Ehe Familie - Erzbistum München

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Ehe Familie - Erzbistum München
Ehe-, Familien- und
                                     Lebensberatung
Erzdiözese München und Freising

                                              Ehe
                             Familie
                                Partnerschaft

                      Jahresbericht 2020
Ehe Familie - Erzbistum München
Ehe Familie - Erzbistum München
Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,                              Nach dem ersten Lockdown wurde sehr sichtbar
                                                          und spürbar, wie wichtig der unmittelbare zwi-
mit diesem Jahr 2020, dem Corona-Jahr, liegt eine         schenmenschliche Kontakt ist: viele Klienten*innen
Zeit hinter uns, in der vieles in Frage gestellt, eini-   waren froh, endlich wieder in die Beratungsstelle
ges unmöglich, und dabei die Verletzbarkeit unseres       kommen zu können. Andere waren dankbar, ein
Lebens deutlich geworden ist. Genau so deutlich           anderes Beratungsformat in Anspruch nehmen zu
hat sich gezeigt, wie sehr wir Menschen angewie-          können, weil sie entweder nicht mobil waren oder
sen sind auf persönliche Begegnungen und                  ihnen zeitlich nur ein sehr begrenzter Spielraum zu
gelebte und verlässliche soziale Beziehungen.             Verfügung stand.

Wir Eheberater*innen konnten zu Beginn des Lock-          Unsere Beratungsformen sind vielfältiger geworden –
downs unserer gewohnten Arbeitsweise – der Prä-           der Einstieg in das Blended Counseling ist gelungen.
senzberatung – nicht mehr nachkommen und waren
selbst – genauso wie unsere Klienten*innen – gefor-       Dabei wurde aber auch schnell deutlich, dass die
dert durch Homeoffice, Homeschooling, Homebe-             Face-to-Face Beratung eine ganz eigene und uner-
treuung. Die tiefe Verunsicherung im Lockdown,            setzliche Qualität hat.
Existenzsorgen, das Alleinsein, die Kontaktbeschrän-
kungen, die Sorge um Familienmitglieder und               So schauen wir auf ein Jahr zurück, in dem manches
Freunde kostete alle – uns Berater*innen wie unse-        nicht möglich war, wir vieles absagen mussten –
ren Klienten*innen – viel Kraft und war für alle eine     auch unsere Jubiläumsfeier anlässlich des 50jähri-
große Herausforderung. Für manche Klienten*innen          gen Bestehens der Ehe-, Familien- und Lebensbera-
waren wir dabei oft ein wichtiger und manchmal            tung in der Erzdiözese – und dennoch hat uns diese
der einzige Bezugspunkt im Lockdown.                      Zeit auch vorangebracht: So werden wir Anfang 2021
                                                          mit der Online-Beratung der EFL in unserer Diözese
In der EFL haben wir rasch und zeitnah Alternativen       beginnen können.
zur ausschließlichen Präsenzberatung gesucht; wir
haben unsere telefonische Erreichbarkeit ausgewei-        Mein großer Dank gilt unserem Träger, dem Erzbis-
tet, mit Telefonberatung begonnen, und darüber            tum München und Freising, das die Hauptlast der
hinaus wurde uns die Videoberatung ermöglicht.            Finanzierung trägt, ferner dem Bayerischen Minis-
Die Coronapandemie hat uns Berater*innen gefor-           terium für Familie, Arbeit und Soziales, den Land-
dert, neue und andere Beratungsformen auszupro-           kreisen und Kommunen, die durch ihre Zuschüsse
bieren, Erfahrungen zu sammeln und diese wieder           unsere Arbeit unterstützen. Und natürlich den Kli-
in die Arbeit einfließen zu lassen. Die Freude daran,     entinnen und Klienten, die Beratung in Anspruch
Neues auszuprobieren und sich mit wachem Inter-           genommen haben, unser Angebot schätzen und
esse auf andere Arbeitsformen einzulassen, ist der        auch durch ihre Spenden ihre Anerkennung für die
großen Bereitschaft der Kollegen*innen zu danken,         Beratungstätigkeit der Ehe-, Familien- und Lebens-
sich all diesen Anforderungen zu stellen.                 beratung zum Ausdruck gebracht haben.

Die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig es ist,         Der erste Beitrag von Herrn Fuchs „Familien unter
unterschiedliche Beratungsformen bereit zu haben,         Druck während der Corona-Pandemie“ verdeut-
um für Menschen gerade in so schwierigen Zeiten           licht die vielfältigen Anforderungen, die Familien zu
als psychologischer Fachdienst der Kirche zur Verfü-      bewältigen haben und welches Konfliktpotential
gung zu stehen.                                           dies für die Familie, aber auch gesamtgesellschaft-
                                                          lich mit sich bringt.

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Der Artikel von Frau Reimer „Ehe-, Familien- und         Das „Projekt Trennungsambivalenz in der Paar-
Lebensberatung in der Coronazeit – Erfahrungen           beratung“ beschreibt die Studie, die die Ehe-,
mit Telefonberatung und neuen Beratungsfor-              Familien- und Lebensberatung in Zusammenarbeit
men“ gibt einen Einblick, wie wir selbst Lernende        mit dem Institut für Kommunikationstherapie und
sind und unser fachliches Angebot weiterentwickeln.      angewandte Forschung in Partnerschaft und Fami-
                                                         lie 2020 durchgeführt hat. Frau Dr. Lorenz und Herr
Frau Goldrian und Frau Überall beschreiben in            Dr. Thurmaier zeigen erste Ergebnisse und Konse-
„Öffentlichkeitsarbeit in Zeiten der Pandemie“           quenzen für die EFL Arbeit auf.
wie gefragt die EFL als Ansprechpartnerin in den
unterschiedlichen Medien ist und, dass wir hier          Der Artikel von Herrn Dr. Thurmaier „Qualifizie-
auch ein Angebot für Ratsuchende sind.                   rung und Qualitätssicherung Präventive Ange-
                                                         bote“ gibt einen Überblick über die geplanten Fort-
In der Ausführung „Männersensible und männ-              und Weiterbildungsangebote.
lichkeitsreflektierende Beratung“ berichtet Frau
Rusnak von der Fortbildung auf Landesebene für           Frau Dr. Hensel beschreibt in ihrem Bericht „Die
Beratungsfachkräfte.                                     interaktive Paar-App „Paaradies““ das Projekt
                                                         Paaradies und die Website damit-die-liebe-bleibt.de.
Der Beitrag von Herrn Dahlinger „Statistische Daten
aus dem Jahr 2020“ gibt einen statistischen Einblick
in unserer Arbeit, die Vielfältigkeit der EFL Beratung   Wir wünschen Ihnen ein reges Interesse am Lesen
und die Herausforderungen durch die Pandemie.            der Fachbeiträge.

Margret Schlierf                               Msgr. Dr. Siegfried Kneißl
Leiterin der Ehe-, Familien- und               Erzb. Ordinariat München
Lebensberatung der Erzdiözese                  HA Beratung im Ressort
München und Freising                           Caritas und Beratung

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Ehe Familie - Erzbistum München
Inhalt

Vorwort                                                                 3

Familien unter Druck während der Corona-Pandemie
Stephan Fuchs                                                          6

Ehe-, Familien- und Lebensberatung in der Coronazeit –
Erfahrungen mit Telefonberatung und neuen Beratungsformen
Christine Reimer                                                       10

Öffentlichkeitsarbeit in Zeiten der Pandemie
Anjeli Goldrian und Isabelle Überall                                   14

„Männersensible und männlichkeitsreflektierende Beratung“
Sabine Rusnak                                                          17

Statistische Daten aus dem Jahr 2020
Klaus Dahlinger, Thomas Ranzinger, Margret Schlierf                    19

Projekt Trennungsambivalenz in der Paarberatung
Dr. Mirjam Lorenz und Dr. Franz Thurmaier                              27

Bereich „Qualifizierung und Qualitätssicherung Präventive Angebote“
Dr. Franz Thurmaier                                                    31

Die interaktive Paar-App „Paaradies“
Dr. Sandra Hensel                                                      35

Adressen der Beratungsstellen in der Erzdiözese München und Freising   37

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Ehe Familie - Erzbistum München
Familien unter Druck während
der Corona-Pandemie

