25 Jahre TransFair HANDEL NEU DENKEN: Eine Festschrift für die und von den Mitgliedsorganisationen

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25 Jahre TransFair HANDEL NEU DENKEN: Eine Festschrift für die und von den Mitgliedsorganisationen
HANDEL NEU DENKEN:

25 Jahre
TransFair
Eine Festschrift für die und von
den Mitgliedsorganisationen
25 Jahre TransFair HANDEL NEU DENKEN: Eine Festschrift für die und von den Mitgliedsorganisationen
Die Mitgliedsorganisationen
machen den fairen Handel stark –
wir sagen Danke für
25 Jahre Unterstützung!
25 Jahre TransFair HANDEL NEU DENKEN: Eine Festschrift für die und von den Mitgliedsorganisationen
Inhalt                                                                                                                                           GruSSwort
                                                                                                                                                 Bundespräsident a.D. Horst Köhler

                                                                                                                                                 TransFair hat zum 25-jährigen Bestehen allen Grund zum Feiern: Nach einem Vierteljahrhun-
Grusswort ································································································································· 3
                                                                                                                                                 dert überschreiten die Umsätze mit Fairtrade-zertifizierten Produkten erstmals die Milliarden-
Bundespräsident a.D. Horst Köhler                                                                                                                grenze. Heute kennt die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger das Fairtrade-Siegel und es
                                                                                                                                                 gibt bundesweit über 7.000 verschiedene Fairtrade-Produkte. Eines davon nahm ich 2005
Vorwort ···································································································································· 4   persönlich in Empfang. Als Bundespräsident durfte ich in Berlin die ersten fair gehandelten
                                                                                                                                                 Rosen aus Afrika meiner Frau überreichen. Und so freue ich mich sehr darüber, dass inzwi-
Heinz Fuchs, Vorsitzender des Aufsichtsrates TransFair e.V.
                                                                                                                                                 schen jede vierte Rose in Deutschland von einer Fairtrade-Blumenfarm stammt.

Rückblende Jahresbericht 1993 ·································································································· 6               Die eigentliche Erfolgsgeschichte von TransFair lässt sich aber nicht nur darin bemessen,
                                                                                                                                                 auf wie vielen Produkten wie Blumen, Tee, Bananen oder Textilien ein Fairtrade-Logo
                                                                                                                                                 prangt. Vor allem ist in den vergangenen Jahren auch ein größeres gesellschaftliches
Fairtrade in Zahlen ···················································································································· 8
                                                                                                                                                 Bewusstsein für die globale Tragweite unseres Konsumverhaltens entstanden. Immer
                                                                                                                                                 mehr Menschen spüren, dass ein Wirtschaftsmodell, welches die wirklichen Kosten von
Kräftig feiern, schlagkräftig handeln!                                                                                                           Produkten auf andere Erdteile, auf die Umwelt und auf die nächsten Generationen abwälzt,
Texte und Interviews der Mitgliedsorganisationen I ·································································· 9                          langfristig nicht tragbar ist. Und immer mehr Menschen sind bereit, mit ihrem eigenen Ver-
Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Nordrhein-Westfalen (AEJ-NRW),                                                                   halten zu einer ehrlicheren und damit gerechteren globalen Ökonomie beizutragen.
Bund der Katholischen Jugend, Brot für die Welt, Christliche Initiative Romero,
Deutsches Institut für Ärztliche Mission, Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg,                                                                 Diese Erfolge sind nicht zuletzt Ergebnis des unermüdlichen Engagements der Mitarbeiter-
Friedrich-Ebert-Stiftung, Global Nature Fund, Katholische Arbeitnehmer-Bewegung                                                                  innen und Mitarbeiter von TransFair und seinen Mitgliedsorganisationen. Neben der Zusam-
                                                                                                                                                 menarbeit mit Akteuren aus Handel und Politik hat sich vor allem das zivilgesellschaftliche
                                                                                                                                                 Engagement als unverzichtbar erwiesen. Die 31 Mitgliedsorganisationen sind das Funda-
Interview ································································································································· 18   ment von TransFair und erreichen über ihre Netzwerke Millionen Bürgerinnen und Bürger.
Manfred Holz, Fairtrade-Ehrenbotschafter                                                                                                         Sie bringen den Gedanken und die Bedeutung des fairen Handels und unserer Verantwor-
                                                                                                                                                 tung für einen nachhaltigen Konsum unter die Menschen und prägen damit die Zukunft
                                                                                                                                                 unserer Gesellschaft.
25 Momente – 25 Jahre TransFair ······························································································32
                                                                                                                                                 Ihnen allen gebührt an diesem 25. Jubiläum von TransFair unser aufrichtiger Dank. Ich gra-
Fairer Handel: Aktuell wie nie!                                                                                                                  tuliere Ihnen von ganzem Herzen.
Texte und Interviews der Mitgliedsorganisationen II ······························································· 34
                                                                                                                                                 Mein Geburtstagswunsch: Dass die Erfolgsgeschichte von TransFair Sie alle motiviert, auch
Kirchlicher Entwicklungsdienst der ev.-luth. Landeskirchen in Braunschweig
                                                                                                                                                 in diesen bewegten Zeiten nicht zu verzagen. Gerade jetzt, in Zeiten des aufkeimenden
und Hannovers, Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands, Katholische
                                                                                                                                                 Nationalismus, Egoismus und Protektionismus, brauchen wir aktive Streiter für eine partner-
Landjugendbewegung Deutschlands, Kindernothilfe, Misereor,
                                                                                                                                                 schaftliche Welt und eine faire Welthandelsordnung. Ich bin überzeugt: Es lohnt sich, für
Neusser-Eine-Welt-Initiative, Oikocredit, terre des hommes, Die Verbraucher Initiative,
                                                                                                                                                 eine Welt zu kämpfen, in der alle Menschen ein Leben in Würde führen können, und nicht
Welthungerhilfe
                                                                                                                                                 die einen auf Kosten der anderen konsumieren – eine Welt, in der irgendwann dann auch
                                                                                                                                                 die Fairness keines separaten Logos mehr bedarf.
Auch wir unterstützen TransFair
Kurzdarstellungen weiterer Mitgliedsorganisationen ···························································· 58

                                                                                                                                                 Prof. Dr. Horst Köhler,
                                                                                                                                                 Bundespräsident a.D.

2   Inhalt                                                                                                                                                                                                                                        Grußwort   3
25 Jahre TransFair HANDEL NEU DENKEN: Eine Festschrift für die und von den Mitgliedsorganisationen
Vorwort
Heinz Fuchs, Vorsitzender des Aufsichtsrates TransFair e.V.

