S3-LEITLINIE S3 S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen Kapitel "Insomnie bei Erwachsenen", Update 2016 063/003 - AWMF
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S3-LEITLINIE S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen Kapitel „Insomnie bei Erwachsenen“, Update 2016 AWMF-Register Nr. 063/003 Klasse S3 Version 2.0 (Dezember 2017) Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin 8.1.2020: Gültigkeit der Leitlinie nach inhaltlicher Überprüfung durch das Leitliniensekretariat verlängert bis 30.12.2022
Leitlinie D. Riemann1 · E. Baum2 · S. Cohrs3 · T. Crönlein4 · G. Hajak5 · E. Hertenstein1 · P. Klose6 · J. Langhorst6 · G. Mayer7 · C. Nissen1 · T. Pollmächer8 · S. Rabstein9 · A. Schlarb10 · H. Sitter11 · H.-G. Weeß12 · T. Wetter4 · K. Spiegelhalder1 1 Zentrum für Psychische Erkrankungen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Fakultät, Universität Freiburg, Freiburg, Deutschland 2 Zentrum für Methodenwissenschaften und Gesundheitsforschung, Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Philipps-Universität Marburg, Marburg, Deutschland 3 Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland 4 Universitäres Schlafmedizinisches Zentrum, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Regensburg, Deutschland 5 Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Bamberger Klinikum am Michelsberg, Bamberg, Deutschland 6 Abteilung für Naturheilkunde und Integrative Medizin, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland 7 Schlafmedizinisches Zentrum, Hephata-Klinik Fachkrankenhaus für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Schwalmstadt, Deutschland 8 Zentrum für Psychische Gesundheit, Klinikum Ingolstadt, Ingolstadt, Deutschland 9 Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Ruhr- Universität Bochum, Bochum, Deutschland 10 Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland 11 Institut für Theoretische Chirurgie, Universität Marburg, Marburg, Deutschland 12 Schlafzentrum, Pfalzklinikum, Klingenmünster, Deutschland S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen Kapitel „Insomnie bei Erwachsenen“ (AWMF- Registernummer 063-003), Update 2016 Vorbemerkungen Inhaltsverzeichnis 3.7.2.1. Benzodiazepine (BZ) und Ben- zodiazepinrezeptoragonisten Im Jahr 2009 wurde von der Deut- 1. Kurzfassung der Leitlinie/ (BZRA) schen Gesellschaft für Schlafforschung Zusammenfassung für Patien- 3.7.2.2. Sedierende Antidepressiva und Schlafmedizin (DGSM) die S3- ten 3.7.2.3. Antipsychotika Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/ 2. Leitlinienreport 3.7.2.4. Antihistaminika Schlafstörungen“ veröffentlicht [1]. In- 2.1. Literaturrecherche 3.7.2.5. Phytotherapeutika zwischen hat schlafmedizinisches Wis- 2.2. Evidenzgrade/Empfehlungsgrade 3.7.2.6. Melatonin sen in Diagnostik und Therapie so an 3. Insomnien Exkurs: Evidenzbewertung Phar- Umfang zugenommen, dass der Vorstand 3.1. Ätiologie und Pathophysiologie makotherapie der DGSM beschlossen hat, Updates der 3.2. Begriffsbestimmung – diagnos- 3.7.3 Weitere Therapiemöglichkeiten Leitlinie in Teilkapiteln vorzunehmen. tische Klassifikationssysteme Exkurs: Evidenzbewertung wei- Für das Gebiet der Insomnien bei Er- 3.3. Diagnostisches Vorgehen tere Therapiemöglichkeiten wachsenen wurde Prof. Dr. Dieter Rie- 3.4. Epidemiologie 3.7.4. Langzeittherapie von Insomni- mann vom DGSM-Vorstand beauftragt, 3.5. Gesundheitsrisiken en mit Hypnotika federführend zusammen mit der DGSM 3.6. Kosten 3.7.5. Risiken und Nebenwirkungen und weiteren Experten auf dem Gebiet 3.7. Behandlung der Insomnie der Insomniebehandlung ein Update auf S3-Leitlinienniveau zu 3.7.1. Kognitive Verhaltenstherapie 3.7.6. Schnittstellen Insomniemanage- erarbeiten. Exkurs: Evidenzbewertung ment 3.7.2. Pharmakotherapie 4. Empfehlungen Exkurs: Insomnie und Placebo 1
Leitlinie 5. Anhang A: Leitlinienreport/ Steering-Komitee und Herausgeber Literaturrecherche 6. Anhang B: Darstellung der In- 4 PD Dr. med. Stefan Cohrs, Rostock (Leitung AG Insomnie DGSM) 4 Dr. phil. Dipl.-Psych. Tatjana Crönlein, Regensburg (Leitung AG Insomnie DGSM) teressenkonflikte 4 Prof. Dr. med. Thomas Pollmächer, Ingolstadt (Referat Schlafmedizin DGPPN) 7. Anhang C: Supplementmate- 4 Prof. Dr. rer. soc. Dipl.-Psych. Dieter Riemann, Freiburg (Leitung) rial: Aufarbeitung der Meta- 4 PD Dr. rer. physiol. Helmut Sitter, Marburg (AWMF) Analysen, Bewertung 4 Dr. phil. Dipl.-Psych. Hans-Günter Weeß, Klingenmünster (Vorstand DGSM) 8. Literatur 4 Prof. Dr. med. Thomas Wetter, Regensburg (Referat Schlafmedizin DGPPN) Autorenreihenfolge zur Einreichung bei AWMF/Somnologie 4 Prof. Dr. rer. soc. Dipl.-Psych. Dieter Riemann, Freiburg (Leitung) 4 Prof. Dr. med. Erika Baum, Marburg (DEGAM) 4 PD Dr. med. Stefan Cohrs, Rostock (AG Insomnie der DGSM) 4 Dr. phil. Dipl.-Psych. Tatjana Crönlein, Regensburg (AG Insomnie der DGSM) 4 Prof. Dr. med. Göran Hajak, Bamberg (Experte Hypnotikatherapie) 4 Dr. phil. Dipl.-Psych. Elisabeth Hertenstein, Freiburg (Expertin Insomniepsychotherapie) 4 Dr. phil. Petra Klose, Essen (DGNHK, GPT) 4 Prof. Dr. med. Jost Langhorst, Essen (GPT, DGNHK) 4 Prof. Dr. med. Geert Mayer, Schwalmstadt-Treysa (DGN) 4 Prof. Dr. med. Christoph Nissen, Freiburg (Schlafmedizin-Referat DGPPN) 4 Prof. Dr. med. Thomas Pollmächer, Ingolstadt (Schlafmedizin – Referat DGPPN) 4 Dr. med. Sylvia Rabstein, Bochum (DGAUM) 4 Prof. Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Angelika Schlarb, Bielefeld (DGPs) 4 PD Dr. rer. physiol. Helmut Sitter, Marburg (AWMF) 4 Dr. phil. Dipl.-Psych. Hans-Günter Weeß, Klingenmünster (Vorstand DGSM) 4 Prof. Dr. med. Thomas Wetter, Regensburg (Schlafmedizin – Referat DGPPN) 4 PD Dr. med. Dr. phil. Dipl.-Psych. Kai Spiegelhalder, Freiburg (Experte Insomnieforschung) Beteiligte Fachgesellschaften 4 1. Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) 4 2. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheil- kunde (DGPPN) 4 3. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) 4 4. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) 4 5. Deutsche Gesellschaft für Psychologie, Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie (DGPs) 4 6. Deutsche Gesellschaft für Naturheilkunde (DGNHK) 4 7. Gesellschaft für Phytotherapie (GPT) 4 8. Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM) Beteiligte Patientenverbände 4 1. Selbsthilfegruppe Ein- und Durchschlafstörungen in Klingenmünster und Limburgerhof, Sprecherin: Helene Schwarz, Waldgasse 4, 67117 Limburgerhof 4 2. Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e. V. (BSD), Vorsitzender Werner Waldmann, Panoramastr. 6, 73760 Ostfildern bei Stuttgart 2
