Durch Service Learning berufsrelevante Kompetenzen im Studium erwerben

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Durch Service Learning berufsrelevante Kompetenzen
im Studium erwerben
Björn Kiehne

                     Dr. Björn Kiehne ist Erziehungswissen-                fahrungen zu sammeln. Dabei gehört das Service Learning
                     schaftler. Am Berliner Zentrum für Hoch-              zu einer in den USA etablierten Lernform, der Civic Edu-
                     schullehre leitet er das Programm „Berli-             cation.
                     ner Zertifikat für Hochschullehre“. Er
                     betreut Lehrinnovationsprojekte an Ber-               Civic Education, ein Begriff aus dem angelsächsischen
                     liner Hochschulen und berät Lehrende                  Raum, heißt wörtlich übersetzt zivilgesellschaftliche Bil-
                     bei ihrer Lehrkompetenzentwicklung. Er                dung oder auch Bürger/-innenbildung. „Civic Education
                     forscht u. a. zum Zusammenhang von
                                                                           hat zum Ziel, bei den Mitgliedern der Gesellschaft zivilge-
                     Lernbiografie und Lehrüberzeugung.
                                                                           sellschaftliche bzw. demokratische Kompetenzen aufzu-
                                                                           bauen, die ihr Handeln beeinflussen und sicher stellen,
                                                                           dass die Zivilgesellschaft und das demokratische Gesell-
                                                                           schaftsmodell in der Praxis funktionieren“ (Frank, 2005).
 Service Learning bietet den Studierenden die Möglich-                     Diese Erfahrungen bereiten die Lernenden auf das vor,
 keit, sich durch soziales Engagement als Fachleute                        was sie außerhalb der Hochschullehre erwartet. Theoreti-
 und als Menschen weiterzuentwickeln. Die Gesell-                          sche Konzepte können auf ihre Praxistauglichkeit geprüft
 schaft und die Lernenden profitieren voneinander:                         werden und konkrete Praxiserfahrung kann durch wis-
 Eine Win-Win-Situation, die ein Katalysator für Lern-                     senschaftliche Theorien abstrahiert werden (vgl. Baltes/
 prozesse sein kann.                                                       Hofer/Sliwka, 2007; Altenschmidt/Miller/Stark, 2009; Ber-
 Stichwörter: Hochschullehre, Service Learning, Employ-                    thold/Meyer-Guckel/Rohe, 2010). Dabei ist diese Form des
 ability, Bürgerschaftliches Engagement, Systemgrenzen                     Lernens lange noch kein Standard an deutschen Hoch-
 überwinden                                                                schulen (vgl. Backhaus-Maul/Roth, 2013), was auch daran
                                                                           liegt, dass hierzulande Hochschule und bürgerschaftliches
                                                                           Engagement wenig zusammen gedacht werden. Seit 2009
                                                                           gibt es das Netzwerk „Bildung durch Verantwortung“, das
1. Warum man außerhalb der Uni viel lernen kann                            Hochschulen, die Service-Learning-Lehrangebote als
                                                                           Lernmöglichkeit für ihre Studierenden etablieren wollen
Wenn wir uns selbst fragen, wo wir am meisten für unse-                    und konkrete Projekte in der Zivilgesellschaft miteinander
ren Beruf gelernt haben, fällt uns wahrscheinlich nicht nur                ins Gespräch bringen (http://www.bildung-durch-verant-
die Hochschule ein. Vielmehr sind es die Kontakte mit der                  wortung.de/2015).
„realen Welt“ in Praktika und im Austausch mit anderen,
die unser Lernen angetrieben haben. Ein Grund dafür ist,
                                                                           2. Kompetenzorientierung auch und gerade im
dass Lernen besonders erfolgreich und nachhaltig ist,
                                                                           Service Learning
wenn der Sinn des eigenen Tuns deutlich wird, das heißt,
wenn es durch die Lernenden als nützlich und gewinnbrin-
                                                                           Laut Pritchard/Whitehead (2004 zit. nach Baltes/Rein-
gend erlebt wird. Eben diesen Erfolgsfaktor nimmt das
                                                                           muth/Saß, 2007) können die Lehrziele für ein Service-
Service Learning auf. Es ermöglicht den Studierenden
                                                                           Learning-Angebot über die verschiedenen Erwartungen
über die Begrenzungen der Hochschule zu treten und für
                                                                           der beteiligten Akteure definiert werden. Es gibt Acade-
soziale Projekte und Initiativen wirksam zu werden.
                                                                           mic Expectancies, das sind Erwartungen an den Erkennt-
„Service Learning bezeichnet die Verknüpfung von akade-                    nisgewinn der Studierenden in ihrer Professionalisierung
mischer Lehre und bürgerschaftlichem Engagement. Da-                       im Fach; Service Expectancies, das sind die Hoffnungen
bei entsteht für die Zivilgesellschaft ein realer Nutzen und               der sozialen Einrichtungen, die die Arbeit und Ideen der
die Hochschullehre gewinnt an Praxis- und Erfahrungsori-                   Studierenden betreffen, z. B. neue Konzepte für das Fun-
entierung.“ (Campus vor Ort, 2015). Hier wird der Cha-                     draising zu bekommen; Personal Growth Expectancies
rakter dieser Lernform deutlich. Hochschullehre und Ge-                    beziehen sich auf das Wachsen der studentischen Persön-
sellschaft finden zusammen und beide haben davon einen                     lichkeit, die in Auseinandersetzung mit der Aufgabe lernt,
Nutzen. Die Projekte und Initiativen durch das tatkräftige                 ihr eigenes für einen höheren Zweck einzubringen (vgl.
Engagement der Studierenden und die Studierenden durch                     mehrwert, 2015, S. 43). Um diese übergeordneten Erwar-
die Möglichkeit, sich zu erproben und dabei wertvolle Er-                  tungen an die Lernziele zu koppeln, bietet der Deutsche