                                Viele kleine, große und allesamt mutige Schritte engagierter Menschen, Organisationen und         wenige Beispiele zu nennen – haben wesentlich dazu beigetragen, dass Fairtrade wirkt.
                                Initiativen haben seit Ende der 1960er Jahre den fairen Handel in Deutschland begründet,          Voraussetzung dafür sind entsprechende Absatzmengen, die den fairen Handel zu einem
                                ihn auf den Weg gebracht und zu einer einzigartigen Erfolgsgeschichte gemacht. Die Über-          effektiven Modell der Entwicklungsförderung machen. Gleichzeitig hat die Fairhandelsbewe-
                                windung des Nord-Süd-Konflikts und der extremen globalen Ungleichheit, gleichberechtigte          gung in Deutschland ganz erheblich die Debatte um Lebensstilfragen, Lieferkettenverant-
                                Teilhabe am Welthandel und partnerschaftlicher Handel statt Almosen zur Beseitigung               wortung von Unternehmen und nachhaltiges Wirtschaften befördert.
                                von Armut und Unterentwicklung waren und sind Motivation und Triebkraft. Als 1991 der
                                Verein „AG Kleinbauernkaffee e.V.“ von zehn Organisationen gegründet wurde*, war es               2009 erhielt TransFair beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis die Einzelauszeichnung in der
                                erklärtes Ziel, den fairen Handel über die damals etwa 300 Weltläden und mehrere Tausend          Kategorie „Deutschlands nachhaltigste Dienstleistung“ und 2013 wurde der Verein mit dem
                                Aktionsgruppen hinaus auf den Lebensmitteleinzelhandel auszuweiten. Die GEPA, 1973 als            Oswald-von-Nell-Breuning-Preis der Stadt Trier ausgezeichnet – Auszeichnungen, welche
                                Importeur fair gehandelter Produkte gegründet, war zentraler Akteur der Initiative und in der     auch das kontinuierliche, glaubwürdige und facettenreiche Wirken der Mitgliedsorganisatio-
                                AG Kleinbauernkaffee beratend tätig. Mitte 1992, als die Umbenennung in TransFair e.V.            nen würdigen. Fairtrade ist längst als weltweites Netzwerk zu einer globalen Partnerschafts-
                                erfolgte, zählte die AG bereits 22 Mitgliedsorganisationen. Dazugekommen waren u.a. die           initiative geworden, bei der die Produzentennetzwerke und die nationalen Fairtrade-Orga-
                                Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend, Brot für die Welt, Kirchlicher Entwicklungs-        nisationen gemeinsam und gleichberechtigt die Entscheidungen treffen. Besonders eng
                                dienst, Bund der Deutschen Katholischen Jugend, Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg,            ist seitens TransFair die Zusammenarbeit im deutschsprachigen Raum im sogenannten
                                Deutsches Institut für Ärztliche Mission, Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands,            DACH, der Fairtrade-Kooperation Deutschland (D), Österreich (A) und Schweiz (CH). Trotz
                                Katholische Landvolkbewegung, Quäker-Hilfe und die Wirtschaftsgesellschaft der Evange-            der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen und dem globalen
                                lischen Mission. An der gemeinsamen Zielsetzung hat sich bis heute nichts geändert: Mit           Klimaabkommen; die Herausforderungen bleiben über die Jahre unverändert. Ganz so wie
                                dem Verein TransFair e.V. wollen die Mitgliedsorganisationen wirtschaftlich benachteiligte        Erhard Eppler, damals Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, es in
                                Kleinbauern und Arbeiter sowie ihre Familien in Asien, Afrika und Lateinamerika auf ihrem         den frühen Jahren des fairen Handels formuliert hat: „Durch den fairen Handel wird die Welt
                                Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung unterstützen, sie fördern und die Lebens- und               nicht von heute auf morgen gerechter und besser. Aber er macht Hoffnung, dort und hier.“
                                Arbeitsbedingungen verbessern.                                                                    Und genau zu solcher Hoffnung wollen die Beiträge dieser Broschüre ermutigen und uns
                                                                                                                                  als Konsumenten, als politisch bewusste Staatsbürger und gesellschaftliche Organisationen
                                Der Verein TransFair handelt nicht selbst mit Waren, er vergibt das Fairtrade-Siegel für fair     stärken. Gerade in Zeiten, wo die Welt aus dem Ruder zu laufen droht und wo Solidarität
                                gehandelte Produkte, die den Anforderungen der internationalen Fairtrade-Standards ge-            und partnerschaftliches Handeln ins Hintertreffen geraten sind, brauchen wir auch nach 25
                                nügen. Fairtrade ist dabei kein statisches Modell, sondern ständiger Dynamik unterworfen,         Jahren TransFair weiterhin solche Hoffnungszeichen – vielleicht mehr denn je.
                                frei nach dem Motto: „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.“ Die ständige Auseinanderset-
                                zung mit den Entwicklungen im Einzelhandel und das Ausloten und Bewerten von Fair-
                                trade-Potentialen hat unter den Mitgliedsorganisationen immer wieder zu intensiven und
                                gleichermaßen konstruktiven Debatten um den „richtigen“ Weg geführt, gleich, ob es um
                                die Einbeziehung des Discounts, neue Produkte, Programme oder um Grundsatzfragen
                                und Marketingstrategien ging. Besser noch als TransFair selbst können die Mitglieder ihr
                                Fairtrade-Engagement mit ihrer projektbezogenen oder politischen Lobbyarbeit verknüpfen.          Heinz Fuchs,
                                Ohne das vielfältige Engagement der Mitgliedsorganisationen in der entwicklungsbezogenen          Vorsitzender des Aufsichtsrates von TransFair e.V.
                                Bildungs-, Informations- und Öffentlichkeitsarbeit sowie der Sensibilisierung für verantwortli-
                                chen Konsum hätte Fairtrade nie den aktuellen Bekanntheitsgrad und die hohe gesellschaft-
                                liche Akzeptanz und breite Unterstützung erreichen können. Ob Initiativen wie „Fair durch
                                das Kirchenjahr“, „Fairer Kaffee in die Kirchen“, „Wen macht die Banane krumm?“, „Zukunft                                                                                                        * Gründungsorganisationen: Aktion Arme
                                einkaufen“, „Fairtrade-Towns“ oder Pfadfinderkluft aus fairer Baumwolle – um nur einige                                                                                                            Welt, AG3WL, Misereor, Frente Solidario
                                                                                                                                                                                                                                   (Costa Rica), Verbraucher Initiative,
                                                                                                                                                                                                                                   Friedrich-Ebert-Stiftung, Christliche Initiative
                                                                                                                                                                                                                                   Romero, Hochschulring d. Katholischen
                                                                                                                                                                                                                                   Studierenden Jugend, Kirchlicher
                                                                                                                                                                                                                                   Entwicklungsdienst (heute: Brot für die Welt
                                                                                                                                                                                                                                   – Evangelischer Entwicklungsdienst) und
                                                                                                                                                                                                                                   DGB-Bildungswerk

4   Vorwort                                                                                                                                                                                                                                                           Vorwort    5
25 Jahre TransFair HANDEL NEU DENKEN: Eine Festschrift für die und von den Mitgliedsorganisationen
Rückblende: Ein Auszug aus dem TransFair-Jahresbericht 1993

6   Rückblende                                                Rückblende   7
25 Jahre TransFair HANDEL NEU DENKEN: Eine Festschrift für die und von den Mitgliedsorganisationen
Fairtrade in Zahlen
  Kaffee – der Klassiker unter den fair gehandelten Produkten – war
  1992 das erste Produkt, das in den Regalen stand. Inzwischen sind
  bundesweit über 7.000 Fairtrade-Produkte in rund 42.000 Verkaufs-                                                                                                                                         Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Nordrhein-Westfalen (AEJ-NRW)

                                                                                                                                                                                                    1.000
                                                                                                                                                                                                            Lasst uns fair grillen,
  stellen verfügbar: in Supermärkten, Discountern, Drogerien und
  Biosupermärkten, in Weltläden und in mehr als 30.000 gastronomi-

                                                                                                                                                                                                    800
  schen Betrieben. 2016 knackten die Umsätze mit Fairtrade-zertifi-
  zierten Produkten erstmals die Milliarde.
                                                                                                                                                                                                            denn die Welt ist ein Dorf!

                                                                                                                                                                              Umsatz in Mio. Euro

                                                                                                                                                                                                    600
                                                                                                                                                                                                            Herzlichen Glückwunsch zu 25 Jahren TransFair. Eine Gelegenheit           die menschenverachtenden Arbeitsbedingungen in der Textilindu-

                                                                                                                                                                                                    400
                                                                                                                                                                                                            kurz innezuhalten und auf eine großartige Zeit zurückzublicken. Hat       strie beklagt haben oder zusammen mit kolumbianischen Partnern
                                                                                                                                                                                                            von dieser Entwicklung jemand zu träumen vermocht? Der Weg                die Bedeutung eines internationalen Freiwilligendienstes in beide

                                                                                                                                                                                                    200
                                                                                                                                                                                                            von TransFair, das Gespür für Trends und der Aufbau des fairen            Richtungen dargestellt haben. Natürlich auch die Broschüre „Faire
                                                                                                                                                                                                            Handels als hochwertiges Siegel sind eine großartige Leistung und         Ferien“, die Tipps für nachhaltige Ferienfreizeiten enthält und die
1992   1993   1994    1995   1996   1997   1998   1999   2000   2001   2002   2003     2004     2005   2006   2007   2008   2009   2010   2011   2012    2013   2014   2015                2016
                                                                                                                                                                                                            wurden mit dem unermüdlichen Einsatz vieler Menschen bei und              Initiative Faires Jugendhaus.
                                                                                                                                                                                                            um TransFair herum erreicht.

