Differenzierte antithrombotische Therapie bei Patienten mit niedrigem und hohem PTCA-Risiko - Prof. Dr. Sigmund Silber
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© Urban & Vogel 1996 S. Silber, R. Dörr München Differenzierte antithrombotische Therapie bei Patienten mit niedrigem und hohem PTCA-Risiko Zusammenfassung Akuter Gefäßverschluß und Restenose limitieren immer Heparinisierung) geprüft und führte zu einer eindeutigen noch die interventionelle Kardiologie. Beide Ereignisse Reduktion des akuten Gefäßverschlusses. Ticlopidin ist ver- scheinen eng an eine Thrombusentstehung gekoppelt zu sein. gleichbar wirksam wie ASS, sollte aber wegen seiner nicht Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, den aktuellen klinischen unerheblichen unerwünschten Wirkungen als „Routinemedi- Stellenwert konventioneller und neuerer antithrombotischer kation“ nur bei Kontraindikationen für ASS gegeben wer- Substanzen im Rahmen der PTCA (mit Ausnahme der den. Mit Ausnahme einer einzigen Studie fand sich für ASS Stents) zusammenzufassen. Antikoagulanzien: Placebokon- keine Wirkung auf die Restenose. Für die Thromboxanrezep- trollierte Studien zum Nachweis der antithrombotischen torenantagonisten Ridogrel und Clopidogrel ergaben Heparinwirkung bei PTCA wurden aus ethischen Gründen sich ermutigende erste Ergebnisse. Trapidil senkte in zwei nicht durchgeführt. Meist wird eine Standarddosis von 10000 Studien die Restenoserate, allerdings ohne quantitative Ste- E verabreicht, ein Zusammenhang zwischen Heparindosis nosenanalyse. Die Hemmung des thrombozytären Glykopro- und Komplikationsrate ist aber nicht belegt. Eine routi- tein-(GP-)IIb/IIIa-Rezeptors stellt ein innovatives therapeu- nemäßige prolongierte Heparininfusion bei Patienten mit tisches Konzept dar: Zahlreiche prospektive, randomisierte niedrigem PTCA-Risiko und primär gutem PTCA-Ergebnis Studien belegten eine signifikante Reduktion kardialer isch- bietet keinen Vorteil. Zur Restenoseverhinderung ist eine ämischer Ereignisse und indirekt auch der Restenose. Hier- prolongierte Heparingabe genauso unwirksam wie Marcu- bei scheint der rekombinante monoklonale Antikörper mar. Zur Beurteilung des Stellenwerts von niedermolekula- (c7E3 Fab) wirksamer zu sein als das synthetisch hergestellte rem Heparin bei PTCA müssen die Ergebnisse der zur Zeit Integrelin. Leider geht diese Wirksamkeit aber mit der laufenden randomisierten Studien abgewartet werden. Unter Gefahr einer relevanten Blutung parallel. Der klinische Stel- Hirudin bzw. Hirulog wurden weniger akute Gefäßkomplika- lenwert oraler GP-IIb/IIIa-Inhibitoren ist noch nicht geprüft. tionen beobachtet als unter Heparin, allerdings ist die thera- Für Patienten mit deutlich erhöhtem PTCA-Risiko, welches peutische Breite eingeschränkt. Antiaggregation: ASS wurde sich heute individuell gut charakterisieren läßt, bleibt abzu- in prospektiven, randomisierten Studien hinsichtlich der wägen, ob statt Heparin Hirudin und eventuell zusätzlich Reduktion von Akutkomplikationen (unter gleichzeitiger GP-IIb/IIIa-Inhibitoren verabreicht werden. Summary: Strategies of Antithrombotic Therapy in Patients with Low-Risk and High-Risk PTCA Acute coronary occlusion as well as restenosis still represent idin is as effective as ASA, but due to its side effects should the major limitations of coronary interventions. Either event only be administered when contraindications to ASA exist. seems to be related to thrombus formation. The purpose of ASA significantly reduced restenosis in only 1 of 4 studies this overview is to summarize the current status of the useful- with limited number of patients. Thromboxane inhibitors ness of conventional and newer antithrombotic drugs regard- such as ridogrel or clopidogrel showed promising initial ing the prevention of acute occlusion and restenosis (exclud- results. Trapidil significantly reduced restenosis in 2 studies; ing stents). Anticoagulation: For ethical reasons, no quantitative stenosis analysis, however, was not performed. placebo-controlled studies were conducted to prove the use- Inhibition of platelets by glycoprotein (GP) IIb/IIIa receptor fulness of heparin in preventing acute occlusions. The dosage antagonists represents an innovative therapeutic concept: mostly used is 10,000 U, although a relationship between dos- numerous controlled trials have documented a significant age and complication rate has not been documented. A pro- reduction in cardiac ischemic events and therefore indirectly longed heparin infusion in patients with low risk and uncom- in restenosis rates. The recombinant monoclonal antibody plicated PTCA has no advantages. Restenosis is not c7E3 Fab seems to be more effective than the synthetic integ- influenced by prolonged infusion of heparin or administra- relin. Unfortunately, efficacy appears to be in direct relation- tion of coumadin as well. Low molecular weight heparin is ship to the risk of bleeding complications. The clinical role of currently under investigation. Hirudin and hirulog have oral GP IIb/IIIa inhibitors has yet to be established. For shown promising results with less acute occlusions; however, patients with high risk PTCA, the use of hirudin instead of their therapeutic range must be considered. Antiaggregation: heparin as well as the addition of GP IIb/IIIa inhibitors In controlled studies, ASA significantly reduced acute occlu- should be considered. sions during PTCA when given in addition to heparin. Ticlop- 44 Herz 21 (1996), 44 –59 (Nr. 1)