Abstract                                              Umgestaltung gesellschaftlicher Funktionssysteme
                                                      ging in den Familien mit einschneidenden organi-
Der folgende Artikel wirft ein besonderes Augen-      satorischen Konsequenzen einher. Existenzängste
merk auf Familien und Paare in der Corona-Pan-        oder finanzielle Mehrbelastungen verstärkten in
demie. Die mit der Pandemie einhergehenden            den Familien die psychische Belastung. Durch die
Einschränkungen wirken expandierend auf               Schulschließungen fanden sich Eltern plötzlich in
bestehende Konflikte in Partnerschaften. Durch        der Rolle als Lehrer/Lehrerin wieder, während sie
eine Auswahl bisheriger Studien wird beschrie-        auch zugleich im Homeoffice ihre Arbeitskraft dem
ben, wodurch und in welchem Ausmaß diese              jeweiligen Betrieb zur Verfügung stellten. Eine
Konflikte verstärkt werden. Die veränderten           Omnipräsenz, die Eltern an ihre Grenzen und darü-
Lebensumstände während der Corona-Pandemie            ber hinausbringt. Vor allem alleinerziehende Mütter
begünstigen häusliche Gewalt. Die dezidierte          und Väter stellt dies oft vor unlösbare Aufgaben.
Darstellung der Fall- und Meldezahlen im Bereich      Gut 60 % der Eltern gaben an, neben der Arbeit im
der Partnerschaftsgewalt gibt eine Übersicht          Homeoffice mehr als 3 Stunden zusätzlich für die
über die steigende Entwicklung, die zudem eine        Beschulung der eigenen Kinder aufbringen zu müs-
hohe Dunkelziffer birgt.                              sen (Vodafone-Stiftung, 2020). Hinzu kommen viele
                                                      Abstimmungen, die mit der Schule getroffen wer-
Seit Beginn der Corona-Pandemie sind Belastungen      den müssen oder die Koordination mit dem Zu- und
in allen Lebensbereichen spürbar. Sie stellt Paare    Rücklauf der Aufgaben. Aber auch im ersten
und Familien vor außergewöhnliche und teils völlig    Moment banal erscheinende Themen, wie der Weg-
neue Herausforderungen. Selbst neue Begrifflichkei-   fall des Schulessens, stellt vor allem einkommens-
ten mussten sich für Manches erst finden. Die         schwache Familien vor Probleme. In einer breiten

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Ehe Familie - Erzbistum München
Elternbefragung der Uni Koblenz-Landau gab rund          Im familiären Kontext findet während der Corona-
ein Viertel der befragten Eltern an, dass sich die       Pandemie eine deutliche Zunahme an neuen Aufga-
Beziehung zu den eigenen Kindern im Homeschoo-           ben und Herausforderungen statt. Aufgrund der Ein-
ling deutlich verschlechtert habe. Die Hälfte der        schränkungen, die mit der Pandemie einher gehen,
befragten Eltern bewerteten die Kommunikation,           fehlt Eltern und Kindern die Möglichkeit einer
wie etwa die Übermittlung der Aufgaben durch die         adäquaten Kompensation, um dieser Belastung
jeweilige Schule, als unzureichend (Universität Kob-     etwas entgegenzusetzen. Gewohnte Freizeitgestal-
lenz-Landau, HOMEschooling 2020-Studie). Die Auf-        tung, Sport, Kinobesuch, soziale Kontakte oder
gabenübermittlung findet an Grundschulen zu 69 %         andere Möglichkeiten der Stressbewältigung sind in
und an Gymnasien zu 81 % (Voda­fone-Stiftung, 2020)      der Krise eingeschränkt oder nicht verfügbar. Laut
über E-Mail statt. Eine Rückforderung der Aufgaben       einer Studie der Krankenkasse DAK mit Forschern
erfolgt nur punktuell und auch dann oft nicht über       des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kin-
den digitalen Weg. Digitaler Präsenzunterricht fin-      des- und Jugendalters am Universitätsklinikum
det an Grundschulen zu 7 % und an Gymnasien ledig-       Hamburg-Eppendorf (UKE) soll bei Kindern und
lich zu 26 % statt. Die Hälfte der Lehrkräfte gab an,    Jugendlichen die Nutzung von Onlinespielen um
dass digitale Präsenzzeiten nicht stattfinden (N-TV,     75 % und die Nutzung sozialer Netzwerke um rund
15.05.2020). Diese Defizite versuchen Eltern auszu-      66 % zugenommen haben (DAK Internetsuch-Studie,
gleichen, was zu einer enormen Mehrbelastung             2020). Auch habe laut einer Forsa-­Umfrage im Auf-
führt. Sicher fehlt auch an vielen Schulen eine          trag der kaufmännischen Krankenkassen ergeben,
adäquate digitale Infrastruktur. Schulen waren           dass ein Viertel der befragten Personen im Alter
ebenfalls nicht ausreichend auf ein solches Szenario     zwischen 16 und 69 Jahren mehr oder deutlich mehr
vorbereitet. Oft liegt es am Engagement der einzel-      Alkohol zu sich nahmen als vor der Pandemie (Wirt-
nen Lehrkräfte und der Schule, in welchem Umfang         schafts-Woche, Dezember 2020). Die Herausforde-
und in welcher Qualität ein digitaler Unterricht         rungen und Schwierigkeiten auf der einen Seite und
stattfinden kann (Robert Bosch Stiftung, Juni 2020).     die fehlenden oder dysfunktionalen Kompensations-
Hinzu kommt, dass die digitale Ausstattung der           möglichkeiten auf der anderen Seite verstärken die
Schüler oft lückenhaft ist. Laut statistischem Bun-      individuelle psychische Belastung und somit auch
desamt besaß die Hälfte (46 %) der Familien mit          die Konflikte in Familien.
einem Kind und einem Nettoeinkommen unter
2000,00 Euro/Monat kein Tablet. Bei einem Ein-           Diese zunehmende Anspannung war in der Bera-
kommen von 5000,00 bis 18000,00 Euro/Monat               tungsarbeit deutlich spürbar und spitzte sich bis
waren es 18 % der Haushalte. Bei Laptops und Note-       Ende 2020 zu. Paare berichteten, dass sie sich am
books besaßen Familien mit besonders geringem            Anfang der Krise psychisch noch gut gewappnet
Einkommen (18 %) kein solches Gerät und bei Fami-        fühlten. Gegen Ende des letzten Jahres sei die per-
lien mit besonders hohem Einkommen lag der               manente Dauerbelastung und das einhergehende
Anteil bei nur 7 % (Stat. Bundesamt 29. Juli 2020).      Gefühl der Erschöpfung immer spürbarer geworden.
Familien mit besonders niedrigem Einkommen               Die Konflikte hätten deutlich zugenommen und sei-
besaßen im Schnitt 2 Computer und Familien mit           en häufiger stärker eskaliert. Auch berichteten viele
besonders hohem Einkommen 4 Computer. Die qua-           Paare, dass ihnen eine Affektkontrolle immer
litative Ausstattung der Computer, also eine             schwieriger gefallen sei und dass sie häufiger
bestimmte Mindestanforderung, die nötig ist, um          Gewaltfantasien entwickelten. Solche Grenzerfah-
hürdenlos am digitalen Unterricht teilzunehmen,          rungen können verunsichernd und destabilisierend
ist hier nicht berücksichtigt. Der technischen Aus-      wirken. Die permanente Bedrohungslage und die
stattung steht auch ein technisches Wissen um die        Angst, dass man sich selbst, die Kinder oder vorer-
Bedienbarkeit der Geräte und der Software gegen-         krankte Familienmitglieder anstecken könnte, führt
über. Die Strukturveränderungen wirken auf die           bei vielen Paaren zusätzlich sukzessiv zu mehr
Kluft, die zwischen bildungsnahen und bildungsfer-       Erschöpfung. Dies hat auch eine höhere Konfliktbe-
nen Familien besteht, wie ein Brennglas. Somit           reitschaft zur Folge. Eine weitere Konsequenz des-
zeichnet sich hier ein deutliches Gefälle ab, das ins-   sen ist, dass mit einer Zunahme von psychischen
besondere einkommensschwachen und bildungsfer-           Erkrankungen, wie Angsterkrankungen oder Trau-
nen Familien das Recht auf Teilhabe und Bildung          mafolgestörungen gerechnet werden muss. So gab
erschwert oder unmöglich macht. Eine sozial              die Krankenkasse KKH an, dass sich die Anzahl an
bedingte Ungleichheit verstärkt sich somit.              Krankmeldungen im ersten Halbjahr 2020 wegen

