DIGITALER NACHLASS - JKU ePUB
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Eingereicht von Lisa Maria Traxler Matrikelnummer 01555466 Angefertigt am Institut für Zivilrecht Beurteiler Univ.-Prof. Dr. Christian Holzner Monat Jahr 03/2021 DIGITALER NACHLASS Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Rechtswissenschaften im Diplomstudium der Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Ort, Datum Unterschrift 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 2/29
Inhaltsverzeichnis I. Einleitung ................................................................................................................................ 4 A. Definition des digitalen Nachlasses ...................................................................................... 5 II. BGH, III ZR 183/17 ............................................................................................................... 6 A. Ausgangslage ....................................................................................................................... 6 III. Anwendbares Recht ........................................................................................................... 6 IV. Erbrechtliche Aspekte ........................................................................................................ 8 A. Vererbbarkeit des digitalen Nachlasses ................................................................................ 8 1. Universalsukzession ............................................................................................................. 8 2. Umfang der Verlassenschaft ................................................................................................. 8 3. Höchstpersönliche Rechte und Verbindlichkeiten ................................................................. 9 4. Differenzierung nach vermögenswerter Leistung ................................................................ 12 5. Deutscher Meinungsstand in der Lehre .............................................................................. 14 B. Vergleich mit dem Auskunftsanspruch des Kunden gegenüber der Bank ........................... 16 C. Beschränkung durch die AGB der Plattformbetreiber .......................................................... 17 1. Beurteilung durch den BGH, III ZR 183/17 .......................................................................... 17 2. Ist eine Vereinbarung der Unvererblichkeit überhaupt möglich? ......................................... 17 3. Gedenkzustandsrichtlinie .................................................................................................... 18 D. Letztwillige Anordnungen durch den Verstorbenen ............................................................. 21 1. Letztwillige Verfügungen ..................................................................................................... 21 2. Letztwillige Löschungsanordnung ....................................................................................... 22 3. Verwaltung des digitalen Nachlasses durch Nachlasskontakte oder Dritte ......................... 23 V. Postmortaler Persönlichkeitsschutz ............................................................................... 24 A. Beurteilung durch den BGH ................................................................................................ 25 B. Meinungsstand in der Lehre ............................................................................................... 25 C. Fazit.................................................................................................................................... 27 VI. Resümee ........................................................................................................................... 27 VII. Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 29 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 3/29
I. Einleitung Der Verwendung digitaler Medien und Dienstleistungen kommt enorme Bedeutung in ganz unterschiedlichen Bereichen zu.1 Sehr viele Menschen können die Online Netzwerke und die Digitalität an sich nicht mehr aus ihrem Leben wegdenken, für einige ist dies sogar ein Bestandteil ihrer Identität geworden.2 In Bezug auf digitale Inhalte ist es oftmals typisch, dass diese Daten nicht beim einzelnen Nutzer gespeichert sind, sondern sich auf Clouds oder Servern von dritten Plattformbetreibern befinden. Diese sind auch idR durch Passwörter zugangsgeschützt. Im Fall des Todes eines Menschen stellen sich in diesem Zusammenhang für den oder die Erben folgende Fragen: Ist man berechtigt, das Konto des Verstorbenen löschen zu lassen bzw kann man in weiterer Folge die Zugangsdaten von dem Plattformbetreiber herausverlangen oder den Account zukünftig selbst weiter nutzen?3 Anstoß für weitergehende Überlegungen zu dieser Thematik ist das Urteil des deutschen BGH4, das sich mit der Vererbbarkeit eines Facebook Accounts befasste. Die Social Media Plattform wurde verpflichtet, den Erben Zugang zu den vollständigen Benutzerdaten und den damit in Verbindung stehenden Kommunikationsinhalten zu gewähren. Die vorliegende Arbeit behandelt die zivilrechtlichen Aspekte des digitalen Nachlasses. Genauer wird auf die Frage eingegangen, ob die Nutzerprofile im Internet iSd § 531 ABGB vererblich sind oder ob es sich um höchstpersönliche, also unvererbliche handelt. Zudem wird untersucht, ob Plattformbetreiber durch ihre AGB die Vererblichkeit beschränken können. Außerdem stellt sich die Frage, ob der Verstorbene zu Lebzeiten eine letztwillige Löschungsanordnung erteilen kann, bzw wie die Verwaltung des digitalen Nachlasses durch Nachlasskontakte oder Dritte rechtlich einzuordnen ist. Weiters geht es um den postmortalen Persönlichkeitsschutz, nämlich ob das gem § 16 ABGB jedermann angeborene Persönlichkeitsrecht auf Achtung des Privatlebens und der Geheimsphäre durch die Vererblichkeit der Zugangsdaten betroffen sein könnte. 1 Brehm, Verlassenschaft 2.0, JEV 2016, 159. 2 Gebauer, Digitale Verlassenschaft - Was passiert mit Facebook-Accounts & Co?, ZIIR 2015, 382. 3 Zankl, Rechts- und Beratungsfragen des digitalen Nachlasses, in Zankl/Spruzina (Hrsg), Der digitale Nachlass (2018) 10. 4 BGH 12.7.2018, III ZR 183/17. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 4/29
