Discussion Papers on Logistics and Supply Chain Management

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Discussion Papers on Logistics and Supply Chain Management
- Lehrstuhl für ABWL und Logistik -

                       Ingrid Göpfert (Hrsg.)

Discussion Papers on Logistics and
    Supply Chain Management
                                 # 03

                           [Oktober 2012]

 Wanja Wellbrock                                         Christian Traumann

    Zukünftige Herausforderungen im Bereich des
                      Handels

       Chancen und Risiken ausgewählter Supply-Chain-
                  Management-Konzepte

                                                                              I
Discussion Papers on Logistics and Supply Chain Management

Philipps-Universität Marburg
Lehrstuhl für ABWL und Logistik

Am Plan 2
35037 Marburg

ISSN: 2193-6978

                                                                                                      # 03

                                Wanja Wellbrock1                     Christian Traumann2

        Zukünftige Herausforderungen im Bereich des Handels.
Chancen und Risiken ausgewählter Supply-Chain-Management-Konzepte.

                                                                                         [Oktober 2012]

1
    Dipl. Kfm. Wanja Wellbrock ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirt-
    schaftslehre und Logistik an der Philipps-Universität Marburg.
2
    Christian Traumann ist Absolvent (Diplom) vom gleichnamigen Lehrstuhl.
                                                                                                         II
Executive Summary

Im Zeitalter der zunehmenden Dynamisierung der Unternehmensumwelt sieht sich auch der Handel
wandelnden Herausforderungen gegenüber. Vor allem die kontinuierlich fortschreitende Globalisie-
rung sowie soziokulturelle und demographische Veränderungen erfordern neue Herangehensweisen
der Handelsunternehmen. Die zukünftigen Herausforderungen an den Handel resultieren – basierend
auf der PEST-Analyse – aus politischen, ökonomischen, sozio-kulturellen und technologischen Verän-
derungen. Zur Identifizierung der zukünftigen Entwicklung werden vielfältige Zukunftsstudien aus
dem Bereich Handel sowie Logistik und Supply Chain Management ausgewertet und zusammenge-
fasst.
Zur Optimierung unternehmensübergreifender Supply Chains stehen vielfältige Konzepte zur Verfü-
gung. Als primär auf den Handel ausgerichtet lassen sich die Konzepte „Efficient Consumer Respon-
se“, „Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment“, „Vendor Managed Inventory“ und
„Mass Customization“ hervorheben. Es stellt sich folglich die Frage, inwieweit diese Instrumente
auch in der Zukunft geeignet sein werden, die Anforderungen des Handels zielführend zu bedienen.
Zur Analyse der Zukunftsfähigkeit der Konzepte wird die SWOT-Analyse angewendet, die den indivi-
duellen Stärken und Schwächen der Konzepte die zukünftigen Chancen und Risiken im Bereich des
Handels gegenüberstellt. Aus den Ergebnissen lassen sich hilfreiche Handlungsempfehlungen für die
Zukunft ableiten.

            Key Words: Handel, Futures Studies, SWOT-Analyse, Supply Chain Management, Logistik

                                                                                                III
Inhaltsverzeichnis

1       Die Bedeutung von Supply-Chain-Management-Konzepten für die Zukunft des Handels .... 1

2       Grundlegende Begrifflichkeiten ........................................................................................ 2
2.1     Handel und Handelsunternehmen ............................................................................................. 2
2.2     Supply Chain Management im Handel ....................................................................................... 3
2.2.1   Ursprung und Entwicklungsstand des Supply Chain Management............................................ 4
2.2.2   Supply Chain des Handels .......................................................................................................... 4
2.2.3   Kooperationen im Handel .......................................................................................................... 5
2.3     Zukunftsforschung...................................................................................................................... 6
2.3.1   Die Bedeutung der Zukunftsforschung ...................................................................................... 7
2.3.2   Zukunftsforschungsmethoden ................................................................................................... 7

3       Analyse ausgewählter Zukunftsstudien aus den Bereichen Handel, Logistik und Supply
        Chain Management .......................................................................................................... 9
3.1     Status quo im Handel ................................................................................................................. 9
3.2     Zukünftige Herausforderungen für Handelsunternehmen ...................................................... 11
3.2.1   Soziokulturelle Herausforderungen ......................................................................................... 11
3.2.2   Ökonomische Herausforderungen ........................................................................................... 14
3.2.3   Politisch-rechtliche Herausforderungen .................................................................................. 16
3.2.4   Technologische Herausforderungen ........................................................................................ 19
3.3     Wechselbeziehungen zwischen den zukünftigen Herausforderungen .................................... 23

4       Diskussion ausgewählter Supply-Chain-Management-Konzepte ...................................... 26
4.1     SWOT-Analyse .......................................................................................................................... 27
4.2     Stärken-Schwächen-Analyse ausgewählter Supply-Chain-Management-Konzepte für den
        Handel ...................................................................................................................................... 27
4.2.1   Efficient Consumer Response................................................................................................... 27
4.2.2   Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment ......................................................... 33
4.2.3   Vendor Managed Inventory ..................................................................................................... 36
4.2.4   Mass Customization ................................................................................................................. 37
4.3     Chancen-Risiken-Analyse der Supply-Chain-Management-Konzepte für den Handel der
        Zukunft ..................................................................................................................................... 39

                                                                                                                                                     IV
4.3.1      Efficient Consumer Response................................................................................................... 39
4.3.2      Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment ......................................................... 41
4.3.3      Vendor Managed Inventory ..................................................................................................... 43
4.3.4      Mass Customization ................................................................................................................. 44
4.4        Vergleichende Betrachtung der Zukunftspotentiale der Supply-Chain-Management-
           Konzepte................................................................................................................................... 45

5          Fazit ............................................................................................................................... 45

Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 47

                                                                                                                                                       V
1        Die Bedeutung von Supply-Chain-Management-Konzepten für die Zukunft des Handels

„The next 10 years are expected to bring as much change as we saw in the last 50.”3 Diese Aussage
zeigt die Dynamik und Schnelllebigkeit des Umfelds, in dem sich Unternehmen zukünftig befinden. Es
wird immer wichtiger, schon heute geeignete Konzepte zu haben bzw. diese zu entwickeln, um an-
gemessen auf die zukünftigen Herausforderungen reagieren zu können. Zentrale Herausforderungen
bestehen in Schwankungen, seien es konjunkturelle Schwankungen, neue Technologien und Gesetze
oder ein verändertes Kundenverhalten, die oftmals unerwartet auftreten.4 Es sind jene Herausforde-
rungen, mit denen Handelsunternehmen vermehrt konfrontiert werden und die einen Effizienzdruck
auf die Logistik als Kernaktivität von Handelsunternehmen aufkommen lassen.5 Im Zuge dynamischer
Veränderungen im Umfeld eines Unternehmens gewinnt eine unternehmensübergreifende Sichtwei-
se im Sinne des Supply Chain Management (SCM) zunehmend an Bedeutung.6 SCM orientiert sich an
logistischen Zielen wie reduzierten Durchlaufzeiten, einer Bestandsminimierung oder einer erhöhten
Liefertreue, was sich letztlich in einer Kostensenkung über die Wertschöpfungsstufen der Supply
Chain (SC) und einem höheren Serviceniveau für den Endverbraucher niederschlägt.7 Vor allem für
Handelsunternehmen, als vorletztes Glied in der Wertschöpfungskette mit direktem Kundenkontakt,
ist ein hoher Servicegrad besonders wichtig. Da in Zukunft durch unternehmensinterne Verbesserun-
gen bzgl. der Prozess- und Organisationsstruktur kaum noch Steigerungspotenziale zu erschließen
sind,8 werden unternehmensübergreifende Konzepte und deren Ausgestaltung sowohl auf vertikaler
als auch auf horizontaler Ebene zum zentralen Faktor für den Erfolg eines Unternehmens bzw. einer
SC.
Das Ziel des Artikels ist es daher, die primär auf den Handel zugeschnittenen SCM-Konzepte Efficient
Consumer Response (ECR), Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR), Vendor
Managed Inventory (VMI) und Mass Customization (MC) auf ihre Eignung für die Zukunft zu überprü-
fen. Es wird untersucht, wo Stärken und Schwachstellen der Konzepte liegen und inwieweit sie eine
Antwort auf die zukünftigen Rahmenbedingungen liefern. Die Anwendbarkeit der Konzepte für die
nächsten zehn bis 20 Jahre kommt in der Literatur bisher noch zu kurz und bedarf daher einer ge-
naueren Betrachtung.

