GESCHICHTEN AUS EINEM WARMEN HAUS IM KALTEN WINTER SENZA RIPARO: STORIE AI MARGINI

 
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Winterhaus   GESCHICHTEN
             AUS EINEM WARMEN HAUS
             IM KALTEN WINTER
             SENZA RIPARO:
             STORIE AI MARGINI
© 2020 Schutzhütte B1 rifugio, Bozen | Bolzano
Herausgeber*innen | Edito da:
Caroline von Hohenbühel, Maria Lobis, Marion Maier, Rudolf Nocker
Layout: Alias Idee und Form, Vahrn | Varna
Illustration | Illustrazione: Iman Joy El Shami, Meran | Merano
Druck | Stampa: Unionprint d. Tappeiner Simon, Meran | Merano
Für Buchbestellungen | Per gli ordini di libri: winterbook1012@gmail.com

Infos | Informazioni
Verein | Associazione Schutzhütte B1 rifugio
Tel. +39 345 020 9834, Bozen | Bolzano

Der Gesamterlös dieses Buches kommt dem Projekt Dorea zugute,
einem Folgeprojekt des Winterhauses, das sich um obdachlose Frauen
in Bozen kümmert.
L’intero ricavato di questo libro sarà devoluto al progetto Dorea,
che si occupa delle donne senza tetto a Bolzano.
Spenden | Donazioni
Schutzhütte B1 rifugio
IBAN: IT55O0808111601000301015923, BIC: RZSBIT21103
Kennwort | Oggetto: „Winterhaus“

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Tutti i testi e le illustrazioni sono protetti dal diritto d’autore. La riproduzione del
testo è consentita solo citando la fonte.
INDEX
EIN VORWORT | PREFAZIONE                               6

DAS PROJEKT WINTERHAUS BOZEN
IL PROGETTO CASA D’INVERNO BOLZANO                     9

FREIWILLIGE ERZÄHLEN | I VOLONTARI RACCONTANO
NICHT MEHR WEGSCHAUEN Ingeborg Stainer                22
UNA GRANDE FAMIGLIA Federica Franchi                  24
DAS GESCHENK Marion Maier                             26
LEBENSGESCHICHTEN, DIE BERÜHREN Anna Rastner          29
DIE WELT IM WINTERHAUS Martine Robatscher             30
HERAUS AUS DER KOMFORTZONE Dorothea Kuppelwieser      32
BÖSE BUBEN Maria Lobis                                34
5 DICEMBRE 2019 Andrea                                36
DAS PROJEKT WINTERHAUS Barbara Bertagnolli            37
LA NOTTE DI SAN SILVESTRO-CAPODANNO Sonia Simonitto   39
NEUE WELTEN Martina Schullian                         43
NEUJAHR 2020 Brigitte Andres Oberrauch                45
CORONA UND DAS WINTERHAUS Paul Tschigg                46
LA DIVERSITÀ È RICCHEZZA Giulia Giberti               49
EIN STÜCK NEUES BOZEN Heiner Oberrauch                50
VITE AL LIMITE Rudolf Nocker                          55
EINE NACHT IM WINTERHAUS Magdalena Amonn              58
UNSER MONSTERPROJEKT Caroline von Hohenbühel          60
NEUE ERFAHRUNGEN Hannah Desaler                       63
IL BISCOTTO L.                                        64
EINE WUNDERBARE ERINNERUNG Anneliese Raffl            66

EIN AUSBLICK – IM GESPRÄCH
UN’ALTRA PROSPETTIVA – INTERVISTA
MIT | CON DANIELA UNTERHOLZNER                        69

DANKE | GRAZIE                                        80
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EIN VORWORT
    Spontanität, Willensstärke, Ausdauer: Diese Eigenschaften haben die
    Betreiber*innen und Freiwilligen des Winterhauses ausgezeichnet und die
    Unterkunft für wohnungs- und obdachlose Menschen in Bozen zu einem
    Vorzeigeprojekt zivilgesellschaftlichen Engagements gemacht. Dank eines
    großzügigen Unternehmers und fünf engagierter Mitarbeiter*innen im
    Kernteam konnte das Winterhaus innerhalb weniger Vorbereitungstage er-
    öffnet und fast fünf Monate lang auf ehrenamtlicher Basis geführt werden.

    96 Freiwillige haben vom 10. Dezember 2019 bis zum 30. April 2020
    Dienst getan. 21 von ihnen berichten in diesem Buch von ihren Erfah-
    rungen und Ängsten, von dem, was sie überrascht hat und was sie gelernt
    haben. Im Anschluss an die Geschichten zeigt Daniela Unterholzner
    Lösungsansätze für die Beseitigung von Obdachlosigkeit in Bozen auf.
    Seit 2017 leitet die Südtirolerin die Sozialorganisation neunerhaus in Wien,
    ein Vorzeigeprojekt für obdachlose und armutsgefährdete Menschen.

    Das Bozner Projekt Winterhaus macht Hoffnung, schenkt Mut, ist Bei-
    spiel. Es ist ein Beleg dafür, dass unternehmerische Verantwortung,
    verbunden mit freiwilligem Engagement, und eigenverantwortliches
    Handeln, verbunden mit dem Vertrauen in das Gute im Menschen,
    Vorurteile überwinden und Unmögliches möglich machen können.

    Südtirols und Bozens Politik und Verwaltung sind im Winter und Früh-
    jahr 2019/2020 ihren Aufgaben wohnungs- und obdachlosen Menschen
    gegenüber nicht gerecht geworden. Leider hat sich die Situation aufgrund
    der Corona-Pandemie noch zugespitzt, Entschärfung nicht in Sicht. Fast
    200 Menschen leben derzeit in Bozen auf der Straße. Handeln tut not.

    Das Redaktionsteam
    Caroline von Hohenbühel, Maria Lobis, Marion Maier, Rudolf Nocker

    Bozen, 10. Dezember 2020
    Ein Jahr nach Eröffnung des Winterhauses
    Internationaler Tag der Menschenrechte
6
PREFAZIONE
Spontaneità, forza di volontà, tenacia: queste sono le caratteristiche che hanno
dimostrato gli organizzatori e i volontari della Winterhaus e che hanno fatto
della casa per i senzatetto e i senza fissa dimora un progetto di impegno civile
di grande rilevo. Grazie ad un generoso imprenditore e cinque volontari è
stato possibile aprire la Winterhaus al pubblico dopo pochi giorni di preparativi
e tenerlo aperto, per quasi cinque mesi, su base esclusivamente volontaria.

Dal 10 dicembre 2019 al 30 aprile 2020, 96 persone hanno svolto servizio
notturno. 21 di loro raccontano in questo libro le loro esperienze e le
loro paure, ciò che li ha sorpresi e ciò che hanno imparato. Alla fine del
libro Daniela Unterholzner propone possibili soluzioni al problema dei
senzatetto a Bolzano. Dal 2017 Daniela Unterholzner è la responsabile
dell’organizzazione neunerhaus a Vienna, un progetto di rilevanza europea
in favore di persone senza fissa dimora e prossima alla povertà.

