozialen Klassen gesucht und gefunden wird. Adstokratie
Bruch sozialer Harmonie und den Einbruch von Figuren in ein                und Bürgertum rücken in dieser nazistischen Vision wieder
familiäres Milieu, die Hofintrigen in die Wege leiten. Auch hier           näher aneinander und bilden eine neue Gemeinschaft, die
verkörpert die Familie, fur die der Zuschauer schnell emotionale
                                                                           "Volksgemeinschaft", die sich ihrerseits vom Juden als dem
Fatale Korrespondenzen                                                  127

Anderen, Fremden abgrenzt. Das Motiv der Grenze und der
Grenzverletzung im Harlan-Film eindringlich in Szene gesetzt
durch das Stuttgarter Stadttor   -   erhält so eine zentrale dramatur-
gische Funktion.:le
  Eine letzte Perfidie schließlich Iiegt in der völligen Umkeh-
rung der personalen Prämissen bei Feuchtwanger und Mendes,
bezogen auf die Figur der Naomi. Sie wird als Tochter Oppenhei-
mers ersatzlos gestrichen und taucht dann als Tochter Dorothea
des Landschaftskonsulenten Sturm wieder auf. Jetzt ist es Oppen-

heimer (und nicht der Herzog), der die junge unschuldige Chri-
stin vergewaltigt: sie endet wie Naomi im Selbstmord. Man
könnte noch eine ganze Reihe von Szenen anführen, aus denen
deutlich ersichtlich würde, daß Harlan auch viele blldgestalteri-
sche Anregungen aus dem Mendes-Film gezogen             hat (der Ball,   46   Standphoto aus ,Jew Süss.: (Hinrichtungsszene); Oppenheimcr ais seibst-
                                                                         bewußte Persönlichkeit, die einem Justizmord entgegensieht.
der Tod des Herzogs). So ist etwa die Ahnlichkeit der beiden Hin-
richtungsszeneden am Schluß hinsichtlich der filmarchitektoni-
schen Ausstattung unverkennbar; allerdings schildert Harlan im           schilds im wirklichen Leben war ,Aktien auf Waterloo, zum
Unterschied zu Mendes die Hinrichtung des Süß Oppenheimer                Scheitern verurteilt..a0 Die reale Erfolgsstory der Rothschild-
ganz aus der Perspektive der Henker und kostet die Erhängung        in   Familie ist hier also das Korrektiv für die     -   bezogen auf die beab-
ihrer Brutalität voll aus.                                               sichtigten Wirkungen beim Zuschauer - mißlungene Produktion
                                                                         eines antisemitischen Films, während im Falle der beiden Jud-
                                                                         Süß-lilme das wirkliche Leben kein Korrektiv in diesem Sinne
                                                                         sein konnte; war doch das reale Schicksal des Joseph Süß Oppen-

In ihrer Analyse der beiden Rothschild-Filme "Eine Familie -             heimer, seine beispiellose Karriere als Hofiude und seine schmäh-

Zwei Filme: Die Rothschilds. zieht Regine Mihal Friedman das             liche Ermordung im Jahre 1738, eher das nachahmenswerte
folgende Resümee: oDas kümmerliche Werk Erich Waschnecks                 Exemplum für die Nazis, 200 Jahre später mit den heute leben-
                                                                         den Juden ebenso zu verfahren.
hatte sich damit als unfähig erwiesen, die einnehmende Dyna-                                            "Lebensgeschichte und Ermor-
mik des anderen, in 'The House of Rothschild, verherrlichterr            dung des Joseph Süss aus Gründen der Staatsräson., so Detlev
Gesichts des Mythos aufzuhalten. Durch den Erfolg der Roth-              Claussen   in einer   Besprechung des unsäglichen ZDF-Dokumen-
l2u                                                                         Arns       Fatale Korrespondenzen
                                                                   ^lfons