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seelischer Leiden im Vergleich zum Vorjahr um 80 %       Zahlen gibt Aufschluss, dass es auch jenseits der
erhöht habe (KKH, August 2020). Insbesondere bei         Coronapandemie einen Anstieg von häuslicher
Frauen habe sich der Krankenstand zum Vorjahr            Gewalt zu verzeichnen gibt. Zur Begriffsklärung sei
stark erhöht.                                            gesagt, dass es sich bei Gewalt in Zusammenhang
                                                         mit Partnerschaften nicht um einen einzelnen
Diese Faktoren stellen Familien und Paare vor enor-      Straftatbestand handelt. Es summieren sich darun-
me Herausforderungen und begünstigen einen Kon-          ter eine Vielzahl an verschiedenen Straftatbestän-
trollverlust und einen Anstieg drohender Gewaltbe-       den. In den Bereich psychische Gewalt fällt u.a.
reitschaft in Konflikten. Durch die Corona-Pandemie      Bedrohung, Stalking oder Nötigung und in den
steht Partnerschaftsgewalt insgesamt mehr in der         Bereich physische Gewalt u.a. Freiheitsberaubung,
öffentlichen Aufmerksamkeit. Es wurden in den            Zwangsprostitution, Körperverletzung, Mord, Tot-
Bundesländern 2020 Trendmeldungen abgefragt.             schlag oder Vergewaltigung. Die Ermittlungen für
Hier waren die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr           diese Statistik werden von den Ländern geführt, im
eher fallend oder nicht signifikant erhöht. Jedoch       BKA dann zusammengeführt und ausgewertet.
sind solche Zahlen mit großer Vorsicht zu bewerten,
da eine Feinauswertung bisher nicht erfolgt ist oder     Laut der 2019 insgesamt gemeldeten Fälle waren
auch nicht möglich ist. So fallen z.B. auch „Streitig-   81 % Frauen und 19 % Männer von Gewalt in Zusam-
keiten bei Familienfeiern“ darunter, die aufgrund        menhang mit Partnerschaften betroffen. Die pro-
des Ausbleibens solcher Feierlichkeiten auch zum         zentuale Verteilung der weiblichen und männlichen
Rückgang gemeldeter Fälle geführt haben könnte.          Opfer differiert zwischen den einzelnen Deliktarten
Die begünstigenden Faktoren für Gewalt sind durch        deutlich. So spiegelt diese Zahl u.a. das Verhältnis
die Coronabeschränkungen erhöht, somit müsste            bei Delikten der Körperverletzung wider, nicht aber
dies eigentlich zu einer Erhöhung der Meldezahlen        bei sexuell motivierten Straftaten. Hier beträgt das
führen. Andererseits fehlt jedoch auch die Kontrolle     Geschlechterverhältnis 98 % weiblich vs. 2 % männ-
durch Beobachtungen aus dem sozialen Umfeld,             lich. 50 % der Opfer lebten mit dem Täter im gemein-
z.B. durch Ärzte, Freunde oder Nachbarn, was mög-        samen Haushalt. Es wird vermutet, dass die Dunkel-
licherweise für einen Rückgang der Meldetätigkeit        ziffer um einiges höher liegt, dass sich 75-80 % der
verantwortlich sein könnte. Zudem fehlt es Opfern        Opfer aus Angst, Scham oder finanzieller Abhängig-
mit den Coronabeschränkungen an Möglichkeiten,           keit keine Hilfe holen (Weißer Ring, Presse 2019). Im
sich unbemerkt Hilfe zu suchen. Dies könnten eben-       Vergleich zu 2018 sind die im Jahr 2019 gemeldeten
falls Gründe für die gerade rückläufigen Zahlen sein     Fälle (141.792) um 0,7 % gestiegen. Es ist seit 2015
(Partnerschaftsgewalt, Kriminalstatistische Aus-         eine steigende Tendenz (+11 %) erkennbar. Vor allem
wertung, Berichtsjahr 2019).                             in der vorsätzlichen einfachen Körperverletzung ist
                                                         eine Zunahme (+6,7 %) der Opferzahlen sichtbar. In
Anders sieht es bei dem deutschlandweit eingerich-       allen Bereichen überwiegen deutlich die weiblichen
teten Hilfetelefon aus. Hier ist die Zahl der wöchent-   Opfer. Es nimmt auch die Anzahl der männlichen
lichen Anrufe im Vergleich zum Vorjahr um 20 %           Opfer zu. Dies wirkt sich jedoch nicht auf das pro-
gestiegen. Auch haben die Anfragen aus dem sozia-        zentuale Verhältnis zwischen weiblichen und männ-
len Umfeld der Opfer zugenommen. Leider lassen           lichen Opfern aus, da insgesamt die gemeldeten
sich nur schwer Schlüsse ziehen, ob dies gleichzu-       Fälle zugenommen haben. Das durchschnittliche
setzen ist mit einem generellen Anstieg von Gewalt-      Alter der Täter war zwischen 30-40 Jahren. Die Her-
delikten, da möglicherweise durch stärkere Bewer-        kunft der Täter spielte dabei weniger eine Rolle als
bung der Beratungsstellen oder der Programme             Faktoren, die Gewalt begünstigen, wie u.a. eigene
auch mehr Hilfe nachgefragt wird – wie z. B. durch       Gewalterfahrungen oder Überforderungen in ver-
die Initiative des Bundesministeriums für Familie,       schiedenen Lebensbereichen. Einen erheblichen
Senioren, Frauen und Jugend „Stärker als Gewalt“         Einfluss hat Alkohol. Etwa 25 % der gemeldeten
(Partnerschaftsgewalt, Kriminalstatistische Aus-         Taten fanden unter Einfluss von Alkohol statt. Auf
wertung, Berichtsjahr 2019).                             alle Zahlen trifft jedoch zu, dass die Dunkelziffer
                                                         sehr hoch vermutet wird. Somit wäre auch eine Ver-
Vom Bund und den Ländern wurde Mitte 2020 die            schiebung u.a. in der Altersspanne der Täter mög-
Kriminalstatistik zur Partnerschaftsgewalt veröf-        lich. Es gilt auch als inzwischen gesichert, dass sich
fentlicht. Der Erhebungszeitraum umfasst das Jahr        während der Corona-Pandemie die Fallzahlen im
2019. Eine Zusammenfassung der wichtigsten               Bereich der häuslichen Gewalt im Vergleich zu

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Ehe Familie - Erzbistum München
ohnehin jährlich steigenden Meldezahlen deutlich       gewinnen. In einem Bundesförderprogramm werden
erhöht haben trotz der gegenläufigen Trendmeldun-      in den nächsten Jahren 120 Millionen Euro für Pro-
gen der Bundesländer von 2020. So wurde in einer       gramme, den Ausbau und die Vergrößerung der vor-
großen repräsentativen Onlinebefragung der TU          handenen Beratungsangebote bereitgestellt. Die Ini-
München belegt, dass rund 3 % der Frauen in            tiative „Stärker als Gewalt“ wächst kontinuierlich mit
Deutschland in der Zeit der strengen Kontaktbe-        einer zunehmenden Zahl an unterstützenden Ein-
schränkungen zu Hause Opfer körperlicher Gewalt        richtungen. Auf europäischer Ebene ist eine europa-
wurden. Bei 3,6 % der Frauen fand eine Vergewalti-     weite Notrufnummer in Planung. Viele Beratungs-
gung durch den eigenen Partner statt. In 6,5 % aller   stellen haben ihr Beratungssetting deutlich
Haushalte wurden Kinder gewalttätig bestraft.          erweitert. Neben der Präsenzberatung ist die Tele-
Waren die Frauen in Quarantäne oder hatten die         fon- oder Videoberatung fester Bestandteil. Auch die
Familien finanzielle Sorgen lagen die Zahlen deut-     Onlineberatung über Chat oder E-Mail etabliert sich
lich höher (Partnerschaftsgewalt, Kriminalstatisti-    zunehmend. In besonderen Krisenzeiten, wie wir sie
sche Auswertung, Berichtsjahr 2019).                   derzeit mit der Corona-Pandemie erleben, sind Bera-
                                                       tungsangebote mit unterschiedlichen Settings (Prä-
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es immer noch zu wenig     senz, Online, Telefon) unabdingbar, um Menschen
Hilfsangebote für Opfer und Täter. Derzeit wird ver-   gut begleiten zu können.
sucht, durch ein Monitoring vergangener Statistiken
und eine geschlechts- und länderübergreifende reprä-
sentative Befragung aktueller Fälle bessere Daten zu   Stephan Fuchs