Il progetto Winterhaus a Bolzano ci dà speranza, fiducia e coraggio, oltre
a rappresentare un modello. È la dimostrazione, infatti, che la responsa-
bilità imprenditoriale unita ad impegno civile e alla fiducia nel prossimo
possono combattere forti pregiudizi e, allo stesso tempo, possono portare
a risultati impensabili anche solo poco tempo fa.

La politica e l’amministrazione provinciale e del Comune di Bolzano
durante l’inverno 2019/20 non sono state in grado di assumersi le proprie
responsabilità riguardo i senzatetto e senza fissa dimora. Purtroppo la
situazione si è aggravata a causa della pandemia Covid-19 e non si pro-
spettano soluzioni a riguardo. Attualmente a Bolzano sono quasi 200 le
persone che vivono per strada. È urgente agire!

La Redazione
Caroline von Hohenbühel, Maria Lobis, Marion Maier, Rudolf Nocker

Bolzano, 10 dicembre 2020
Un anno dopo l’apertura della Winterhaus
Giorno mondiale dei diritti umani
                                                                                    7
DAS PROJEKT
WINTERHAUS
BOZEN
IL PROGETTO
CASA D’INVERNO
BOLZANO

                 9
GESCHICHTLICHER ABRISS
     Das Winterhaus,
     ein beispielloses Courage-Projekt von Südtirols Zivilgesellschaft

     53 obdachlose Menschen, 1 wagemutiger Unternehmer, 96 engagierte
     Freiwillige, 143 getätigte Nachtdienste, 7.000 erfolgte Nächtigungen:
     Das sind die Kennzahlen, die das Winterhaus in der Bozner Carduccistraße
     vom 10. Dezember 2019 bis 30. April 2020 zu einem erfolgreichen Sozial-
     projekt gemacht haben.

     „Der Winter naht. Die Temperaturen gehen unter null Grad. In Bozen
     müssen mehr als hundert Männer, Frauen und teilweise auch Familien
     mit Kindern im Freien schlafen“: Ende November 2019 hörte der Unter-
     nehmer Heiner Oberrauch in einem Interview auf Rai Südtirol diese Sätze
     von Paul Tschigg. Sie ließen ihm keine Ruhe. Wenige Stunden später
     telefonierte der Unternehmer mit dem Interviewten, der seit zehn Jahren
     beim VinziBus tätig ist und lange Zeit als dessen Koordinator fungierte.
     Paul Tschigg kennt die Situation wohnungs- und obdachloser Menschen
     in Bozen wie kaum ein anderer. In nur drei Sitzungen erarbeitete er
     gemeinsam mit Heiner Oberrauch, Caroline von Hohenbühel, Federica
     Franchi und Barbara Bertagnolli das Konzept für eine Notschlafstelle
     für 40 wohnungs- und obdachlose Menschen in Bozen. Maria Lobis
     übernahm die Kommunikationsarbeit.

     Heiner Oberrauch stellte seine leerstehende Immobilie bereit, ein
     ehemaliges Altersheim in der Carduccistraße im Zentrum von Bozen.
     Dessen Umbau war für Frühjahr 2020 vorgesehen. Winterhaus wurde
     das Projekt getauft, es sollte die Wintermonate obdachloser Menschen
     überbrücken.
10
Betten, Wäsche, Heizung

Die Resonanz auf den medialen Aufruf, freiwillig mitzuarbeiten, war
groß: Innerhalb weniger Tage meldeten sich mehr als 100 Menschen,
96 haben im Winterhaus schlussendlich Nachtdienst gemacht. Es galt, das
Haus zu putzen, Betten und Bettwäsche zu organisieren, für Heizung
und Warmwasser zu sorgen, Hausregeln zu erarbeiten und in mehrere
Sprachen zu übersetzen, Freiwillige einzuteilen – und das Schwierigste:
zu entscheiden, wer im Winterhaus übernachten durfte und wer wegen
Platzmangels weiterhin draußen bleiben musste. Am 10. Dezember 2019,
dem internationalen Tag der Menschenrechte, wurde die Notschlafstätte
eröffnet. Obwohl nur für 40 Männer und Frauen vorbereitet, schliefen
in der ersten Nacht mehr als 50 Menschen im Winterhaus : Spätabends
hatten noch zwei Familien mit Kleinkindern an die Tür geklopft.

Jeweils zwei Freiwillige wurden zum Nachtdienst eingeteilt. Kurz vor
20 Uhr schlossen sie das Haus auf, kochten Tee, stellten Kekse und
Gebäck bereit, baten die eintretenden Menschen um eine Unterschrift,
sperrten das Haus um 22 Uhr ab und am Morgen wieder auf, machten
in der Früh für jene Bewohner*innen Weckrunden, die sich mit dem
Aufstehen schwertaten, stellten Tee zum Mitnehmen bereit und verließen
das Haus nach den Gästen gegen 8.30 Uhr.

Warmwasser, Schlüssel, Kekse

Die Einteilung zur Turnusarbeit übernahmen Federica Franchi und
Caroline von Hohenbühel. Paul Tschigg war rund um die Uhr erreichbar:
Technisch begabt und handwerklich geschickt, bekam er bald den Titel
des Hausmeisters. Er war da, wenn das Warmwasser nicht funktionierte,
wenn zu viele Menschen an die Tür klopften, wenn der codierte Kasten
mit dem Hausschlüssel sich nicht öffnen ließ, wenn der Strom ausfiel,
Wäschewechsel anstand, im Garten Arbeit anfiel. Federica Franchi und
Caroline von Hohenbühel kümmerten sich um die Freiwilligen, klärten
                                                                          11
mit den Bewohner*innen offene Fragen, kauften Kekse, sprangen beim
     Nachtdienst ein, wenn Freiwillige kurzfristig ausfielen.

     Heiner Oberrauch verrichtete die meisten Nachtdienste, beantwortete
     öffentliche Anfragen, traf Entscheidungen, die als Eigentümer von
     ihm gefordert waren. Barbara Bertagnolli kümmerte sich um Verträge,
     Versicherung, Müllabfuhr und hielt die Immobilie im Hintergrund am
     Laufen. Maria Lobis begleitete die Medienarbeit, organisierte Interviews
     und stimmte Presseanfragen mit der Kerngruppe ab.

     Im Jänner 2020 meldete sich mit Hellmuth Frasnelli der zweite Unter-
     nehmer und bot eine Immobilie an. In seinen Zeilerhof in Gries konnten
     Ende Jänner zehn Frauen und Familien mit Kindern aus dem Winterhaus
     einziehen. Winterhaus II war geboren. In zwei weiteren Stockwerken im
     Zeilerhof wurden zudem 20 Schlafplätze für wohnungslose Migranten mit
     Arbeitsvertrag geschaffen: Das Projekt Living in dignity entstand.

