DIE UMSTRUKTURIERUNG DER ÖBB AUS DER SICHT DES WETTBEWERBSRECHTS

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DIE UMSTRUKTURIERUNG DER ÖBB AUS DER SICHT DES
                                   WETTBEWERBSRECHTS

          VORTRAG IM RAHMEN DES ARBEITSAUSSCHUSSES FÜR VERKEHRSRECHT, WIEN, 22.4.2005

                                                               Arno Kahl

                          ABSTRACT                                       diese Umstrukturierung vielleicht sogar gar nicht weit genug
                                                                         gegangen ist.
Mit dem BahnstrukturG 2003 wurden die Österreichischen
Bundesbahnen (ÖBB) in eine Holding umstrukturiert. Dies                               2. DIE TRENNUNG VON
wurde von der damaligen großen Oppositionspartei heftig                        INFRASTRUKTURBETRIEB UND ABSATZ
kritisiert. Keine Rolle in dieser politischen Diskussion
spielten die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen                      2.1. Als Voraussetzung für Wettbewerb
Bestimmungen in Gestalt verschiedener Richtlinien, die auf
die Liberalisierung des Eisenbahnsektors abzielten. Der                  Die Liberalisierung der so genannten Infrastruktursektoren
Vortrag geht der Frage nach, ob die Umstrukturierung der                 ist nur im Dienstebereich möglich. Der Netzbereich stellt –
ÖBB in eine Holding durch das Gemeinschaftsrecht                         nicht zuletzt mangels sinnvoller Duplizierbarkeit –
gefordert war und ob die gewählte Konstruktion                           überwiegend jeweils ein „natürliches Monopol“ dar. Auf der
gemeinschaftsrechtskonform ist.                                          Netzebene             (Strom-,          Gas-           und
                                                                         Telekommunikationsleitungen, Leitungen für O-Busse, U-
                       1. EINLEITUNG                                     Bahnschienen) scheidet daher Wettbewerb – abgesehen von
                                                                         der Möglichkeit, den Infrastrukturbetrieb periodisch
Folie 1                                                                  auszuschreiben – in aller Regel aus. Wettbewerb ist
Ich werde heute einige Aspekte der Umstrukturierung der                  allerdings auf der Diensteebene, also im Rahmen der
ÖBB aus wettbewerbsrechtlicher Sicht beleuchten. Das                     Nutzung dieser Infrastruktureinrichtungen, möglich. Dafür
„Recht der Eisenbahnen“ ist mittlerweile in erheblichem                  muss diskriminierungsfreier Netzzugang gewährt, der
Ausmaß durch gemeinschaftliches Sekundärrecht geprägt.                   Monopolbereich Infrastruktur also für Wettbewerber – unter
Bevor      wettbewerbsrechtliche      Überlegungen       im              der Aufsicht entsprechender Regulierungsbehörden –
Zusammenhang mit der Umstrukturierung der ÖBB                            geöffnet werden.
angestellt werden können, ist es erforderlich, einige                    Als Voraussetzung für eine derartige Marktöffnung gilt die
Bestimmungen der einschlägigen Richtlinien darzustellen,                 Trennung vom Betrieb der Infrastruktur einerseits und von
die zur zunehmenden Marktöffnung im Bereich des                          der Erbringung der jeweiligen Dienstleistungen, in unserem
Schienenverkehrs führen. Dabei geht es nicht um eine                     Fall Schienenverkehrsdiensten, andererseits. Dass das
umfassende Nachzeichnung der Liberalisierung, sondern um                 europäische „Infrastruktursektoren-Liberalisierungsrecht“
die Untersuchung spezifischer Bestimmungen, die einen                    regelmäßig Bestimmungen über diese Trennung enthält,
Einfluss auf die Organisation und damit die                              zählt zum juristischen Allgemeinwissen.
Umstrukturierung der ÖBB haben bzw haben können. Es                      Für mein Thema heute interessiert, wie diese Bestimmungen
geht daher auch nicht um die Beleuchtung                                 im Bereich des Schienenverkehrs ausgestaltet sind. Denn
wettbewerbsrechtlicher Problembereiche, die mit der                      dann lässt sich die Frage beantworten, ob es auch heute
Umstrukturierung nicht zusammenhängen, sondern im                        noch zulässig bzw sinnvoll wäre, die ÖBB nicht als
Bereich der Eisenbahnliberalisierung sozusagen „allgemein“               Holding, sondern als ausgegliederte, im Eigentum des
zu beobachten sind. Daraus ergibt sich eine wesentliche                  Bundes stehende und vom Bundeshaushalt losgelöste
Einschränkung des Themas.                                                Gesellschaft sui generis zu führen, mit eigener
Mit den angesprochenen Bestimmungen hängt die                            Rechtspersönlichkeit, aber ohne die Zuordnung der
grundlegende Frage zusammen, ob die Umstrukturierung                     verschiedenen Unternehmensbereiche zu eigenen, nach
der ÖBB rechtlich geboten oder – wie man in die                          außen in Form von Kapitalgesellschaften als selbstständige
Umstrukturierung begleitenden Diskussionen auch gehört                   Organisationseinheiten in Erscheinung tretenden Einheiten,
hat – ausschließlich politisch motiviert war, oder aber, ob              wie dies vor der Umstrukturierung der Fall war.

