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EDITORIAL
Axel Gedaschko
GdW-Präsident
Die Wohnungswirtschaft – ein Thema für alle
Lieber Leserinnen und Leser,
seit nunmehr acht Jahren erscheinen monatlich die Artikel der und „Mietdeckel“ steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung zu
Reihe „Bilanz- und Steuerwissen – Aktuelles aus den Prüfungs- werten bzw. in welchen Grenzen diese Maßnahmen ohne negative
organisationen des GdW“. Auch im neunten Sonderheft liefern steuerliche Wirkungen möglich sind (Seite 34).
wir wieder fundiertes genossenschaftsrechtliches und woh- Im Dezember 2018 wurde der IDW PS 830 für die Prüfung von
nungswirtschaftliches Fachwissen, das unsere Experten für Sie Bauträgern und -betreuern nach der Makler- und Bauträgerverord-
zusammengestellt haben. nung verabschiedet, der ab 2020 anzuwenden ist. Die wichtigsten
Ein Kernthema der zurückliegenden Monate waren die Besonder- Fragen und Eckpunkte behandelt Ingeborg Esser im Artikel „Neu-
heiten von Wohnungsunternehmen im Zusammenhang mit der erungen bei der Prüfung nach der Makler- und Bauträgerverord-
Unternehmensbewertung. Christian Gebhardt und Andreas nung“ ausführlich (Seite 20). Wie geht ein Wohnungsunternehmen
Pritschet haben sich diesem komplexen Bereich mit insgesamt im Jahresabschluss mit Bauprojekten um, die an einem Bilanzstich-
drei Artikeln angenommen und dieses schwierige Thema für Sie tag noch nicht fertig gestellt wurden? Dieser Frage gehen Jürgen
aufbereitet (ab Seite 14). Wendlandt und Christian Gebhardt im Artikel „Die Bilanzierung
Im genossenschaftsrechtlichen Bereich gab es im letzten Jahr zwei von Rückstellungen aus Bauverträgen“ nach (Seite 28). Im Artikel
Schwerpunktthemen. Die Prüfung der Einhaltung des Förder- „Alternative Finanzierungsinstrumente – Vor- und Nachteile“ gibt
zwecks, welche im Genossenschaftsgesetz explizit neu veran- Christian Gebhardt einen erhellenden Einblick in verschiedene
kert wurde, behandelt Ingeborg Esser im Artikel „Wann dienen Finanzierungsalternativen, die Wohnungsunternehmen in der
Beteiligungen von Genossenschaften dem Förderzweck“ (Seite 2). Zukunft verstärkt offenstehen werden (Seite 22).
Ein ebenso spannendes wie aktuelles Thema ist die „Warnung vor Elektrofahrzeuge stellen im Stadtbild derzeit noch eine Ausnahme
unseriösen Anbietern – Kapitalanlagegenossenschaften breiten dar. Dennoch sind Anzeichen für einen Wandel der Mobilität zu er-
sich aus“ (Seite 10). kennen. Der Artikel „Elektromobilität in der Wohnungswirtschaft:
Dem steuerlichen Bereich sind insgesamt vier Artikel gewidmet: Rahmenbedingungen und technische Aspekte beim Laden von
Im Artikel „Tax Compliance Management System: Wo steht die E-Mobilen“ von Fabian Viehrig setzt den Startpunkt zu einer losen
Praxis nach über zwei Jahren?“ gibt Prof. Dr. Michael Pannen einen Serie zu diesem spannenden Thema (Seite 36).
aufschlussreichen Rückblick auf die bisherigen Erfahrungen in Abgeschlossen wird das diesjährige Sonderheft durch das Thema
diesem Bereich (Seite 24). Die Einführung von § 37 b EStG sollte „Betriebskosten-Benchmarking 2.0 – Kür oder Pflicht?“ (Seite 40).
ursprünglich als Vereinfachungsnorm für den Steuerpflichtigen Betriebskosten werden vielfach als „zweite Miete“ bezeichnet. Dies
gedacht sein, hat sich aber zunehmend als komplex und kompli- ist nicht richtig, da dem Vermieter im Gegensatz zur Miete kein
ziert erwiesen. Im Artikel „Pauschalisierung der Einkommenssteu- Erhöhungsspielraum zusteht und er nicht an den Betriebskosten
er bei Sachzuwendungen nach § 37 b EStG“ legt Anke Kirchhof verdient. Der Artikel zeigt daher Lösungen auf, die das Thema aus
Anwendungsbeispiele praxisnah und verständlich dar (Seite 6). dem Nischendasein wieder in den Mittelpunkt des wohnungswirt-
Als weiteres steuerliches Thema hat Prof. Pannen „Kooperatives schaftlichen Handelns rücken sollen.
Erschließen und Bauen – Steuerliche Einordnung gemeinschaftli-
cher Planungs-, Erschließungs- und Bauherrentätigkeit“ aufberei- Viel Spaß beim Lesen wünscht
tet (Seite 30). Den Abschluss der Steuerthemen bildet der Artikel Ihr
„Verdeckte Gewinnausschüttung bei Mietenstopp?“ von Ingeborg
Esser, der sich mit der Frage beschäftigt, ob und wann MietenstoppMARKT UND MANAGEMENT
Bilanz- und Steuerwissen –
Aktuelles aus den Prüfungsorganisationen des GdW
Wann dienen Beteiligungen von Genossenschaften
dem Förderzweck?
Aufgrund des im Genossenschaftsgesetz festgelegten Förderzwecks ist die Genossenschaft auf ihre Mitglieder
ausgerichtet. Beteiligungen von Genossenschaften an anderen Unternehmen können ein wichtiges Mittel zur
Erfüllung dieses Förderauftrages sein. Eine Beteiligung ist aber nur zulässig, wenn sie den Erwerb, die Wirt
schaft oder die sozialen und kulturellen Belange der Mitglieder fördert. Im Rahmen der Prüfung des Förder
zwecks der Genossenschaft ist insoweit auch die Förderzweckdienlichkeit von Beteiligungen zu beurteilen.
wenn sich aus der Prüfung Anhaltspunkte dafür
WP/StB Ingeborg Esser
Hauptgeschäftsführerin ergeben, dass die Genossenschaft keinen zulässi
GdW gen Förderzweck verfolgt. Bei beiden Änderungen
Vorstand GdW Revision AG
geht es also darum, künftig ein wirksames Ins
Berlin
trumentarium zu entwickeln, um Investvermögen
im Sinne des KAGB zu identifizieren, die in der
Rechtsform der Genossenschaft agieren. D. h., die
Als Beteiligung im Sinne von § 1 Abs. 2 des Ge Frage, wann Beteiligungen von Genossenschaften
nossenschaftsgesetzes (GenG) gilt nicht nur der dem Förderzweck dienen, hat deutlich an Bedeu
Erwerb von Anteilen an anderen Unternehmen Quelle: GdW tung gewonnen.
oder der Beitritt zu einer Körperschaft oder Per Im Folgenden werden die wesentlichen Vorausset
sonenvereinigung, gleich welcher Rechtsform, Genossenschaft, dass die Beteiligung förderzweck zungen für Beteiligungen und Tochtergesellschaf
sondern auch die Gründung einer Tochtergesell dienlich ist. Die Bedeutung dieser Förderzweck ten von Wohnungsgenossenschaften im Rahmen
schaft. So hat auch eine Reihe von Wohnungsge dienlichkeit ist aber noch einmal durch die Ge des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GenG dargelegt.