     Die Pandemie und 2.305 Nachrichten

     Verbunden in einer WhatsApp-Gruppe tauschte sich das Kernteam des
     Winterhauses unabhängig von Tag- oder Nachtzeiten über Abläufe und
     Herausforderungen aus. 2.305 Nachrichten füllten den Chat zwischen
     Dezember 2019 und Mai 2020. Parallel dazu gab es Dutzende Gespräche
     mit Partner*innen anderer sozialer Einrichtungen der Landeshauptstadt,
     mit Lebensmittelspender*innen und Unterstützer*innen. Medialer und
     institutioneller Druck wurde aufgebaut, um langfristige Lösungen für
     wohnungs- und obdachlose Menschen in Bozen zu erwirken. Das Engage-
     ment der Zivilgesellschaft sollte vorübergehend bleiben, Verantwortungs-
     träger*innen in Verwaltung und Politik sollten in Verantwortung und
     Pflicht genommen werden. Doch deren Antworten blieben vage.

     Ursprünglich war geplant gewesen, das Winterhaus in der Carducci-
     straße bis zum 10. März 2020 geöffnet zu halten. Im Februar kam die
12
Verlängerungsanfrage der Stadt Bozen. Die Kerngruppe sagte nach
längerem Abwägen und mangels Alternativen für die Bewohner*innen
zu. Und dann kam Corona. Die Situation für obdachlose Menschen
verschärfte sich von Tag zu Tag, die Ausgangssperre machte das Leben
auf der Straße für die Nachtgäste des Winterhauses und die weiter auf
der Straße verbliebenen Menschen zum Spießrutenlauf. Das Winterhaus
wurde am 21. März 2020 zur Ganztagesunterkunft, die Freiwilligen
blieben trotz des unberechenbaren Coronavirus für die Winterhaus gäste
aktiv. Sie verrichteten weiterhin Nachtdienste und waren untertags da,
wenn es Unterstützung brauchte. Mittag- und Abendessen organisierten
die Freiwilligen des VinziBus. Alle gemeinsam leisteten Überragendes.
Erneute Hilfsanfragen an Politik und katholische Kirche blieben lange
ungehört. Die evangelische Kirche von Bozen hingegen sperrte ihre
Kirchentür auf, bot einigen auf der Straße Lebenden einen sicheren
Schlaf- und Aufenthaltsplatz.

19 Länder, Dutzende Männer, Frauen, Kinder

Das Zusammenleben der mehr als 50 Bewohner*innen des Winterhauses
gestaltete sich bunt: Die Menschen kamen aus Südtirol, dem übrigen
Italien, aus Deutschland, Lettland, der Slowakei, aus Ungarn, Rumänien,
Bulgarien, aus Albanien, der Türkei, aus Aserbaidschan, dem Iran, dem
Libanon, aus Afghanistan, Pakistan, aus Mali, Gambia, Niger, Ghana
und Marokko. Drei Viertel von ihnen waren Männer, die meisten unter
35 Jahre alt. Sie waren in den Jahren zuvor aus ihrer Heimat geflohen,
hatten eine Aufenthaltsgenehmigung oder warteten darauf. Manche
hatten eine Arbeit, aber niemand eine Unterkunft. Andere Winterhaus-
bewohner – Männer mittleren Alters – leben bereits seit Jahren auf der
Straße. Auch einige obdachlose Frauen lebten im Winterhaus. Besonders
aufwühlend waren bei den winterlichen Minustemperaturen die Über-
nachtungsanfragen von Familien mit Kleinkindern.
                                                                          13
Trotz negativer Prophezeiungen gab es im Winterhaus keine Probleme mit
     Gewalt oder Diebstahl.

     Am 30. April 2020 inmitten der Corona-Pandemie verließen die Be-
     wohner*innen das Winterhaus. Politik und Verwaltung hatten sich darauf
     geeinigt, das Areal der Bozner Messe für Menschen ohne Dach über dem
     Kopf zu öffnen. Die Unterkunft stand bis Ende Juli 2020 zur Verfügung.

     Die meisten Bewohner*innen des Winterhauses leben wieder auf der Straße.
     Auf den Listen der Notunterkünfte von Emergenza freddo scheint auf, dass
     in Bozen 200 Menschen von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen
     sind. Tatsächlich auf der Straße leben zwischen 120 und 150 Menschen.
     Das Winterhaus hat den wohnungs- und obdachlosen Menschen im Winter
     2019/2020 Stabilität geschenkt, manche haben Arbeit gefunden.

     „Der Winter naht. Die Temperaturen gehen unter null Grad. In Bozen
     müssen mehr als hundert Männer, Frauen und teilweise auch Familien
     mit Kindern im Freien schlafen“: Diese Interviewsätze von Paul Tschigg
     sind inzwischen ein Jahr alt. Sie entsprechen mehr denn je der bitteren
     Wahrheit.

     Das Redaktionsteam

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CRONOLOGIA
Casa d’inverno Winterhaus,
un progetto di coraggio ed impegno senza precedenti
nella storia della società civile altoatesina

53 senzatetto, 1 imprenditore temerario, 96 volontari motivati, 143 turni
notturni, 7.000 pernottamenti: Sono queste le cifre chiave che hanno
reso la casa Winterhaus di via Carducci a Bolzano un progetto sociale di
successo dal 10 dicembre 2019 al 30 aprile 2020.

“L’inverno è alle porte. Le temperature stanno calando sotto zero. A Bolzano
più di cento uomini, donne e famiglie con bambini sono costretti a dormire
all’addiaccio”: a fine novembre 2019 l’imprenditore Heiner Oberrauch sentì
questa dichiarazione di Paul Tschigg in un’intervista su Rai Südtirol e, da
allora, non si diede pace. Poco dopo, l’imprenditore contattò Paul Tschigg,
coordinatore da molti anni al VinziBus ed esperto della situazione dei
senzatetto a Bolzano. In soli tre incontri i due elaborarono, insieme
a Caroline von Hohenbühel, Ferderica Franchi e Barbara Bertagnolli,
il concetto di un rifugio d’emergenza per 40 senzatetto a Bolzano. Maria
Lobis si fece carico della comunicazione del progetto.

Heiner Oberrauch mise a disposizione un suo immobile disabitato in
procinto di ristrutturazione, l’ex casa di riposo per anziani in via Carducci
nel centro di Bolzano. Il progetto, denominato Winterhaus, mirava a colmare
i problemi legati all’alloggio per senzatetto durante i mesi invernali.
Il rifugio è stato aperto il 10 dicembre 2019, nella giornata mondiale
dei diritti umani. Erano disponibili solo 40 posti letto, ma più di 50
persone trascorsero la prima notte nella casa Winterhaus. In tarda serata
si presntarono anche due famiglie con bambini piccoli.
                                                                                15
Letti, biancheria, riscaldamento

     Grazie alla risonanza mediatica, nel giro di pochi giorni, più di 100
     persone si offrirono volontarie, di cui 96 alternati durante turni notturni
     nelle ore di apertura della casa. I compiti comprendevano la pulizia, la
     sistemazione di letti e biancheria, la fornitura di riscaldamento ed acqua
     calda, la redazione delle regole della casa (con traduzione in diverse
     lingue), la coordinazione dei volontari. La parte più difficile però, era
     decidere chi poteva pernottare nella casa e chi invece no, a causa della
     mancanza di posti letto.