A. Definition des digitalen Nachlasses Für den digitalen Nachlass gibt es keine einheitliche Definition. Zankl versteht darunter die Summe vererblicher digitaler Inhalte.5 Nach Bruckmüller und Krückl gehören zu diesen Konten bei diversen Social Media Plattformen wie insb Facebook, Twitter, WhatsApp, Telegram oder aber auch Accounts bei Netflix, Amazon, iTunes, Spotify, eBay oder YouTube´, zudem Online Banking mit der Nutzungsmöglichkeit eines Apps am Handy, oder auch eine Handysignatur bzw das Portal Finanz-Online.6 Gebauer versteht unter digitalen Gütern grundsätzlich immaterielle Mittel zur Befriedigung von Bedürfnissen. Diese bestünden aus Binärdaten, deren Entwicklung, Vertrieb oder Anwendung durch Informationssysteme erfolge. In Österreich gebe es in der Rechtsordnung noch keine Definition für digitale Güter, die allgemeine Gültigkeit hat. Nach der Ansicht von Gebauer kann die Definition der digitalen Inhalte, welche die Verbraucherrechterichtlinie7 mit sich brachte, auch für digitale Güter herangezogen werden. Nach Art 2 Nr 11 VR-RL versteht man unter digitalen Inhalten Daten, deren Herstellung und Bereitstellung in digitaler Form erfolgte. Für diese Kategorisierung komme es nicht darauf an, ob der Zugriff auf die Daten durch Herunterladen = Download oder durch Herunterladen in Echtzeit = Streaming von einem körperlichen Datenträger oder in sonstiger Weise erfolge. Nach Einschätzung von Gebauer ist diese Definition sogar weiter zu verstehen, denn es sollen auch Rechte und Verbindlichkeiten innerhalb des Internets (zB Nutzeraccount) oder außerhalb (zB Bilder auf einem USB-Stick) darunter fallen. Sie verweist an dieser Stelle auf eine Erklärung des Begriffs aus Deutschland, demnach sei die digitale Verlassenschaft „als die Gesamtheit der Rechtsverhältnisse des Erblassers betreffend informationstechnische Systeme einschließlich des gesamten elektronischen Datenbestands des Erblassers“8 zu verstehen.9 Nach der Ansicht von Herzog handelt es sich nicht um einen juristischen Begriff, der mit einer Legaldefinition zu bestimmen sei, sondern um eine Sammelbezeichnung. Es würden sich zunehmend Schwierigkeiten bei der Abwicklung der Verlassenschaft ergeben, weil unsere Welt zunehmend digitalisiert werde. Herzog sieht im digitalen Nachlass den vollständigen digitalen Lebensbereich eines Menschen.10 5 Zankl, Rechts- und Beratungsfragen des digitalen Nachlasses, in Zankl/Spruzina (Hrsg), Der digitale Nachlass (2018) 2. 6 Bruckmüller und Krückl, Wenn sich eine Musiksammlung in Luft auflöst, Die Presse 2019/44/04. 7 Verbraucherrechte-Richtline-Umsetzungsgesetz (BGBl I Nr 33/2014). 8 Deusch, Digitales Sterben: Das Erbe im Web 2.0, ZEV 2014, 2; Herzog, Der digitale Nachlass, NJW 2013, 3745. 9 Gebauer, Digitale Verlassenschaft - Was passiert mit Facebook-Accounts & Co?, ZIIR 2015, 383. 10 Herzog, Der digitale Nachlass und das Erbrecht AnwBl Online 2018, 472. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 5/29
II. BGH, III ZR 183/17 A. Ausgangslage Die Mutter der 15-jährigen Tochter ist neben dem Vater Mitglied der Erbengemeinschaft und Klägerin. Die Tochter starb mit 15 Jahren unter bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufgeklärten Umständen bei einem U-Bahn Unglück, es bestand der Verdacht des Suizids. In diesem Zusammenhang stand ein Schadenersatzanspruch gegen den U-Bahn Fahrer im Raum. Der Account der Verstorbenen sollte Aufschluss darüber geben, ob ein Selbstmord der Tochter denkbar gewesen sei. Die Klägerin konnte sich nach dem Tod der Tochter nicht mehr in das Konto einloggen, weil der sog Gedenkzustand aktiviert wurde. Dies bedeutet, dass der Zugang zu den Daten nicht mehr möglich ist, die Inhalte jedoch bestehen bleiben. Das Klagebegehren lautete auf Verschaffung des Zugangs zu dem vollständigen Benutzerkonto sowie zu allen Kommunikationsinhalten. Die Beklagte ist eine US- amerikanische Social Media Plattform, auf der Kontoinhaber miteinander kommunizieren und verschiedene Inhalte austauschen können. Der Betreiber dieser Social Media Plattform verweigerte der Mutter den Zugang auf das Profil der Tochter. Die beklagte Partei berief sich auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen und auf das Fernmeldegeheimnis in § 88 Abs 3 des deutschen Telekommunikationsgesetzes.11 Die Mutter der Verstorbenen obsiegte in der ersten Instanz, das LG sprach der Klägerin zu, dass die Erbengemeinschaft Zugang zu dem gesamten Benutzerprofil der Verstorbenen und sämtlichen enthaltenen Kommunikationsinhalten erhält.12 Die beklagte Partei legte Berufung ein, und die zweite Instanz entschied in weiterer Folge zu ihren Gunsten.13 Letztlich hatte sich dann der BGH mit den von den unteren Instanzen unterschiedlich beantworteten Fragen zu befassen und stellte schlussendlich das Urteil der ersten Instanz wieder her.14 III. Anwendbares Recht In den meisten Fällen findet die Nutzung von Dienstleistungen im Internet von Drittanbietern über die österreichische Grenze hinweg statt. Ausgangspunkt muss daher die Frage sein, welches nationale Recht zur Anwendung gelangt. Heranzuziehen sind die international-privatrechtlichen Normen, um das materielle Recht eines konkreten Staates zu eruieren.15 Im Anlassprozess klagte die Mutter als Erbin auf Herausgabe der Zugangsdaten zum Facebook Account ihrer verstorbenen Tochter. Das Nutzungsverhältnis bestand also zwischen der deutschen Tochter und dem Unternehmen Facebook, das ihren Sitz in den USA hat.16 11 BGH 12.7.2018, III ZR 183/17. 12 LG Berlin 17.12.2015, 20 O 172/15. 13 KG Berlin 31.5.2017, 21 U 9/16. 14 BGH 12.7.2018, III ZR 183/17. 15 Brehm, Verlassenschaft 2.0, JEV 2016, 160. 16 BGH 12.7.2018, III ZR 183/17. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 6/29
Weil es sich bei den Nutzungsverträgen in Bezug auf die sozialen Medien idR um Dienstleistungs- oder Kaufverträge handelt, unterliegen diese Verträge der ROM I-VO. Art 4 der ROM I-VO normiert, dass das Recht jenes Staates zur Anwendung gelangt, in welchem der Dienstleister oder Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.17 Angewendet auf den konkreten Fall würde sich demnach die Anwendung von amerikanischem Recht ergeben, denn der Dienstleister ist Facebook und hat seinen Sitz in den USA. In vielen Fällen handelt es sich jedoch gemäß Art 6 ROM I-VO um einen Vertrag, der mit einem Verbraucher geschlossen wurde. Der § 1 KSchG gilt hier in Bezug auf den Verbraucherbegriff sinngemäß, nur mit der Maßgabe, dass nur natürliche Personen als Verbraucher gelten und dass Vorbereitungsgeschäfte nicht in den Anwendungsbereich eingeschlossen werden. In diesem Fall gelangt das Recht jenes Staates zur Anwendung, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Unternehmer muss in diesem Staat seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausüben oder auf diesen ausrichten.18 Facebook ist ein Unternehmen, denn es handelt sich um eine Organisation selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit. Die Tochter weist keine Unternehmereigenschaft auf, ist eine natürliche Person und somit in der Folge als Verbraucherin zu sehen. Dies hat auch Bedeutung für die Mutter als Erbin. Im konkreten Fall richtet sich das Leistungsspektrum von Facebook an mehrere Mitgliedsstaaten. Die