nossenschaften Tochtergesellschaften, die z. B. nossenschaftsnovelle 2017 gestiegen. Danach hat
das Bauträgergeschäft betreiben, Dienstleistun der Prüfungsverband nunmehr explizit Stellung Beteiligungsvoraussetzungen nach dem
gen rund um das Wohnen erbringen, wie u. a. die zu nehmen, ob und in welcher Weise die Genos Genossenschaftsgesetz
Energieversorgung der Bestände des Mutterun senschaft im Prüfungszeitraum einen zulässigen § 1 Abs. 2 Nr. 1 GenG regelt die Zulässigkeit der
ternehmens, oder die auch sozialen Zwecken der Förderzweck verfolgt (§ 58 Abs. 1 Satz 3 GenG). Beteiligungen von Genossenschaften an anderen
Mitglieder der Genossenschaft dienen, d. h. z. B. In diesem Zusammenhang erfolgt dann auch die Gesellschaften und sonstigen Personenvereinigun
Betreuungsleistungen oder Leistungen der Nach Prüfung der Förderzweckdienlichkeit der Beteili gen. Danach ist eine Beteiligung statthaft, „wenn
barschaftshilfe erbringen. Darüber hinaus hat eine gungen der Genossenschaft. sie der Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft
erhebliche Anzahl von Wohnungsgenossenschaf Anlass der gesetzlichen Änderung ist es gewesen, der Mitglieder der Genossenschaften oder deren
ten auch Tochterunternehmen, um dadurch den ein wirksames System zu entwickeln, um Invest sozialer oder kultureller Belange (…) zu dienen
steuerlichen Status der Muttergenossenschaft vermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuchs bestimmt ist“. Als Beteiligung gilt nicht nur jeder
als Vermietungsgenossenschaft im Sinne von (KAGB) zu identifizieren. Zusätzlich zu dieser Neu Beitritt zu einer Körperschaft oder Personenverei
§ 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG nicht zu gefährden. I. d. R. regelung gab es im Rahmen der Genossenschafts nigung, gleich welcher Rechtsform, sondern auch
werden in der Tochterunternehmung dann die gesetznovelle eine weitere Gesetzesänderung, die Gründung einer Tochtergesellschaft.
nach Körperschaftsteuergesetz „schädlichen“ nämlich die, wonach der Prüfungsverband der Bei Wohnungsgenossenschaften besteht zwischen
Geschäfte abgewickelt. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der Genossenschaft (Mutter) und dem Mitglied im
Wie oben dargestellt, ist es eine Grundvorausset (BaFin) eine Abschrift des Prüfungsberichts ganz mer eine wirtschaftliche Leistungsbeziehung. Die
zung für das Eingehen einer Beteiligung durch eine bzw. auszugsweise zur Verfügung zu stellen hat, Förderung der Wirtschaft der Mitglieder erfolgt
60
2 8 | 2018primär auf der Ebene der Muttergenossenschaft
GDW-RICHTLINIE
durch die Versorgung mit Wohnraum und nicht „GRUNDSÄTZE DER GENOSSENSCHAFTLICHEN PFLICHTPRÜFUNG“
durch Beteiligungen an anderen Unternehmen.
Aus diesem Grund sind Beteiligungen, die eine In der GdW-Richtlinie werden die Besonder-
reine Kapitalanlage darstellen, von vornherein un- heiten der genossenschaftlichen Pflicht-
schädlich und von Beteiligungen abzugrenzen, die prüfung insbesondere für Wohnungsgenos-
über die reine Kapitalanlage hinausgehen und nur senschaften dargelegt und erläutert. Sie
unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind. stellen die Rechtsgrundlagen der genossen-
schaftlichen Pflichtprüfung, die Aufstel-
Begriff der Beteiligung lungsgrundsätze, den Prüfungszeitraum
Unter einer „Beteiligung“ im Sinne des § 1 Abs. 2 und die Prüfungspflichten dar, beleuchten
Nr. 1 GenG wird jeder auf Dauer erworbene Anteil die Rechte und Pflichten der an der Prüfung
an anderen Unternehmen oder sonstigen Vereini- Beteiligten und gehen schließlich auch auf
Quelle: GdW
gungen verstanden1. Eine Schwelle im Sinne einer die Haftung des Prüfungsverbandes ein.
Nichtaufgriffsgrenze existiert hierbei nicht. Die Die „Grundsätze der genossenschaftlichen
Anlage überschüssigen Kapitals, z. B. in Aktien, Pflichtprüfung“ wurden vom GdW in seiner
dürfte keine „Beteiligung“ nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Funktion als Prüfungsverband im Sinne des
GenG sein, weil Kapitalanlagen in der Regel nicht Genossenschaftsgesetzes in Zusammenarbeit mit den regionalen Prüfungsver-
dauerhaft sind2. Zudem kann nicht jede Beteili- bänden im GdW erarbeitet. Die Richtlinie wurde komplett überarbeitet und an
gung am Gegenstand der Mitgliederförderung den aktuellen Rechtsstand angepasst. Sie enthält auch weitere Informationen zu
gemessen werden. Vielmehr muss der Genossen- Beteiligungen von Genossenschaften (Stand März 2018).
schaft die Möglichkeit eröffnet bleiben, liquide
Mittel ertragbringend anzulegen, wenn sich keine Die GdW-Richtlinie kann zum Preis von 25 € bezogen werden:
andere förderzweckähnliche Mittelverwendung bestellung@gdw.de
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anbietet.3 Die Grenze unzulässiger Kapital-MARKT UND MANAGEMENT
beteiligungen wird erst erreicht sein, wenn die
PRÜFSCHEMA FÜR DIE ZULÄSSIGKEIT VON BETEILIGUNGEN
Genossenschaft zur Dividendengenossenschaft
degeneriert. Der Besitz von Aktien fällt nicht Um die Zulässigkeit einer Beteiligung nach den genossenschaftsrechtlichen Vorgaben
unter das Verbot von § 1 Abs. 2 GenG, solange beurteilen zu können, bietet sich das nachfolgende Prüfschema an:
diese Beteiligung zu reinen Anlagezwecken die 1. Ist die Tätigkeit des Beteiligungsunternehmens vom Unternehmensgegenstand der
20%-Schranke des § 271 Abs. 1 HGB4 nicht über- Muttergenossenschaft gedeckt?
schreitet. Beteiligungen, die über die reine Kapi- 2. Fließen der Muttergenossenschaft über die Beteiligung wirtschaftliche Vorteile zu
talanlage hinausgehen, sind unter Erfüllung der (Förderzweckdienlichkeit / Mitgliedernützlichkeit)?
Punkte 1 bis 4 zulässig. 3. Ist der notwendige Einfluss der Muttergenossenschaft sichergestellt?
Dieses Prüfschema sollten die Verbände bei der Prüfung, ob die Genossenschaft
Satzungskonform hinsichtlich ihrer Beteiligung an Tochtergesellschaften einen zulässigen Förderzweck
Grundsätzlich dürfen sich Genossenschaften nur verfolgt hat, zugrunde legen.
dann an anderen Gesellschaften und Personen-
vereinigungen beteiligen, wenn die Beteiligung
mit dem in der Satzung der Muttergenossen-
schaft festgelegten Unternehmensgegenstand bereits gegeben, wenn sich die Beteiligung nach insoweit gemäß § 53 Abs. 1 GenG in die Prüfung
sachlich zusammenhängt, der nach § 1 GenG in Art und Umfang mit dem Zweck der Mitglieder- der Muttergenossenschaft selbst einzubeziehen.
der Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft förderung verträgt. Innerhalb dieser Grenze sind Dabei richtet sich der Umfang der Prüfung der Toch-
der Mitglieder oder deren sozialer oder kultureller seitens der Tochtergesellschaft auch Nichtmit- terunternehmen nach dem der Genossenschaft im
Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbe- gliedergeschäfte (aus Sicht der Muttergenossen- Sinne des § 53 GenG, d. h., es ist auch die Prüfung
trieb bestehen kann. schaft) möglich. der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung
Demzufolge sind Genossenschaften auch in Die Förderzweckdienlichkeit dürfte verletzt sein, durchzuführen. Wird das Tochterunternehmen
Bezug auf einen Beteiligungserwerb bzw. bei wenn die Beteiligung den sachlichen Bezug zum durch einen anderen Prüfer als den Prüfungsver-
der Gründung einer Tochtergesellschaft an den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand der band geprüft und umfasst der Prüfungsumfang
Förderzweck gebunden. Förderzweckfremde Muttergenossenschaft verliert und dadurch über- die gesetzliche Prüfung im Sinne des § 316 HGB,
Eigenwirtschaftsinteressen oder überwiegend wiegend mitgliederfremde Drittinteressen verfolgt ist der Prüfungsbericht dem Prüfungsverband zur
mitgliederfremde Drittinteressen dürfen mittels werden. Verfügung zu stellen. Der Prüfungsverband hat da-
Beteiligung nicht verfolgt werden . Eine Beteili-
5
rüber hinaus im Rahmen seiner Prüfung der Mut-
gung muss sich daher im Allgemeinen auf solche Einflussnahme tergenossenschaft noch die Ordnungsmäßigkeit der
Bereiche beziehen, die mit dem statutarischen Der Unternehmensgegenstand der Tochtergesell- Geschäftsführung zu beurteilen. Der Verband kann
Unternehmensgegenstand der Genossenschaft schaft muss mit dem statutarischen Unterneh- allerdings auch mit einer eigenständigen Prüfung
in sachlichem Zusammenhang stehen . 6
mensgegenstand der Muttergenossenschaft in des Tochterunternehmens im Umfang von § 53
sachlichem Zusammenhang stehen. Um diesen GenG beauftragt werden. Rechtsgrundlage hierfür
Förderzweckdienlichkeit/Mitgliedernützlichkeit sachlichen Bezug zu wahren, muss die Einfluss- ist Art. 25 EGHGB.7
Unmittelbare Förderleistungen stellt nur die Mut- nahme der Muttergenossenschaft auf die Ge-
tergenossenschaft zur Verfügung, während eine schäftstätigkeit der Tochtergesellschaft sicher- Fazit
mittelbare Bereitstellung durch dritte Erfüllungs- gestellt sein. Mit der Genossenschaftsgesetznovelle 2017 hat
gehilfen (hier: Tochtergesellschaften und sonstige Der notwendige Einfluss ist gegeben, wenn die die Frage, wann Beteiligungen dem Förderzweck
Beteiligungen) erfolgt. Den Mitgliedern der Mut- Beteiligungsgesellschaft eine 100 %-Tochter der dienen, deutlich an Bedeutung gewonnen. Die re-
tergenossenschaft müssen über die Beteiligung Genossenschaft ist oder die Genossenschaft die gionalen Prüfungsverbände der Wohnungs- und
(mittelbar) wirtschaftliche Vorteile zufließen. Beteiligungsgesellschaft beherrscht. Sollte dies Immobilienwirtschaft unterstützen Sie gern bei
Dabei dürfte jede Beteiligung, die mit dem sat- nicht der Fall sein, muss insbesondere bei Minder- Fragen rund um Beteiligungen von Genossen-
zungsmäßigen Unternehmensgegenstand der heitsbeteiligungen die Möglichkeit der Einfluss- schaften.
Muttergenossenschaft zusammenhängt und die nahme durch andere Maßnahmen sichergestellt
ein positives Ergebnis erwirtschaftet, dem För- werden. Hier bietet es sich an, Entsenderechte
derzweck der Genossenschaft dienen, auch wenn in Geschäftsführung bzw. Aufsichtsrat der Toch-
die Beteiligung bzw. Beteiligungsgesellschaft ge- tergesellschaft satzungsrechtlich festzulegen. Im 1
Siehe Beuthien, GenG (2011), § 1 Rn. 68; Bauer, GenG
genüber Nichtmitgliedern (aus Sicht der Mutter- Falle der Entsendung in den Aufsichtsrat können (Loseblatt), § 1 Rn. 103
2
Vgl. Müller, GenG, § 1 Rn. 60, kritisch Beuthien, GenG,
genossenschaft) tätig wird. Die Beteiligung darf die Entsenderechte mit Zustimmungsvorbehalten § 1 Rn. 91
allerdings nicht ständig Verluste erzeugen. zugunsten dieses Aufsichtsrats kombiniert werden. 3
Pöhlmann, Fandrich/Bloehs, GenG, § 1 Rn. 55
Handelt es sich bei der Beteiligungsgesellschaft um 4
Ebenso Bauer, GenG (Loseblatt), § 1 Rn. 112
5
Siehe Beuthien, GenG (2011), § 1 Rn. 90
Umfang und Grenzen der Beteiligung, eine Genossenschaft, kann der Einfluss auch in der
6
Siehe Lang/Weidmüller, GenG (2011), § 1 Rn 96
Nichtmitgliedergeschäft Weiterleitung des Förderauftrags bestehen. 7
zu weiteren Einzelheiten vgl. GdW-Richtlinie, Grundsätze
Quantitative Grenzen können aufgrund der Viel- der genossenschaftlichen Pflichtprüfung, Seite 52 ff.
falt der Beteiligungen kaum gezogen werden. Prüfung von Tochterunternehmen
Eine wesentliche (funktionale) Grenze ist die Tochterunternehmen von Genossenschaften gelten Weitere Informationen:
Förderzweckdienlichkeit der Beteiligung. Diese ist als „Einrichtungen“ der Genossenschaft und sind www.pruefungsverbaende.de
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62
4 8 | 2018Sichere Gebäude und
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Bilanz- und Steuerwissen –
Aktuelles aus den Prüfungsorganisationen des GdW
Pauschalierung der Einkommensteuer bei
Sachzuwendungen nach § 37b EStG
Seit 2007 ermöglicht § 37b des Einkommensteuergesetzes (EStG) dem zuwendenden Steuerpflichtigen,
Sachzuwendungen pauschal mit 30% zu versteuern und somit den Zuwendungsempfänger von der
Versteuerung freizustellen. Diese Norm – ursprünglich als Vereinfachung gedacht – erweist sich zunehmend
als komplex und kompliziert, dies insbesondere aufgrund der umfangreichen Rechtsprechung.
pauschal mit 15 % oder 25 % besteuert werden einzubeziehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) ver-
Anke Kirchhof
Abteilungsleiterin kann. Auch findet § 37b EStG keine Anwendung, tritt hierzu eine andere Auffassung. Es muss je-
Steuerabteilung wenn gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 EStG bei Sachzu- doch beachtet werden, dass Streuwerbeartikel an
VdW südwest
wendungen ein betriebsindividueller Pauschsteu- Arbeitnehmer bei der Prüfung der monatlichen
ersatz angesetzt wurde. Grenze von 44 € mit zu berücksichtigen sind, so-
Sachbezüge bis zu einer Grenze von 44 € monatlich fern sie nicht in die Pauschalierungsvorschrift des
führen beim Empfänger nicht zu steuerpflichtigem § 37b EStG einbezogen werden.
Die Regelung des § 37b EStG kann sowohl für Zu- Arbeitslohn und werden somit auch nicht von der
wendungen an Arbeitnehmer als auch an Nichtar- Pauschalierung des § 37b EStG erfasst. Auf der an-
beitnehmer in Anspruch genommen werden. Die deren Seite bleiben Sachbezüge, die der pauschalen
Finanzverwaltung hat in ihrem Schreiben vom 19. Besteuerung nach § 37b EStG unterworfen werden,
Mai 2015 (BStBl. I 2015, S. 468) zur Anwendung für die Prüfung der 44 €-Grenze außer Ansatz.
des § 37b EStG ausführlich Stellung genommen. Beispiel: Arbeitgeber A gewährt Arbeitnehmer
B ein zinsverbilligtes Darlehen und pauschaliert
Zuwendungen an Arbeitnehmer den monatlichen geldwerten Vorteil von 55 €
Gemäß § 37b Abs. 2 EStG kann der Arbeitgeber nach § 37b Abs. 2 EStG mit 30%. Zusätzlich er-
die Lohnsteuer für Sachzuwendungen an eigene hält B in einem Monat einen geldwerten Vorteil
Arbeitnehmer, welche zusätzlich zum ohnehin aus der Überlassung einer Konzertkarte in Höhe
geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden, bis von 40 €. Durch die Pauschalbesteuerung des
zu einem Höchstbetrag von 10.000 € pauschal Sachbezugs aus der verbilligten Darlehensge-
versteuern. Die Einkommensteuer wird mit ei- währung mit 30% bleibt dieser bei der Überprü-
nem Pauschalsatz von 30 % (zzgl. Solidaritätszu- fung der 44 €-Grenze außer Ansatz. Dies hat zur
schlag [SolZ] und Kirchensteuer [KiSt]) erhoben. Folge, dass der Sachbezug aus der Überlassung
Bemessungsgrundlage für die Pauschalsteuer sind der Konzertkarte die Freigrenze von 44 € nicht
grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen überschreitet und somit steuer- und sozialver-
des Arbeitgebers inkl. Umsatzsteuer. Zuzahlungen sicherungsfrei bleibt. Dieser geldwerte Vorteil
des Empfängers sind anzurechnen und mindern ist nicht in die Pauschalierung nach § 37b Abs. 2
die Bemessungsgrundlage. Die Pauschalierung EStG mit einzubeziehen.
