Die Zukunft der Nuklearwaffen in einer Welt in Unordnung
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Dokumentation des 3. GSP-Sicherheitsdialogs zum Thema „Die Zukunft der Nuklearwaffen in einer Welt in Unordnung“ in Kooperation mit der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und dem Mittler Report Verlag vom 17. Oktober 2018 im Presse und Informationsamt der Bundesregierung, Berlin nähere Informationen unter www.gsp-sipo.de
Inhalt 7 Vorwort 9 Begrüßung Ulrike Merten, MdB a.D. 11 Einführung von Generalleutnant a.D. Kersten Lahl 16 Keynote von Staatsminister Niels Annen, MdB 34 Panel 1: Globale Perspektive – Global Zero oder Kontrollverlust? 64 Panel 2: Europäische Perspektive – Renaissance der Nuklearstrategien? 93 Schlussbemerkung von Ulrike Merten MdB a.D.
6 7 Vorwort Die Gesellschaft für Sicherheits- politik e. V. (GSP) arbeitet seit 1952 für ein zeitgemäßes Ver- ständnis von Sicherheitspolitik. Mit mehr als 6000 Mitgliedern in rund 90 Sektionen ist sie bundes- weit präsent und führt regional wie überregional jährlich bis zu 600 Veranstaltungen, Seminare und Informationsbesuche durch. Begleitend greift sie mit ihrem Internetauftritt und ihrem Blog www.gsp-sipo.de aktuelle The- men auf und stellt sie zur Diskus- sion. Die GSP trägt damit maß- geblich zur sicherheitspolitischen Meinungsbildung in Deutschland bei. Wir setzen dabei auf einen offenen, konstruktiven und über- parteilichen Dialog, der auf Fak- ten basiert und Platz für sehr un- terschiedliche Auffassungen lässt.
8 9 Der GSP-Sicherheitsdialog will sion es mehr als wert sind, auch Diejenigen von Ihnen, die sich als eine dieser rund 600 Veran- auf diesem Wege festgehalten und Begrüßung intensiv mit Sicherheitspolitik staltungen einmal im Jahr ein be- damit für weitere Überlegungen beschäftigen – und das wird in Ulrike Merten, MdB a. D., sonders bedeutsames Thema der zur Zukunft Europas nutzbar ge- Präsidentin der Gesellschaft für Sicher- diesem Raum die Mehrheit sein Sicherheitspolitik in den Fokus macht zu werden. Die Beiträge heitspolitik – werden sich über die heutige nehmen und in der deutschen entsprechen weitestgehend dem Themenstellung nicht gewundert Hauptstadt kritisch diskutieren. gesprochenen Wort und werden haben. Für die meisten Bürgerin- 2016 hatten wir diese Serie mit hier in einer nur minimal redi- Sehr geehrter Herr Staatsminis- nen und Bürger unseres Landes dem Thema „Fluchtursachen gierten und durch die Sprecher ter, meine Herren Generale und dürfte das nicht gelten. Die soge- rund um Europa – Wo liegen un- freigegebenen Form wiedergege- Admirale, meine sehr verehrten nannte „Nukleare Abschreckung“ sere Einflusschancen“ erfolgreich ben. Wir danken Vera Eirich und Damen und Herren. Ich begrüße war zumindest in Deutschland begonnen. 2017 haben wir uns Stephan Klaus M. A. vom Lehr- Sie sehr herzlich, auch im Namen im Laufe der letzten Jahrzehnte dem Thema „Russland verstehen stuhl für Internationale Bezie- unserer heutigen Kooperations- völlig aus dem öffentlichen Be- – geht das? Sicherheitspolitische hungen und europäische Politik, partner, der Bundesakademie wusstsein verschwunden und Kurssetzung in schwierigen Zei- Universität Halle-Wittenberg für für Sicherheitspolitik sowie dem kein großes Thema öffentlicher ten“ gewidmet. Der große Zu- die Erstellung der Abschrift. Mittler-Report-Verlag zu diesem Debatten. Das könnte sich aller- spruch, den auch das diesjährige dritten Berliner Sicherheitsdia- dings ändern. Die Hoffnung, das Thema „Die Zukunft der Nukle- Wenn Sie Interesse an unserer log. Das Thema lautet heute „Die Abschreckungssystem durch ato- arwaffen in einer Welt in Unord- Arbeit finden oder sich für eine Zukunft der Nuklearwaffen in mare Abrüstung zu überwinden, nung“ gefunden hat, veranlasst Mitgliedschaft in der GSP interes- einer Welt in Unordnung“. war dann doch zu optimistisch. uns wie auch im vergangenen Jahr sieren, sei nochmals auf die Inter- Wer wollte damals nicht gerne an dazu, diese Veranstaltung mit netseite der GSP (www.gsp-sipo. die von Präsident Obama postu- einer Broschüre zu dokumentie- de) verwiesen. lierte Global Zero Vision glauben ren. Wir glauben, dass Thematik, und hat dabei vielleicht über- Inhalt und Verlauf der Diskus- sehen, dass auch der damalige amerikanische Präsident an den Pfeilern der nuklearen Abschre- ckung nicht rüttelte. Folgerichtig spielen Kernwaffen als Instru- ment der Abschreckung im noch gültigen strategischen Konzept Ulrike Merten, MdB a.D., Generalleutnant a. D. Kersten Prof. Dr. Johannes Varwick, der NATO eine Rolle. Damit hat Präsidentin der Gesellschaft Lahl, Vizepräsident der Ge- Vizepräsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. sellschaft für Sicherheitspolitik für Sicherheitspolitik e.V. Deutschland, so wird es im Ko- e.V. alitionsvertrag von 2018 formu-
10 11 liert, ein Interesse daran, an den wärtigen Amt, Niels Annen, den ist uns voll bewusst. Aber genau strategischen Diskussionen und ich Sie bitte mit mir ganz herzlich deswegen haben wir das Thema Planungsprozessen teilzuhaben. zu begrüßen. Herr Staatsminis- auch gewählt. Auch wenn wir mit Ein relativ schmuckloser Satz, der ter, wir freuen uns sehr, dass Sie unserer Analyse heute vorwie- wenig sagen kann zu den strategi- unserer Bitte gefolgt sind und wir gend nach vorn schauen wollen, schen, rechtlichen, ethischen und freuen uns sehr auf Ihre Ausfüh- lohnt ein Blick zurück. politischen Fragestellungen, die rungen. sich mit einer solchen Aussage zu Die beiden Atombombenabwürfe verbinden haben. Aber wenn wir Wie auch in den vergangenen über Japan im August 1945 ha- wirklich am Beginn einer neuen Jahren, meine Damen und Her- ben nicht nur den zweiten Welt- Nukleardebatte stehen sollten, ren, liegt die Einführung in das krieg endgültig beendet, sondern dann würde es hilfreich sein, sich Thema in den Händen von Ge- auch die verteidigungspolitischen auf mehr als dogmatische, speku- neralleutnant a.D. Kersten Lahl, Doktrinen aller großen und auch lative Annahmen zu stützen. die Moderation der beiden Panels einiger kleinerer Mächte revolu- übernehmen Prof. Dr. Johannes Einführung tioniert. Es blieben bisher – und Wir wollen mit diesem heutigen Varwick und Rolf Clement, die dieser Befund ist gar nicht mal so Dialog versuchen, dieses The- jeweils zu Beginn die Panellisten Generalleutnant a.D. Kersten Lahl, überraschend – die bisher beiden Vizepräsident der Gesellschaft für Sicher- ma facettenreich auszuleuchten. – für deren Kommen, ich habe einzigen tatsächlichen Einsätze heitspolitik Kontroverse Stellungnahmen un- es eben schon einmal gesagt, ich nuklearer Waffen zu Kriegszwe- serer Panellisten sind zu erwar- mich noch einmal herzlich be- cken. Aber sie bedeuteten gleich- Herr Staatsminister, Frau Prä- ten und ausdrücklich erwünscht. danke – auch dann vorstellen zeitig einen Paradigmenwechsel sidentin, meine