Website mit dem Vertrag über die Nutzung kann von Deutschland aus auf der Website abgerufen und abgeschlossen werden. Sofern keine Rechtswahl getroffen wurde, ist für den Fall, dass die Erben Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis geltend machen, deutsches Recht anzuwenden. Durch eine etwaige Rechtswahl darf dem Verbraucher aber nicht der Schutz entzogen werden, den ihm Art 6 ROM I-VO gewährt.19 Im Bereich des Verlassenschaftsverfahrens ist das erbrechtliche Statut maßgebend, Regelungen diesbezüglich finden sich in der EuErbVO. Gemäß Art 4 EuErbVO ist der Mitgliedsstaat nach den internationalen Vorschriften zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Verstorbene im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.20 Es wird ein zwingender Gerichtsstand begründet, welcher sich auf alle aus einer Erbsache entspringenden Verfahren bezieht.21 Im vorliegenden Fall ist das Vertragsstatut maßgeblich, denn die Mutter klagt ein Recht aus dem Vertragsverhältnis mit Facebook ein. Der gewöhnliche Aufenthalt von Mutter und Tochter ist bzw war in Deutschland. Aus diesem Grund ist deutsches Recht anzuwenden.22 Im österreichischen Internationalen Privatrecht finden sich nur vereinzelt Regelungen für den Schutz von Persönlichkeitsrechten. In § 13 Abs 2 IPRG findet sich der Schutz des Namens und in § 34 IPRG bzw Art 8 Rom II-VO die Berücksichtigung des Schutzes der Immaterialgüterrechte. Aufgrund von vergleichbaren Wertungsgesichtspunkten wird die Bestimmung des § 13 Abs 2 IPRG, wonach der Ort der Verletzungshandlung ausschlaggebend ist, per Analogie auch auf die 17 Brehm, Verlassenschaft 2.0, JEV 2016, 160. 18 Brehm, Verlassenschaft 2.0, JEV 2016, 160. 19 Brehm, Verlassenschaft 2.0, JEV 2016, 160. 20 Brehm, Verlassenschaft 2.0, JEV 2016, 160. 21 Deixler-Hübner in Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Art 4, Rz 1. 22 BGH 12.7.2018, III ZR 183/17. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 7/29
Verletzung sonstiger Persönlichkeitsrechte wie zB auf das Recht auf Achtung der Ehre und das Recht auf Achtung der Privatsphäre angewandt.23 IV. Erbrechtliche Aspekte A. Vererbbarkeit des digitalen Nachlasses 1. Universalsukzession Die Rechtsfähigkeit einer natürlichen Person endet mit ihrem Tod. Es stellt sich daher die Frage, auf wen die Vermögenswerte des Verstorbenen übergehen, aber auch, gegen wen nun die Gläubiger des Verstorbenen ihre Forderungen erheben können. Aus dem gemeinen Recht wurde in Österreich das System der Gesamtrechtsnachfolge übernommen, auch Universalsukzession genannt. Daraus folgt gem § 532 ABGB, dass ein Erbe oder mehrere Personen als Miterben an die Stelle des Verstorbenen treten und somit alle seine Rechte und Verbindlichkeiten übernehmen.24 Die Universalsukzession erfolgt gem § 547 ABGB nicht schon ab dem Tod, sondern erst mit der Einantwortung (= Beschluss des Verlassenschaftsgerichts). Zudem muss der Erbe seinen Willen durch eine Erbantrittserklärung darlegen, es steht ihm jedoch frei, die Erbschaft auszuschlagen.25 Vom Tod einer Person bis zur rechtskräftigen Einantwortung übernimmt die Verlassenschaft als juristische Person alle Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen.26 2. Umfang der Verlassenschaft Nach § 531 ABGB umfasst die Verlassenschaft sämtliche Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen, welche nicht höchstpersönlicher Natur sind. Ob also ein Recht oder eine Verbindlichkeit vererblich ist, also im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge nach den allgemeinen erbrechtlichen Regelungen übergeht, bestimmt sich aus den jeweils geltenden Bestimmungen des Rechtsverhältnisses und den daraus abgeleiteten Zwecksetzungen. Es kommt hierbei auf die Verhältnisse im Todeszeitpunkt an.27 Der Begriff „Rechte und Pflichten“ ist in einem weiten Umfang zu sehen, denn es fallen sämtliche Rechtspositionen des Verstorbenen darunter, auch jene, die erst künftig entstehen, untergehen oder sich ändern.28 Als Beispiele für die Vererblichkeit können Forderungen und Verbindlichkeiten, Immaterialgüterrechte und dingliche Rechte wie Eigentum angeführt werden.29 Handelt es sich um Rechte und Pflichten, die sich aus einer öffentlich-rechltichen Position ergeben, besteht idR keine Vererblichkeit. Dies gilt zum Bsp für das Wahlrecht und das Recht, einen akademischen Grad zu führen.30 23 Brehm, Verlassenschaft 2.0, JEV 2016, 160. 24 Apathy/Riss, Zivilrecht VII Erbrecht, 6.Auflage (2018), Rz 1/1. 25 Apathy/Riss, ZR VII ErbR6, Rz 1/2. 26 Apathy/Riss, ZR VII ErbR6, Rz 5/7. 27 Werkusch-Christ in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.08 § 531 Rz 1. 28 Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 531 ABGB Rz 1. 29 Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 531 ABGB Rz 5. 30 Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 531 ABGB Rz 2. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 8/29
Zudem können auch solche Rechtsstellungen zur Verlassenschaft gehören, welche sich auf künftig fällig werdende Leistungen des Verstorbenen beziehen. Dauerschuldverhältnisse etwa führen auch nach dem Tod noch zur Entstehung von wiederkehrenden Rechten und Verbindlichkeiten.31 Höchstpersönliche Rechte und Verpflichtungen sind hingegen nicht vererblich. Solche Rechtsverhältnisse sind auf die Person eingeschränkt oder umfassen nur persönliche Handlungen des Verstorbenen.32 Es liegt also Unvererblichkeit vor, wenn ein Tausch der Vertragsparteien auch den Leistungsinhalt ändern würde, zB bei Urlaubsansprüchen oder Unterhaltsansprüchen. Dies würde also dann gelten, wenn der Anspruch lediglich durch den Verstorbenen erfüllt werden kann, weil es sich um ein bestimmtes Rechtsverhältnis handelt, das nach seinen Charakteristika nur durch den Berechtigten, nicht jedoch von einer anderen Person erfüllt werden könne.33 Als Bsp können persönliche Familienrechte wie Unterhaltsbeziehungen, Verhältnisse zwischen Eltern und Kindern oder Ehegatten erwähnt werden. Außerdem sind das Wiederkaufs-, Rückkaufs-, und Vorkaufsrecht, weiters Belastungs- und Veräußerungsverbote bzw Rechte aus persönlichen Dienstbarkeiten höchstpersönlicher Natur.34 3. Höchstpersönliche Rechte und Verbindlichkeiten a) Beurteilung durch den BGH Nach dem BGH ergibt sich aus dem Wesen des Vertrages keine Unvererbbarkeit. Eine derartige Unvererbbarkeit könne bei fehlender vertraglicher Vereinbarung dann zutreffen, wenn der Inhalt des Vertrages derart individualisiert sei, dass bei einem Wechsel des Vertragspartners die Leistungen in ihrem Wesen verändert werden. Es bestehe keine höchstpersönliche Natur bei den konkreten Pflichten der Vertragsparteien. Nur jene Inhalte seien persönlichkeitsrelevant, welche von Nutzern erschaffen und kommuniziert werden, nicht jedoch die Vertragsleistungen