0 Erwachsene(r) mit Ein- und/oder Durchschlafstörungen / frühmorgend- lichem Erwachen und assoziierter Tagesbeeinträchtigung 3 1 2 4 Erhebliche Beein- Angepasst an Einnahme von Umstellung, trächtigung durch ja zirkadianen ja Substanzen, die ja Abstinenz, Symptomatik? Rhythmus? den Schlaf Entwöhnung stören? nein nein nein Information, 5 6 Prävention Komorbide Schlaf- Behandlung der störung, organische ja komorbiden oder psychische Erkrankung Erkrankung? UND der Insomnie nein 7 Behandlung der Insomnie mit KVT-I als erste Option. Kurzfristig: Abb. 1 9 Klinischer Algo- BZ, BZRA, sedierende Antidepressiva rithmus Leitlinie Insomnie. KVT-I Kognitive Verhaltens- therapie für Insomnie 1. Kurzfassung der Leitlinie/ Therapie Risiken derzeit nicht ausgesprochen Zusammenfassung für werden (B). Patienten Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnien (KVT-I) Sedierende Antidepressiva Diagnostik 4 Die kognitive Verhaltenstherapie 4 Die Kurzzeitbehandlung von Insom- für Insomnien soll bei Erwach- nien mit sedierenden Antidepressiva 4 Die Diagnostik soll eine umfassende senen jedes Lebensalters als erste ist effektiv, wobei Kontraindikationen Anamnese inklusive einer Abklä- Behandlungsoption für Insomnien zu Beginn und im Verlauf geprüft rung körperlicher und psychischer durchgeführt werden (A). werden sollen (A). Eine generelle Erkrankungen, eine körperliche Un- Empfehlung zur Langzeitbehand- tersuchung sowie den Einsatz von Pharmakologische Interventionen lung von Insomnien mit sedierenden Schlaffragebögen und Schlaftagebü- 4 Eine medikamentöse Therapie kann Antidepressiva kann aufgrund der chern umfassen (A). angeboten werden, wenn die KVT-I Datenlage und möglicher Neben- 4 Nach Substanzen, die den Schlaf nicht hinreichend effektiv war oder wirkungen/Risiken derzeit nicht stören, soll gezielt gefragt werden (A). nicht durchführbar ist. ausgesprochen werden (A). 4 Die Aktometrie kann eingesetzt werden, um Bett- und Schlafens- Benzodiazepinrezeptoragonisten Antipsychotika zeiten über den gesamten Tag zu 4 Benzodiazepinrezeptoragonisten 4 In Anbetracht der unzureichenden erfassen (C). sind im kurzzeitigen Gebrauch Datenlage für Antipsychotika in der 4 Die Polysomnographie soll bei be- (3–4 Wochen) effektiv in der Behand- Indikation Insomnie und angesichts gründetem Verdacht zum Ausschluss lung von Insomnien (A). ihrer Nebenwirkungen wird ihre Ver- organischer Schlafstörungen (peri- 4 Die neuen Benzodiazepinrezeptor- wendung in der Insomniebehandlung odische Beinbewegungen im Schlaf, agonisten sind gleich wirksam wie nicht empfohlen (A). Eine Ausnahme schlafbezogene Atmungsstörungen) die klassischen Benzodiazepinhyp- stellen gerontopsychiatrische Patien- verwendet werden (A). notika (A). ten dar, bei denen ggf. niedrigpotente 4 Die Polysomnographie sollte bei 4 Eine generelle Empfehlung zur Antipsychotika als Schlafmittel gege- weiteren begründeten Indikationen Langzeitbehandlung von Insomnien ben werden können (C). (. Tab. 9) durchgeführt werden (B). mit Benzodiazepinrezeptoragonis- ten kann aufgrund der Datenlage Melatonin und möglicher Nebenwirkungen/ 4 Aufgrund von geringer Wirksamkeit bei dieser Indikation wird Melatonin 3
Leitlinie Tab. 1 Studienformen als Basis für klinische Leitlinien in der Hierarchie der zugrundeliegenden Tab. 2 Standardmäßige Zuordnung von Evidenz. (Mod. nach [1].) Empfehlungsgraden zu Evidenzgraden. Evidenzgrad Beschreibung (Aus: [1]. Mit freundl. Genehmigung des Springer Verlags) 1a Evidenz durch systematisches Review/Meta-Analyse randomisierter kontrol- Empfehlungsgrad Evidenzgrad lierter Studien (RCT) 1b Evidenz durch eine qualitativ hochwertige RCT A 1a, 1b 1c Alle-oder-Keiner-Prinzip B 2a–c, 3a, 3b 2a Evidenz durch systematisches Review gut geplanter Kohortenstudien C 4 2b Evidenz durch eine Kohortenstudie/RCT mit adäquatem Design, aber mäßiger D 5 Datenqualität (z. B.
GENETISCH BESTIMMTE NEUROBIOLOGISCHE PERSÖNLICHKEITS- DYSFUNKTIONEN MECHANISMEN CHARAKTERISTIKA z.B. homöostatisch und z.B. emotionale Unterdrückung z.B. Adenosinsystem, Gaba- zirkadiane Dysregulation (Hemmung aktueller Rezeptor-Polymorphismen, (Cortisol, Serotonin, Dopamin, Emotionen), maladaptiver Clock genes, CREB. Orexin), veränderte Hirnstruktur? Perfektionismus, Neurotizismus Vorhergehende / auslösende Faktoren Psychosoziale Stressoren AUFRECHTERHALTENDE AUSLÖSENDE FAKTOREN FAKTOREN HYPERAROUSAL INSOMNIE BEHAVIORALE INSOMNIE Kognitiv-kortikal (fokussierend NACHT- TAGES - ANPASSUNG auf den Schlaf, attentional bias) SCHLAF - SYMPTOME z. B. lange Bettzeiten, verlän- SYMPTOME gerte Schlafmöglichkeit (Tag- schlaf), unreguläre Schlafzeiten EMOTIONAL KONDITIONIERENDE AUTONOM EFFEKTE Emotionale Dysregulation Abb. 2 9 Insomniemo- dell inklusive prädisponie- GEDÄCHTNIS - KOGNITIVE render (genetische, bio- KONSOLIDIERUNG PERFORMANZ logische, psychologische Einschränkung prozeduraler Performanz in Faktoren), vorhergehen- und deklarativer Gedächtnis- neurokognitiven Tests der (Stressoren) sowie auf- konsolidierung rechterhaltender (hyper- arousal/behaviorale Adap- tation) Faktoren und Kon- PSYCHOPATHOLOGIE sequenzen (Psychopatho- logie) der chronischen In- somnie [27] Die Anwenderzielgruppe sind Ärzte 2.1. Literaturrecherche geführt (es wurde allerdings auch in allen und psychologische Psychotherapeuten. anderen Kapiteln darauf geachtet, die ak- Unter den Ärzten sind die Schlafmedi- Für die Suche nach relevanten Studien tuellste und beste Evidenz als Quelle zu ziner, die in der Deutschen Gesellschaft zum Thema Insomnietherapie wurde verwenden). für Schlafforschung und Schlafmedizin eine Literaturrecherche in den Daten- In einem ersten allgemeinen Schritt organisiert sind, der primäre Adressat. banken PubMed (www.ncbi.nlm.nih. der Literaturrecherche wurden die bei- Darüber hinaus richtet sich die Leitlinie gov/pubmed/) und Cochrane Library den oben genannten Datenbanken (Pub- an alle ambulant oder stationär tätigen (www.cochranelibrary.com) durchge- med/Cochrane Library) nach den Stich- Ärzte, die in der Behandlung von Insom- führt. Für die vorliegende Leitlinie wurde wörtern „insomnia“ in Verbindung mit nien tätig sind. der erste Suchfilter auf „Meta-Analysis“ „treatment“ von 1966 bis Ende Dezember Die Schlüsselfrage der vorliegenden gesetzt, wie auch bei der 2009 publi- 2015 durchsucht. Leitlinie ist, wie wirksam verschiedene zierten Leitlinie. Für Themenbereiche, Spezifisch: Im Bereich der Psychothe- pharmakologische und nichtpharmako- für die keine Meta-Analysen vorlagen, rapie wurde das Keyword insomnia in logische Therapien bei Insomnien sind. wurden systematische Reviews oder Verbindung mit folgenden anderen Be- Dabei wurde im Hinblick auf die pharma- qualitativ hochwertige RCTs („random- griffen gesucht: sleep hygiene, relaxation, kologischen Therapien eine Einengung ized controlled trials“) in die Analysen mindfulness, behavior therapy, cognitive auf die Substanzen vorgenommen, die in einbezogen. therapy, cognitive behavioral therapy, sti- Deutschland im Handel verfügbar sind. Eine entsprechende Literaturrecher- mulus control, sleep restriction, psycho- che wurde ausschließlich für das Kapi- therapy. tel 3.7. Behandlung der Insomnien durch- 5