Silber, Dörr: Antithrombotische Therapie und PTCA-Risiko eit der ersten Veröffentlichung von Grüntzig [79] okkludierendes Dissekat, einen Vasospasmus oder S 1978 hat sich die PTCA weltweit etabliert. In Deutschland werden zur Zeit jährlich etwa 90000 durch Embolisierung von Gewebspartikeln bzw. Luft ausgelöst werden. Bei der Rotablation kommt noch die Koronarinterventionen durchgeführt [75]. Möglichkeit von Mikrokavitationen hinzu. Diese Fak- toren können sich auch gegenseitig verstärken. Ob- Bei gesichertem therapeutischen Stellenwert der Koro- wohl Thromben angiographisch nur selten nach PTCA narinterventionen sind sowohl die klassische Ballon- zu sehen sind, werden sie anhand der sensitiveren An- dehnung (PTCA) als auch die alternativen Verfahren gioskopie häufiger beobachtet [35, 197]. Offensichtlich (Atherektomie, Rotablation, Laser) einerseits durch kommt beim PTCA-induzierten Akutverschluß dem den akuten Gefäßverschluß, andererseits durch das Plättchenthrombus eine besondere Bedeutung zu [55]. Auftreten einer Restenose limitiert [130]. Obwohl In Tabelle 1 sind die in zahlreichen Studien identifizier- Akutverschluß und Restenose äußerst komplexen Vor- ten Risikofaktoren für einen interventionsbedingten gängen unterliegen, scheint der Thrombusentstehung akuten Koronararterienverschluß aufgeführt. Trotz- hierbei eine wichtige Rolle zuzukommen [110]. Da zu dem ist die Vorhersage eines akuten Gefäßverschlusses erwarten ist, daß die Weiterentwicklung antithrombo- im Einzelfall nicht sicher möglich [158, 171]. tischer Substanzen hierauf Einfluß nimmt, ist es Ziel der vorliegenden Übersichtsarbeit, den aktuellen klini- Alternative und adjuvante Maßnahmen zur Senkung schen Stellenwert konventioneller und neuerer anti- des Risikos eines akuten Gefäßverschlusses bei Koro- thrombotischer Substanzen im Rahmen der PTCA narintervention: Die große Hoffnung, durch den Ein- (mit Ausnahme der Stents) zusammenzufassen. satz alternativer interventioneller Verfahren die Rate der Akutverschlüsse deutlich zu senken, hat sich nicht Grundlagen erfüllt [37]. Auch die Abtragung des Plaques mittels PTCA: eine iatrogene Gefäßverletzung Atherektomie (DCA) ist durch eine Akutverschlußra- te von 4,4% limitiert [147]. Während die Laserangio- Die erfolgreiche Ballondehnung eines Koronarplaques plastie im Vergleich zur Ballondehnung eine ähnliche führt zu einer mehr oder weniger tiefen Verletzung der Akutkomplikationsrate aufwies, fanden sich für die Gefäßwand mit Plaqueruptur, Verletzung der Lamina Rotablation bessere Ergebnisse [202]. elastica interna bzw. externa, Dissektion der Intima und/oder Media, Gefäßdehnung, Vasospasmus, Blu- Risikofaktoren Referenzen tung und Thrombose. Diese einzelnen Komponenten treten in unterschiedlichen Anteilen auf und beeinflus- A: Koronarstenose sen sich gegenseitig [70, 110]. – Typ B2/C, insbesondere: [39, 54, 90, 152,178, 187] – Biegung >45° [12, 53, 90] – Bifurkation [187] Der akute Gefäßverschluß: Obwohl der während einer – lang + diffus [33, 40, 187] Koronarintervention ausgelöste akute Gefäßverschluß – Kalk [12, 20, 65, 161] durch verlängerte Dehnungszeiten (Perfusionsballon) – Rechte Kranzarterie [187] und vor allem durch den Einsatz von Stents viel von – Weicher Atheromkern [60] seinem Schrecken verloren hat [37, 168], führt er zu – Thromben, Füllungsdefekte [12, 34, 48, 121, 134, 153, medizinischen und ethischen Konsequenzen: Früh- 187, 199] – Dissekat [49] und Spätmortalität steigen beachtlich [40, 50, 116, 188] – Zu großer Ballon [155] und belasten den Arzt, der diese Komplikation aus- – >50% Restenose [49] gelöst hat. Die Häufigkeit des akuten Gefäßverschlus- B: Klinische Situation ses bei PTCA wird mit 1,8% bis 11% bzw. 3% bis 8% – Frauen [49, 78] angegeben [22, 37, 39, 40]. In etwa 75% aller Fälle tritt – Instabile Angina pectoris [38, 116] der akute Gefäßverschluß innerhalb weniger Minuten – Akuter Herzinfarkt, Thrombolyse [141, 194] im Herzkatheterlabor auf, die restlichen 25% ereignen – Frühe Postinfarktangina [55] sich innerhalb von 24 Stunden nach der Intervention – Inadäquate Antiaggregation [8, 158] [116]. Tabelle 1. Risikofaktoren für den akuten Gefäßverschluß bei Koro- narintervention. Ein während Koronarinterventionen auftretender aku- Table 1. Risk factors for acute vessel occlusion during or shortly after ter Gefäßverschluß kann durch einen Thrombus, ein coronary interventions. Herz 21 (1996), 44 – 59 (Nr. 1) 45