der beklagten Partei, welche bei jedem Nutzer identisch seien. Die beklagte Partei sei verpflichtet, die Plattform zur Kommunikation zur Verfügung zu stellen, für den Nutzer Inhalte oder Nachrichten zu übermitteln. Insofern handle es sich um ausschließlich technische Leistungen, die keinen Personenbezug aufweisen und ohne Veränderungen ebenso gegenüber den Erben erbracht werden können. Der BGH erachtet es als zutreffend, dass es eine Individualisierung des Vertragsverhältnisses dahingehend gebe, dass der Berechtigte des Kontos unter seinem Namen Inhalte veröffentlichen und Nachrichten posten könne. Dies soll in weiterer Folge aber nicht der Vererblichkeit entgegenstehen, sondern äußerstenfalls dazu führen, dass eine aktive Weiternutzung des Kontos des Verstorbenen nicht vom Erbrecht gedeckt sei. Der Anspruch auf den Zugang zum Benutzerkonto und sämtliche darauf gespeicherten Inhalte ergebe sich aus dem schuldrechtlichen Nutzungsvertrag zwischen der Verstorbenen und der beklagten Partei, der in der Folge gem § 1922 Abs 1 BGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erbengemeinschaft übergegangen sei. Die Erbengemeinschaft trete also mit ihren gesamten Rechten und Pflichten in die vertragliche Rechtsstellung der Verstorbenen ein.35 31 Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 531 ABGB Rz 5. 32 Kölbl, Zum Anspruch des Erben auf Zugang zum vollständigen Benutzerkonto des Erblassers und den darin enthaltenen Kommunikationsinhalten gegenüber einem Sozialen Netzwerk, jusIT 2017/73, 173. 33 Kölbl, Zum Anspruch des Erben auf Zugang zum vollständigen Benutzerkonto des Erblassers und den darin enthaltenen Kommunikationsinhalten gegenüber einem Sozialen Netzwerk, jusIT 2017/73, 173. 34 Apathy/Riss, ZR VII ErbR6 Rz 5/2. 35 BGH 12.7.2018, III ZR 183/17. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 9/29
b) Meinungsstand in der Lehre In aller Regel handelt es sich nach Brehm bei Verträgen mit Online-Dienstleistern um Dauerschuldverhältnisse, denn es werden in den meisten Fällen wiederkehrende Leistungen angeboten. Die Services bzw Infrastruktur würden längerfristig aufrechterhalten.36 Zwischen dem Kunden und dem Internetdienstleister bestehe in den meisten Fällen kein besonderes Vertrauensverhältnis, aus diesem Grund sei die Höchstpersönlichkeit zumeist zu verneinen. Bei Social Media Plattformen sei es oftmals nicht von Bedeutung, dass es sich um die tatsächliche Identität des Kunden handle, und diese müsse auch nicht nachgewiesen werden. In ganz seltenen Fällen finde eine Überprüfung statt, außerdem sei es auf vielen Plattformen möglich, sich unter einem Pseudonym anzumelden. Klarerweise diene ein Account auf einer Social Media Plattform der Darstellung einer bestimmten Person, er könne aber nach dem Tod durch die Erben in der selben oder in geringfügig abgewandelter Form verwendet werden, zB bei der Errichtung einer Gedenkseite. Nur in sehr seltenen Fällen sei eine Höchstpersönlichkeit des Rechtsverhältnisses zu bejahen.37 Unproblematisch gestaltet sich der Erwerb an Rechten des digitalen Nachlasses nach Ansicht von Zankl für Erben, wenn die entsprechenden Inhalte wie zB Fotos oder Videos direkt auf Datenträgern des Erblassers gespeichert seien. Diese Datenträger, allfällige Urheberrechte (§ 23 UrhG) sowie der Erwerb kraft Singularsukzession würden nach den allgemeinen Grundsätzen des Erbrechts auf den Rechtsnachfolger übergehen.38 Mittlerweile hätten digitale Daten aber bereits einen derart großen Speicherumfang, dass diese oftmals nicht mehr auf eigenen Datenträgern, sondern extern von Drittanbietern gespeichert werden würden. Zudem würden solche digitalen Inhalte auch auf Plattformen von sozialen Medien wie zB Facebook abgelegt und geteilt. Das österreichische Erbrecht nehme aber keine Differenzierung vor, wo oder bei wem sich Teile der Verlassenschaft befinden. Es trete somit die Gesamtrechtsnachfolge nach den allgemeinen Regeln des Erbrechts ein.39 Nach Gebauer kommt es als Rechtsfolge aufgrund der fehlenden Höchstpersönlichkeit und des vermögenswerten Charakters des Vertrages grundsätzlich zum Eintritt der Erben in die schuldrechtlichen Verbindlichkeiten des Verstorbenen mit dem Online Dienstleister.40 Maßgeblich sei, ob den digitalen Gütern ein wirtschaftlicher Wert zukomme; auch seien die Regelungen in den AGB der Plattformbetreiber heranzuziehen.41 Wenn der Verstorbene nichts Gegenteiliges verfügt hat, sind nach Thiele die Erben uneingeschränkt zur Nutzung des Accounts berechtigt. Die Erben seien durch ihre Erbantrittserklärungen demnach nicht nur berechtigt zu entscheiden, was mit dem Account in weiterer Folge passieren soll, sondern auch befugt, sämtliche Inhalte des Profils zu lesen und die entsprechenden Daten bzw Informationen beliebig zu nutzen.42 Der Online Dienstleister sei 36 Brehm, Verlassenschaft 2.0, JEV 2016, 162f. 37 Brehm, Verlassenschaft 2.0, JEV 2016, 163. 38 Zankl, Bürgerliches Recht8 (2017), Rz 473. 39 Zankl, Rechts- und Beratungsfragen des digitalen Nachlasses, in Zankl/Spruzina (Hrsg), Der digitale Nachlass (2018) 11. 40 Gebauer, Digitale Verlassenschaft - Was passiert mit Facebook-Accounts & Co?, ZIIR 2015, 383ff. 41 Gebauer, Digitale Verlassenschaft - Was passiert mit Facebook-Accounts & Co?, ZIIR 2015, 384. 42 Thiele, Der digitale Nachlass, justIT 2010, 169. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 10/29
zudem nicht verpflichtet, Informationen bzw Nachrichten zu verbergen oder gar zu löschen43, die Erben würden alle privaten, vertraulichen und intimen Nachrichten lesen dürfen.44 Anderer Auffassung ist Jetzinger, nach ihm kommt einem Social Media Account in gesamtheitlicher Betrachtung höchstpersönlicher Charakter zu. Unproblematisch seien in Bezug auf die Vererblichkeit nur einzelne Bereiche. Dass man analoge Nachrichten mit Nachrichten aus Social Media Plattformen gleichsetze, sei zulässig, aber es sei eben das gesamte Konto als Einheit zu betrachten, und hierbei überwiege der höchstpersönliche Charakter. Der Nutzer könne zu seinen Lebzeiten das Nutzerprofil beliebig gestalten, seine Meinung durch Postings mitteilen, aber auch andere Nutzer kontaktieren. Auf zB einem Facebook Konto würden ua die Teilnahme an Veranstaltungen, die persönliche Lebenseinstellung, aber auch der Beziehungsstatus oder die berufliche Tätigkeit angegeben. Dies ergebe demnach ein Rechtsverhältnis, welches auf die individuelle Person des Nutzers zugeschnitten und in der Folge unvererblich sei. Es sei in Zweifel zu ziehen, ob ein solches Rechtsverhältnis im Wege der Gesamtrechtsnachfolge einfach auf die Erben übergehen könne.45 Zu berücksichtigen sei aber andererseits noch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, Rechtskontinuität und eindeutigen Zuordnungsverhältnissen, was