sehr verehrten Und ich will an dieser Stelle sa- werden. Und ich freue mich mit im militärischen und sicherheits- Damen und Herren! Ich kann gen, dass wir von allen Panellisten Ihnen, meine sehr verehrten Da- politischen Denken. Ein Paradig- hier direkt anknüpfen. In die- eine so spontane Zusage bekom- men und Herren, auf einen er- menwechsel, der den ganzen Kal- sem Jahr stellen wir ein Thema in men haben, über die wir uns freu- kenntnisreichen Nachmittag und ten Krieg bestimmt hat und auch den Mittelpunkt, das die ge-sam- en und die uns dann aber auch bitte jetzt General Lahl um seine weit über ihn hinaus bis zum heu- te Menschheit seit nun mehr als heute dazu zwingt, sehr diszipli- einführenden Worte. Herzlichen tigen Tage trägt. sieben Jahrzehnten wie kaum ein niert in diese Diskussion zu be- Dank! anderes beschäftigt und oft auch geben. Aber mein ausdrücklicher Die militärisch nutzbare Nuklear- beunruhigt: die Gegenwart und Dank richtet sich an alle, die sich technologie ist seither Fakt – wie Zukunft von Nuklearwaffen. Es so spontan bereiterklärt haben. auch immer man zu ihr steht. ist ein mitunter sehr, sehr heikles Aber der Aufschlag des heutigen Ganz nüchtern lässt sich behaup- Thema, um das man auch gerne Nachmittags mit der Keynote ge- ten, sie habe eine gewisse Ord- einen großen Bogen schlägt – das hört dem Staatsminister im Aus- nung – ja, vielleicht auch Stabi-
12 13 lität – in die Welt gebracht. Und sche Wandel führt eben oft direkt gestalten, zumindest aber eine für militärische Zwecke deutlich zumindest für die Zeit des Ost- in ein schwer auflösbares Dilem- Kontrolle nicht aus der Hand zu wird. Also – in einer weitgehend West-Konflikts gibt es Argumente ma zwischen Chancen und Risi- geben. Und konkret auf unser geordneten Welt, meine Damen für diese Einschätzung. Denn gro- ken, also salopp gesagt zwischen heutiges Thema heißt das: Wir und Herren, egal ob bi- oder ße Kriege zwischen Nuklearstaa- Fluch und Segen. Es gibt ja auch müssen prüfen, welcher Um- uni- oder multipolar, könnten wir ten gelten seither als nicht mehr andere, zahlreiche sicherheits- gang mit Nuklearwaffen unseren durchaus ein wenig entspannter führbar oder gar gewinnbar und politische Beispiele für diesen Be- Werten und Interessen am bes- sein. Aber wohin wir auch bli- damit eigentlich auch undenkbar. fund, etwa vom Cyberraum bis ten entspricht – und ob und wie cken: Wir spüren ja keinen Man- Also: Alle Anstrengungen richten hin zu dem Zukunftsthema Robo- wir diesen Umgang verantworten gel an Risiken und Krisen. Der sich dort im Kern darauf, unbe- tik und Künstliche Intelligenz für können. Und wir müssen nach gesamte Mittlere und Nahe Osten dingt jeden Ausbruch von Gewalt militärische Zwecke. In all diesen gangbaren, legitimen Wegen su- und auch Afrika versinken im und jede Eskalation zu vermei- Bereichen, meine Damen und chen, die Ergebnisse dieser Prü- Chaos. In Asien erleben wir einen den. Und da steckt natürlich ein Herren - und eben auch bei der fung international einzubringen Wettlauf in der militärischen Auf- Stück Stabilität mit drin. Nukleartechnologie - besteht die – im Rahmen unserer Möglich- rüstung. Die Politik Russlands in greifbare Gefahr, dass jedes Stre- keiten natürlich. Die aus guten seinem nahen Umfeld, aber auch Andererseits aber stand und ben nach einseitigen Vorteilen, Gründen defensive Grundhal- dem Westen gegenüber, verheißt steht dieser Perspektive auch ein im Sinne der eigenen Sicherheit, tung Deutschlands in Fragen der auch nicht nur Gutes. Und oben- enormes Risiko entgegen, das letztlich in eine Situation führen Nuklearwaffen entpflichtet uns drein rutschen das transatlanti- die Menschheit in nichts weni- kann, die für alle Seiten nichts nicht von dieser Tatsache, die ich sche Bündnis und auch Europa ger als in ihrer Existenz bedroht. mehr verstärkt als eben Unsicher- gerade genannt habe. selbst immer mehr in spalterische Denn es zeigt sich: Auch wenn die heit. Und man nennt dieses Para- Kontroversen um Sinn und Legi- Wahrscheinlichkeit eines Krieges doxon das „Sicherheitsdilemma“, Und dieser Ratschlag wiegt umso timation. zwischen Nuklearmächten sinken eigentlich müsste es „Unsicher- schwerer, als ganz offenkundig mag – der Schaden, falls die Me- heitsdilemma“ heißen. Und da die globale Entwicklung das Prä- Um es gleich zu betonen: Nuk- chanismen von Abschreckung, sollte man nicht zu spät die Frage dikat „Unordnung“ – deswegen learwaffen gehören nicht immer Gegenabschreckung und Selbst- stellen: Wie gehen wir damit um? haben wir ja auch das Wort „Un- und überall zu den Treibern die- abschreckung eben doch versa- ordnung“ hineingenommen – ser Unordnung – mitunter wirkt gen sollten, wäre für alle Seiten Eine erste, ganz grobe Antwort verdient. Wir haben das Thema ihre Existenz sogar stabilisierend. irreparabel. muss wohl lauten: Wir sind gut absichtlich so gewählt, weil wir Ich hab’s ja erwähnt. Aber den- beraten, dieses Dilemma nicht glauben, dass vor allem erst in noch erscheinen sie gerade in der Und das alles erinnert schon ein nur zu beklagen - das führt nicht Verbindung mit diesem übergrei- aktuellen Lage extrem bedroh- wenig fatal an die berühmte Büch- weiter -, sondern aktive Schlüsse fenden Befund der Unordnung lich. Sie eröffnen tiefe Blicke in se der Pandora. Zumindest kann aus ihm zu ziehen. Also die Wirk- die besondere Stellung und auch den Abgrund. Und in manchen man behaupten: Der technologi- lichkeit mit Blick nach vorn zu Brisanz der Nukleartechnologie Regionen darf man sie sogar zu
14 15 den Ursachen internationaler Zunächst werden wir die glo- Und danach, im Panel 2, werden das! Und von daher ist es für uns Verwerfungen rechnen. Kurzum: balen Risiken einer Verbreitung wir den Blick konkret auf Euro- ein ganz großer Gewinn, wenn Die Frage der Zukunft von Nuk- von Kernwaffen und die Chancen pa und den so neuen wie alten Sie mit Ihrer Erfahrung und auch learwaffen zählt zu den herausra- einer entsprechenden Kontrol- Aspekt der Bündnisverteidigung mit Ihren Ideen nun den großen genden Aspekten internationaler le beleuchten. Aktuelle Beispiele richten, der ja aktuell wieder eine Bogen spannen. Und uns allen Sicherheit. Es ist unabdingbar, oder Stichworte gibt es ja genug, Art Renaissance – freilich unter wünsche ich den wie immer bes- geänderten Bedingungen – er- ten Erkenntnisgewinn bei unse- fährt. Wir wollen diskutieren, ob rem Berliner Sicherheitsdialog in „Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines und welche nuklearstrategischen diesem Jahr. Vielen Dank! Krieges zwischen Nuklearmächten sinken Überlegungen in diesem Zusam- menhang sinnvoll, erforderlich mag – der Schaden, falls die Mechanismen und vertretbar sind. Moderiert von Abschreckung, Gegenabschreckung wird dieses Panel 2 dann von Rolf und Selbstabschreckung eben doch versa- Clement, heute Chefredakteur gen sollten, wäre für alle Seiten irrepara- der „Europäische Sicherheit & Technik“ und Ihnen allen wohl bel.