                                                                                          Zum Phänomen des Remakes vgl. das 'l hemenheft ,Le temake et l'adapta-
                                                                                          tion" der Filmzeitschrift CinemAction, Nr. 53,     1989.
               ,.rJt{b                                        "i
           |    1..:.'4                              ll:     il-.s!.1-l
                                                                                   I
                                                                                          Vgl. R€gine Mihal liriedman, Illmage et son Juif.    Le   Juif dans le cin€ma
                                                                                          nazi, Paris 198:1, S. 153 172 (Kap. lX. "t.e pr6-texter le,Jew Sriss, anglais").
                                                                                          Vgl. R€gine Mihal I.riedman, Exorcising the Past: Jewish Figures in Con-
                                                                                          temporary Films, in: iournal of Contemporary Histort Vol. 19, Nr. 3, July
                                                                                          1984, S. .5f 1f. Wesentlich kritischer sieht dies llan Avisal
                                                                                                                                                        "Nach dem
                                                                                          Kriegseintritt der USA produzierten die Studios zahlreiche Anti-Nazi-Filme,
                                                                                          aber nicht einen über die Leiden der Juden. Mehr als hundert Spielfilme
                                                                                          handelten vom Alltag der Zivilbevölkerung im besetzten Luropa, doch
                                                                                          nicht einer hatte die Ermordung von Juden zum TIrema. Die einzig erwäh-
                                                                                          nenswerte Ausnahme bildete Charlie Chaplins "Der große Diktator"
                                                                                          (1940)"; Ilan Avisar, Die Mischpoche von Holl),wood. Juden vor und hin-
                                                                                          ter der Kamera, in: Jiidische Lebenswelten. Essays, hg. von Andreas Nach-
                                                                                          ama, Julius H. Schoeps und Edward van Voolen, Berlin 1992, S. 205.
                                                                                          Vgl- Wir tanzen um die Welt. Deutsche Revuefilme 1933-1945, München
                                                                                          1979.
                                                                                          Vgl. das Stichwort 'Conrad Veidt - Schauspieler., Cinecraph. Lexikon
47   Standphoto aus "Jud SiifS": (Hinrichtungsszenc): Oppenheilner als ent-
                                                                                          zum deutschsprachigen Film, sowie London Calling. Deutsche im briti-
tarntcr Ve(brechcr, der sch!ldbewußt seinem "gerechtcn" Schicksal entgegcn-
                                                                                          schen Film der dreißiger Jahre, München 1993, S. 154. Zur Mimographie
geht.
                                                                                          Conrad Veidts siehe auch Daniela Sannwald, Continental Stranger Con-
                                                                                          rad Veidt und seine britischen Filme, in: London Calling, S. 89-97, und

tarspiels über die Figur des Süß Oppenheimer aus dem Jahre                                Elizabeth Coxhead, A Film Actor, in: Ctose Up, Vol. 10, 1933, S. 47-49.
                                                                                          Vgl. die biographische Notiz im Katalog Jüdische Lebenswelten im Film,
 1934,41 ,gshören heute zur Vorgeschichte der Massenvernich-
                                                                                          Berlin 1992: "Lothar Mendes, geb. 19. Mai 1894 in Berlin als Sohn einer
 tung des lüdischen Volkes, die erste Verfilmung in Deutschland                           jüdischen Familie, gest. 1974. Er arbeitete zunächst als Schauspieler bei
 aber - (Harlans ,'Jud Süß., A.A.) ist selbst Bestandteil der                             Max Reinhardt. 1921 inszenierte er seinen ersten Spielfilm        Aben-
                                                                                                                                                           "Das
 Mordtat.ua2 Vielleicht liegt hier cler eigentliche Grund für die im                      teuer". 1926 ging er nach Hollywood und atbeitete dort und in croßbri,
                                                                                          tannien als Regisseur, bis er sich Mitte der vierziger Jahre vom Film
 Vergleich zum Mendes'schen ,'Jew Süss" größere, wenngleich
                                                                                          zu ckzog" (Nr. 19).
 infame Kunstfertigkeit und Wirksamkeit des nazistischen 'Jud                             Filme in Deutschland und Österreich:
                                                                                                                                "Das Geheimnis det Santa Maria.
 Süß", der mit seinem ungeheuren Aufwand und seiner filmtech-                             (1921),
                                                                                                  'Das Abenteue:ß  (7927),
                                                                                                                           "Deportiert" (1922), "Schsins 6s5 1e6.r,,
                                                                                          (1922),
 nischen Perfektion die Maschinerie der industriellen Massentö-                                   "S.O.S. Die Insel der Tränen,, (1923), "Der Mönch von Santarem"
                                                                                          (1924),
                                                                                                  "Liebe macht blind" (1925), "Die drei Kuckucksuhren".
 tung vorwegnehmen wolltc. Die "Erfolgsgeschichteu der Nazis -                            Filme in den USA:
                                                                                                            "The Prince of Tempters" (1926), "Convoy" (1927),  "A
 das waren eben die Entwürdigung, die Ausgrenzung                     und     die         Night of Mystery" (1928), "Interference" (1928), "Dangerous Curves"
 schließliche Vernichtung der euroPäischen Juden.                                         (1929),
                                                                                                  "lllusion" (1929), "The Marriage Playground" (1929), "The Four
130                                                                                      Fatale Korrespondenzen                                                                 131