                                                                                                           9
Ehe Familie - Erzbistum München
Ehe-, Familien- und Lebensberatung in der
Coronazeit – Erfahrungen mit Telefonberatung
und neuen Beratungsformen

Abstract                                               Für uns als Ehe-, Familien- und Lebensberatung
                                                       stellte sich mit dem Lockdown die Frage, wie wir
In dem Beitrag geht es darum, wie sich die Ehe-,       als Beratungsdienst für die Klienten*innen gut
Familien- und Lebensberatung der Erzdiözese            erreichbar bleiben, in welcher Form sie Beratung in
München und Freising mit der Einführung von            Anspruch nehmen können, während wir zugleich
telefonischer Beratung und anderen neuen               dem Infektionsschutz gerecht werden. Um hier
Beratungsformen auf die Erfordernisse durch            unseren Auftrag zu erfüllen und zusätzlich für die
die Coronakrise einstellte. Es wird beschrieben,       Bewältigung der Krise zur Verfügung zu stehen,
welche Auswirkungen dies auf die fachliche             wurde mit Beginn des ersten Lockdowns das Bera-
Ausgestaltung von Beratung hat und welche              tungsangebot erweitert und erstmalig Beratung am
Erfahrungen damit im letzten Jahr gewonnen             Telefon regulär als Alternative zu einem Gespräch
werden konnten.                                        vor Ort angeboten.

Moderne Modelle zur Unternehmensentwicklung            Wie wurde es umgesetzt, wie gestaltet sich Bera-
betonen die Bedeutung des Ausprobierens, von Trial     tung am Telefon, welche Erfahrungen wurden darü-
and Error, dem Lernen aus eigener Erfahrung, der       ber hinaus gemacht?
User Experience. Ein bekannt gewordenes Experi-
ment für Gruppen ist die Aufgabe, in einer vorgege-
benen Zeit aus mehreren Spaghetti, Marshmellows        Wie wurde es umgesetzt?
und Klebeband einen möglichst hohen, stabilen Turm
zu bauen. Kindergartenkinder schnitten in der Regel    Die Klienten*innen melden sich bei der Ehe-, Famili-
erfolgreicher ab als Student*innen oder                en- und Lebensberatung weiterhin regulär telefo-
Teilnehmer*innen aus der Berufsgruppe der BWL.         nisch an. Bei diesem Erstkontakt wird seit Einfüh-
Während die Kinder sofort anfingen an dem Turm zu      rung auf die ergänzende Möglichkeit für Beratung
bauen, um dann früh aus den Problemen und ihren        per Telefon hingewiesen. Bei der Wahl des Bera-
Erfahrungen zu lernen, verwendeten die meisten         tungssettings haben die Klienten*innen damit mehr
Erwachsenen-Vergleichsgruppen mehr Zeit für die        Einflussmöglichkeiten und wägen gemeinsam mit
Planung und Fehler fielen dadurch erst später auf.     der Fachkraft die verschiedenen Bedingungen
Unternehmen werden dazu ermutigt, Ideen früh als       gegeneinander ab. Die Krise beschäftigt und belas-
Prototypen zu entwerfen und zeitnah die eigenen        tet die Menschen unterschiedlich und es gibt indivi-
Erfahrungen bei der Entwicklung einzubauen.            duelle Bedürfnisse diesbezüglich. Nicht zuletzt aus
                                                       diesem Grund stellte es sich als sehr sinnvoll her-
Die Corona-Krise in diesem Jahr katapultierte uns in   aus, dass unterschiedliche Formen der Beratung zur
allen gesellschaftlichen Bereichen quasi über Nacht    Verfügung stehen und individuell das passende
in eine derartige experimentelle Situation. Sie        Beratungssetting gefunden wird. Im Unterschied
brachte uns unfreiwillig dazu, ungewohnt schnell       zur Telefonseelsorge oder zum Kontakt über ein Kri-
und ohne längere vorausgehende Planung neue Ide-       sentelefon schließen sich in der Regel einem ersten
en zu erproben. Es musste sofort mit der Umset-        Beratungsgespräch weitere Termine mit derselben
zung begonnen werden und diese mit eigenen             Beraterin bzw. demselben Berater an. Das heißt,
Erfahrungen vor Ort abgeglichen und darauf             hier gibt es eine Bindung zu einer/einem festen
reagiert werden. Wir wurden auch ermutigt, die         fachlichen Ansprechpartner*in, und es entsteht in
vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen und mit die-       der Regel ein Beratungsprozess mit mehreren
sen Mitteln kreative Lösungen zu finden. Das Maß       Gesprächen über einen längeren Zeitraum hinweg.
an Schöpferkraft und Flexibilität der Menschen setz-
te in Erstaunen und gibt Anlass zu Zuversicht.

10
Besonders Eltern mit Kindern und Menschen mit
geringer Mobilität profitierten von der neuen Mög-
lichkeit der telefonischen Beratung, ohne auf einen
längeren Beratungsprozess verzichten zu müssen.
Auch für viele Berufstätige wurde es damit erleich-
tert, einen Termin zu finden. Alle Klienten*innen, die
bereits vor dem Lockdown in der Beratungsstelle
waren und sich in einem Beratungsprozess befan-
den, wurden kontaktiert. In einzelnen Fällen wurden
Klienten*innen auch nach Abschluss einer Beratung
von den entsprechenden Berater*innen angerufen,
um sich aktiv nach ihrer Situation in der Krise zu
erkundigen und sie über die Möglichkeit zu telefoni-
scher Beratung zu informieren. Durchweg führte die-
ses aktive Nachfragen – quasi ausnahmsweise eine
„aufsuchende“ Beratung – zu sehr positiven Reaktio-
nen von Seiten der Klienten*innen und das Interesse
an ihnen als Person und für ihre jeweilige Situation
wurde mit sehr viel Dankbarkeit aufgenommen.

Tatsächlich entschieden sich mehr Einzelne für tele-
fonische Beratung als Paare. Letztere wollten öfter
warten, bis eine Beratung vor Ort wieder stattfin-
den konnte. Dies war ab Mai mit einem entspre-
chenden Hygienekonzept der Fall. Bei den Einzelbe-
ratungen ging es inhaltlich mitunter um aktuelle
Belastungen in der Krise, aber auch um partner-
schaftliche oder familiäre Probleme. Getrennt leben-
de Elternpaare konnten auch die Möglichkeit einer
„Telefonkonferenz“ in Anspruch nehmen, bei der bei-
de Klienten*innen sich getrennt jeweils an ihrem
Ort befinden und gleichzeitig mit der/dem
Berater*in telefonieren. Gerade zu Beginn der Coro-
nakrise waren getrennte Familien stark gefordert,
den Kontakt der Kinder mit beiden Elternteilen ver-
lässlich herzustellen.

Die ersten Versuche mit Videoberatung kamen Ende
Mai hinzu. Für Paare ist dies eine sinnvolle Ergän-
zung, um zusammen, aber mit räumlicher Distanz
zur/zum Berater*in, Gespräche wahrnehmen zu
können. Tatsächlich wurde die Anpassung der tech-
nischen Ausstattung mit viel Einsatz vorangetrie-
ben: es wurden teilweise Headsets bestellt, Laptops
und Software für Videoberatung angeschafft und
eingerichtet.

Außerdem wurden – dies allerdings schon von lan-
ger Hand geplant – Schulungen durchgeführt und
die Ausstattung zur Verfügung gestellt für Online-
beratung, also Beratung per Mail, Messanger Dienst
oder Chat.

                                                    11
Dies alles erforderte viele finanzielle Ressourcen,     Paares kann beispielsweise eine Beraterin oder ein
aber auch ein großes Maß an Flexibilität, Lernbe-       Berater die Klienten*innen bitten, jeweils die Kör-
reitschaft, Fehlertoleranz und Offenheit für neue       persprache des Partners bzw. der Partnerin in der
Wege bei den Fachkolleg*innen.                          jetzigen Situation zu beschreiben. Dies bringt wei-
                                                        tere Informationen, Anlass zu neuen Hypothesen,
                                                        eine Verlangsamung und Ausgangspunkte für den
Wie gestaltet sich Beratung am Telefon?                 weiteren Prozess.