Silber, Dörr: Antithrombotische Therapie und PTCA-Risiko Zur Senkung des Risikos eines akuten Gefäßverschlus- A: Alle Risikofaktoren für einen akuten Gefäßverschluß ses wurden bei der Ballondehnung zahlreiche Modifi- (siehe Tabelle 1) kationen vorgeschlagen: Die „progressive Dilatation“ B: Weitere Faktoren verwendet steigende Ballongrößen [7] oder längere – Hauptstammbeteiligung Insufflationszeiten von drei Minuten Dauer bei niedri- – Mehrgefäßerkrankung geren Drücken [35]. Änderungen der Insufflationsge- – Proximale Stenose schwindigkeit führten dagegen nicht zu einer Redukti- – Letzte offene Koronararterie – Zu dilatierendes Gefäß liefert Kollateralen on der Akutverschlußrate [14]. Dem verwendeten – Kontralaterale Akinesie Ballonmaterial scheint eine gewisse Bedeutung zuzu- – Deutlich reduzierte Auswurffraktion kommen [152]. Für ionische Kontrastmittel wird eine – Herzinsuffizienz im Vergleich zu nichtionischen Kontrastmitteln gerin- – Niereninsuffizienz gere Thrombogenität bei PTCA postuliert [156]. Die – Diabetes mellitus empfohlene „prophylaktische“ intrakoronare Lyse zur – Geringe Fallzahlen Senkung der Komplikationsrate bei komplexen Steno- Tabelle 2. Risikofaktoren für eine erhöhte Morbidität bzw. Morta- sen ist allerdings durch den potentiellen prothromboti- lität bei Koronarinterventionen. schen Lyseeffekt limitiert [77, 141, 194]. Table 2. Risk factors for increased morbidity and mortality related to coronary interventions. Das PTCA-Risiko: Das Risiko, eine relevante Kompli- kation durch die Intervention zu erleiden, ergibt sich A: Antikoagulation bei PTCA nicht nur aus den Risikofaktoren für den akuten Ge- – Indirekte Thrombininhibitoren: fäßverschluß (Tabelle 1), sondern auch aus einer Reihe – Standardheparin zusätzlicher Parameter (Tabelle 2) [48, 86, 94, 110, 116, – Niedermolekulares Heparin – Direkte Thrombininhibitoren: 122, 142, 158, 179, 212]). Inwieweit das hohe Alter al- – Hirudin (biologisch, rekombinant) lein ein erhöhtes Risiko für die PTCA darstellt, ist um- – Hirulog stritten [118]. Die Frühmortalität der PTCA liegt in – Argatroban, Effgatran, Inogatran den randomisierten Studien zwischen 0% und 1,7% – Cumarinderivate, Marcumar und ist mit der einer Bypass-Operation vergleichbar, B: Antiaggregation bei PTCA wenn der Tod auf der Warteliste unberücksichtigt – Zyklooxygenasehemmer bleibt [130, 174]. – Acetylsalicylsäure (ASS) – Thromboxanrezeptorantagonisten Bei PTCA klinisch getestete antithrombotische Substan- – Ridogrel – Solutroban zen: Obwohl die antithrombotischen Substanzen übli- – Clopidogrel cherweise in Antikoagulanzien und Thrombozytenin- – Trapidil hibitoren eingeteilt werden (Tabelle 3), gibt es eine – ADP-Rezeptor-Antagonisten Vielzahl von klinisch relevanten Wechselwirkungen – Ticlopidin [180]. – Prostazykline – Epoprostenol – Ciprostene Antikoagulanzien – Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptoren-Blocker – c7E3 Fab (abciximab) DasStandardheparin, ein heterogenes Gemisch aus Mu- – Integrelin kopolysacchariden (Molekulargewicht zwischen 3000 und 30000), ist der klassische Vertreter der Antithrom- Tabelle 3. Antithrombotische Substanzen, die klinisch bei PTCA ge- testet wurden. bine. Heparin ist ein indirekter Thrombinihibitor, weil es die Wirkung des „endogenen Antikoagulans“ Anti- Table 3. Antithrombotic drugs clinically tested in PTCA. thrombin III (AT III) beschleunigt. Trotz des unum- strittenen klinischen Stellenwerts repräsentiert Hepa- kann [154, 207]. Somit verbleibt noch eine relativ hohe rin nicht das optimale Antithrombin, da es die prokoagulatorische Wirkung des Residualthrombus. Verfügbarkeit von AT III voraussetzt und – neben einer Reihe von pharmakokinetischen und pharmakodyna- Niedermolekulares Heparin, durch Fraktionierung aus mischen Limitationen – vor allem nicht auf das bereits Standardheparin gewonnen, ist ebenfalls ein Gemisch in einem Thrombus gebundene Thrombin zugreifen aus Mukopolysacchariden, allerdings bei einem Mole- 46 Herz 21 (1996), 44 –59 (Nr. 1)
Silber, Dörr: Antithrombotische Therapie und PTCA-Risiko kulargewicht zwischen 1000 und 10000 [44]. Von den Trapidil, ein Triazolopyrimidinderivat (Rocornal®) zahlreichen pharmakokinetischen Vorteilen gegen- hemmt die Thrombozytenfunktion sowohl über das über dem Standardheparin sticht unter klinischen Ge- Thromboxan A2 [126] als auch über das Thromboxan sichtspunkten vor allem die längere Halbwertzeit mit B2 [193]. Bedeutsam ist die zusätzliche Hemmung des der Möglichkeit der einmal täglichen Verabreichung PDGF (platelet-derived growth factor) [27]. hervor [154]. Selten – aber gefürchtet – ist die hepa- rinassoziierte Thrombozytopenie (HAT): Sie tritt häu- Ticlopidin (Tiklyd®) hemmt den ADP-Rezeptor; eine figer bei unfraktioniertem als bei niedermolekularem gewisse direkte Beeinflussung der Thrombozytenbin- Heparin auf, Kreuzreaktionen sind aber möglich [164, dung von Fibrinogen scheint ebenfalls beteiligt [26, 205]. Eine Beeinträchtigung der PTCA durch die HAT 146, 192]. Die antiaggregatorische Wirkung beginnt et- ist in Einzelfällen beschrieben [80]. Bei bekannter wa zwei Tage nach oraler Einnahme und erreicht nach HAT kann statt Heparin das fibrinsenkende Ancrod ungefähr fünf Tagen ihr volles Ausmaß. Limitiert ist zur PTCA verwendet werden [132]. Ticlopidin durch das Auftreten von Durchfällen (20%), Hautausschlägen (12%) und schwerwiegenden Neu- Hirudin, ursprünglich biologisch gewonnen (Hirudo tropenien (