      Feathers( (1929), "Paramount on Parade" (1930), "Ladies' Man" (1931), "l           17 Detlev      Claussen, Halbwahre Wahrheit. ,Joseph Süss Oppenheimern, in:

      Take This Woman" (1931), "Personal Maid. (1931), ,Stlangers In Love"                    Frankfurtei Allgemeine Zeitung, 16. Februar 1984.
      (1932), "Payment Deferred" (1932),         Liner" (1932), "International           18 Reinhold Jaretzk, Lion Feuchtwanget Reinbek bei Hamburg                 1984, S. 46.
                                             "Luxury
      Squadron" (1941), "Flight for Freedom" (1943),,Tampico" (1944), "The               19 Ebd., s.43.
      Walls Came Tumbling Down" (1946).                                                  20   Vg1. z. B.   Friedrich Knilli, Poetik der Ware. Die internationale und inter-
      Filme in Großb{itannien: "Jew Süss" (1934), "The Man Who Could Work                     mediale Vermarktung von Lion Feuchtwangers ,Jud Süß-Stoff, in: Bau-

      Miracles" (1935), "Moonlight Sonata" (1936).                                            steine zu einer Poetik der Moderne, hg. von Norbert Miller, Volker Klotz,

7     Vgl. Paimanns Filmlisten (Wien), Nr 967, 19. Oktober 1934                               Michael    K    ger, München 1987, S. 188-207.
                                                                                         21 Batbaft      Gerber, Jud Süß   -   Aufstieg und Fall im frühen 18. Jahrhundert.
      "Der Fall tud Süß,", in: Deutsche
8                                       Zeitung, 24. Oktober 1934.
9                        gegen den Film 'Jud Süß,", in: Deutsche ZeitunS,                     Ein Beitrag zur Historischen Antisemitismus- und Rezeptionsforschung,
      "Demonstrationen
      19. Oktober 1934.                                                                       Hamburg 1990, S. 288. Bei Gelegenheit von Barbara Gerbets umfänglicher
10 vgl. Karteikarte     RFA. 2744, Herst.-Jahr: 1934, "Jud Süß" ("Jew Süss"),                 historischer Quellenstudie zur Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des
      Fundstelle: Deutsches Institut für Filmkunde, Frankfurt a. M.                           J.S.   Oppenheimer sei an dieser Stelle hingewiesen auf die seit 1994 im
11 Veit Harlan, Im Schatten meiner Filme. Selbstbiographie, hg.von H. C.                      Besitz des Jüdischen Museums Frankfurt a.M. als Dauerleihgabe           befindli-
      Opfermann, Güte$loh 1966, S.96.                                                         che Verteidigungsschrift für J.S-O. aus dem Jahre 1737 von dem Tübinger

12 Vgt. Die Tagebücher von       Joseph Goebbels. Säütliche Fragmente, h8 v. Elke             Juiisten Andreas Michael Mögling: Rechtliche Defensions-Schrifft des
      Fröhlich, Teil I: Aufzeichnungen 1924-1947, Bd 4, l.    Januar 1940-                    Juden Joseph Süs Oppenheimer pcto. imput. diversor. criminum. peintich

      8.Juli 1941, 1947, 5. 221.                                                              Beklagten an ein Hochansehlich-Peinliches Inquisitionsgericht zu Stutt-

13    Mariam Niroumand, Das Vierte Gebot. Filmreihe zur Ausstellung ,Jüdische                 ga{t. Die 11. Novemberis 1737; vlg. hierzu (arr.), Ein Beispiel von Massen-
                                                                                              wahn. Original der Verteidigungsschrift für
       Lebenswelten, im Martin-Gropius-Bau, in: die tageszeitung (Beilin), 5.                                                             "Jud Süß" Oppenheimer jetzt
                                                               Dan Diner geprä8ten            im Jüdischen Museum, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. August
       Februar 1992.   - M. Niroumand benutzt hier den von
       Begriff der "negativen Symbiose
Alfons Arns   Fatale Korrespondcnzen                                                           133