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ownership unbundling – die wettbewerbliche
2.2. Arten der Trennung                                                            Idealvorstellung.
Folie 2
Nach deren „Tiefenwirkung“ können verschiedene Arten                       3. WETTBEWERBSRECHTLICHE ASPEKTE DER
der Trennung von Infrastruktur- und Absatzbereich                         TRENNUNG VON INFRASTRUKTUR UND ABSATZ
unterschieden        werden,          die       unterschiedlich                   UND DER EINRÄUMUNG VON
wettbewerbsintensiv sind.                                                            ZUGANGSRECHTEN
     • Die rechnerische Trennung setzt bei der
         Finanzbuchhaltung bzw der Kostenrechnung an; es                 3.1. Der Werdegang der RL 91/440/EWG
         erfolgt    lediglich      eine     kostenrechnerische
         Unterteilung der Bereiche. Beide Bereiche sind in
         einem gemeinsamen Unternehmen integriert. Bei                   3.1.1. Stammfassung
         dieser Trennungsart bleibt die Gefahr der
         Diskriminierung Dritter beim Netzzugang beinahe                 Folie 3
         vollständig bestehen. Die besondere Gefahr besteht              Der Startschuss für die Liberalisierung fiel im
         darin, dass der Infrastrukturbetreiber Kosten der               Eisenbahnbereich mit der Erlassung der RL 91/440/EWG
         eigenen        Transportsparten          auf      den           zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der
         Infrastrukturbereich        überträgt      und      so          Gemeinschaft. Wie erwähnt, enthielt die RL von Anfang an
         Wettbewerbern im Ergebnis überhöhte Netzkosten                  auch       Bestimmungen    über     die   Trennung     von
         angelastet     werden.       Dieser     Gefahr     der          Infrastrukturbetrieb und Absatzbereich.
         Quersubventionierung kann bei rein rechnerischer                Diese Trennung beschränkte sich in der Stammfassung der
         Trennung kaum entgegengewirkt werden.                           Richtlinie jedoch auf eine rein rechnungsmäßige
     • Als Mindestbedingung für die Schaffung eines                      Abgrenzung. Zugangsrechte wurden nur so genannten
         diskriminierungsfreien Netzzugangs wird daher die               „internationalen             Gruppierungen             von
         organisatorische       Trennung       der    Bereiche           Eisenbahnunternehmen“ sowie Eisenbahnunternehmen, die
         Infrastruktur    und      Absatz      gesehen.    Die           Verkehrsleistungen im grenzüberschreitenden kombinierten
         organisatorische      Trennung       verschärft    die          Güterverkehr erbringen, eingeräumt. Einer internationalen
         rechnerische Trennung insoweit, als innerhalb                   Gruppierung, also einer Verbindungen mindestens zweier
         eines Unternehmens ein eigenverantwortlicher –                  Eisenbahnunternehmen, stand der Netzzugang nur im
         kosten-     und       ergebnisverantwortlicher       –          grenzüberschreitenden Personenverkehr zwischen jenen
         Geschäftsbereich Fahrweg eingerichtet wird. Der                 Staaten zu, in denen die Mitglieder der Gruppierung ihren
         Infrastrukturbetreiber ist allerdings auch bei dieser           Sitz hatten.
         Konstruktion zugleich auch als Diensteanbieter                  Die Kommission hat übrigens entschieden, dass für einen
         tätig, weshalb auch bei einer organisatorischen                 Monopolisten wie im konkreten Fall die Italienischen
         Trennung Diskriminierungen zu befürchten sind.                  Staatsbahnen unter bestimmten Umständen aus dem
         Vor ihrer Umstrukturierung in eine Holding waren                Wettbewerbsrecht auch eine Pflicht zur Bildung einer
         bei den ÖBB der Bereich Erbringung der                          solchen internationalen Gruppierung erwachsen kann, um
         Verkehrsleistung und Infrastruktur einschließlich               einem ausländischen Untenehmen einen entsprechenden
         der     Funktion     als     Fahrwegbetreiber     und           Marktzugang zu ermöglichen.
         Zuweisungsstelle organisatorisch und rechnerisch –              In ihrer Stammfassung hat die RL jedenfalls keine
         innerhalb der ÖBB als Gesellschaft sui generis –                bedeutende Marktöffnung bewirkt (einerseits nur
         voneinander getrennt. Das Schienennetz wurde                    rechnerische Trennung und andererseits nur sehr
         vom „ÖBB-Bereich Infrastruktur“ verwaltet und                   beschränkte Netzzugangsrechte).