“ noch vom Deutschlandfunk be- kannt. – Kersten Lahl Beginnen aber werden wir mit hier eine kluge – wie es die Frau von der Erosion des Nichtverbrei- der Keynote, für die wir – ich Präsidentin auch gerade gesagt tungsvertrages bin hin zu Iran darf es noch einmal erwähnen hat – eine kluge, klare, ausdif- und Nordkorea oder auch die und darf mich ganz herzlich be- ferenzierte Position zu bestim- Perspektiven von atomaren Waf- danken – den Staatsminister im men und diese in die deutsche, fen in den Händen terroristischer Auswärtigen Amt, Herrn Niels europäische und transatlantische Akteure, seien diese nicht-staat- Annen, gewonnen haben. Vielen Agenda einzubringen. lich oder gar staatlich. Das ist un- Dank Herr Staatsminister, auch ser Panel 1 unter der Moderation von meiner Seite nochmal, für Ja, und genau da wollen wir heute von Professor Johannes Varwick, Ihre spontane Zusage, hier heu- ansetzen und neben einer Lage- der Internationale Beziehungen te zu uns zu sprechen. Und aus analyse nach halbwegs realisti- an der Universität Halle-Witten- früheren Begegnungen weiß ich schen Optionen des Handelns berg lehrt und zugleich Vizeprä- auch: Wenn jemand differenziert suchen. Wir knüpfen dazu heute sident in der GSP ist. und ausgewogen an ein heikles Nachmittag zwei Pakete: Thema herangeht, dann sind Sie
16 17 in einem gemeinsamen Aktions- der völkerrechtswidrigen Anne- Keynote plan aller Vertragsparteien dazu, xion der Krim nicht nur grundle- von Staatsminister Niels Annen, MdB die Rolle und die Bedeutung ihrer gende Prinzipien der internatio- Atomwaffen zu reduzieren. 2010 nalen Friedensordnung verletzt. – das war ein Jahr nachdem Prä- Es hat mit dem Budapester Me- Niels Annen: sident Obama mit Global Zero, morandum auch eine glasklare Die Zukunft von Nuklearwaf- mit seiner Vision einer atomwaf- Sicherheitsgarantie entwertet, die fen in einer Welt der Unordnung fenfreien Welt für Aufbruchs- Nuklearwaffenstaaten wie die Uk- – wahrlich ein Thema, das zu stimmung gesorgt hat. Es war die raine 1994 im Austausch für den Ernsthaftigkeit verpflichtet. Von Zeit des russisch-amerikanischen Verzicht auf eigene Nuklearwaf- Unordnung und Atomwaffen in Resets, als beide Seiten ankündig- fen gegeben haben. Wir können einem Atemzug zu sprechen, dürf- ten, mit New START die Anzahl heute wohl noch nicht absehen, te bei vielen von uns bedrückende der einsatzbereiten nuklearen ob Staaten, die in der Zukunft mit Gedanken heraufbeschwören. Es Eines aber will ich voraus- Gefechtsköpfe und Trägersysteme Atomwaffen liebäugeln, ihre un- zeichnet die Gesellschaft für Si- schicken: Trotz der gewaltigen weiter erheblich zu reduzieren. heilsame Lehre aus diesem Wort- cherheitspolitik aus, solchen The- Umwälzungen, denen wir uns Das war eine Zeit der mutigen bruch ziehen werden. men nicht aus dem Weg zu gehen. manchmal machtlos ausgesetzt Schritte, die die Hoffnungen – Sie setzen auf überparteilichen glauben – die Zukunft der Nuk- gerade hier in Deutschland – auf Vertrauen in den Wert von Ver- und faktenbasierten Austausch – learwaffen ergibt sich nicht aus weiteren Fortschritt in der nuk- einbarungen – das ist Grundlage in einer Zeit von fake news und einer Zwangsläufigkeit heraus. learen Abrüstung beflügelten. für jede politische Lösung von argumentativer Beliebigkeit eine Die Zukunft der nuklearen Ord- Konflikten. Die Nuklearverein- wohltuende Selbstverpflichtung. nung, davon bin ich ebenso über- Aber die nukleare Ordnung hat barung mit Iran ist nicht nur das Deshalb danke ich Ihnen für die zeugt wie Heiko Maas, ergibt sich vielfältige Erschütterungen hin- Ergebnis jahrelanger harter diplo- Einladung zum heutigen Berliner aus unserer Kraft zur Gestaltung. nehmen müssen. Russland, unser matischer Arbeit. Sie schafft auch Sicherheitsdialog. Bundesaußen- Aus der Kraft engagierter Multi- großer Nachbar im Osten, hat mit – ganz ohne Frage – mehr Sicher- minister Heiko Maas hat in seiner lateralisten. Gerade zur Frage der vielbeachteten Tiergartenrede zur Zukunft von Nuklearwaffen muss Zukunft der nuklearen Ordnung das ein Leitgedanke deutscher „Nirgendwo kann der Verlust an Glaubwür- gezeigt, wohin die Kompassna- Außenpolitik sein. digkeit wohl größeren Flurschaden anrich- del deutscher Außenpolitik weist. ten als im Bereich nuklearer Vereinbarun- Hieran möchte ich anknüpfen Meine Damen und Herren, und auch einige Punkte seiner 2010 bekannten sich die fünf im gen.“ Rede weiterführen. Nichtververbreitungsvertrag an- erkannten Nuklearwaffenstaaten – Niels Annen
18 19 heit in der Region, mehr Sicher- Frankreich und Großbritanni- nicht ausgeschlossen. Heute ver- gen die Hoffnungen einer geteil- heit in Europa. Sie ist, bei allen en – eine Bewährungsprobe für handelt Nordkorea mit den USA ten Nation nahe? Es muss aber Unvollkommenheiten, ein Erfolg Europa ebenso wie für die inter- und zeigt sich entschlossen, auch klar sein: Ohne vollständige, ve- engagierter Multilateralisten, der nationale Nichtverbreitungsdip- mit Südkorea ein neues Kapitel rifizierbare und unumkehrbare das System der nuklearen Nicht- lomatie. in den Beziehungen beider Län- Aufgabe des nordkoreanischen verbreitung stärkt. Das sehen fast der aufzuschlagen. Dabei scheint Atomwaffenprogrammes wird es alle Mitglieder der internationa- Auch die Entwicklung Nordko- es der nordkoreanische Macht- keinen nachhaltigen Frieden und len Gemeinschaft so. reas, die uns weiter in Atem hält, haber zu sein, der den Takt vor- keine Stabilität in der Region ge- führt Chancen und Krisen des gibt. Ich möchte hier ganz deut- ben. Deshalb kann die Kernfrage Deshalb ist Präsident Trumps Multilateralismus deutlich vor lich sagen: Die innerkoreanische der Denuklearisierung Nordko- Aufkündigung der Nuklearver- Augen. Als Kim Jong Un 2011 Annäherung, die wir in den ver- reas auch nicht vertagt werden. einbarung mit Iran nicht nur ein seinen Vater beerbte, haben fast Rückschlag für all diejenigen, die alle Experten Nordkorea weit um eine Lösung in einer der zä- davon entfernt gesehen, Nuk- „Ohne vollständige, verifizierbare und un- hesten Proliferationskrisen be- learwaffen und Trägertechnik umkehrbare Aufgabe des nordkoreanischen müht sind. Sie schwächt auch zu beherrschen. Aber kaum ein das Vertrauen in die Zusagen der Experte hat die Entschlossenheit Atomwaffenprogrammes wird es keinen Mächtigeren und bestätigt all die- vorhergesehen, mit der Kim sein nachhaltigen Frieden und keine Stabilität jenigen Staaten, die der Idee von Atom- und Raketenprogramm in der Region geben. Deshalb kann die Kern- kooperativer Sicherheit ohnehin vorantreiben sollte: Vier, am Ende frage der Denuklearisierung Nordkoreas mit Misstrauen – oder schlimmer erfolgreiche, Atomtests und nicht noch: mit Verachtung – gegen- weniger als 120 Raketentests – auch nicht