     im thematischen Kontext: Berlin und das Kino 750Jahre Berlin (1987,                      quium, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Juli 1984; Martin Schlapp-
     Berlin), Jüdische Lebenswelten im Film (1992, Berlin).                                   ner (=ms.), Welche Vorlage hatte Veit Harlans
                                                                                                                                            "Jud Süß.?, in: Neue Zür-
29 Votker Baer, Der andere Jud Süß. Zu Lothar Mendes' Film aus dem Jahre                      cher Zeitung, 30. März 1989; Klaus Kanzog, ,Staatspolitisch besonders
     1934,    in: Der Tagesspiegel, 20. Oktober 1973.                                         wertvoll.. Ein Handbuch zu 30 deutschen Spielfilmen der Jahre 1934 bis
     Vgl. Friedman (wie Anm.2), S. 112; deutsch: R68ine Mihal Friedman, Eine                  1945, München 199,1, diskurs film, Bd. 6, Kap.8.18, S.219-234, bes.
     Familie   -   Zwei Filme: Die Rothschilds, in: Die Rothschilds. Beiträ8e zur
     Geschichte einer europäischen Familie, hg. von Georg Heuberger, Sigma-              37 Zum Antisemitismus bei Wilhelm Hauff und speziell in der Novelle "Jud
     ringen 1994, S.351.                                                                      Süß" vgl. jetzt auch Anne von der Heiden, Die Schattenseite glänzender
3l Vgl. JEW SÜSS. From the Novel by Lion Feuchtwangel. Directed by Lothar                     Charakteristik. Juden in Erzählungen von Wilhelm Hauff, in: Asthetik und
   Mendes. Produced by The Gaumont-British Picture Coporation Ltd., h8                        Verantwortung. Festschrift für Matthias Kohn, hg.von Anne von der Hei-
     und mit einer Einführung versehen von Ernest Betts, London 1935;                         den, Essen 1994, S.279-304; siehe auch Dorothea Hollstein, Dreimal
                                                                                                                                                                 "Jud
     Reprint in der Reihe "The Garland Classics of Film Literature" ( Bd 26):                 Süß" Zeugnisse "schmählichster Barbarei.. Hauffs Novelle, Feuchtwan-
     IEW SÜSS. Afthur Rawlinson and Dorothy Farnum, New York, London                          gers Roman und Harlans Film    in vergleichender Bettachtung, in: Der
      1974.                                                                                   Deutschunterricht, H. 3, 1985, Juden in det deutschen Literatur II, S. 42-
32 Vgl. Friedman (wie Anm. Z), S. 168-172.                                                    54.
      Vgl. u.a. Friedrich Knilli/Siegfried Zielinski, Lion FeuchtwanSers ,Jud Süß"       38 Vgl. Linda    Schulte-Sasse, The Jew as Other under National Socialism: Veit
      und die gleichnamigen Filme von Lothar Mendes (1934) und Veit Harlan                    Harlan's "Jud Süß., in: The German Quarterlt Vol.61 Winter 1988, Nr. I,
      (1940), in: Lion Feuchtwanger, Text+Kritik, H. 79lao, Oktober 1983, S 99-               S.22-49. Grundlegend nach wie vor über den antisemitischen Film als
      121; Siegfried Zielinski, Antisemitische Kulturware versus philosemitisches             "eine eigenständige Erfindung der Nationalsozialisten" (Witte (wie Anm.
      Kunstwerk. Aspekte einer Gegenübeistellung der Filme "Jud Süß" (1940)                   34), S. 151) sind Dorothea Hollstein, ,,Jud Süß" und die Deutschen. Anti-
      und,Jew Süss< (1934), in: Huder/Knilli (wie Anm. 16), S. 134-147; Pertsch               semitische Vorutteile im nationalsozialistischen Spielfilm, Frankfurt/M.,
      (wie Anm. 23), S. 77-103.                                                               Berlin, Wien 1983 sowie Friedman (wie Anm. 2).
34    Die diesbezüglich prägnanteste Intelpretation des Harlanschen "Jud Süß'            39 V8l. hierzu Alfons Arns, Fluchtpunkt Antisemitismus. Die Oiganisation
      gibt Karsten Witte in seinem BeitraS: Film im Nationalsozialismus Blen-                 des   Architekturraums in Otto Huntes Entwürfen zu ,Jud Süß" (1940);
      dung und Überblendung, in: Geschichte des deutschen Films, hg. von                      erscheint 1996 im Rahmen einet Publikation des Deutschen Filmmuseums
      W Jacobsen, A.      Kaes   und H. H. Prinzler, Stuttgart und weimar 1993,   S.          (Frankfurt a. M.) zu den Entwütfen der Filmarchitekten Otto Hunte und
      150-158 (Kap.: "Das lnfame"); siehe auch Friedman (wie Anm.2), S. 173-                  Walter Reimann.
      248; Mihal Friedman, Männlichel Blick und weibliche Reaktion: Veit Har-            40 Friedman (wie Anm. 30), S. 353.
      lans "Jud Süß*, in: Frauen und Film, H. 41, 7987, S. 50-64; Franeois               41 Vgl. Claussen (wie Anm. 17); siehe auch die ausführliche Studie von Anke-
      Gareon,     Juif Süß
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