                                                                                                               WiSt Heft 7 · Juli 2016   385

                                      https://doi.org/10.15358/0340-1650-2016-7-385, am 05.02.2022, 10:17:06
                                              Open Access –             - http://www.beck-elibrary.de/agb
Informationen für Studium und Beruf

                        Fachkompetenz                                                            Personale Kompetenz
 Wissen                          Fertigkeiten                             Sozialkompetenz                    Selbstständigkeit
 Studierende (S.) kennen         S. können einen                          S. können divergierende            S. zeigen Empathie mit
 das Asylrecht                   Praktikumsplan in                        Interessen von                     den AsylbewerberInnen
                                 Auseinandersetzung mit                   Praktikumsstellen,
                                 Praktikumsstelle und                     PraktikantInnen und
                                 PraktikantInnen erstellen                SponsorInnen verstehen
 Tiefe und Breite                Beurteilungsfähigkeit                    Kommunikation                      Reflexivität
 Studierende (S.) können         S. erkennen die                          S. können                          S. reflektieren ihre Rolle
 zu komplexen                    wirtschaftliche                          Konfliktsituationen                als Wissens- und
 Fragestellungen aus dem         Bedeutung der                            analysieren und                    InnovationsträgerInnen in
 Themengebiet                    potentiellen                             Lösungsgespräche                   der Einwanderungs-
 wissenschaftlich fundiert       EinwanderInnen für die                   moderieren                         gesellschaft
 urteilen                        regionale Wirtschaft
                                 Thüringens
                                                     Tab. 1: Kompetenzraster DQR

 Lehrende                                                                 Studierende
 ƒ Neue Zugänge zum eigenen Forschungsthema                               ƒ Erkenntnisse im Theorie-Praxis-Vergleich
 ƒ Kontakte in die Gesellschaft                                           ƒ Selbstwirksamkeitserleben
 ƒ Renommé für die eigene Lehre                                           ƒ Sinnhaftigkeit des eigenen Faches erleben
 ƒ Sinn für das eigene Lehren                                             ƒ Etwas anbieten können
 Soziale Projekte                                                         Hochschulen
 ƒ Frische Ideen                                                          ƒ Wahrnehmung der gesellschaftlichen Aufgabe
 ƒ Wissenschaftlicher Blick auf das eigene Tun                            ƒ Kontakt mit Sponsoren
 ƒ Workpower                                                              ƒ Öffentlichkeit