Die Beratungsarbeit an den Stellen zeichnete sich       Wir Berater*innen mussten uns außerdem damit
bis vor der Coronakrise durch einen direkten Kon-       auseinandersetzen, wie wir die Klienten*innen bei
takt mit den Ratsuchenden vor Ort aus. Die              einer Paarberatung am Telefon gut darin unterstüt-
Berater*innen sind darin geschult, im persönlichen      zen können, dass eine angenehme Gesprächsatmo-
Face-to-Face-Kontakt während des Gesprächs eine         sphäre gelingt. Vor allem in emotional aufwühlen-
tragfähige Berater*in-Klienten*innen-Beziehung          den Gesprächssequenzen kann es passieren, dass
aufzubauen, die Basis für jeden gelungenen Bera-        sich die Gesprächspartner*innen gegenseitig unter-
tungsprozess. Insbesondere in der Arbeit mit Paa-       brechen und gleichzeitig sprechen. Hier gibt es gute
ren, bei der mit der Triangularität und größeren        Erfahrungen mit einvernehmlichen Absprachen im
Komplexität in der Gesprächssituation umgegangen        Vorfeld und einem besonders frühen Intervenieren
werden muss, braucht es hier ein fachlich geschul-      durch den/die Berater*in, um ein destruktives „Auf-
tes und reflektiertes Vorgehen.                         schaukeln“ zu verhindern.

Die Kommunikation ist am Telefon erschwert, wo          Während bei einer Face-to-face-Beratung an der
Informationsquellen wie Mimik, Gestik, Körperhal-       Beratungsstelle bereits für Räumlichkeiten gesorgt
tungen und Bewegungen fehlen. Die Bedeutung             ist, in denen ein ungestörtes Gespräch stattfinden
und der Gebrauch der eigenen Stimme (Stimmlage,         kann, ist dies bei einer Telefonberatung erst zu klä-
-variation, Sprechgeschwindigkeit, Atmung, Pau-         ren: Haben die Klienten*innen einen angenehmen
sen, Hervorhebungen, etc.) rückte für alle              Ort? Haben sie sich Zeit reserviert? Inwiefern ist ein
Berater*innen verstärkt in den Vordergrund der          ungestörtes Sprechen möglich, ohne dass andere
eigenen fachlichen Reflexion, da sie nahezu das         Familienmitglieder des Haushaltes mithören? Sind
alleinige Medium darstellt, mit dem Inhalte und         die Klienten*innen konzentriert oder noch mit
Bindungsangebote transportiert werden. Manche           anderen Dingen beschäftigt? etc. Die Fragen danach
Lücken können hier nur geschlossen werden, indem        bieten zugleich eine natürliche Gelegenheit des
diese explizit angesprochen werden. So kann es bei-     Joinings, zur Kontaktaufnahme und zum Vertrau-
spielsweise für beide Seiten wichtig sein, die Bedeu-   ensaufbau bei Gesprächsbeginn.
tung einer Pause zu erfahren: denkt das Gegenüber
gerade über etwas nach oder ist es auf der Suche        Allgemein werden am Anfang einer Beratung die
nach Formulierungen, gibt es eine Ablenkung, wird       Klienten*innen immer auch mündlich und mög-
etwas aufgeschrieben, was findet zwischen einem         lichst schriftlich über den Umgang mit dem Daten-
Paar aktuell nonverbal statt? Hier gibt es unzählige    schutz des Beratungsdienstes informiert. Diese Ein-
Gründe und ebenso viele Interpretationsmöglichkei-      willigung der Klienten*innen erfolgt gewöhnlich
ten. Zum Handwerkszeug in der Beratung gehört           durch Unterschrift. Bei Telefon- und Videoberatung
es, eben diese Hypothesen immer wieder zu prüfen.       erfordert diese Formalität durch das Versenden per
Da sich am Telefon in beide Richtungen mehr Pro-        Post einen größeren Sach- und Zeitaufwand für bei-
jektionsflächen und Spielräume für Vorannahmen          de Seiten.
bieten, gestaltet sich dies ungleich aufwändiger als
im Gespräch vor Ort.
                                                        Welche Erfahrungen wurden darüber
Zugleich findet dadurch aber auch eine Verlangsa-       hinaus gemacht?
mung im Gesprächsverlauf statt und es bringt die
Chance mit sich, dass manche Vorgänge von den           Als vielleicht größte Einschränkung wurde aus fach-
Klienten*innen erstmals bewusst wahrgenommen            licher Sicht die reduzierte Auswahl des methodi-
werden. Bei einer telefonischen Beratung eines          schen Vorgehens erlebt, wenn am Telefon nahezu

12
ausschließlich auf sprachliche Mittel zurückgegrif-      weiter unter anderem durch einen begleitenden
fen werden muss. Hier entfallen viele Möglichkeiten      Arbeitskreis zu den verschiedenen Beratungsformen
der Veranschaulichung und des Erlebens. Das Ver-         fortgesetzt, der in diesem Sommer ins Leben geru-
schicken von Anregungen z.B. in schriftlicher Form       fen wurde. Mit Freude, Anstrengung, Kreativität,
oder ein Hinweis auf ein Video oder Podcast konnte       durch echtes Interesse, den Menschen beiseite zu
hier mitunter das Gespräch sinnvoll ergänzen und         stehen, ein kollegiales Zusammenhalten, institutio-
Abwechslung bringen. Es liefert jedoch kaum Ersatz       nelle Ermutigung zum Erproben und durch die indi-
für erlebnisorientierte Interventionen im Rahmen         viduelle Reflexion des eigenen Handelns ist hier viel
eines Beratungsprozesses.                                gelungen. Der dazugewonnene Erfahrungsschatz
                                                         wird auch nach Beendigung der Coronakrise mit
Hingegen wurde von Seiten der Berater*innen die          einfließen. Er hat den Weg bereitet zu Blended
hohe Fokussierung am Telefon auf das Gespräch            Counseling, also einer Verzahnung der verschiede-
auch als gewinnbringend für die inhaltliche Arbeit       nen Beratungsformen, so dass jeweils die Vorteile
erlebt. Viele Kolleg*innen berichteten von der Erfah-    der verschiedenen Formen bewusst eingesetzt wer-
rung, dass es bei einer telefonischen Beratung mit-      den können.
unter leichter als bei einer Vor-Ort-Beratung oder
Videoberatung fiel, sehr genau zuzuhören, mitzu-
fühlen und das Thema konsequenter zu verfolgen.          Christine Reimer
Knatz und Schumacher beschreiben in ihrem Buch
„Mediale Dialogkompetenz“ Anforderungen und
Geschehnisse in der Psyche der beratenden Person
während einer Beratung: „Es geht um die Fähigkeit,       Quellen:
Emotionen zu meistern, Werte zu jonglieren,
Bedürfnisse zu reflektieren, Karten der Realität zu      l Knatz, Birgitt & Schumacher Stefan, Mediale
respektieren und vertiefende Fragen zu stellen“            Dialogkompetenz – Umgang mit schwierigen
(Knatz & Schumacher, 2019, S. 11). Das Setting am          Gesprächssituationen am Telefon, Springer, 2019
Telefon kann offensichtlich für diese innerlich ablau-
fenden Prozesse in der Person dem/der Berater*in         l Vortrag „Wie kommt Neues in die Welt? – Hal-
förderliche Bedingungen schaffen und diese gut             tung der Theorie U zur Gestaltung von Verände-
unterstützen. Vermutlich geschieht dies dadurch,           rungsprozessen von Dr. Martin Kempen im
dass manche „Ablenkung“ durch visuelle Informati-          Rahmen der Fachtagung für Stellenleiterinnen
on fehlt oder man nicht unbewusst sofort auf die           und Stellenleiter der Ehe-, Familien- und Lebens-
Mimik oder Körpersprache des Gegenübers beim               beratung – Fachdienst der katholischen Kirche
Sprechen reagiert. Vielleicht unterstützen hier auch       in Bayern, Landesarbeitsgemeinschaft der
das Zurückgreifen auf eigene Notizen oder eine als         Fachreferenten am 10. Juli 2019
nah empfundene und gute Sprachqualität beim
Telefonieren mit einem Headset.                          l „Onlineberatung“ Schulung mit Referent Mag.
                                                           Gerhard Hintenberger am 8. und 9. Oktober 2020
Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung nutzte das
Krisenjahr für eine Menge neuer Erfahrungen mit          l Interne Zusammenstellung von Grundlagen und
verschiedenen Beratungszugängen. Ein beherzter             Erfahrungsberichten zu Beratung am Telefon
Einstieg in neue Beratungsformen ist geschafft. Es         durch Melanie Schreyer vom 11.5.2020
wurde aus der Notwendigkeit heraus in kürzester
Zeit Neues aufgebaut, in die Wege geleitet und
erprobt, was auch einen bleibenden Wert für die
Entwicklung des Beratungsangebots besitzt. Sicher-
lich konnte mehr Gespür entstehen, wo Möglichkei-
ten und Grenzen der verschiedenen Beratungsfor-
men liegen. Es ist gelungen, die Erfahrungswerte
auch einer fachlichen Reflexion zu unterziehen und
mit dem bestehenden Wissen zu verbinden. Dieser
Prozess ist nicht abgeschlossen und wird auch