Silber, Dörr: Antithrombotische Therapie und PTCA-Risiko Abbildung 1.Vereinfachte Darstellung der Gefäßverletzung bei PTCA zentralen Rolle des „Thrombintriggers“ bei der Entstehung des Plättchen- und Fibrin- thrombus als Folge der Gefäßverletzung bei Heparin PTCA. Angriffsorte der bei PTCA wichtig- Hirudin sten Substanzen zur Blutgerinnungshem- mung (Ovale). Figure 1. Schematic representation of the Thrombin „thrombin trigger“ and its central role for generating platelet thrombus or fibrin ASS Ticlopidin thrombus resulting from vessel injury during PTCA. Inhibition of thrombus formation by PTCA-relevant drugs (ovals). Aktivierung von TXA2 ADP-Rezeptor Fibrinogenrezeptor Thrombozytenaggregation Fibrinogen Fibrin monokl. AK Plättchenthrombus Fibrinthrombus Thrombus Heparinwirkung abschwächen [83, 145]. Diskutiert tienten zur PTCA, ist in der Regel dennoch eine hohe wird eine Veränderung des AT-III-Moleküls und/oder Initialdosis erforderlich [16]. eine beschleunigte Elimination des Heparins [11, 18]. Möglicherweise ist diesbezüglich ISDN günstiger als Placebokontrollierte Studien zum Nachweis der anti- Nitroglycerin [19]. thrombotischen Heparinwirkung bei PTCA wurden aus ethischen Gründen nicht durchgeführt. Allerdings gibt es zur Frage der optimalen Heparindosierung bzw. Antithrombotische Sustanzen und akuter Gefäßver- Infusionsdauer einige Daten: Während tierexperimen- schluß bei PTCA tell eine nahezu lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung 1. Antikoagulation und akuter Gefäßverschluß (bis 250 E/kg) besteht [87, 88], schwanken beim Men- bei PTCA schen die laborchemischen Parameter (PTT bzw. ACT) selbst bei üblichen Heparindosen erheblich [136, 137]. Heparin wurde schon immer bei PTCA verabreicht, Die klinische Relevanz dieser Streubreite ist unklar. um a priori thrombotischen Komplikationen vorzubeu- Ein Zusammenhang zwischen Heparindosis und Kom- gen. Meist werden etwa 10000 Einheiten unmittelbar plikationsrate ist nicht belegt und kann daher nur ver- vor der PTCA injiziert, zusätzlich etwa 5000 Einheiten mutet werden [42, 68, 124]. Placebokontrollierte, ran- pro Stunde Interventionsdauer [55, 72, 124]. Einerseits domisierte klinische Studien belegen, daß eine finden einige diese Dosierung unzureichend und emp- routinemäßige prolongierte (18 bis 24 Stunden) fehlen eine initiale Minimaldosis von 15000 Einheiten Heparininfusion bei Patienten mit niedrigem Risiko [160], andererseits wurde selbst bei einer Routinedosis und primär gutem PTCA-Ergebnis keinen Vorteil bie- von 5000 E keine erhöhte Akutverschlußrate beobach- tet, aber die Blutungsgefahr erhöht [50, 159, 204]. Bei tet [104]. Alternativ wird von anderen Gruppen eine Patienten mit erhöhtem PTCA-Risiko (Tabelle 2), also auf das Körpergewicht bezogene Heparindosierung bei denen, die möglicherweise von einer prolongierten empfohlen, wobei ein Bolus von Heparingabe profitiert hätten [124], liegen keine 70 E/kg bei gleicher Wirksamkeit zu weniger Blutungs- schlüssigen Daten vor. Bei Patienten mit hohem PT- komplikationen führt als ein Bolus von 100 E/kg [117]. CA-Risiko hatte die zusätzliche Gabe von AT III kei- Eine Umfrage bei 70 Arbeitsgruppen ergab, daß nur in nen Einfluß auf die Komplikationsrate [162]. Ist bereits 10% der Institute die Heparindosis auf das Körperge- vor der PTCA ein Thrombus sichtbar, kann eine vor- wicht bezogen wird. 12% verabreichen routinemäßig ausgehende mehrtägige intravenöse Heparinisierung 10000 E Heparin die Akutkomplikationen, insbesondere bei instabiler [157]. Kommen bereits mit Heparin vorbehandelte Pa- Angina pectoris, reduzieren [ 91, 111, 120, 149, 182]. 48 Herz 21 (1996), 44 –59 (Nr. 1)
Silber, Dörr: Antithrombotische Therapie und PTCA-Risiko Niedermolekulares Heparin ist dem Standardheparin 100 Komplikationsrate (%) 84,5 bei tiefer Venenthrombose überlegen (Metaanalyse 80 von 13 Studien [154]); für die Beurteilung eventueller 60 Vorteile bei der PTCA müssen aber die Ergebnisse der zur Zeit laufenden randomisierten Studien abgewartet 40 werden. 20 12,6 1,9 1 Hirudin ist besonders bei tiefen arteriellen Verletzun- 0 < 150 150-175 175-200 > 200 gen effektiver als Heparin [88, 89, 109]. In randomisier- ACT (s) ten Studien wurden unter Hirudin bzw. Hirulog ein- Abbildung 2. Komplikationsrate bei PTCA in Abhängigkeit von der deutig weniger Akutkomplikationen beobachtet als ACT (nach [17]). unter Heparin [24, 200]. Bei 291 Patienten konnte un- Figure 2. Relationship between complication rate and ACT during ter Hirulog (Bolus von 0,45 bis 0,55 mg/kg und Infusion PTCA (according to [17]). von 1,8 bis 3,2 mg/kg/h) die akute Verschlußrate von 11,3% (Heparin) auf 3,9% gesenkt werden [195]. So- den kann. Aus diesem Grund halten Frierson et al. [68| mit erschien Hirudin bzw. Hirulog bei PTCA dem eine routinemäßige Bestimmung der ACT für nicht er- Heparin zunächst überlegen. Allerdings ist die thera- forderlich, während andere grundsätzlich ein routi- peutische Breite enger als ursprünglich