                                       Tab. 2: Benefits des Service Learnings – eine Auswahl

Qualifikationsrahmen für Lebenslangen Lernen (vgl.                         jekten? Fokus Kontakte und Entlastung; Was bringt es den
DQR, 2011) ein hilfreiches Ordnungs- und Klärungsraster.                   Hochschulen? „Third Mission“, das heißt dem Dienst an
An einem fiktiven Beispiel seien die Ziele kurz exempla-                   der Gesellschaft neben den Aufgaben des Lehrens und
risch erörtert (vgl. Tab. 1).                                              Forschens.
Das Service Learning-Projekt ist die Vermittlung von                       Bestenfalls entstehen aus den Projekten mittel- und lang-
PraktikantInnen aus einem Asylheim. Die Studierenden                       fristig tragbare Kooperationen, die über die einzelne
einer Hochschule wollen eine Plattform bauen, auf der                      Lehrveranstaltung hinausreichen. Das ist das übergeordne-
sich potenzielle Praktikumsstellen und AsylbewerberIn-                     te Ziel, nämlich Hochschulen und Zivilgesellschaft stärker
nen finden können.                                                         miteinander ins Gespräch zu bringen, so dass sie von-
Die Klärung der Lernziele ist besonders in einer Lehrver-                  einander profitieren. Man spricht dann von Campus-
anstaltung wichtig, die sich außerhalb der tradierten Lern-                Community-Partnerschaften, „[...] Formen der Zusam-
räume bewegt, da hier das Lernen und die dafür notwendi-                   menarbeit von Akteuren der Hochschulen und der Zivilge-
ge Methode sich von der im Seminarraum unterscheiden                       sellschaft [...], mit dem Ziel, diese zu stärken und die Stu-
kann (vgl. Tab. 2). Um den Studierenden konkrete Ziele                     dierenden für die Übernahme gesellschaftlicher Verant-
und Methoden anzubieten, muss man sich als Lehrender                       wortung zu sensibilisieren“ (Campus vor Ort, 2015).
klar darüber sein, was man erreichen möchte. Dabei wird
deutlich, dass die Etablierung eines Service Learning-An-
gebots einiges Nachdenken und eine Investition von Ideen,                  3. Beispiele für Service Learning
Zeit und Kraft bedarf. Deshalb sind im Vorfeld bei der
Entscheidung, ob man sich als Lehrender dieser aufwendi-                   Service Learning ist überall da möglich, wo die Zivilge-
gen Lernform nähert, drei Fragen und potenzielle Antwor-                   sellschaft Lernmöglichkeiten für Studierende bietet. Das
ten wichtig: Was bringt es den Studierenden? Fokus Perso-                  können z. B. sein: Schulen, Kindergärten, Werkstätten von
nale Kompetenzen; Was bringt es den Lehrenden? Fokus                       Behinderten, Obdachlosenunterkünfte, Flüchtlingsheime
Kontakte und Entlastung; Was bringt es den sozialen Pro-                   (vgl. mehrwert, 2015). Nachfolgend werden Beispiele vor-

386    WiSt Heft 7 · Juli 2016

                                    https://doi.org/10.15358/0340-1650-2016-7-385, am 05.02.2022, 10:17:06
                                            Open Access –             - http://www.beck-elibrary.de/agb
Kiehne, Durch Service Learning berufsrelevante Kompetenzen im Studium erwerben