                                                                                                           13
Öffentlichkeitsarbeit in Zeiten der Pandemie

Abstract                                               Thematisch gestaltete sich das vergangene Jahr
                                                       folgendermaßen:
Das vergangene Jahr war für uns alle ab dem
Frühjahr stark geprägt durch die Corona Pande-         Das erste Quartal begann mit einem Beitrag anläss-
mie. Alle Presseanfragen zum Thema Partner-            lich des Valentinstages. Für Viele ist dieser Tag
schaft und Familie standen unter dem Aspekt,           Anlass dem geliebten Menschen etwas schenken zu
inwiefern Corona diese Lebensbereiche beein-           wollen. Genau daraus aber ergibt sich für Paare mit-
flusst. In unseren Beiträgen war es uns                unter ein Konflikt zwischen Schenken Müssen und
zunächst wichtig aufzuzeigen, dass diese kol-          Schenken wollen, verbunden mit einem gewissen
lektive Ausnahmesituation individuell sehr             Konsum Verdruss. Aus diesem Grund war es uns
unterschiedlich verarbeitet werden kann. Tole-         wichtig alternative Impulse der Zuneigung zu for-
ranz und Akzeptanz waren in dieser Zeit                mulieren, in der Hoffnung zum Achtsamen Schen-
wesentliche Fähigkeiten, um mit der Krise              ken (*) zu motivieren.
umzugehen. Mithilfe von konkreten Impulsen
versuchten wir Mut zu machen, die Schwierig-           Es folgte ein Interview, welches die Chancen und
keiten konstruktiv zu bewältigen.                      Risiken von Online Dating Portalen und Partner-
                                                       schaft (****) psychologisch beleuchtete.
Im Jahr 2020 hatten wir wieder sehr viele unter-
schiedliche Themen und Anfragen in Bearbeitung,        In der beginnenden Fastenzeit beschäftigten wir
um auf unser Beratungsangebot in gewohnter Form        uns mit dem Thema wie es gelingen kann, Langzeit-
aufmerksam zu machen. Das bedeutet, es gab Live        beziehungen lebendig zu halten oder anders formu-
Interviews, Studioaufzeichnungen, Texte für die
Homepage des EOM, sowie Redaktionskonferenzen.

Eine große Herausforderung stellten dann ab März
die Corona Pandemie und der Lockdown dar. Das
bedeutete für uns nicht nur eine Veränderung der
Inhalte, sondern auch ein Setting Wechsel. Statt
der üblichen Begegnungen mit Journalisten und
Medienanstalten, fanden die Interviews nun telefo-
nisch statt oder mussten auf Audio Dateien aufge-
zeichnet werden. Darüber hinaus war es notwendig
die Kontakte, bedingt durch Homeoffice Regelun-
gen, kurzfristige Ausfälle durch Erkrankungen oder
Quarantäne, immer wieder neu zu organisieren
und abzusprechen.

Eine weitere Erschwernis bildeten die sich oft kurz-
fristig veränderten Corona Regelungen auf Bun-
des- und Länderebene. Das bedeutete für unsere
Arbeit, dass wir zu jedem Zeitpunkt über diese
politischen Entscheidungen informiert sein muss-
ten, um unsere Beiträge entsprechend anzupassen
oder neu zu formulieren. Daraus ergab sich zudem
die Notwendigkeit einer hohen zeitlichen Flexibili-
tät aller Beteiligten.

14
liert, ihnen immer wieder eine „Frischzellenkur“ zu   Ergänzend wurde für die Alleinstehenden das „ABC-
gönnen. Viele praktische Tipps sollten dazu beitra-   Modell der psychischen Widerstandsfähigkeit“
gen, die Frühlingsgefühle in Langzeitbeziehun-        (*),(**) erklärt. Selbstverständlich dient es auch Paa-
gen (*) zu fördern.                                   ren und Familien zur Unterstützung.

Noch im März, mit dem Beginn der Pandemie, war        Die Kontaktbeschränkungen der Pandemie bedeute-
das Beziehungsleben stark belastet. Daher bot sich    ten für uns alle einen Verlust an Freiheit und gleich-
das Thema Partnerschaft in Zeiten von Corona          zeitig die Notwendigkeit neue Wege zu gehen, um
(***) an. Hier ging es zunächst darum, die besonde-   Zuneigung zu zeigen. Am Beispiel des Muttertags
ren Herausforderungen durch den ersten Lockdown       (***) entwickelten wir kreative Ideen zur Förderung
zu reflektieren. Im zweiten Schritt wurden konkrete   der Familienbeziehungen. Im Mai 2020 war die
Möglichkeiten der Bewältigung entwickelt.             aktuelle Regelung, dass man 1 Person im Freien tref-
                                                      fen durfte. Von Reisen wurde aus Infektionsschutz-
Das zweite Quartal begann mit einer Kooperation       gründen abgeraten. So war es notwendig, neue
zwischen Münchner Insel, Telefonseelsorge und         Wege zu gehen, der Mutter gegenüber Zuneigung
Ehe-, Familien- und Lebensberatung.                   auszudrücken. Hilfreich waren Absprachen zwi-
                                                      schen den Geschwistern bezüglich der Besuchsmög-
Unter dem Motto „So kommen Sie besser durch           lichkeiten. Geschenke (wie z.B. ein Gutschein für
die Quarantäne“ (*),(**) standen alle drei Einrich-   eine Essenseinladung, sobald es wieder möglich
tungen Rede und Antwort. Aus den unterschiedli-       sein wird) oder Blumen (auch um den Blumenhan-
chen Perspektiven konnten differenzierte Anregun-     del zu unterstützen) sind Ausdruck von Dankbar-
gen zum Thema Stressmanagement für Paare              keit. Darüber hinaus kann man seine Liebe in Form
vermittelt werden. Auch für die Familien wurden       von Briefen, Telefonaten oder Skype Kontakten zum
Strategien zur Bewältigung der häuslichen Quaran-     Ausdruck bringen. Natürlich gelten diese Formen
täne vorgestellt.                                     der Zuwendung auch zu allen anderen Anlässen im
                                                      Jahr (wie z.B. Geburtstage, Namenstage, Feier-,
                                                      oder Jahrestage). Diese Fürsorgearbeit wird in der
                                                      Regel von den Frauen in der Familie übernommen.
                                                      Daher kann es sehr entlastend sein, wenn Männer
                                                      sich auch um die Pflege der familiären Beziehungen
                                                      kümmern. Im besten Fall könnte diese Pandemie
                                                      dazu führen sich bewusst zu werden, wie wichtig
                                                      menschliche Begegnungen im Alltag sind und wie
                                                      sehr wir Alle Nähe und Zuneigung brauchen. Diese
                                                      Aspekte sind Grundpfeiler der psychischen Gesund-
                                                      heit. Wichtig war es uns durch die konkreten Bei-
                                                      spiele zu vermitteln, dass eine Kontakteinschrän-
                                                      kung kein Kontaktabbruch bedeuten muss.