angenommen: nemäßiges ACT- bzw. PTT-Monitoring für unabding- so mußten zwei Studien wegen intrazerebraler Blutun- bar halten, weil eine Dosis von 10000 Einheiten gen abgebrochen werden, um dann mit reduzierten Heparin bei etwa 11% der Patienten eine lediglich Dosierungen erneut zu beginnen [5, 81]. Vielverspre- subtherapeutische Dosierung darstellt [124, 136, 140, chend sind die Ergebnisse der HELVETICA-Studie 160]. Eine Umfrage ergab, daß in 77% der Institute ei- [169]: Bei 1141 Patienten mit instabiler Angina pectoris ne ACT von 301 bis 350 s angestrebt wird, während konnten die innerhalb von 96 Stunden nach der PTCA 23% routinemäßig eine ACT im Bereich von 351 bis beobachteten Ereignisse von 11% (Heparin) auf 5,6% 450 s bevorzugen [157]. (r-Hirudin) signifikant gesenkt werden. Zur Beurtei- lung der optimalen Dosierung und Begleitmedikation Bei Patienten mit erhöhtem Risiko, insbesondere bei insbesondere bei Patienten mit stabiler Angina pecto- instabiler Angina pectoris, ist eine ACT-Überwachung ris reichen aber die bislang vorliegenden Daten noch besonders wichtig [211]. Die Aussagekraft der ACT ist nicht aus. durch ihre zwar lineare, aber flache Korrelation zur PTT limitiert: Bei einer mittleren PTT von 25 s liegt die ACT bei 120 s, bei einer mittleren PTT von 150 s be- Ist während der PTCA eine Überwachung der Gerin- nungsparameter erforderlich? trägt die ACT nur 180 s [17]. Auch scheint die ACT-Be- stimmung aus venösem Blut höhere Werte zu liefern Laborchemische Messungen des Antikoagulationsef- als die aus arteriellem [206]. Ferner kann die ACT-Mes- fekts von Heparin unterliegen größeren Schwankun- sung sogar von Thrombozyteninhibitoren beeinflußt gen, die teilweise mit unterschiedlichen Empfindlich- werden [129, 185]. Die alternativ vorgeschlagene Pro- keiten verschiedener Reagenzien erklärt werden tamintitration [21] ist für den Routinebetrieb wohl zu können. Obwohl die PTT (partielle Thromboplastin- aufwendig. Die aus dem Vollblut schnell mögliche zeit) heute rasch aus Nativblut bestimmt werden kann, PTT-Bestimmung ist der ACT-Messung überlegen [15], wird der Heparineffekt meist noch über die ACT (ac- insbesondere wenn gleichzeitig ein Nitrat infundiert tivated clotting time) beurteilt. Die Notwendigkeit ei- wird [19]. Als PTT-Optimum für die Antikoagulation nes routinemäßigen ACT-Monitorings bei PTCA ist mit Heparin bzw. Hirudin wird ein Wert von knapp un- umstritten: Einerseits wurde ein direkter Zusammen- ter 100 s vorgeschlagen [23]. hang zwischen ACT und Komplikationsrate (definiert als Tod und Notfalloperation) beschrieben (Abbil- 2. Antiaggregation und akuter Gefäßverschluß dung 2), andererseits führt eine „blinde“ Gabe von bei PTCA 10000 Einheiten Heparin zu einer mittleren ACT von 295 ± 82 s bzw. zwischen 334 und 422 s [68, 185], so daß Acetylsalicylsäure ist heute Standard- und Dauerthera- dann in diesem Bereich kein Zusammenhang mehr pie bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung [63, zwischen ACT und Komplikationsrate erwartet wer- 71, 119, 201, 210]. Obwohl schon seit 1987 bekannt ist, Herz 21 (1996), 44 – 59 (Nr. 1) 49
Silber, Dörr: Antithrombotische Therapie und PTCA-Risiko Tabelle 4. Klinische Studien zur Vermei- Studien- Patienten- Akuter Gefäßverschluß (%) dung eines akuten Gefäßverschlusses protokoll anzahl Placebo ASS ASS+Dipyridamol Ticlopidin Referenz bei PTCA durch Antiaggregation. (*Signifikant im Vergleich zu Placebo.) Prospektiv/ 376 6,9% – 1,6% – [167] randomisiert Table 4. Clincial studies for the preven- Prospektiv/ 333 14% – 5%* 2%* [208] tion of acute coronary occlusion during randomisiert PTCA by platelet inhibition. (*Signifi- cant as compared with placebo.) Prospektiv/ 207 20% – 11% – [28] randomisiert Retrospektiv 500 6,5% 1,3%* – – [101] Retrospektiv 220 11% 1,8%* 0%* – [8] daß 30 mg/die ausreichen, um die Thromboxansynthe- Prevention of Ischemic Complications) als Höhepunkt se (bei gleichzeitig erhaltener Prostazyklinsynthese) der bisherigen klinischen Forschung mit c7E3 [55]: In bis auf „normale Werte“ zu senken [99], wurde die Ver- dieser prospektiven, randomisierten, doppelblind abreichung niedriger Dosen kritisiert, da sie nicht aus- durchgeführten Untersuchung an 2099 Patienten in 56 reichen, um die durch Scherkräfte ausgelöste Plätt- Zentren wurde placebokontrolliert (alle Patienten er- chenaggregation (die wohl unabhängig von der hielten als Basistherapie Heparin und ASS) c7E3 ent- Thromboxanbildung eintritt) zu verhindern [151]. Al- weder als Bolusinjektion allein oder als Bolusinjektion lerdings können bereits niedrige Dosen zu einer Kon- (0,25 mg/kg) mit anschließender Infusion (10 µg/min striktion von Kollateralgefäßen führen [4]. Die Diskus- über zwölf Stunden) bei Patienten mit erhöhtem sion um die optimale ASS-Dosierung ist kürzlich PTCA-Risiko getestet: Primärer Endpunkt war eines wieder in Zusammenhang mit der Cottbus-Studie auf- der folgenden Ereignisse: akute Myokardischämie mit geflammt [66, 69]. ASS wurde in prospektiven, rando- Re-PTCA, Stentimplantation, intraaortale Gegen- misierten Studien hinsichtlich der