Berlin Wissenschaft 2015 - Eine Marke und ihre Vermarktung
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Ein Projekt von Partner für Berlin Gesellschaft für Hauptstadt-Marketing mbH Eine Marke und ihre Vermarktung Berlin Wissenschaft 2015 Teil 1 – Bestandsaufnahme Stärken und Schwächen des Wissenschaftsstandortes Berlin Interviews und Auswertung Dr. Pantelis Christian Poetis POWERGROUP GmbH Berlin, Februar 2005
Berlin Wissenschaft 2015 Eine Marke und ihre Vermarktung Teil 1 – Bestandsaufnahme Stärken und Schwächen des Wissenschaftsstandortes Berlin Ein Projekt von Partner für Berlin Gesellschaft für Hauptstadt-Marketing mbH Interviews und Auswertung Dr. Pantelis Christian Poetis POWERGROUP GmbH Berlin, Februar 2005
Inhaltsverzeichnis Vorwort 6 III.3. Einschätzungen des Standortes Berlin 34 III.3.1. Standortfaktoren Berlins 34 I. Projekt „Berlin Wissenschaft 2015“ – III.3.2. Stärken und Schwächen Berlins 35 Zielsetzung und Vorgehensweise 8 III.3.3. Chancen und Risiken Berlins 40 II. Aufbau der Studie 13 III.3.4. Persönliche Entscheidungsgründe der Befragten für einen Zuzug nach Berlin bzw. für das Verweilen in Berlin 41 III. Ergebnisse der Interviewreihe 14 IV. Zusammenfassung und erste Interpretationsansätze 43 III.1. Berlin als Standort von Wissenschaft und Wirtschaft im Zusammenspiel mit der Politik 14 IV.1. Der Standort Berlin – eine Stadt als Marke 43 III.1.1. Qualitätsfaktoren des Wissenschaftsstandortes Berlin 14 IV.2. Der Wissenschaftsstandort III.1.2. Rolle der Wissenschaft für einzelne Wirtschaftsbereiche 15 als Marke „Berlin Wissenschaft“ 49 III.1.3. Zielgruppenmodelle 16 Zielgruppenmodelle für die Wissenschaft 16 IV.3. Die Marke „Berlin Wissenschaft“ Zielgruppenmodelle für die Wirtschaft 18 im urbanen Umfeld – eine Potenzialanalyse 52 III.1.4. Dreieck Wissenschaft–Wirtschaft–Politik 20 IV.4. Ausblick – Handlungsempfehlung III.1.5. Wettbewerb 22 für die Marke „Berlin Wissenschaft“ 53 Wettbewerb des Wissenschaftsstandortes Berlin im nationalen Vergleich 22 Wettbewerb des Wissenschaftsstandortes Berlin im internationalen Vergleich 24 Wettbewerb des Wirtschaftsstandortes Berlin im nationalen Vergleich 27 Wettbewerb des Wirtschaftsstandortes Berlin im internationalen Vergleich 28 III.2. Erste Anregungen und konkrete Maßnahmenvorschläge 29 III.2.1. Erste Anregungen für Investitionen/Aktivitäten 29 Anregungen Wissenschaft 29 Anregungen Wirtschaft 31 III.2.2. Anregungen Mittelosteuropa 32 III.2.3. Konkrete Maßnahmen (Vorschläge) 33 Maßnahmen Wissenschaft 33 Maßnahmen Wirtschaft 33 4 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 5
Vorwort Berlin ist dynamisch, kreativ und weltoffen, aber auch bürokratisch, in Ein besonderer Aspekt dieses Anliegens wurde auch in den Gesprächen finanziellen Schwierigkeiten und noch nicht beweglich genug. Eine deutlich, die Partner für Berlin mit Unterstützung des Berlin-Partners Stadt, die sich in diesen Spannungsfeldern bewegt, ist gegenwärtig POWERGROUP zur Erstellung dieser Studie führte: Die Vermarktung wohl nicht nur in Europa einzigartig. Hinzu kommt die besondere des Wissenschaftsstandortes Berlin erfordert ein gemeinsames Enga- politische, geographische und geschichtliche Situation, die dieser gement. Die Berliner Wissenschaft ist nicht nur vom Zusammenspiel Stadt ein faszinierendes Erscheinungsbild gibt und eine Vielfalt von des Dreiecks Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, sondern vom Enga- Zukunftsperspektiven eröffnet. gement jeder und jedes Einzelnen abhängig, denn auch die Stärken jedes Einzelnen tragen dazu bei, das Potenzial des Wissenschafts- Partner für Berlin Gesellschaft für Hauptstadt-Marketing kommuni- standortes besser auszuschöpfen – zum eigenen Nutzen und zum ziert und fördert die Stärken und Zukunftschancen Berlins. Eine be- Nutzen Berlins. sonders hohe Bedeutung für den Standort haben Wissenschaft und Forschung. Im europäischen Vergleich konzentrieren sich in keiner anderen Region Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung in ei- ner solch großen Dichte und Vielfalt wie in Berlin und Brandenburg. Prof. Dr. Friedrich-Leopold von Stechow Berlin, im Februar 2005 Dieses Potenzial ist insbesondere für die wirtschaftliche Entwicklung Geschäftsführer, Partner für Berlin der Stadt wichtig. Deswegen bezieht Partner für Berlin den Bereich Gesellschaft für Hauptstadt-Marketing mbH Wissenschaftsmarketing systematisch in die Aktivitäten des Standort- marketings ein. Mit dem Projekt „Berlin Wissenschaft 2015“ hat Partner für Berlin es sich zur Aufgabe gemacht, die besondere Leistungsfähigkeit des Wissenschaftsstandortes Berlin zu kommunizieren und zu vermark- ten. Die hier vorliegende Studie stellt den ersten Teil des Projekts dar und untersucht die Stärken und Schwächen des Wissenschaftsstand- ortes, um in dann folgenden Schritten Konzepte und Maßnahmen zu entwickeln, die die Stärken weiter fördern und den Schwächen entgegenwirken. 6 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 7
I. Projekt „Berlin Wissenschaft 2015“ – Die Interviews fanden im Zeitraum von August bis Dezember 2004 Zielsetzung und Vorgehensweise in Berlin und Brandenburg statt. Zu den Befragten gehörten: Hintergrund der vorliegenden Studie ist die Entwicklung einer Ver- Dr. Torsten Bahke marktungsstrategie für den Wissenschaftsstandort Berlin, die dessen Direktor Zukunftsfähigkeit über die Aufdeckung und Definition von effizienten DIN Deutsches Institut für Normung Vermarktungswegen sicherstellt und Optionen der Zusammenarbeit Dr. Kai Uwe Bindseil zwischen den wissenschaftlichen Einrichtungen, relevanten öffent- Leiter lichen Bereichen und anderen Kooperationspartnern entwirft. BioTOP Berlin-Brandenburg Die Zielsetzung geht dabei über die Identifikation und Abbildung von Prof. Dr. Walter Birchmeier bloßen Einstellungen hinaus und bietet Implikationen und Empfeh- Wissenschaftlicher Vorstand lungen für den Wissenschaftsstandort Berlin im Sinne eines zielfüh- Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin renden Business Designs1. Dr. Ulrich Bleyer Als Grundlage dienen sowohl Sekundär- als auch Primärforschung2. Programmdirektor und Geschäftsführer Hierzu wurden etwa 40 Einzelinterviews mit Entscheidern aus Wis- Urania Berlin senschaft, Wirtschaft und Politik geführt, in einem anschließenden Prof. Dr. Klaus Brake Analyseverfahren ausgewertet und in Bezug auf die Zielsetzung Autor der BerlinStudie interpretiert. „Strategien für die Stadt“ Die Interviewreihe folgte dabei den Methoden der Befragung durch Prof. Dr. Hans-Jochen Brauns gezielten Einsatz von offenen und geschlossenen Fragestellungen. Geschäftsführer Diese Tiefeninterviews3 eröffnen in der Analyse sowohl quantitative Alpheios GmbH Ergebnisse als auch ergänzende und