gestellt, um zu zeigen, wie diese Lernform konkret in die                anderem“; Erfahrung von Aufmerksamkeit und Wertschät-
Lehrpraxis übersetzt werden kann. Sie stammen von einer                  zung aber auch gesundheitliche Foki wie HIV/Aids und
Tagung des Projekts NEXUS der Hochschulrektorenkonfe-                    Umgang mit Stress. Maximal 36 Studierende können teil-
renz, die 2014 in Köln stattfand.                                        nehmen. Sie sind im fünften Semester des angebotenen
                                                                         Studiengangs.
3.1. Unternehmer Fratzen – Fachhochschule
                                                                         Eine Besonderheit dieses Service-Learning-Projekts ist,
Brandenburg
                                                                         dass sich die sozialen Einrichtungen beim Studiengang mit
Dieses Service Learning-Projekt ist eine Reaktion auf den                einem Kurzexposé bewerben. Die koordinierenden Leh-
demografischen Wandel und die Abwanderung aus der Re-                    renden entscheiden dann, welches der Projekte besonders
gion um Brandenburg. Neben der Abnahme der berufstäti-                   lernförderlich im Kontext des Studiums der Sozialwissen-
gen Bevölkerung verlassen viele Schüler und Schülerin-                   schaften ist. Es dauert 17 Wochen und es gibt eine Kurz-
nen die Bildungseinrichtungen ohne Abschluss: Ein weite-                 einführung in die Projekte, die eine Klärung des Auftrags
rer Grund dafür, dass Fachkräfte knapp werden. Sie fehlen                beinhaltet. Als Leistung präsentieren die Lehrenden die
der regionalen Wirtschaft, die wichtige Wachstumsimpul-                  ausgearbeiteten Konzepte. Die Projektpartner überprüfen
se durch neue tatkräftige Ideen benötigt, um sich weiterzu-              sie auf deren „Praxistauglichkeit“.
entwickeln. Bei den Schülerinnen und Schülern setzt das
                                                                         Neun Credit Points erhalten die Studierenden bei erfolg-
an der Fachhochschule Brandenburg entwickelte Projekt
                                                                         reichem Abschluss. Die Studierenden lernen in diesem
an. Es ist im Bachelor-Studiengang im Bereich der Ent-
                                                                         Service-Learning-Projekt: Sensibilität im Umgang mit an-
wicklung interkultureller Kompetenzen angesiedelt und
                                                                         spruchsvollen Zielgruppen mit sehr spezifischen Biografi-
wird dort als Wahlveranstaltung angeboten.
                                                                         en und Herausforderungen; entwickeln Empathie durch
Die Studierenden organisieren Informationsveranstaltun-                  das erhöhte Verständnis der Situation von inhaftierten
gen für Kinder, die ihnen Einblicke in mögliche Berufe er-               Frauen; sie lernen auf Menschen zuzugehen, die sich nicht
möglichen. Die Intention ist es, das Lernen der Schülerin-               in ihrer eigenen sozialen Situation befinden – dabei reagie-
nen und Schüler stärker auf ein Ziel auszurichten, nach                  ren sie immer mehr professionell und selbständig in Aus-
dem sie streben können.                                                  einandersetzung mit Themen, Zielgruppe und Rahmen.
Es gibt dem Lernen in der Schule eine Ausrichtung und
                                                                         3.3. „Schatzheber“ Kinder stark machen – Universität
konstruiert Sinn, wo manchmal potenzielle Schulabbre-
                                                                         Jena
cher und Schulabbrecherinnen Lerninhalte möglicherwei-
se als sinnlos erleben. Eine besondere Form der Informa-                 Kitas, Familienhilfe und Familienzentren haben das Ziel,
tionsveranstaltungen sind die Mini-Praktika. Sie geben                   den Kindern dabei zu helfen, ihre persönlichen Stärken zu