Reduktion von Akut- pulsation, Tod, nichttödlicher Herzinfarkt oder Bypass- komplikationen (unter gleichzeitiger Heparinisierung) Operation innerhalb von 30 Tagen nach der PTCA. geprüft; es liegen drei prospektive randomisierte und Hierbei zeigte vor allem die Kombination von Injektion zwei retrospektive Studien vor: Wie aus Tabelle 4 her- und Infusion eine signifikante Reduktion des primären vorgeht, reduziert ASS eindeutig das Risiko eines aku- Endpunkts von 12,8% (89/696) auf 8,3% (59/708). Die ten Gefäßverschlusses. Dipyridamol weist keinen zu- Notfall-PTCA konnte sogar von 4,5% auf 0,8% gesenkt sätzlichen Effekt auf [114]. Zwischen ASS 80 mg/die werden. Die Reduktion kardialer Ereignisse von 35% und ASS 1500 mg/die besteht kein Unterschied [133]. auf 27% blieb auch nach sechs Monaten statistisch sig- nifikant (Abbildung 3). Dieser lang anhaltende, günsti- Ticlopidin wurde vor allem in der Sekundärprophylaxe zerebraler Ischämien getestet [73, 82]. Bei Patienten 40 mit koronarer Herzerkrankung ist es vergleichbar 35% Kardiale Ereignisse (%) wirksam wie ASS (Tabelle 4) [6, 13, 208]. 30 27%* 25% Ridogrel ist ein vielversprechender Thromboxanrezep- 20 19%* torenantagonist, unter dem in einer kontrollierten Pi- lotstudie kein Akutverschluß beobachtet wurde, während es in der ASS-Gruppe bei 5,6% der PTCA- 10 Patienten zu einem Akutverschluß kam [191]. Auch für Clopidogrel liegen ermutigende erste klinische Daten 0 vor [213]. Placebo c7E3 Placebo c7E3 2 Tage nach PTCA 6 Monate nach PTCA c7E3 Fab hemmt bei PTCA-Patienten auch die durch Abbildung 3. Signifikante (*) Reduktion kardialer Ereignisse durch Scherkräfte ausgelöste Thrombozytenaggregation Antiaggregation mit monoklonalen Antikörpern (c7E3) bei Patien- ten mit hohem PTCA-Risiko (nach [55, 196]). [105]. Bei Patienten mit erhöhtem PTCA-Risiko fan- den sich zunächst keine akuten Gefäßkomplikationen Figure 3. Significant (*) reduction of cardiac events (death, heart attack, re-PTCA, bypass surgery) by platelet inhibition with mono- [51, 76]. Nach weiteren klinischen Erfahrungen [46, 102, clonal antibodies (c7E3) in patients with high risk PTCA (according 177] gilt die EPIC-Studie (Evaluation of c7E3 for the to [55, 196]). 50 Herz 21 (1996), 44 –59 (Nr. 1)
Silber, Dörr: Antithrombotische Therapie und PTCA-Risiko ge Effekt der monoklonalen Antikörper läßt darauf bedeutende Triggerwirkung für die Proliferation der schließen, daß die Oberfläche der bei der PTCA ver- glatten Muskelzellen und der Neointimabildung zuge- letzten Koronararterie 18 bis 24 Stunden nach der In- ordnet wurde [85, 96, 125], wundert es nicht, daß in so tervention den größten Teil ihrer Thrombogenität ver- zahlreichen Studien Antikoagulanzien und Aggregati- loren hat [55]. Dieses Konzept hatte sich in früheren onshemmer auf eine mögliche Reduktion der Resteno- Studien durch die protrahierte Heparingabe bei Patien- se untersucht wurden. ten mit erhöhtem PTCA-Risiko schon angedeutet. So- mit stellt das neue Prinzip der Thrombozytenaggregati- 1. Antikoagulation und Restenose onshemmung mit monoklonalen Antikörpern eine entscheidende Bereicherung in der medikamentösen Marcumar besitzt auf die Restenose keinen Einfluß Verhütung ischämischer Komplikationen bei Patienten [190, 198]. mit erhöhtem PTCA-Risiko dar. Heparin blieb bei prolongierter Gabe bezüglich der Nachteilig erhöhte der monoklonale Antikörper die Restenoserate erfolglos [50]. Anzahl der relevanten lokalen Blutungskomplikatio- nen von 7% auf 14%, dementsprechend verdoppelte Niedermolekulares Heparin erscheint aufgrund experi- sich auch die Anzahl der erforderlichen Bluttransfusio- menteller Daten zur Verhinderung einer Restenose nen. Das Risiko einer intrakraniellen Blutung im Ver- vielversprechend [84, 148]. Bei 41 Patienten fand sich gleich zu Placebo war aber nicht erhöht. [55]. Die mei- unter Reviparin in einer unkontrollierten Pilotstudie sten Blutungskomplikationen wurden gut toleriert; eine Restenoserate von 14% [165]. Risikofaktoren für eine verstärkte Blutung nach Gabe von c7E3 waren: Alter, weibliches Geschlecht und nied- 2. Antiaggregation und Restenose riges Körpergewicht [2]. Möglicherweise kann die Rate schwerwiegender Blutungskomplikationen durch die Acetylsalicylsäure zeigte bei der Metaanalyse von vier Verwendung moderner Hämostasesysteme reduziert Studien an insgesamt 608 Patienten zwar eine Tendenz, werden [175]. aber keinen signifikanten Effekt auf die Restenoserate [62, 167, 190, 209]. Die Höhe der Dosis scheint in die- Integrelin ist ein synthetisches zyklisches Hexapeptid sem Zusammenhang keine Rolle zu spielen [43, 133, mit ebenfalls hoher Affinität zum GP-IIb/IIIa-Rezep- 138, 163]. Lediglich Taylor et al. [184] fanden an 216 Pa- tor. Bei PTCA-Patienten hemmt ein Bolus von 90 µg/kg tienten unter ASS 100 mg/die eine statistisch signifi- die Plättchenaggregation um 86% [185]. In der IM- kante Reduktion der Restenoserate von 38% auf 25%, PACT-I-Studie erhielten 150 Patienten, unterteilt nach allerdings ohne die heute geforderte quantitative Ste- niedrigem bzw. hohem PTCA-Risiko, placebokontrol- nosenvermessung. 