weiterführende qualitative Ergeb- Dr. Ulrich Buller nisse. Hinter den reinen Aussagen stehende so genannte emotionale Institutsleiter „Treiber“ und „Widerstände“ können somit aufgedeckt werden und Fraunhofer Institut für Angewandte Polymerforschung bieten eine fundierte Ergebnisebene, die der Strategieentwicklung zu Grunde gelegt werden kann. Thomas Dankwart Bereichsleiter für Wirtschaftsförderung 1 Business Design hier: Strategische Planung des Markenauftritts, um die Vermarktung Investitionsbank Berlin strukturell und inhaltlich gezielt und effizient über alle Kanäle hinweg zu steuern. Prof. Dr. Dr. Peter Deuflhard 2 Primärforschung: Gewinnung originärer Daten, die durch eigene Erhebung (Befragung und/ oder Beobachtung) gewonnen wurden. Präsident Sekundärforschung: Gewinnung von Informationen aus bereits vorhandenem Datenmaterial. Zuse-Institut Berlin Im Unterschied zur Primärforschung wird hier auf Daten zurückgegriffen, die selbst oder von Dritten zu ähnlichen oder anderen Zwecken erhoben wurden. Prof. Dr. Thomas Elsässer 3 Tiefeninterviews: Freie, explorative Art der Befragung. Als Grundlage dient ein thematischer Mitglied des Direktoriums Leitfaden, der auf standardisierte Vorgaben so weit wie möglich verzichtet. Die Reihenfolge Max-Born-Institut (MBI) für Nichtlineare Optik und und Gestaltung der Fragen sind flexibel und die Antwortmöglichkeiten der Gesprächspartner somit unbeschränkt. Vorteile dieser Methode sind eine hohe Inhaltsvalidität und ein tiefer Kurzzeitspektroskopie im Forschungsverbund Berlin Informationsgehalt durch differenzierte Beschreibung von individuellen Meinungen. 8 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 9
Dr. Falk Fabich Dr. Christian Kilger Geschäftsführer European Attorney und Geschäftsführer Forschungsverbund Berlin ipal GmbH Prof. Dr. Dieter Feddersen Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Kocka Vorstandsmitglied Präsident Dräger-Stiftung Wissenschaftszentrum Berlin Dr. Annette Fugmann-Heesing Prof. Dr. Rolf Kreibich Vorsitzende des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung Wissenschaftlicher Direktor und Geschäftsführer Abgeordnetenhaus Berlin IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung Prof. Dr. Detlev Ganten Klaus Kubbetat Vorstandsvorsitzender Mitglied des Regionalvorstandes Charité – Universitätsmedizin Berlin Commerzbank AG Dr. Manfred Gentz Prof. Dr. Kurt Kutzler Vorstandsmitglied* Präsident DaimlerChrysler AG Technische Universität Berlin Prof. Dr. Dieter Grimm Prof. Dr. Dieter Lenzen Rektor Präsident Wissenschaftskolleg zu Berlin Freie Universität Berlin Dr. Olaf J. Groth Prof. Dr. Hanns-Jürgen Lichtfuß Executive Director Strategic Analysis & Integration Hauptamtlicher Vorstand* Boeing International Corporation TSB Technologiestiftung Innovationszentrum Berlin Prof. Dr. Herwig E. Haase Prof. Dr. Jürgen Mlynek Rektor Präsident ESCP-EAP Europäische Wirtschaftshochschule Berlin Humboldt-Universität zu Berlin Thomas Haberkamm Prof. Dr. Susan Neiman Leiter Konzernbüro Berlin Direktorin ALTANA AG Einstein Forum Dr. Marion Haß Prof. Dr. Wulff Plinke Leiterin Bereich Innovation,Technologie, Wissenschaft Dekan IHK Berlin ESMT – European School of Management & Technology Dr. Hans-Gerhard Husung Hardy R. Schmitz Staatssekretär für Wissenschaft Geschäftsführer Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur WISTA-Management * zum Zeitpunkt des Interviews * zum Zeitpunkt des Interviews 10 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 11
Wolfgang H. Steinicke II. Aufbau der Studie Geschäftsführer Forschungs- und Anwendungsverbund Verkehrssystemtechnik (FAV) Berlin Der hier vorliegende erste Teil der Studie präsentiert die Ergebnisse der Gesprächsreihe in quantitativer und qualitativer Auswertung. Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Stock Vorstandsmitglied Abschnitt III.1. gibt dabei die Einstellungen und Einschätzungen der Schering AG Befragten zum Standort Berlin in Bezug auf das Zusammenspiel von Volkmar Strauch Wissenschaft, Wirtschaft und Politik und seine Einflussgrößen und Staatssekretär für Wirtschaft Reaktionsmöglichkeiten wieder. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen Abschnitt III.2. fasst Anregungen und zukunftbezogene Überlegungen Dr. Reinhard Uppenkamp der Befragten zusammen. Vorstandsvorsitzender Berlin-Chemie AG Abschnitt III.3. spiegelt allgemeine Einschätzungen zum Standort Sven Weickert Berlin und zu seinen Stärken und Schwächen bzw. Chancen und Bereichsleiter Hochschulpolitik Risiken wider, um die spezifische Zielsetzung mit grundsätzlichen Vereinigung der Unternehmensverbände Einstellungen zum Standort und Einschätzung der Möglichkeiten in Berlin und Brandenburg (UVB) der Standortentwicklung abzufragen. Unter Punkt IV. wird eine Zusammenfassung geboten, die die Aussagen sammelt und Grundlage für erste interpretatorische Ansätze ist. 12 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 13
III. Ergebnisse der Interviewreihe von Dichte und Vielfalt der Berliner Wissenschaft scheinen noch nicht vollständig genutzt. Die Wissenschaft schätzt zudem ihre Unabhängigkeit als qualitativen Wert hoch ein, was von einem An- III.1. Berlin als Standort von Wissenschaft und Wirtschaft im spruch auf Autonomie von wirtschaftlichen Auftraggebern und staat- Zusammenspiel mit der Politik licher Einflussnahme zeugt. III.1.1. Qualitätsfaktoren des Wissenschaftsstandortes Berlin III.1.2. Rolle der Wissenschaft für einzelne Wirtschaftsbereiche Zunächst wurde nach Qualitätsfaktoren gefragt, die den Wissen- Die Relevanz der Wissenschaft Berlins für die ansässige Wirtschaft wird schaftsstandort Berlin im Besonderen auszeichnen. Innerhalb der als hoch bewertet und teilt sich hauptsächlich auf drei Branchen auf. Nennungen wird dabei dem Faktor der Dichte mit 89,2 % eine heraus- ragende Rolle zugewiesen. Dieser steht dabei in direktem Zusammen- Für welche Wirtschaftsbereiche spielt die Wissenschaft in Berlin eine große Rolle? hang mit dem Faktor der Vielfältigkeit (67,6 %). Die Unabhängigkeit 100 % der wissenschaftlichen Institutionen ist für 59,5 % der Befragten von 90 % hoher Bedeutung für die wissenschaftliche Qualität des Standortes. 80 % Dem Faktor der Vernetzung messen 54,1 % einen charakteristischen 70 % Wert für die Qualität der Wissenschaften zu. 60 % 67,6% 50 % 54,1 % Qualitätsfaktoren des Wissenschaftsstandortes Berlin 40 % 100 % 30 % 32,5 % 90 % 20 % 89,2 % 80 % 10 % 70 % 0% BioTech-Branche Pharma-Industrie Medizin-Sektor 60 % 67,6 % 59,5 % 50 % 54,1 % 40 % 30 % Eine besonders hohe Relevanz der Wissenschaft wird für die BioTech- 20 % Branche gesehen (67,6 %), gefolgt von der Pharma-Industrie (54,1 %) 10 % und dem medizinischen Sektor (32,5 %). Eine reale bzw. erwünschte 0% oder geplante Fokussierung der Wissenschaften auf den Bereich der Dichte Vielfältigkeit Unabhängigkeit Vernetzung sogenannten Life Sciences wird offenbar und bestätigt sich in den Aussagen. Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Wissenschaft Berlins in der Selbsteinschätzung qualitativ vor allem von der urbanen Dichte und der Vielfalt der Institutionen profitiert. Die geringere Nennung des Faktors Vernetzung spricht hingegen von einer noch ausbaufähigen Zusammenarbeit der Institutionen untereinander bzw. mit anderen Systemen (z. B. Wirtschaft oder Politik). Die synergetischen Optionen 14 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 15