         betrieben             (zB             Trassenvergabe,           Daher kam es in der Folge zur Erlassung zweier weiterer
         Benützungsentgeltberechnung und -einhebung).                    Richtlinien, die Detailfragen des Netzzugangs regeln
     • Am besten wird eine diskriminierungsfreie                         sollten: RL 95/18/EG über die Erteilung von
         Trassenvergabe durch eine institutionelle Trennung              Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen sowie die RL
         von Netz und Betrieb gewährleistet. Die Bereiche                95/19/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der
         befinden sich dann in verschiedenen Unternehmen,                Eisenbahn und die Berechnung von Wegeentgelten. Auch
         die möglichst auch finanziell nicht miteinander                 diese RL blieben, was die Entstehung von Wettbewerb
         verflochten sind. Dies ist – abgesehen vom so                   betrifft, im Wesentlichen wirkungslos.
         genannten, in jüngster Zeit von der Kommission im               In der Folge liberalisierten einige Staaten – nicht zuletzt
         Bereich der Energieversorgung angedachten                       wegen Besorgnis erregender wirtschaftlicher Entwicklungen
                                                                         – ihren Eisenbahnsektor auf eigene Faust. Die

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eingeschlagenen Wege waren dabei sehr unterschiedlich                    In der Stammfassung normierte die RL 91/440/EWG
(GB, Schweden). Dies wird hier deshalb erwähnt, weil                     lediglich das Gebot der getrennten Rechnungsführung. Die
Deutschland im Zuge der dort durchgeführten Bahnreform                   RL 2001/12/EG (erstes Eisenbahnpaket) geht diesbezüglich
den Schritt setzte, die DB als Holding zu konstruieren. Im               einen Schritt weiter. Verlangt wird nunmehr, dass getrennte
DB-Konzern sind – unter anderem – die Bereiche                           Gewinn-           und        Verlustrechungen         sowie
Infrastruktur und Absatz als eigene Tochtergesellschaften                Vermögensübersichten bzw Bilanzen für die Erbringung
organisiert. Darauf wird noch zurückgekommen.                            von Verkehrsleistungen einerseits und für den
Auch      in     Österreich    kam     es    durch     das               Infrastrukturbetrieb andererseits erstellt und veröffentlicht
EisenbahnrechtsanpassungsG         1997      und       das               werden (Art 6, § 55 EisbG). Solche Pflichten gelten auch
Schienenverkehrsmarkt-RegulierungsG zur Schaffung von                    für den Güterverkehr (Art 9).
Zugangsrechten, die über das zum damaligen Zeitpunkt                     Verschärft wurden auch die Beschränkungen für den
gemeinschaftsrechtlich Vorgeschriebene hinausgingen. Die                 Mitteltransfer zwischen den Bereichen Infrastruktur und
ÖBB war damals der beschriebene Rechtskörper sui                         Absatz. Dieses Quersubventionierungsverbot bezieht sich
generis. Nennenswerter Wettbewerb stellte sich in                        nunmehr auf sämtliche „öffentlichen Gelder“ (in § 55 EisbG
Österreich nicht ein.                                                    „Mitteln“). Es ist aber weiterhin in das Belieben der MS
                                                                         gestellt, ob der Infrastruktur- und der Verkehrsbereich in
3.1.2. Weiterentwicklung der Zugangsrechte im Güter- und                 getrennten Unternehmensbereichen innerhalb desselben
im Personenverkehr                                                       Unternehmens ausgeübt werden oder ob eine außerhalb des
                                                                         Unternehmens stehende Einrichtung den Betrieb der
Folie 4                                                                  Infrastruktur übernimmt (Art 6 Abs 2). Die institutionelle
Insbesondere als Reaktion darauf, dass die Eisenbahnen in                Trennung ist also weiterhin fakultativ.
Europa im Verhältnis zum LKW und zum privaten PKW
weiterhin und zunehmend ins Hintertreffen geraten sind,                  Zu den sensiblen „Funktionen“:
wurde auf europäischer Ebene das so genannte erste                       Eine weitere für das behandelte Thema wesentliche
„Eisenbahn-Infrastrukturpaket“ geschnürt, das – unter                    Änderung steckt in Art 6 Abs 3 RL 91/440/EWG idF des
anderem – in Form einer Novellierung der RL 91/440/EWG                   ersten Eisenbahnpakets. Danach sind bestimmte Funktionen,
durch      die    RL     2001/12/EG      im Bereich       des            die für einen gerechten und nichtdiskriminierenden Zugang
grenzüberschreitenden        Güterverkehrs   den     nächsten            zur Infrastruktur ausschlaggebend sind, auf Stellen oder
Liberalisierungsschritt setzt. Der Transport von Gütern wird             Unternehmen       zu    übertragen,   die    selbst   keine
– für jede Art von grenzüberschreitendem Güterverkehr –                  Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen. Diese Funktionen
stufenweise, zuerst         auf dem „Transeuropäischen                   betreffen     den     Bereich     der     Zulassung      von
Schienengüternetz“        („Transeuropean     Rail    Freight            Eisenbahnunternehmen, der Entscheidungen über die
Freeways“), das in Österreich dem Transeuropäischen                      Trassenzuweisung und über die Wegeentgelte sowie die
Schienennetz entspricht, und in einem weiteren Schritt zur               Überwachung der Einhaltung von Verpflichtungen zur
vollständigen Marktöffnung bis zum Jahr 2006                             Bereitstellung bestimmter Dienste für die Allgemeinheit.