wiederum für eine Vererblichkeit stünde. Daraus folge, dass im Zuge einer Interessenabwägung über das weitere rechtliche Schicksal des Accounts entschieden werden solle. Dadurch, dass die Eltern im konkreten Fall den Zugriff auf das Nutzerkonto begehrten, um Schadenersatzanspruche des Zugführers gegen sie abzuwenden, liege in concreto ein entsprechendes rechtliches Interesse vor, das in weiterer Folge eine taugliche Rechtsgrundlage für einen Zugriff auf die Daten bilden könne.46 c) Fazit Im Großen und Ganzen spricht sich die Lehre für eine Vererblichkeit eines Social Media Accounts aus. Brehm begründet dies damit, dass bei einem Vertrag mit einer Social Media Plattform kein besonderes Vertrauensverhältnis bestehe.47 Auch Zankl48 und Gebauer49 sehen in einem solchen Nutzungsvertrag kein höchstpersönliches Verhältnis. Nach Thiele sind die Erben zur uneingeschränkten Nutzung befugt, sofern der Verstorbene nichts Gegenteiliges verfügt hat.50 Anderer Ansicht ist nur Jetzinger, der das Konto als Einheit betrachtet und so auf die Höchstpersönlichkeit schließt. Nach ihm ist für die Entscheidung, ob die Zugangsdaten herausgegeben werden sollen, eine umfassende Interessenabwägung erforderlich.51 43 Höhne, Der Tod im Internet, ZIIR 2015, 240. 44 Höhne, Der Tod im Internet, ZIIR 2015, 238. 45 Jetzinger, Löschung eines digitalen Kontos nach dem Tod, MR 2019, 327. 46Jetzinger, Löschung eines digitalen Kontos nach dem Tod, MR 2019, 327. 47 Brehm, Verlassenschaft 2.0, JEV 2016, 163. 48 Zankl, Rechts- und Beratungsfragen des digitalen Nachlasses, in Zankl/Spruzina (Hrsg), Der digitale Nachlass (2018) 11. 49 Gebauer, Digitale Verlassenschaft - Was passiert mit Facebook-Accounts & Co?, ZIIR 2015, 383ff. 50 Thiele, Der digitale Nachlass, justIT 2010, 169. 51 Jetzinger, Löschung eines digitalen Kontos nach dem Tod, MR 2019, 327. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 11/29
4. Differenzierung nach vermögenswerter Leistung a) Beurteilung durch den BGH Der BGH lehnt eine Unterscheidung der Vererbbarkeit des Zugangs nach dem Inhalt ab. Der Gesetzgeber nehme gem §§ 2047 Abs 2, 2373 S 2 BGB keine Differenzierung vor, ob ein höchstpersönlicher oder vermögenswerter Nachlass vorliege. In beiden Normen werde vorausgesetzt, dass private Dokumente zur Verlassenschaft gehören – unstrittig sei daher, dass auch zB Tagebücher und Briefe als analoge Dokumente vererbt werden können. Würde man eine Unterscheidung zwischen höchstpersönlichen oder sonstigen Inhalten treffen müssen, würde dies erhebliche praktische Probleme hervorrufen, weil sämtliche Inhalte genau durchgelesen bzw zugeordnet werden müssten, und es sei nicht ersichtlich, wer dies vornehmen solle oder gar rechtlich dazu befugt wäre.52 b) Meinungsstand in der Lehre Wenn Verträge mit Internetdienstleistern geschlossen werden, sind dies nach Brehm idR gemischte Verträge. Durch die Bereitstellung einer gewissen Infrastruktur würden sich Elemente des Dienstvertrages in den Nutzungsverträgen finden. In der Einwilligung, dass die Daten zum Zwecke der Werbung verwendet werden, könne man Elemente von Miete bzw Kauf erblicken. Im Internet bestehe die Gegenleistung vor allem durch die Übertragung von Daten. Es lägen hiermit synallagmatische Dauerschuldverhältnisse mit Vermögenswert vor. Eben weil den Daten ein entsprechender Wert zukomme, führe die Argumentation, dass eine Mitgliedschaft bei einem Sozialen Netzwerk einer Vereinsmitgliedschaft ohne Vermögenswert gleichkäme, ins Leere. Die Vereinsmitgliedschaft ende zudem nicht mit dem Tod des Verstorbenen, es läge also nicht zwingend eine Höchstpersönlichkeit vor.53 Thiele sieht eine schmerzliche Regelungslücke im Datenschutz, die nur zum Teil durch zivilrechtliche Normen geschlossen werden könne. Ob eine Vererblichkeit vorliege, sei dann durch Auslegung zu ermitteln, sofern nicht gesetzliche Bestimmungen oder Vertragsvereinbarungen bestehen. Nicht problematisch seien Nutzungsverträge über Domains, Webhosting oder E-Mail Accounts, denn es würde sich gewöhnlich um Dauerschuldverhältnisse handeln, mit hauptsächlich vermögensrechtlichen Eigenschaften. Die Auffassung, dass es sich bei Social Media Accounts nicht um vermögenswerte Mitgliedschaften handle und diese somit aus der Verlassenschaft fielen, sieht Thiele als nicht überzeugend an. Er argumentiert wie Brehm, dass Mitgliedschaften in Vereinen nach den Regelungen des Gesetzes nicht zwingend mit dem Tod des Verstorbenen enden würden. Eine derartige Bestimmung könne aber jeder Verein gem § 3 Abs 1 VereinsG autonom in der Satzung treffen. Außerdem käme manchen Nutzerprofilen auf Social Media aufgrund ihres umfassenden und qualitativen Inhalts, aber auch wegen der hohen Zugriffszahlen ein enormer Vermögenswert zu. Die Thematik der Vererblichkeit könne dahingestellt bleiben, denn die Erben hätten die Option, die Löschung der Daten des entsprechenden Accounts vorzunehmen. Dies würde sich aus dem Auskunftsanspruch des Verstorbenen gegenüber dem Provider ergeben. Den Erben würden demnach auch die entsprechenden Auskunftsansprüche zugestanden.54 52 BGH 12.7.2018, III ZR 183/17. 53 Brehm, Verlassenschaft 2.0, JEV 2016, 163. 54 Thiele, Der digitale Nachlass, justIT 2010, 169. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 12/29
Nach Gebauer ergibt sich dagegen folgende Grundregel: „Vermögensrechtliche Rechtsverhältnisse sind regelmäßig vererblich. Rechtsverhältnisse, die auf die Person eines Beteiligten zugeschnitten sind oder auf persönlichem Vertrauen beruhen, sind in der Regel unvererblich.“55 Privat genutzten Accounts auf Facebook sei kein Vermögenswert zuzusprechen, obwohl sie von emotionalem Wert für die Erben und Hinterbliebenen seien. Dies habe zur Folge, dass die weitere Handhabe von den Nutzungsbedingungen abhänge.56 Gebauer behandelt neben dem Account auf einer Social Media Plattform auch noch weitere digitale Güter und stellt darauf ab, ob jene einen Vermögenswert aufweisen und somit ihrer Ansicht nach vererbbar sind. E-Books und Softwareprogramme kennzeichneten sich dadurch, dass sie auf eigene Datenträger heruntergeladen werden. Bei diesen Verträgen handle es sich um einen herkömmlichen Kaufvertrag gem § 1053 ABGB, sofern ein entsprechendes Entgelt zu entrichten war. In Bezug auf Konten, die Dienstleistungen auf elektronischen Marktplätzen anbieten, wie ua eBay, würden vermögenswerte Rechte und Verbindlichkeiten beinhaltet sein. Dies habe die Vererblichkeit zur Folge.57 Musik- und Videodaten seien ihrer Einschätzung nach ebenfalls vererbbar, denn ihnen soll ein vermögenswerter Charakter zukommen. Auch Dienste wie WhatsApp seien vererbbar durch den Übergang des Mobiltelfonvertrages auf die Erben.58 Digitalen Bildern, die vom Verstorbenen selbst angefertigt wurden, könne man, sofern sie aus ausschließlich