Prof. Dr. Detlev Ganten: Für die Wissenschaft Berlins kann ein Zielgruppenmodell entworfen Vorstandsvorsitzender, Charité – Universitätsmedizin Berlin werden, das von einer starken Selbstbezogenheit und somit Ge- schlossenheit geprägt ist. Die Ausbildung und Rekrutierung von „Die modernen Lebenswissenschaften, die Erforschung der Ursachen von eigenen Nachwuchskräften erscheint den Befragten als Zentrum der Gesundheit und Krankheit, erlauben den Menschen,‚am eigenen Leib’ zu eigenen Aktivität. Auch andere Wissenschaftler werden vorwiegend erfahren, was Fortschritt bedeutet. Sie sind daher ein Leitbild für die hu- als Adressaten gesehen, die das System der Wissenschaften im Ziel- mane Wissensgesellschaft.Berlin und die Charité als ein wissenschaftliches gruppenmodell geschlossen halten. Die Politik erscheint innerhalb Zentrum des Europa der Neuzeit – ein Gedanke, der mir gut gefällt.“ der Befragung noch vor der Wirtschaft als Adressat bzw. potenzieller Auftraggeber der Wissenschaft. Jedoch spiegelt die ansässige Wirtschaft diese Relevanz in den Aus- sagen nicht wider.Die positive Einschätzung der Wissenschaft scheint Prof. Dr. Hans-Jochen Brauns: eher auf einer ökonomischen Daseinsberechtigung bzw. einer zu- Geschäftsführer, Alpheios GmbH künftigen Soll-Ausrichtung zu basieren als auf bereits existierenden Synergieeffekten. „Berlin muss weg von der Ansicht, dass Hochschulen staatliche Ver- anstaltungen sind. Meine Wunschvorstellung wäre es, dass aus den Hochschulen privatrechtliche Stiftungen werden, mit kaufmännischem III.1.3. Zielgruppenmodelle Handeln, Profilbildung und Konkurrenzdenken.“ Zielgruppenmodelle für die Wissenschaft Die Ergebnisse machen deutlich, wie wenig die Wissenschaft tatsäch- lich ihre in Punkt 1.2. vorgebrachte Relevanz für die Wirtschaft nutzt. Auf die Frage nach relevanten Zielgruppen für die Wissenschaft Die Wissenschaft Berlins erfüllt vielmehr einen Selbstzweck, der stark Berlins nannten 70,3 % der Befragten Nachwuchskräfte. 59,5 % emp- ausbildend ausgerichtet ist, statt auf eine Verknüpfung zu anderen fanden andere Wissenschaftler als Hauptzielgruppe ihrer Arbeiten, gesellschaftlichen Systemen (beispielsweise der Wirtschaft) zu bauen den Staat bzw. die Politik sahen 51,4 %. Lediglich 40,6 % gaben an, (ebenfalls bestätigt durch die schwache Nennung der Vernetzung als relevante Zielgruppe die Wirtschaft zu sehen. unter Punkt 1.1.). Der Berliner Wissenschaft fehlt somit der Netzwerk- gedanke nach außen. Zielgruppen für die Wissenschaft in Berlin 100 % 90 % Volkmar Strauch: 80 % Staatssekretär für Wirtschaft, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen 70 % 70,3 % 60 % 59,5 % „Noch zu häufig ist die Selbstgenügsamkeit der Wissenschaft einer der 50 % 40 % 51,4 % Hauptanlässe für die mangelhafte Vernetzung mit der Wirtschaft. Es 30 % 40,6 % finden noch immer zu wenige Gespräche statt, wenn, dann zu oft mit 20 % ideologischem Ballast, die nicht zielführend sein können. Es gilt eine 10 % ‚Konzernstrategie’ für den Konzern ‚Wissenschaft/Wirtschaft Berlin’ zu 0% erarbeiten.“ Nachwuchskräfte Andere Politik/Staat Wirtschaft Wissenschaftler 16 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 17
Eine Öffnung des Systems nach außen, bei gleichzeitiger Professio- Die Nähe zu potenziellen Kunden (B2B/B2C)4 spielt für die Wirtschaft nalisierung wird dabei sowohl inhaltlich wie institutionell gefordert, am Standort Berlin nur eine untergeordnete Rolle (21,7 %). um die Zukunftsfähigkeit der Wissenschaft Berlins zu erhöhen. Die mangelnde Relevanz der Wissenschaft für die Wirtschaft Berlins spiegelt sich in den Antworten auf diese Fragestellung wider. Die di- Thomas Haberkamm: rekte Nennung der Wissenschaft als Zielgruppe für die Wirtschaft in Leiter Konzernbüro Berlin, ALTANA AG Berlin wurde kaum gegeben. Die Strahlkraft des Wissenschaftsstandortes Berlin übt bislang auf die „Berlin verfügt über attraktive Hochschulen und wissenschaftliche Wirtschaft keine besonders ausgeprägte Anziehungskraft aus. Ko- Einrichtungen. Beim ‚Kampf um die besten Köpfe’ braucht es aber mehr: operationen entstehen eher auf persönlicher Ebene und sind somit weitgehende Autonomie für die Hochschulen, ein klares Profil und eher sympathiegetrieben und individuell zufällig als institutionell, internationale Strahlkraft." strategisch gesteuert. Zielgruppen für die Wirtschaft in Berlin Die Forderung nach Autonomie für die wissenschaftlichen Einrichtun- 100 % gen erhöht die Leistungskraft durch eine Steigerung des Wettbewerbs. 90 % 80 % 70 % Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Kocka: 70,3 % 60 % Präsident, Wissenschaftszentrum Berlin 50 % 40 % „Das Wissenschaftssystem in Berlin muss seine Leistungsfähigkeit er- 40,6 % 30 % heblich erhöhen; durch Modernisierung, Deregulierung und durch die 20 % Schaffung von mehr Wettbewerbselementen,insbesondere bei der Lehre. 21,7 % 10 % Es muss die Leistungskraft erhöht werden, ohne den Aufbau neuer 0% Barrieren wie zum Beispiel der Skepsis bei der Beurteilung der Chancen Politik/Staat Nachwuchskräfte Potenzielle Kunden im Bereich der Gentechnologie.“ (B2 B/B2 C) Zielgruppenmodelle für die Wirtschaft Die Wirtschaft Berlins betrachtet die Wissenschaft nicht als Zielgruppe ihrer Aktivitäten und sieht die bestehende Dichte,Vielfalt,Vernetzung und Unabhängigkeit des wissenschaftlichen Standortes für sich nur in Ausnahmefällen als relevant an. Kooperationen basieren meist auf persönlichen Kontakten. Die Standortwahl richtet sich vielmehr nach der Nähe der Wirtschaft zu den verschiedenen Zielgruppen aus Politik und Staat (70,3 %), was auf Lobbyismus schließen lässt, und einer Nähe zu möglichen Nachwuchskräften (40,6 %). 4 B2B und B2C sind gebräuchliche Abkürzungen des Marketings, welche die Marktausrichtung von Unternehmen beschreiben. B2B (Business to Business) beschreibt den unternehmerischen Fokus auf Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmen als Zulieferer etc., während B2C (Business to Consumer) für den unternehmerischen Fokus auf den Endverbrauchermarkt steht. 18 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 19