                                                      In einem Interview zum Thema Maskenpflicht (***)
                                                      wurde die Fragestellung, wie das soziale Miteinan-
                                                      der trotzdem weiter gelingen kann, noch weiter
                                                      vertieft. Verschiedene Fragen wurden dazu
                                                      beantwortet:

                                                      Wie beeinflusst das Tragen der Maske die Kommu-
                                                      nikation? Da wir sprachlich nicht mehr so gut zu
                                                      verstehen sind, müssen wir lauter sprechen. Darü-
                                                      ber hinaus ist der mimische Ausdruck sehr einge-
                                                      schränkt, sodass wir unser Gegenüber oft nur
                                                      schwer einschätzen können. Aber das Gute ist, dass
                                                      sich ein Lächeln auch über die Augen überträgt.

                                                                                                          15
Wie können Kleinkinder auf das Tragen von Masken         Stichwort „Blended Counseling“ wurden sowohl die
ihrer Eltern vorbereitet werden? Die Haltung der         strukturellen, als auch die beraterischen Herausfor-
Eltern zu dieser Maßnahme beeinflusst die Akzep-         derungen mit den daraus resultierenden neuen
tanz der Kinder zum Tragen der Maske. Oder anders        Beratungsformen (Telefon- und Videoberatung)
gesprochen, die Erwachsenen können als positives         beschrieben.
Vorbild dienen. Es ist sinnvoll das Tragen der Maske
altersgerecht zu vermitteln. Bei Babys und Kleinkin-     Zum Jahresende befassten wir uns mit der Frage,
dern hilft ein spielerischer Umgang, indem die Mas-      wie der Glaube über diese schwierige Zeit hinweg-
ke wie ein neues Spielzeug eingeführt wird. Ab dem       helfen kann und inwiefern Rituale Trost spenden.
Grundschulalter kann die Maske auch kreativ gestal-      Veranschaulicht wurde dieser Aspekt in der konkre-
tet werden, wodurch die Kinder diese eventuell lie-      ten Gestaltung des Weihnachtsfestes (***), welches
ber tragen. Bei den Jugendlichen ist ein differenzier-   im letzten Jahr verändert gefeiert werden musste.
teres Erklärungsmodell sinnvoll.
                                                         Durch die regelmäßige Teilnahme an den Redakti-
In der Sendung „Stichwort Kirche“ (***) war es uns       onskonferenzen konnten wir unsere Themen auf der
möglich kurz und knackig die Ehe-Familien- und           Homepage des EOM platzieren. Darüber hinaus
Lebensberatung vorzustellen.                             waren wir kontinuierlich auf den Social Media
                                                         Kanälen (facebook und instagram), wie auch über
In den Sommermonaten drehten sich die Beiträge           podcasts vertreten.
rund um die Lebensbereiche Urlaub und Entspan-
nung in Zeiten von Corona (*),(***) Was gehörte in       Interviews wurden auf folgenden Sendern ausge-
dieser Saison alles in den Urlaubs- bzw. Notfallkof-     strahlt: Münchner Kirchenradio, Antenne Bayern,
fer um sicher zu reisen, war die zentrale Frage. Rei-    Radio Arabella, Radio Charivari, Top FM, Radio
sen in Zeiten der Pandemie erfordern eine wesent-        Alpenwelle, Radio Oberland und Bayernwelle
lich umfangreichere und differenziertere Planung         Südost.
und Vorbereitung. Paare und Familien müssen sich
bereits im Vorfeld viel intensiver über potenzielle      Es ist davon auszugehen, dass uns die Pandemie
Risiken und unterschiedliche Bedürfnisse austau-         mit ihren Auswirkungen auch im Jahr 2021 im
schen: z.B. die sich stetig ändernden Reise- und         Bereich der Öffentlichkeitsarbeit weiter beschäfti-
Quarantäne Bestimmungen, Stornierungsmodalitä-           gen wird.
ten, Infrastruktur und ärztliche Versorgung am
Urlaubsort, Abklärung von Rücktransport Möglich-
keiten, aber auch die Frage, wie kann Erholung           Anjeli Goldrian, Isabelle Überall
trotz all der Maßnahmen gelingen. Sowohl im
Urlaub, als auch im Alltag ist es wichtig, trotz aller
Einschränkungen, immer wieder Inseln der Ent-
spannung zu schaffen, statt sich permanent mit           Nachzulesen bzw. -hören unter
dem Negativen zu beschäftigen: z.B. gute Gesprä-
che, liebevoller Umgang miteinander / Achtsamkeit        (*):	Homepage der Ehe-, Familien- und
mit dem eigenen Körper, gesunde Ernährung, aus-                Lebensberatung
reichend Schlaf, Bewegung in der Natur / Kraftquel-
len am Wohn- und Arbeitsplatz z.B. mittels Fotos         (**):	Homepage des Erzbistums München
und Musik.                                                      und Freising

Im letzten Quartal konnten wir anlässlich ihres          (***):	Radiosender und Social Media Kanäle –
50-jährigen Bestehens, die Ehe-, Familien- und                   facebook, instagram, Münchner Kirchen­
Lebensberatung im Wandel der Zeit (**),(***) aus-                radio, Antenne Bayern, Radio Arabella, Radio
führlich auf verschiedenen Plattformen und in Soci-              Charivari, Top FM, Radio Alpenwelle, Radio
al Media Kanälen darstellen.                                     Oberland, Bayernwelle Südost

Es folgte eine umfassende Zusammenschau über             (****):	Münchner Kirchenzeitung, Ausgabe 2/2020
Beratung im Krisenjahr (**),(***). Unter dem

16
„Männersensible und männlichkeits-
reflektierende Beratung“
Fortbildung für Beratungsfachkräfte

Männer in Beratung im Rahmen                            durch miterlebte Gewalt zwischen den Eltern trau-
des Projektes Gewaltschutz und                          matisiert werden (Gefährdung des Kindeswohls!).
Gewaltschutzprävention
                                                        Da alle Formen von Gewalt destruktiv sind, ist es
Abstract                                                notwendig, Maßnahmen zur Prävention und zum
                                                        Schutz vor häuslicher Gewalt auch an Männern so
Im Rahmen des Modellprojekts „Häusliche und/            zu etablieren, dass das Phänomen von häuslicher
oder sexualisierte Gewalt gegen Männer“ des             Gewalt an Männern bekannt und die Hilfsangebote
Bayerischen Staatsministeriums für Familie,             leicht zu finden und niederschwellig erreichbar sind.
Arbeit und Soziales (StMAS) richtet der Landes-
ArbeitsKreis für Ehe-, Partnerschafts-, Familien-       Im Rahmen des Modellprojekts „Häusliche und/oder
und Lebensberatung in Bayern in den Jahren              sexualisierte Gewalt gegen Männer“ des Bayeri-
2020 und 2021 eine trägerübergreifende Qualifi-         schen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und
zierungsmaßnahme für Beratungsfachkräfte                Soziales (StMAS), das zum Gesamtkonzept ‚Gewalt-
aus. Die Fortbildung dient der Sensibilisierung         prävention und Gewaltschutz‘ der Bayerischen
für die männliche Identitätsentwicklung und             Staatsregierung gehört, richtet der LandesArbeits-
den daraus resultierenden Auswirkungen auf die          Kreis für Ehe-, Partnerschafts-, Familien- und
Lebens- und Beziehungsgestaltung.                       Lebensberatung in Bayern in den Jahren 2020 und
                                                        2021 eine trägerübergreifende Qualifizierungsmaß-
Partnergewalt ist ein weitverbreitetes Phänomen.        nahme für Beratungsfachkräfte der Ehe-, Partner-
Dabei richten sich die Gewalttaten in Partnerschaf-     schafts-, Familien- und Lebensberatung aus. Ziel ist
ten überwiegend gegen Frauen, aber auch Männer          es, eine möglichst flächendeckende, zusätzliche
sind davon betroffen. Während im Bewusstsein der        Qualifizierung unseres Fachpersonales für die Bera-
Öffentlichkeit dem Thema ‚Häusliche Gewalt an           tung von Männern und im Besonderen von Män-
Frauen‘ inzwischen ein relativ beständiger Platz ein-   nern, die von häuslicher und/oder sexualisierter
geräumt wird und diverse Hilfeangebote für betrof-      Gewalt betroffen sind, zu erreichen.
fene Frauen geschaffen wurden, ist das Thema
‚Gewalt an Männern‘ nicht wirklich im öffentlichen      Für die Erzdiözese München und Freising nahmen
Bewusstsein präsent und weitgehend tabuisiert,          an der Qualifizierungsmaßnahme bisher acht
obwohl der Anteil der männlichen Opfer bei Part-        Kolleg*innen teil.
nerschaftsgewalt laut kriminalstatistischer Auswer-
tung des Bundeskriminalamtes steigend ist.              In dem dreitägigen Workshop mit Björn Süfke als
                                                        Referent beschäftigten sich die Teilnehmer*innen
Es gibt unterschiedliche Formen von Gewalt inner-       mit folgenden Inhalten:
halb von Partnerschaften: psychisch, physisch, sexu-
ell, ökonomisch, digital. Sie wird in heterosexuellen   1. Männliche Rollenbilder und Stereotypen, Männ-
und homosexuellen Beziehungen ausgeübt, und sie            lichkeitsanforderungen; psychologische Entwick-
tritt als gegenseitige Gewalt auf, in der beide Part-      lung von Jungen; typische männliche Bindungs-
ner sowohl Opfer als auch Täter sind, und einseitig        muster, Bindungsverhalten und Bez­     ieh­
                                                                                                     ungs-
als Gewalt eines Partners dem anderen gegenüber.           muster; Diskriminierung von Männern