In einem ersten Schritt werden grundlegende Begrifflichkeiten im Kontext des Handels und SCM ge-
klärt. Als Grundlage für die Analyse alternativer Zukunftsstudien wird zudem ein kurzer Überblick
über das Thema Zukunftsforschung gegeben.

Darüber hinaus soll eine auf die relevanten Zukunftsstudien aus den Bereichen Handel, Logistik und
SCM gestützte Analyse die Frage klären, welche die Herausforderungen sind, die zukünftig in den
Fokus von Handelsunternehmen rücken werden. Durch die Identifikation der Faktoren, die die Um-

3
    GCI et al. (2008a), S. 35.
4
    Vgl. o. V. (2011), S. 20.
5
    Vgl. Kuhn/Sternbeck (2011), S. 4.
6
    Vgl. Bittner (2009), S. 28.
7
    Vgl. Göpfert/Wellbrock (2012b), S. 105-108; Göpfert/Wellbrock (2012e), S. 244f.; Göpfert/Wellbrock
    (2012f), S. 132f.; Göpfert/Wellbrock (2012h), S. 4-6.
8
    Vgl. Georg (2006), S. 36.
                                                                                                         1
welt eines Unternehmens bestimmen, kann dessen Ausrichtung gezielt auf die zukünftigen Entwick-
lungen abgestimmt werden.9

2          Grundlegende Begrifflichkeiten

Die Themenschwerpunkte des Artikels stützen sich auf die Begrifflichkeiten Handel und SCM. Für das
weitere Verständnis ist es daher wichtig, die zentralen Begriffe zunächst zu erläutern und eine detail-
lierte definitorische Abgrenzung vorzunehmen. Zunächst werden die Entwicklung und Formen des
Handels dargestellt, um anschließend den Entwicklungsstand des SCM allgemein und Begriffe wie SC
und Unternehmensnetzwerk im Kontext von Handelsunternehmen detailliert aufzuzeigen. Das The-
ma Zukunftsforschung – als Grundlage für das dritte Kapitel, in dem Zukunftsstudien aus den Berei-
chen Handel, Logistik und SCM analysiert werden – rundet das zweite Kapitel ab.

2.1        Handel und Handelsunternehmen

Unter Handel wird in seiner ursprünglichen Form der Austausch von wirtschaftlichen Gütern zwi-
schen mindestens zwei Marktpartnern verstanden. Das Ziel besteht in der jeweiligen Verbesserung
der Bedarfssituation. Das Hauptinstrument zum Tausch von Gütern in der wirtschaftlichen Realität ist
Geld. Beim Begriff des Handels sind zwei zentrale Ausprägungen zu unterscheiden: zum einen der
funktionelle Handel und zum anderen der institutionelle Handel.
Der Handel als Funktion beschreibt die Unterscheidung der beteiligten Wirtschaftssubjekte (z. B.
Unternehmen, private Haushalte), die Art der ausgetauschten Güter (z. B. Sachgüter, Dienstleistun-
gen) sowie den Grad der von Verkäufern be- oder verarbeiteten Handelswaren.
Der Handel als Institution – gleichzusetzen mit Handelsunternehmen oder Handelsbetrieben – be-
zeichnet hingegen wirtschaftliche Tätigkeiten von Institutionen, die ausschließlich bzw. hauptsächlich
dem Handel im funktionalen Sinne zuzuschreiben sind.10
Handelsunternehmen agieren als Schnittstelle in der Wertschöpfungskette zwischen Hersteller und
Konsument. Sie können in Einzelhandels- und Großhandelsunternehmen unterschieden werden. Die
Funktion des Einzelhandels ist im direkten Verkauf von Waren- und Dienstleistungen an Endkonsu-
menten zu sehen, während sich der Großhandel in der SC noch auf einer vorgelagerten Stufe befin-
det. Unternehmen des Großhandels haben die Funktion der Markterschließung, indem sie den Her-
steller dabei unterstützen, passende Abnehmer für die Waren und Dienstleistungen aus dem Bereich
des Einzelhandels zu finden.11 Bezeichnend für den Großhandel ist der Business-to-Business Bereich,
d. h., Transaktionen werden zwischen Unternehmen und vergleichbaren Institutionen durchgeführt,
während für den Einzelhandel der Business-to-Consumer Bereich charakteristisch ist, wobei Transak-
tionen zwischen Unternehmen und privaten Verbrauchern vollzogen werden.12 Beide Formen, so-
wohl Groß- als auch Einzelhandel, lassen sich zu zahlreichen Betriebs- und Vertriebstypen systemati-

9
      Vgl. Schlegel (1995), S. 117.
10
      Vgl. Liebmann et al. (2008), S. 1-3.
11
      Vgl. Rudolph (2009), S. 1f.
12
      Vgl. Zentes (2006), S. 6f.
                                                                                                     2
sieren. In der Praxis treten sie oft auch als Mischtypen auf.13 Ferner können Binnenhandel und Au-
ßenhandel unterschieden werden. Beim Binnenhandel beschränkt sich der Güter- bzw. Warenaus-
tausch auf die in einem Land agierenden Marktteilnehmer, während beim Außenhandel die Staats-
und Zollgrenzen eines Landes überschritten werden.14
Der Handel blickt auf eine tausend Jahre alte Tradition zurück. Bereits im Mittelalter kristallisierten
sich Märkte heraus mit dem Ziel, Güter zu tauschen.15 So war bereits in dieser frühen Zeit ein Waren-
angebot aus fernen Ländern kennzeichnend. Sowohl grenzüberschreitende ärmliche Händler, die ihr
Warenangebot bei sich trugen und in anderen Städten verkauften, als auch stationärer Handel in
Form von – damals noch sehr wenigen – Läden, prägten das Bild des Handels dieser Zeit.16 In der
jüngeren Geschichte sind nachfolgend einige Ereignisse zu nennen, die die Entwicklung im deutschen
Einzelhandel näher erläutern sollen. Das 19. Jahrhundert war durch einen Anstieg der Bevölkerung,
eine zunehmende Industrialisierung und verbesserte infrastrukturelle Bedingungen geprägt. In Folge
dessen wuchs die Anzahl an Einzelhandelsgeschäften, wobei sich die Sortimentsgestaltung von pro-
duktionsbezogen zu bedarfsbezogen veränderte. Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu
Gründungen von Einkaufsgenossenschaften als Gegentrend zu den vermehrt aufkommenden Wa-
renhäusern. Die Vorteile lagen unter anderem in besseren Beschaffungskonditionen und einer Sen-
kung der Lagerhaltungskosten. Durch gebündelte Einkaufsvolumina konnten Waren günstiger be-
schafft werden. Ein Beispiel hierfür ist die Gründung deutscher kaufmännischer Einkaufsvereine, seit
1921 unter dem Namen Edeka bekannt. In den 1950er Jahren kam es in Deutschland zur Eröffnung
der ersten Supermärkte, wenig später bildeten sich die ersten freiwilligen Handelsketten im Bereich
des Großhandels. Die Zeit zwischen 1960 und 1980 war durch Selbstbedienungsläden, Discountprin-
zipien, Umsatz- und Regalflächenwachstum sowie leicht zunehmende Kooperationen und Akquisitio-
nen gekennzeichnet. Während in den 1980er Jahren Wachstumsraten von durchschnittlich 3% bis 5%
erreicht wurden, ist seit Mitte der 1990er Jahre in den meisten Einzelhandelsbranchen ein Rücklauf
bzw. eine Stagnation der Umsatzraten zu verzeichnen.17

2.2        Supply Chain Management im Handel

Nachdem der Handel mit seinen unterschiedlichen Ausprägungen erklärt und seine grobe historische
Entwicklung aufgezeigt wurde, ist es für das weitere Verständnis dieses Artikels erforderlich, den
Begriff SCM genauer zu erläutern. Dazu wird in einem ersten Schritt die Entwicklung des Begriffes
allgemein aufgezeigt, um anschließend eine Einordnung des Handels in diesen Kontext vorzunehmen.
Die SC aus Sicht des Handels und unternehmensübergreifende Kooperationen sind Gegenstand die-
ses Kapitels.