ist ausgeschlossen für Sondertatbestände, für die Sachzuwendungen, deren Anschaffungs- und
besondere Bewertungsregelungen bestehen, wie Herstellungskosten einen Betrag von 10 € nicht
bspw. die Firmenwagenbesteuerung. Weiterhin ist übersteigen (sog. Streuwerbeartikel), sind nach
Quelle: Fotolia
eine Pauschalierung nach § 37b EStG nicht mög- Auffassung der Finanzverwaltung nicht in die
lich, wenn der Sachbezug nach § 40 Abs. 2 EStG Pauschalierungsvorschrift des § 37b EStG mit
58
6 9 | 2018Beispiel: Arbeitgeber A gewährt seinem Arbeit-
nehmer B einen Gutschein im Wert von 44 € und
einen Kugelschreiber im Wert von 9 €. Folge:
Der geldwerte Vorteil der Sachbezüge beträgt
53 € und ist in vollem Umfang steuerpflichtig,
da die 44 €-Freigrenze überschritten wird.
Abwandlung: Der Kugelschreiber wird vom
Arbeitgeber in die Pauschalierung nach § 37b
Abs. 2 EStG mit einbezogen und mit 30 %
pauschal versteuert, obwohl es sich um einen
Streuwerbeartikel handelt. Die Folge ist, dass
der Gutschein im Wert von 44 € nicht die Frei-
grenze für Sachbezüge übersteigt und somit
steuer- und sozialversicherungsfrei bleibt. Der
nach § 37b EStG pauschal versteuerte Kugel-
schreiber ist bei der Prüfung der Freigrenze
somit nicht zu berücksichtigen.
Aufmerksamkeiten bis zu einem Wert von 60 €
bleiben ebenfalls bei der Pauschalierung nach
§ 37b EStG außen vor. Bei Überschreitung des
Betrages von 60 € kann § 37b EStG jedoch ange-
wendet werden.
Die Übernahme der Pauschalsteuer durch den
Arbeitgeber ist Teil der Zuwendung an den Zu-
wendungsempfänger und teilt somit im Hinblick
auf den Betriebsausgabenabzug das steuerliche
Schicksal der Sachzuwendung.
Zu beachten ist weiterhin, dass die pauschal ver-
steuerten Sachzuwendungen zum Arbeitsentgelt
im Sinne der Sozialversicherung gehören und so-
mit sozialversicherungspflichtig sind.
Sachzuwendungen können
nach § 37b EStG pauschal
mit 30 % versteuert werden
– doch die Anwendung ist
komplex, die Rechtspre-
chung umfangreich. Stellt
die Pauschalierung also eine
Erleichterung dar?
7MARKT UND MANAGEMENT
Satz 1 Nr. 1 EStG unterliegt. Dabei ist die Pauschal-
steuer selbst nicht Teil des Geschenks. Der BFH hat
mit Urteil vom 30. März 2017 zwar entschieden,
dass die Pauschalsteuer als weiteres Geschenk
beurteilt werden müsse und somit das steuerli-
che Schicksal des eigentlichen Geschenks teile.
Folglich käme ein Betriebsausgabenabzug nicht
in Betracht, wenn der Wert des Geschenks und die
dafür anfallende Pauschalsteuer insgesamt 35 €
Quelle: Fotolia
übersteigen. Die Finanzverwaltung folgt diesem
Urteil jedoch nicht und hält an ihrer bisherigen
§ 37b EStG legt die Pauschalversteuerung von Sachzuwendungen gesetzlich fest.
Ursprünglich war er als Vereinfachungsnorm für den Steuerpflichtigen gedacht.
Auffassung fest. Sind die Aufwendungen für das
Das Ziel der Steuervereinfachung wurde jedoch verfehlt Geschenk als Betriebsausgaben abziehbar, so ist
auch die Pauschalsteuer als Betriebsausgabe ab-
ziehbar.
Zuwendungen an Nichtarbeitnehmer Auch hier gilt bezüglich der Streuwerbeartikel, Beispiel: Wohnungsunternehmen WU tätigt
Nach § 37b Abs. 1 EStG besteht die Möglichkeit, dass diese nach Auffassung der Finanzverwaltung, an Geschäftsfreund G ein Geschenk im Wert
Sachzuwendungen an Nichtarbeitnehmer (z. B. entgegen der Rechtsprechung des BFH, von der von 30 € und übernimmt hierfür die anfallende
Geschäftsfreunde, Kunden, Aufsichtsräte) bis Pauschalierungsmöglichkeit des § 37b EStG aus- Pauschalsteuer von 30 % gemäß § 37b Abs. 1
zu einem Höchstbetrag von 10.000 € mit 30 % geschlossen sind. Dabei ist bei der Prüfung der EStG in Höhe von 9 € zzgl. SolZ von 0,49 € und
pauschal zu versteuern. Die Pauschalierung ist 10 €-Grenze auf den Wert jedes einzelnen Streu- KiSt von 0,63 €. WU kann die Sachzuwendung
nur bei betrieblich veranlassten Zuwendungen werbeartikels abzustellen, auch dann, wenn der in Höhe von 30 € sowie die hierauf entfallende
vorzunehmen, die zusätzlich zur vereinbarten Empfänger im Laufe eines Jahres mehrere solcher Pauschalsteuer von insgesamt 10,12 € als
Leistung oder Gegenleistung erbracht werden. Streuwerbeartikel erhält (Ausnahme: Sachge- Betriebsausgaben abziehen. Die Pauschalsteu-
Darüber hinaus werden Geschenke im Sinne des samtheit). er ist nicht Teil des Geschenks und führt somit
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG in die Pauschalierung Auch Geschenke bis zur Freigrenze für den Betriebs- nicht zum Überschreiten der 35 €-Grenze.
mit einbezogen. ausgabenabzug von 35 € werden von der Pauscha-
Der BFH hat bereits in seinem Urteil vom 16. Ok- lierungsvorschrift erfasst. Sachzuwendungen bis zu Ausübung des Pauschalierungswahlrechts
tober 2013 (BStBl. II 2015, S. 457) entschieden, einer Höhe von 60 €, die anlässlich eines besonde- Der Zuwendende hat ein Wahlrecht, § 37b EStG
dass Zuwendungen, die beim Empfänger keiner Ein- ren persönlichen Ereignisses des Geschäftsfreundes anzuwenden. Macht er Gebrauch davon, hat er
kunftsart zuzuordnen sind, nicht nach § 37b EStG gewährt werden, fallen nicht unter die Pauschalie- die Pauschalsteuer zu übernehmen. Der Zuwen-
pauschal versteuert werden. § 37b EStG betrifft den rung des § 37b Abs. 1 EStG. dende wird Steuerschuldner. Der Zuwendungs-
Bereich der Steuererhebung und stellt somit eine Beispiel: Wohnungsunternehmen WU wendet empfänger wird von der Steuerpflicht freigestellt.