                                                                                                                                                                                                            Der faire Handel ist ein wichtiges Thema für die Evangelische Ju-
                                                                                                                                                                                                            gend. In der Seminararbeit werden Welthandelstrukturen beleuchtet
                                                                                                                                                                                                            und Konsummuster und Gewohnheiten kritisch hinterfragt. Nicht
                                                                                                                                                                                                            immer steht der faire Handel dabei im Vordergrund: Der Climate
                                                                                                                                                                                                            Action Day ist keine Kampagne für fair gehandelte Produkte und
                                                                                                                     Den Erfolg von TransFair                                                               doch steht am Ende von vielen Veranstaltungen die Erkenntnis,
                                                                                                               verdanken wir nicht zuletzt dem                                                              dass der faire Handel ein wichtiges Instrument ist, um den Lauf der           Wir sind der Zusammenschluss der Evangelischen Jugend
                                                                                                                 Engagement und der Überzeu-                                                                Welt positiv zu beeinflussen.                                                 in ganz Nordrhein-Westfalen und vertreten die Interessen
                                                                                                                gungskraft unserer Mitglieds-                                                                                                                                             von rund 300.000 Kindern und Jugendlichen. Wir stehen
                                                                                                              organisationen. Sie tragen die Idee                                                           Die Welt ist ein Dorf. Weltweit wird die Globalisierung bemüht, um            für eine Gesellschaft in der Kinder und Jugendliche in der
                                                                                                                des fairen Handels in ihre Netz-                                                            Ereignisse zu beschreiben und die eigene Verantwortungslosigkeit              Mitte stehen, mitreden und mitgestalten. Wir glauben, dass
                                                                                                               werke hinein und stärken so das                                                              zu erklären. Eine Jeans legt im Herstellungsprozess 18.000 Kilome-            jedes Kind ein Geschenk Gottes ist und jeder Mensch als
                                                                                                                                                                                                            ter zurück und geht durch unzählige Hände. Wer soll dabei noch                solches so behandelt werden sollte. Wir bieten politische
                                                                                                                 breite zivilgesellschaftliche
                                                                                                                                                                                                            den Überblick behalten? Vielleicht die 62 Menschen, die über so viel          Vertretung in Kirche und Gesellschaft, damit Kinder und
                                                                                                                        Fundament.
                                                                                                                                                                                                            verfügen können, wie die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung? In der            Jugendliche das bekommen, was sie für ein gelingendes
                                                                                                                                                                                                            Evangelischen Jugend ist die Empörung über herrschende Zustän-                Leben brauchen.
                                                                                                                      Dieter Overath, Geschäftsführender
                                                                                                                                                                                                            de oft der Beginn des Nachdenkens. Dann wollen wir sehen, lernen
                                                                                                                      Vorstandsvorsitzender TransFair e.V.
                                                                                                                                                                                                            und verändern. Wir wollen im Globalen Dorf leben und müssen uns                                      www.aej-nrw.de
                                                                                                                                                                                                            kümmern, damit dieses Leben für alle Menschen gelingt und Gottes
                                                                                                                                                                                                            Schöpfung erhalten bleibt.
  Seit 25 Jahren bei Fairtrade an Bord: Dieter Overath und fairer Kaffee. Foto: Jim Rakete                                                                                                                                                                                            Anfang 2012 erfuhren wir, unter welchen Bedingungen Grillkohle für
                                                                                                                                                                                                            Naheliegend, dass wir uns mit unseren Veranstaltungen befasst             den deutschen Markt hergestellt wurde. Mehrere Medien berich-
                                                                                                                                                                                                            haben: Welches Papier wird verwendet, wie reisen wir an und wel-          teten und informierten über ausbeuterische Kinderarbeit und die
                                                                                                                                                                                                            cher Kaffee wird getrunken? Gibt es faire Schokolade und regionale        rücksichtslose Rodung von tropischen Wäldern zur Holzkohleher-
                                                                                                                                                                                                            Milch? Es wurden Broschüren geschrieben und Methoden zur                  stellung. Wir informierten uns weiter und suchten eine Alternative.
                                                                                                                                                                                                            Bildung und Qualifizierung entwickelt. Der Begriff „Kritischer Kon-       In den Jugendverbänden gehört das Grillen im Sommer zum guten
                                                                                                                                                                                                            sum“ verbreitete sich schnell als Umschreibung für einen bewussten        Ton, dazu kommen unzählige Kirchenfeste und Großveranstaltun-
                                                                                                                                                          1.240
       Seit 1993 wurden                                                              In Deutschland sind über

                                                                                         7.000
       in Deutschland                                                                                                                                                                                       Konsum, der versucht die aktuellen Bedürfnisse mit den vorhan-            gen. Nach einem Jahr waren wir keinen Schritt weiter, denn zu
       Fairtrade-
                             €

                                                                                                                                                                                                            denen Ressourcen und Möglichkeiten in Einklang zu bringen. Viele          98 % wird die Grillkohle für den deutschen Markt importiert. Wir
                             .

       Produkte                                                                                                                                  Produzentenorganisationen in
                       RD

       im Wert                                                                         Fairtrade-Produkte
                                                                                                                                                    75 Ländern                                              Themen wurden dabei bearbeitet: Erdbeeren im Winter oder das              waren ratlos und enttäuscht, denn den Raubbau an Menschen
              6M

       von über               verkauft                                                      erhältlich
                                                                                                                                                                                                            Wasser laufen lassen beim Zähneputzen? Werbematerial als billigen         und Umwelt zu akzeptieren war für uns keine Option. Kurz darauf
                                                                                                                                                                                                            Wegwerfartikel? Nicht immer finden wir zufriedenstellende Antwor-         erfuhren von einem kleinen Projekt auf der südphilippinischen Insel
                                                                                                                                                                                                            ten und tauschen uns mit Partnern und Fachorganisationen aus.             Mindanao. Für den Eigenbedarf werden dort Kokosschalen verkohlt
                                                                                                                                                                                                                                                                                      und dann als Brennmaterial verwendet. Die Kokosschalen entste-
                      Pro Kopf und Jahr geben                                    Produzentenorganisationen
                                                                                                                                                        Seit Beginn wurden                                  Die evangelischen und katholischen Verbände in NRW arbeiten im            hen als Abfall bei der Verarbeitung der Kokosnuss und werden oft
                      Menschen in Deutschland                                          mit insgesamt

                       13 Euro                                                       1,66 Mio.                                                     140.000 T
                                                                                                                                                         Kaffee verkauft
                                                                                                                                                                                                            Themenfeld eng zusammen und entwickeln gemeinsame Formate:
                                                                                                                                                                                                            bspw. das Faire Frühstück im Düsseldorfer Landtag, bei dem wir
                                                                                                                                                                                                                                                                                      auch einfach so abgebrannt, um Platz zu schaffen. Im Gegensatz
                                                                                                                                                                                                                                                                                      zu Baumholz wird die Kokosnuss als Frucht nicht als CO2-Speicher
                     für Fairtrade-Produkte aus                                               Mitgliedern

  8    Fairtrade in Zahlen                                                                                                                                                                                                                                                      Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Nordrhein-Westfalen         9
25 Jahre TransFair HANDEL NEU DENKEN: Eine Festschrift für die und von den Mitgliedsorganisationen
Peter Bednarz, Foto: Anja Lukas-Larsen

                                                                                                               gewertet und ist somit ein CO2-neutrales Ausgangsprodukt. Die              Kooperativen verbessern. Dann werden wir uns sicherlich auch um
                                                                                                               Herstellung der Grillkohle erfolgt vor Ort mit einfachen Maschinen.        eine Fairtrade-Zertifizierung bewerben. Die Faire Kohle zeigt, wie in
                                                                                                               Wir bestellten Produktproben und waren von der Qualität der Bri-           der Jugendverbandsarbeit Gegenwelten entstehen können und sie
                                                                                                               ketts überzeugt: Wir konnten eine hohe Temperatur und eine lange,          somit ihrem ursprünglichen gesellschaftlichen Auftrag nachgeht. In
                                                                                                               gleichmäßige Glut messen. Dabei entfaltet die Grillkohle kaum              dem Projekt steckt ein großes Potenzial weitere Lernfelder zu er-
                                                                                                               Qualm und es bleibt weniger Asche im Grill zurück. Unser Partner           schießen. Die Erfahrungen in diesem Projekt sind für alle Beteiligten
                                                                                                               fand eine Möglichkeit, die Ware vor Ort in Säcke zu füllen und in          prägend und qualifizieren für spätere Aufgaben in anderen Kontex-
                                                                                                               Kartons zu verpacken. So stand der Zusammenarbeit nichts mehr              ten. Verantwortung für sich selbst und seine (weltweite) Umwelt zu
                                                                                                               im Wege. Fünf Tonnen Grillkohle-Briketts wurden in einen Container         übernehmen sowie die eigene Selbstwirksamkeit kennenzulernen,
                                                                                                               verladen und nach Deutschland gebracht.                                    bleiben weiterhin Kern des Projektes.