13
      Vgl. Liebmann et al. (2008), S. 385. Weiterführende Literatur zu den unterschiedlichen Betriebs- und Ver-
      triebstypen im Einzel- und Großhandel liefern Liebmann et al. (2008), S. 385-419.
14
      Vgl. Lenz (2008), S. 15.
15
      Vgl. Liebmann et al. (2008), S. 16f.
16
      Vgl. Braudel (1986), S. 65.
17
      Vgl. Georg (2006), S. 34-36.
                                                                                                             3
2.2.1     Ursprung und Entwicklungsstand des Supply Chain Management

Der Begriff SCM wurde Anfang der 1980er Jahre auf der Grundlage der Betrachtung von Wertschöp-
fungssystemen von US-amerikanischen Beratungsunternehmen geprägt. In Deutschland hat sich der
Begriff seit Mitte der 1990er Jahre verbreitet.18 In der Literatur gibt es mittlerweile vielfältige unter-
schiedliche Auffassungen über den Umfang bzw. die Abgrenzung des Begriffes; eine allgemeingültige
Definition liegt bisweilen nicht vor.19 Jedoch kann gesagt werden, dass SCM auf einer qualitativ ho-
hen Entwicklungsstufe der Logistik anzusiedeln ist.20 Auf der ersten Stufe wird die Logistik als materi-
al- und warenflussbezogene Dienstleistungsfunktion mit Schwerpunkt auf Transport-, Umschlags-
und Lagerungsprozessen (TUL-Logistik) gesehen. Gemäß der zweiten Stufe hat sich die Logistik zu
einer material- und warenflussbezogenen Koordinationsfunktion entwickelt. Die wenig berücksichtig-
ten Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen waren Ausgangspunkt für die
Integration der Koordinationsaufgabe. Auf der dritten Stufe wird die Logistik als Flussorientierung
beschrieben. Diese Sichtweise ist auf die gestiegene Wettbewerbsintensität in den 1990er-Jahren
zurückzuführen, wodurch die gestiegenen Anforderungen mit traditionellen, auf Funktionsspezialisie-
rung aufbauenden Gestaltungsprinzipien nicht mehr zu bewältigen waren.21
Wenngleich es keine eindeutige Definition des Begriffes gibt, so kann festgehalten werden, dass SCM
„... das gesamtheitliche, integrierte und kundenorientierte Planen, Gestalten, Steuern und Optimie-
ren von inner- und überbetrieblichen Material- und zugehörigen Informationsflüssen [umfasst, Anm.
d. Verf.], mit dem Ziel, ein Ergebnisoptimum im Wertschöpfungsnetzwerk … zu schaffen.“22
Das Phänomen der Bestellmengenschwankungen, das in Logistikketten beobachtet werden kann,
wird nach Forrester als Bullwhip-Effekt oder Peitschenschlageffekt bezeichnet. Dabei werden die
Nachfrageschwankungen umso größer, je weiter entfernt die Partner in der SC vom Endkunden an-
gesiedelt sind. In einer Lieferkette bestehend aus Rohstofflieferant, Vorprodukthersteller, Endpro-
dukthersteller, Handel und Kunde ist bspw. der Rohstofflieferant am weitesten vom Kunden entfernt
und unterliegt den größten Nachfrageschwankungen. Die Ursachen können verschiedenartig sein.
Beispiele sind unter anderem vergangenheitsbasierte Prognosemethoden, Preisschwankungen,
Überbestellungen bei Lieferengpässen oder lange Informationslaufzeiten. Ziel des SCM ist es daher,
den Bullwhip-Effekt zu reduzieren oder bestmöglich ganz zu vermeiden.23

2.2.2     Supply Chain des Handels

Bevor die SC aus der Sicht des Handels beleuchtet wird, ist es zunächst sinnvoll, den Begriff allgemein
zu erläutern. Es kann dabei zwischen einer SC im weiteren Sinne und einer SC im engeren Sinne diffe-
renziert werden. Eine SC im weiteren Sinne wird als eine unternehmensübergreifende vertikale Ko-
operation von rechtlich selbständigen Unternehmen in einer Wertschöpfungskette mit dem Ziel der
Produktion und dem Absatz von Produkten bzw. Dienstleistungen verstanden. Mit der SC im engeren

18
     Vgl. Bittner (2009), S. 26.
19
     Vgl. Corsten/Gössinger (2008), S. 108; Konrad (2005), S. 47; Lenz (2008), S. 23.
20
     Vgl. Göpfert (2005), S. 26.
21
     Vgl. Weber/Wallenburg (2010), S. 16-24.
22
     Staberhofer/Rohrhofer (2007), S. 38.
23
     Vgl. Lödding (2008), S. 109f.
                                                                                                        4
Sinne ist die interne Wertschöpfungskette gemeint.24 Gegenstand der internen Wertschöpfungskette
bilden die vernetzten Prozesse der Leistungserstellung und Leistungsverwertung innerhalb eines
rechtlich selbständigen Unternehmens mit geographisch verteilten Produktionsstandorten.25 Die
Wertschöpfungskette oder auch Wertkette (Value Chain) geht auf Porter zurück. Er interpretiert sie
als ein Instrument, mit dem die wertschöpfenden Tätigkeiten eines Unternehmens, von der Produkt-
entwicklung bis zur Distribution, abgebildet werden können.26

                                                   Gesamte Supply Chain

                                                                                                 Kundenbeziehung

                                                                  Lieferantenbeziehung

                                                                                Interne Supply Chain

       Wertkette der           Wertkette der            Wertkette der
                                                                                   Wertkette des Handels           Konumenten
     Rohstoffgewinnung     Vorproduktlieferanten     Endprodukthersteller

                                 Abbildung 1: Ebenen der Supply Chain Betrachtung
                                  Quelle: In Anlehnung an Hertel et al.(2005), S. 50.

Die typische SC in der Handelsbranche ist durch eine Vielzahl beteiligter Wertschöpfungspartner ge-
kennzeichnet. Der Handel tritt als vorletztes Glied in der SC in direkten Kontakt mit dem Kunden bzw.
dem Konsumenten, welcher das Ziel der Bemühungen in der gesamten SC darstellt.27 Weitere wichti-
ge Beteiligte sind die Hersteller auf der vorgelagerten Stufe zum Handel, Lieferanten von Vorproduk-
ten und Logistikdienstleister. Diese können im Rahmen des Outsourcings28 logistische Aktivitäten für
Hersteller und Handel übernehmen. Abb. 1 liefert einen Überblick über die partnerschaftlichen Be-
ziehungen des Handels und die Stellung der verschiedenen Partner innerhalb der SC.

2.2.3      Kooperationen im Handel

Aufgrund der hohen Dynamik und Komplexität sowie des aggressiven Wettbewerbs im Marktumfeld
der Handelsunternehmen auf der einen Seite und der steigenden Kundenanforderungen sowie zu-

24
     Vgl. Bittner (2009), S. 28; Jehle (2005), S. 34; Lenz (2008), S. 27f.
25
     Synonym werden die Begriffe intraorganisatorische SC für die interne sowie interorganisatorische SC für die
     externe SC verwendet.
26
     Vgl. Porter (1999), S. 67.
27
     Vgl. Hertel et al. (2005), S. 50f.
28
     Der Begriff Outsourcing setzt sich aus den Wörtern Outside, Resource und Using zusammen und bedeutet
     eine „… indirekt oder direkt für die Leistungserstellung des Unternehmens notwendige Versorgung des Un-
     ternehmens mit Inputfaktoren aus einer externen Bezugsquelle.“ Picot/Maier (1992), S. 15.
                                                                                                                                5
nehmenden Produkt- und Variantenvielfalt auf der anderen Seite, ist es für Unternehmen in den
letzten Jahren zunehmend notwendig geworden, Kooperationen mit Wertschöpfungspartnern einzu-
gehen bzw. Unternehmensnetzwerke zur Vermeidung von Ineffizienzen zu bilden. Ineffizienzen in
Form von Redundanzen in den Prozessen bzgl. Datenhaltung, Informationsbeschaffung und ähnliches
treten vor allem dann auf, wenn Wertschöpfungspartner isoliert von anderen SC-Mitgliedern Prozes-
se planen und steuern. Insbesondere für Handelsunternehmen ist es aufgrund der engen Verbindung
zwischen den Wertschöpfungsstufen sehr wichtig, effizient zu sein, also sich bestmöglich den sich
ändernden Rahmenbedingungen zu stellen und in Form von Netzwerken die immer stärker aufkom-
menden Herausforderungen anzunehmen und zu bewältigen.29