besondere pauschale Erhebungsform dar, sie führt für Geschenke an Geschäftsfreunde die Pau- Daher sollte der Zuwendungsempfänger über die
nicht zu einer weiteren Einkunftsart. schalierungsmöglichkeit des § 37b Abs. 1 EStG Versteuerung in Kenntnis gesetzt werden. Das
Beispiel: Wohnungsunternehmen WU ver- an. Zum 50. Geburtstag des Bauunternehmers Pauschalierungswahlrecht kann vom Arbeitge-
schenkt wegen längerer Baulärmbelästigung an G wird ein Präsentkorb in Höhe von 39,27 € ber für Zuwendungen an Arbeitnehmer (§ 37b
Wohnungsmieter M einen Gaststättengutschein brutto verschenkt. Die Sachzuwendung ist nicht Abs. 2 EStG) und an Nichtarbeitnehmer/Dritte
in Höhe von 80 €. Die Pauschalierung entfällt, in die Pauschalbesteuerung von 30% mit einzu- (§ 37b Abs. 1 EStG) gesondert ausgeübt werden.
da die Zuwendung beim Wohnungsmieter kei- beziehen, da es sich um eine Aufmerksamkeit Es entstehen somit zwei Pauschalierungskreise.
ner Einkunftsart zuzuordnen ist und somit nicht anlässlich eines besonderen persönlichen Er- Hat sich der Zuwendende für die Pauschalierung
zu steuerpflichtigen Einkünften führt. eignisses eines Geschäftsfreundes handelt, die entschieden, so sind zwingend alle betrieblich ver-
In seiner jüngst veröffentlichten Grundsatzent- einen Wert von 60 € nicht übersteigt. WU kann anlassten Zuwendungen pauschal zu versteuern.
scheidung vom 21. Februar 2018 (VI R 25/16) keinen Betriebsausgabenabzug vornehmen, da
zu den Voraussetzungen der Pauschalierung WU nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist Fazit
nach § 37b EStG für betrieblich veranlasste Zu- und somit die 35 €-Freigrenze überschritten ist. Mit der Einführung von § 37b EStG wurde die
wendungen hat der BFH nochmals bestätigt, dass Abwandlung: WU verschenkt den Präsent- Pauschalversteuerung von Sachzuwendungen
die Pauschalierung nur Zuwendungen erfasst, die korb an G zu Weihnachten. In diesem Fall ist gesetzlich festgelegt. Diese gesetzliche Regelung
beim Empfänger zu einkommensteuerpflichtigen die Pauschalbesteuerung des § 37b Abs. 1 war ursprünglich als Vereinfachungsnorm für den
Einkünften führen, und dass die betrieblich ver- EStG anzuwenden, da es sich hier nicht um ein Steuerpflichtigen gedacht. In Anbetracht der Viel-
anlassten Zuwendungen zusätzlich zur ohnehin besonderes persönliches Ereignis handelt und zahl der seit 2007 zu Zweifelsfragen ergangenen
vereinbarten Leistung oder Gegenleistung des somit die 60 €-Grenze nicht greift. Finanzgerichtsurteilen und BFH-Entscheidungen
Steuerpflichtigen erbracht werden müssen. Daher Bei Zuwendungen an Geschäftsfreunde hängt ist jedoch ersichtlich, dass das Ziel der Steuerver-
reicht es für das Zusätzlichkeitserfordernis nicht die steuermindernde Berücksichtigung der Pau- einfachung verfehlt wurde.
aus, dass die Zuwendung des Steuerpflichtigen zu schalsteuer davon ab, ob die Sachzuwendung als
einer Leistung eines Dritten an den Zuwendungs- Betriebsausgabe abziehbar ist, oder ob die Zu- Weitere Informationen:
empfänger hinzutritt. wendung der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 www.pruefungsverbaende.de
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8 9 | 2018MARKT UND MANAGEMENT
Bilanz- und Steuerwissen –
Aktuelles aus den Prüfungsorganisationen des GdW
Warnung vor unseriösen Anbietern –
Kapitalanlagegenossenschaften breiten sich aus
In den letzten Monaten und Jahren haben sich Kapitalsammelstellen in der Rechtsform der Genossenschaft
gegründet und treten u. a. auch als Wohnungsgenossenschaften am Markt auf. Sie machen sich den guten
Ruf der Wohnungsgenossenschaften – die sich für bezahlbaren Wohnraum engagieren – zunutze und
versprechen unrealistische Renditen, ohne dem Förderzweck – ausreichend Wohnraum zu bieten – nachzu-
kommen. Der GdW hat deshalb spezielle Hinweise für potenzielle Anleger auf seiner Homepage eingestellt.
ist klar, dass die gewonnenen Mitglieder eher im Aufsichtsrats, teils Personenidentität der Or-
WP/StB Ingeborg Esser
Hauptgeschäftsführerin unteren Einkommenssegment anzutreffen sind. ganmitglieder über verschiedene solcher Ge-
GdW Die Einzahlung der Geschäftsanteile erfolgt häufig nossenschaften hinweg,
Vorstand GdW Revision AG
über Ratenzahlungsvereinbarungen. Die Gefahr • nicht satzungskonforme Besetzung des Auf-
Berlin
eines Verlustes der Geschäftsanteile für die Mit- sichtsrats (ständige Unterbesetzung),
glieder ist sehr groß. Zwei dieser Genossenschaften • Ausschluss der Haftungsbegrenzung auf einge-
haben bereits Insolvenz angemeldet. zahlte Geschäftsguthaben in der Satzung (sog.
Bereits seit einigen Jahren gründen sich in Deutsch- Nachschusspflicht).
land in der Rechtsform der Genossenschaften Woran sind Kapitalanlagegenossenschaften Im Gegensatz zu traditionellen Wohnungsgenos-
(noch wenige) Vehikel des grauen Kapitalmarkts, zu erkennen? senschaften ergeben sich darüber hinaus weitere
die auch als Wohnungs- oder Baugenossenschaften Merkmale dieser Vehikel sind: spezifische Merkmale:
firmieren und auftreten. Diese Wohnungsgenos- • aktive Bewerbung der Beteiligung an einer Woh- • Im Verhältnis zu den eingeworbenen Genossen-
senschaften werben Mitglieder i. d. R. über einen nungsgenossenschaft, z. T. durch Vermittler, schaftsanteilen (Eigenkapital der Genossen-
strukturierten Direktvertrieb ein und versprechen mit dem Versprechen hoher Renditen und der schaft) besteht nur ein geringfügiges Immobili-
– gemessen an der aktuellen Zinssituation – er- Förderung in Form von vermögenswirksamen envermögen auf der Aktivseite der Bilanz.
staunliche Renditen. Zum Teil bedienen sie sich Leistungen und/oder Wohnungsbauprämien – • Im Vergleich zur Mitgliederzahl gibt es nur eine
dazu auch des durch die Genossenschaftsreform die Nutzung einer Genossenschaftswohnung geringfügige Wohnungsversorgung der Mitglie-
2006 geschaffenen neuen Begriffs der „inves- steht nicht im Vordergrund, der der Genossenschaft, häufig ist das Nichtmit-
tierenden Mitglieder“. Dabei handelt es sich um • aktiver Vertrieb von Genossenschaftsanteilen gliedergeschäft überwiegend.
Mitglieder, die ausschließlich den Geschäftsbetrieb per Telefon, • beim Immobilienvermögen handelt es sich nicht
finanziell unterstützen und das eigentliche genos- • offene und verdeckte Provisionszahlungen an nur um Wohnungen, sondern auch um Gewer-
senschaftliche Förderangebot nicht wahrnehmen den/oder die Vertriebspartner, beimmobilien, wie z. B. Hotels; z. T. handelt es
wollen oder können. • Abschluss von Verträgen mit externen Dienst- sich aber auch nur um Anteile an Immobilien-
Häufig steht hinter diesen Genossenschaften ein leistern (z. B. Vermittlungsbüros zum Anwerben fonds.
Geflecht von verschiedenen Firmen, die mit der neuer Anleger), an denen z. T. Organmitglieder
Genossenschaft entweder vertraglich oder über der Genossenschaft beteiligt sind, Wie hat der Gesetzgeber reagiert?