vertagt werden“ überstehen. Nirgendwo kann der zuletzt mit interkontinentaler Verlust an Glaubwürdigkeit wohl Reichweite – folgten. Sie wurden – Niels Annen größeren Flurschaden anrichten begleitet, aber nie unterbunden, als im Bereich nuklearer Verein- von einem sich stetig verstärken- gangenen Monaten beobachten, Substantielle – nicht bloß symbo- barungen. Und genau deshalb den, aber bis heute immer wieder ist eine hochwillkommene und lische – Schritte müssen folgen, ist es so wichtig, das Abkommen unterlaufenen Sanktionsregime. ermutigende Entwicklung. Sie um Vertrauen in die Denukleari- zu bewahren. Hierzu brauchen Die Volatilität dieser Krise muss wird helfen, Vertrauen zwischen sierungsbereitschaft Nordkoreas wir konkrete Lösungen, etwa um uns alarmieren. Als die Rhetorik beiden Seiten auszubauen, und zu fassen. Der US-nordkorea- Zahlungswege offenzuhalten und zwischen dem Vorsitzenden Kim sie könnte die Grundlage für ein nische Dialog bietet eine Chan- den Handel mit dem Iran weiter und Präsident Trump vor einem neues Verhältnis zwischen den ce dazu – wenn der Druck auf zu ermöglichen. Daran arbeiten Jahr ihren Höhepunkt erreichten, beiden Koreas schaffen. Wem, Nordkorea aufrechterhalten wird. wir in enger Abstimmung mit schien ein militärisches Szenario wenn nicht uns Deutschen, gin- Die beispielhafte Geschlossenheit
20 21 der Staatengemeinschaft zu Jah- Und sie würde die Aufrüstungs- Fähigkeiten. Das Verhältnis der kungen können Szenarien und resbeginn – sie zu erhalten wäre dynamiken im asiatisch-pazifi- großen Mächte untereinander Risiken entstehen, die wir früh eine zentrale Aufgabe engagierter schen Raum unweigerlich weiter zeichnet sich zunehmend durch erkennen und einhegen müssen. Multilateralisten, um Nordko- befördern. Bereits heute sehen Konkurrenz aus – Great Pow- So hinterfragen die Entwicklung rea tatsächlich auf den Pfad der wir, wie der im Licht der nord- er Competition gilt den USA als und der Einsatz qualitativ neu- Denuklearisierung zu bringen. koreanischen Bedrohung er- zentrales Kennzeichen der Welt- er Fähigkeiten die Gewissheiten Deutschland wird sich hierfür folgte Ausbau amerikanischer ordnung und wird entsprechend der nuklearen Abschreckung. stark machen und steht bereit, Raketenabwehrsysteme China in der Nationalen Verteidigungs- Der Gedanke der nuklearen Ab- gemeinsam mit anderen Staaten ein weiteres Argument gibt, sei- strategie und der Nuklearstrategie schreckung scheint monströs und und der Internationalen Atom- ne Zweitschlagsfähigkeit auszu- widergespiegelt. fragwürdig, und dennoch waren energiebehörde seine Expertise bauen – durch Modernisierung es bisher diese Gewissheiten, die und Erfahrung in jeden tragfähi- der U-Bootstreitkräfte ebenso Gemeinsame Spielregeln für die- für Stabilität und militärische Zu- gen Prozess einzubringen, der auf wie durch Entwicklung nuklearer sen globalen Wettstreit zu finden, rückhaltung gesorgt haben: im Aufgabe des nordkoreanischen Mehrfach-Gefechtsköpfe. steht derzeit nicht bei allen oben Kalten Krieg zwischen den Super- Nuklearprogrammes abzielt. auf der Agenda. Genau dies muss mächten ebenso wie zwischen In- Meine Damen und Herren, der aber die Stoßrichtung einer Au- dien und Pakistan, die vor ihrem Nordkorea als Atommacht zu Aufstieg Chinas hat die Glei- ßenpolitik sein, die auf Verläss- Aufstieg zur Atommacht drei ver- akzeptieren – der ersten seit 40 chung strategischer Stabilität lichkeit, Berechenbarkeit und den lustreiche konventionelle Kriege Jahren und der einzigen, die ohnehin komplizierter werden friedlichen Ausgleich von Interes- geführt hatten. dieses Ziel unter Verletzung des lassen. Dabei sind es weniger sen auf Grundlage gemeinsamer Nichtverbreitungsvertrages er- Chinas Atomwaffen, die Unbe- Regeln und Prinzipien abzielt. Qualitativ neue Systeme schaf- reicht hätte – würde dem Fun- hagen hervorrufen. Mit Verweis Und hier gibt es viel zu tun. fen hier Unsicherheiten. Meine dament der nuklearen Ordnung auf sein kategorisches Nein zu Damen und Herren, diese Unsi- einen schweren Schlag versetzen. jeder Form des atomaren Erstein- Die technologischen Entwicklun- cherheiten müssen in den Blick Sie würde einen Staat belohnen, satzes, mit einer durch separate gen und ihre Auswirkungen auf genommen werden. Dabei sollten der über Jahre Völkerrecht ge- Lagerung von Sprengköpfen und die Mechanik nuklearer Abschre- wir nicht naiv sein: Nur die Nu- brochen und sich systematisch Trägern abgesenkten Einsatzbe- ckung werden engagierte Multi- klearwaffenstaaten können – im über die Beschlüsse des Sicher- reitschaft und einem stabilen nu- lateralisten in den kommenden Dialog untereinander – prakti- heitsrates hinweggesetzt hat. Sie klearen Arsenal nimmt China für Jahren vor große Aufgaben stel- sche Lösungen für die Risiken würde dauerhaft größte Prolife- sich in Anspruch, ein besonders len. Denn die nukleare und die finden, die sich aus der Ver- rationsrisiken nach sich ziehen, verantwortungsvoller Nuklear- konventionelle Domäne zeigen schränkung von nuklearen und die von einem politisch isolier- waffenstaat zu sein. Sorge bereitet immer häufiger technologische nicht-nuklearen Technologien ten, devisenschwachen, aber nu- aber vor allem der Ausbau neuer und doktrinäre Berührungs- und Einsatzdoktrinen ergeben. klear gerüsteten Land ausgingen. Technologien und strategischer punkte. Durch diese Verschrän- Aber es ist die Aufgabe aller enga-
22 23 gierten Mutilateralisten, hier Pro- Russland in der Ukraine gezeigt, setzt nuklearfähige seegestützte rung Trump mit der visionären blembewusstsein und Regelungs- dass es zur Durchsetzung der Raketen, die es auf Korvetten im Zielsetzung der Obama-Regie- druck zu erzeugen. Denn Risiken eigenen Interessen bereit ist, Völ- Schwarzen Meer stationiert hat, rung verglichen. Unverkennbar im nuklearen Bereich sind wahr- kerrecht zu brechen und militäri- im Syrien-Krieg ein. Russland be- ist: Der politischen Rolle von Nu- haftig Menschheitsfragen. sche Mittel einzusetzen. Russland übt zudem mit zunehmend gro- klearwaffen und dem Konzept der macht außerdem keinen Hehl da- ßen Truppenteilen Szenarien mit nuklearen Abschreckung kommt Deutschland hat gerade in den raus, dass es aufrüstet – nuklear, sowohl konventionellen als auch wieder stärkere Bedeutung zu. letzten Jahren bewiesen, dass es konventionell und zunehmend nuklearen Komponenten. All die- im Verbund mit Partnern in der auch im Cyberbereich. Im März se Entwicklungen berühren auch Doch es wäre falsch, hier einen Lage ist, Zukunftsfragen der Ab- hat Präsident Putin in seiner Rede unsere Sicherheit unmittelbar. Kontinuitätsbruch zu sehen. rüstung und Rüstungskontrolle in an die Nation die Entwicklung Selbst 2010 – zur Zeit des Resets multilaterale Bahnen zu lenken. neuer strategischer Systeme an- Die USA haben Anfang des Jahres – hat die NATO in ihrem Strate- Der Anstoß zur