(Beschleunigung durch das zweite Eisenbahnpaket) auf dem                 In der Literatur wird nun aber – und damit nähern wir uns
gesamten Netz liberalisiert. Der nicht-grenzüberschreitende              dem Kern des Themas – mit guten Gründen davon
Güterverkehr ist spätestens bis zum 1.1.2007 zu                          ausgegangen, dass diese Bestimmung im Lichte der Art 4
liberalisieren (drittes Paket; RL 2004/51/EG).                           Abs 2 und 14 Abs 2 RL 2001/14/EG zu deuten ist. Danach
Im Personenverkehr kommt bis zur Umsetzung des dritten                   müssen für den Fall, dass der Betreiber der Infrastruktur
Eisenbahnpakets        Marktzugang weiterhin nur für                     rechtlich, organisatorisch oder in seinen Entscheidungen
internationale     Gruppierungen      in   Betracht.    Auch             nicht von Eisenbahn(verkehrs)unternehmen unabhängig ist,
Unternehmen, die ausschließlich Stadt-, Vororte- oder                    die Festsetzung der Entgelte und die Trassenzuweisung von
Regionalverkehr betreiben, sind derzeit noch vom                         einer Stelle wahrgenommen werden, die rechtlich,
Marktzugang ausgeschlossen. Für sie bestehen keine                       organisatorisch und in ihren Entscheidungen von
Netzzugangsrechte. Für den Güterverkehr und den                          Eisenbahnunternehmen unabhängig ist. Das heißt, dass
Personenverkehr sind bzw werden die Märkte also in                       diese      Tätigkeiten     nur      dann      durch       ein
unterschiedlichem Maße geöffnet.                                         Infrastrukturunternehmen wahrgenommen werden dürfen,
                                                                         wenn eine strikte Trennung die Unabhängigkeit von
3.1.3. Weiterentwicklung der Trennung von Netz und Absatz                Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen
                                                                         garantiert. Wenn eine solche Trennung in einem MS nicht
Folie 5                                                                  realisiert ist, müssen diese Funktionen von einer
Getrennte Gewinn- und Verlustrechnungen:                                 unabhängigen „Stelle“ wahrgenommenen werden.

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In Österreich ist diese Problematik – für alle                           Es wurde in der deutschen Literatur mittlerweile von
Eisenbahnunternehmen – in § 62 EisbG geregelt. Die                       mehreren Autoren einlässlich und mit guten Gründen
Zuweisung von Zugtrassen und die Festlegung von                          dargelegt, dass sich die Beherrschung der DB-Netz AG
Entgelten     bleibt   danach    dem Grundsatz        nach               durch die Holding als Konzernmutter mit der
unternehmerische                 Aufgabe                des              gemeinschaftsrechtlich geforderten Unabhängigkeit nicht
Eisenbahninfrastrukturunternehmens.         Ist      dieses              verträgt. Egal, ob diese Dominanz in einem
Unternehmen im beschriebenen dreifachen Sinne                            Beherrschungsvertrag und in (möglichen) Weisungen zum
unabhängig, kann es die Funktionen der Zuweisungsstelle                  Ausdruck kommt oder ob es sich um einen faktischen
trotzdem an eine unabhängige Stelle oder ein anderes                     Konzern handelt. Auch ein Entherrschungsvertrag, dessen
unabhängiges Infrastrukturunternehmen übertragen (eine                   Zulässigkeit allerdings umstritten ist, ändert nach dieser
gesetzliche Pflicht als Zuweisungsstelle zu agieren besteht              Meinung an dieser Situation nichts. Eine rechtliche und
also nicht). Besteht diese Unabhängigkeit nicht, ist eine                organisatorische Unabhängigkeit des Tochterunternehmens
solche Übertragung verpflichtend angeordnet (zB                          DB Netz AG von den Interessen einer anderen
„Schieneninfrastruktur-DienstleistungsGmbH außerhalb der                 Konzerntochter – zB der Verkehrstochter DB Regio – sei
Holding).                                                                nicht gegeben, da sie sich dem Konzernwohl unterzuordnen
→ Organigramm                                                            habe. Dieses Konzernwohl könne aber nur in einer
Im Bereich der ÖBB ist die ÖBB Infrastruktur Betrieb AG                  Gesamtoptimierungsstrategie und nicht in der Optimierung
als Zuweisungsstelle vorgesehen, die – so steht zu lesen –               alleine der Infrastruktursparte gelegen sein; so die Meinung
„nach dem BundesbahnG entsprechend unabhängig von den                    der angesprochenen Autoren. Verwiesen wird auch auf die
Eisenbahnverkehrsunternehmen organisiert ist, ohne                       Pflicht der Konzernleitung zur Optimierung der im Konzern
diesbezügliche Eingriffsrechte der ÖBB Holding“. Sie weist               vorhandenen Ressourcen. So lange die DB AG die Mehrheit
die Trassen zu und setzt das Infrastrukturbenützungsentgelt              an der Netzsparte halte, könne die DB-Netz AG nicht im
(IBE) fest (§ 68 EisbG).                                                 erforderlichen Ausmaß frei agieren, sodass ihre