Leitlinie Tab. 3 Klassifikation der Schlafstörungen Tab. 4 Diagnostische Leitlinie für die nichtorganische Insomnie (F 51.0) nach ICD-10 [24] nach ICD-10 [24] Es liegen Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen oder eine schlechte Schlafqualität vor Nichtorganische Schlafstörungen Die Schlafstörungen treten wenigstens dreimal pro Woche über einen Zeitraum von einem Mo- F 51.0 Nichtorganische Insomnie nat auf F 51.1 Nichtorganische Hypersomnie Die Betroffenen denken vor allem nachts viel an ihre Schlafstörung und machen sich während F 51.2 Nichtorganische Störung des des Tages übertriebene Sorge über deren negative Konsequenzen Schlaf-Wach-Rhythmus Die unbefriedigende Schlafdauer oder -qualität verursachen entweder einen deutlichen Leidens- F 51.3 Schlafwandeln druck oder wirken sich störend auf Alltagsaktivitäten aus F 51.4 Pavor nocturnus Studien und für gesundheitsökonomi- F 51.5 Alpträume Tab. 5 DSM-5 Schlaf-Wach-Störungen Kapitel [23] sche Analysen vorgenommen werden. F 51.8 Andere nichtorganische Schlafstö- Insomnische Störung Die Zuordnung von Evidenzgraden zu rungen Hypersomnische Störung Empfehlungsgraden ist in . Tab. 2 dar- F 51.9 Nicht näher bezeichnete nichtor- ganische Schlafstörungen gestellt. Narkolepsie Die Transformation der Evidenzgrade Organische Schlafstörungen Schlafbezogene Atemstörungen in Empfehlungsgrade ist allerdings im- G 25.80 Periodische Beinbewegungen im Obstruktive Schlafapnoe/Hypopnoe Zentrale Schlafapnoe mer an eine Konsensentscheidung der Schlaf (PLMS) Schlafbezogene Hyperventilation Autoren gebunden. Im Regelfall gilt die G 25.81 Syndrom der unruhigen Beine (Restless-Legs-Syndrom) Zirkadiane Störungen des Schlaf-Wach-Rhyth- in . Tab. 2 dargestellte Zuordnung, eine mus Abweichung davon ist jedoch z. B. mög- G 47.0 Organisch bedingte Insomnie Verzögerte Schlafphase lich, wenn ein Medikament, dessen Wirk- G 47.1 Krankhaft gesteigertes Schlafbe- Vorverlagerte Schlafphase dürfnis (idiopathische Hypersom- samkeit eindeutig nachgewiesen wurde, Irreguläre Schlafphase nie) Non-24 h-Schlafphase nur eine geringe Adhärenz hat. G 47.2 Störungen des Schlaf-Wach- Schichtarbeit Die Bewertung der Evidenz aus den Rhythmus Parasomnien Meta-Analysen wurde mit Hilfe der G 47.3 Schlafapnoe-Syndrom Nicht-Rapid-Eye-Movement-Schlaf-Arousal- Quorom-Checkliste vorgenommen (sie- G 47.4 Narkolepsie und Kataplexie Störung: Somnambulismus, Pavor nocturnus he Leitlinienbericht). Hinsichtlich der Alptraumstörung Darstellung der Evidenz in den Evi- G 47.8 Sonstige Schlafstörungen (z. B. REM-Schlaf-Verhaltensstörung Kleine-Levin-Syndrom) denztabellen im Text wurde darauf Restless-Legs-Syndrom verzichtet, numerische Einzelergebnisse Substanz-/Medikationsinduzierte Schlafstö- z. B. in Form von Effektstärken mit auf- Spezifisch: Im Bereich der medika- rung zunehmen, um die Leser nicht aufgrund mentösen Therapie wurden neben insom- Andere spezifische insomnische Störungen der Fülle der Daten zu desorientieren. nia folgende Suchbegriffe eingesetzt: pla- Unspezifische insomnische Störungen Hinsichtlich der Umsetzung von Effekt- cebo, benzodiazepine, benzodiazepine Andere spezifische hypersomnische Störungen stärken in Textform wurde sich an der receptor agonist, sedating antidepressant, Unspezifische hypersomnische Störungen üblichen Einteilung orientiert: Effektstär- antipsychotic, neuroleptic, antihistami- Andere spezifische Schlaf-Wach-Rhythmusstö- ken 0,4–0,8: guter Effekt; Effektstärken >0,8: melatonin, complementary alternative Unspezifische Schlaf-Wach-Rhythmusstörun- sehr guter Effekt. therapies, homoeopathy. gen In der Literaturrecherche wurden aus- 3. Insomnien schließlich Arbeiten berücksichtigt, die auf Deutsch oder Englisch abgefasst wa- 2.2. Evidenzgrade/ 3.1. Ätiologie und Patho- ren. Empfehlungsgrade physiologie Neben der oben genannten Literatur- recherche wurde die Fachzeitschrift Sleep Hinsichtlich der Einschätzung der Evi- Weltweit befassen sich verschiedene Medicine Reviews nach entsprechenden denz und der Graduierung der gegebe- Arbeitsgruppen mit ätiologischen und Meta-Analysen durchsucht. Hier wur- nen Empfehlungen am Ende dieser Leit- pathophysiologischen Modellen der In- den alle Jahrgänge der Zeitschrift bis De- linie haben wir uns an der 2009 publi- somnie [6, 8–11, 16, 17, 19, 20, 22]. Ein zember 2015 einbezogen, darüber hinaus zierten Leitlinie orientiert bzw. die dort Modell, das international anerkannt ist, wurden Arbeiten einbezogen, die bereits veröffentlichten Kriterien übernommen ist in . Abb. 2 dargestellt. „epub“ oder „in press“ waren. (s. . Tab. 1 und 2). Die meisten Modelle gehen entspre- Diese Klassifizierung gilt in erster chend dem so genannten 3-P-Modell der Linie für therapeutische Studien. Eine Insomnie [21] davon aus, dass es prä- analoge Klassifizierung kann aber auch disponierende, auslösende und aufrecht- für diagnostische oder prognostische erhaltende Faktoren für die Schlafstö- 6