Erneuerung der gekündigt, Systeme, die zunächst ihrerseits ihre Nuklearstrategie gischen Konzept bekräftigt, dass konventionellen Rüstungskont- wie Science Fiction wirken, von überarbeitet. Sie nimmt in deut- sie eine nukleare Allianz bleiben rolle in der OSZE gehört ebenso deren Einsatzbereitschaft wir in lichen Worten eine Neubewer- werde, solange Nuklearwaffen dazu wie die Arbeiten zur Äch- den nächsten Jahren aber ausge- tung des sicherheitspolitischen existierten, und dass Abschre- tung vollautonomer Waffensys- hen müssen. Diese neuen Systeme Umfelds vor und misst – ange- ckung Kernbestandteil der kol- teme im Rahmen der Vereinten unterlaufen zwar nicht die gelten- sichts der dynamischen Fähigkei- lektiven Verteidigung der Allianz Nationen. Wir müssen Zukunfts- den Vertragsregime im nuklearen tenentwicklung in Russland und und der unteilbaren Sicherheit fragen auch im nuklearen Bereich Bereich. Ihre Geschwindigkeit China – der nuklearen Abschre- ihrer Mitglieder bleibe. Dabei hat aktiv angehen – gerade in Zeiten, und die Unberechenbarkeit ihrer ckung wieder höhere Bedeutung das Nukleardispositiv der NATO in denen die Zeichen nicht auf Flugbahnen sind aber darauf aus- bei. Erklärtes Ziel dabei bleibt, eine zu allererst politische Rolle. Abrüstung stehen. Und wir kön- gerichtet, die Raketenabwehr der Konflikte zu vermeiden und vor Seine Kernaufgabe ist es, Frieden nen hierbei nur Erfolg haben, NATO zu unterlaufen, und stel- allem jeglichen Einsatz von Kern- zu erhalten, Zwang abzuwenden wenn wir auf Dialog mit allen Sei- len Frühwarnsysteme und Ent- waffen zu verhindern. Ich halte und Aggression abzuschrecken. ten setzen – Nuklearwaffenstaa- scheidungsprozesse vor erhebli- es für wichtig und auch für ein Für die NATO ist der Einsatz von ten und Nuklearwaffengegnern. che Herausforderungen. Parallel Zeichen funktionierender Demo- Nuklearwaffen ein extrem fern- hierzu baut Russland sein nicht- kratie, dass die Neuausrichtung liegendes Szenario, seine Vermei- Meine Damen und Herren, na- strategisches Nukleararsenal aus der Nuklearstrategie in den USA dung Kerngedanke nuklearer Ab- türlich ist es ganz besonders die – auch durch die Stationierung nicht kritiklos geblieben ist. Jede schreckung. Und angesichts des Konfrontation mit Russland und von nuklearfähigen, mobilen und Änderung der Strategie wurde in politischen Rechtsrucks in Euro- ihre Weiterungen im nuklearen hochpräzisen SS26-Raketen in Expertenkreisen, in Sitzungen der pa und den USA müssen wir da- Bereich, die uns in Europa Sor- Kaliningrad, direkt an der Gren- Fachausschüsse beider Kammern für sorgen, dass das auch so bleibt. gen bereiten muss. Nicht nur hat ze zur Europäischen Union. Es diskutiert, die Strategie der Regie- Sicher gab es Zeiten, da wähnten
24 25 wir uns bereits jenseits dieser Lo- ko Maas auch dazu veranlasst, Beitrag. Der INF-Vertrag hat klearen Abrüstung festzuschrei- gik. Nach dem Kalten Krieg ha- mit Russland den hochrangigen bodengestützte Mittelstrecken- ben. Nur bei voller Implementie- ben Russland und die USA tiefe sicherheitspolitischen Dialog auf raketen und -marschflugkörper, rung kann Rüstungskontrolle zur Einschnitte in ihre Nukleardispo- Ebene der Staatssekretäre wie- die uns unmittelbar bedrohten, Sicherheit beitragen. Das Risiko sitive vorgenommen und große der aufzunehmen. Hier wollen ersatzlos eliminiert. New START eines Rückfalls in Zeiten der Re- Bestände vernichtet. Deutschland wir in den kommenden Mona- begrenzt die Zahl einsatzberei- gellosigkeit und des nuklearen hat die Entsorgung von russischen ten vorankommen. Transparenz, ter strategischer Nuklearwaffen Wettrüstens können wir uns nicht Atom-U-Booten und nuklearen Rüstungskontrollverpflichtungen und schafft durch sein auch in erlauben. Dieses Risiko ist nicht Abfällen mit erheblichen Mitteln und Risikoreduzierung – das sind der Krise funktionierendes Veri- trivial – es macht den Menschen finanziell unterstützt. Aber das si- Themen, bei denen wir kritische fikationssystem ein hohes Maß Angst. Man erinnere sich nur an cherheitspolitische Umfeld – das Fragen an Russland haben, aber an Transparenz. Das empfindli- die Massenproteste gegen den ist die Realität – hat sich seit der auch verloren gegangenes Ver- che Gleichgewicht strategischer NATO-Doppelbeschluss, einem Jahrtausendwende deutlich ver- trauen zurückgewinnen können. Stabilität zwischen den USA und „Gesprächsangebot“ der NATO schlechtert. Russlands Verhalten In jedem Fall gilt: Der Ausweg Russland – es schützt und stabili- an die Sowjetunion, das mit einer im Osten Europas ruft bei unse- aus dem bedrohlichen Zusam- siert auch Europa im geographi- Aufrüstungsdrohung kombiniert ren engsten Verbündeten und menspiel von Aufrüstung und schen Zwischenraum. wurde. Nachbarn große Sorgen hervor. Misstrauen und der Weg zum Diese zu ignorieren oder als Hys- Ausgleich legitimer Sicherheitsin- Dieses Rahmenwerk, das sich Ich hoffe sehr, dass mögliche terie abzutun, wäre fahrlässig und teressen – er führt nur über einen aus dem Interesse beider Seiten weitere Gespräche, die zwischen falsch. Dialog mit Russland, einen Dia- gespeist hat, ist heute in Gefahr. Präsident Trump und Präsident log, den wir im konventionellen Schwerwiegende Vorwürfe der Putin in Helsinki vereinbart wur- Die Antwort kann nur eine Poli- Bereich im Übrigen bereits 2016 Verletzung des INF durch Russ- den, richtige Fortschritte bringen tik sein, die klare Erwartungen unter deutschem Vorsitz in der land bleiben bis heute unwider- werden. Angesichts der Verwer- an Russland formuliert, es zu OSZE angestoßen haben. legt. Deshalb müssen auch wir fungen im russisch-amerikani- einer Änderung seines Verhal- Europäer im ureigenen europäi- schen Verhältnis wird das nicht tens auffordert, aber auch Wege Der Erhalt der amerikanisch-rus- schen Sicherheitsinteresse unsere einfach sein. Aber auch in den aufzeigt, mit Russland zu koope- sischen Vereinbarungen im stra- Stimme für den Erhalt und für die schwierigen Zeiten des Kalten rieren. Dabei müssen wir immer tegischen Bereich, dem INF-Ver- Einhaltung dieses Vertrags erhe- Krieges ist es gelungen, Hürden die Anliegen aller Europäer im trag und New START, ist hierbei ben. Denn nach dem INF könnte zu überwinden und visionäre Blick behalten: die der baltischen von besonderer Bedeutung – für auch New START wie ein Domi- Schritte in Richtung Abrüstung Staaten und Polens ebenso wie die USA und Russland, aber gera- nostein fallen. Wir aber brauchen und Rüstungskontrolle zu gehen. die der Staaten im Westen. Das de auch uns Europäer. Denn beide beide Verträge, um das empfindli- Und auch daran gilt es Washing- angespannte sicherheitspoliti- Verträge leisten für die Sicherheit che strategische Gleichgewicht zu ton und Moskau heute zu erin- sche Umfeld in Europa hat Hei- Europas einen unverzichtbaren wahren und die Erfolge in der nu- nern.