III.1.4. Beziehungsdreieck Wissenschaft–Wirtschaft–Politik Zusammenspiel des Beziehungsdreiecks Wissenschaft–Wirtschaft– Politik in Berlin: Die Verbindung aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft ist idealer- weise von einem symbiotischen Verhältnis geprägt, wie es das unten aufgeführte Dreieck zeigt. Politik Ideales Zusammenspiel des Beziehungsdreiecks Wissenschaft– Wirtschaft–Politik: nur in Ausnahmen gegeben, Einzel- kooperationen Politik Wissen- Wirtschaft schaft Kommunikation und Kooperation in ständigem Fluss Viele der Befragten vertreten die Ansicht, dass Wissenschaft, Wirt- Wissen- Wirtschaft schaft und Politik in Berlin gegenwärtig noch nicht zusammen- schaft gewachsen sind. Einzelne Faktoren der Stärke stehen für sich und können somit keine synergetischen Effekte erzielen. Dr. Manfred Gentz: Das Beziehungsdreieck Wissenschaft–Wirtschaft–Politik ist in Berlin Vorstandsmitglied*, DaimlerChrysler AG dysfunktional. Die Wissenschaft sieht zwar eine Relevanz für die Wirt- schaft, nutzt diese jedoch – von Einzelfällen abgesehen – nicht aktiv. „Berlin muss versuchen, bei innovativen Neuentwicklungen in der Zu- Die Wissenschaft stützt sich zwar auf die Politik, genauso wie es die sammenarbeit mit der Wirtschaft durch eine zielgerichtete Koordination Wirtschaft tut, doch kommt kein synergetisches Verhältnis im Sinne und Konzentration der Kräfte stärker zu werden. Nur so kann auch eine des oben gezeigten Dreiecks auf. dringend erforderliche Qualitätssteigerung in Forschung und Lehre sowie zügige Umsetzung in wirtschaftlich innovative Produkte erzielt werden. In Berlin kommen alle Probleme, die es in Deutschland gibt, an die Klaus Kubbetat: Oberfläche und werden hier sichtbar.“ Mitglied des Regionalvorstandes, Commerzbank AG „Berlin ist wie ein Cappuccino: Obenauf ist viel Schaum, der sich jedoch nicht mit der Kaffee-Melange verbunden hat.So auch Berlin: Die Politiker, Diplomatie,Verbände,und die Hinzugezogenen sind noch lange nicht mit der Wissenschaft und den Berlinern selbst verbunden.“ * zum Zeitpunkt des Interviews 20 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 21
Die Wissenschaft ist vor Ort, wird jedoch nicht – nach Ansicht der Wettbewerb Wissenschaftsstandort (national) Befragten – genügend durch die Politik gestärkt, um mehr Wirtschaft 100 % anzuziehen. Die strategisch sensible Vermarktung der Wissenschaft 90 % sollte im Vordergrund stehen, um einen Anfang zur Vernetzung 80 % zu bieten. 81,1 % 70 % 60 % 50 % Dr. Reinhard Uppenkamp 40 % 43,3 % Vorstandsvorsitzender, Berlin-Chemie AG 30 % 29,8 % 20 % „Berlin hat nur eine Chance, wenn über innovatives Denken und in 10 % einem schmerzhaften Prozess neue Denkmodule erarbeitet werden, 0% die zukunftsfähig sind. Strategische Markenbildung und ganzheitliche München Heidelberg Freiburg Vermarktungsstrategien werden für den Erfolg entscheidend sein.“ Prof. Dr. Klaus Brake: Aus der Analyse resultiert, dass die genannten Konkurrenzstandorte Autor der BerlinStudie „Strategien für die Stadt“ mehr als Benchmark5 denn als direkte Wettbewerber angesehen wer- den. Berlin kann im Gegensatz zu den genannten konkurrierenden „Bislang hieß es: Arbeit für mehr Menschen, aber wie? Wo bleibt hier der Wissenschaftsstandorten nur wenig enge Kooperationen mit der Aspekt ‚Wissen’? Jetzt muss es heißen: aus Wissen Arbeit machen.“ Wirtschaft aufweisen und sieht die Verknüpfung zur Wirtschaft nicht zwingend als qualitativen Wert an (Wahrung der Unabhängigkeit). Die Zukunftsfähigkeit des wissenschaftlichen Standortes innerhalb III.1.5. Wettbewerb des Wettbewerbs, hängt dabei jedoch entscheidend von der Strategie der Vernetzung ab. Berlin steht national wie international im Wettbewerb sowohl mit anderen Wissenschafts- als auch zu anderen Wirtschaftsstandorten. Prof. Dr. Kurt Kutzler: Präsident, Technische Universität Berlin Wettbewerb des Wissenschaftsstandortes Berlin „Berlins Wissenschaften sollen den Glanz erlangen, den sie vor der im nationalen Vergleich NS-Zeit ausstrahlten.Berlin hat damals auf vielen Feldern den Fortschritt bestimmt. Die Zukunft der Stadt liegt im Dienstleistungssektor, auf dem Im nationalen Vergleich der Wissenschaftsstandorte werden von den Felde der Hochtechnologien und in allen Bereichen der Wissenschaften. Befragten als Hauptkonkurrenz zu Berlin München (81,1 %), gefolgt Berlin wird seine Stärken steigern, wenn es die Technologieentwicklung von Heidelberg (43,3 %) und Freiburg (29,8 %) angegeben. Alle ge- forciert und die Ansiedlung entsprechender Unternehmen fördert. nannten Standorte werden dabei vor allem mit der herausragenden Die TU Berlin ist jetzt schon Motor dieser notwendigen wirtschaftlichen Qualität im Bereich Life Science in Verbindung gebracht und zeugen Entwicklung.“ damit von einem fokussierten Wettbewerb. 5 Als Benchmark bezeichnet man in diesem Zusammenhang den Wert, den man als Maßstab für Leistungsvergleiche ansetzt. Er gibt dabei das strategische Ziel im Idealzustand des Wettbewerbs an. 22 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 23
Wettbewerb des Wissenschaftsstandortes Berlin Cambridge, Oxford und Zürich sowie die außereuropäischen Wissen- im internationalen Vergleich schaftsstandorte Harvard, MIT und Yale sind eher als Benchmarks für die Berliner Wissenschaft anzusehen denn als direkte Konkurrenten. Die von den Befragten genannten internationalen Wissenschafts- Eine hiervon losgelöste Idee, welche die Einzigartigkeit des Stand- standorte,die mit Berlin im Wettbewerb stehen,zeugen ebenfalls eher ortes in den Vordergrund rückt, wird eher selten genannt. von einem angenommenen Wettbewerb als von einem tatsächlichen. Wettbewerb Wissenschaftsstandort (international, europäisch) Dr. Ulrich Bleyer: Programmdirektor und Geschäftsführer, Urania Berlin 100 % 90 % 80 % „Ich wünsche mir, dass man sich nachhaltig zu Berlin bekennt. Berlin 70 % muss eigene Wege gehen und eigene, einmalige Projekte durchführen.“ 60 % 62,2 % 50 % 51,4 % Das Wissen um inhaltliche Stärken der genannten Konkurrenten ist 40 % dabei nur rudimentär und stark von Annahmen geprägt anstatt von 30 % 29,8 % realen Erfahrungen. 20 % 10 % 0% Cambridge Oxford Zürich Prof. Dr. Susan Neiman Direktorin, Einstein Forum „Harvard hat ernste Probleme mit seinem Elfenbeinturm-Dasein. In Wettbewerb Wissenschaftsstandort (international, außereuropäisch)) Berlin sind das Denken und das intellektuelle Dasein nicht vom Leben 100 % abgeschottet. In Harvard dagegen bleibt es zu oft bei der reinen Wissen- 90 % schaft, ohne rechte Vermischung zwischen Politik, Kultur und Diplomatie, 80 % auf Distanz zu dem, was in der Welt passiert… Berlin wird immer besser. 70 % 73,0 % Ich bin eine begeisterte Berlinerin.“ 60 % 50 % 56,8 % Berlins wissenschaftliche Rolle im nationalen bzw. internationalen 40 % 40,6 % Vergleich wird innerhalb der Befragung nicht wirklichkeitsbezogen 30 % wiedergegeben. Die scheinbare Konkurrenz kann allenfalls als langfris- 20 % tiges ideales Konkurrenzumfeld gelten. Nationale wie internationale 10 % Rankings bestätigen Berlin einen Platz im Mittelfeld des wissen- 0% Harvard MIT Yale schaftlichen Wettbewerbs, die direkten Konkurrenten finden jedoch in der Befragung keine Nennung. 24 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 25