Tab. 6 Diagnostische Kriterien der insomnischen Störung („insomnia disorder“) nach DSM-5 Vulnerabilität, z. B. des Stresssystems, da- A Eine im Vordergrund stehende Beschwerde der Unzufriedenheit mit der Schlafqualität zu führt, dass es bei Menschen mit einer oder -quantität, verbunden mit einem (oder mehreren) der folgenden Symptome: entsprechenden Prädisposition nach Ab- 1. Schwierigkeiten einzuschlafen lauf eines belastenden Ereignisses nicht 2. Schwierigkeiten durchzuschlafen, charakterisiert durch häufige Wachperioden oder zu einer Herabregulation des Stresssys- Schwierigkeiten, nach nächtlichen Wachperioden wieder einzuschlafen 3. Frühmorgendliches Erwachen mit der Unfähigkeit, wieder einzuschlafen tems kommt (siehe [14]). Dieses blie- B Die Schlafstörung führt zu klinisch signifikantem Leiden oder Einschränkungen im sozia- be dann permanent überaktiviert, was len, ausbildungs- und beruflichen Leben oder anderen wichtigen Funktionsbereichen als chronisches Hyperarousal bezeichnet C Die Schlafstörung tritt mindestens 3 Nächte pro Woche auf wird. Das Hyperarousal-Modell der Insom- D Die Schlafstörung hält mindestens 3 Monate an nie postuliert, dass bei einer chronischen E Die Schlafstörung tritt trotz ausreichender Gelegenheit für Schlaf ein Insomnie als pathogenetische Endstre- F Die Insomnie wird nicht besser erklärt und tritt nicht ausschließlich im Rahmen einer cke eine persistierende Übererregung anderen Schlaf-Wach-Rhythmusstörung auf auf kognitiver, emotionaler und physio- G Die Insomnie ist nicht zurückführbar auf die physiologischen Effekte einer Substanz (z. B. logischer Ebene besteht [3, 13–15, 17]. einer Droge oder einer Medikation) Zentral für dieses Modell sind Befunde, H Die koexistierenden psychischen und körperlichen Erkrankungen erklären nicht das Auftreten der Insomnie nach denen bei Patienten mit Insomnie ein erhöhter Anteil schneller Frequenzen Spezifiziere: Mit einer nicht schlafstörungsbezogenen psychischen Komorbidität im EEG des Non-REM-Schlafs vorliegt. Mit einer anderen medizinischen Komorbidität Zudem wurde darauf hingewiesen, dass Mit einer anderen Schlafstörung eine erhöhte Frequenz von Mikroarou- sals spezifisch im REM-Schlaf vorliegt, was zu einer verstärkten Wahrnehmung Tab. 7 Diagnostische Instrumente zur Erfassung von Schlafstörungen des REM-Schlafs als Wachheit bei In- Verfahren Zielsetzung Kurzbeschreibung somniepatienten beitragen könnte [7, Pittsburgher Schlafquali- Erfassung der subjektiven Fragebogen zur Selbsteinschät- 15]. Hyperarousal-Konzepte lassen sich tätsindex (PSQI) Schlafqualität sowie von zung, Dauer 5 bis 10 min. Ge- Schlafstörungen inklusive samt-Score 0–21 [30] mit zufrie- sehr gut mit neurobiologischen Regulati- Fremdanamnese innerhalb der denstellender Reliabilität und onsmodellen von Schlafen und Wachen letzten 2 bzw. 4 Wochen Validität [74] wie etwa dem Modell von Saper et al. Schlaffragebogen A (SF-A) Spezifische Erfassung des Schlaffragebogen mit 22 Fragen; [18] vereinbaren. Danach wäre das Hy- Schlafs der vorhergehenden Dauer ca. 3 bis 5 min, Wertebe- perarousal als Folge einer Dominanz Nacht und der Befindlichkeit reich 1–5; 5 Subskalen [34] von Arousal-vermittelnden Hirnarealen des Vortags gegenüber schlafinduzierenden Hirnare- Abend- und Morgenproto- Schlaftagebuch zur Diagnostik Schlaftagebuch, das mit gerin- alen vorstellbar. kolle und Therapieverlaufsmessung gem Zeitaufwand für längere „Schlaftagebuch“ Zeiträume genutzt werden kann Kognitive Modelle der Insomnie (z. B. [35; 37] [8]) betonen die Bedeutsamkeit von ISI (Insomnia Severity Erfasst den Schweregrad in- Fragebogen mit 7 Items, Dauer „worry/rumination“ (Sorgen/Grübeln) Index) somnischer Störungen 3–5 min, Wertebereich 0–28 für die Entstehung und Aufrechterhal- [28], validiert für den Einsatz als tung der Schlafstörung. Vielen Betrof- Screeninginstrument und für die fenen gehen dabei vor allem abends im Erfassung von Therapieeffekten Bett belastende Gedanken durch den Kopf, und sie haben das Gefühl, „nicht rung gibt. So gelten genetische Einflüsse Insomnie kommen meist aufrechterhal- abschalten“ zu können. Inhaltlich be- [12] und Persönlichkeitscharakteristika, tende Faktoren oder weitere Stressoren ziehen sich diese Gedanken häufig auf wie z. B. Neurotizismus oder maladapti- hinzu. In Bezug auf das Verhalten haben belastende Ereignisse oder, was sehr ty- ver Perfektionismus, als prädisponieren- Spielman et al. [21] darauf hingewiesen, pisch ist, auf die Schlafstörung und ihre de Faktoren. dass viele Patienten mit Insomnie schlaf- realen oder antizipierten Konsequenzen. Akute Insomnien werden durch Stres- bezogene maladaptive Coping-Strategi- Zudem fassten Baglioni et al. [2] Befunde soren ausgelöst, z. B. durch arbeitsbezo- en einsetzen, z. B. eine Verlängerung der zusammen, nach denen sich Patienten genen oder interpersonellen Stress. Al- nächtlichen Bettzeit oder das Aufnehmen mit Insomnie auch durch eine höhere lerdings handelt es sich bei der akuten In- eines Mittagsschlafs, um den Schlafver- emotionale Reaktivität auf belastende somnie um ein transientes und sehr häu- lust der vergangenen Nacht zu kompen- Ereignisse auszeichnen, was möglicher- fig auftretendes Phänomen, welches sich sieren. Dies führtübereine Reduktiondes weise ebenfalls zur Entstehung und bei den meisten Menschen nach Weg- Schlafdrucks jedoch zu einer Aufrecht- Aufrechterhaltung der Schlafstörung so- fall des Stressors wieder zurückbildet [5]. erhaltung der Insomnie. Vorstellbar ist wie zu deren psychischen Konsequenzen Für die Entwicklung einer chronischen auch, dass eine neurobiologisch angelegte beiträgt. 7
Leitlinie Tab. 8 Diagnostisches Vorgehen bei In- Tab. 9 Hauptindikationen zur Polysomnographie eines Insomniepatienten in einem Schlafla- somnien bor. (Mod. nach [1].) 1. Medizinische Anamnese/Diagnostik Therapieresistente Insomnie (B) Frühere und jetzige körperliche Erkrankun- Nach Ausschöpfung anderer diagnostischer Maßnahmen bei Verdacht auf eine organisch be- gen (bspw. Schmerzen) dingte Insomnie, vor allem im Zusammenhang mit Schlafapnoe-Syndrom oder Syndrom periodi- Medikamente, Alkohol, Nikotin, Drogen scher Beinbewegungen (A) Labor, z. B. Schilddrüsenwerte, Blutbild, Insomnie bei Risikogruppen in Verbindung mit Eigen- oder Fremdgefährdung, z. B. bei Berufs- Gamma-GT, Leberwerte kraftfahrern oder Patienten, die mit gefährlichen Maschinen arbeiten (B) Gegebenenfalls EEG, EKG, CT/MRT des Schä- Verdacht auf erhebliche Diskrepanz zwischen subjektiv erlebter Schwere der Insomnie und poly- dels nach Klinik somnographischem Befund (B) 2. Psychiatrische/psychologische Anamnese Jetzige und frühere psychische Störungen Tab. 10 Organische Erkrankungen, die zu dokumentierten neurobiologischen Ver- Persönlichkeitsfaktoren Schlafstörungen führen können änderungen bei Patienten mit Insomnie Chronische Nierenerkrankungen/Magen- kritisch zu betrachten. Arbeits- und partnerschaftliche Situation Darm-Erkrankungen International haben sich im Ver- Aktuelle Konflikte Chronischer Schmerz z. B. bei rheumati- gleich zur 2009 publizierten Leitlinie 3. Schlafanamnese schen Erkrankungen einige wichtige Änderungen ergeben. Auslösende Faktoren einschließlich Trauma- Endokrinologische Erkrankungen Das DSM-IV (Diagnostic & Statistical ta Epilepsien Manual of the American Psychiatric As- Arbeitszeiten/zirkadiane Faktoren (Schicht- sociation) wurde durch das DSM-5 [23] Extrapyramidalmotorische Erkrankungen und Nachtarbeit) Herz- und Lungenerkrankungen abgelöst und die ICSD-2 (International Aktuelles Schlafverhalten Kopfschmerzen Classification of Sleep Disorders) durch Vorgeschichte der Schlafstörung die ICSD-3 [25]. Das Kapitel Schlafstö- Maligne Erkrankungen Schlaftagebuch rungen nach DSM-5 ist in . Tab. 5 in Polyneuropathien Fremdanamnese (periodische Beinbewe- der Übersicht dargestellt. gungen/Atempausen) Schlaganfall Im DSM-5 wurde die im DSM-IV 4. Aktometrie Multiple Sklerose vorhandene Unterscheidung in primäre 5. Polysomnographie Starker Juckreiz bei Hauterkrankungen versus sekundäre Insomnien aufgegeben. Dafür wurde die neue übergreifende Ka- tegorie insomnische Störung eingeführt, Hinsichtlich der Entstehung und Auf- Spektrum von Schlafstörungen gemäß die auch im ICSD-3 übernommen wurde. rechterhaltung von Insomnien sind auch ICD-10 ist in . Tab. 3 dargestellt. Die diagnostischen Kriterien für die in- zirkadiane Faktoren der Schlaf-Wach- Im Bereich der Insomnien sind die somnische Störung sind in . Tab. 6 darge- Regulation, die z. B. bei Schichtarbeit diagnostischen Kategorien „nichtor- stellt. Die Aufgabe der Unterscheidung in oder bei Blindheit ursächlich für In- ganische Insomnie“ und „organische primäre und sekundäre Insomnien geht somnien zum Tragen kommen können, Insomnie“ relevant. Die nichtorgani- auf eine NIH-Konferenz zum Thema In- von Relevanz (siehe auch S2k-Leitlinie sche Insomnie wird wie folgt definiert somnie im Jahr 2005 zurück, in der diese Schicht- und Nachtarbeit der Deut- (s. . Tab. 4). Problematik eingehend diskutiert wurde schen Gesellschaft für Arbeitsmedizin Aus diesen Kriterien wird deutlich, [26]. und Umweltmedizin, DGAUM, [4]). dass die Diagnose „nichtorganische In- Wie in . Tab. 6 ersichtlich, wird Ein wichtiger Faktor von Insomnien bei somnie“ gemäß ICD-10 ausschließlich die insomnische Störung im DSM-5 Blindheit oder Schichtarbeit sind entwe- auf der subjektiven Schilderung der Be- weitaus detaillierter beschrieben, als das der fehlende Zeitgeber (Blindheit) oder schwerden beruht. Es sind keine appa- in früher publizierten Klassifikations- auch eine Desynchronisation zirkadia- rativen diagnostischen Maßnahmen er- systemen, etwa in der ICD-10 oder im ner Rhythmen, die z. B. der Nachtschicht forderlich, zudem müssen keine quanti- DSM-IV, der Fall war. Für die Diagno- in einer Tag-Nacht-Umkehr eigen sind. tativen Kriterien in Bezug auf die Ein- sestellung muss eine Einschlaf- und/ schlaflatenz, Schlafdauer, oder die Fre- oder Durchschlafproblematik vorliegen 3.2. Begriffsbestimmung – quenz oder die Dauer des nächtlichen (Kriterium A) sowie eine damit im Zu- diagnostische Klassifikations- Aufwachens erfüllt sein, um eine Insom- sammenhang stehende Beeinträchtigung systeme nie zu diagnostizieren. Anzumerken ist, während des Tages (Kriterium B). Zudem dass sich die Bezeichnung „nichtorga- muss die Schlafstörung in mindestens Aktuell ist in Deutschland für niederge- nisch“ nur darauf bezieht, dass der Schlaf- 3 Nächten pro Woche auftreten und lassene und im Krankenhaus tätige Ärzte störung keine spezifisch erkennbare or- mindestens 3 Monate anhalten, um als und Psychotherapeuten die ICD-10 ver- ganische Erkrankung zugrunde liegt. Die klinisch relevante insomnische Störung bindlich gültig [24]. Das diagnostische Bezeichnung ist angesichts der in den diagnostiziert zu werden. Sind die diag- letzten Jahren auf verschiedenen Ebenen nostischen Kriterien einer insomnischen 8
Tab. 11 Substanzen, deren Einnahme zu Tab. 12 Schlafstörungen bei psychischen Störungen (nach [29]) einer Insomnie führen kann Erkrankung Ein- oder Tiefschlaf- REM-Schlaf- Hyper- Alkohol und andere Rauschmittel Durchschlaf- reduktion Disinhibition somnie störung Antibiotika (z. B. Gyrasehemmer) Affektive Erkrankun- +++ ++ +++ + Antidementiva (z. B. Piracetam) gen Antriebssteigernde Antidepressiva (z. B. Angststörungen + / / / SSRIs) Alkoholabhängigkeit + +++ + / Blutdruckmittel (z. B. β-Blocker) und Asth- mamedikamente (z. B. Theophyllin, β-Sym- Borderlinestörung + / + / pathomimetika) Demenzen +++ +++ / + Diuretika Essstörungen + / / / Hormonpräparate (z. B. Thyroxin, Steroide) Schizophrenie +++ + + + Stimulierende Substanzen (Koffein und syn- +++ bei fast allen Patienten vorhanden thetische Substanzen, z. B. Amphetamine, ++ bei ca. 50 % der Patienten vorhanden Ecstasy) + bei 10–20 % aller Patienten vorhanden / bislang nicht beschrieben Störung im Kontext einer körperlichen 2.3. Diagnostisches Vorgehen störungen findet sich bei Shahid et al. oder psychischen Erkrankung erfüllt, [40]. werden beide Störungen diagnostiziert Die Insomnie ist eine klinische Diagnose, Empfohlene Schritte des diagnosti- (Komorbiditätsprinzip). die auf einer anamnestischen Evaluati- schen Vorgehens bei der Insomnie sind Im ICSD-3 wurden im Bereich der on der diagnostischen Kriterien beruht. in . Tab. 8 dargestellt. Insomnie weitgehend die diagnostischen . Tab. 7 zeigt einige ausgewählte diagnos- Das diagnostische Vorgehen bei der Entitäten und Kriterien des DSM-5 über- tische und Screeninginstrumente, die da- erstmaligen Diagnose einer Insomnie nommen, sodass eine gesonderte Dar- rüber hinaus im Rahmen der Diagnos- sollte eine ausführliche somatische Ana- stellung hier unterbleiben kann. tik und Schweregradbestimmung von In- mnese und Diagnostik, eine psychia- Noch ungeklärt ist, wie das Kapi- somnien zum Einsatz kommen sollen. trische/psychologische Anamnese, eine tel Schlafstörungen in der anstehenden Es wird dringend empfohlen, in der schlafbezogene Anamnese sowie unter Revision der ICD-10, d. h. in der ICD- Diagnostik von Insomnien Schlaftagebü- Umständen eine Aktometrie bzw. Poly- 11, aufgebaut sein wird. Hinweise auf cher einzusetzen (zwischen 7 und 14 Ta- somnographie beinhalten. Die Aktome- der diesbezüglichen offiziellen Home- gen; DGSM – siehe . Tab. 7; www.dgsm. trie ist ein Verfahren zur Erfassung der page sprechen dafür, dass die ICD-11 de). Im englischsprachigen Raum wur- Bewegungsaktivität von Patienten über in Bezug auf die Schlafstörungen sehr den Empfehlungen zu den notwendigen längere Zeiträume, wodurch Schlafzei- ähnlich aufgebaut sein wird wie DSM-5 Items eines Schlaftagebuchs entwickelt ten mit geringem Aufwand und geringer und ICSD-3. [31], die von dem Schlaftagebuch der Störung der Patienten erfasst werden Situativ und transient auftretende DGSM erfüllt werden. Mit Fragebögen, können [38]. Viele Anbieter stellen ent- Insomnien