Personenidentität der Organe verbunden sind und • Beschneidung der Mitgliederrechte, d. h. Auf- Ausgangspunkt für die Frage, ob es sich bei
die Leistungen für die Genossenschaft erbringen. nahme von investierenden Mitgliedern ohne solchen Genossenschaften um Kapitalanlage-
Die Renditeversprechen resultieren auch aus staat- Stimmrecht, genossenschaften handelt, ist das Kapitalanla-
licher Förderung in Form von Wohnungsbauprämi- • häufige Wechsel der Vorstands- und Aufsichts- gegesetzbuch (KAGB). Zur Auslegung desselben
en und/oder vermögenswirksamen Leistungen. Da ratsmitglieder, gibt es ein Schreiben der Bundesanstalt für Fi-
diese staatlichen Förderinstrumente i. d. R. an re- • enge verwandtschaftliche Verknüpfungen nanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom 9. März
lativ geringe Einkommensgrenzen gebunden sind, zwischen Mitgliedern des Vorstands und des 2015, wonach Genossenschaften grundsätzlich
98
10 10 | 2018Digitale Prozesse
in der Wohnungs-
Quelle: GdW
wirtschaft
keine Investmentvermögen im Sinne des Kapital-
anlagesetzbuchs sind. Dies wird damit begrün-
det, dass die zwingend im Genossenschaftsgesetz
verankerte Ausrichtung einer Genossenschaft auf
einen besonderen Förderzweck eine im Vorder-
grund stehende fondstypische reine Gewinner-
zielungsabsicht i. d. R. ausschließe. D. h., Genos-
senschaften agieren i. d. R. nicht entlang einer
festgelegten Anlagestrategie, sodass sie keine
Investmentvermögen sind.
Die genossenschaftlichen Prüfungsverbände
wiederum sind im Rahmen ihrer gesetzlichen
Pflichtprüfung damit beauftragt, u. a. zu prüfen,
ob die Genossenschaften den genossenschaftli-
chen Förderzweck einhalten. Um aufgrund der
aktuellen Entwicklung dies noch zu klarer zu for-
mulieren, hat der Gesetzgeber im Rahmen der im ISBN 978-3-648-12312-6
Buch: 59,95 € [D] | eBook: 53,99 € [D]
Juli 2017 in Kraft getretenen Genossenschafts-
Erscheint Oktober
novelle in § 58 Abs. 1 Satz 3 GenG eine Regelung
aufgenommen, wonach im Prüfungsbericht
nunmehr explizit dazu Stellung zu nehmen ist,
ob und auf welche Weise die Genossenschaft im
Prüfungszeitraum einen zulässigen Förderzweck Mit Roadmap für Ihr Unternehmen
verfolgt hat. Sollte das nicht der Fall sein, wur-
Die Digitalisie�ung macht auch vor der Wohnungs- und
de in § 62 Abs. 3 Satz 2 GenG geregelt, dass der
Immobilienwi�tschaft keinen Halt und stellt Unternehmen
Prüfungsverband berechtigt ist, der BaFin eine
vor g�oße Heraus�o�de�ungen. Dieses Buch besch�eibt,
Abschrift des Prüfungsberichts ganz bzw. aus- welche Chancen und Vo�teile die digitale Tran�ormation
zugsweise zur Verfügung zu stellen. speziell dieser Branche bietet.
Nach der Gesetzesbegründung wird dies dahinge-
hend weiter konkretisiert, dass dieses Recht des + Digitale Gebäudetechnik, Connected Home,
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Prüfungsverbandes aus Sicht des Gesetzgebers
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zu einer Pflicht wird, wenn Vermögensschäden
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10 | 2018 99MARKT UND MANAGEMENT
Kapitalanlagegenossenschaften breiten sich oft
unter dem Deckmantel einer Wohnungsgenossen-
schaft aus. Der GdW sieht sich gezwungen, auf
seiner Website potenzielle Kunden vor unseriösen
Anbietern zu warnen.
Ein beispielhafter, standardisierter Internetauftritt
solcher Anbieter (l.) und der Warnhinweis auf der
GdW-Internetseite (u.)
Quelle: GdW
Quelle GdW
Wenn also der Prüfungsverband der BaFin ei- sichtsrat, der den Vorstand überwacht, und die ist, dass die Beratung und Beschlussfassung über
nen Auszug oder den gesamten Prüfungsbericht Generalversammlung, die als oberstes internes den Prüfungsbericht ungebührlich verzögert
übersendet, weil er zu der Auffassung gekom- Kontrollgremium die Tätigkeit beider Organe wird, oder wenn die Generalversammlung unzu-
men ist, dass die Genossenschaft keinen zu- sanktioniert. Bei den bisher auffällig geworde- länglich über wesentliche Feststellungen und Be-
lässigen Förderzweck verfolgt, prüft die BaFin nen bzw. in die Insolvenz gegangenen Genossen- anstandungen des Prüfungsberichts unterrichtet
ihrerseits, ob es sich bei der Genossenschaft um schaften hat sich herausgestellt, dass durch ein wird. Wird dagegen in der Generalversammlung
ein Investmentvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 Zusammenspiel von Vorstand und Aufsichtsrat über das Ergebnis der Prüfung sachgerecht und
KAGB handelt, das der Zulassung und Aufsicht die internen Kontrollen nicht funktioniert ha- ausreichend informiert, werden aber keine Maß-
der BaFin bedarf bzw. unterliegt. Sie wird im ben. Darüber hinaus wurde deutlich, dass bei der nahmen zur Beseitigung der Mängel eingeleitet,
Zweifel eine Abwicklungsanordnung erlassen. Generalversammlung häufig eine ausgesprochen hat der Prüfungsverband keine weiteren Rechte.
Insoweit erscheint das Instrumentarium ausrei- geringe Präsenz der Mitglieder vorhanden war. Er hat insbesondere kein allgemeines Informa-
chend, allerdings spielt der Zeitfaktor hier eine Am Ende des Tages waren die Mehrheit der Teil- tionsrecht der Mitglieder der Genossenschaft.
maßgebliche Rolle. nehmer der Generalversammlung wiederum die
Organmitglieder der Genossenschaft selbst. Das Handlungsbedarf für den Gesetzgeber?
Der Zeitfaktor hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Der GdW und seine Regionalverbände diskutieren
Die genossenschaftliche Pflichtprüfung findet Mitglieder dieser Genossenschaften zahlreich momentan sehr intensiv, ob das bestehende In-
jeweils erst nach Abschluss des Geschäftsjahres und häufig überregional über Gesamtdeutsch- strumentarium ausreicht, um unseriöse Anbieter
statt. Je nach Größe der Genossenschaft, und land verstreut sind. zu stoppen. Ohne dass die Maßnahmen bereits ab-
das ist insbesondere bei neu gegründeten Ge- Allerdings wird daraus auch deutlich, dass das schließend diskutiert sind, wurden einige Bereiche
nossenschaften zu beachten, findet die Prüfung heutige Instrumentarium für die Prüfungsver- identifiziert, die nachjustiert werden könnten.