privatem Nutzen im Internet hochgeladen wurden, keinen wirtschaftlichen Vermögenswert zuerkennen. Gebauer stimmt hier mit der Ansicht von Szulewski59 überein, der solchen Fotografien einen großen emotionalen Wert zuspricht. Würde man dem Vermögensbegriff gem § 531 ABGB folgen, würden private Bilder des Verstorbenen nicht in die Verlassenschaft fallen. Dies hätte zur Folge, dass diese Bilder im Internet kursieren und von jedem für seine eigenen Absichten benutzt werden könnten.60 Diese Ansicht erscheint aber nicht überzeugend, es wäre viel sinnvoller, dass privat angefertigte Bilder auch iSd Universalsukzession auf die Erben übergehen. Nach Ansicht von Welser ist der digitale Nachlass vererblich.61 Auch Böhsner ist der Ansicht, dass ein durchschnittliches Nutzerprofil, bei dem die Nutzung ausschließlich privat ist, beinahe keinen Vermögenswert aufweist und nicht in die Verlassenschaft fällt. Der gesetzliche Schutz erschöpfe sich in der Geltendmachung der Rechte aufgrund des postmortalen Persönlichkeitsschutzes des Verstorbenen.62 c) Fazit Die Frage, ob einem Nutzungsaccount auf einer Social Media Plattform Vermögenswert zukommt, wird differenziert betrachtet. Brehm63 ist der Ansicht, dass es sich um synallagmatische Verträge mit Vermögenswert handle. Thiele64 spricht sich wie Brehm für das Vorliegen eines Vermögenswertes aus. Anderer Ansicht sind Gebauer65 und Böhsner66, die einem ausschließlich 55 Gebauer, Digitale Verlassenschaft – Was passiert mit Facebook-Accounts & Co?, ZIIR 2015, 383. 56 Gebauer, Digitale Verlassenschaft – Was passiert mit Facebook-Accounts & Co?, ZIIR 2015, 385. 57 Gebauer, Digitale Verlassenschaft – Was passiert mit Facebook-Accounts & Co?, ZIIR 2015, 383. 58 Gebauer, Digitale Verlassenschaft – Was passiert mit Facebook-Accounts & Co?, ZIIR 2015, 383f. 59 Szulewski, Transferability, 597. 60 Gebauer, Digitale Verlassenschaft – Was passiert mit Facebook-Accounts & Co?, ZIIR 2015, 385. 61 Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 531 ABGB, Rz 5. 62 Böhsner, Digitale Verlassenschaft – Tod im „Social Network“, Zak 2010, 370. 63 Brehm, Verlassenschaft 2.0, JEV 2016, 163. 64 Thiele, Der digitale Nachlass, justIT 2010, 169. 65 Gebauer, Digitale Verlassenschaft – Was passiert mit Facebook-Accounts & Co?, ZIIR 2015, 385. 66 Böhsner, Digitale Verlassenschaft – Tod im „Social Network“, Zak 2010, 370.. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 13/29
privaten Nutzerprofil keinen Vermögenswert zusprechen. Nach meiner Einschätzung handelt sich bei einem Vertragsverhältnis über einen Social Media Account um ein vermögenswertes. Die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur ist zwar idR kostenlos, jedoch besteht die Gegenleistung bei derartigen Verträgen in der Zurverfügungstellung von Daten zum Zweck der Werbung oder sonstigen Weiterverarbeitung. Außerdem kommt gewissen Nutzerprofilen schon aufgrund der hohen Zugriffszahlen und den Inhalten ein außerordentlicher Vermögenswert zu. 5. Deutscher Meinungsstand in der Lehre In Deutschland ist die Frage, ob ein Nutzeraccount Bestandteil des Erbes ist, eine höchst umstrittene. In Österreich hingegen besteht in Bezug auf die Thematik der Vererblichkeit – wie vorhin dargelegt – in großen Teilen Einigkeit. Geraume Zeit wurde dem Thema in Deutschland keinerlei Beachtung geschenkt. Eine Ausnahme stellte Hoeren dar, er widmete sich bereits 2005 in einem NJW-Aufsatz67 dem digitalen Nachlass. Nach dem 7. deutschen Erbrechtstag 2012, wo Bräutigam diese Materie thematisierte68, fand eine zunehmende Aufarbeitung im Schrifttum statt. Spätestens nach der in der Arbeit bereits vorgestellten Entscheidung des BGH fand das Thema Eingang in die deutsche Rechtswelt.69 Betreffend die Höchstpersönlichkeit unterscheiden Martini und Hoeren danach, ob bei den entsprechenden vermögenswerten Rechten aus höchstpersönlichen Gründen oder individuellen Bedürfnissen des Verstorbenen oder in einem anderen Kontext eine enge Verknüpfung mit der Person bestehe.70 Die höchstpersönlichen unvererblichen Rechte unterfielen nicht der Gesamtrechtsnachfolge und würden daher auf die nächsten Angehörigen übergehen.71 Nicht den Erben, sondern den nahen Angehörigen oder speziellen Vertrauenspersonen komme die Aufrechterhaltung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes zu, sofern keine 72 vermögensrechtlichen Aspekte des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes betroffen seien. Unvererblich seien Rechtspositionen, die keinen selbstständigen Vermögenswert aufweisen, zB ein E- Mail Account. Unabhängig vom Inhalt sollen aber lokal gespeicherte Daten (wie heruntergeladene E-Mails) mit dem Eigentum am Speichermedium im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergehen.73 Bei Daten, die sich auf externen Speicherorten befinden, würde in der Folge das Vertragsverhältnis auf die Erben übergehen. Ein Zugriff soll nur auf die ausschließlich oder zum größten Teil geschäftlich genutzten Daten des Verstorbenen gewährt werden, nicht jedoch auf die höchstpersönlichen. Zu den Fragen, ob ein Übergang der höchstpersönlichen Daten auf die nächsten Angehörigen erfolge, oder ob sie zumindest einen Löschungsanspruch entspringend aus dem Recht auf Totenfürsorge wahrnehmen können, gebe es keine einheitliche Beantwortung. Fraglich ist nach Herzog auch, welche Personen konkret zu den nächsten Angehörigen zählen sollen.74 67 Hoeren, Der Tod und das Internet, NJW 2005, 2113. 68„Digitaler Nachlass – Der Tod im Internet und das digitale Erbe“ 7. Deutscher Erbrechtstag, März 2012; siehe auch Bräutigam, MMR 2012, 635. 69 Herzog, Der digitale Nachlass und das Erbrecht, AnwBl Online 2018, 472. 70 Hoeren, Der Tod und das Internet, NJW 2005, 2114ff; Martini, Digitaler Nachlass und postmortaler Persönlichkeitsschutz im Internet, JZ 2012, 1145ff. 71 Herzog, Der digitale Nachlass und das Erbrecht, AnwBl Online 2018, 473. 72 Hoeren, Der Tod und das Internet, NJW 2005, 2114ff; Martini, Digitaler Nachlass und postmortaler Persönlichkeitsschutz im Internet, JZ 2012, 1145ff. 73 Hoeren, NJW 2005, 2113, 2114; Martini, JZ 2010, 1145, 1147. 74 Herzog, Der digitale Nachlass und das Erbrecht, AnwBl Online 2018, 474. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 14/29