sind häufig und bedürfen z. B. dem Pittsburgher Schlafqualitäts- sprechende Geräte oder Smartphone- meist keiner Behandlung. Behandlungs- index (PSQI), kann relativ schnell ein Apps bereit. Einer aktuellen Übersichts- bedürftig sind chronische Insomnien. Eindruck über das Ausmaß der schlaf- arbeit zufolge unterschätzen jedoch viele Gemäß ICD-10 ist eine krankheitswer- bezogenen Beschwerden gewonnen wer- dieser Anwendungen das Ausmaß von tige Insomnie dann gegeben, wenn die den. Der PSQI kann einen Wert von 0 Schlafstörungen und überschätzen die Beschwerden 4 Wochen persistieren, bis 21 Punkten annehmen, Werte über Gesamtschlafzeit im Vergleich zur Poly- gemäß DSM-5 sind 3 Monate Krank- 5 Punkte gelten als auffällig. Der PSQI ist somnographie [36]. heitsdauer erforderlich, die Störung wird allerdings kein spezifisches Instrument Die Indikationen für eine Polysom- dann als chronische Insomnie bezeich- zur diagnostischen Beurteilung einer In- nographie im Schlaflabor bei Insomnien net. Wie sehr Insomnien chronifizieren somnie. Mithilfe des Schlaffragebogens sind in . Tab. 9 dargestellt. können, zeigt sich in den spezialisier- A kann ein Überblick über den Schlaf In einer Meta-Analyse der polysom- ten Zentren, in denen erfahrungsgemäß einer spezifischen Nacht gewonnen wer- nographischen Literatur zur primären (Konsens der an dieser Leitlinie beteilig- den. Ebenso hat sich im Rahmen der Insomnie wurde gezeigt, dass Patienten ten Schlafzentren) eine mittlere Dauer Diagnostik von Insomnien der Insom- mit Insomnie eine objektivierbare signi- von ca. 10 Jahren angegeben wird. Der nia Severity Index (ISI) bewährt, der es fikante Verkürzung der Schlafzeit, eine chronische Verlauf ist häufig mit einer erlaubt, den Schweregrad einer Insomnie signifikante Verlängerung der Einschlaf- unregelmäßigen Hypnotikaeinnahme einzuschätzen. zeit und eine Erhöhung der nächtlichen mit wechselnden Substanzen verbun- Einen Überblick über die zurzeit ver- Wachzeit aufweisen [27]. Zudem wa- den. fügbaren Skalen im Bereich von Schlaf- ren die Tiefschlaf- und REM-Schlaf- 9
Leitlinie Tab. 13 Störungsspezifische Psychothe- Tab. 14 Regeln für einen gesunden Tab. 15 Instruktionen zur Stimuluskon- rapie der primären Insomnie: KVT-I Schlaf. (Aus [1].) trolle. (Aus [1].) Entspannung I Nach dem Mittagessen keine koffeinhal- Gehen Sie abends nur zu Bett, wenn Sie Körperliche Entspannung, Progressive Mus- tigen Getränke (Kaffee, Schwarztee, Cola) schläfrig sind kelrelaxation mehr trinken Benutzen Sie das Bett nur zum Schlafen, Entspannung II Alkohol weitgehend vermeiden und keines- d. h. nicht zum Lesen, Trinken, Rauchen, falls als Schlafmittel einsetzen Fernsehen (sexuelle Aktivitäten ausgenom- Gedankliche Entspannung, Ruhebild, Phan- men) tasiereise, Achtsamkeit Keine schweren Mahlzeiten am Abend Regelmäßige körperliche Aktivität Wenn Sie nach 15 min. noch wach sind, Regeln für einen gesunden Schlaf/ stehen Sie auf und gehen Sie in ein anderes Rhythmusstrukturierung Allmähliche Verringerung geistiger und Zimmer. Gehen Sie erst wieder ins Bett, Informationen zu Schlaf und Schlafstörun- körperlicher Anstrengung vor dem Zubett- wenn Sie sich schläfrig fühlen gen, Schlafhygiene, Schlaf-Wach-Rhythmus- gehen Wenn Sie dann immer noch nicht einschla- Strukturierung, Stimuluskontrolle, Schlafre- Ein persönliches Einschlafritual einführen fen können, wiederholen Sie den vorherge- striktion Im Schlafzimmer für eine angenehme Atmo- henden Schritt Kognitive Techniken I sphäre sorgen (ruhig, verdunkelt) Stehen Sie jeden Morgen zur gleichen Zeit Erkennen kognitiver Teufelskreise und sich In der Nacht nicht auf den Wecker oder die auf selbst erfüllender-Prophezeiungen, Gedan- Armbanduhr schauen Schlafen Sie nicht tagsüber kenstuhl Kognitive Techniken II Zunahme von schnellen Frequenzen so- hol auch als maladaptiver Behandlungs- Kognitives Umstrukturieren dysfunktionaler wie eine Zunahme von Mikroarousals versuch eingesetzt, um Schlafstörungen Gedankenkreisläufe zu einer veränderten Schlafwahrneh- zu supprimieren. mung bei Patienten beiträgt. Darüber Ebenso werden psychische Störungen Anteile im Vergleich zu Menschen ohne hinaus fallen durch polysomnographi- häufig von Insomnien begleitet bzw. kön- Schlafstörung signifikant reduziert. Die sche Untersuchungen bei Patienten mit nen diese auslösen (. Tab. 12). Gruppenunterschiede waren allerdings Insomnien auch bei klinisch eindeuti- Viele Patienten mit einer chronischen nicht sehr stark ausgeprägt, z. B. war die ger Anamnese überraschend viele Fälle Insomnie leiden komorbid an einer an- Schlafzeit der Patienten lediglich um von Schlafapnoe-Syndrom und dem deren psychischen Erkrankung, deren etwa 25 min reduziert. Im Kontrast zu Syndrom der nächtlichen periodischen Nennung gegenüber der Ärztin/dem diesen polysomnographischen Befun- Beinbewegung auf [32]. Arzt eventuell eher mit Scham verbun- den zeigte sich eine etwa zweistündige Im Hinblick auf die Differenzialdiag- den ist oder die nicht bewusst ist (siehe subjektive Verkürzung der Schlafzeit. nose ist zu berücksichtigen, dass sehr vie- z. B. [39]). Insofern ist es aus Patien- Dieser Unterschied zwischen polysom- le organische Erkrankungen zu Insom- tensicht „einfacher“, in einer ärztlichen nographisch messbaren und subjektiven nien führen können (. Tab. 10). Konsultation von einer Schlafstörung Befunden ist seit Langem bekannt (z. B. Eine organmedizinische Abklärung zu berichten als z. B. von depressiven [33]) und hat teilweise zu der Einstel- ist demnach indiziert, um entsprechen- Beschwerden. Deswegen sollten im Rah- lung geführt, dass die Durchführung de Ursachen, die spezifisch behandelt men der Anamnese mögliche andere einer Polysomnographie bei insomni- werden können, ausschließen zu können. psychische Symptome erhoben wer- schen Störungen in der Regel nicht Erwähnenswert ist, dass sich selbst bei den, selbst wenn spontan ausschließlich zielführend sei, da sie nur wenig mit den klarer organischer Verursachung einer schlafbezogene Probleme vorgebracht subjektiven Beschwerden übereinstim- Insomnie auch der typische psycho- werden. me. Allerdings ist gerade umgekehrt zu physiologische Teufelskreis mit Angst argumentieren, dass die Polysomnogra- vor der Schlaflosigkeit, erhöhtem kog- 3.4. Epidemiologie phie einen diagnostischen Zusatznutzen nitiv-emotionalem und psychophysio- hat, da nur so der Gehirnzustand Schlaf logischem Arousal sowie verstärktem Ohayon [42] hat relevante Untersuchun- in Abgrenzung zum subjektiven Erle- Unter-Druck-Setzen der eigenen