                                                                                                               Noch bevor die Ware im Hamburger Hafen anlandete war sie ver-              Die Jugendlichen in unseren Strukturen sind oft mit den Grundzü-
                                                                                                               kauft. Wir hatten nicht mal die Zeit die Ware zu kennzeichnen und          gen des fairen Handels vertraut. Fernreisen sind selbstverständlich
                                                                                                               lieferten im geliehenen LKW selbst aus, um rechtzeitig bei Gemein-         geworden und Entsendungsprogramme wie „weltwärts“ oder der
                                                                                                               defesten präsent zu sein. Wir lernten dabei viel über Grillkohle und       „Konkrete Friedensdienst“ (NRW) befördern Bildungsreisen in den
                                                                                                               Logistik. Wir sammelten die Rückmeldungen aus den Gruppen                  globalen Süden. So verändert sich die Bildungsarbeit. „Was ist ge-
                                                                                                               und Verbänden und besprachen mit den beteiligten philippinischen           recht?“, ist keine dogmatische und ein Themenfeld konstruierende
                                                                                                               Kooperativen Verbesserungsmöglichkeiten für das Produkt und                Frage mehr, sondern wird zur Auseinandersetzung mit der eigenen
                                                                                                               in der Zusammenarbeit. Es haben bereits zwei Besuchsreisen auf             Biografie. Gleichzeitig werden durch die Akteure der Nachhaltig-
                                                                                                               die Philippinen stattgefunden, im kommenden Jahr wollen wir eine           keitsszene immer neue Herausforderungen formuliert. Präsentiert
                                                                                                               Einladung nach Deutschland aussprechen.                                    eine Organisation einen Ansatz, um ein Thema anzugehen, findet
                                                                                                                                                                                          sich schnell eine weitere Organisation, die das als nicht ausreichend
                                                                                                               Wir öffneten das Projekt „Faire Kohle“, um so die Ideen und Inter-         deklariert. Die eigentlich gut gemeinte Kritik, um sich gemeinsam
                                                                                                               essen der Ortsgruppen besser aufnehmen zu können. So ent-                  zu entwickeln, verkommt zur egozentrischen Expertendiskussion.
                                                                                                               stand bspw. eine Posterserie als Werbung oder die Grillkohle war           Das Gute ist zu verneinen, weil das Beste nicht erreicht wird, ist zur
                                                                                                               Ausgangspunkt für die inhaltliche Auseinandersetzung mit TTIP. Bei         reflexartigen ersten Reaktion geworden. Das führt zu Verunsiche-
                                                                                                               der Messe FAIR FRIENDS in Dortmund stellten wir unsere Aktivität           rung und zu Resignation. Ergänzend ist bei vielen Organisationen
                                                                                                               auch erstmals der Öffentlichkeit vor und erhielten durchgehend             die Bereitschaft hoch, Ereignisse unzulässig zu vereinfachen, um
                                                                                                               positives Feedback. Wir waren überrascht, dass viele BesucherIn-           eine höhere öffentliche Aufmerksamkeit zu erhalten.
                                                                                                               nen dieses Engagement von der Jugendarbeit nicht erwartet hatten
                                                                                                               und meinten, wir seien eine private Initiative. Deshalb haben wir uns      Jugendliche und junge Erwachsene stehen für diese Entwicklung
                                                                                                               hingesetzt und einen Neuanfang gewagt: Für die Geschäftstätig-             nicht zur Verfügung. Sie werden aus ihren Erfahrungen heraus aktiv,
                                                                                                               keit haben wir eine GmbH gegründet und die Produktpräsentation             die im besten Fall durch eine werteorientierte Jugend(verbands)-
                                                                                                               völlig neu erarbeitet. Das Ergebnis ist u.a. die neue Webseite und         arbeit gestärkt oder erst ermöglicht wurden. So werden die welt-
                                                                                                               der Auftritt in den sozialen Netzwerken. Die Produktqualität konnte        weiten Krisen nicht als lähmende Ereignisse begriffen, sondern als
                                                                                                               durch Veränderungen bei der Herstellung angehoben werden, so               Chance diese Welt zum Positiven zu verändern. Die Faire Kohle ist
                                                                                                               dass wir nun die Anforderungen von DINplus erreichen. Wir wollen           ein Beispiel dafür.
                                                                                                               zeigen, dass der gemeinsame Handel auf Augenhöhe möglich
                                                                                                               ist. Fairtrade Deutschland hat uns auf diesem Weg ermutigt und
                                                                                                               unterstützt.                                                                                            Peter Bednarz,
                                                                                                                                                                                                                       Koordinator Jugend und Eine Welt,
                                                                                                               Wir haben viel gelernt in unserer bisherigen Arbeit. Zuerst, dass ein                                   Amt für Jugendarbeit der Evangeli-
                                                                                                               vermeintlich einfaches Produkt wie Grillkohle-Briketts komplex wird,                                    schen Kirche von Westfalen
                                                                                                               wenn es zur Handelsware wird. Schnell haben wir deshalb gelernt,
                                                                                                               offene Fragen zu sortiern und zu priorisieren. Jetzt gehen wir offene
                                                                                                               Fragen der Reihe nach an und achten auf die im Projekt vorhande-
                                                                                                               nen Ressourcen und Möglichkeiten. So ist z. B. ein offener Punkt,
                                                                                                               dass die Papierverpackung der Grillkohle bisher nicht zertifiziert ist.

                                                                                                               Für die Zukunft haben wir uns viel vorgenommen. Wir wollen den
                                                                                                               Verkauf der Fairen Kohle ausweiten und so auch die entwicklungs-
                                                                                                               politischen und umweltpolitischen Effekte bei den angeschlossenen
Faire Kohle, fertige Grillbriketts (links) und Kokosnüsse bei der Verkohlung (rechts), Foto: Benjamin Eckert

10 Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Nordrhein-Westfalen                                                                                                              Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Nordrhein-Westfalen 11
25 Jahre TransFair HANDEL NEU DENKEN: Eine Festschrift für die und von den Mitgliedsorganisationen
Bund der Katholischen Jugend (BDKJ)