                                                                         Unabhängigkeit im Sinne des Gemeinschaftsrechts nicht
3.2. Die ÖBB Infrastruktur Betrieb AG als                                vorliege.
unabhängiges     Infrastrukturunternehmen bzw
unabhängige Zuweisungsstelle?                                            Gemeinschaftsrecht:
                                                                         Fest steht, dass das Gemeinschaftsrecht hinsichtlich der Art
Die zentrale Frage, die sich stellt, ist nun, ob gegen die               der Herstellung der Unabhängigkeit der Netzsparte keinerlei
Qualifikation der ÖBB Infrastruktur Betrieb AG als                       konkrete Vorgaben macht. Die Umsetzung ist Sache der
Zuweisungsstelle      wettbewerbsrechtliche      Bedenken                MS. Gefordert wären als adäquates Mittel zur Herstellung
bestehen; im Hintergrund der entsprechenden RL-                          der        erforderlichen      Unabhängigkeit          eines
Bestimmungen steht ja das Bestreben der Verhinderung des                 Infrastrukturunternehmens im DB-Konzern gesetzliche
Missbrauchs einer beherrschenden Stellung auf dem                        Bestimmungen, die die Verantwortlichen der Infrastruktur
Infrastrukturmarkt, also Wettbewerbsrecht. In diesem                     AG von jedweder Einflussnahme der Holdingebene
Zusammenhang lohnt ein Blick über die Grenze zur                         befreien. Dabei wird auch an eine (mittelbare) Steuerung
deutschen Diskussion.                                                    bzw Beeinflussung im Wege der Ressourcen Finanzmittel
                                                                         und Personal gedacht.
3.2.1. DB-Holding
                                                                         Praxis in der Vergangenheit:
Folie 6                                                                  Diese Überlegungen scheinen aus rechtlicher Sicht gute
In Deutschland ist die DB seit der Bahnreform – ähnlich                  Gründe für sich zu haben und wettbewerbspolitisch
wie nunmehr die ÖBB in Österreich – als Holding                          keinesfalls übertrieben. Als Beweis für letzteres kann die
konstruiert. Es bestehen mit sämtlichen Töchtern                         protektionistische Haltung der DB-Netz AG gerade im
Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge. Eine                        Zusammenhang mit der Gestaltung des Marktneulinge
Tochter ist die DB-Netz AG, die für die Trassenvergabe                   diskriminierenden Trassenpreissystems in den letzten zehn
und die Festsetzung des Infrastrukturbenützungsentgelts                  Jahren ins Treffen geführt werden. Mittlerweile existiert,
zuständig ist. Gerade in diesem Zusammenhang war und ist                 soweit ich weiß, das vierte Trassenpreissystem (TPS), zwei
die Frage der Unabhängigkeit der Infrastruktur umstritten.               wurden wegen Widerspruchs zum Kartellrecht beanstandet.
Deutschland hat daher zum Eisenbahnpaket eine – rechtlich
irrelevante – Protokollnotiz abgegeben, wonach die im                    Kritischer Gesichtspunkt:
Paket      gefundene      Kompromisslösung     (dreifache                Allerdings muss auch gesehen werden, dass im Falle einer
Unabhängigkeit des Infrastrukturunternehmens) in keiner                  Auslagerung der entsprechenden Infrastrukturtätigkeiten
Weise die bestehende Struktur der DB AG tangiere.                        weg vom Infrastrukturunternehmen nicht viel vom

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Kerngeschäft der Infrastrukturgesellschaften – Stichwort:                dass die Unabhängigkeit nicht in ausreichendem Maße
Preis- und Absatzpolitik – übrig bliebe und dass sehr viel               gegeben ist. Dies trotz der Tatsache, dass derzeit laut ÖBB-
Sachverstand aus dem Unternehmen ausgelagert werden                      Homepage der Holding-Vorstand lediglich aus               zwei
müsste.     Die     Materialien    zum      österreichischen             Personen besteht, von denen eine allerdings „den Bereich
BahnstrukturG 2003 sprechen wohl nicht zu Unrecht von                    Infrastruktur verantwortet“.