26 27 Meine Damen und Herren, mit Aber, ohne jede Relativierung an drücklich anerkennen, dass es ein Jahrestag seines Inkrafttretens im der ihm eigenen Lakonie hat der diesem Ziel fest. Verdienst von ICAN ist, ein so Jahre 2020 zu stärken. Pazifist Albert Einstein einst auf wichtiges Thema wieder auf die den Punkt gebracht, was es heißt, Wir teilen dieses Ziel mit vielen, Agenda gesetzt zu haben. Denn der Atomwaffensperrver- im nuklearen Zeitalter zu leben. insbesondere auch den Unterstüt- trag, wie er in Deutschland gern „Ich bin nicht sicher, mit wel- zern, Unterzeichner- oder bereits Das ist der Weg, das ist der An- genannt wird, ist und bleibt das chen Waffen der dritte Weltkrieg Vertragsstaaten des Kernwaffen- spruch der Bundesregierung, und Fundament der globalen nuk- ausgetragen wird“, so der Nobel- verbotsvertrages. Oft werden wir wir werden unsere Verantwor- learen Ordnung. Ohne ihn – das preisträger, „aber im vierten wer- gefragt: Warum schließt sich die tung als nichtständiges Mitglied steht außer Frage – wären heute den sie mit Stöcken und Steinen Bundesregierung dann diesem im Sicherheitsrat der Vereinten weit mehr Staaten im Besitz von kämpfen“. Das ist kein Pathos, Vertrag nicht an? Ein Vertrag, Nationen nutzen, diese nuklearen Atomwaffen. Ohne ihn hätten wir was hier anklingt, kein friedens- der Kernwaffen ächtet und ihren Herausforderungen anzugehen keinen so hohen, universell an- bewegter Alarmismus, sondern Einsatz und Besitz, ihre Statio- und die Möglichkeiten schritt- erkannten Sicherungsstandard die nüchterne Feststellung einer nierung, Lagerung und Weiterga- weiser Fortschritte in Richtung gegen die allfälligen Prolifera- im 20. Jahrhundert geborenen be völkerrechtlich verbietet? Die der nuklearen Abrüstung auszu- tionsrisiken. Keine internationale Möglichkeit: die Auslöschung Antwort lautet: Weil wir fürchten, schöpfen. Es liegt auf der Hand, Atomenergiebehörde, die – völlig von Abermillionen Menschen, dass dieser Vertrag uns dem Ziel dass dies nur im Dialog, nicht in zu Recht – für ihre Arbeit 2005 von hunderten Jahren Zivilisa- Global Zero leider nicht näher- Konfrontation mit den Ständigen mit dem Friedensnobelpreis aus- tionsgeschichte in kürzester Zeit. bringt. Und weil er, so unsere Be- Mitgliedern des Sicherheitsrats gezeichnet wurde. Wir hätten Es ist auch kein Widerspruch, fürchtung, praktische Schritte in erfolgversprechend sein kann. wohl auch keinen so klaren Trend die stabilisierende Wirkung der Richtung der nuklearen Abrüs- So sind wir trotz unterschiedli- in der zivilen Reaktortechnik, nuklearen Abschreckung anzu- tung nicht fördern, sondern wei- cher Ansätze im Ziel geeint. Zu- die heute ganz weitgehend ohne erkennen, gleichzeitig aber klar ter erschweren kann. Der Kern- sammen mit unseren Partnern hochangereichertes Uran aus- und deutlich zu sagen: Wir Men- waffenverbotsvertrag wird, das der Nonproliferation and Disar- kommt. Und wir dürfen bei al- schen dürfen nicht akzeptieren, bestreiten auch seine Anhänger mament Initiative – einer Grup- len aktuellen Herausforderungen auf Dauer mit dieser apokalypti- nicht, keinen einzigen nuklearen pe aus Ländern aller Kontinente, nicht vergessen: Zur Erfolgsge- schen Möglichkeit zu leben. Glo- Sprengkopf aus der Welt räumen, darunter Verbotsvertragsbefür- schichte der letzten 50 Jahre ge- bal Zero, das Ziel einer nuklear- solange keiner der Nuklearwaf- worter und -gegner – machen hört auch die Dezimierung der waffenfreien Welt, ist aus meiner fenstaaten auch nur mit dem Ge- wir uns gerade in diesen Wo- nuklearen Arsenale im Vergleich Sicht nicht nur ein moralischer, danken spielt, ihm beizutreten. chen in den Vereinten Nationen zum Niveau des Kalten Krieges. sondern auch ein ganz realpoliti- Und damit wird er auch keines und vor allem gegenüber den scher Imperativ. Und die Bundes- der nuklearen Risiken, die ich fünf Ständigen Mitgliedern des Diese Erfolge, meine Damen und regierung hält ohne Wenn und versucht habe zu skizzieren, ab- Sicherheitsrates dafür stark, den Herren, illustrieren, wie wichtig es mildern helfen. Ich will aber aus- Nichtverbreitungsvertrag zum 50. ist, den Nichtverbreitungsvertrag
28 29 zu erhalten, um auf der Grund- zu entwickeln, das diesen kom- uns nicht wünschen können. Sie Herr Meyer zum Felde: lage seiner universellen Geltung plexen Anforderungen genügt. haben ein breites Spektrum so tief Herr Staatsminister, ich habe weitere Fortschritte in Richtung erörtert, dass ich ganz sicher bin, zwei ganz kurze Fragen. Die erste nuklearer Abrüstung zu erzielen. Zweitens: Sicherheitsgarantien. dass Sie viele Steilvorlagen auch ist: Was wollen Sie denn unter- Dies wird die Bewährungsprobe Ich bin davon überzeugt, dass wir für unsere beiden anschließenden nehmen, um Paris dazu zu ani- für engagierte Multilateralisten stärker daran arbeiten müssen, Panels gegeben haben. Sie haben mieren, dem Club der Mutlilate- in den kommenden zwei Jahren die Rolle von Nuklearwaffen in auch eine Bemerkung gemacht, ralisten beizutreten, wenn es um sein. Und es bedeutet harte dip- Strategien, Doktrinen und politi- die fand ich besonders wichtig. Nuklearfragen geht? In Paris höre lomatische Arbeit, denn nicht alle schen Äußerungen zu reduzieren. Sie haben gesagt: „Die Zukunft ich immer umgekehrt, wir sollten Vertragsstaaten messen der nuk- Im gegenwärtigen Sicherheitsum- von Nuklearwaffen ist gestalt- eher die französische Nuklear- learen Abrüstung denselben ho- feld wäre es bereits ein enormer bar!“. Sie haben aber zugleich kultur in der strategischen Aus- hen Stellenwert bei. Aber es gibt Fortschritt, die Sicherheitsgaran- eines, zum Glück, vermieden: Sie richtung Frankreichs bei uns in eine ganze Reihe von Punkten, an tien zu erneuern, die Nuklear- haben uns nicht die Illusion gege- Deutschland einführen und das denen wir ansetzen können. waffenstaaten allen anderen Staa- ben, es gebe Patentrezepte dabei ist für mich ein ganz schwieri- ten in stabileren Zeiten gemacht oder die sogenannten „ganz ein- ges Problem, diese beiden Din- Zum einen: Transparenz und Ve- haben. Mittelfristig müssen wir fachen Antworten“. Sondern Sie ge zur Deckung zu bekommen. rifikation. Eine weitgehende Of- weitergehen. Das erfordert poli- haben deutlich gemacht, dass es – Und zweitens, nachdem Sie den fenlegung der nuklearen Arsenale tischen Willen. Das erfordert den wenn man gestalten will und ge- Schwerpunkt ja so sehr auf das aller Nuklearwaffenstaaten und vollen Einsatz engagierter Multi- stalten muss – dann wirklich ganz Thema Rüstungskontrolle, Ab- eine Antwort auf die praktische lateralisten. Und anfangen kön- harter, vor allem harter diploma- rüstung gelegt haben: Ich würde Frage, wie Nichtnuklearwaffen- nen wir mit Veranstaltungen wie tischer Arbeit auf vielen, vielen mir noch einen Satz wünschen, staaten die Demontage eines nu- dieser und einem kritischen, offe- Feldern bedarf. Ganz herzlichen wie Sie sich die deutsche nuklea- klearen Sprengkopfes verifizie- nen Austausch. Dank nochmal! ren Teilhabe vorstellen, in Ergän- ren können, ohne selber Wissen zung des Gesagten. Vielen Dank. über den Bau einer Atombombe In diesem Sinne freue ich mich Wir haben jetzt nochmal fast eine zu erlangen – das sind wichtige nun, mit Ihnen ins Gespräch zu Viertelstunde für Fragen und ich Kersten Lahl: Grundlagen für konkrete und ve- kommen. Stellen Sie mir gerne denke es ist in Ihrem Sin-ne, dass Eine zweite Frage vielleicht noch rifizierbare Abrüstungsschritte in Fragen. wir diese Zeit auch nutzen. Ich dazu und dann fassen wir zusam- der Zukunft. Diese Grundlagen möchte Sie bitten mir zu signali- men und machen eine nächste können wir bereits heute legen. Kersten Lahl: sieren, wenn Sie eine Frage stellen Runde. Bitte! Wir werden deshalb mit Frank- Herr Staatsminister ganz herzli- wollen und dass Sie dann kurz reich eine gemeinsame Übung chen Dank für diesen Vortrag! Ich Ihren Namen nennen. Zudem ausrichten, die helfen soll, ein Ab- glaube, einen besseren Einstieg in bitte ich Sie, sich möglichst kurz rüstungsverifikationsverfahren unser heutiges Thema hätten wir zu fassen.