Hinter jedem Produkt steht ein Mensch
Die Annahme, dass der faire Handel tatsächlich in aller Munde ist        tätig solidarisch sein und Menschen helfen, die in Ländern der
und nicht nur sprichwörtlich, stimmt leider noch nicht ganz. In vielen   damals so genannten „Dritten Welt“ leben. Diese Pionierinnen und
Produktsegmenten sind die Anteile am Gesamtkonsum sehr über-             Pioniere des fairen Handels haben es geschafft, dass sich heute
schaubar. Dennoch ist auch ein Drei-Prozent-Anteil am deutschen          viele Menschen nicht mehr damit abfinden, dass das T-Shirt aus der
Kaffeeverbrauch hoch genug, dass damit ein gesundes Wirtschaf-           Boutique und das Geld aus dem Automaten kommen. Sie fragen
ten möglich ist. Wichtiger noch als die Marktrelevanz ist für mich       nach, wollen mehr wissen und setzen mit ihrem Konsum und Nicht-
aber eine andere Aufgabe des fairen Handels: die Bewusstseinsbil-        Konsum ein politisches Zeichen. Jedoch besteht der faire Handel
                                                                         heute nicht mehr nur aus Überzeugungstäterinnen und Überzeu-
                                                                         gungstätern. Für viele ist er die Möglichkeit, ihr schlechtes Gewis-
                                                                         sen durch einen kleinen Aufpreis zu lindern. Denn unbestritten ist,
                                                                         dass sich in der heutigen Informationsgesellschaft niemand mehr
                                                                         davon freimachen kann, zu wissen oder mindestens zu ahnen,
                                                                         welche negativen Auswirkungen der eigene Konsum auf andere
                                                                         Menschen und die Umwelt hat. Es ist also nichts verwerflich daran,
                                                                         dass sich nicht jeder und jede politisch engagiert in diesem Bereich.
    Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) ist                In der Zukunft des fairen Handels ist es wichtig, dass sowohl politi-
    der Dachverband von 17 katholischen Jugendverbänden                  sche Arbeit als auch Marktrelevanz dazu führen, dass fairer Handel
    und -organisationen. Er vertritt die Interessen von 660.000          breiter, stärker und damit auch alltäglicher und gewöhnlicher wird.
    Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Politik,
    Kirche und Gesellschaft.                                             Die Akteurinnen und Akteure des fairen Handels müssen sich ihrer
                                                                         Stärken bewusst sein, aber gleichzeitig erkennen und akzeptieren,
                            www.bdkj.de                                  dass andere Herangehensweisen an den fairen Handel legitim
                                                                         und bereichernd sein können. Der faire Handel muss einladen,
                                                                         nicht abgrenzen, er muss gestalten, nicht gleichmachen. Es geht
dung bei Konsumentinnen und Konsumenten, dass sie mit ihrem              darum, dass trotz aller kleinen Reglementierungen und Kriterien das
Handeln für ein bisschen mehr Gerechtigkeit in der Welt sorgen           Große und Ganze immer wieder in den Blick genommen wird: die
können. Sie können selbst Teil einer Verbesserung sein. Gerade für       Verwirklichung von Menschenrechten weltweit, der Anspruch jedes
junge Menschen ist diese Wirksamkeit des eigenen Handelns ein            Menschen auf ein würdevolles Leben, auf gesellschaftliche Teilhabe
wichtiger Faktor für ihr Aufwachsen. Außerdem vermittelt der faire       und Selbstentfaltung in einer lebensförderlichen Umwelt. Zu dieser
Handel ein Gefühl für eine weltweite Zusammengehörigkeit. Es geht        Erreichung kann der faire Handel beitragen.
nicht darum, wie wir hier und die da leben, sondern darum, wie wir
es alle zusammen schaffen, dass die Welt ein besserer Ort wird.
                                                                                                      Wolfgang Ehrenlechner,
Als Aktive aus der Jugendarbeit Ende der 1960er Jahre begannen,                                       Bundesvorsitzender des Bundes
Kaffee aus Nicaragua zu importieren, hatten sie zweierlei im Sinn:                                    der Deutschen Katholischen Jugend
Sie wollten ein Bewusstsein dafür schaffen, dass hinter jedem Pro-                                    (BDKJ)
dukt ein Mensch steht, der es anbaut oder herstellt und sie wollten

                                                                                                                                                 Beide Bilder: BDKJ Bundesstelle

12 Bund der Katholischen Jugend                                                                                                                                                    Bund der Katholischen Jugend 13
25 Jahre TransFair HANDEL NEU DENKEN: Eine Festschrift für die und von den Mitgliedsorganisationen
Brot für die Welt e.V.

Mit FAIReinten Kräften
Ein Blick zurück, ein Blick nach vorn

Es war eine Zeit der Umbrüche und der großen und der kleinen              Niemand aus dem Kreis derer, die sich 1989 trafen, hätte wohl ge-
Anfänge. Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Vier Tage           dacht, dass ihre Idee einmal so reiche Früchte tragen würde. Heute,
später fand beim Kirchlichen Entwicklungsdienst ein erstes Treffen        mehr als ein Vierteljahrhundert später, hat TransFair zahlreiche
statt, aus dem letztlich der Verein TransFair hervorgehen sollte.         Herausforderungen gemeistert und beeindruckende Erfolge erzielt.
Es war kein Zufall, dass dieser Stein von den Kirchen ins Rollen          Der Verein ist Teil einer weltweiten Bewegung, in der Menschen auf
gebracht wurde. Der faire Handel war von Beginn an ein ökumeni-           allen Kontinenten mit vereinten Kräften daran arbeiten, gerechtere
sches Projekt. 1970 initiierten die Jugendverbände der katholischen       Handelsbedingungen und Chancen für alle zu schaffen. Es ist alles
und der evangelischen Kirche gemeinsam mit Brot für die Welt und          andere als eine Selbstverständlichkeit, dass der größte Teil der
Misereor die „Aktion Dritte Welt Handel“ und hoben damit den fairen       Deutschen das Fairtrade-Siegel kennt und ihm vertraut. Es ist be-
Handel aus der Taufe. Unzählige Menschen haben sich seitdem               eindruckend, welche Zahl von Menschen vom fairen Handel direkt
engagiert und füllen die Fairhandels-Bewegung mit Leben. Sie              oder indirekt profitiert. Und doch: Bei allen Erfolgen sind die Heraus-
verkaufen im Weltladen, nach dem Gottesdienst oder auf dem Ge-            forderungen nicht kleiner geworden. Beim Marktanteil fair gehandel-
meindefest Waren von Kleinproduzentinnen und -produzenten aus             ter Waren ist noch deutlich Luft nach oben. Von der Liberalisierung
dem globalen Süden und leisten Bildungsarbeit zu den ungleichen           des Welthandels profitieren wettbewerbsstärkere Staaten des
Kräfteverhältnissen im Welthandel. Fairer Handel möchte „Hilfe zur
Selbsthilfe“ leisten und ist ein praktischer Beitrag zu mehr weltweiter
Gerechtigkeit. Die christliche Botschaft gab und gibt ihm Wurzeln
und Flügel. Flügel, um sich immer wieder selbst zu hinterfragen und
im Sinne der Partner im globalen Süden neue Wege zu suchen. Der
Aufbruchstimmung nach dem Ende des Kalten Krieges gaben die                                                                                         Grüne Woche Berlin, 2017: Übergabe der Studie „Verändert der Faire Handel die Gesellschaft?“ an Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd
Scorpions mit „Wind of Change“ eine Hymne. Der Schwung des                    Als weltweit tätiges Entwicklungswerk der evangelischen               Müller durch Dieter Overath, TransFair und Klaus Seitz, Brot für die Welt (Studie im Auftrag von TransFair, Servicestelle Kommunen in der
Wandels erfasste auch den fairen Handel. Zwar hatte er beeindru-              Kirchen in Deutschland ist Brot für die Welt in mehr als 90           Einen Welt/ Engagement Global, Forum Fairer Handel, Brot für die Welt und Misereor), © Hermann Bredehorst/Brot für die Welt
ckenden Rückhalt in der eigenen Bewegung, doch gesamtgesell-                  Ländern rund um den Globus aktiv. Gemeinsam mit lokalen
schaftlich gesehen war seine Bekanntheit noch sehr gering. Ein                Partnern hilft das Entwicklungswerk armen und ausgegrenz-
Vertreter des Evangelischen Entwicklungsdienstes lud daher am 13.             ten Menschen, aus eigener Kraft ihre Lebenssituation zu
November 1989 Kolleginnen und Kollegen aus anderen kirchlichen                verbessern.
Organisationen ein. Ziel war es, Möglichkeiten zu finden, den fairen                                                                                Wir sind überzeugt, dass es dem Verein TransFair – wie auch in der                                  Pfarrerin Dr. h.c. Cornelia Füllkrug-Weitzel,
Handel bekannter zu machen und damit noch mehr Kleinprodu-                                     www.brot-fuer-die-welt.de                            Vergangenheit – in Zukunft bestens gelingen wird, neue Heraus-                                      Präsidentin von Brot für die Welt
zentinnen und -produzenten im Süden von gerechten Löhnen und                                                                                        forderungen rechtzeitig zu erkennen, neue Wege zu finden und
besseren Arbeitsbedingungen profitieren zu lassen. In den Nieder-                                                                                   zu beschreiten und dabei nie das Mandat zu vergessen, dass ihm
landen war kurz zuvor bereits ein Gütesiegel für fair gehandelte          Nordens und große, transnational agierende Unternehmen deutlich           die Gründungsorganisationen seinerzeit mit auf den Weg gegeben
Produkte mit großem Erfolg auf den Markt gebracht worden. Und             mehr als viele Staaten des globalen Südens und insbesondere ihre          haben. Herzlichen Glückwunsch zu einem Vierteljahrhundert des
auch in Deutschland waren sich alle Beteiligten des Treffens einig:       kleinbäuerlichen Produzentinnen und Produzenten. Der Schutz der           beharrlichen und erfolgreichen Bohrens dicker Bretter! Und Gottes
Wenn es gelänge, Fairhandels-Produkte auf breiter Basis in den            Menschenrechte steht im globalen Konkurrenzkampf multinationaler          Segen und eine glückliche Hand für die Bewältigung der Herausfor-
Einzelhandel zu bringen, könnten noch mehr Menschen von der               Konzerne immer wieder auf dem Spiel und der Klimawandel stellt            derungen von heute und morgen.
Idee erreicht und dafür gewonnen werden. Aus dem ersten Treffen           vor allem die Kleinproduzentinnen und Kleinproduzenten im globa-
ging die „Aktion Kleinbauernkaffee“ hervor. Aus dieser entstand           len Süden vor gewaltige Herausforderungen. Das Motto des Jubilä-
1991 ein Verein, der ein Jahr später in TransFair umbenannt wur-          ums lautet: „Handel neu denken“. Zu diesem Vorhaben können wir
de. Die Finanzierung der Anfangszeit wurde von den kirchlichen            alle Beteiligten nur ermutigen. Die vordringlichsten Aufgaben des
Hilfswerken gestemmt, der Misereor-Mitarbeiter Klaus Piepel wurde         fairen Handels liegen weiterhin darin, die Position der am meisten
erster Vorsitzender. Mit Dieter Overath war bald ein ebenso kreativer     Benachteiligten zu vertreten und zu stärken, mit ihnen gemeinsam
wie hartnäckiger Geschäftsführer gefunden, der TransFair schnell          die Herausforderungen der Zukunft anzugehen und sich politisch
auf die Erfolgsspur führte.                                               und durch Informationsarbeit für mehr Gerechtigkeit im Welthandel
                                                                          einzusetzen. Diese Aufgaben sind aktueller denn je.