     Due volontari sono stati assegnati al servizio notturno. Poco prima delle
     20.00 aprivano la casa, preparavano tè, biscotti e pasticcini. Dalle 20.00
     in poi registravano le persone in entrata e chiudevano le porte della
     struttura alle 22.00 per poi riaprirla il mattino seguente. Dopo aver fatto
     il giro di sveglia, preparato il tè e salutato gli ospiti, uscivano subito
     dopo di loro attorno alle 8.30.

     Acqua calda, chiavi, biscotti

     Federica Franchi e Caroline von Hohenbühel gestivano i turni di lavoro.
     Paul Tschigg era disponibile 24 ore su 24 come custode, viste le sue
     competenze tecniche. Accorreva subito quando l’acqua calda non funzio-
     nava, quando troppe persone bussavano alla porta, quando non si riusciva
     ad aprire la cassetta che custodiva la chiave di casa, quando mancava
     la corrente elettrica, quando bisognava cambiare la biancheria, quando
     c’era bisogno di lavorare in giardino. Federica Franchi e Caroline von
     Hohenbühel si occupavano dei volontari, chiarendo questioni aperte con
     gli ospiti, provvedendo agli acquisti necessari, dando una mano quando
     uno dei volontari doveva assentarsi improvvisamente.

     Heiner Oberrauch svolgeva la maggior parte del lavoro notturno, rispondeva
     alle domande del pubblico e prendeva decisioni inerenti alla sua proprietà.
16
Barbara Bertagnolli si occupava dei contratti assicurativi, della raccolta
dei rifiuti e della gestione dell’immobile. Maria Lobis gestiva i contatti
con i media, organizzava interviste ed elaborava i comunicati stampa con
i responsabili del progetto.

Nel gennaio 2020 l’imprenditore locale Helmuth Frasnelli contattò i
gestori della Winterhaus offrendo un suo immobile. A fine gennaio, dieci
donne e famiglie con bambini si trasferirono allo Zeilerhof a Gries. Così
è nata la casa Winterhaus II. Su due piani dello Zeilerhof sono stati creati
ulteriori 20 posti letto per i migranti senza fissa dimora con contratto di
lavoro, dando vita al progetto Vivere dignitosamente.

La pandemia e 2.305 notifiche

I responsabili della Winterhaus hanno comunicato notte e giorno tramite
WhatsApp, occupandosi delle procedure e delle varie problematiche da
risolvere. 2.305 messaggi hanno riempito la chat tra dicembre 2019 e
maggio 2020, mentre decine di conversazioni si sono svolte con contatti
di altre istituzioni sociali, donatori e sostenitori. Si è fatta molta pres-
sione mediatica e istituzionale per trovare soluzioni a lungo termine per
i senzatetto di Bolzano. L’impegno della società civile avrebbe dovuto
essere temporaneo, passando la responsabilità a coloro che occupano posi-
zioni di rilievo nell’amministrazioni e nella politica. Tuttavia, le risposte
ottenute sono rimaste vaghe.

Originariamente l’apertura della Winterhaus di via Carducci avrebbe
dovuto concludersi il 10 marzo 2020. A febbraio, però, il Comune di
Bolzano chiese una proroga.

Dopo una lunga riflessione i gestori accolsero la richiesta, anche e
principalmente a causa di una mancanza di alternative. Con l’arrivo della
pandemia Covid-19 la situazione dei senzatetto è peggiorata giorno dopo
giorno. Il coprifuoco rendeva la vita in strada una sfida continua per gli
                                                                                17
ospiti della Winterhaus e per chi ne rimaneva fuori. Dal 21 marzo 2020, la
     casa Winterhaus è diventata anche un alloggio diurno, i volontari hanno
     continuato a svolgere i turni notturni e a rendersi disponibili durante il
     giorno, quando era necessario. Il pranzo e la cena erano invece organiz-
     zati dai volontari del VinziBus. Tutti insieme hanno svolto un lavoro ec-
     cezionale. Le richieste di aiuto inoltrate ai politici e alla Chiesa cattolica
     sono rimaste a lungo inascoltate. La Chiesa luterana di Bolzano invece,
     ha aperto immediatamente le proprie porte, offrendo alle persone che
     vivevano per strada un alloggio sicuro per pernottare e soggiornare.

     19 paesi, decine di uomini, donne, bambini

     La convivenza degli oltre 50 abitanti della casa Winterhaus è stata impeccabile
     e “colorata”: gente proveniente dall’Alto Adige e da regioni italiane, ma
     anche dalla Slovacchia, Turchia, Afghanistan, Pakistan, Mali, Gambia,
     Niger, Ghana e Marocco. Si trattava perlopiù di uomini, la maggior parte
     sotto i 35 anni, fuggiti dalla loro patria, in possesso di un permesso di
     soggiorno o in attesa di ottenerlo. Alcuni avevano un lavoro, ma nessuno
     tra loro aveva un posto dove stare. Molti uomini di mezza età vivono in
     strada da anni. Anche alcune donne hanno trovato rifugio nella Winterhaus.
     In pieno inverno, particolarmente preoccupanti sono state le richieste
     di pernottamento da parte di famiglie con bambini piccoli. Nonstante i
     pronostici negativi, non si sono riscontrato problemi di violenza o di furti
     all’interno della casa.

     Il 30 aprile 2020 gli ospiti hanno lasciato la casa Winterhaus nel bel mezzo
     della pandemia Covid-19. Le autorità hanno messo loro a disposizione
     l’area della Fiera di Bolzano fino a fine luglio 2020.

     La maggior parte degli ospiti della casa Winterhaus vive ad oggi nuovamente
     in strada. Dalle liste di “Emergenza freddo” risultano essere 200 i senzatetto
     a Bolzano. Infatti, in strada vivono tra le 120 e 150 persone.
18
La casa Winterhaus ha offerto riparo e calore per i senzatetto e le persone
senza fissa dimora, donando loro un po’ di stabilità durante l’inverno
2019/20. Alcuni di loro, nel frattempo, hanno trovato un lavoro. “L’in-
verno è alle porte. Le temperature stanno calando. A Bolzano più di 100
uomini, donne e a volte anche famiglie con bambini devono dormire
all’aperto”: queste frasi dell’intervista di Paul Tschigg di un anno fa
rispecchiano più che mai l’amara realtà di oggi.