1000 mg/die ASS sind im Vergleich liert entweder einen Integrelin-Bolus mit einer Infusion zu 100 mg/die im Hinblick auf die Verhinderung einer über vier Stunden oder einen Bolus mit zwölfstündiger Restenose nicht wirksamer [127]. Offensichtlich be- Infusion [185]. Da die Reduktion des Endpunkts (der steht zwischen der unter ASS gefundenen Residual- ähnlich wie in der EPIC-Studie definiert war) von 12,2% funktion der Thrombozyten und dem Auftreten einer auf 4,1% wohl aufgrund der geringen Fallzahl keine sta- Restenose keine Beziehung [189]. tistische Signifikanz erreichte, wurden in der IMPACT- II-Studie 4010 Patienten eingeschleust: Die vorläufige Ticlopidin ist bezüglich der Restenoseentwicklung dem Veröffentlichung der Daten für die Patienten, die tat- ASS gleichzusetzen [209]. Auch die Gabe weiterer sächlich behandelt wurden, ergab keinen signifikanten Thromboxanhemmer, wie zum Beispiel Solutroban, Unterschied zwischen Placebo (11,4%) und Integrelin blieb auf die Restenose ebenso wirkungslos wie die von (9,5%) [59]. Die Häufigkeit kleinerer Blutungen war un- Prostazyklinen [58, 61, 74, 103, 144, 170]. ter Integrelin etwas erhöht (14% vs. 9,6% [59]). Trapidil wurde in zwei prospektiven Studien geprüft: Okamoto et al. [139] randomisierten 72 Patienten mit Antithrombotische Substanzen und Restenose einer Dosierung von 600 mg/die und fanden eine signi- Die Restenose stellt von jeher eine Belastung für Pati- fikante Abnahme der Restenoserate von 42% (14/41) enten, Ärzte und Krankenkassen dar. Da den an der auf 19% (7/41). In der STARC-Studie konnte bei 254 verletzten Gefäßstelle entstehenden Thromben eine der 384 randomisierten Patienten eine Kontrollangio- Herz 21 (1996), 44 – 59 (Nr. 1) 51
Silber, Dörr: Antithrombotische Therapie und PTCA-Risiko graphie durchgeführt werden: Trapidil (200 mg/die) keit und zum prognostischen Stellenwert des 48-Stun- führte im Vergleich zu ASS (ebenfalls 200 mg/die) zu den-ST-Strecken-Monitorings vorlagen, untersuchten einem signifikanten Rückgang der Restenoserate von wir in einer prospektiven Pilotstudie bei 55 Patienten 39,7% auf 24,2% [123]. vor, während und 48 Stunden nach der PTCA das Auf- treten transienter ST-Strecken-Änderungen in Abhän- c7E3 Fab führte in der EPIC-Studie nach sechs Mona- gigkeit von der placebokontrollierten, prolongierten ten zu einem signifikanten Rückgang der Re-PTCA Heparininfusion [159, 172, 173]. Es wurden nur Patien- von 21% auf 14,4%, also um 31%, so daß indirekt eine ten eingeschlossen, die während der PTCA in dem be- Abnahme der klinisch relevanten Restenose postuliert reits angelegten Holter-EKG nachweisbare ST-Strek- wurde [196]. ken-Änderungen aufwiesen (Abbildung 4). Lediglich bei vier der 55 Patienten waren innerhalb von 48 Stun- Insgesamt waren die Bestrebungen, die Restenoserate den nach der Intervention transiente ischämische Epi- medikamentös zu reduzieren, nicht sehr erfolgreich. Die- soden erkennbar, eine Korrelation zur prolongierten se Enttäuschungen beruhen zum Teil auf zu kleinen Fall- Gabe von Heparin bzw. Kochsalzinfusion war nicht er- zahlen: Um eine 25%ige Reduktion der Restenoserate sichtlich. Die Nachbeobachtung über ein Jahr zeigte, nachzuweisen, sind mindestens 600 Patienten erforder- daß die vier Patienten mit transienter ST-Strecken-Än- lich [22, 138]. Auch wurden oft unzureichende Meßme- thoden angewendet, heute wird generell die quantitative Stenosenanalyse vorausgesetzt. Vielleicht liegt die Ursa- che aber auch einfach im Fehlen geeigneter Substanzen. Antithrombotische Substanzen und stumme Myokardischämie nach PTCA Das Auftreten eines Koronarspasmus an der PTCA- Stelle oder unmittelbar distal davon wurde schon früh beobachtet [41, 64, 93, 150, 183]. Der Koronarspasmus repräsentiert teilweise die myogene Antwort auf den Dehnungsreiz, zusätzlich mag die lokale Freisetzung verschiedener Substanzen eine Rolle spielen [46, 67, 108, 143]. Koronarspasmus und Thrombusentstehung beeinflussen sich gegenseitig [108]. Das Auftreten transienter Ischämien nach PTCA wird mit 4% bis 23% angegeben [41, 92, 98, 128]. Wider- sprüchliche Daten über die Häufigkeit können teilwei- se mit der früher noch fehlenden Gabe von ASS erklärt werden [106]. Das Auftreten transienter ischämischer Episoden nach PTCA kann einerseits vom Risiko für eine akute ischämische Komplikation abhängen (Ta- belle 1), andererseits aber auch vom Vorhandensein noch nicht revaskularisierter Myokardareale. Bei Pati- enten mit erhöhtem Risiko für eine postinterventionel- le ischämische Komplikation finden sich häufig trans- iente Ischämien [48, 106, 203]. Das gehäufte Auftreten stummer Ischämien nach PTCA bei Patienten mit Mehrgefäßerkrankung und unvollständiger Revasku- Abbildung 4. ST-Strecken-Langzeit-EKG eines Patienten mit niedri- gem PTCA-Risiko in der Nacht vor der PTCA, während PTCA larisation ist nicht verwunderlich [45, 100]. (oben) und nach der PTCA (unten). Figure 4. ST-segment Holter monitoring of a patient with low risk Da bei Patienten mit niedrigem PTCA-Risiko und voll- PTCA before, during (upper panel) and 48 hours after (lower panel) ständiger Revaskularisation keine Daten zur Häufig- PTCA. 52 Herz 21 (1996), 44 –59 (Nr. 1)