den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Berufe                    finden. Studierende der Universität Jena unterstützen sie
direkt zu erleben und für sich in einem frühen Alter he-                 dabei, in dem sie wiederum die Bürgerstiftung Jena stär-
rauszufinden, was ihnen Spaß macht.                                      ken, die sich in diesem Feld engagiert. Es sind Studierende
                                                                         der Erziehungswissenschaften, die in die Kindergruppen
Dabei müssen die Studierenden der BWL die kooperieren-
                                                                         gehen und dort tageweise wichtige Praxiserfahrungen
den Unternehmen erschließen und für das Projekt begeis-
                                                                         machen. Sie betreuen die Kinder, entwickeln Lernaufga-
tern. Auch kümmern sie sich aktiv um die Finanzierung, in
                                                                         ben für sie, spielen frei mit ihnen und beobachten sie da-
dem sie Sponsoren gewinnen, die z. B. die Kosten für
                                                                         bei, ohne sie einzuengen. Das Ziel ist es, besondere Bega-
Räume und Fahrten übernehmen aber auch eine größere
                                                                         bungen bei den Kindern herauszufinden, aber auch ganz
Öffentlichkeit für das Service-Learning-Projekt schaffen,
                                                                         allgemein Stärken zu formulieren, die das Selbstbild der
in dem sie es auf Veranstaltungen nennen und als ihr sozia-
                                                                         Kinder bereichern und sie mutig machen für die Aufga-
les Engagement deklarieren. Sie koordinieren die Projekt-
                                                                         ben, die auf sie warten.
partner (Schule, Hochschule, Unternehmen) und entwi-
ckeln Marketinginstrumente für das Projekt.                              Die Studierenden erhalten zehn Credit Points für ihr Enga-
                                                                         gement. Es dauert zwölf Monate (eine verkürzte Version
3.2. „Gesundheitliche Förderung für inhaftierte                          umfasst sechs Monate für fünf ECTS). Die Studierenden
Frauen“ – Universität Bremen                                             nehmen an einem Orientierungstag teil, an dem sie grund-
                                                                         legendes Wissen und Fertigkeiten im Umgang mit Kindern
Dies ist ein Projekt des Fachbereichs für Sozialwissen-
                                                                         vermittelt bekommen. Einmal im Monat bieten die Koor-
schaften der Universität Bremen am Institut für Public He-
                                                                         dinatorinnen einen Stammtisch an, in dessen Rahmen die
alth und Pflegeforschung. Es geht dabei um die Entwick-
                                                                         gemachten Erfahrungen besprochen werden können.
lung von niedrigschwelligen Gruppenangeboten für die
inhaftierten Frauen. Die Studierenden führen diese                       Die Studierenden können durch dieses Service-Learning-
Gruppenmoderationen auch selbst durch und entwickeln                     Projekt wichtige Kontakte knüpfen und Einblicke in ein
sie weiter. Thematische Schwerpunkte sind hierbei z. B.                  mögliches zukünftiges Handlungsfeld bekommen. Außer-
Wohlbefinden und positives Körpergefühl; Erleben von                     dem arbeiten sie konkret an der Ausbildung ihrer pädago-
Normalität durch Kontakt mit den Studierenden; Entlas-                   gischen Haltung und lernen konkretes, professionelles
tung vom Gefängnisalltag durch das Erleben von „etwas                    Handeln in diesem Kontext.