14 Brot für die Welt                                                                                                                                                                                                                                                         Brot für die Welt 15
25 Jahre TransFair HANDEL NEU DENKEN: Eine Festschrift für die und von den Mitgliedsorganisationen
Christliche Initiative Romero e.V. (CIR)

Auf dem Weg zu gemeinsamen Zielen
5 Fragen an Isabell Ullrich

TransFair: Frau Ullrich, was läuft schief in unseren globalen         weltweit und tragen im Fall Orangensaft in Brasilien erheblich zur
Lieferketten?                                                         Umweltverschmutzung durch Pestizide bei. Statt des günstigsten
                                                                      Preises könnten sie von ihren Lieferanten auch die Einhaltung von
Isabell Ullrich: Den Zielen Profit und Marktmacht wird viel zu viel   Menschen- und Umweltschutzrechten fordern.
Gewicht gegeben, während die Rechte der Menschen in den Liefer-
ketten und der Umwelt immer nur dann eine Rolle spielen, wenn sie     TF: Und der faire Handel? Was hat der dem großen Ungleich-
dem Profitstreben nicht im Wege stehen. Die Konzerne, Politiker*in-   gewicht entgegenzusetzen?
nen und Konsument*innen am Ende der Lieferkette müssten sich
viel mehr für die Bedingungen am anderen Ende interessieren und       I.U.: Er greift das Problem von der anderen Seite her an. Die großen
sich ihrer globalen Verantwortung bewusst werden.                     Konzerne zu bewegen ist die eine Sache. Fairer Handel zeigt,
                                                                      angefangen bei einzelnen Kooperativen, dass es möglich ist, die
                                                                      Rechte von Kleinbauern und Bäuerinnen in den Vordergrund zu
                                                                      stellen und ihnen Zugang zum Markt zu ermöglichen. Von einer
                                                                      kleinen bewusst konsumierenden Gruppe ausgehend, werden men-
                                                                      schen- und umweltrechtliche Kaufkriterien so zum Trend. Auf dem
                                                                      Weg dorthin müssen aber viele Kompromisse gemacht werden. Wir
                                                                      sehen unsere Aufgabe darin, diesen Prozess kritisch zu begleiten
                                                                      und daran zu erinnern, dass ein erster Schritt lobenswert ist, das
    Die Christliche Initiative Romero (CIR) setzt sich seit 1981      eigentliche Ziel − ein würdiges Leben für alle − aber noch nicht
    für Arbeits- und Menschenrechte in Ländern Mittelameri-           erreicht.                                                              Aus der Kampagne für faire Supermärkte SUPPLY CHA!NGE, Foto: Joerg Farys
    kas ein. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Unterstützung von
    Basisbewegungen und Organisationen in Nicaragua, El               TF: Sowohl die CIR als auch TransFair legen ein besonderes
    Salvador, Guatemala und Honduras sowie die Kampagnen-             Augenmerk auf die Textillieferkette. Was ist die Besonderheit          TF: Was ist der besondere Ansporn für die CIR, als Mitglieds-              Isabell Ullrich,
    und Bildungsarbeit in Deutschland.                                in diesem Sektor und wo sehen Sie besondere Gemeinsam-                 organisation bei TransFair aktiv zu sein? Und wünschen Sie                 Referentin für Presse- und Öffentlich-
                                                                      keiten in den Forderungen und Lösungsansätzen von CIR                  sich für die zukünftige Zusammenarbeit mit TransFair?                      keitsarbeit Christliche Initiative Romero
                          www.ci-romero.de                            und TransFair?                                                                                                                                    (CIR)
                                                                                                                                             I.U.: Wir wünschen uns fruchtbaren Austausch, Dialog und eine
                                                                      I.U.: Die Besonderheit bei Kleidung im Vergleich mit Bananen oder      gute Zusammenarbeit auf dem Weg zu gemeinsamen Zielen: Eine
TF: Die CIR beteiligt sich an der Kampagne „SUPPLY                    Kaffee ist die Komplexität der Lieferkette. Vom Baumwollanbau bis      Bindung aufzubauen zwischen den Menschen in Europa und dem
CHA!NGE“, eine Kampagne für eine fairere Lebensmittelver-             zur Ladentheke liegen unzählige über den Globus verteilte Arbeits-     globalen Süden, und wirkungsvolle Mechanismen zu schaffen, die
sorgung in Supermärkten und Discountern, die den Dialog               schritte. Es ist ein mutiger Schritt von TransFair, mit dem neuen      allen − auch zukünftigen Generationen − ein gutes Leben ermögli-
über Probleme in den Lieferketten anstoßen will. Welche               Textilstandard die gesamte Lieferkette in den Blick zu nehmen.         chen.
positive Rolle könnte denn der Lebensmitteleinzelhandel in            Existenzsichernde Löhne und würdige Arbeitsbedingungen entlang
einem Veränderungsprozess spielen?                                    der Lieferkette sind auch unser Ziel. Auch hier sehen wir uns als
                                                                      konstruktiv-kritische Begleiterin bei der Frage, wie man dieses
I.U.: Supermärkte und Discounter haben eine riesige Vormachtstel-     gemeinsame Ziel erreicht. Zwei Dinge sind uns dabei besonders
lung beim Verkauf von Lebensmitteln und aus dieser Macht              wichtig: Die großen Marken müssen wirklich anfangen, Verantwor-
erwächst eine große Verantwortung. Orangensaft zum Beispiel           tung zu tragen und sie nicht nur nach unten durchreichen. Und für
wird zu zwei Dritteln als Eigenmarken der Supermärkte verkauft.       die Konsument*innen muss am Ende klar sein: Produziert dieses
Die europäischen Lebensmittel-Einzelhandelsketten diktieren damit     Unternehmen wirklich fair, oder hat es nur einige wenige öko-faire
indirekt die Arbeitsbedingungen für Millionen von Arbeiter*innen      Teile im Angebot, um sich einen ethischen Anstrich zu verleihen?