„Netzwerke bestehen aus autonomen Akteuren, die sich zusammenfinden, um ein gemeinsames
Resultat zu erreichen, d. h., die Leistungserstellungsprozesse laufen unternehmensübergreifend
ab.“30 Bei einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit können alternative Kooperationsar-
ten unterschieden werden. Bei einer Kooperation31 mit Unternehmen der vor- oder nachgelagerten
Wertschöpfungsstufe spricht man von einer vertikalen Kooperation, bei einer Zusammenarbeit meh-
rerer Unternehmen der gleichen Wertschöpfungsstufe von einer horizontalen Kooperation und bei
Kooperationen mit Unternehmungen ganz anderer Wirtschaftsbereiche von einer lateralen Koopera-
tion.32 Handelsunternehmen gehen demnach bspw. vertikale Kooperationen mit Herstellern ein.
Ebenfalls vertikal ist eine Beziehung des Großhandels mit dem Einzelhandel. Auf der Ebene der hori-
zontalen Kooperation sind Einkaufsgemeinschaften zu nennen. Laterale oder auch konglomerate
bzw. diagonale Verbindungen sind branchenübergreifende Kooperationen und werden meist zu Lo-
gistikdienstleistern, Finanzinstituten, IT-Dienstleistern etc. eingegangen. Ziele solcher Kooperationen
liegen in der Verbesserung der Wettbewerbsposition oder im Ausgleich eigener Kompetenzdefizite.
Die Notwendigkeit, Kooperationen einzugehen, seien sie vertikaler, horizontaler oder lateraler Art,
wird aufgrund der zunehmenden Dynamik und der Komplexität des Marktumfeldes, die für das ein-
zelne Unternehmen nur schwer zu bewerkstelligen sind, in Zukunft von zentraler Bedeutung sein.33

2.3        Zukunftsforschung

Die Anfänge der Zukunftsforschung, die eine relativ junge wissenschaftliche Disziplin darstellt, gehen
auf die 1940er Jahre in den USA zurück. Gerade aufgrund der Dynamik des Marktumfeldes und der
steigenden Wettbewerbsintensität nimmt die Zukunftsforschung eine immer größere Bedeutung für
Unternehmen ein, um frühzeitig auf zukünftige Veränderungen der externen Umwelt und der Unter-
nehmensinnenwelt reagieren zu können.34

29
      Vgl. Corsten/Gabriel (2004), S. 3; Hertel et al. (2005), S. 167.
30
      Corsten/Gössinger (2008), S. 11. Für eine detaillierte Beschreibung der unterschiedlichen Formen von
      Netzwerken siehe Zentes et al. (2005), S. 379-403.
31
      Friese definiert Kooperation als „… freiwillige Zusammenarbeit von rechtlich selbständigen Unternehmen,
      die ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit partiell zugunsten eines koordinierten Handelns aufgeben, um an-
      gestrebte Unternehmensziele im Vergleich zum individuellen Vorgehen besser erreichen zu können.“ Friese
      (1998), S. 64.
32
      Vgl. Bruhn (2005), S. 1290; Bullinger et al. (2003), S. 112f.
33
      Vgl. Müller-Hagedorn (2005), S. 1306-1308.
34
      Vgl. Göpfert (2012), S. 1f.
                                                                                                            6
2.3.1 Die Bedeutung der Zukunftsforschung

Der Zukunftsforschung wird aktuell immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt, was sich unter anderem
anhand der Zunahme des wissenschaftlichen Interesses an deutschen Universitäten feststellen
lässt.35 Die Zukunft in das unternehmerische Entscheidungskalkül einfließen zu lassen, ist heutzutage
aufgrund der bereits angesprochenen Dynamik der Märkte zwingend notwendig.36 Es geht bei der
Zukunftsforschung, die im Gegensatz zur Trendforschung auf langfristige Entwicklungen ausgerichtet
ist, um die Betrachtung verschiedener Veränderungen und möglicher Störereignisse, die sich auf
Unternehmen, Märkte und Produkte auswirken können.37 Die unternehmerischen Entscheidungen in
den betriebswirtschaftlichen Teilbereichen, wie bspw. die Ressourcenbeschaffung, Produktion oder
Produktentwicklung, werden zwar heute getroffen, haben jedoch auch Auswirkungen auf die Zukunft
und sollten daher unter Berücksichtigung zukünftiger Veränderungen getroffen werden. „Damit ist
Wirtschaften stets ein zukunftsbezogenes Problem.“38 Ziel ist es, diese Veränderungen frühzeitig zu
erkennen, um gegenüber der Konkurrenz einen Wissensvorsprung zu generieren.39

2.3.2     Zukunftsforschungsmethoden

Nachfolgend wird der Fokus auf diejenigen Zukunftsforschungsmethoden gelegt, die hauptsächlich in
aktuell durchgeführten Zukunftsstudien verwendet werden. Auf eine tiefgegliederte Systematisie-
rung der Methoden wird daher verzichtet. Grundsätzlich lassen sich jedoch quantitative Methoden,
welche sich auf mathematisch statistische Verfahren stützen und qualitative Methoden, die auf ei-
nem intuitiven bzw. diskursiven Vorgehen basieren, unterscheiden.

Die mathematisch statistischen Verfahren, wie bspw. die Zeitreihenanalyse, beruhen auf Vergangen-
heitswerten. Ohne Berücksichtigung anderer Einflussfaktoren werden die aus der Vergangenheit
gewonnenen Daten in die Zukunft projiziert. Diese relativ einfache Methode stößt bei komplexeren
Untersuchungen allerdings schnell an ihre Grenzen. Die Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren
findet Anwendung in multivariaten Verfahren bzw. Regressionsverfahren. Hier bestehen Kausalver-
knüpfungen zwischen Einflussgrößen und den zu prognostizierenden Variablen.40 An den Defiziten
der quantitativen Methoden, die auf „… sehr unzulänglichen Daten, bloßen Vermutungen und häufig
unreflektierten, subjektiven Wertungen …“41 aufbauen, knüpfen die qualitativen Methoden an. Diese
weisen überwiegend verbale Beschreibungen zukünftiger Ereignisse auf. Die zahlenmäßige Betrach-
tung spielt – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle.42 Hervorzuheben sind insbesondere
die Szenario- sowie die Delphi-Technik, denen eine immer größere Bedeutung beigemessen wird.43
Die Delphi-Technik oder Delphi-Methode, deren Name dem Orakel von Delphi geschuldet ist, basiert
auf subjektiv-intuitiven Einschätzungen und stellt eine Form der sukzessiven Expertenbefragung dar.
Sie findet Anwendung bei komplexen, mit hoher Dynamik behafteten Problemstellungen. Das Be-

35
     Vgl. Tiberius (2011a), S. 23.
36
     Vgl. Tiberius (2011b), S. 91.
37
     Vgl. Neu (2005), S. 99.
38
     Tiberius (2011b), S. 91.
39
     Vgl. Müller-Stewens/Müller (2009), S. 239.
40
     Vgl. Göpfert (2012), S. 13-32.
41
     Steinmüller (1995), S. 28.
42
     Vgl. Jung (1999), S. 88.
43
     Vgl. Horx (2003), S. 4.
                                                                                                   7
sondere an dieser Form der Expertenbefragung ist, dass eine kritische Reflexion der Antworten durch
die Experten selbst erfolgt. Das Verfahren der Delphi-Befragung ist in mehrere Runden aufgegliedert.
In einem ersten Schritt werden Fachleute anonym mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens zu
zukünftigen Sachverhalten oder Entwicklungen befragt. Die ausgewerteten Ergebnisse werden den
Experten erneut vorgelegt und bei Abweichung vom allgemeinen Konsens um eine Begründung der
Meinung gebeten. Durch die zum Teil mehrfachen Wiederholungen der Befragung wird das Ziel ver-
folgt, letztendlich eine Einstimmigkeit unter den Experten zu erreichen.44 Trotz der hohen Qualität,
die durch solch eine Befragungsmethode generiert werden kann, sollte stets bedacht werden, dass
auch Fachleute mit einem profunden Wissen in ihrem Spezialgebiet nicht unbedingt die richtigen
Schlüsse für die Zukunft ziehen müssen, wodurch stets eine kritische Reflexion der Ergebnisse erfor-
derlich ist.45

                                                                             X    Extremszenario A

                                                                            X         Trendszenario

                                                                             X    Extremszenario B

              Gegenwart                                                 Zukunft

                               Abbildung 2: Das Trichtermodell der Szenario-Technik
                                   Quelle: In Anlehnung an Göpfert (2012), S. 25.