Person gen zur Epidemiologie insomnischer Stö- ben erfasst werden kann. Zudem gibt es in Bezug auf das Schlafen entwickeln rungen zusammengefasst und kam zu eine große Bandbreite der Diskrepanz kann. dem Ergebnis, dass ca. 10 % der Erwach- zwischen polysomnographischen und Dasselbe gilt auch für die Einnahme senen in industrialisierten Ländern unter subjektiven Befunden mit Patienten, von Substanzen, die unter Umständen einer chronischen Insomnie leiden. Für die ihre Schlaflosigkeit subjektiv massiv einer Insomnie zugrunde liegen können Deutschland liegen aus der Studie zur unterschätzen, auf der einen Seite und (. Tab. 11). Gesundheit Erwachsener in Deutschland Patienten, bei denen es umgekehrt ist. Insbesondere der Konsum von Alko- (DEGS1) Daten zur Häufigkeit von In- Von Interesse ist, dass in den letzten hol ist eine häufige (Mit-)Ursache von In- somnien vor [43]. In dieser Studie wur- 10 Jahren gezeigt werden konnte, dass somnien und sollte diagnostisch erfasst den ca. 8000 Bürger u. a. nach insomni- Veränderungen der spektralen Zusam- und in der Behandlungsplanung berück- schen Symptomen befragt. Hierbei zeig- mensetzung des Schlaf-EEG mit einer sichtigt werden. Nicht selten wird Alko- te sich, dass insomnische Symptome bei 10
Tab. 16 Instruktionen zur Bettzeitrestrik- Im Bereich der kardiovaskulären Er- Über diese metaanalytischen Daten hi- tion krankungen konnte gezeigt werden, dass naus liegen auch Daten aus umfangrei- Bestimmung der subjektiv erlebten Schlaf- Insomnien als unabhängiger Risikofak- chen epidemiologischen Studien vor, die zeit durch 14-tägiges Ausfüllen eines Schlaf- tor das Risiko für Herzinfarkte, Herz- zeigen, dass die Insomnie ein Risikofak- tagebuchs versagen und Bluthochdruck langfristig tor für die Entwicklung von Angststö- Setzen der Bettzeit auf die durchschnittliche erhöhen [51, 52, 59]. Inzwischen wur- rungen [58] und Substanzabhängigkeit Schlafzeit (Daten aus dem Schlaftagebuch), den auch mehrere Meta-Analysen zu die- [67] ist. jedoch nie kürzer als 5 h sem Themenkomplex publiziert, die die- Zusammenfassend belegt die Litera- Evaluation dieser Maßnahme nach 7 Tagen: sen Zusammenhang unterstützen [54, 57, tur klar den Zusammenhang zwischen ist die Schlafeffizienz über 85 %, kann um 30 min ausgedehnt werden usw. 66]. Insomnien und dem späteren Auftreten In Meta-Analysen [49, 60] ergaben psychischer Erkrankungen, insbesonde- sich weiterhin Hinweise darauf, dass eine re Depressionen. Zudem gibt es Evidenz 69,7 % der Befragten (mit einem Alter kurze Schlafdauer langfristig mit einer dafür, dass die Insomnie langfristig ein zwischen 18 und 79 Jahren) einmal im Gewichtszunahme einhergeht und somit Risikofaktor ist, kardiovaskulär zu er- letzten Jahr aufgetreten waren. Mindes- einen Risikofaktor für die Entwicklung kranken. Die Evidenzim HinblickaufGe- tens dreimal pro Woche traten die Sym- eines metabolischen Syndroms darstellen wichtszunahme und metabolisches Syn- ptome bei 30,3 % der Befragten auf. Wur- könnte. Ob ein erhöhtes Risiko für Über- drom ist zurzeit noch nicht eindeutig. de dann noch verlangt, dass eine schlech- gewicht bei Insomniepatienten vorliegt, Die aufgeführte Literatur legt jedoch na- te Schlafqualität vorlag, reduzierte sich erscheint jedoch aktuell fraglich zu sein he, dass die Behandlung von Insomni- die Häufigkeit auf 21,9 %. Zusätzlich eine [50]. Für Diabetes hingegen scheint die en nicht nur zur Senkung des Leidens- klinisch relevante Tagesbeeinträchtigung Insomnie ein Risikofaktor zu sein [45]. drucks der Patienten eingesetzt werden wie etwa Müdigkeit oder Erschöpftheit Zudem wurde unter anderem im kann, sondern darüber hinaus auch prä- wiesen 5,7 % der Befragten auf, die somit Rahmen skandinavischer Studien nach- ventiv im Hinblick auf psychische und die Screeningdiagnose einerInsomnie er- gewiesen, dass insomnische Beschwer- organische Erkrankungen sein könnte. füllten. den einen Risikofaktor dafür darstellen, In einer Publikation von Morin et al. häufiger krankgeschrieben zu sein und 3.6. Kosten [41] zeigte sich, dass etwa 70 % aller Pa- mehr Unfälle am Arbeitsplatz oder im tienten mit Insomnie persistierende Be- Straßenverkehr zu haben [53, 64, 65]. Mehrere Arbeiten der letzten Jahre wid- schwerden über einen Zeitraum von min- Für neurologische Erkrankungen meten sich der Frage der direkten und destens einem Jahr aufweisen. 46 % aller gilt, dass sie häufig von Insomnien indirekten Kosten der Insomnie [70, 72, Patienten zeigten in dieser Studie insom- begleitet werden [56]. Zudem konn- 73]. Spezifische Zahlen aus Deutschland nische Symptome über einen Zeitraum te gezeigt werden, dass Insomnien im liegen allerdings bislang nicht vor. Von von drei Jahren. Kontext der Entwicklung kognitiver Be- hohem Interesse sind die Daten einer Weiterhin deutet eine Reihe von Stu- einträchtigungen vorkommen, und in Untersuchung zu den Kosten der Er- dien auf ein erhöhtes Risiko von insom- einer Querschnittuntersuchung wur- krankungen des Gehirns in Europa im nischen Symptomen bei Schichtarbeitern de nachgewiesen, dass ein korrelativer Jahr 2010 [71]. Im Rahmen dieser ge- hin. Es zeigte sich, dass ein Wechsel zu Zusammenhang zwischen schlechter sundheitsökonomischen Untersuchung Tagschicht oder fixen Schichten zu einer Schlafqualität und kortikaler Atrophie konnte gezeigt werden, dass Schlafstö- Verringerung dieser Symptome führen bei älteren Menschen bestand [63]. rungen den 9. Platz aller neuropsych- kann [44]. Eindeutige Daten liegen für den Zu- iatrischen Erkrankungen im Hinblick Zusammenfassend lässt sich somit sammenhang zwischen Insomnien und auf die direkten und indirekten Kosten feststellen, dass Insomnien nicht nur als psychischen Erkrankungen vor. So wie- einnehmen. In einer ähnlichen weltweit transiente Beschwerden, sondern auch sen unter anderem Riemann et al. [61] durchgeführten Untersuchung [69] lag auf der Ebene der klinisch relevanten darauf hin, dass Insomnien ein Prädiktor die Insomnie auf Platz 11 im Hinblick Diagnose sehr häufig sind (in Deutsch- für psychische Erkrankungen sein könn- auf die „Global Burden of Disease“. land ca. 6 % der Bevölkerung) und dass ten. In einer Meta-Analyse von Baglioni Zusammenfassend belegt die vorlie- Insomnien einen hohen Chronifizie- et al. [46], die mehr als 20 Primärstu- gende Literatur, dass Insomnien hohe rungsgrad aufweisen. dien analysierte, konnte gezeigt werden, Kosten im Gesundheitssystem verur- dass Patienten mit Insomnien gegenüber sachen, einerseits direkte Kosten, etwa 3.5. Gesundheitsrisiken gesunden Menschen ein erhöhtes Risi- durch Medikamente oder Psychothe- ko für das spätere Auftreten einer de- rapie, andererseits auch indirekte Kos- In den letzten Jahren hat eine intensive pressiven Episode aufweisen (Odds Ra- ten durch Fehltage am Arbeitsplatz, Beschäftigung mit der Frage stattgefun- tio von 2,1). Ähnliche Zusammenhänge verminderte Leistung am Arbeitsplatz den, ob chronische Insomnien einen Ri- konnten auch für Insomnien und Sui- oder Frühberentung. Die Datenlage sikofaktor für somatische und/oder psy- zidalität, Suizidversuche bzw. vollzogene ist allerdings verbesserungswürdig; ge- chische Erkrankungen darstellen. Suizide gezeigt werden [47, 48, 55, 62]. sundheitsökonomische Studien müssen 11