16 Christliche Initiative Romero                                                                                                                                                                                                 Christliche Initiative Romero 17
Interview mit Manfred Holz                                                                                                                      Deutsches Institut für Ärztliche Mission e.V. (Difäm)

Mitbegründer von TransFair e.V.                                                                                                                 Eine Kultur der Nachhaltigkeit fördern
und Fairtrade-Ehrenbotschafter
In der Geschichte des fairen Handels spielt Manfred Holz eine          TF: Gab es auch Tiefschläge und was konnten Sie aus Ihnen                Die Ressourcen unserer Welt sind begrenzt. Die Schere zwi-              Sexsklavinnen missbraucht. Oft dienen die Gewinne der Finan-
herausragende Rolle, er ist ein Mann der ersten Stunde in der          schöpfen?                                                                schen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Schlechte          zierung von Waffen. Viele Menschen sind traumatisiert. Vor allem
Fairtrade-Bewegung und war als Vertreter des VEHEMENT e.V/                                                                                      Lebens- und Arbeitsbedingungen, verunreinigtes Wasser und               Kinder sind mangel- oder unterernährt und leiden unter armutsbe-
NEWI Gründungsmitglied von TransFair. Während seines langjäh-          M.H.: So manche schlecht und unvollständig recherchierten Berichte       Unterernährung sind für Millionen Menschen bitterer Alltag. Kriege      dingten Krankheiten. Doch der Zugang zu einer guten Gesundheits-
rigen Engagements u.a. als Vorstandsmitglied von TransFair e.V.        in den Medien haben uns immer wieder ein Stückchen zurückge-             und Naturkatastrophen verschärfen die weltweite Armutssituation.        versorgung ist oft nicht möglich.
in den Jahren 2007-2011 war ihm besonders die Vernetzung der           worfen und zudem endlose Diskussionen erzeugt. Aber das hat uns          Längst nicht alle Menschen in unserer Einen Welt haben eine gute
verschiedenen Akteure der Eine Welt Arbeit ein Anliegen. Seit 2011     dann im Endeffekt eher stärker und selbstbewusster gemacht. Dem          Gesundheitsversorgung. Viele Menschen sterben, weil sie das             Neben der Rohstoffförderung bergen auch Produktion und Entsor-
ist Manfred Holz Fairtrade-Ehrenbotschafter.                           Vorstand ist es meistens gelungen, die eine oder andere Aussage          Geld für die medizinische Behandlung nicht aufbringen können,           gung der Geräte Abgründe. In asiatischen Zulieferfirmen und bei
2011 wurde er außerdem für sein unermüdliches und ehrenamtli-          wieder zu korrigieren und richtigzustellen.                              die nächste Gesundheitsstation zu weit entfernt ist oder weil es        Auftragsfertigern arbeiten vor allem junge Menschen ohne jeden
ches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.                                                                                     kein medizinisches Personal gibt und lebenswichtige Medikamente         arbeits- und menschenrechtlichen Schutz. Geht ein Handy kaputt
                                                                       TF: Ist eine gute Streitkultur wichtig für den Erfolg eines              fehlen. Das Deutsche Institut für Ärztliche Mission e.V. (kurz Difäm)   oder entspricht es nicht mehr dem neuesten Stand, entsorgt es der
TransFair: Wie haben Sie die Gründungsfeier von TransFair              Vereins?                                                                 setzt sich deshalb seit seiner Gründung im Jahr 1906 mit lokalen        Verbraucher oft achtlos. Die Folgen sind 5.000 Tonnen Elektro-
erlebt?                                                                                                                                         Partnern für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung in wirtschaft-      schrott pro Jahr. Viele ausrangierte Geräte landen auf Müllhalden in
                                                                       M.H.: O ja! Obwohl so manche Energien einiger Akteure meiner             lich armen Regionen ein, vor allem für benachteiligte, gefährdete       Entwicklungsländern, wo Kinder und Jugendliche die Bestandteile
Manfred Holz: Ein ganz spannendes Abenteuer mit unterschied-           Meinung nach manchmal besser in die ein oder andere Aktion und           und bedürftige Menschen.                                                herausholen und dabei giftigen Dämpfen ausgesetzt sind.
lichen Akteuren aus 20 Organisationen (u.a. Entwicklungshilfe,         Kampagne zum fairen Handel eingesetzt worden wären, als immer
Kirchen, Umwelt und Bildung). Es herrschte am 10.06.1992 eine          wieder über Themen wie „wer ist fairer, besser und nachhaltiger“ oder    Doch selten haben Missstände eine einzige Ursache, und selten
gute Aufbruchstimmung: endlich ein einheitliches Siegel sowie          über die „guten“ oder „bösen“ Anbieter in Deutschland zu diskutieren.    gibt es eine einheitliche Lösung für sie. Deshalb unterstützt das
verbindliche Standards zum fairen Handel. Aus dem sogenannten                                                                                   Difäm als Mitglied des Vereins TransFair die Idee des fairen Han-
„alternativen Handel“ entstand so der „faire Handel“.                  TF: Handel neu denken – was stellen Sie sich konkret darunter            delns: Mit unserer bundesweiten Bildungs- und Sammelinitiative Die
                                                                       vor?                                                                     Handy-Aktion – fragen. durchblicken. handeln! weisen wir auf die
TF: Auf welche Hindernisse und Widerstände ist TransFair                                                                                        globalen Zusammenhänge unseres Konsums hin. Und gehen dabei
am Anfang gestoßen?                                                    M.H.: Die großen Global Player müssen endlich noch mehr faire            der Frage nach, wie wir unsere Welt gerechter, wie unseren Lebens-          Das Deutsche Institut für Ärztliche Mission e.V. (Difäm) ist
                                                                       Produkte in den Bereichen Lebensmittel und Textilien offensiver anbie-   stil nachhaltiger und zukunftsfähiger für die nächsten Generationen         ein gemeinnütziger Verein, der sich seit über 100 Jahren
M.H.: Der faire Handel hatte ein relativ gutes Ansehen in der Be-      ten und bewerben. Gleichzeitig dürfen die Konsumenten aber nicht         gestalten können.                                                           für Gesundheit in der Einen Welt einsetzt. Als Organisation
völkerung. Leider kauften die Konsumenten trotzdem recht selten        nur über Nachhaltigkeit reden. Fairer Handel lebt nur vom Handeln!                                                                                   für weltweite christliche Gesundheitsarbeit stärken wir Ge-
faire Produkte (O-Ton: „zu teuer“ oder „schmeckt nicht“). Dafür aber                                                                            Gemeinsam für weltweite Gerechtigkeit                                       sundheitsdienste durch die Zusammenarbeit mit Partnern
wurde TransFair von Wohlwollen umzingelt!                              TF: Wie sehen Sie die Rolle der Mitgliedsorganisationen für die                                                                                      in Kirchen, Gesundheitseinrichtungen und Nichtregierungs-
                                                                       Zukunft?                                                                 Jährlich werden in Deutschland 35 Millionen neue Mobiltelefone              Organisationen.
TF: Wie hat sich die Resonanz auf den fairen Handel im Laufe                                                                                    gekauft. Wenn aber ein Handy über einen deutschen Ladentisch
der Zeit verändert?                                                    M.H.: Fairtrade ist weiterhin der Versuch, Elend und somit unter ande-   geht, hat es schon zahlreiche Produktionsstufen in vielen Ländern                                  www.difaem.de
                                                                       rem auch Fluchtursachen aktiv zu bekämpfen, bevor diese entstehen.       durchlaufen, was kaum einem Käufer bewusst ist. Wer nun hinter
M.H.: Die Produktpalette wurde von Jahr zu Jahr vielfältiger und       Dabei müssen die Kommunen, die Kirchen und unsere Mitgliedsor-           die glänzende Fassade der modernen Kommunikationstechnolo-
umfangreicher, die Abwehrmechanismen etwas geringer. Plötzlich         ganisationen noch größere Verantwortung übernehmen, um eine              gie schaut, wird unter anderem mit unmenschlichen Bedingungen           Unser Konsum hat weltweite Auswirkungen. Alle Nutzerinnen und
waren faire Bananen, Kaffee, Tee, O-Saft und Süßigkeiten in aller      glaubwürdige Vorbildfunktion zu leisten. Außerdem wünsche ich mir        in den Minen der Demokratischen Republik Kongo konfrontiert.            Nutzer von Mobiltelefonen tragen Verantwortung für ihr Konsumver-
Munde! Die hohen Steigerungsraten von Jahr zu Jahr sprechen für        für die nächsten 25 Jahre weiterhin eine so gute und erfolgreiche        Gewalt und Armut dominieren den Abbau von Rohstoffen in vielen          halten. Angefangen mit einer Handy-Sammelaktion des Difäm und
sich.                                                                  Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle und allen im fairen Handel        Minen im Ostkongo. Was kaum ein Verbraucher weiß: Für die               der Kreissparkasse Tübingen und einer folgenden bundesweiten
                                                                       Beteiligten.                                                             Rohstoffe, die später in den Handys landen, müssen Kinder in hun-       Mitmachaktion des Difäm, des Zentrums für Entwicklungsbezogene
TF: Was waren die Höhepunkte Ihrer langjährigen Arbeit für                                                                                      dert Meter Tiefe graben – und das tagelang. Sie verdienen, wenn         Bildung (ZEB) der Landeskirche Württemberg und dem Entwick-
den fairen Handel?                                                                           Manfred Holz,                                      überhaupt, nur einen Hungerlohn, bekommen kein Essen, schuf-            lungspädagogischen Informationszentrum (EPIZ) in Reutlingen ist
                                                                                             Mitbegründer von TransFair e.V.                    ten ohne Schutzkleidung. Bewaffnete Milizen oder kongolesische          „Die Handy-Aktion – fragen.durchblicken.handeln!“ heute eine Ge-
M.H.: Ganz klar die jährliche „Faire Woche“ (seit 2001) und die                              und Fairtrade-Ehrenbotschafter                     Soldaten kontrollieren den Abbau. Sie besetzen mit Waffengewalt         meinschaftsaktion vieler verschiedener Organisationen aus Kirche
Kampagnen Fairtrade-Towns, Fairtrade-Schools und Fairtrade-Uni-                                                                                 die Minen, verlangen Schutz- und Wegezölle. Wer sich wehrt, wird        und Zivilgesellschaft und macht auf die sozialen, menschenrechtli-
versities. Dadurch hat sich der faire Handel mittlerweile seines                                                                                gefoltert oder getötet. Dorfbewohner werden aus ihren Dörfern           chen, gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen der Pro-
Image entledigt, nur für eine relativ kleine Bevölkerungsgruppe gut                                                                             vertrieben, Mädchen und Frauen verschleppt, vergewaltigt und als        duktion technischer Geräte, vor allem von Mobiltelefonen aufmerk-
informierter und „Eine Welt“-bewusster Menschen reserviert zu sein.