Die Szenario-Technik, die ursprünglich für militärstrategische Zwecke entwickelt wurde, wird heutzu-
tage zur Wissensgenerierung über die zukünftige Entwicklung des Unternehmensumfeldes einge-
setzt. Die Charakteristik der Szenario-Methode ist durch ein Denken in Alternativen gekennzeichnet.
Dabei werden zwei Extremszenarien sowie ein Trendszenario abgebildet. Anhand der Form eines
Trichters wird die Unsicherheit bzgl. der zukünftigen Entwicklungen ausgedrückt. Je ferner der Zeit-
punkt der Zukunftsbetrachtung liegt, desto größer werden die Abweichungen zwischen den beiden
Extremszenarien. Anhand der Graphik in Abb. 2 wird dieser Zusammenhang dargestellt.46

Insgesamt lassen sich bei der Szenario-Methode fünf aufeinander folgende Phasen unterscheiden.
Zunächst erfolgt eine Strukturierung und Definition des Untersuchungsfeldes mit einer anschließen-
den Analyse sowie einer darauf aufbauenden Zukunftsprojektion der entscheidenden Faktoren. Die
prognostizierten Entwicklungsverläufe der einzelnen Triebkräfte werden im nächsten Schritt zu

44
     Vgl. Göpfert (2012), S. 18-21; Häder (2002), S. 24f.; Tiberius (2011a), S. 69.
45
     Vgl. Häder (2002), S. 27.
46
     Vgl. Göpfert (2012), S. 23-27.
                                                                                                      8
Trend- und Extremszenarien zusammengefasst. Die fünfte und abschließende Phase bildet die Im-
plementierung einer passenden Strategie als Reaktion auf die ermittelten Zukunftsszenarien.47

3         Analyse ausgewählter Zukunftsstudien aus den Bereichen Handel, Logistik und Supply
          Chain Management

In diesem Kapitel werden unterschiedliche Zukunfts- bzw. Trendstudien aus den Bereichen Handel,
Logistik und SCM analysiert. Zu Beginn wird allerdingst zunächst ein kurzer Überblick über den Status
quo im Handel aufgezeigt, bevor anschließend eine Analyse der für den Handel entscheidenden
Rahmenbedingungen vorgenommen wird.

3.1       Status quo im Handel

Faktoren wie Kundenorientierung, Flexibilität oder Innovation sind bislang im Handel nur bedingt
vorzufinden, auch wenn diese Aspekte in der Theorie als notwendige Standards für den Erfolg von
Handelsunternehmen deklariert werden. Hinzu kommt die Tatsache, dass der Wettbewerb längst die
eigenen Branchengrenzen überschritten hat und somit das Ringen um die Kaufkraft des Kunden
deutlich an Intensität zugenommen hat. In den Jahren zwischen 1992 und 2008 war zwar ein Anstieg
der Verkaufsflächen im deutschen Handel um 45% zu verzeichnen, allerdings ist der Handel in der
gleichen Zeit lediglich um 5% gewachsen.48 Die Konsequenz ist eine steigende Anzahl an Insolvenzen
und Geschäftsaufgaben.49 Die jahrzehntelange nicht aufeinander abgestimmte Aufgabenteilung zwi-
schen den Akteuren einer Wertschöpfungskette, vom Rohstofflieferanten über Logistikdienstleister
bis zum Handel, scheint nicht mehr zeitgemäß zu sein, um auf zukünftige Herausforderungen adä-
quat reagieren zu können. Es kann konstatiert werden, dass der Handel schwierigen Zeiten gegen-
übersteht. Umso wichtiger ist es, seine Potenziale effizienter auszuschöpfen als die Wettbewerber,
was zweifelsohne nur durch eine effiziente Kooperation aller SC-Akteure zu bewerkstelligen sein
wird.

47
      Vgl. zu den fünf Phasen der Szenario-Methode ausführlich Göpfert (2012), S. 25-27; Gausemeier et al.
      (2009), S. 62-64.
48
      Vgl. Pietersen (2008), S. 35-38.
49
      Vgl. Eggert (2012), S. 68.
                                                                                                        9
Soziokulturelle                        Ökonomische Rahmenbe-                                Politisch-rechtliche Rah-                                                 Technologische
                                                    Rahmenbedingungen                              dingungen                                          menbedingungen                                                       Rahmenbedingungen

                                                                                                                                                                                                                                                      bzw. Informationsaus-
                                                                                                                                                                                                                               Multi-Channel-Handel
                                                                                                                                                                                    Verkehrs-, Klima- und

                                                                                                                                                                                                                                                       Zunehmende Gefahr
                                                        Convenience- Orien-
                                                        Nachfrageverhalten

                                                                                                                                 Neue Wachstums-

                                                                                                                                                                                                                                                        Komplexer Daten-
                                                         der Konsumenten
                                      Demographischer

                                                                                                                                                                                                            IuK-Technologien
                                                                                              Transportkosten

                                                                                                                                  (BRIC-Staaten)
                                                                                                                Globalisierung

                                                                                                                                                    Local Sourcing
                                                                              Urbanisierung

                                                                                                                                                                                       Energiepolitik
                                                                                                                Zunahme der
                                                                              Zunehmende

                                                                                                                                                                     Wirtschaften
                                                                                                                                                                     Nachhaltiges

                                                                                                                                                                                                                                                          durch Cyber-
                                                           Verändertes

                                                            Wachsende

                                                                                                                                                                                                                                                           Kriminalität
                                                                                                Anstieg der
                                         Wandel

                                                              tierung

                                                                                                                                     märkte

                                                                                                                                                                                                                                                              tausch
                                                                                                                                                                                                                  Neue
Accenture/GfK (2010)                                       X                                                                                                                                                     X                X
CEFU/EBS (2011)                            X               X         X            X                X                X                  X              X                  X                 X                     X                X                       X
Deutsche Post AG (2010)                                                           X                X                X                                 X                  X                 X
Eggert (2011)                              X               X         X                             X                X                  X                                 X                                       X                X
Eggert (2012)                              X               X         X            X                X                X                  X              X                  X                                       X                X
EHI Retail Institute/Fraunhofer IML
                                           X               X                      X                X                X                  X              X                  X                 X                     X                X                       X
(2010)
GCI et al. (2006)                          X               X         X            X                X                X                                 X                  X                 X                     X                X                       X
GCI et al. (2008a)                         X               X         X            X                X                X                  X              X                  X                 X                     X                                        X
GCI et al. (2008b)                         X               X         X            X                X                X                                 X                  X                 X                     X                X                       X
GS1 Austria (2011)                         X               X                                       X                                                                                       X                     X                                        X
GS1 Germany (2009)                         X               X         X            X                X                X                                 X                  X                 X                     X                                        X
KPMG (2006)                                X               X         X                                              X                                                                      X                     X                X                       X
KPMG (2011)                                                X                                                                                                                                                     X
PWC (2006)                                 X               X         X
PWC (2011)                                                                                                          X                                                                                            X                X
Shell Deutschland Oil GmbH (2009)                                                                  X                X                                                    X                 X
SMI/PWC (2009)                             X               X                      X                X                X                                 X                  X                 X                     X                                        X
SMI/PWC (2011)                                                                                     X                                                                                                                                                      X         X
ZLU/HDE (2008)                                                                                     X                X                                                    X                                       X                                        X
Zukunftsinstitut/GfK (2006)                X               X         X                                              X                                                    X                                       X                X
                                                                  Tabelle 1: Auswahl betrachteter Zukunftsstudien
                                                                               Quelle: Eigene Darstellung.