                                                                                                             WiSt Heft 7 · Juli 2016   387

                                    https://doi.org/10.15358/0340-1650-2016-7-385, am 05.02.2022, 10:17:06
                                            Open Access –             - http://www.beck-elibrary.de/agb
Informationen für Studium und Beruf

4. Ein Service Learning initiieren – was ist zu                           Ein Kick Off-Workshop bringt Studierende, Lehrende und
klären, ehe man startet?                                                  Projektpartner zusammen. Hier werden die wichtigsten In-
                                                                          formationen für alle Beteiligten angeboten. In der Praxis-
Es ist wichtig, im Vorfeld der Konzeption eines Lehrveran-                phase sind die Studierenden auf sich gestellt. Sie sollen
staltungsangebots im Bereich des Service Learnings zu klä-                selbständig arbeiten. Dabei werden sie durch Reflexions-
ren, welche Motivation man selbst als Lehrender hat und                   treffen unterstützt, die durch den Lehrenden oder die Tuto-
welche organisatorischen Schritte zu bedenken sind. Hier                  rInnen geleitet werden. Im Auswertungstreffen gibt es eine
wird in Form von Leitfragen eine Klärungshilfe geboten:                   Präsentation der Service-Learning-Aktivitäten der Studie-
                                                                          renden. Zu ihm werden die Projektpartner (und evtl. die
Leitfragen für die Planung eines Service Learning-Projekts
                                                                          Sponsoren und die Presse) eingeladen. In der Transferpha-
1) Was interessiert mich selbst als Lehrender? Welche Fel-                se geht es darum, das Gelernte anzuwenden. Man kann im
   der der Zivilgesellschaft will ich näher kennenlernen?                 Moodle z. B. den Kurs offenhalten und kurze Reflexions-
   Wo möchte ich mich engagieren? Welche Kooperationen                    fragen stellen oder Diskussionen im Forum initiieren. In
   wären für meine Forschung/meine Lehre interessant?                     dieser Phase können auch Hausarbeiten und Projektberich-
                                                                          te geschrieben werden. Praxiserfahrungen werden in die
2) Was können meine Studierenden in diesem sozialen
                                                                          wissenschaftlichen Diskurse transferiert und somit auf
   Projekt lernen? Wie ordnet sich dieses Lernziel in den
                                                                          einem allgemeineren Level neu kontextualisiert und tiefer
   Kontext ihres Studiums ein?
                                                                          verstanden.
3) Welche separate Unterstützung benötigen meine Stu-
   dierenden? z. B. Einführungsworkshops, Sprechstun-
   den, Coaches aber auch metakognitive Lerninstrumen-                    5. Durch Service Learning Win-Win-Situationen
   te wie Lerntagebücher, Lernblogs etc.                                  schaffen
4) Wie „vergüte“ ich die Leistung der Studierenden? Z. B.
                                                                          Beim Service Learning geht es besonders darum, „Gewin-
   durch Publikation, öffentliche Wertschätzung, Teilnah-
                                                                          ne“ zu erzielen. Lerngewinne für die Studierenden, Ideen-
   mebescheinigung für den Lebenslauf, ECTS-Punkte,
                                                                          gewinne für die Projekte, Vernetzungsgewinne für die
   Präsentationen des Projekts, Lerntagebücher, Blogs im
                                                                          Lehrenden, Prestigegewinne für die Hochschule. Es liegt
   Internet, Erstellung eines Wikis, Hausarbeit zur Kon-
                                                                          im Geschick der Initiatorinnen und Initiatoren diese Ge-
   textualisierung der Erfahrungen im wissenschaftlichen
                                                                          winne für alle Seiten sichtbar und erfahrbar zu machen. Es
   Diskurs, Erfolgsmessung des Projekts durch den Ab-
                                                                          entsteht eine neue Form des Lernens im Zwischenraum
   gleich der Ausgangssituation mit der Schlusssituation.
                                                                          von Hochschule und Gesellschaft: „Social Entrepreneur-
5) Welche Unterstützung benötige ich als Lehrender? Das                   ship Education verbindet verschiedene akademische Dis-
   kann das Backup durch die Hochschule sein, Deputats-                   ziplinen, indem es unternehmerisches Wissen mit gesell-
   reduktion durch den Mehraufwand, Mitarbeit von Kol-                    schaftlichen, sozialen und ökologischen Zielsetzungen
   legen und Kolleginnen, studentischen Tutoren und Tu-                   verknüpft. Studierende lernen, unternehmerische Ansätze
   torinnen, Einbindung von Lernplattformen.                              auf gesellschaftliche Probleme anzuwenden.“ (Campus
                                                                          vor Ort, 2015). Das ist ein echter Gewinn für alle Beteilig-
6) Wie will ich das Projekt managen? Zeit- und Aufga-
                                                                          ten!
   benstruktur, Abgabefristen der Berichte, Lerntagebü-
   cher, Präsentationen, Skype-Sprechstunden, Präsenz-
                                                                          Literatur
   veranstaltungen.
                                                                          Altenschmidt, K., Miller J., Stark W. (Hrsg.), Raus aus dem Elfen-
7) Wieviel Geld benötige ich? Sponsoren, Vergütung der                      beinturm? Entwicklungen in Service Learning und bürger-
   Arbeitszeit der Studierenden usw.                                        schaftlichem Engagement an deutschen Hochschulen, Wein-
                                                                            heim, Basel 2009.
8) Wie verwerte ich die Ergebnisse? Artikel, lokale Pres-                 Altenschmidt, K., Miller J., Service Learning in der Hochschuldi-
   se, hochschulinterne Öffentlichkeit.                                     daktik, in: N. Auferkorte-Michaelis, A. Ladwig, I. Stahr (Hrsg.),
                                                                            Hochschuldidaktik für die Lehrpraxis. Interaktion und Innova-
Eine Lehrveranstaltung könnte bezüglich ihrer Planung                       tion für Studium und Lehre an der Hochschule, Opladen, Far-
wie in Abb. 1 dargestellt aussehen:                                         mington Hills 2010, S. 68–79.