30 31 Andrey Sivow, gemacht – sind die existierenden Souveränität über ihre eigene Nu- tige Option ist. Deswegen bleibe Verteidigungsattaché Russlands: Strukturen, auch innerhalb der klearstreitkraft betrifft, ist erstens ich bei meiner sehr skeptischen Sehr geehrter Herr Staatsminister, NATO und gemeinsam mit den richtig und zweitens nicht über- Haltung. Bei der Frage „sind die- danke sehr für Ihre Einschätzung. Vereinigten Staaten. Unsere Zu- raschend. Aber Sie haben sicher se Waffensystem auf deutschem Eine Frage: Sie haben als Staats- sammenarbeit mit Frankreich auch die Entwicklung im Bereich Boden nötig?“ neige ich deut- person gesagt, dass Russland insgesamt in dieser veränderten PESCO verfolgt oder die Reak- lich zu einem „Nein“. Aber wenn einen Verstoß gegen den Ver- Sicherheitslage ist exzellent. Das tion der Bundesregierung auf den Sie mich fragen, ob ich daraus trag beging. Haben Sie Beweise? gilt auch für die Zusammenarbeit französischen Vorschlag einer so- die Konsequenz eines nationalen Wenn Sie diese Beweise haben, so im Nukleardossier und es gilt in genannten Interventionsinitiati- Alleingangs ziehen würde, lautet bin ich bereit, diese Beweise so- der technischen Zusammenar- ve. Beide Seiten haben sich aufei- meine Antwort ebenso eindeu- fort Russland zu übergeben. Was beit, beispielsweise bei der Schaf- nander zu bewegt. Deswegen bin tig „Nein“. Wir müssen den Zu- denken Sie außerdem über die fung eines unabhängigen Zah- ich zuversichtlich. sammenhalt gerade in der NATO Tatsache der Stationierung der lungsinstruments zum Erhalt des stärken. In Deutschland wird Schussrampen der MK 41 durch JCPoA. Trotzdem kann man nicht Die zweite Frage ist für einen vielleicht manchmal zu wenig ge- die Amerikaner, die mit Boden- erwarten, dass sich eine über viele Sozialdemokraten natürlich im- sehen, dass die nukleare Teilhabe raketen eine Reichweite von über Jahrzehnte etablierte französische mer etwas schwierig. Meine Hal- eben auch Ausdruck der Solidari- 2500 Kilometer erreichen kön- Doktrin jetzt innerhalb weniger tung ist: So lange die NATO ihre tät zwischen NATO-Staaten ist. nen? Danke sehr. Monate grundlegend verändert. grundlegende Strategie nicht Das war auch nicht die Erwar- verändert – und das Sicherheits- Ich darf mich bedanken für die Niels Annen: tung des Auswärtigen Amts. Aber umfeld hat sich ja nun nicht ent- Frage zum INF-Vertrag. Ich habe Vielen Dank für die beiden Fra- die Minister arbeiten sehr eng zu- spannt in den letzten Jahren – so hier jetzt mein Manuskript vor gen. Zu der von Heiko Maas ge- sammen; gerade gestern hat es das lange bleibt auch der Teil, der mir liegen und bin mir ziem- prägten Über-schrift der „Allianz letzte Treffen gegeben. Es ging da nukleare Teilhabe bedeutet. Wie lich sicher, dass ich gesagt habe, der Multilateralisten“: Es han- nicht nur um Fußball – das war das praktisch umgesetzt wird, ist dass die Vorwürfe bisher nicht delt sich nicht um die Idee, eine auch kein übermäßig erfolgrei- Sache des BMVg. Aber wir haben entkräftet werden konnten. Das neue internationale Organisation ches Kapitel – sondern um inten- in Deutschland die Erfahrung ge- war die Formulierung, sonst hät- zu gründen mit einem großen sive Gespräche zwischen Le Drian macht, dass einseitige nationale te ich Ihnen auch gerne Beweise Hauptquartier, vielen Angestell- und Heiko Maas. Das Verständnis Initiativen, die die amerikanische mitgebracht. Aber darum geht ten und einem Generalsekreta- auf der französischen Seite, auch Seite vom Abzug der verbliebe- es mir gar nicht. Es geht um die riat. Darum geht es nicht. Es geht in Sicherheitsfragen enger zusam- nen Sprengköpfe zu überzeugen Beschreibung einer Debatte, die um eine Form der intensivierten menarbeiten zu müssen, hat sich suchen, nicht fruchten. Wir muss- dazu führen kann, dass dieser Zusammenarbeit. Und die präfe- enorm verändert. Dass diese Ver- ten gemeinsam die Erfahrung Vertrag möglicherweise keine rierte Form der Zusammenarbeit änderung momentan nicht den machen, dass ein nationaler Weg Zukunft hat. Bisher sind die Vor- – das haben wir immer deutlich Kernbereich der französischen für Deutschland keine vernünf- würfe, die von amerikanischer
32 33 Seite gegenüber Ihrer Regierung Gast: unsere Position deutlich zu ma- sche Auswirkungen, aber es ist vorgetragen wurden, von der Gilt denn hier nicht auch die Un- chen und darzustellen, weshalb noch ein langer Weg. Russischen Föderation nicht ent- schuldsvermutung bei den Vor- wir uns an dieser Initiative nicht kräftet worden. Gleichzeitig gibt würfen bezüglich INF? beteiligt haben. Aber meine Bot- Kersten Lahl: es auch auf der anderen Seite Vor- schaft ist auch, dass wir uns nicht Herr Staatsminister. Ihr Büro hat haltungen - Sie haben ja gerade Niels Annen: gegen die Intuition dieser Initiati- uns ja im Vorfeld in vollendeter auch indirekt einen Vorwurf an Wir sind ja nicht in einem Straf- ve oder dieser Bewegung richten. und zugleich unmissverständli- die amerikanische Seite formu- prozess. Wir sind uns nur über den Weg cher Diplomatie zu verstehen ge- liert. Diese gefährliche Dynamik nicht einig. Die Obama-Rede hat geben, dass Ihr enger Terminplan müssen wir durchbrechen. Ich Kersten Lahl: sicher einen Beitrag geleistet. Es leider nur bis 15:30 Uhr eine Teil- habe der Frage des INF-Vertra- Herr Zeisig, bitteschön! gibt inzwischen ein Netzwerk von nahme bei uns hier erlaubt. Und ges in meiner Rede eine so große hoch anerkannten Expertinnen wir haben jetzt auf die Minute ge- Bedeutung beigemessen, weil ich Herr Zeisig: und Experten, ehemaligen Politi- nau dieses Budget ausgefüllt und mir über die möglichen Konse- Ganz kurz, aber hat die Idee kerinnen und Politikern, Militärs ich würde sagen: das ist wirklich quenzen große Sorgen mache. Ich Obamas von „Global Zero“ noch und anderen, die sich dieser Kam- eine Punktlandung! Ich kann Ih- bin überzeugt da-von, dass die irgendeinen realen Wert? Ist pagne angeschlossen haben. Wir nen aber versprechen, dass wir Sicherheitsinteressen der Russi- sie Bestandteil nationaler, inter- bemühen wir uns darum, auch viele der Aspekte, die Sie genannt schen Föderation von einer Auf- nationaler Politik oder ist es ein die Expertise zu nutzen. Trotz- haben, jetzt anschließend in den kündigung des INF-Vertrages Traum? dem hätte ich mir gewünscht, beiden Panels nochmal intensiv ebenfalls negativ betroffen wären. dass bei der Rezeption der Oba- aufgreifen und weiter vertiefen Wir verfolgen deswegen den An- Niels Annen: ma-Rede der ganze Text des Prä- werden – und das sicherlich auch satz des konstruktiven Dialogs. Natürlich ist es auch ein Traum. sidenten berücksichtigt worden kontrovers. Denn ich denke, nur Ob im Gespräch zwischen Mi- Aber schauen Sie sich an, wel- wäre. Das liegt aber außerhalb der über eine kontroverse Diskussion, nister Maas und Minister Law- che Dynamik die Kampagne von Gestaltungskraft eines Politikers. die alle Gesichtspunkte einbringt, row oder im Rahmen der wieder ICAN entwickelt hat. Am Ende Und ich bin auch nicht sicher – so und in der man versucht, auch etablierten Staatssekretärskonsul- führte sie zu diesem Nuklearwaf- sehr ich Obama diesen Friedens- die gegnerischen Positionen zu tationen. Damit wir über solche fen-Verbotsvertrag. Schauen Sie nobelpreis gegönnt habe, weil ich verstehen, kann man auch in der Fragen sprechen können. sich an, wie stark das Thema die ihn für einen großen Präsidenten Sache einen echten Fortschritt Bürgerinnen und Bürger in vielen halte – ob dieser Preis der Sache erzielen. Ganz herzlichen Dank Kersten Lahl: Ländern weiterhin bewegt. Diese am Ende genützt hat. Der Ver- nochmal für Ihr Kommen heute! Ich möchte Ihnen, meine Damen Dynamik geht über einen Traum such mit einem Preis Politik zu und Herren im Plenum, noch die hinaus und ist nicht zu unter- determinieren funktioniert in Niels Annen: Möglichkeit geben für eine weite- schätzen. Ich habe mich sehr da- der Regel nicht. Insofern: Ja, der Vielen Dank! Gute Diskussion! re Frage. rum bemüht, auf der einen Seite Traum lebt. Er hat auch prakti-