                                                                                                                                                                                                                                                                     10
3.2        Zukünftige Herausforderungen für Handelsunternehmen

Handelsunternehmen werden sich in Zukunft mit einer Vielzahl verschiedener externer Entwicklun-
gen, welche signifikanten Einfluss auf die globale und nationale Umwelt haben, auseinandersetzen
müssen. Die sogenannte PEST-Analyse (political, economical, socio-cultural, technological) bietet die
Grundlage, um die verschiedenen Herausforderungen zu kategorisieren. Dabei ist zu beachten, dass
die ökologischen Anforderungen nicht separat aufgeführt werden, sondern in den vier der PEST-
Analyse zugrunde liegenden Kategorien enthalten sind. Des Weiteren ist zu konstatieren, dass sich
die Anforderungen nicht zwingend nur aus einer Kategorie ableiten lassen, sondern vielmehr das
Zusammenspiel der unterschiedlichen Rahmenbedingungen die Herausforderungen des Handels
bilden.
Tab. 1 bietet eine Übersicht der wichtigsten betrachteten Zukunftsstudien und zeigt auf, welche zu-
künftigen Herausforderungen jeweils thematisiert werden. Der PEST-Analyse folgend wird hierbei
eine Einteilung in soziokulturelle, ökonomische, politisch-rechtliche und technologische Rahmenbe-
dingungen vorgenommen.

3.2.1      Soziokulturelle Herausforderungen

Der demographische Wandel und die damit verbundenen soziokulturellen Veränderungen werden
künftig eine bedeutende Rolle im Bereich des Handels spielen. Die Bevölkerungszahl Deutschlands
wird laut der Studie „Trends im Handel 2010“ von ca. 83 Mio. Menschen in den nächsten 40 Jahren
auf ca. 75 Mio. Menschen sinken, wobei der Anteil älterer Bevölkerungsschichten, als Folge der er-
höhten Lebenserwartung, deutlich ansteigen wird.50 Ob sich das Bewusstsein der älteren Generation
dahingehend ändert, den erreichten Lebensstandard auch zu genießen und das Vermögen nicht nur
zu sparen bzw. zu vererben, ist nicht eindeutig zu sagen. Die betrachteten Studien treffen in diesem
Punkt teilweise unterschiedliche Annahmen. Es ist allerdings einheitlich ersichtlich, dass diese Alters-
gruppe in der Zukunft immer attraktiver für Handelsunternehmen wird und diese sich somit speziell
auf deren Bedürfnisse einstellen müssen.51
Kleinere und leichter handhabbare Verpackungseinheiten, ein erhöhtes Interesse an Wellness-, Ge-
sundheits-, und Convenience-Themen52 werden die zukünftige Nachfrage vor allem bei Senioren
bestimmen.53 Die Absätze von entsprechenden Handels- oder Produktsegmenten werden sich welt-
weit in den nächsten Jahren vervielfachen.54 Neben dem demographischen Wandel können als wei-
tere Treiber der Convenience-Orientierung von Konsumenten die zunehmende Anzahl an Single-
Haushalten, bei denen der Aspekt der Zeitersparnis im Vordergrund steht, die zunehmende Erwerbs-
tätigkeit bei Frauen sowie eine fortschreitende Synthese von Arbeit und Freizeit identifiziert wer-
den.55 In diesem Zusammenhang gewinnen sogenannte Konsumgüterabonnements immer mehr an
Bedeutung. Der Kunde wird zukünftig aufgrund eines zunehmenden Zeitmangels vermehrt die Mög-

50
      Vgl. KPMG (2006), online.
51
      Vgl. exemplarisch Eggert (2012), S. 10; PWC (2006), S. 7.
52
      Die wörtliche Übersetzung „Bequemlichkeit“, kombiniert mit der Maßgabe der jederzeitigen, schnellen und
      einfachen Verfügbarkeit eines Produktes aus Kundensicht, kann als Definition für Convenience herangezo-
      gen werden. Vgl. Auer/Koidl (1997), S. 12.
53
      Vgl. GS1 Germany (2009), S. 13.
54
      Vgl. GS1 Austria (2011), S. 4.
55
      Vgl. KPMG (2006), S. 30; ähnlich auch Eggert (2011), S. 58.
                                                                                                          11
lichkeit einer regelmäßigen Belieferung mit Konsumgütern des täglichen Bedarfs in Anspruch neh-
men. Der Convenience-Gedanke ist also nicht nur auf das Produkt zu beziehen, sondern auch auf den
dazugehörenden Service. Gerade ältere Menschen benötigen beim Einkauf eine höhere Aufmerk-
samkeit bei der Beratung und Betreuung durch die Mitarbeiter der Handelsunternehmen. Die senio-
rengerechte zeitintensive Betreuung durch die Mitarbeiter könnte vermehrt durch eine effizientere
und schnellere Warenverteilung aufgefangen werden.56 Auch die Mobilität nimmt im Seniorenalter
ab, was dazu führen wird, dass vor allem diese Kundengruppe für gewisse Produkte keine Geschäfte
mehr aufsuchen möchte, um die Bedürfnisse zu befriedigen, sondern sie werden erwarten, diese bis
nach Hause geliefert zu bekommen. Eine Konsequenz stellt die Direkt- bzw. Nahversorgung dar, die
im Fokus von Herstellern, Handel und Logistikdienstleistern stehen wird, die mit passenden koopera-
tiven Konzepten darauf reagieren müssen. Eine in den Studien oft diskutierte Lösung beschreibt die
Revolutionierung des „Tante Emma“ Ladens.57 Vertrautheit, Nähe und Überschaubarkeit sind wichti-
ge Eigenschaften, die in der Gesellschaft von Morgen eine immer bedeutendere Rolle einnehmen
werden.58 Dabei ist das sogenannte „Tante Emma“ Konzept nicht als 1-Personen-Geschäft zu verste-
hen. Die Nahversorgung der Konsumenten geht einher mit kleineren Ladenformaten und Sortimen-
ten, woraus der Trend resultiert, dass Bestellmengen durch die Senkung der Ladenfläche weiter re-
duziert und Anlieferungen durchschnittlich kleiner werden, was keine kostenoptimale Entwicklung
für den Handel bedeutet. In diesem Zusammenhang kann konstatiert werden, dass großflächige Ver-
brauchermärkte auf der „grünen Wiese“ zunehmend an Attraktivität verlieren werden.59
Derartige Handelsstrukturen inkl. Ihrer Belieferungsmechanismen werden – durch den Megatrend
Urbanisierung verstärkt – immer komplexer und schwieriger. Bereits heute leben in Deutschland
bspw. drei Viertel und weltweit insgesamt 50% der Gesamtbevölkerung in Städten und Ballungsge-
bieten. Dieser Trend wird aus Gründen von kürzeren Wegen zum Arbeitsplatz, Kulturangeboten etc.
in Zukunft weiter zunehmen, wodurch neue Geschäfte und damit zusätzliche Belieferungspunkte
notwendig werden.60 Die Belieferung des stationären Handels wird zu einer der größten Herausfor-
derungen für die komplette SC. Vor allem in den Bereichen Transport, Lagermanagement, Qualitäts-
sicherung und Distributionslogistik entstehen neue Herausforderungen. Eine kleinvolumigere Distri-
bution wird erforderlich, um auf die individuellen Kundenwünsche reagieren zu können. Die Kunden-
zufriedenheit wird dabei von der jederzeitigen Warenverfügbarkeit, die mit Sicherheitsbeständen
einhergeht, abhängen, was eigentlich dem Trend der niedrigen Volumina widerspricht. Diese Ent-
wicklung sollte jedoch nicht ausschließlich als negative Einschränkung für den Handel gesehen wer-
den. Durch innovative Konzepte und Dienstleistungen bieten sich auch Chancen, sich von anderen
Unternehmen zu differenzieren und vor allem Kostenvorteile zu realisieren.61
Auf der unternehmensinternen Seite hat der demographische Wandel eine Verknappung der Res-
source Personal zur Folge. Gut qualifizierte Mitarbeiter sowie deren Aus- und Weiterbildung in sämt-
lichen Bereichen können für Handelsunternehmen ein entscheidendes Differenzierungspotenzial
gegenüber Wettbewerbern darstellen. Hinzu kommt die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die immer
mehr an Bedeutung gewinnt. Soziale Faktoren wie ein ausgewogenes Verhältnis der Work-Life-