La Redazione

                                                                              19
FREIWILLIGE
ERZÄHLEN
I VOLONTARI
RACCONTANO

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NICHT MEHR WEGSCHAUEN
      Vorher
      Ich gehe durch die Straßen in meinem Meran. Vor dem Supermarkt
      steht, so wie jeden Tag, ein offensichtlich – wie soll ich da sagen, ohne
      rassistisch zu gelten – Dunkelhäutiger mit seiner Mütze in der Hand.
      Ich schleiche mich vorbei, ohne hinzuschauen. Auf sein „buon giorno
      signora“ antworte ich mit Murmeln. Etwas besser glaube ich mich dann
      zu fühlen, als ich die Lauben hinaufgehe und mir bei „meinem“ zebra.-
      Verkäufer die Zeitung hole. Ein kurzes Lächeln beiderseits, mehr nicht.

      Und dann kommt Weihnachten 2019
      Am Heiligen Abend um 17 Uhr im Weihnachtsgottesdienst: Ich lese das
      Evangelium, die Weihnachtsgeschichte nach Lukas, die Herbergssuche
      von Maria und Josef. „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot
      von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde …

22
Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa zur Stadt Davids, mit Maria,
seinem vertrauten Weibe … Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickel-
te ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst
keinen Raum in der Herberge …“
In einer ganz besonderen Stimmung komme ich an diesem Heiligen
Abend nach Bozen; es wird mein erster Nachtdienst im Winterhaus sein.
Junge Männer kommen zur Tür herein. Sie haben keine Scheu mir in
die Augen zu schauen, mich freundlich zu begrüßen: Come stai?, Buon
natale!, Ciao, tutto bene? …
Das ist ein Geschenk für mich. Man kommt Menschen nahe so wie nie
zuvor; Menschen, die hier unsere Gäste sind.
In dieser Nacht schneit uns noch eine junge Frau herein. Eine Gästin
hat sie mitgebracht. Wo soll sie schlafen? Wunderbar ist die Lösung:
Caroline erscheint und nimmt sie mit in die evangelische Kirche, und
das mitten in dieser Weihnachtsnacht!
Ich danke dem Winterhaus für diese Erfahrungen.

Jetzt ist Sommer
Ich gehe durch die Straßen in meinem Meran. Vor dem Supermarkt
steht, so wie jeden Tag, ein Mann. Ich frage ihn, ob ich ihm etwas zum
Trinken bringen darf. Wir tauschen ein paar Worte und ich nehme sein
dankbares Lachen mit.
Unter den Lauben steht eine Frau aus Nigeria und singt Melodien, ich
nehme an aus ihrer Heimat. Sie klingen wehmütig, aber ein Lächeln
schenkt sie mir für die paar Münzen, die ich in ihren Korb lege … Ich
muss nicht mehr wegschauen.

                                                             Ingeborg Stainer,
                                          Jahrgang 1948, glücklich in Pension,
                                 vorher Mathematik- und Physiklehrerin, Meran
                                                                                 23
UNA GRANDE FAMIGLIA
      Raccontare ciò che è stata per me l’esperienza della Winterhaus non è semplice.
      Tante sono state le emozioni e le sensazioni positive di un’iniziativa che a
      Bolzano ha lasciato, e lascerà, il segno.
      Sicuramente rimarrà nel mio cuore per tutta la vita!
      Il progetto è nato in pochissimi giorni; il primo incontro con Heiner,
      Paul e Caroline è avvenuto il 27 novembre; il 10 dicembre la Winterhaus
      avrebbe aperto le porte a 45 persone senza fissa dimora che fino a quel
      momento dormivano sotto i ponti o all’addiaccio.
      La prima sera si è presentata alla porta anche una famiglia libanese con
      tre bimbi piccoli. Ovviamente sono stati accolti e in pochi minuti è stata
      allestita una “zona per famiglie” nella sala al piano di sotto, uno spazio
      inizialmente pensato per essere punto di ritrovo per gli ospiti ma subito
      convertito con nuovi posti letto per nuclei famigliari (ricordo di avere
      montato i letti della CRI insieme a Heiner e Paul mentre i bimbi ci
      guardavano e ridevano).
      Il progetto è stato una grande scommessa: collaborare con persone che
      quasi non conoscevo, affidarsi esclusivamente all’aiuto di volontari (che
      ancora non conoscevamo, ma che avremmo certamente trovato, e di fatto
      sono stati molti più di quanto ci aspettassimo!), ospitare persone abituate
      a vivere in strada, che spesso sono state espulse dai centri di accoglienza
      perché considerate “disobbedienti” o sopra le righe; alcune con problemi
      di dipendenza, sostanzialmente quelli che la Bolzano peggiore definisce
      “la feccia” …
      Sono una persona ottimista di natura ed ero certa che sarebbe andato
      tutto bene, anche se non era così scontato!
      Sono stati mesi impegnativi ma ricchi di emozioni positive; alla Winterhaus
      si è venuta a creare una grande famiglia basata soprattutto sul rispetto e
      sulla solidarietà reciproca, attraverso la fratellanza tra persone più diverse,
      una convivenza su cui pochi avrebbero scommesso.
      Ricordo le prime sere in cui i ragazzi della security rimanevano sbigottiti
      vedendo le stesse persone espulse dai centri di accoglienza, “perché creavano
      problemi”, avere un atteggiamento così diverso quando arrivavano alla porta
24
di via Carducci 19. Da noi entravano col sorriso, un saluto, un abbraccio,
sempre educati (“buongiorno, buonasera e soprattutto grazie!) …
Si, erano proprio le stesse persone, ma accolte e messe in una situazione
molto diversa e più amichevole, ricambiavano con rispetto.
In cinque mesi di convivenza tra persone provenienti da ogni parte del
mondo, con culture e religioni diverse, non si sono mai registrati episodi
di screzi o dissapori. Questo dimostra che la condizione esterna e la
quotidianità influenzano il modo di agire e di porsi di tutti noi. Chi è
entrato alla Winterhaus è stato coinvolto in un progetto di ampio respiro
che oggi vede alcuni di loro inseriti nel mondo del lavoro locale nono-
stante l’estrema difficoltà nel trovare un contesto abitativo adeguato.
La Winterhaus di via Carducci ha chiuso le porte il 30 aprile, ma come
associazione Bozen Solidale siamo rimasti in contatto con molte delle persone
coinvolte nel progetto e ci occupiamo, tra le altre cose, dell’inserimento
lavorativo e abitativo dei migranti e senza fissa dimora.
Soprattutto siamo una grande Famiglia che cammina e cresce insieme,
fatta di relazioni, Fratellanza e Umanità!