nur alle zwei Jahre und bei der neuen verein- bände ggf. nicht ausreichend ist. Die Prüfungs-
fachten Prüfung nach § 53a GenG sogar nur alle verbände sollen das voraussichtliche Ergebnis 1. Definition des Begriffs Bau- und Wohnungs-
vier Jahre als „Vor-Ort-Prüfung“ statt. D. h., der der Prüfung in einer gemeinsamen Sitzung von genossenschaft für die Zwecke des Wohnungs-
Prüfungsverband kann erst im Nachhinein beur- Vorstand und Aufsichtsrat darstellen. Arbeiten bau-Prämiengesetzes und des Vermögens-
teilen, ob die Gremien ihren Verpflichtungen im diese beiden Gremien aber Hand in Hand, hilft bildungsgesetzes
Sinne einer ordnungsmäßigen Geschäftsführung das wenig. Nachdem allen unseriösen Anbietern gemein ist,
nachgekommen und die wirtschaftlichen Ver- Darüber hinaus hat der Prüfungsverband das dass sie mit diesen staatlichen Förderinstrumen-
hältnisse gesichert sind. Recht, an der Generalversammlung teilzunehmen ten werben, und nachdem auch im aktuellen Ko-
Dazwischen sind die Gremien in der Genossen- bzw. kann eine außerordentliche Generalver- alitionsvertrag eine Anhebung der Einkommens-
schaft selbst gefragt, also vor allem der Auf- sammlung einberufen, wenn er der Auffassung grenzen des Wohnungsbau-Prämiengesetzes
100
12 10 | 2018(WoPG) vorgesehen ist, sollte der Begriff der Bau- dungen, die Grund zur Besorgnis der Gefährdung thema, das vielleicht 10-20 existierende Or-
und Wohnungsgenossenschaften näher definiert der Belange der Mitglieder oder der Gläubiger ganisationen betrifft. Nicht alle firmieren als
werden. Man könnte das „Missbrauchspotenzial“ geben“, schriftlich zu informieren. Hierfür wäre Wohnungs- oder Baugenossenschaften, aber
eindämmen, wenn als begünstigte Bau- oder es erforderlich, dass der Prüfungsverband eine relativ viele. Obwohl die absolute Anzahl der
Wohnungsgenossenschaften nur solche gelten, aktuelle Mitgliederliste erhält. Diese Aushän- „unseriösen“ Anbieter gering ist, ist die Anzahl
die die Geschäftsguthaben der Mitglieder zu digungspflicht müsste mit einem Zwangsgeld ihrer Mitglieder groß. Den Schaden, den sie der
mehr als zwei Dritteln wohnungswirtschaftlichen bewehrt sein. Genossenschaftsorganisation allgemein zufügen
Zwecken, insbesondere dem Bau von Genossen- könnten, ist ebenfalls immens.
schaftswohnungen, widmen. 3. Ergänzung des Teilnahmerechts an der Gene- Heute sind Genossenschaften Garanten der Sta-
ralversammlung um eine Mitteilungs- bzw. bilität mit einer geringen Insolvenzquote. Das
2. Erweiterung des Einberufungsrechts des Ladungspflicht seitens der Genossenschaft kann durch diese unseriösen Anbieter leicht in
Prüfungsverbands für eine außerordentliche Es ist intensiv zu diskutieren, ob das Teilnahme- eine Schieflage gebracht werden. Umso wich-
Generalversammlung recht des Prüfungsverbandes nach § 59 Abs. 3 tiger ist es, dass mit allen zur Verfügung ste-
Weiterhin wird intensiv diskutiert, ob das beste- GenG an der Generalversammlung um eine Mit- henden Mitteln versucht wird, diese Vehikel zu
hende Einberufungsrecht des Prüfungsverbands teilungs- und Ladungspflicht seitens der Genos- stoppen. Es wird sich zeigen, ob das bestehende
für eine außerordentliche Generalversammlung senschaft zu ergänzen ist. Instrumentarium dazu ausreicht, oder ob im Ge-
(§ 60 GenG) um zwei Sachverhalte ausgedehnt Abschließend ist die Problematik der investie- nossenschaftsgesetz, im Wohnungsbau-Prämi-
werden sollte: renden Mitglieder intensiv zu diskutieren. Hier engesetz und im 5. Vermögensbildungsgesetz
• Vorliegen wesentlicher Beanstandungen, die bedarf es ggf. auch präziserer Regelungen im an verschiedenen Stellen nachjustiert werden
Grund zur Besorgnis der Gefährdung der Belan- Gesetz zum Umgang mit diesen investierenden muss.
ge der Mitglieder oder der Gläubiger geben, und Mitgliedern.
• Nichteinhaltung des Förderzwecks.
Darüber hinaus ist zu überlegen, ob dem Prü- Fazit
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fungsverband das Recht eingeräumt werden soll- Noch ist die Problematik von Kapitalanlage- www.gdw.de und
te, die Mitglieder über „wesentliche Beanstan- genossenschaften in Deutschland ein Nischen-
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Bilanz- und Steuerwissen –
Aktuelles aus den Prüfungsorganisationen des GdW
Unternehmensbewertung (Teil 1):
Besonderheiten bei Wohnungsunternehmen
Die Anlässe für Unternehmensbewertungen sind vielfältig und reichen von geplanten Änderungen in
den Eigentumsverhältnissen des Unternehmens über Wertermittlungen für Zwecke der Rechnungslegung
bis hin zu Kreditwürdigkeitsprüfungen oder zur Ermittlung von Besteuerungsbemessungsgrundlagen.
Dieser erste Teil einer 3-teiligen Serie behandelt die Grundsätze der Unternehmensbewertung und die
Erstellung von Prognoserechnungen.
wert, der in einer Konfliktsituation die individuel-
WP Christian Gebhardt WP/StB Andreas Pritschet
Referatsleiter Betriebswirtschaft, Mitglied des Vorstands
len Wertvorstellungen der Parteien widerspiegelt.
Rechnungslegung und Förderung VdW Bayern, München
GdW I. d. R. wird der Wirtschaftsprüfer als neutraler
Vorstand GdW Revision AG
Berlin Gutachter beauftragt; daher beziehen sich die
nachfolgenden Ausführungen auf die Ermittlung
eines objektivierten Unternehmenswerts.
Grundsätzlich bestehen drei Möglichkeiten, den Grundsätze der Unternehmensbewertung
Wert eines Unternehmens zu ermitteln: mittels Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat in Bewertungsmethoden
Vergleich (z. B. anhand kürzlich durchgeführter seinem Standard S 1 „Grundsätze zur Durchfüh- Der IDW S 1 sieht als Bewertungsmethoden das Er-
Transaktionen, Aktienkurse etc.), mittels Sach- rung von Unternehmensbewertungen“ (IDW S 1) tragswert- oder das Discounted-Cashflow-Verfah-
wert (Summe der Vermögensgegenstände ab- die grundlegende Systematik bei der Ermittlung ren (DCF-Verfahren) vor (die genannten Verfah-
züglich der Verbindlichkeiten) und mittels der von Unternehmenswerten dargelegt. Der IDW S 1 ren sind Unterarten der o. g. dritten Möglichkeit).
zukünftigen Ertrags- bzw. Zahlungsüberschüsse. ist auch für die Bewertung von Wohnungsunter- Beide Bewertungsverfahren sind grundsätzlich
Die dritte Möglichkeit hat sich dabei als Standard nehmen anzuwenden. Der Wirtschaftsprüfer kann gleichwertig und führen bei entsprechender Prä-
in der Unternehmensbewertung etabliert. dabei in verschiedenen Funktionen tätig werden: missensetzung zu identischen Ergebnissen, da sie
Dieses Verfahren prognostiziert anhand einer auf derselben investitionstheoretischen Grundla-
Unternehmensplanung die zukünftigen Ertrags- Neutraler Gutachter
bzw. Zahlungsüberschüsse. Grundlage für die In der Funktion als neutraler Gutachter fungiert
Wertermittlung sind hier die zukünftigen Er- der Wirtschaftsprüfer als Sachverständiger, der ei- DEFINITION: OBJEKTIVIERTER
UNTERNEHMENSWERT
folgsfaktoren des Unternehmens. Hierzu zählen nen von individuellen Wertvorstellungen losgelös-
beispielsweise die Innovationskraft, die Produk- ten, objektivierten Unternehmenswert ermittelt. Als objektivierter Unternehmenswert
te und die Stellung am Markt, seine Mitarbeiter wird ein intersubjektiv nachprüfbarer und
oder das Management. Für die Bewertung von Berater typisierter Zukunftswert bezeichnet, also
bestandsverwaltenden Wohnungsunternehmen Als Berater einer an der Transaktion beteiligten der Wert aus der Sicht einer inländischen,
ist insofern insbesondere auf die nachhaltige Partei ermittelt der Wirtschaftsprüfer einen sub- unbeschränkt steuerpflichtigen, natürlichen
Verwaltung und Bewirtschaftung eigener Woh- jektiven Entscheidungswert, der aus Investoren- Person als Anteilseigner, der sich ergibt,
nungsbestände und die damit einhergehenden sicht die Preisobergrenze und aus Verkäufersicht wenn das zu bewertende Unternehmen in
Werteinflüsse abzustellen. Die entscheidenden die Preisuntergrenze darstellt. In diesen Wert unverändertem Konzept bei unbegrenzter
wertbeeinflussenden Parameter bzw. Werttrei- fließen individuelle Möglichkeiten und Planun- Lebensdauer weitergeführt wird. Der Unter-
ber sind hierbei i. d. R. einerseits die Umsätze gen mit ein. nehmenswert ist demnach so zu ermitteln,
aus der Bewirtschaftung des Hausbesitzes und dass dieser für die beteiligten Betrachter
andererseits die zukünftig erforderlichen Kosten Schiedsgutachter/Vermittler bzw. für sachverständige Dritte gleicherma-
für die Modernisierung und Instandhaltung der In der Funktion als Schiedsgutachter/Vermittler ßen erkennbar und nachvollziehbar ist.