56
     Vgl. CEFU/EBS (2011), S. 43, 46.
57
     Vgl. EHI Retail Institute/Fraunhofer IML (2010), S. 34-37; GCI et al. (2010), S. 25.
58
     Vgl. Zukunftsinstitut/GfK (2006), S. 25f.
59
     Vgl. PWC (2006), S. 27.
60
     Vgl. GCI et al. (2006), S. 13; GS1 Germany (2009), S. 17.
61
     Vgl. CEFU/EBS (2011), S. 32.
                                                                                                 12
Balance erschweren neue Lösungen, die im Zuge der Dynamik der Märkte erforderlich werden.62
Zudem stellt der Mangel an LKW-Fahrern schon heute einen Engpass in der Logistik dar, der sich in
Zukunft auf weitere Bereiche ausdehnen könnte.63
In diesem Kapitel wird das Thema Nachhaltigkeit als Herausforderung für den Handel zuerst aus
soziokultureller Sicht beleuchtet. Ereignisse im Lebensmittelsektor, wie z. B. die Maul- und Klauen-
seuche oder das EHEC-Virus, lassen den Konsumenten immer sensibler werden, was eine zunehmen-
de ökologische Verantwortung des Handels notwendig macht.64 Neben der Wichtigkeit der Qualitäts-
sicherung bekommen Themen wie nachhaltige Beschaffung, Produktion sowie Distribution eine
wachsende Bedeutung.65 Der Mensch strebt nach neuen Werten und Regeln, die die Umwelt auch
für die zukünftige Generation lebenswert machen.66 „Fair Trade“ ist ein Trendthema, das gleicher-
maßen für Hersteller und Handel in den Fokus der Betrachtung rücken sollte. Gerechte Arbeits- und
Lohnbedingungen in der Lieferkette, Energiesparen oder umweltverträgliche Produkte rücken zu-
nehmend in den Fokus der Konsumenten.67 Dadurch wird insbesondere der Trend zum Local Sour-
cing68 verstärkt, da der Konsument bevorzugt Produkte aus seiner Region nachfragt und sich in eini-
gen Fällen gegen Produkte mit einem CO² intensiven Transportweg entscheiden wird.69 Auch wenn
die Nachfrage nach nachhaltigen Konsumgütern mit großer Wahrscheinlichkeit bis 2030 überpropor-
tional ansteigen wird, so wird der Konsument kaum bereit sein, die entstehenden Mehrkosten der
Nachhaltigkeit zu tragen. Unternehmen müssen daher versuchen, auf diese Kundenanforderungen
möglichst kostenneutral zu reagieren.70 Aus den beschriebenen Entwicklungen wird bereits deutlich,
dass der Kunde von Morgen immer anspruchsvoller wird und moralische Überzeugungen in sein Kon-
sumverhalten einbezieht.71 Ob der Handel aber schon kurz- bis mittelfristig Maßnahmen für mehr
Nachhaltigkeit ergreifen wird, darf bezweifelt werden. Laut der Studie „Trends in der Handelslogistik
2010“ leiten bislang nur wenige der befragten Handelsunternehmen Schritte zu einer nachhaltigeren
Logistik ein, auch wenn das Thema als wichtig empfunden wird.72 In der Studie „Megatrends der
Handelslogistik 2008“ wird Nachhaltigkeit sogar als Pseudotrend beschrieben. Nachhaltigkeit ist also
nicht der Treiber für Veränderungen wie bspw. Produktbündelung oder verbesserte Auslastung,
vielmehr geht es Unternehmen innerhalb der SC um Kostenminimierung, wobei die daraus resultie-
rende ökologische Logistik einen Mitnahmeeffekt darstellt, der dann als Ansporn für die genannten
Maßnahmen verkauft werden kann.73 In der Kommunikation des Handels gegenüber den Endver-
brauchern zu den Themen Verantwortung und Nachhaltigkeit wird das Thema Transparenz in der
gesamten SC zum entscheidenden Kriterium.74

62
     Vgl. GS1 Germany (2009), S. 20.
63
     Vgl. GS1 Germany (2009), S. 17.
64
     Vgl. Beinstein/Maurer (2002), S. 65.
65
     Vgl. GCI et al. (2006), S. 13.
66
     Vgl. Eggert (2011), S. 35.
67
     Vgl. Berg et al. (2011), S. 15.
68
     Die Beschaffungsaktivitäten konzentrieren sich auf das „vor Ort“ vorhandene Lieferanten- oder Dienstleis-
     tungspotenzial.“ Göpfert (2000), S. 206.
69
     Vgl. GS1 Germany (2009), S. 13.
70
     Vgl. CEFU/EBS (2011), S. 15; ähnlich auch Eggert (2011), S. 36f.
71
     Vgl. Berg et al. (2011), S. 15.
72
     Vgl. EHI Retail Institute/Fraunhofer IML (2010), S. 28-31.
73
     Vgl. ZLU/HDE (2008), S. 10f.
74
     Vgl. GS1 Germany (2009), S. 13.
                                                                                                           13
Die neuen Werteeinstellungen der Konsumenten, die für den Handel keinesfalls unberücksichtigt
bleiben dürfen, werden in Abb. 3 nochmals anschaulich dargestellt. Insgesamt können vier große
Entwicklungen identifiziert werden.

                                                    Gesundheit/
                                                     Wellness

                                                    Konsument             Ökologisches
                              Fair-Trade
                                                    von morgen            Bewusstsein

                                                    Convenience

                            Abbildung 3: Neue Wertevorstellungen der Konsumenten
                                   Quelle: In Anlehnung an Eggert (2011), S. 46.

3.2.2     Ökonomische Herausforderungen

Die Verknappung der Energieressourcen und der damit verbundene Anstieg des Ölpreises haben
besondere Auswirkungen auf die Lieferkette. Gemäß dem „International Energy Outlook 2007“ wird
der weltweite Energiekonsum bis zum Jahr 2030 um 57% steigen, was die Nutzung von erneuerbaren
Energiequellen langfristig unumgänglich macht.75 Infolgedessen stehen die Transportkosten im Kon-
text des globalen Warenaustausches sowohl heute als auch in Zukunft im Mittelpunkt der logisti-
schen Prozesse und werden als oberste Herausforderung angesehen.76 Als Gründe für die steigenden
Transportkosten können neben den hauptverursachenden steigenden Rohölpreisen gestiegene Per-
sonal- und Sozialkosten sowie Stauzeiten und LKW-Mauten identifiziert werden.77 In allen Studien, in
denen Experten zu der Relevanz der Transportkosten befragt wurden, gab es diesbezüglich einen
einhelligen Konsens.78 Mögliche Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten spiegeln sich in der Verbes-
serung der Transportplanung und -organisation wider. Außerdem spielt die Zeitfenstersteuerung im
Wareneingang eine große Rolle. Die Wartezeit der LKW an der Rampe muss in Zukunft verringert
werden. Eine Reduzierung um bis zu 10% in den nächsten drei Jahren erscheint möglich. Als Reaktion
auf die steigenden Transportkosten werden Kooperationen in verschiedenster Art und Weise in den
Vordergrund rücken.79

75
     Vgl. GCI et al. (2008a), S. 19.
76
     Vgl. Göpfert/Wellbrock (2012b), S. 113f.; Göpfert/Wellbrock (2012f), S. 134f.; Göpfert/Wellbrock (2012g), S.
     409; Göpfert/Wellbrock (2012h), S. 36; Göpfert et al. (2012), S. 7f. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen
     auch EHI Retail Institute/Fraunhofer IML (2010), S. 20.
77
     Vgl. GS1 Germany (2009), S. 16.
78
     Vgl. exemplarisch GS1 Germany (2009), S. 6; SMI/PWC (2009), S. 8f.
79
     Vgl. EHI Retail Institute/Fraunhofer IML (2010), S. 20f.
                                                                                                              14
Die zunehmende Globalisierung wird ebenfalls einen großen Einfluss auf das Konsumverhalten der
Menschen haben. Ein besonders hoher Anstieg der Kaufkraft wird zukünftig von den schnell wach-
senden Nationen wie China oder Indien ausgehen. Der Anteil Chinas an den globalen Konsumausga-
ben wird im Jahr 2014 auf 11% im Gegensatz zu 3,8% in 2005 geschätzt. Die Folge sind große Gewin-
ne dieser Nationen und eine größer werdende Lücke zwischen Industriestaaten und Entwicklungs-
ländern. Der Versuch, die Bedürfnisse dieser schnell wachsenden Länder zu decken, wird Auswirkun-
gen auf die Produktion und Logistik haben.80 „Emerging Markets“, zu denen neben China Volkswirt-
schaften wie Brasilien, Russland und Indien gehören, auch unter dem Begriff der BRIC-Staaten be-
kannt, sehen sich mit einer großen Konsumentenmasse bei einer gleichzeitig langsam wachsenden
Infrastruktur konfrontiert. Spezielle Versorgungsmodelle spielen eine wirtschaftlich große Rolle für
diese Regionen. Durch die immense Marktmacht der dortigen Konsumenten wird es für Handelsun-
ternehmen bei einer Internationalisierung erforderlich, frühzeitig das Produktportfolio sowie Ver-
triebskanäle an die dort herrschenden Marktbedingungen anzupassen.81