Es ist anzunehmen, dass die Nennungen besonders im internatio- Wettbewerb des Wirtschaftsstandortes Berlin nalen Wettbewerb lediglich auf ihrem hohen Bekanntheitsgrad be- im nationalen Vergleich ruhen und die Nichtnennung der tatsächlichen Konkurrenz aus einer Vermischung von weichen und harten Standortfaktoren6 bei den Im nationalen Vergleich der Wirtschaftsstandorte wähnen sich die Befragten resultiert. Berlin wird dabei kaum in Konkurrenz zu tatsäch- Befragten in Konkurrenz zu München, Hamburg, Frankfurt am Main lichen Wettbewerbern, oftmals kleinstädtischen Universitätsstand- und Köln. Das macht deutlich, dass nicht Wirtschaftsräume (beispiels- orten, gesehen, sondern – wenn überhaupt – nur mit den großen und weise Rhein/Main) als Konkurrenten gesehen werden, sondern bekannten Standorten in Konkurrenz gesetzt. der Wettbewerb sich lediglich auf urbane Kontexte von Großstädten bezieht. Der Wissenschaftsstandort Berlin wird durch die weichen Faktoren der Metropole, die zunächst in keinem direkten Zusammenhang zur Wettbewerb Wirtschaftsstandort (national) Wissenschaft stehen, aufgewertet. Der Standort profitiert somit im 100 % Selbstbild eindeutig vom vorhandenen starken Metropolen-Charakter 90 % 89,2 % Berlins. Diesen Vorteil inhaltlich ein- und umzusetzen sowie die Viel- 80 % falt und Konzentration synergetisch zu nutzen bleibt jedoch derzeit 70 % noch aus, obgleich der nationale wie internationale Druck des Wett- 60 % 62,2 % bewerbs stetig zunimmt. 50 % 54,1 % 40 % 43,3 % 30 % Prof. Dr. Herwig E. Haase: 20 % Rektor, ESCP-EAP Europäische Wirtschaftshochschule Berlin 10 % 0% München Hamburg Frankfurt Köln „Egal, was der Wissenschaftsstandort Berlin tut, er sollte es schnell tun, denn die Zeit läuft uns – angesichts des starken internationalen Wettbe- werbs – bereits davon.“ Zu unterscheiden sind dabei prinzipielle Konkurrenten wie Hamburg und München, aber auch speziellere Wettbewerber wie Köln, die inner- halb einer Branche konkurrieren (in diesem Fall die Medienbranche). 6 Der Standortfaktor ist eine an den Standort gebundene oder auf einen Ort bezogene Einflussgröße auf relevante Systeme und ihre Entscheidungsfindung zur Standortwahl. Ein Standortfaktor beschreibt die Brauchbarkeit und somit Attraktivität eines Standortes für Neuansiedlungen. Standortfaktoren sind dabei die Gesamtheit der Faktoren, welche die Wahl des Standortes beeinflussen. Es wird zwischen harten und weichen Standortfak- toren unterschieden. Harte Standortfaktoren (z. B. Steuern, Subventionen, Infrastruktur etc.) können direkt in eine Standort-Bilanz mit einbezogen werden. Weiche Standortfaktoren (z. B. Kulturangebote, Freizeitwert etc.) können nicht direkt in die Kostenrechnung poten- zieller Ansiedler einbezogen werden, treten aber bei der emotional geprägten Standortwahl in den Vordergrund. 26 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 27
Wettbewerb des Wirtschaftsstandortes Berlin III.2. Erste Anregungen und konkrete Maßnahmenvorschläge im internationalen Vergleich Im internationalen Vergleich sehen die Befragten Berlin besonders III.2.1. Erste Anregungen für Investitionen und Aktivitäten in Konkurrenz zu London und Paris, was den Metropolen-Anspruch Berlins deutlich macht. Auch Brüssel und Amsterdam werden als Konkurrenten betrachtet. Die Nennung Brüssels resultiert vor allem Anregungen Wissenschaft aus der Nähe zur EU-Politik, die als Standortvorteil zur Beeinflussung politischer Entscheidungen gesehen wird. Außerhalb der EU sehen Vorschläge für Investitionen betrafen in den Aussagen der Befragten die Befragten vor allem Shanghai als Konkurrenz. Die Analyse weist stets das eigene Umfeld. Übergeordnete Aktivitäten für Berlin, die ein auf, dass diese Aussagen eher auf einem Gefühl beruhen denn auf gemeinsames strategisches Ziel verfolgen, fanden zunächst keine Tatsachen. Der drohende Verlust der wirtschaftlichen Vorreiterrolle Nennung. Dies macht die mangelnde Vernetzung und den fehlenden des Westens gegenüber dem aufstrebenden China findet so seine kooperativen Geist der Berliner Wissenschaftsstruktur deutlich. Ausprägung in Form der Nennung des speziellen Standorts Shanghai. Innerhalb der Interviewreihe konnte ein Gedanke herausgearbeitet werden, der sich auf eine engere Kooperationsmöglichkeit von Wis- Grundsätzlich lässt sich aus den Aussagen herausarbeiten, dass Berlin senschaft und Politik bezog. Innerhalb dieser Zusammenarbeit sehen vor allem eine europäische Strahlkraft zugetraut wird, die sich an das die Befragten eine Möglichkeit, die Wirtschaft verstärkt für Berlin zu historische Bild des Vorkriegseuropas anschließt und Berlin gegen- gewinnen, wobei hier nicht ein interdisziplinärer und ganzheitlicher, wärtig und zukünftig gleichauf mit London und Paris sehen möchte. sondern stark individueller Handlungsbedarf gesehen wird. Eine disziplinenübergreifende Wissenschaftsinitiative scheint bislang Wettbewerb Wirtschaftsstandort (International) nicht vorstellbar. 100 % 90 % 80 % Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Stock: 70 % 73,0 % Vorstandsmitglied, Schering AG 70,3 % 60 % 50 % „Berlin benötigt einen Masterplan, da es gegenwärtig keine strategische 48,7 % 40 % Ressourcen-Allokation gibt. Jeder macht, was seinem Kiez oder seiner 30 % Klientel gefällt. Es gibt weder eine symbolische noch praktische noch 29,8 % 20 % 24,4 % intellektuelle Hinwendung zum Thema Wissenschaft in Berlin.“ 10 % 0% London Paris Brüssel Amsterdam Shanghai Der Ruf nach einer stärker fokussierten Wissenschaftspolitik wird dabei lauter, die die Wissenschaft als ernst zu nehmenden Standortvorteil sieht und ihr die Freiheiten für eine ganzheitliche Vermarktbarkeit und somit erfolgreiche Zukunftsfähigkeit einräumt. 28 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 29