12 Tab. 17 Meta-Analysen (MA) zur Wirksamkeit kognitiv-verhaltenstherapeutischer Interventionen (KVT-I) bei Insomnien Autor Jahr Referenz Land Studientyp Population Studienanzahl/ Intervention Studienendpunkte Effekt auf Studien- Evidenzgrad Q Anzahl Pat endpunkte der Einzel- studien Leitlinie Morin et al. 1994 [102] International MA Insomnie 59/n = 2102 KVT-I und Einzel- SOL, WASO, NOA, a) Gute Effekte für 1b–3b 12 komponenten TST KVT-I auf alle Parame- ter b) Gute Katamnese- Ergebnisse Murtagh 1995 [106] International MA Insomnie 66/n = 2007 KVT-I und Einzel- SOL, NOA, TST, SQ a) Gute Effekte für 1b–3b 10 und Green- komponenten KVT-I auf alle Parame- wood ter b) Gute Katamnese- Ergebnisse Pallesen 1998 [108] International MA Insomnie 13/n = 388 KVT-I und Einzel- SOL, NOA, WASO, a) Gute Effekte für 1b–3b 10 et al. >50 J komponenten TST KVT-I auf alle Parame- ter b) Gute Katamnese- Ergebnisse Montgomery 2004 [100] International MA Primäre Insom- 7/n = 322 KVT-I/ SOL, TST, SE, WASO a) Gute Effekte für 1b 13 und Dennis nie helles Licht/ KVT-I auf Durchschlaf- >60 J Bewegungs- probleme therapie b) Bislang kaum Evi- denz für Effekte von hellem Licht und „Sporttherapie“ Irwin et al. 2006 [92] International MA Insomnie 23/nicht ange- KVT-I und Einzel- SQ, SOL, TST, SE, Mittlere bis starke 1b 13 ≥55 J. vs. jüngere geben komponenten WASO Effekte auch bei älteren Patienten Patienten Belleville 2011 [75] International MA Insomnie mit/ 50/n = 2690 KVT-I Angstskalen Mäßige Effekte auf 1b–3b 16 et al. ohne Angst- Angst (ES = 0,46) Komorbidität Okajima 2011 [107] International MA Primäre Insom- 14/n = 927 KVT-I SOL, WASO, EMA, SE, a) Gute Effekte für 1b 12 et al. nie PSG, AKT KVT-I auf alle Parame- ter b) Gute Katamneseer- gebnisse Miller et al. 2015 [98] International MA Primäre Insom- 4/n = 192 Schlafrestriktion SOL, WASO, TST, SR allein ist effektiv! 1b 13 nie (SR) NOA, SE, SQ Koffel et al. 2015 [96] International MA Insomnie 8/n = 659 Gruppen-KVT-I SOL, WASO, SE, Gruppen-KVT-I ist 1b 14 SQ, TST, Schmerz, effektiv! Depression Trauer et al. 2015 [116] International MA Chronische 20/n = 1162 KVT-I SOL, WASO, TST, SE Klinisch bedeutsame 1b 15 Insomnie Effektstärken – kei- ne unerwünschten Nebenwirkungen
genauer klären, wie hoch die direkten AKT Aktographie, EMA Early Morning Awakening, MA Meta-Analyse, NOA Number of Awakenings, PSG Polysomnographie, PTBS Posttraumatische Belastungsstörung, SE Sleep Efficiency, SOL Sleep Onset Latency, und indirekten Kosten der Insomnie in 13 16 14 16 17 Evidenzgrad Q Deutschland sind. der Einzel- studien 3.7. Behandlung der Insomnie 1b 1b 1b 1b 1b 3.7.1. Kognitive Verhaltens- therapie gute Effekte auf komor- bessere Effekte für psy- gute Effekte auf Krebs- komorbide Outcomes; gute Effekte auf PTBS- chiatrische Outcomes zu 18 Monaten nach- geringere Effekte auf Zusammenfassend besteht die KVT-I Gute „Schlafeffekte“, Effekt auf Studien- Langzeiteffekte bis Gute Schlafeffekte, Gute Schlafeffekte, SQ, Fatigue, Schmerz Gute Schlafeffekte, bei Erwachsenen aus Entspannungsme- Gute Effektivität; bide Symptome thoden, Psychoedukation, Methoden der symptomatik endpunkte Symptome Schlaf-Wach-Strukturierung wie Stimu- weisbar luskontrolle und Schlafrestriktion sowie kognitiven Techniken zur Reduktion nächtlichen Grübelns und zur Verän- Studienendpunkte Remission, komorbi- SE, WASO, ISI, Krebs- SOL, WASO, SQ, TST, SOL, WASO, TST, SE, SOL, WASO, SE, TST, derung dysfunktionaler Überzeugungen PTBS-Symptome [110]. Das Gesamtkonzept der KVT-I de Outcomes ist in . Tab. 13 dargestellt. SQ Sleep Quality, TST Total Sleep Time, WASO Wake Time After Sleep Onset, KVT-I kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie, Q Quorom-Index: 0–17 symptome ISI, PSQI Im deutschsprachigen Raum stehen für die KVT-I bei Erwachsenen meh- Meta-Analysen (MA) zur Wirksamkeit kognitiv-verhaltenstherapeutischer Interventionen (KVT-I) bei Insomnien (Fortsetzung) rere Manuale zur Verfügung [81, 89, 105, 113]. Langzeitkatamnesen konn- Studienanzahl/ Intervention ten eine bis zu dreijährige Effektivität dieser Therapie nachweisen [74]. Ein KVT-I KVT-I KVT-I KVT-I KVT-I deutschsprachiger patientenorientierter Ratgeber wurde von Riemann [109] veröffentlicht. Ebenso empfehlenswert ist der gerade eben veröffentlichte Rat- 23/n = 1379 37/n = 2189 11/n = 1066 Anzahl Pat 11/n = 593 geber der Stiftung Warentest „Endlich 8/n = 752 schlafen“ [114]. In den nachfolgenden Abschnitten werden die einzelnen Bestandteile der Insomnie + PTBS Krebserkrankun- KVT-I näher erläutert. psychiatrisch) psychiatrisch) Studientyp Population Insomnie + Insomnie + (organisch/ (organisch/ Komorbide Komorbide Insomnie Insomnie Schmerz Psychoedukation – Aufklärung über Schlaf und Schlafstörungen. Im Rah- gen men der Behandlung von Insomnien wird die Psychoedukation als bedeutsam angesehen. Hierbei ist es von Nutzen, das Zwei-Prozess-Modell der Schlaf- MA MA MA MA MA regulation zu erklären [76, 77]. Dieses Modell postuliert, dass das Schlaf-Wach- International International International International International Verhalten sowohl von einem zirkadianen Prozess C als auch von einem homöo- Land statischen Prozess S abhängig ist. Das Modell kann sehr gut dazu dienen, Erwachsenen, die unter Schlaflosigkeit Referenz leiden, zu vermitteln, dass nach schlech- [118] [115] [86] [91] [95] ten Nächten auch wieder gute Nächte erwartet werden können. Das Modell kann zudem sehr gut erklären, warum 2015 2015 2015 2016 2015 Jahr verschiedene verhaltenstherapeutische Ansätze wie z. B. die Schlafrestriktion Brown et al. Tang et al. oder die Stimuluskontrolle effektiv sind. Wu et al. Johnson Ho et al. Tab. 17 Geiger- Autor Neben dieser Information zum The- et al. ma Schlafregulation hat sich eine Ver- 13
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