Mit der Ausweitung der jederzeitigen Verfügbarkeit von verschiedensten Produkten ist gleichzeitig
ein Gegentrend zur vermehrten Nachfrage nach regionalen Produkten zu erkennen. Auch wenn zur
jetzigen Zeit die finanziellen Vorteile des Global Sourcing82, wie bspw. billigere Löhne, die hiermit
verbundenen Schwierigkeiten, bspw. längere Lieferzeiten oder eine schlechtere Produktqualität,
überwiegen, wird Local Sourcing, auch bedingt durch die erwähnte Veränderung im Nachfrageverhal-
ten, für einige Unternehmen zukünftig mehr als nur eine Alternative darstellen. Weitere Gründe für
eine Verschiebung hin zum Local Sourcing sind in einer globalen CO2-Abgabe zu sehen. Das heißt
allerdings nicht automatisch, dass die Kilometeranzahlen der Transportwege das entscheidende Kri-
terium zu Lasten der Emissionen sind. Die Wahl des Transportmittels stellt in Zukunft einen entschei-
denden Faktor beim CO2-Ausstoß und zur Minimierung der Transportkosten dar.83 Bei der Wahl des
Transportmittels darf aber selbstverständlich auch der Faktor Geschwindigkeit nicht unbeachtet blei-
ben.84 Kosten, Geschwindigkeit, Termintreue, Flexibilität und Netzdichte werden mehr denn je die
signifikanten Faktoren für den richtigen Transportmix darstellen.85
Die Schwierigkeiten der Steuerung einer globalen SC werden durch die bereits beschriebenen demo-
graphischen Entwicklungen weiter verstärkt. Der Mangel an Führungskräften, die aufgrund der zu-
nehmenden weltweiten Vernetzung neue Qualifikationen und Fähigkeiten benötigen, wird als eine
Top-Herausforderung bei der Steuerung und Organisation globaler SCs gesehen.86
Weiterhin ruft die Dynamisierung der Märkte ein höheres Maß an Flexibilität hervor. Unternehmen
müssen kurzfristig auf Preis- und Nachfrageveränderungen reagieren können. Dies hat zur Folge, dass
Warenbestände schneller anzupassen sind, um geringere Bestandskosten zu erreichen. Zudem ist
eine höhere Flexibilität nur schwer vereinbar mit einer Automatisierung von Lagerabläufen. Laut der

80
     Vgl. GCI (2008a), S. 12.
81
     Vgl. CEFU/EBS (2011), S. 42.
82
     „Das Unternehmen nutzt das weltweite Beschaffungspotenzial aus. Es wählt die im Weltmaßstab ‚besten‘
     Lieferanten oder Dienstleister aus.“ Göpfert (2000), S. 206.
83
     Vgl. IBM (2009), S. 24-26. Bspw. ist der Transportweg für Produkte von China nach Deutschland 5.000 km,
     von Osteuropa nach Deutschland nur 700 km lang. Allerdings ist das Potenzial für Emissionssenkungen auf-
     grund des Transportmittels Schiff aus China im Vergleich zum LKW aus Osteuropa geringer als erwartet. Vgl.
     Deutsche Post AG (2010), S. 83.
84
     Vgl. Deutsche Post AG (2010), S. 89.
85
     Vgl. Hertel et al. (2011), S. 196.
86
     Vgl. IBM (2010), S. 27.
                                                                                                            15
Studie „Trends in der Handelslogistik 2010“ geben 89% der befragten Experten an, eine veränderte
Kommissionierung bereits durchzuführen bzw. zu planen. Knapp 80% der Experten erachten die Be-
deutung der aktuellen und zukünftigen konjunkturellen Lage als wichtig bzw. sehr wichtig für die
weitere Entwicklung. Die Ausfallsicherheit von Dienstleistern, die Kraftstoffpreise und vor allem die
Preis- und Nachfrageänderungen stehen in direkter Verbindung zur Konjunktur.87
Der Einzelhandel im engeren Sinne erwirtschaftet knapp 20% des Bruttoinlandsproduktes (BIP), wäh-
rend knapp 30% des privaten Konsums dem Handel zuzurechnen sind. Anders ausgedrückt heißt das,
dass 70% des privaten Konsums nicht in Konsumgüter investiert werden. Dieselbe Statistik belegt,
dass der Einzelhandelsumsatz zwischen 1992 und 2008 um nur ca. 8% gestiegen ist, während der
private Konsum ein Wachstum von 48% aufweist. Für die entstandene Lücke, die für den Handel in
etwa 150 Milliarden Euro ausmacht, sind zu einem großen Teil die soziokulturellen Entwicklungen
verantwortlich. Hinter den übrigen Ausgaben stehen vor allem Dienstleistungen. Das Motto „Nutzen
statt Besitzen“ bekommt in Zeiten knapper Einkünfte immer mehr Bedeutung und stellt den Handel
vor eine große Herausforderung. Es ist keine Seltenheit mehr, dass bspw. Bilder oder Möbel für die
eigenen vier Wände geleast und nicht gekauft werden. Dieser Trend wird voraussichtlich auch in
Zukunft weiter anhalten. Auch durch die Erhöhung der Sparquote wird das Konsumwachstum mit
dem BIP-Wachstum nicht mithalten können.88

3.2.3     Politisch-rechtliche Herausforderungen

Durch die wachsende Urbanisierung und die damit verbundene Verkehrsdichte in Städten und Bal-
lungsgebieten besteht zunehmend Bedarf an einer Entzerrung und Optimierung des innerstädtischen
Verkehrs.89 Ausgelöst durch diesen Trend stehen Themen wie die Ausweitung von Umweltzonen, die
Einführung einer City-Maut und Restriktionen bei der Innenstadtbelieferung in der politischen Dis-
kussion und vergrößern somit den Handlungsdruck auf die Hersteller sowie Logistik- und Handelsun-
ternehmen gleichermaßen.90 Die „Congestion Charge“91 in London oder die Längen- und Gewichtsbe-
schränkung für LKW bei der Belieferung der Innenstadt Amsterdams sind nur zwei Beispiele dafür,
wie solche Restriktionen in Zukunft auch in anderen Großstädten aussehen können.92
Bei der Innenstadtbelieferung setzen Handelsunternehmen zunehmend auf Kooperationen. Soge-
nannte Urban Hubs sind infrastrukturoptimierte Logistikstandorte, die Warenströme unterschiedli-
cher Handelsformate bündeln und konsolidieren, um von da aus die Waren in die Filialen, Shops oder
nach Hause zum Konsumenten zu distribuieren.93 Die dadurch entstehenden zusätzlichen Abwick-
lungskosten mit Partnern werden durch eine gleichzeitige Reduzierung von Mautgebühren oder
„Congestion Charge“ relativiert.94
Im Kontext der City-Logistik ist es außerdem denkbar, dass Regierungen einzelnen Logistikdienstleis-
tern Monopolstellungen für die Belieferung bestimmter Stadtteile einräumen. Aufgrund entspre-

87
     Vgl. EHI Retail Institute/Fraunhofer IML (2010), S. 22-25; GS1 Germany (2009), S. 10f.
88
     Vgl. Eggert (2011), S. 39-47.
89
     Vgl. Deutsche Post AG (2010), S. 98.
90
     Vgl. EHI Retail Institute/Fraunhofer IML (2010), S. 36-39; GCI et al. (2008b), S. 14.
91
     Die „Congestion Charge“ ist eine Innenstadtmaut aufgrund einer zu hohen Verkehrsdichte. Vgl. GCI et al.
     (2008a), S. 20.
92
     GCI et al. (2008a), S. 20.
93
     Vgl. Auffermann (2010), S. 45.
94
     Vgl. GCI et al. (2008a), S. 29.
                                                                                                         16
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