34 35 Prof. Dr. Johannes Varwick: Europäer beitragen können, um So, meine sehr verehrten Damen, die weiteren Prozesse in Richtung meine sehr verehrten Herren. globaler, nuklearer Aufrüstung Niels Annen muss leider gehen, oder das Gegenteil, Abrüstung aber wir danken ihm alle für sei- und nukleare Rüstungskontrolle, ne gehaltvolle Rede und General zu begleiten und zu beeinflus- Lahl hat es gesagt: wir werden sen. Das wollen wir uns also jetzt das jetzt versuchen, zu vertiefen. vornehmen und wir haben nicht Das Schwierigste an diesen bei- allzu viel Zeit – wir müssen auch den Runden, die wir jetzt haben nicht hektisch sein, aber wir müs- werden, wird die Abgrenzung der sen auf den Punkt diskutieren. Themen untereinander sein, weil Und in diesem ersten Panel haben natürlich alles mit allem zusam- wir uns vorgenommen, als wir menhängt. Aber wir wollen nun das von der GSP geplant haben, in dem ersten Panel eher die glo- dieses schwierige Thema, das wir balen, strategischen Grundfragen die sichtbarsten und besten, deut- der Rolle von Nuklearfragen kri- schen Experten an einen Tisch Panel 1 „Globale Perspektive tisch diskutieren. Die Stichworte versammeln. Und wir haben sie bekommen, kann ich sagen! Und – Global Zero oder Kontrollverlust?“ sind schon gefallen: Global Zero, aber auch Nordkorea, der gesamte deswegen sind es so viele gewor- Moderation: ostasiatische Raum, Iran-Abkom- den. Das ist vielleicht ein biss- Prof. Dr. Johannes Varwick men, auch die regionale Kons- chen groß für eine Stunde, aber tellation im Mittleren Osten, Pa- ich denke, wir werden das hin- Teilnehmer: kistan und Indien vielleicht, das bekommen. Und lassen Sie mich Dr. Karl-Heinz Kamp, Präsident BAKS kurz die Runde vorstellen. ist noch nicht erwähnt worden. Prof. Dr. Joachim Krause, Institut für Das wollen wir jetzt in den Blick Sicherheitspolitik an der Universität Kiel nehmen und weniger die Nuk- Zu meiner Linken: Dr. Karl-Heinz learstrategien einzelner Länder, Kamp, Präsident der Bundesaka- Dr. Oliver Meier, Stiftung Wissenschaft und die uns wichtig sind, nicht zuletzt demie für Sicherheitspolitik und Politik zuvor unter anderem am NATO auch die deutsche Frage, die wird Dr. Oliver Thränert, Center for Security in dem zweiten Panel intensiv er- Defense College in Rom und si- Policy der ETH Zürich örtert. Und natürlich stellt sich cherheitspolitischer Koordinator auch bei diesen Fragen die Frage, der Konrad-Adenauer-Stiftung. was wir Deutschen oder auch wir Aber vor allen Dingen einer der
36 37 sichtbarsten Kenner der Nuklear- trol Association“. Lieber Oliver gerade gehört haben, die globale können wir nicht mit nuklearer thematik, der seit – Karl-Heinz, Meier, herzlich willkommen. Und Perspektive der Rolle von Nuk- Abschreckung lösen. Sie bleiben 25 Jahre oder sogar noch länger? last, not least, zu meiner Nächs- learwaffen zu beleuchten. aber ein Faktor, und deswegen ist –, wir werden alle nicht jünger, zu ten und zu meiner Rechten, ein Und ich möchte Karl-Heinz Kamp die Idee der nuklearwaffenfreien diesen Fragen publiziert. Herz- Blick aus der Schweiz gewisser- bitten, anzufangen. Karl-Heinz, Welt eben nur eine Idee, weil der lich willkommen! Zu meiner maßen, obwohl er Deutscher ist: wie bewertest Du die globale Per- größte Teil der Nuklearwaffen- ganz Linken, der Kollege Profes- Dr. Oliver Thränert. Er leitet den spektive auf unser Thema? staaten ihre Atomwaffen nicht ab- sor Joachim Krause, Direktor des Think-Tank am Center for Se- rüsten wollen. Das ist keine Frage Instituts für Sicherheitspolitik an curity Studies in Zürich an der Dr. Karl-Heinz Kamp: des Könnens, es ist eine Frage des der Universität Kiel, zuvor lange altehrwürdigen ETHZ. Auch er Ja, vielen Dank. Zunächst einmal Wollens. Das heißt Israel, Frank- Jahre bei der Deutschen Gesell- war lange Jahre an der Stiftung finde ich das Thema extrem wich- reich, China wollen nicht abrüs- schaft für Auswärtigen Politik Wissenschaft und Politik, unter tig und bedanke mich sehr, zu ten, weil sie – ob wir es verstehen und auch lange Jahre bei der Stif- anderem auch bei der Fried- diesem Thema eingeladen wor- oder nicht – in diesen Waffen ein tung Wissenschaft und Politik, als rich-Ebert-Stiftung, und auch er den zu sein. Ich hätte mir schon Faktor für Macht, Sicherheit, Sta- sie noch in Ebenhausen war. Und publiziert seit vielen Jahren – ich viel früher eine Rede wie die von tus oder was immer, sehen. Und er hat unter anderem seine Habi- habe mal nachgeschaut, vor mehr Herrn Annen gerade oder die von daran ändern auch Nobelpreise litation zu dem Thema „Struktur- als dreißig Jahren ist sein erster Herrn Maas, die Tiergarten-Re- nicht so schrecklich viel. Zwei- wandel der Nichtverbreitungspo- Artikel zu diesen Fragen erschie- de, schon von früheren Außen- tens, glaube ich, zweite Realität, litik“ verfasst und ich glaube, man nen – zu diesen Fragen. ministern gewünscht, das hätte dass leider Gottes die Verbreitung kann ohne zu übertreiben sagen, sehr geholfen, weil das Thema von Atomwaffen wahrscheinlich dass er einer der, ja, sichtbarsten Also eine spannende Runde, in in der Tat wichtig ist. Ich glau- ist. Es werden vermutlich, das ist und intimsten Kenner dieser Fra- der wir jetzt diskutieren wollen, be, dass wenn wir über die große zu befürchten, mehr Staaten Nu- gen ist, die wir in Deutschland wie die globale Perspektive der strategisch Fragen nachdenken: klearwaffenstaaten werden. Hof- haben. Joachim Krause, herzlich Nichtverbreitung aussieht. Und „Kernwaffen wohin und wo sieht fentlich sehr moderat. Hoffentlich willkommen! Zu meiner Rechten, ich möchte alle von Ihnen in ei- es mit der, oder wie sieht es mit nur wenige. Und da hilft, und da Dr. Oliver Meier, Atomwaffenex- ner ersten Runde fragen, wie Sie der nuklearen Abrüstung aus?“, hat der Staatsminister eben gera- perte der Stiftung Wissenschaft denn die Risiken der Verbreitung dann haben wir drei Realitäten. de das Nötige gesagt, die ameri- und Politik. Zuvor unter anderem von Nuklearwaffen und vor allen Die erste Realität ist mehrfach an- kanische Politik überhaupt nicht. auch lange Jahre Mitarbeiter im Dingen auch die Chancen der gesprochen worden: Kernwaffen Die Wahrscheinlichkeit einer ira- Bundestag, unter anderem bei der Eindämmung bewerten, also ge- werden ein Faktor der interna- nischen Nuklearmacht ist gege- Vorsitzenden des Ausschusses für wissermaßen in Ergänzung, oder tionalen Politik bleiben. Sie sind ben – und wenn es dazu kommt, Abrüstung und Rüstungskontrol- womöglich auch in Widerspruch, in ihrer Bedeutung erheblich re- ist eine saudische Nuklearmacht le und auch lange Jahre gewesen als Kontrapunkt zu den Ausfüh- duziert, weil einfach der größte nicht allzu weit. Und das ist kei- Korrespondent der „Arms Con- rungen von Niels Annen, die wir Teil der Probleme, die wir haben, ne positive Aussicht und je mehr
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