                                                                Federica Franchi,
                                            48 anni, Bolzano, segretaria part time
                                                                                     25
DAS GESCHENK
      Das entschiedene Klopfen an der Tür unseres Zimmers reißt mich in
      meiner ersten Nacht im Winterhaus aus einem erschöpften Schlaf. Ich
      ziehe meine Jeans an, schlüpfe in die Schuhe, streife den Pulli über und
      schaffe es nicht rechtzeitig zur Tür. Wieder ein Klopfen. „Si, arrivo“,
      rufe ich benommen. Auf dem Schlafplatz neben mir ist auch Martine aus
      ihrer Nachtruhe hochgefahren.
      Ich drehe den Schlüssel um und öffne die Tür. Vor mir steht ein hoch-
      gewachsener, schlanker Mann. Er hat sich die Kapuze der Winterjacke
      über den Kopf gezogen und sieht mich schweigend an. Das schwarze
      Innenfutter seiner Jacke ist vom Schwarz seiner Haut kaum zu unter-
      scheiden. Auf der Unterschriftenliste sehe ich, dass er von der Elfenbein-
      küste stammt. Er trägt eine ordentliche, saubere Arbeitsuniform. Hose,
      Pullover, Jacke – alles mit dem Logo des Kurierdienstes versehen, für
      den er arbeitet. Es ist der 30. Dezember. Vielleicht liefert er heute ver-
      spätete Weihnachtspakete aus oder die ersten unerwünschten Geschenke
      gehen bereits an den Verkäufer zurück.
      Wie ich erfahre, arbeitet er den ganzen Tag für einen Kurierdienst und
      kann sich von seinem Lohn keine Wohnung in Südtirol leisten, was ihn
      ins Winterhaus gebracht hat. Obwohl ich seit geraumer Zeit nichts mehr
      online bestelle, schäme ich mich stellvertretend für die vielen arglosen
      Online-Schnäppchenjäger. Ihre Käufe haben einen hohen Preis.
      Ich schließe die schwere Holztür auf, die abends nach Eintreffen des
      letzten Gastes gesperrt wird. Er unterschreibt auf der Gästeliste in der
      Spalte „Out“, nimmt eine Packung Butterkekse und eilt in das eisige
      Dunkel des Morgens. Ich drücke die Holztür zu und verspreche ihm im
      Kopf, dass ich diese Episode weitererzählen werde.
      Zurück im Zimmer, das für die freiwilligen Helfer*innen zwei schlichte
      Schlafplätze bietet, lege ich mich wieder mit meinem Schlafsack auf
      das Sofa. Ich liege da, die vielen Gesichter des Abends ziehen an mir
      vorüber. Frauen, Männer, Kinder, Jugendliche – rund 50 Menschen aus
      vielen Ländern der Welt haben diese Nacht im Winterhaus verbracht. Ich
      stelle mir vor, wie sich eine Nacht Ende Dezember auf einer Parkbank, vor
26
einem Geschäft, unter einer Brücke in Bozen anfühlt. Bei dem Gedanken
fröstelt mein Herz. Ich bin so dankbar, dass sie diese Nacht in einem
Bett, einem beheizten Raum mit Bad und Toilette verbringen dürfen.
Nach und nach verlassen alle Gäste das Haus. Bis spätestens halb
neun ist das Winterhaus leer. Martine und ich gehen in eine nahe Bar
frühstücken. Wir müssen das Erlebte noch kurz gemeinsam ausklingen
lassen. Zwischen Freude, Ernüchterung und Erschöpfung holt uns ein
starker Kaffee in den Alltag zurück. Doch mein Blick auf die Menschen
in der Stadt ist seit jener Nacht ein anderer.
                                                                        27
Martine geht ins Büro, ich fahre mit dem Zug nach Hause. Am Nach-
     mittag hocke ich am Küchentisch vor einem Blatt Papier und schreibe
     die Namen der zwölf Monate des Jahres in eine Spalte auf das Blatt. So
     wie ich es jedes Jahr um diese Zeit mache. Für jeden Monat hole ich aus
     meiner Erinnerung und dem Terminkalender einen besonders schönen
     und einen besonders schwierigen Moment hervor und notiere ihn neben
     dem entsprechenden Monatsnamen. Bald sind meine letzten zwölf Monate
     beschrieben. Ich spüre, wie dankbar ich bin, das Jahr mit einem so
     wertvollen Erlebnis im Winterhaus zu beenden. Dieser ganz persönliche
     Jahresrückblick ist immer ein ganz intimer Moment. Er rundet mein
     Jahr ab. Egal, wie es war, tut mir der bewusste Rückblick gut. Ich lege
     das Blatt zufrieden weg, ohne zu wissen, dass wenig später eine letzte
     Notiz hinzukommen wird.
     Ein Anruf wenige Minuten nach ein Uhr reißt mich auch in dieser Nacht
     aus dem Schlaf. Mein 85-jähriger Vater ist ohne Vorwarnung gestorben.
     Lautlos ist er im Seniorenheim kurz vor Mitternacht zum letzten Mal
     eingeschlafen. Das Leben überrascht mich immer wieder. Die Fülle der
     Gefühle wirbelt mein Herz durcheinander. Umhüllt von der Dankbarkeit,
     die ich im Winterhaus wenige Stunden zuvor geschenkt bekam, fällt mir
     das Loslassen leichter. Was bleibt, ist eine wärmende Ruhe.

                                                                   Marion Maier,
                                          Jahrgang 1973, Unternehmerin, Neumarkt
28
LEBENSGESCHICHTEN,
 DIE BERÜHREN

 Wann immer ich obdachlose Menschen, vor allem junge, auf der Straße
 traf und in deren Augen schaute, kam mir der Gedanke, es könnte auch
 meinen Sohn treffen und ich versetzte mich in die Lage ihrer Mütter.
 Ich spürte tiefen Schmerz.
 Über Facebook erfuhr ich vom Projekt Winterhaus und meldete mich
 spontan.
 Es machte mir Freude, mich einzubringen. Die Bewohner*innen
 waren nett und befolgten die klar vorgegebenen Regeln fast immer. Ich
 verspürte Dankbarkeit, helfen zu können. Sehr berührend waren die
 Wertschätzung für uns Freiwillige, die gegenseitige Achtung und der
 würdevolle Umgang.
 Die vielen Gespräche – sowohl mit den Bewohner*innen als auch
 zwischen uns Freiwilligen –, oft bis spät in die Nacht, waren eine große
 Bereicherung für mich.
 In der Hoffnung, dass dieses Projekt nur der Anfang war und Weiter-
 entwicklung finden mag.
 Ein herzliches Dankeschön an Heiner Oberrauch sowie an das tolle
 Kernteam.
                                                                    Anna Rastner,
                               Jahrgang 1963, Verwaltungsangestellte, Bozen/Lüsen
                                                                                    29
DIE WELT IM WINTERHAUS
      Anfang Dezember erreicht mich Marions Nachricht: „Unterstützt du mit
      mir das Winterhaus-P rojekt? Alleine trau ich mich nicht.“ „Sorry, ich habe
      keine Zeit“, dachte ich mir sofort, bis Weihnachten hatte ich noch sehr
      viel zu erledigen. Dennoch ließ mich der Gedanke nicht mehr los, die
      Neugierde war zu groß und noch am Abend desselben Tages schrieb ich
      Marion: „Ich bin dabei, zusammen schaffen wir das!“
      Ende Dezember war es dann soweit, wir hatten unseren ersten Einsatz.
      Ich war etwas aufgeregt, hatte aber eine positive Einstellung und nach
      kürzester Zeit waren jegliche Zweifel beseitigt.