Dr. Marion Haß: Anregungen Wirtschaft Leiterin Bereich Innovation, Technologie, Wissenschaft, IHK Berlin Als Vorschlag zum Ausbau der wirtschaftlichen Standortvorteile „Die Bedeutung der Wissenschaft als Standortfaktor im Wettbewerb wurde vor allem der Ausbau eines der Berliner Flughäfen genannt. der Regionen wird immer stärker. Sie hat zwar europaweit noch nicht Die lediglich regionale Relevanz der Flughäfen wurde als besonders den Stellenwert erlangt, der ihr eigentlich zusteht, doch bewegt sie sich negativ bewertet und enormer Handlungsbedarf proklamiert. Eine in die richtige Richtung. Um hier noch mehr Schubkraft zu entwickeln, Hauptstadt benötigt einen Hauptstadtflughafen mit internationaler müssen Technologie-Cluster definiert und entsprechend vermarktet Relevanz. werden.“ Dr. Torsten Bahke: Berlins Wissenschaft braucht eine gemeinsame Vision, als Leitbild, Direktor, DIN Deutsches Institut für Normung das sowohl den Standort voranbringt und international etablieren kann als auch die einzelnen Institutionen stärkt und zu neuem Glanz „DIN ist eine deutsche Plattform, die für Europa und sogar für die Welt verhilft. den Normenprozess organisiert.Und dies alles von Berlin aus,einer Stadt, in welche alle unsere Kooperationspartner gerne kommen, wenn da nicht die Flughafensituation wäre.Eine Weltstadt mit einem Provinzflughafen, Prof. Dr. Dieter Lenzen: man kommt hier einfach nicht weg.“ Präsident, Freie Universität Berlin „Berlin braucht Vision statt Nostalgie. Europäische Kultur und Spitzen- Zudem äußerten die Befragten starken Bedarf bezüglich der wissenschaft im globalen Maßstab werden hier sein. Die besten Absol- Wirtschaftsförderung Berlins und des Umgangs mit potenziellen venten, Forschung auf Weltniveau und Clusters of Excellence: Medizin Investoren von Seiten der Politik. Dabei werden von 86,5 % der und Biowissenschaften in Dahlem, Erd- und Weltraumerkundungen Befragten schnellere Reaktionsfähigkeit gefordert und von 81,1 % auf dem GeoCampus Lankwitz, Kulturgeschichte in Dahlem, Politik-, eine Zunahme an politischer Unterstützung erwartet. Staats-, Film- und Medienwissenschaften an der FU. Dahlem, was es war: Oxford Deutschlands. Zurück in die Zukunft!“ Anregungen bezüglich Aktivitäten für Wissenschaft und Wirtschaft 100 % 90 % 80 % 86,5 % 81,1 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0% Schnelle Reaktion und Handlung Mehr politische Unterstützung (Zeitknappheit) in allen Bereichen 30 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 31
III.2.2. Anregungen Mittelosteuropa III.2.3. Konkrete Maßnahmen (Vorschläge) Als ausschlaggebender Impuls zur Wahrung der Zukunftsfähigkeit Maßnahmen Wissenschaft wurde in erster Linie die Ost-West-Kompetenz des Standortes als Brü- ckenkopf und Mittler zwischen West- und Osteuropa hervorgehoben. • Finanzhilfen zum weiteren Ausbau der wissenschaftlichen Welche Sachverständigkeit tatsächlich dahinter steht, konnte in der Institutionen, um als Impuls für die Neuansiedlung von Regel nicht wiedergegeben werden. Berlin als national wie interna- Wirtschaftsunternehmen zu dienen (Tandem von Wissen- tional relevantes Kompetenzzentrum solle dabei jedoch zukünftig schaft und Politik) den Markteintritt für Unternehmen in Osteuropa erleichtern bzw. für osteuropäische Unternehmen Hilfestellungen für den westeuro- päischen Markteintritt bieten. In welcher Weise dieses erfolgen solle, Maßnahmen Wirtschaft blieb offen. • Ausbau der Ost-West-Kompetenz Berlins Für Berlin wird innerhalb dieser Kompetenz ein Szenario entworfen, • Ausbau eines Flughafens zum Hauptstadtflughafen das mehr als diffus beschrieben werden kann. Es wird ein Bild des mit internationaler Bedeutung Brückenkopfs entworfen, das nur teilweise und lediglich von be- stimmten Einzel-Institutionen mit Inhalten oder konkreten Aufgaben • Stärkere Motivation und Engagement der Politik gefüllt worden ist. in Bezug auf Wirtschaftsförderung Thomas Dankwart: Quintessenz: Die Maßnahmen und Aktivitäten der einzelnen Berliner Bereichsleiter für Wirtschaftsförderung, Investitionsbank Berlin Institute, Verbände und Einrichtungen bleiben bisher vorwiegend im Verborgenen. Die Befragten können die Leistungen der jeweils „Berlin hat seine Mega-Chance als Tor zu Osteuropa. Aber um die sich anderen Institutionen nicht einschätzen oder verfügen nur über bietende Chance effektiv zu nutzen, bedarf es einer Berlin-Strategie, rudimentäres Wissen über deren Erfolge. Die bereits zuvor beschrie- die jeder Berliner verstehen kann. Wir müssen uns von der nachhal- bene mangelnde Vernetzung wird dabei erneut bestätigt. In der tigen Defizit-Kommunikation endgültig verabschieden. Es bedarf Analyse wurde deutlich,dass die Selbstbezogenheit der Institutionen des Schulterschlusses durch alle Gesellschaftsschichten, bis hin zum unter anderem durch eine stärkere kommunikative Offenheit auf- Corporate Citizenship.“ gebrochen werden kann. Erfolgreiche Aktivitäten, vor allem von einzelnen Institutionen, soll- ten kommuniziert werden, um eine verstärkte Außenwirkung zu generieren. 32 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 33
III.3. Einschätzungen des Standortes Berlin Standortfaktoren Berlins 100 % 90 % Neben den spezifischen Aussagen zur Wissenschaft in Berlin und zu 80 % 81,1 ihrem Verhältnis zu Politik und Wirtschaft wurden Einstellungen zu 70 % % 73,0 70,3 60 % % 67,6 allgemeinen Standortfaktoren Berlins besprochen. % % 62,2 50 % % 51,4 40 % % 46,0 % III.3.1. Standortfaktoren Berlins 30 % 20 % 10 % Als primärer Standortfaktor gilt für 81,1 % der Befragten die Nähe zu 0% so er ro ge at ert te - ich en La ten bo - os n s ge gs ng ch politischen Entscheidungen, die für ein starkes System des Lobby- re all Eu La rt pa ) n en ) t r/N tw sk b e an nun ge Os ge ur du is Be t in in ale tu ei ng Le ei lit sti m oh ul iz ch po ün zu r ltu ge l (K re nt ismus steht. Die zentrale geographische Lage der Stadt (73 %) und ihr fa sW ts t/ rF sg t el ha ri Ze hr tad En stad ed Vi te he Ni ke ts Gu Ho hoher Freizeitwert (70,3 %) folgen in den Nennungen danach. t er p up (v Hau Ha Die Fokussierung auf das politische System ist signifikant und zeugt von der gesuchten Nähe der Wissenschaft und Wirtschaft zur Politik, die die Befragten bereits bei anderen Fragestellungen nannten. III.3.2. Stärken und Schwächen Berlins Berlin erscheint als ein Magnet, der seine Anziehung einerseits durch die geographischen und kulturellen Werte, andererseits durch die Option der Einflussnahme auf die politische Entscheidungsfindung Zu den Stärken Berlins zählt vor allem die urbane Vitalität als inspi- ausübt. rierende Kraft. 97,3 % der Befragten nannten die Dynamik und das pulsierende Leben der Großstadt als Hauptcharakteristikum und Klassische Standortfaktoren wie infrastrukturelle Bedingungen, Netz- prägendes Merkmal. Die Stadt besitzt zudem überragende Anzie- werke etc. werden nicht sofort genannt. Nicht der funktionale Kern hungskraft aufgrund des internationalen Flairs (86,5 %). des Standortes erscheint den Befragten entscheidend, sondern das Stärken Berlins (Attribut-Zuordnung) Umfeld, das Berlin indirekt bietet. 100 % 90 % 97,3 97,3 % % 94,6 91,9 % 80 % % 86,5 86,5 86,5 % % % 81,1 78,4 70 % % % 60 % 59,5 50 % % 56,8 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0% h d tiv nd l ch l nd t nt os na el er isc en ra nl hn tis ea ne er rti io er m le ze rd ne kr at sc ve an to lsi na en sfo rn ag tro sp pu dy gr te m u ex in ra he 34 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 35