Silber, Dörr: Antithrombotische Therapie und PTCA-Risiko derung keine weiteren Ereignisse entwickelten. Ein wirksamerer Substanzen ist erforderlich, ebenso wie Patient mit unauffälligem Langzeit-EKG verstarb nach mehr Studien zur Prüfung von Dosis-Wirkungs-Bezie- vier Monaten. Das Auftreten einer Restenose stand in hungen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Infu- keiner Beziehung zum Befund des ST-Strecken-Moni- sionsdauer. Eine spezifischere antithrombotische Ef- torings. Somit zeigte sich bei diesen Patienten mit nied- fektivität ohne erhöhte Blutungsgefahr wäre ein rigem PTCA-Risiko, daß das Auftreten transienter deutlicher Fortschritt, sofern dies überhaupt möglich ischämischer Episoden innerhalb von 48 Stunden nach ist. Das Phänomen der Restenose bleibt weiterhin un- der PTCA ein sehr seltenes Ereignis ist, dem keine pro- klar und läßt sich heute nur durch die Erzielung eines gnostische Bedeutung zukommt. möglichst großen Initiallumens in Grenzen halten. Das Konzept der spezifischen Inhibition der GP-IIb/IIIa- Thrombozytenrezeptoren scheint eine entscheidende Schlußfolgerungen therapeutische Bereicherung darzustellen. Orale GP- Obwohl sich heute vor einer Koronarintervention eine IIb/IIIa-Inhibitoren wären wünschenswert [112]. Stratifizierung in Patienten mit niedrigem und hohem Risiko für einen akuten Gefäßverschluß vornehmen Literatur läßt (Tabelle 1), ist diese Gefahr im Einzelfall nicht mit 1. Agnelli, G., C. Renga, J. I. Weitz et al.: Sustained antithrombotic activity of hirudin after its plasma clearance: comparison with Sicherheit vorhersehbar. Im Gegensatz hierzu läßt sich heparin. Blood 80 (1992), 960–965. allerdings individuell gut abschätzen, ob im Falle eines 2. Aguirre, F. V., E. J. Topol, J. J. Ferguson, K. Anderson, J. C. Gefäßverschlusses für die Patienten ein niedriges oder Blankenship, R. R. Heuser, K. Sigmon, M. Taylor, R. Gottlieb, G. Hanovich, M. Rosenberg, T. J. Donohue, H. F. Weisman, H. F. hohes Morbiditäts- bzw. Mortalitätsrisiko besteht (Ta- Califf, R. M. Califf; for the EPIC investigators: Bleeding compli- belle 2). Für letztgenannte Gruppe gibt es heute eine cations with the chimeric antibody to platelet glycoprotein Reihe von Möglichkeiten, die in Erwägung gezogen IIb/IIIa integrin in patients undergoing percutaneous coronary intervention. Circulation 91 (1995), 2882–2890. werden sollten (Tabelle 5). 3. Alcan, K. E., S. H. Stertzer, J. E. Wallsh, N. P. DePasquale, M. S. Bruno: The role of intra-aortic balloon counterpulsation in Heparin und ASS sind zwar in ihrem Stellenwert bei patients undergoing percutaneous transluminal coronary angio- plasty. Amer. Heart J. 105 (1983), 527–530. Koronarinterventionen gut definiert, aber bei weitem 4. Altman, J. D., D. Dulas, T. Pavek, R. J. Bache: Effect of aspirin nicht als ideale Substanzen zur Antikoagulation und on coronary collateral blood flow. Circulation 87 (1993), 583–589. Antiaggregation anzusehen. Die Weiterentwicklung 5. Antman, E. M.: Hirudin in acute myocardial infarction. Safety report from the thrombolysis and thrombin inhibition in myocar- spezifischerer Antithrombine und antiaggregatorisch dial infarction (TIMI) 9A trial. Circulation 90 (1994), 1624–1630. 6. Balsano, F., P. Rizzon, F. Violi, O. Scrutinio, D. Cimminiello, F. Aguglia, C. Pasotti, G. Rudelli: Antiplatelet treatment with Strategien Referenzen ticlopidine in unstable angina. Circulation 82 (1990), 17–36. 7. Banka, V. S., G. S. Kochar, A. R. D. O. Maniet, G. Voci: Progres- 1. Medikamentös sive coronary dilation: an angioplasty technique that creates con- – Antikoagulation: Hirudin (Hirulog) statt Heparin [195] trolled arterial injury and reduces complications. Amer. Heart J. Prolongierte Infusion [124] 125 (1993), 61. – Antiaggregation: Monoklonale Antikörper [55, 196] 8. Barnathan, E. S., J. S. Schwartz, L. Taylor, W. K. Laskey, J. P. Kleaveland, W. G. Kussmaul, J. W. 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Silber, Dörr: Antithrombotische Therapie und PTCA-Risiko vention of acute closure and restenosis after coronary angioplas- 31. Coller, B. S., L. E. Scudder: Inhibition of dog platelet function by ty (PTCA): the TACT-study. Circulation 82, Suppl. 3 (1990), III- in vivo infusion of F(ab)2 fragments of a monoclonal antibody to 90. the platelet glycoprotein IIb/IIIa receptor. Blood 66 (1985), 14. Blankenship, J. C., A. C. Ford, S. D. Henry, C. M. Frey: Coronary 1456–1459. dissection resulting from angioplasty with slow oscillating vs. rap- 32. Corday, E., S. Meerbaum, J. K. Drury: The coronary sinus: an id inflation and slow vs. rapid deflation. Cathet. cardiovasc. alternative channel for administration of arterial blood and phar- Diagn. 34 (1995), 202–209. macologic agents for protection and treatment of acute cardiac 15. Blumenthal, R. S., A. J. Carter, J. R. Resar, V. Coombs, S. T. ischemia. J. Amer. Coll. Cardiol. 7 (1986), 711–714. Gloth, J. Dalal, J. A. 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