einer „administrativ und ökonomisch schwierig zu                         In Deutschland wurden jedenfalls genau in die
handhabenden Ausgliederung“.                                             entgegengesetzte               Richtung                weisend
Der deutsche Gesetzgeber hat jedenfalls auf die geschilderte             Inkompatibilitätsbestimmungen        gesetzlich      dergestalt
Argumentation reagiert (Sachverständigenkommission:                      normiert,       dass      bei       vertikal       integrierten
Pällmann-Kommission) und ein Bündel an gesetzlichen                      Eisenbahnunternehmen die Aufsichtsräte der Gesellschaften
Bestimmungen zur Änderung des Allgemeinen EisenbahnG                     getrennt voneinander zu besetzen sind. Dadurch ist es
(AEG) vorgeschlagen (§ 9a), die die Unabhängigkeit der                   Aufsichtsratsmitgliedern eines Infrastrukturunternehmens
DB-Netz AG innerhalb des DB-Konzerns sicherstellen                       versagt,              Aufsichtsratsfunktionen                in
sollen – auch in einem faktischen Konzern. Die bestehenden               Eisenbahnverkehrsunternehmen           oder      in       einer
Beherrschungsverträge wären danach etwa aufzulösen,                      entsprechenden Muttergesellschaft wahrzunehmen. Durch
jedwede Weisung in den beschriebenen Angelegenheiten                     diese Trennung wird ein Aufsichtsrat für Betreiber der
unzulässig. Entscheidungen dürften nur von dem Personal                  Schienenwege vorgeschrieben, der sich auf Grund seiner
des Infrastrukturbetreibers gefällt werden. Auch die                     spezifischen Unabhängigkeit besonders für eine von
Benennung eines eigenen Beauftragten, der über die                       Konzerninteressen      unbeeinflusste      Zuweisung       von
entsprechenden Maßnahmen zu wachen hat, ist auf Wunsch                   Zugtrassen und Entscheidungen über Wegeentgelte
der Aufsichtsbehörde zu benennen.                                        einsetzen kann.
In der Literatur wurde hinsichtlich dieser Änderungen des                Die Materialien zum Bundesbahnstrukturgesetz 2003
AEG von einem Sondergesellschaftsrecht im Sinne einer                    sprechen demgegenüber lediglich davon, dass die
speziellen Erscheinungsform einer AG für den Fall des                    Tochtergesellschaften der ÖBB-Holding „weitgehend“
Eisenbahnkonzerns gesprochen (Regulierungsbehörde hat                    selbstständig und eigenverantwortlich agieren sollen. Auch
auf der Grundlage einer besonderen Mitteilungspflicht der                die in den Materialien erwähnte, allerdings nicht näher
öffentlichen     Eisenbahninfrastrukturunternehmen      eine             spezifizierte     Gewährleistung       der      erforderlichen
Vorabprüfung        durchzuführen      und     auch      ein             Unabhängigkeit               „durch             entsprechende
Widerspruchsrecht).                                                      gesellschaftsrechtliche Maßnahmen“ scheint nicht geeignet;
                                                                         notwendige gesetzliche Regelungen sehe ich nicht.
3.2.2. ÖBB-Holding                                                       Hinzuweisen ist auch auf Folgendes: Nach § 42
                                                                         BundesbahnG (BBG) leistet der Bund auf Ersuchen der
Legt man diese Überlegungen auf die ÖBB-Holding um,                      ÖBB Infrastruktur Betrieb AG insoweit und solange einen
entstehen Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen                        Zuschuss, als die unter den jeweiligen Marktbedingungen
Zulässigkeit der Qualifizierung der ÖBB Infrastruktur                    von den Nutzern der Infrastruktur zu erzielenden Erlöse die
Betrieb       AG        als       Zuweisungsstelle.        Ob            anfallenden Aufwendung der Gesellschaft nicht abdecken.
Beherrschungsverträge zwischen der Holding und deren                     Dieser für die Gesellschaft notwendige Zuschuss wird
Töchter abgeschlossen wurden oder werden, entzieht sich                  vertraglich gewährt. Vertragspartner ist der BMVIT,
ebenso meiner Kenntnis wie die Gestaltung der – für die                  Einvernehmen mit dem Finanzminister ist dabei
Öffentlichkeit nicht zugänglichen – Satzungen der                        herzustellen. Führt man sich vor Augen, dass die ÖBB
Gesellschaften. Skeptisch stimmt hinsichtlich der Frage der              vollständig im Bundeseigentum stehen, erscheint bei dieser
Unabhängigkeit jedoch, dass nach § 4 BBG                                 Konstruktion eine vollständige Unabhängigkeit der
Unternehmensgegenstand der ÖBB-Holding AG unter                          Infrastruktur Betrieb AG im Sinne des Gemeinschaftsrechts
anderem die Wahrnehmung ihrer Anteilsrechte an den                       nicht gegeben zu sein, auch wenn die genannten Minister
umstrukturierten       Gesellschaften     und       sonstigen            dafür zu sorgen haben, dass der Gesellschaft die zur
Gesellschaften mit der Zielsetzung einer einheitlichen                   Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel zur
strategischen Ausrichtung ist. Eine diesbezügliche                       Verfügung stehen (§ 47 Abs 1 BBG).