18 Interview mit Manfred Holz                                                                                                                                                                                                                     Deutsches Institut für Ärztliche Mission 19
Gemeinsam mit lokalen Partnern verbessert das Difäm die Gesundheitsversorgung in vernachlässigten Regionen, Ursula Kohler, Difäm

sam. Sie zeigt auf, wie Geräte repariert und länger genutzt werden    Obwohl HIV und Aids ein großes Problem im Land darstellen, ist
können. Mit dem Fairphone und der Fairen Computermaus stehen          Sexualität nach wie vor ein Tabuthema. Aufklärung, besonders für
erste IT-Geräte zur Verfügung, die den Weg zu mehr Gerechtigkeit      Jugendliche in der Pubertät, findet so gut wie nicht statt. Fehlendes
und einen verbesserten Schutz von Mensch und Natur eröffnen.          Wissen über Prävention sowie die Folgen einer Infektion begünsti-
                                                                      gen die Ausbreitung des Virus und tragen zur Stigmatisierung der
Mit der Sammlung ausrangierter Handys und deren Zuführung in          Betroffenen bei. Gemeinsam mit seinen lokalen Partnern engagiert
ein geordnetes Recycling durch die Deutsche Telekom wird die          sich das Difäm daher besonders für gefährdete Jugendliche, schafft
Thematik in Schulen, Gemeinden, an öffentlichen und kirchlichen       Zugang zu HIV-Tests und Therapiemöglichkeiten und fördert die
Orten sichtbar gemacht. In diesem Rahmen können Bildungsveran-        Ausbildung von Multiplikatoren für die Aufklärung an Schulen und in
staltungen organisiert werden: Filmische Einblicke in die Minen und   Gemeinden.
Fabriken sowie Rollenspiele vermitteln beispielsweise die Realität,
die hinter den Geräten steht. Und unsere Referenten zeigen auf,       Partnerschaftliche Zusammenarbeit
was junge Menschen im globalen Süden erleiden, aber auch was
sie tun, um ihre Lebens- und Arbeitssituation zu verbessern und wie   Ein grundlegender Wandel zu einer zukunftsfähigen und gerechten
wir sie dabei unterstützen können.                                    Lebens- und Wirtschaftsweise gelingt nur dann, wenn er von vielen
                                                                      Menschen getragen wird und an verschiedenen Stellen ansetzt.
Aufklärung rettet Leben                                               Aber nur wer gesund ist, kann arbeiten, seine Familie ernähren und
                                                                      aktiver Teil seiner Gesellschaft sein. Gesundheit ist gleichzeitig Ziel,
Mit dem Erlös der Sammelaktion wird unter anderem die Gesund-         Voraussetzung und Ergebnis nachhaltiger Entwicklung. Deshalb
heitsarbeit des Difäm im Ostkongo unterstützt. Viele Gesundheits-     setzt sich das Difäm als Träger der Tropenklinik Paul-Lechler-Kran-
einrichtungen sind zerstört oder kaum erreichbar und schlecht         kenhaus in Tübingen und der Akademie für Globale Gesundheit
mit Medikamenten und medizinischem Material ausgestattet. Ein         und Entwicklung für einen gleichberechtigten Zugang zu qualitativ
weiteres Problem ist die Abwanderung einheimischer Fachkräfte.        hochwertiger und bezahlbarer medizinischer Versorgung und eine
Hebammen, Ärzte und Pflegepersonal verlassen den Kongo auf-           faire Wirtschaftsweise ein – lokal wie weltweit.
grund der schwierigen Arbeitsbedingungen. Wo der Staat oft nicht
mehr funktioniert, stellen Kirchen Bildungsstätten und Gesundheits-   Wir wünschen unseren Kolleginnen und Kollegen von TransFair
einrichtungen und arbeiten für Versöhnung und Wiederaufbau. Die       alles Gute zum Jubiläum und danken für ihr Engagement für den
Tübinger Organisation für weltweite christliche Gesundheitsarbeit     fairen Handel. Nur durch die gemeinsamen Anstrengungen und
unterstützt seine kirchlichen Partner im Kongo beim Aufbau und bei    eine starke zivilgesellschaftliche Stimme können wir politische
der Stärkung lokaler Gesundheitssysteme, wobei Prävention und         Entscheidungen beeinflussen und damit langfristige und nachhaltige
Behandlung von Infektionskrankheiten sowie nichtübertragbarer         Veränderungen in der Gesellschaft bewirken.
chronischer und vernachlässigter Krankheiten und die Gesund-
heit von Müttern und Kindern im Fokus der Arbeit stehen. Hierfür
fördert das Difäm unter anderem die Aus- und Weiterbildung von                                      Anna Buck,
Fachkräften und Gesundheitshelfern, den Bau, die Ausstattung und                                    Referentin für Presse- und Öffentlich-
fachliche Beratung von Gesundheitseinrichtungen, die Versorgung                                     keitsarbeit des Deutschen Instituts für
und Qualitätskontrolle von Medikamenten sowie die HIV-Aufklärung                                    Ärztliche Mission e.V.
von Jugendlichen.

                                                                                                                                                 Gesundheit ist gleichzeitig Ziel, Voraussetzung und Ergebnis von Entwicklung, Dr. Gisela Schneider, Difäm

20 Deutsches Institut für Ärztliche Mission                                                                                                                                                                                                       Deutsches Institut für Ärztliche Mission 21
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