Die Trennung der vermögenswerten von den höchstpersönlichen Inhalten hat nach Martini durch einen Dritten zu erfolgen, zB einen Testamentsvollstrecker, das Nachlassgericht oder den konkreten Diensteanbieter.75 Die Plattformbetreiber seien aus Datenschutzgründen und wegen des postmortalen Persönlichkeitsrechtes nicht berechtigt, den Gesamtrechtsnachfolgern Zugang zu den persönlichen Inhalten des Verstorbenen zu gewähren.76 Bei diesen dargelegten Argumenten würde freilich der digitale Nachlass anders behandelt als der analoge, denn Tagebücher des Verstorbenen in Buchform würden ohne weiteres auf die Erben übergehen. Dass digitale Daten somit unter einem stärkeren Schutz stehen, nimmt Martini ausdrücklich hin.77 Herzog versteht zwar diese Besorgnis aus menschlichen Aspekten, denn ein Buch könne nur räumlich eingeschränkt zugänglich gemacht werden, während digitale Inhalte viel schneller einem enormen Personenkreis im Internet zugänglich seien. Nach Ansicht von Herzog ist aber keine Geheimhaltung der Inhalte vor den Erben notwendig, sondern es würde schon vor dem Ableben des Verstorbenen einen verantwortungsvolleren Umgang mit den digitalen Medien benötigen; außerdem sollten die Menschen für den Fall der Geschäftsunfähigkeit oder des Todes ausreichend Vorsorge treffen.78 Herzog ist zudem der Ansicht, dass für eine Einschränkung des Erbrechts die Rechtsgrundlage fehle. Der digitale Nachlass sei gem § 1922 BGB ohne Unterscheidung nach dem Inhalt vererblich. Nach der herrschenden Auffassung bestehe in Bezug auf § 1922 BGB der weite Verlassenschaftsbegriff. Eine Gleichsetzung mit „geschäftlichen“ Inhalten dürfe nicht erfolgen; weiters dürfe man „geschäftliche“ Inhalte nicht als Gegenteil von „privat“ oder „höchstpersönlich“ interpretieren. Der Verlassenschaft sollten die gesamten Rechte und Verpflichtungen des Verstorbenen als Gesamtheit angehören. Demnach würde es sich nicht um eine Vererblichkeit von Gegenständen handeln, sondern von Rechtspositionen.79 Die Unterscheidung zwischen privaten und geschäftlichen Inhalten, bzw danach, ob es sich um ein vermögenswertes Recht handelt oder nicht, sieht auch Zankl kritisch. Seiner Einschätzung nach sei eine solche Differenzierung in der Praxis schwierig durchzuführen. Für die Beurteilung sei ein Zugang notwendig. Nach Zankl übersieht Martini, dass hiermit eine Differenzierung in digitale und analoge private Inhalte vorgenommen werden müsse. Es würde eine unterschiedliche Bewertung erfordern, je nachdem, ob zB via E-Mail oder per Post geschrieben wurde. Dies wäre nicht sachgerecht, denn normativ und wertungsmäßig liege kein Unterschied vor. Im Übrigen würden auch private Dinge zur Verlassenschaft zählen, die keinen Vermögenswert aufweisen, wie zB ein Familienalbum. Daher sei auch nicht relevant, ob es sich um private oder geschäftliche Inhalte handelt.80 Zankl sieht die Gleichsetzung von privaten und höchstpersönlichen Inhalten als verfehlt an und erblickt darin die Ursache für die Unklarheiten in Bezug auf den digitalen Nachlass. Demnach sei nicht alles, was auch privat ist, höchstpersönlich. Als Bsp könnten Tagebücher angeführt werden. Sie seien nicht höchstpersönlich, aber sehr wohl privat und vererblich. 75 Martini, Digitaler Nachlass und postmortaler Persönlichkeitsschutz im Internet, JZ 2012, 1152. 76 Martini, Digitaler Nachlass und postmortaler Persönlichkeitsschutz im Internet, JZ 2012, 1145. 77 Martini, Digitaler Nachlass und postmortaler Persönlichkeitsschutz im Internet, JZ 2012, 1145, 1151, 1152. 78 Herzog, Der digitale Nachlass und das Erbrecht, AnwBl Online 2018, 474. 79 Herzog, Der digitale Nachlass und das Erbrecht, AnwBl Online 2018, 474. 80 Zankl, Rechts- und Beratungsfragen des digitalen Nachlasses, in Zankl/Spruzina (Hrsg), Der digitale Nachlass (2018) 11. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 15/29
Höchstpersönlichkeit liege nur dann vor, wenn Rechte und Pflichten lediglich durch eine konkrete Person ausgeübt oder erfüllt werden können, zB Unterhaltsansprüche oder Dienstpflichten.81 a) Fazit In Deutschland ist die Thematik der Vererblichkeit des digitalen Nachlasses sehr umstritten. Martini und Hoeren nehmen eine Differenzierung zwischen geschäftlich und privat genutzten Daten vor. Eine Trennung dieser Daten sei von einem unabhängigen Dritten auszuführen. Eine Differenzierung zwischen digitalem und analogem Nachlass nimmt diese Ansicht hin.82 Herzog sieht jedoch keinen Grund für die Geheimhaltung der Daten vor dem Erben und findet, dass eine derartige Einschränkung des Erbrechts keine Rechtsgrundlage habe.83 Auch Zankl sieht die Unterscheidung in private und geschäftliche Inhalte kritisch, denn er befürchtet praktische Probleme bei der Durchführung. Seiner Einschätzung nach beruht die Diskussion um die Vererblichkeit digitaler Inhalte auf einer mangelnden Differenzierung der Begriffe „privat“ und „höchstpersönlich“.84 B. Vergleich mit dem Auskunftsanspruch des Kunden gegenüber der Bank Das KG Berlin85 zieht einen Vergleich zwischen dem Nutzungsverhältnis mit Facebook und dem daraus entspringenden Auskunftsanspruch mit jenen Auskunftsansprüchen, die aus dem Verhältnis zwischen Kunde und Bank entstehen und nach dem Tod auch auf die Erben übergehen. Gem § 547 ABGB kommt es nach österreichischem Recht zum Eintritt des Erben in die Rechtsposition des Verstorbenen, alle Rechte und Verpflichtungen werden übernommen. Die Verträge zwischen den Parteien beinhalten nicht nur die Hauptleistungspflichten, sondern auch die zumeist bestehenden Nebenleistungspflichten. Dies bedeutet, dass sich ein Auskunftsanspruch auch bereits aus einer vertraglichen Nebenleistungspflicht ergeben kann, die im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergeht. Der Erbe kann sich also durch ein solches Recht den Zugriff zu den Inhalten sichern.86 Der OGH87 stellte Bezug nehmend auf das Auskunftsrecht des Erben klar, dass der Anspruch gegenüber der Bank kein höchstpersönlicher ist, also Vererblichkeit vorliegt, denn dieser Anspruch steht dem Erben auch als Gesamtrechtsnachfolger zu. Vergleicht man das Verhältnis von Nutzer und Accountbetreiber mit jenem zwischen Bank und Kunden, wäre nach Kölbl ein Auskunftsanspruch bzgl des Benutzerkontos entspringend aus einem vertraglichen Nebenrecht unter Zugrundelegung der Judikatur des OGH denkbar.88 81 Zankl, Rechts- und Beratungsfragen des digitalen Nachlasses, in Zankl/Spruzina (Hrsg), Der digitale Nachlass (2018) 11f. 82 Martini, Digitaler Nachlass und postmortaler Persönlichkeitsschutz im Internet, JZ 2012, 1145ff; Hoeren, Der Tod und das Internet, NJW 2005, 2113ff. 83 Herzog, Der digitale Nachlass und das Erbrecht, AnwBl Online 2018, 474. 84 Zankl, Rechts- und Beratungsfragen des digitalen Nachlasses, in Zankl/Spruzina (Hrsg), Der digitale Nachlass (2018) 11f. 85 KG Berlin 31.5.2017, 21 U 9/16. 86 Kölbl, Zum Anspruch des Erben auf Zugang zum vollständigen Benutzerkonto des Erblassers und den darin enthaltenen Kommunikationsinhalten gegenüber einem Sozialen Netzwerk, jusIT 2017/73,173. 87 OGH 21.12.1993, 1 Ob 609/93. 88 Kölbl, Zum Anspruch des Erben auf Zugang zum vollständigen Benutzerkonto des Erblassers und den darin enthaltenen Kommunikationsinhalten gegenüber einem Sozialen Netzwerk, jusIT 2017/73, 174. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 16/29