30
Kurz nach 19.30 Uhr trudelten die Winterhaus-Bewohner*innen ein,
vorwiegend junge Männer, aber auch einige Frauen und sogar Familien
mit Kleinkindern. Beim Anblick der Kleinkinder musste ich erst mal
schlucken. Mir wurde warm ums Herz. Mein Mitgefühl legte sich etwas,
als ich sah, wie natürlich sich die Kinder im Haus bewegten, fast, als
wären sie in einem Hotel.
Die jungen Männer aus Afghanistan fielen besonders auf, sie waren sehr
freundlich und sprachen auch relativ gut Deutsch. Einige waren noch
minderjährig aus dem Kriegsgebiet geflüchtet und konnten bisher keinen
Kontakt zu ihren Familien herstellen. Unvorstellbar! Sie waren jedoch
zuversichtlich, hatten die Hoffnung, eine Ausbildung zu absolvieren,
Arbeit und Unterkunft in Südtirol zu finden.
Gegen 22.30 Uhr legten auch wir uns ins Bett. An einer Wand des Zimmers
hing eine riesige farbige Weltkarte. Wie groß und bunt die Welt ist, dachte
ich mir, aber auch wie ungerecht. Es gibt Menschen, die haben nicht
mal ein Dach über dem Kopf! Welch Glück ich habe, in einem anderen
Umfeld zu leben. Ist es nicht auch meine Pflicht, Schwächere an diesem
Glück teilhaben zu lassen, fragte ich mich.
Die Nacht verlief ruhig, ohne jeglichen Zwischenfall. Dennoch schlief ich
schlecht. Morgens sagte Marion, ich hätte im Schlaf geredet: „Tutti fuori,
ora basta!“ Der Gedanke, wie es mit den Winterhaus-Bewohner*innen
im Frühjahr weitergehen wird, wird mich im Unterbewusstsein geplagt
haben, nur so kann ich mir diese Worte erklären.
Ich bin sehr froh, diese Erfahrung gemacht zu haben, sie hat mich in
vieler Hinsicht bereichert. Ich konnte die Dankbarkeit der Winterhaus-
Bewohner*innen spüren, sie schätzten es, die Nacht in einem warmen
Ambiente verbringen zu dürfen anstatt in der klirrenden Kälte, auf einer
Parkbank oder unter einer Brücke. Einigen begegne ich hin und wieder
in der Stadt, sie zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. Es war eine schöne
Zeit. Ich sage: meine wertvollste Entscheidung des Jahres 2019.

                                                             Martine Robatscher,
                                         Jahrgang 1971, Freiberuflerin, Neumarkt
                                                                                   31
HERAUS
      AUS DER KOMFORTZONE
      Ich hatte in meinem Leben viel Glück. Ich habe eine Familie, einen
      Beruf, ein Haus, Gesundheit und genügend Geld, um sorglos leben zu
      können. Ich weiß, dass nicht alle Menschen so viel Glück haben, dass es
      Menschen manchmal dreckig geht, dass Armut, Unglück und Leid nicht
      wirklich selbst verschuldet sind, dass es alle und jede*n treffen kann,
      dass es Momente im Leben gibt, in denen man Hilfe braucht.
      Deshalb möchte man irgendetwas tun, um Menschen, die nicht so viel
      Glück hatten, etwas zurückzugeben … Aber man weiß nicht wie. Man
      sieht Menschen in Not, aber man geht vorüber, man hat nicht den Mut,
      ist hilflos, man schaut weg und resigniert, man weiß, es ist nicht richtig,
      etwas läuft falsch … Man kann sich sagen, das geht mich nichts an, es
      ist Aufgabe der Politik … Doch für die Menschen auf der Straße ist das
      keine Lösung, denn niemand – absolut niemand – sollte auf der Straße
      leben müssen, schon gar nicht im Winter.
      Und dann habe ich von diesem Projekt gehört, in den Medien und von
      Federica, und ich fand es großartig, dass Menschen – allem zum Trotz – in
      kürzester Zeit so etwas auf die Beine zu stellen vermögen. Damit haben sie
      mir Mut gemacht. Ich habe mich getraut und bin heraus aus meiner Kom-
      fortzone. Es war schon etwas Überwindung notwendig, den Menschen auf
      der Straße zu begegnen. Man hat fast keine Erfahrung, man denkt, Leute
      auf der Straße hätten oft nichts zu verlieren, sie sind vielem ausgeliefert,
      haben schlechte Erfahrungen gemacht, sie kommen mit Drogen, Alkohol
      und Kriminalität in Kontakt, sie sind anfälliger, aggressiver, sensibler,
      man denkt die Frustrationstoleranz sei viel geringer … Nachdem ich die
      ersten Informationen erhalten hatte, beschäftigten mich weitere Fragen.
      Was ist, wenn man Menschen abends nicht aufnehmen kann und abweisen
      muss? Und wenn man Menschen, Familien, Kinder am Morgen wieder auf
      die Straße schicken muss, trotz Regen, trotz Kälte, trotz Krankheit? Man
      denkt, bin ich all dem gewachsen? Bin ich überfordert, wenn ich die Nacht
      mit irgendjemandem eingeteilt werde, den ich nicht kenne?
      Trotz all dieser Fragen und Vorbehalte habe ich mir ein Herz gefasst. Es war
      letztendlich dann doch nicht so schwierig, denn die ganze Verantwortung
32
schulterten andere: Federica, Paul, Caroline und nicht zuletzt Heiner. Sie
hatten die Brücke geschlagen, den ersten Kontakt mit den Obdachlosen
gelegt und alles auf den Weg gebracht; sie gaben uns Sicherheit, Verhaltens-
regeln und das Gefühl, dass sie wissen, was sie tun. Jedenfalls haben wir
Freiwillige uns nie allein gefühlt. Deshalb möchte ich all denen danken, die
Mut und Großherzigkeit gezeigt haben, dieses Projekt in die Wege zu leiten.
Ich habe Menschen kennengelernt: Afrikaner, Afghanen, Iraker, Süd-
tiroler, Italiener, Deutsche … Einige erzählten viel, manche gar nichts,
manche waren leise und verschlossen, manche hörten nicht auf zu reden,
manche lebten in einer anderen Welt, manche waren so wie du und ich,
nur geboren am falschen Ort und zur falschen Zeit, Menschen, denen
das Leben übel mitgespielt hatte.
Es war eine schöne Erfahrung, es war für mich eine Bereicherung, auch
wenn es nicht immer ganz einfach war. Ich habe menschliche Wärme
erfahren, neue Menschen kennengelernt, Solidarität erlebt und ich hatte
das Gefühl, etwas zu tun, was nicht sinnlos war.
Die Probleme sind nicht gelöst. Trotzdem geben solche Projekte Hoffnung
und ich möchte nochmals all denjenigen meinen Dank aussprechen, die
dieses Projekt möglich gemacht haben.