Dr. Hans-Gerhard Husung: Prof. Dr. Jürgen Mlynek: Staatssekretär für Wissenschaft, Senatsverwaltung für Wissenschaft, Präsident, Humboldt-Universität zu Berlin Forschung und Kultur „In Berlin existieren Prachtboulevards neben Trash und Hightech-Archi- „Ob ein Schwabe Berlin attraktiv findet, kann ich schlecht einschätzen! tektur neben Platten. Berlin ist nahbar, direkt, manchmal verletzend, Mit Sicherheit kommt ein Amerikaner oder ein Chinese gern! Daher sehe immer neugierig. Diese Stadt stellt jeden, der hier lebt, laufend in Frage, ich großes Vermarktungspotenzial im Ausland. Wir müssen in unserer die ständige Herausforderung ist anregend. In meiner Utopie für Berlin Kommunikation – z. B. bei Image-Kampagnen etc. – stärker das Ausland wird dieses anstrengende Prinzip in den Bereichen Wissenschaft, Kultur, fokussieren, denn die ausländischen Wissenschaftler und Unternehmen Politik und Medien gelebt, und zwar ohne alte Scheren im Kopf. Wenn haben ein echtes Interesse an Berlin und kommen gern. Hier gilt es den Europa nicht in Berlin zusammenwächst, dann nirgendwo. Ungewöhn- Hebel anzusetzen.“ liche Projekte und quirlige Ideen müssen hier umgesetzt werden. Berlin ist Idee, Berlin wird Tat.“ Prof. Dr. Wulff Plinke: Dekan, ESMT – European School of Management & Technology Bei den harten Faktoren werden als Stärken vor allem die Intellektua- lität der Stadt genannt, die ein Reizklima schafft und geistige Kräfte zu „Berlin ist Magnetismus, Berlin ist Elektrizität, gekennzeichnet von einer bündeln vermag. Die Dichte des städtischen Umfeldes und somit die positiven Unruhe, welche die Menschen nach Berlin lockt und sie zu Konzentration sind für 83,8 % der Befragten eine besondere Stärke Höchstleistungen animiert.“ des Standortes, die Kompetenz als Mittler zwischen Ost und West für 81,1 %. Die tiefe und bewegende Vergangenheit der Stadt sehen 78,4 % als entscheidenden Vorteil, der die Stadt einzigartig werden lässt. Auch die weiteren Nennungen zeugen von großstädtischem Leben, das als besondere Stärke Berlins erkannt wird. Der hieraus resultie- Stärken Berlins (Faktoren) renden Kreativität wird eine besondere Relevanz für junge Menschen 100 % bescheinigt – sie gilt als besonders attraktiv für die Medien-, Werbe- 90 % 94,6 und Modebranche (75,7 %, 59,5 % bzw. 54,1 %). 80 % % 86,5 83,8 % 81,1 % 78,4 70 % % % Relevanz der emotionalen Standortfaktoren für 60 % die verschiedenen Wirtschaftsbranchen 100 % 50 % 90 % 40 % 30 % 37,9 80 % % 70 % 75,7 % 20 % 60 % 10 % 59,5 % 0% 50 % 54,1 % lim es äf e te te t- nh te/ ur Kr uell pe es ch kt izk ell 40 % a te nz ge ch t Kurzscreening n=100 ei m -W ru Di Re ktu kt an hi 40,6 % st Ko Ost lle rg sc lle fra te Ve Ge 30 % te In In In 20 % 19,0 % 10 % 0% Medien Werbung Mode Einzelhandel Luft- & Raumfahrt 36 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 37
Prof. Dr. Dieter Feddersen: Auch harte Standortfaktoren sprechen, für sich genommen, gegen Vorstandsmitglied, Dräger-Stiftung den Standort Berlin. Die Haushaltslage werten 97,3 % der Befragten als eindeutige Standortschwäche. 94,6 % empfinden die starre Büro- „Berlin hat erhebliche Chancen, wenn es sich auf seine intellektuellen kratie als schwächend, die dabei keine Planungssicherheit zu bieten Kräfte aus Wissenschaft und Kunst besinnt. Wenn diese Kräfte dann vermag (94,6%). Fehlende Durchsetzungskraft bemängeln 86,5 %. Die noch in praktischen Forschungsprojekten umgesetzt werden – bei gleich- schlechte ökonomische Situation Berlins und in der Folge die hohe zeitigem Abbau der Bürokratie –, dann ist Berlin nicht mehr aufzuhalten.“ Arbeitslosigkeit werten 73 % als negativ. Wie als „Handlungsbedarf“ bereits erwähnt, klagen 62,2 % über eine schlechte infrastrukturelle Anbindung der Stadt in Bezug auf den internationalen Luftverkehr. Die negativen Nennungen innerhalb der Frage nach den Schwächen Berlins stammen hauptsächlich aus dem Großstadtkontext und zeu- Schwächen Berlins (Faktoren) gen von der Veränderlichkeit und der Fremdheit urbaner Kontexte,für 100 % die Berlin paradigmatisch zu stehen scheint. 90 % 97,3 94,6 94,6 % % % 80 % 86,5 Schwächen Berlins (Attribut-Zuordnung) % 70 % 73,0 70,3 60 % % % 64,9 100 % 62,2 % 50 % % 90 % 94,6 % 40 % 80 % 86,5 % 81,1 % 81,1 % 30 % 70 % 67,6 % 20 % 60 % 10 % 50 % 0% 40 % tla lts- ie rh s- r“ ät g un e st ig gh r (k hte ld in pl ni he he ng at du n af ein ge t ze g rie no sha bi ke its We In We Flu tu lec 30 % ei kr ac sic anu ) us te/ en ro tl. uk ch M u Bü Ha Pl fsa h e„ in str S ru lec 20 % e in be in Be ch Ke Ke Ar S fra 10 % In 0% durcheinander chaotisch schmutzig verantwor- kaputt tungslos 38 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 39
III.3.3. Chancen und Risiken Berlins III.3.4. Persönliche Entscheidungsgründe der Befragten für einen Zu- zug nach Berlin bzw. für das Verweilen in Berlin Berlin gilt als Großstadt mit allen Vor- und Nachteilen. Innerhalb der Standortpolitik vermag der Raum jedoch vorwiegend weiche Faktoren Für die Befragten ist vor allem der hohe Freizeitwert Berlins entschei- auszuspielen, die sich auf die vielfältigen Freizeitmöglichkeiten, die dend für die Standortwahl (94,6 %) – damit rückt die Stadt in die Nähe kulturellen Angebote und die Dynamik des Großstadtlebens stützen. von München (96 %) und hat Hamburg (93 %) knapp hinter sich gelassen; beides Städte, die traditionell stark mit Freizeitwerten verbunden werden. Dr. Annette Fugmann-Heesing: Vorsitzende des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung, Entscheidungsgründe für die persönliche Standortwahl Abgeordnetenhaus Berlin 100 % 90 % 94,6 96,0 93,0 „Berlin muss sich anders vermarkten. Es ist eine Stadt, die viele Pfunde % % % 89,0 90,0 88,0 80 % 86,5 % % 82,0 % hat, mit denen sie bis dato nicht genügend wuchert. Berlin ist reich, 70 % % 79,0 % 73,0 % reich an Möglichkeiten und Entwicklungschancen, reich durch seine 60 % 64,0 67,6 % % Vielfalt, reich an Wissenschaft und Kultur. Berlin bietet den Menschen, 50 % % die hier leben und die als Besucher kommen, mehr als andere Städte. 40 % Wir müssen erkennen, welches Potenzial diese Stadt hat, und das kom- 30 % munizieren.“ 20 % 10 % 0% Umfeld/die Stadt/ Nähe zur Familie, inhaltlich und/oder finanziell Als Chance ist in der urbanen Strahlkraft vor allen Dingen der kreative Freizeitmöglichkeiten Freunden etc.