C. Beschränkung durch die AGB der Plattformbetreiber Nach dem vorhin Ausgeführten stellt sich ganz generell die Frage, ob aus dem Nutzungsvertrag höchstpersönliche Rechte und Verpflichtungen entstehen, die nicht vererbt werden können. In den Nutzungsbedingungen von Facebook ist es den Usern der Plattform untersagt, dritten Personen den Zugriff zu ihren Profilen zu erteilen.89 Dies wirft die Frage auf, ob solche Klauseln in den Nutzungsbedingungen auf die Unvererblichkeit hindeuten. Fraglich ist demnach, ob die allgemeinen Regeln des Erbrechts durch derartige Nutzungsvereinbarungen modifiziert werden können. 1. Beurteilung durch den BGH, III ZR 183/17 In den Nutzungsbedingungen der Beklagten fänden sich keine Bestimmungen über die Vererblichkeit der Inhalte und des Vertrags über das Benutzerkonto. Das Nutzerprofil sei unter echtem Namen zu führen (Nummer 4)90 und das Weiterleiten des Passwortes für den Zugang an Dritte nicht zulässig (Nummern 3.5, 4.1, 4.8 und 4.9)91. Nach Ansicht des BGH hat das Berufungsgericht richtig ausgeführt, dass diese Regelungen nur zu Lebzeiten der Personen Geltung hätten und keine Antwort für den Todesfall enthielten. Es könne also dahingestellt bleiben, ob die Vererblichkeit in Allgemeinen Geschäftsbedingungen überhaupt wirksam ausgeschlossen werden könne.92 2. Ist eine Vereinbarung der Unvererblichkeit überhaupt möglich? In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Regelungen in Bezug auf die Universalsukzession überhaupt abbedungen werden können. Nach Zankl handelt es sich um zwingendes Recht, das nicht durch einfachen, formlosen Vertrag zwischen den Parteien ausgeschlossen werden könne. Vererbliche digitale Inhalte, die sich auf Plattformen Dritter befinden, würden nicht durch bloße Vereinbarung unvererblich gemacht werden können und fielen somit trotzdem in die Verlassenschaft.93 Anders ist nach Zankl die Rechtslage, wenn der Nutzungsaccount als höchstpersönlich angesehen werden kann und sich daraus in der Folge die Unvererblichkeit ergebe. Grundsätzlich sind Vertragsverhältnisse vererblich, es stellt sich nun die Frage, ob man die Unvererbbarkeit vertraglich vereinbaren kann. Für die Möglichkeit, Höchstpersönlichkeit zu vereinbaren, spreche die Entscheidung EvBl 1992/113, in der davon ausgegangen wird, dass das Recht des Mieters, einen Nachmieter namhaft zu machen (= Präsentationsrecht), vererbt werden, das aber vertraglich ausgeschlossen werden kann. Dies würde darauf schließen lassen, dass das 89 Vgl Punkt 1 der Nutzungsbedingungen von Facebook. Du musst Folgendes tun: „Dein Passwort nicht weitergeben, anderen keinen Zugriff auf dein Facebook-Konto gewähren bzw. dein Konto nicht an jemand anderen übertragen (ohne unsere Zustimmung).“ Punkt 5.4: „Du darfst keines der dir im Rahmen dieser Nutzungsbedingungen zustehenden Rechte bzw. keine der dir obliegenden Pflichten ohne unsere Einwilligung auf andere übertragen.“ Stand 12.03.2021 https://www.facebook.com/terms 90 In Geltung 2018 zur Zeit des Urteils. 91 In Geltung 2018 zur Zeit des Urteils. 92 BGH 12.7.2018, III ZR 183/17. 93 Zankl, Rechts- und Beratungsfragen des digitalen Nachlasses, in Zankl/Spruzina (Hrsg), Der digitale Nachlass (2018) 12f. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 17/29
Ausgeführte ebenfalls für den Punkt 18.6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook gelte, in dem es heißt: „Du wirst weder deine Rechte noch deine Pflichten ohne unsere Einwilligung an andere übertragen.“94 Zankl sieht eine solche formlose Vereinbarung der Unvererblichkeit daher grundsätzlich als fragwürdig an. Außerdem werde bei diesem Punkt der Nutzungsbedingungen von Facebook nur die Übertragung des Accounts zu Lebzeiten des Verstorbenen behandelt. Die Bestimmungen in Bezug auf den Tod eines Profilnutzers seien nämlich getrennt von den Nutzungen im Hilfebereich (= Gedenkzustandsrichtlinie) geregelt. Die Vereinbarung der Höchstpersönlichkeit sei auch deshalb zweifelhaft, weil es auf Facebook keine Identitätskontrolle gebe. Es sei demnach kein besonderes Interesse an der wahren Identität des Nutzers vorhanden, was gegen die Höchstpersönlichkeit spreche.95 Für den Fall, dass von einer Möglichkeit der Weiterführung durch die Erben ausgegangen wird, stellt sich die Frage, in welchem Namen die Nutzung zukünftig erfolgen soll. Zankl spricht sich dafür aus, dass eine Weiterführung nur durch die Namen der Erben erfolgen könne. Dies ergebe sich daraus, dass der Erbe den Verstorbenen nicht vertritt, sondern in seine vertraglichen Rechte und Verpflichtungen eintrete. Die Verpflichtung, von nun an den Namen des Erben zu verwenden, beziehe sich nicht nur auf die Inhalte, sondern auch auf die Bezeichnung des Accounts.96 Kölbl schließt sich der Ansicht des KG Berlin97 an. Eine Änderung des Vertragspartners sei zwar nicht im Interesse von Facebook, weil der Zugriff auf das Konto durch eine andere Person in den AGB ausgeschlossen werde, doch in dieser Klausel könne noch keine vertraglich vereinbarte Unvererbbarkeit erblickt werden. Die Angabe der wahren Identität solle nur der Ordnung der Verhältnisse dienen, nicht aber darauf schließen lassen, dass nur an bestimmte Personen eine Leistung erbracht werde, zumal das Angebot, sich auf Facebook zu registrieren, an alle gerichtet sei.98 3. Gedenkzustandsrichtlinie Auf Facebook gibt es den sog „Gedenkzustand“. Jener wird aktiviert, wenn Facebook die Nachricht vom Tod eines Nutzers erhält. Der Todesnachweis kann mittels Urkunden erbracht werden, aber auch zB in einem Link zu einem Nachruf bestehen. Das Nutzerprofil wird dann eingefroren, es ist in der Folge nur mehr für Freunde des Nutzers sichtbar. Es besteht auch die Möglichkeit, Beiträge an die Pinnwand zu posten, Dritten bleibt diese Möglichkeit jedoch verwehrt. Der Account wird dann „in Erinnerung an“ angezeigt.99 94 In Geltung 2018. Am 12.03.2021 heißt es in Punkt 5.4. „Du darfst keines der dir im Rahmen dieser Nutzungsbedingungen zustehenden Rechte bzw. keine der dir obliegenden Pflichten ohne unsere Einwilligung auf andere übertragen.“ https://www.facebook.com/terms 95 Zankl, Rechts- und Beratungsfragen des digitalen Nachlasses, in Zankl/Spruzina (Hrsg), Der digitale Nachlass (2018) 13. 96 Zankl, Rechts- und Beratungsfragen des digitalen Nachlasses, in Zankl/Spruzina (Hrsg), Der digitale Nachlass (2018) 16. 97 KG Berlin 31.5.2017, 21 U 9/16. 98 Kölbl, Zum Anspruch des Erben auf Zugang zum vollständigen Benutzerkonto des Erblassers und den darin enthaltenen Kommunikationsinhalten gegenüber einem Sozialen Netzwerk, jusIT 2017/73, 173. 99 Zankl, Rechts- und Beratungsfragen des digitalen Nachlasses, in Zankl/Spruzina (Hrsg), Der digitale Nachlass (2018) 12. 29. März 2021 Lisa Maria Traxler 18/29
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