Wohnungsbestände. ermittelt der Wirtschaftsprüfer einen Einigungs-
62
14 11 | 2018ge (Kapitalwertkalkül) fußen. Sie ermitteln den
ABB. 1: MODELLE FÜR PLANUNGSPROZESSE
Unternehmenswert durch Diskontierung der den
Retrograde Planung Progressive Planung Gegenstromverfahren
Anteilseignern künftig zufließenden finanziellen
(Top-down-Planung) (Bottom-up-Planung)
Überschüsse, die aus den künftigen handelsrecht-
lichen Ertragsüberschüssen (Ertragswertverfah-
Geschäftsleitung Geschäftsleitung Geschäftsleitung
ren) bzw. den Zahlungsüberschüssen (DCF-Ver-
fahren) abgeleitet werden.
Für die Barwertermittlung wird in der Bewer-
Geschäfts- Geschäfts- Geschäfts- Geschäfts- Geschäfts- Geschäfts-
tungspraxis der Planungszeitraum (Zukunftsent-
Quelle der Grafiken: GdW
bereich 1 bereich 2 bereich 1 bereich 2 bereich 1 bereich 2
wicklung) üblicherweise in Phasen zerlegt. Hier-
durch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Teilpläne werden aus Gesamtplan wird aus vorläufiger Rahmenplan, Teil-
die Schätzgenauigkeit mit zunehmender zeitlicher Gesamtplan abgeleitet Teilplänen abgeleitet pläne, endgültiger Gesamtplan
Entfernung zum Bewertungsstichtag abnimmt. In
der Praxis hat sich die Unterteilung in zwei Phasen
bewährt – die Detailplanungsphase und die Phase
ABB. 2: ZUSAMMENHÄNGE DER INTEGRIERTEN PLANUNG
der ewigen Rente.
Die Ermittlung der Ertrags- oder Zahlungsüber- Plan-GuV Finanzplan
schüsse hat unter Berücksichtigung der zum Be- Umsatzerlöse ∆ Forderungen LuL Umsatzeinzahlungen
wertungsstichtag bestehenden Unternehmens- + Bestandserhöhung FE ∆ Bestand FE
konzeption zu erfolgen. Für die Bewertung von = Gesamtleistung ∆ Bestand RHB ./. Materialauszahlungen
bestandsbewirtschaftenden Wohnungsunterneh- ./. Materialeinsatz RHB
men bedeutet dies i. d. R. die Bewirtschaftung des = Rohertrag ∆ Verbindlichkeiten LuL ./. Personalauszahlungen
Immobilienbestands unter Nachhaltigkeitsaspek- ./. Personalaufwand ./. Zinsauszahlungen
./. Zinsaufwand ./. Investitionen
ten ohne wesentliche von der grundlegenden kon- ./. Abschreibungen ∆ Sachanlagen
zeptionellen Ausrichtung abweichende Zukäufe
oder Veräußerungen von Wohnungsbeständen. = Jahresüberschuss Free Cashflow
Konkret geplante Investitionen oder Desinvesti- ∆ Bankkredite Nettoneuverschuldung
tionen und erwartete Markt- und Umweltentwick- + Tilgung von Altkrediten
lungen sowie absehbare strategische Anpassun- = Bruttoneuverschuldung
gen der Unternehmenskonzeption sind dagegen
∆ Eigenkapital = Entnahmen/+ Einlagen
in die Betrachtung einzubeziehen.
Erstellung von Prognoserechnungen
Die Herausforderung einer jeden Unternehmensbe- men der Unternehmensplanung. Gängige innerbe- für die Unternehmensbewertung erforderlichen
wertung ist die sachgerechte Prognose der künftigen triebliche Organisationsvarianten bzw. Planungs- Überschüsse ermitteln.
Ertrags- bzw. Zahlungsüberschüsse. Die vorhandene prozesse sind in Abbildung 1 dargestellt.
Substanz und die in der Vergangenheit erwiesene Die bei der Unternehmensbewertung erforder- Zusammenfassung
Ertragskraft dienen hierbei lediglich als Ausgangs- lichen Planungsrechnungen sind anhand inte- Die Bewertung von Wohnungsunternehmen stellt
punkt für Plausibilitätsüberlegungen. In Bezug auf grierter Erfolgs-, Bilanz- und Finanzplanungen eine komplexe Herausforderung dar, die auf fun-
die Erstellung der Prognoserechnungen haben Woh- abzubilden, d. h. dass sich die einzelnen Teilpla- dierten Prognoserechnungen des Bewertungsob-
nungsunternehmen einen entscheidenden Vorteil: nungen unmittelbar gegenseitig beeinflussen jekts basiert. Die Anlässe zur Durchführung von
die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells „Wohnen“ (vgl. Abbildung 2). Werden z. B. aktivierungs- Unternehmensbewertungen sind vielfältig. Die
und die i. d. R. geringen Schwankungen auf der Nach- pflichtige Investitionen in den Wohnungsbe- Bewertung von Wohnungsunternehmen unter-
frageseite. Erfahrungsgemäß sind die zukünftigen stand des Unternehmens in der Bilanzplanung scheidet sich von Unternehmen anderer Branchen
positiven wertbestimmenden Parameter (Mieterlö- berücksichtigt, wirken sich damit einhergehende insbesondere durch die gute Prognostizierbarkeit
se) für Wohnungsunternehmen weit exakter planbar zusätzliche Abschreibungen unmittelbar in der zukünftiger wirtschaftlicher Ergebnisse.
bzw. abschätzbar als in anderen Branchen, wie z. B. Erfolgsplanung aus. Ebenso wird der mit der Wie die Kapitalisierung der Ertrags- bzw. Zah-
der Bau- oder Dienstleistungsbranche. Auch die Investition verbundene Kapitaldienst für die lungsüberschüsse und die Plausibilisierung des
wesentlichen negativen wertbestimmenden Größen Fremdkapitalaufnahmen unmittelbar in der Er- rechnerisch ermittelten Unternehmenswertes an-
(Erhaltungsinvestitionen und Abschreibungen) las- folgsplanung (Zinsaufwendungen) bzw. in der hand vergleichender Marktpreise erfolgt, verdeut-
sen hinreichend zutreffende Prognosen zu. Jedoch Finanzplanung (Zinsaufwendungen und Tilgun- licht Teil 2 der Serie. Bei den Regionalverbänden
setzen diese eine gute Kenntnis des Wohnungsbe- gen) berücksichtigt. Natürlich sind einhergehend des GdW stehen für die Erstellung von Progno-
stands und dessen technischer Beschaffenheit und mit den aktivierungspflichtigen Investitionen serechnungen und die Bewertungsdurchführung
Ausstattung voraus, um die zukünftigen Kosten auch die erforderlichen Mietsteigerungen in die ausgewiesene Fachkräfte zur Verfügung.
sachgerecht abschätzen zu können. Planungsrechnung einzubeziehen. Aus der in-
Die Erstellung der Prognoserechnungen erfolgt tegrierten Planung lassen sich die angesetzten Weitere Informationen:
i. d. R. durch das Wohnungsunternehmen im Rah- Prämissen verständlich nachvollziehen und die www.pruefungsverbaende.de
Stadtbau und Stadtentwicklung Neubau und Sanierung Energie und Technik Markt und Management Rechtssprechung Haufe Gruppe
11 | 2018 63
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