„Abkoppelung“ des Infrastrukturbereichs ist nicht                        In die geschilderte Richtung weisen auch Äußerungen in der
ersichtlich. Auch die Vorgabe, dass im Holdingvorstand                   österreichischen Kommentarliteratur. Bei Liebmann ist zu §
neben einem Holding-Generaldirektor und einem                            62 zu lesen, dass die Unabhängigkeit einer Zuweisungsstelle
Finanzvorstand       auch     je    ein     Vorstand      der            in „jeder Hinsicht gegeben sein muss, sodass insbesondere
Tochtergesellschaften         der       Personen-         und            rechtliche      und      wirtschaftliche      Einflussnahmen
Güterverkehrssparte und der Infrastrukturgesellschaft                    ausgeschlossen sind. Auf Grund der Neuordnung der ÖBB
vertreten sein sollen (RV 311 BlgNr 22. GP), spricht dafür,              haben die Konzerngesellschaften zumindest in formeller

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Hinsicht die vom Gemeinschaftsrecht geforderte                           § 55 Abs 3 EisbG normiert die Pflicht für
Unabhängigkeit erreicht. Nach den Erläuterungen wird                     Eisenbahnunternehmen, im Güterverkehr Gewinn- und
deshalb die ÖBB Infrastruktur Betrieb AG die Funktion als                Verlustrechnungen sowie Bilanzen zu erstellen und zu
Zuweisungsstelle für die Haupt- und Nebenbahnen                          veröffentlichen. Über diese Pflicht hinausgehend legt Art 9
übernehmen“.                                                             Abs 4 RL 91/440/EWG in seiner aktuellen Fassung
Auch bei dieser sehr vorsichtigen Formulierung scheinen                  allerdings    fest,   dass    auch      Zuwendungen      für
entsprechende Zweifel hinsichtlich des ausreichenden                     gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen in den
Maßes an der Unabhängigkeit der Infrastrukturgesellschaft                entsprechenden Rechnungen getrennt auszuweisen sind und
mitzuschwingen.                                                          nicht auf Tätigkeitsbereiche übertragen werden dürfen, die
Nach alldem erscheint es fraglich, ob die ÖBB Infrastruktur              andere Verkehrsleistungen oder sonstige Geschäfte
Betrieb AG als Zuweisungsstelle tatsächlich den                          betreffen. Ein solches Quersubventionierungsverbot findet
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entspricht und die                     sich in § 55 EisbG nicht, weshalb in der Literatur behauptet
einschlägigen Richtlinienbestimmungen tatsächlich korrekt                wurde, Art 9 der Richtlinie sei nicht vollständig umgesetzt
umgesetzt worden sind. Allerdings muss auch gesagt                       worden (Liebmann 132). Allerdings – dies übersieht der
werden, dass ohne die Umwandlung der ÖBB in eine                         zitierte Autor – verweisen die Materialien zur
Holding wohl noch weniger bzw gar nicht die Möglichkeit                  entsprechenden Novelle des EisbG darauf, dass „weitere
bestanden hätte, eine Zuweisungsstelle innerhalb der ÖBB                 spezifische Trennungserfordernisse für den Bereich der
zu schaffen, die den aktuellen gemeinschaftsrechtlichen                  Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen schon bisher
Vorgaben entsprochen hätte.                                              und weiterhin gesondert nach der Verordnung
Zur Abrundung sei noch Folgendes erzählt: Nach dem ich                   1191/69/EWG vorgeschrieben sind. Tatsächlich findet sich
diesen Vortrag letzte Woche ausgearbeitet habe, habe ich in              in Art 1 Abs 5 dieser Verordnung die Pflicht der im
der Zeitung gelesen, dass ein Mitglied des Aufsichtsrats aus             Personenverkehr gemeinwirtschaftlich tätigen Unternehmen,
der ÖBB Infrastruktur Betrieb AG ausscheiden musste.                     diese     Verkehrsdienste     „in     einem     gesonderten
Offizielle Begründung: Mangelhafte Trennung zwischen                     Unternehmensbereich zu erbringen, der mindestens
Infrastruktur und Absatz, weil diese Person auch Mitglied                folgende Anforderungen erfüllt:
des Aufsichtsrats der Holding war. Nachfolger ist nun der                a) getrennte Rechnungsführung für jeden dieser
Kabinettchef         des       Verkehrsministers,        der             Tätigkeitsbereiche und entsprechende Zuordnung der
Eigentümervertreter ist. Ziel des Eigentümers müssten aber               Aktiva nach den geltenden Buchungsregeln;
eigentlich hohe Infrastrukturbenützungsentgelte sein, weil               b) Ausgleich der Ausgaben durch die Betriebseinnahmen
diese jedenfalls dem Konzern nützen, Wettbewerber aber                   und durch die Zahlungen der öffentlichen Hand ohne die
eher abschrecken. Darin steckt nicht nur wieder ein                      Möglichkeit von Transfers von oder zu anderen
Diskriminierungspotenzial,       sondern     auch       eine             Unternehmensbereichen.“
grundsätzliche umweltpolitische Frage, nämlich die, ob                   Diese Verpflichtung gilt in Österreich, da es sich um eine
Schienenmauten grundsätzlich niedrig (intermodaler                       europäische Verordnung handelt, unmittelbar und bedarf
Wettbewerb) oder hoch (Zuschussbedarf durch den Bund)                    keiner Umsetzung. Damit die Pflicht nach Art 9 RL
sein sollen (starke Erhöhung des IBE geplant).                           91/440/EWG also als bereits durch die Verpflichtung nach
                                                                         Art 1 Abs 5 VO 1191/69/EWG erfüllt erachtet werden
3.3. Quersubventionierung                                                kann, müssten die Pflichten nach dieser Verordnung
                                                                         mindestens so weit gehen wie die in der RL statuierten.