* reizvolles Jobangebot Impuls zu sehen, der nach wie vor – speziell für kreative Branchen – Berlin Frankfurt München Hamburg eine große Ausstrahlung ausübt. Eine weitere Nutzbarmachung die- ser Charakteristika als Chance bleibt offen. Hierin liegt das größte *Grund in erster Linie für ein Verweilen in der jeweiligen Stadt genannt Risiko für den Standort, der dann durch seine ungenutzte Dynamik nur für die Schattenseite des großstädtischen Lebens stehen würde. Prof. Dr. Dieter Grimm: Rektor, Wissenschaftskolleg zu Berlin Dr. Falk Fabich: Geschäftsführer, Forschungsverbund Berlin „Nach der Wiedervereinigung ist Berlin sehr attraktiv geworden, poli- tisch, kulturell, intellektuell. Das zeigt sich auch daran, dass viele unserer „In der produktiven Umsetzung von Risiken liegen die Chancen: Sie sind ausländischen Fellows, die für ein Jahr hier zu Gast sind, am liebsten Quelle und Grundlage zugleich für die konstruktive Entwicklung der Stadt.“ gleich in Berlin bleiben würden.“ Berlin besitzt den Aussagen nach eine hohe urbane Strahlkraft, die sich vor allem in der persönlichen Entscheidungsfindung der Stand- ortwahl niederschlägt. 40 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 41
Im Gegensatz zu anderen deutschen Standorten kommt hier den IV. Zusammenfassung und erste Interpretationsansätze emotionalen oder weichen Faktoren eine herausragende Rolle zu. Berlin gilt nicht als beruflich besonders lukrativer Standort, so dass nur für 67,6 % der Befragten ein inhaltlich oder finanziell reizvolles Die vorliegende Studie bietet neben der Auswertung der Einzel- Angebot die Standortwahl entschied.Funktionale oder ökonomische gespräche und den daraus folgenden Ergebnissen eine erste Attraktivität steht eher für klassische Wirtschaftsstandorte wie Frank- Interpretation, die Handlungsempfehlungen und weiterführende furt, Hamburg und München. Maßnahmen, als strategischen Ansatz für neue Vermarktungswege des Standortes Berlin, aufzeigt.7 Im Folgenden werden die Ergebnisse der Studie resümiert und markentechnisch interpretiert sowie Implikationen vorgestellt, die prozessuale Handlungsempfehlungen beinhalten. IV.1. Der Standort Berlin – eine Stadt als Marke Der Standort Berlin verfügt schon heute über hohes markentechni- sches Kapital, das sich direkt wirtschaftlich nutzbringend einsetzen ließe. Die Stadt als Marke betrachtet, bietet somit interessantes Ver- marktungspotenzial.8 7 Eine erste Maßnahme, die aus dem Projekt „Berlin Wissenschaft 2015“ entstand, ist „BERLIN – Das Magazin aus der Hauptstadt“. Das Magazin stellt eine Kommunikationsplattform für zukunftsorientierte Themen aus Berlin dar. Die erste Ausgabe widmete sich der Wissenschaft in Berlin und war im Dezember 2004 in einer Auflagenhöhe von 1,2 Millionen Exemplaren den bundesweiten Zeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung, Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung und dem Tagesspiegel beigelegt. Das Magazin erscheint vierteljährlich. Die kommende Ausgabe widmet sich dem Thema Kreativität und Design in Berlin. 8 Die ausführliche markentechnische Interpretation der Marken „Berlin“ und „Berlin Wissen- schaft“ sowie weitere konkrete markentechnische Handlungsempfehlungen erfolgen im zweiten Teil der Studie, deren Ergebnisse in Kürze vorgestellt werden. 42 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 43
Berlin – eine Stadt in stetem Umbruch Berlin – ein faszinierendes Kaleidoskop Der Standort Berlin zeigt sich innerhalb Europas als impulsgebende Berlin erscheint für die Außenwelt als ein faszinierend buntes und und dynamische Metropole mit internationalem Flair, die innerhalb vielseitiges sowie vielschichtiges Kaleidoskop, das einen starken Reiz der weichen Standortfaktoren im Wettbewerb mit Standorten wie ausübt und Neugierde weckt. Der Besucher kann jedoch das Bild London und Paris konkurrieren kann. Ihren emotionalen Reiz zieht kaum greifen; die Kleinteiligkeit der Verschiedenheit erscheint zu die Stadt aus verschiedenen Bereichen, die charakteristisch für stark, als dass sich ein erkennbares Ganzes zusammensetzen ließe. Strukturen europäischer Metropolen sind und die ein attraktives Die Heterogenität Berlins ist eine einzigartige Stärke in Deutschland Spannungsfeld aufbauen. Für Berlin ist im Besonderen die Spannung und ein Vorteil im internationalen Wettbewerb, doch wird die Ver- zwischen der subkulturellen Avantgarde und der Klassik stark image- schiedenartigkeit zum Nachteil, wenn es darum geht, ein konsequentes prägend und identitätsstiftend. Das Nebeneinander der Zeiten Bild zu definieren. vieler metropolitaner Bereiche schafft eine einzigartige Erfahr- barkeit des Wandels. Die nur scheinbare Orientierungslosigkeit Berlins wird oftmals mit den Schattenseiten einer Metropole verbunden. Die Befragten äußerten So steht Berlin bei den Befragten für Wandel und Zeitgeist. Das Um- vielfach, dass „Chaos“ schon immer charakteristisch für Berlin sei – die feld schafft Inspiration und Kreativität, die nicht zuletzt als Motor für leicht entstehende und empfundene Kehrseite von Veränderlichkeit Innovationen gewertet werden können. Welche Branchen diese Kraft und Dynamik. Zudem wird innerhalb der Erhebung eine allgemeine nutzen, erscheint dabei zu diesem Zeitpunkt unerheblich, denn die mangelnde Durchsetzungskraft als Schwäche Berlins erkannt. Die daraus resultierende Geisteshaltung kann in Vermarktungskonzepten Veränderungen erscheinen häufig als ungesteuert, da das „große Ziel“ generell übertragen werden. Berlin steht markentechnisch primär vielen unklar bleibt. Dabei entsteht ein diffuses Bild, das für den für die prägenden Faktoren Veränderlichkeit, Kreativität, Inspiration Moment faszinierend ist, jedoch keine konkreten Vorstellungen her- und Innovationsgeist. vorruft. Die Offenheit, die diese Werte ausstrahlen, schafft in Berlin ein Die Verbesserung der konsequenten und strategisch fokussier- Klima der Weite. Weltoffener als andere Städte Europas – und ten Kommunikationspolitik, die zu vermittelnde Inhalte festlegt vor allem als andere deutsche Städte – strahlt der Standort und konsequent ein wiedererkennbares relevantes Bild der Toleranz, Modernität und Internationalität aus. Der Faktor Metropole in der nationalen wie internationalen Öffentlichkeit Internationalität wird zudem in funktionalem Sinne durch den aufbaut, erscheint dabei notwendig. Die stringente und nachvoll- Regierungssitz, die diplomatischen Vertretungen und durch ziehbare Markenbildung und die Schaffung und Kommunikation internationale Kulturinstitutionen gestützt. der Marke Berlin ist deshalb ein notwendiger markentechnischer Prozess, der die bestehenden Stärken Berlins für die Standort- politik nutzbar werden lässt und gezielte Lösungen für die Vermarktung offen legt. 44 PARTNER FÜR BERLIN POWERGROUP 45
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