                                                                                                        Abb. 1: Exemplarischer Ablauf eines
                                                                                                        Service-Learning-Projekts

388    WiSt Heft 7 · Juli 2016

                                   https://doi.org/10.15358/0340-1650-2016-7-385, am 05.02.2022, 10:17:06
                                           Open Access –             - http://www.beck-elibrary.de/agb
Kiehne, Durch Service Learning berufsrelevante Kompetenzen im Studium erwerben

BMBF, KMK, Deutscher Qualifikationsrahmen, DQR, 2011. On-                       Service_Learning_27.–28.05.2014_Poster___Abstracts.pdf
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Backhaus-Maul, H., Roth C., Service Learning an Hochschulen in                mehrwert Agentur für Soziales Lernen gGmbH, Do it! Learn it!
  Deutschland. Ein erster empirischer Beitrag zur Vermessung                    Spread it! Praxisleitfaden Service Learning an Hochschulen,
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Campus vor Ort. Engagiert lehren und studieren, 2015. Online im                 den, o. J. Online im Internet: http://www.agentur-mehrwert.de/
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  rufdatum 19.08.2015).                                                         sellschaftliches Engagement deutscher Hochschulen im Kon-
Hochschulrektorenkonferenz, Service Learning – Lernen durch                     text von Studium und Lehre, in: F. Waldherr, C. Walter (Hrsg.):
  Engagement. Von der Idee zur Umsetzung, 2014. Online im In-                   Partnerschaftlich, praxisnah, persönlichkeitsbildend. Forum der
  ternet: http://www.hrk-nexus.de/uploads/media/HRK-nexus_                      Lehre, 52–56. DiZ-Zentrum für Hochschuldidaktik, 2014.

  Vorschau auf WiSt Heft 8/2016
            ) Prof. Dr. Armin Töpfer und Dr. Christian Duchmann, Das Scheitern an tyrannischer Ambition –
              Der Abgasskandal von VW im Lichte der Unternehmenskultur-Forschung
           ) Prof. Dr. Norbert Hirschauer, Prof. Dr. Oliver Mußhoff, Sven Grüner, M.Sc., Dr. Ulrich Frey, Prof. Dr.
              Insa Theesfeld und Prof. Dr. Peter Wagner, Grundsätzliche Missverständnisse bei der Interpretation
              des p-Werts – Wie schlechte Begriffsbildung das Denken behindert
        ) Michael Reiss , Konfliktmanagement – Stakeholder-Konfiguration, Strategiespektrum und Entwick-
              lungstrends
         ) Dr. Björn Plaschnick und Prof. Dr. Armin Jans, Messung ökonomischer Integration in den EU-Bin-
              nenmarkt
          ) Prof. Jürgen Janovsky und Prof. Frauke Sander, Kreativitätsrisiko Globalisierung
      ) Dr. Oliver Perschau, Produktions- und Wachstumsschwäche überwinden – Bessere Rahmenbedin-
              gungen schaffen
       ) Prof. Dr. Johann Walter, Einseitig expansive Geldpolitik in der offenen Volkswirtschaft
     ) Dipl.-Kffr. Claudia Striewe und Prof. Dr. Jürgen Weibler, Neuroscience Leadership – Die Bedeutung
              neurowissenschaftlicher Forschung für die Personalführung
    ) Isabel Victoria Villeda, Henriette Houben, Ulf Brüggemann, Christian D. Schade und Tina Osteneck,
              science angels – Nachwuchsförderung durch die Gemeinschaft des Verbands der Hochschullehrer
              für Betriebswirtschaft
   ) Prof. Dr. Bernd W. Wirtz und Marc Elsäßer, Dipl.-Oec., Social Media Marketing: Das Fallbeispiel
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                                         https://doi.org/10.15358/0340-1650-2016-7-385, am 05.02.2022, 10:17:06
                                                 Open Access –             - http://www.beck-elibrary.de/agb
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