Folie 7                                                                  Dies erscheint hinsichtlich der Pflicht zur getrennten
Zum Wettbewerbsrecht zählt auch das Beihilfenrecht. Im                   „Ausweisung“ (RL) bzw „getrennten Rechnungsführung“
Zusammenhang mit der Umstrukturierung der ÖBB zu einer                   (VO) der Fall zu sein. Die RL verbietet dann allerdings eine
Holding      tritt   diesbezüglich      der    Aspekt     der            Übertragung auf „Tätigkeitsbereiche“, die „andere
Quersubventionierung zwischen den Bereichen Infrastruktur                Verkehrsleistungen oder sonstige Geschäfte betreffen“. Die
und Absatz bzw im Personenverkehr auch zwischen den                      VO gebietet einen Ausgleich der gemeinwirtschaftlichen
Bereichen       „Ausgleich       für    gemeinwirtschaftliche            Lasten „ohne die Möglichkeit von Transfers von oder zu
Leistungen“ und anderen Verkehrsleistungen in den                        anderen Unternehmensbereichen“.
Vordergrund. Es wurde bereits erwähnt, dass das                          Ein     Verständnis,    das    den     Begriffen     „andere
Gemeinschaftsrecht        ein      solches     Verbot     der            Verkehrsleistungen oder sonstige Geschäfte“ einen
Quersubventionierung enthält. Die Gründe hiefür liegen auf               umfassenderen Gehalt zusinnt als dem der „anderen
der Hand.                                                                Unternehmensbereiche“ erscheint durchaus möglich, zumal
Ein      Verbot       der       Subventionierung      anderer            es sich bei der VO 1191 zum einen um einen relativ alten
Unternehmensbereiche         durch      Mittel   aus     dem             Rechtsakt handelt und zumal die vom Gesetzgeber an den
Infrastrukturbereich ist in § 55 Abs 2 EisbG vorgesehen.                 Tag gelegte andere Auffassung zum anderen darauf

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hinausliefe, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in der später
erlassenen RL etwas regeln würde, was er ohnehin bereits
Jahre zuvor geregelt hat.
Das bedeutet, dass es trotz des in den Materialien zur letzten
Novelle des EisbG enthaltenen Hinweises auf die VO
1191/69/EWG fraglich erscheint, ob Art 9 RL 91/440/EWG
korrekt umgesetzt ist.
Hinsichtlich des Themas meines Vortrages muss noch
gesagt werden, dass die Konstruktion der ÖBB als Holding
natürlich – analog zur Frage der Trennung von Infrastruktur
und Betrieb – eher dazu geeignet ist, dem
Quersubventionierungsverbot        zum    Durchbruch        zu
verhelfen, als dies im Falle eines „einheitlichen“
Unternehmens der Fall wäre.

Zusammenfassend lässt sich als Ergebnis festhalten, dass
mir aus der Sicht des Wettbewerbsrechts die Umformung
der ÖBB zu einer Holding, verbunden mit der vermehrten
Trennung der Bereiche Infrastruktur und Absatz, sinnvoll
erscheint, auch wenn über den einen oder anderen Punkt in
der konkreten Umsetzung wohl durchaus diskutiert werden
kann.
Als Schlusspunkt sei noch berichtet, dass der Chef der DB,
Herr Mehdorn, laut „Handelsblatt“ neuerdings das Ziel
verfolgt, angesichts gravierender wirtschaftlicher Probleme
des Konzerns die Führung der operativen Bereiche im
Holding-Vorstand zu konzentrieren. Künftig sollen laut
Mehdorn die Sparten Personenverkehr, Transport und
Logistik sowie die Infrastruktur direkt aus dem
Holdingvorstand heraus gesteuert werden. Diese
Bestrebungen      laufen    den    gemeinschaftsrechtlichen
Vorgaben freilich diametral entgegen, zeigen aber zugleich,
wie groß die zu überwindenden Widerstände bei der
Liberalisierung des Schienenverkehrs sind.

Über den Autor:
Univ.-Prof. Dr. Arno Kahl ist am Institut für Öffentliches
Recht, Verfassungs- und Verwaltungslehre der Universität
Innsbruck sowie an der Wirtschaftsuniversität Wien tätig.
Kontaktadresse:
Innrain 82, 6020 Innsbruck. Tel.: 0512/507 – 8204
E-Mail:
arno.kahl@uibk.ac.at
Vom selben Autor erschienen:
Kahl, Der öffentliche Personennahverkehr im Wettbewerb
    (2005);
Kahl, Rechtsfragen des Schienenpersonennahverkehrs, in:
    Dullinger/Holoubek/Segalla (Hrsg), Recht und Praxis
    der Eisenbahnliberalisierung (2004) 72;
Kahl/Weber, Allgemeines Verwaltungsrecht (2007).

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Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre | Universität Innsbruck   7
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