Jede Form von Gewalt kann Auswirkungen auf die          2. Männer im Beratungssetting: männertypische
körperliche und seelische Gesundheit des betroffe-         Kommunikationsformen, Art der therapeutischen
nen Partners haben. Kinder sind immer direkt oder          Beziehung; Erkenntnisse der gendersensiblen
indirekt von häuslicher Gewalt betroffen, weil sie         Psychodiagnostik, der Psychotherapie und des

                                                                                                          17
Beratungssettings; typische Übertragungs- und      Jahrzehnten die traditionellen Männlichkeitsvorstel-
     Gegenübertragungsphänomene; Erkennen von           lungen in die Krise geraten. Die traditionellen Rol-
     und Umgang mit typischen männlichen Abwehr-        lenvorstellungen werden in Frage gestellt, so dass
     mechanismen und Bewältigungsstrategien             sich Männer oft in einer doppelten Krise befinden:
                                                        die Anforderungen der traditionellen Männlichkeit
3. Gewalt und Opferschaft in der Lebensbiographie       führen sie an ihre Grenzen, zugleich sind sie in ihren
   von Männern; Opferschaft von Männern bei häus-       Partnerschaften mit Forderungen nach mehr Flexi-
   licher Gewalt; Bedürfnisse und Ressourcen von        bilität konfrontiert. All dies führt oft zu einer exis-
   Männern bei der Wahrnehmung, Beendigung und          tentiellen Verunsicherung bei Männern.
   Bewältigung von Gewaltwiderfahrnissen, insbe-
   sondere bei häuslicher Gewalt; Erfahrungen in        Für Therapie und Beratung mit Männern werden im
   der Unterstützung von Männern, die von Gewalt        Workshop Interventionen der liebevollen Konfronta-
   betroffen sind.                                      tion geübt, die Männern eine wertschätzende, aber
                                                        auch direkte Auseinandersetzung mit sich, ihren
Der Workshop sensibilisierte die Teilnehmer*innen       Bedürfnissen und Wünschen und ihrer Geschichte
für das grundlegende Problem der männlichen Iden-       ermöglichen und eine Entfaltung der eigenen Iden-
titätsentwicklung: Männliche Identität entwickelt       tität fördern.
sich in unserer Gesellschaft und auch in den meis-
ten anderen Kulturen in Abgrenzung von weiblicher       Die Teilnehmer*innen erlebten die Fokussierung auf
Identität. Männer sollen deswegen beispielsweise        die ‚Männer in der Beratung‘ als Perspektivenerweite-
stark, überlegen, hilfreich etc. sein. Da Gefühle der   rung und somit als lehrreich und hilfreich, sie konn-
weiblichen Identität zugeordnet werden, haben           ten vom Praxisbezug der Fortbildung sehr profitieren.
Männer einen erschwerten Zugang zu ihren eigenen
Gefühlen und Bedürfnissen, was zu einer Entfrem-
dung von ihrer eigenen Identität führt. Durch die       Sabine Rusnak
Frauenbewegung sind in den letzten Jahren und

18
Statistische Daten aus dem Jahr 2020

1. Überblick                                                      durchgeführt. Viele geplante Kurse mussten pande-
                                                                  miebedingt abgesagt werden. Von 3 Kolleginnen
5560 Personen nahmen im Jahr 2020 das Angebot                     wurden 310 Onlineberatungsstunden durchgeführt.
der katholischen Ehe-, Familien- und Lebensbera-
tungsstellen (EFL) in der Erzdiözese München und                  Tabelle 3: Co-Beratungsstunden (à 50 Min.)
Freising in Anspruch.
                                                                                                                 h
Tabelle 1: Statistischer Vergleich für die Gesamtheit der
Ratsuchenden                                                        Einzelberatung                              53

                                        2019           2020         Paarberatung                                92

  Anzahl der Personen                   6.179         5.560         Familienberatung                              5

  Gesamtzahl der Fälle                 3.959          3.609
                                                                  Bei hochstrittigen Paaren, die vom Jugendamt oder
                                                                  vom Gericht an die Beratungsstellen überwiesen
Wie Tabelle 1 zeigt, gab es im Vergleich zum letzten              wurden, führten oftmals 2 Beraterinnen oder Bera-
Jahr eine Abnahme in der Zahl der beratenen Perso-                ter die Beratungen durch, bei denen die Trennung
nen. Insgesamt kamen über 600 Personen weniger                    der Paare begleitet und Umgangsregelungen für die
an die EFL als ein Jahr zuvor. Auf die Gründe für die-            Kinder erarbeitet wurden. In der Summe waren dies
sen pandemiebedingten Rückgang wird im 2.                         150 Stunden (siehe Tabelle 3).
Abschnitt detailliert eingegangen werden.

Tabelle 2: Beratungsstunden (à 50 Min.)                           2. Beratung in Zeiten von COVID-19

                                                             h    Die massiven Einschnitte, die 2020 mit der Pande-
                                                                  mie verbunden waren, werden sehr deutlich, wenn
  Einzelberatung                                      15.102      man sich die Veränderungen in den Beratungsleis-
                                                                  tungen einschließlich der durchgeführten und abge-
  Paarberatung                                       12.795
                                                                  sagten Beratungsstunden anschaut. Es zeigt sich,
                                                                  dass in der ersten Schockphase der Pandemie, als in
  Familienberatung                                          238
                                                                  den Nachrichten erst die Bilder von den Särgen aus
  Gruppenberatung                                           90    Bergamo und später aus New York gezeigt wurden,
                                                                  die Beratungen massiv zurückgingen. Eine Verände-
  Onlineberatung                                            310   rung in den Beratungsleistungen in einem solchen
                                                                  Ausmaß gab es bislang in der Geschichte der EFL
  Gesamt                                             28.535       noch nie und erst recht keine derart gravierenden
                                                                  Rückgänge, weder im Zuge der deutschen Einheit
                                                                  noch nach 9/11 oder während der Finanzkrise. Im
Tabelle 2 informiert über die unterschiedlichen                   Grunde fand das Gegenteil von dem statt, was nor-
Beratungssettings. An den Beratungsstellen wurden                 malerweise erwartet werden würde: in einer extre-
überwiegend Einzelberatungen (15102 Stunden) und                  men Stresssituation zogen sich die Menschen
Paarberatungen (12795 Stunden) angeboten. Der                     zurück und aus Angst, sich anzustecken, vermieden
Anteil der Familien- und Gruppenangebote lag bei                  sie es, sich Hilfe zu suchen. Dieses Phänomen konn-
238 und 90 Stunden. Die Gruppenberatungen                         te nicht nur bei der EFL beobachtet werden, sondern
umfassten 4 Gruppen mit insgesamt 90 Beratungs-                   auch in Arztpraxen, in anderen Beratungsstellen, in
stunden. Es wurden ein KOMKOM Kurs, ein KOM-                      Kliniken und bei niedergelassenen Therapeuten.
SPL Kurs sowie zwei Kurse „Kinder im Blick“

                                                                                                                  19
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