                                                         Dorothea Kuppelwieser,
                                       Jahrgang 1960, Französischlehrerin, Meran
                                                                                   33
BÖSE BUBEN

      Die bösen Buben vom Bozner Bahnhofspark: Man habe sie gewarnt, hat
      Caroline öfters gesagt. Mit dem Schlafsack in der Hand gehe ich vom
      Dominikanerplatz in die Carduccistraße hinunter. In meinem Kopf
      räsonieren diese Worte im blassorangen Schein der nächtlichen Laternen.
      Sie widersprechen den Erzählungen der bis dahin Nachtdienst-Geleisteten.
      Montag, 27. Jänner, 19.40 Uhr: Verena und Paul sind schon da, die ersten
      Gäste vor mir gekommen. Wie Keksteller und Teetopf sich leeren, so
      füllt sich die Unterschriftenliste der Ankommenden. Viele bleiben nur
      stehen, um zu unterschreiben, die meisten bedanken sich, einige holen
      Teenachschub. Meine Anspannung schwindet. Eine Bewohnerin erzählt
      vom früheren Leben in Deutschland, von Männern, die ihr den Hof ge-
      macht haben, vom erwachsenen Sohn. Ihre Redefreude ist groß, Zuhören
      angesagt.
      Nachdem wir im Büro Couch und Boden mit Matten und Schlafsack
      bedeckt haben, Ruhe eingekehrt ist und Mitternacht immer näher rückt,
      legen wir uns hin. Das Einschlafen gelingt unerwartet schnell.
      Klingeln, lautes Stampfen an der Tür. Alle drei fahren wir hoch. Ein
      Mann begehrt Einlass. Ob wir es verantworten können, dass er die Nacht
34
im kalten Freien verbringen muss? Mitarbeiter der Caritas hätten ihn
hergeschickt. Er würde im Gang schlafen, aber das Winterhaus sicher nicht
verlassen. Sein Italienisch ist gut, geboren ist er vermutlich in Osteuropa.
Abweisen gehört zu den schwierigen Aufgaben. Paul bleibt ruhig und be-
stimmt, Verena auch. Ich halte mich im Hintergrund. Der Mann mittleren
Alters wird laut, droht. Wir versuchen zu beruhigen, betonen, dass das
Haus voll ist, dass er sich morgen beim Infopoint melden könne. Nein sagen
und Hinausdrängen sind schwer, seine Aggression macht es leichter. Mein
Magen drückt. Schließlich geht er, wirft noch einen Stein ans Fenster,
schimpft in die Nacht. Es regnet. Ungut. Gegen zwei Uhr früh klopft er
noch einmal. Das Leben auf der Straße kennt keine Schlafzeiten, wenn es
keinen sicheren Platz zum Ausrollen der Schlafmatte gibt.
Es ist, als hätten die im Winterhaus Untergebrachten mitgehört und mit-
gehofft, dass der Mann ohne größere Probleme geht. Dass sie froh um
Unterkunft sind, ist ihren Augen abzulesen, am „Grazie“, beim pünktlichen
morgendlichen Verlassen der Unterkunft: Der erste bittet kurz nach fünf
Uhr um Türöffnung, eine weitere Bewohnerin folgt kurz vor sechs, alle
anderen der Reihe nach. Der Letzte verlässt die Einrichtung nach mehr-
fachem Wecken gegen halb neun.
Es ist so einfach: Dasein, Zuhören, Mitlachen, Schlafen, beim Wecken
und Öffnen der Zimmertüren am Morgen Fußgeruch aushalten, Ein- und
Ausgangslisten kontrollieren, Tee kochen, Kekse auf die Teller geben,
Zimmer kontrollieren, Eingangsbereich kehren, Haustür sperren, Schlüssel
in den codierten Postkasten geben.
Als ich gegen neun Uhr früh die Carduccistraße hinaufschlendere und
am Dominikanerplatz Kaffee trinke, fallen mir die bösen Buben wieder
ein. Ich habe sie nicht bemerkt.

                                                                     Maria Lobis,
                                     Jahrgang 1972, Journalistin, Unterinn/Ritten,
                                        im Kernteam für die Pressearbeit zuständig
                                                                                     35
5 DICEMBRE 2019
      Messaggio Whatsapp
      ‘Ciao Federica, sono Andrea (il tipo alto e barbuto) mi piacerebbe partecipare
      come volontario al progetto accoglienza. L’ho visto sul giornale ed è una
      figata. Venerdì sera non ci sarò, grazie se riesci a mandarmi qualche info
      in più!’
      Con questo semplice messaggio mi sono proposto come volontario a supporto
      della casa Winterhaus perché credo fermamente nel valore dell’accoglienza.
      Accoglienza è costruire ponti e non muri.
      Accoglienza è non far dormire alcun essere umano sotto i ponti ma protetto
      dai muri.
      Nelle nottate di servizio ho ascoltato con curiosità fatto tanti litri di tè (e
      quanto zucchero usano i ragazzi!), parlato in francese, in inglese, stentato,
      in tedesco, approfondito rapporti con altri volontari. Ho ascoltato storie di
      vita, parlato a gesti, piantato fiori, supplicato i ragazzi di alzarsi al matti-
      no, dormito su una branda, sorriso e talvolta alzato la voce. Ho conosciuto
      realtà diverse e tanto altro. Mi sono arricchito.
      Il tempo che ho dedicato al progetto rimarrà mio per sempre, perché
      avendolo donato nessuno lo potrà mai portar via. Miei rimarranno anche
      i sorrisi degli ospiti, le pacche sulle spalle, i “ciao capo”, i grazie.
      20 luglio 2020 (passeggio per piazza delle Erbe)
      “Ciao capo, how are you?” (sorriso e pacca sulla spalla). E mi commuovo.

                                                                                Andrea,
                                                              accolto a Bolzano nel 2012
36
DAS PROJEKT WINTERHAUS
„Ich habe eben einen Beitrag im Radio gehört. Bitte finde die Kontakt-
daten von Paul Tschigg heraus. Ich muss umgehend mit ihm sprechen.“
Etwas perplex legte ich den Telefonhörer beiseite und fragte mich, was
wohl passiert sein mochte. Die Angelegenheit hörte sich sehr dringlich an.
Heiner Oberrauch ist normalerweise ein Fels in der Brandung, und seit
ich für ihn arbeitete, hatte ich ihn selten derart aufgewühlt erlebt. Dieses
Telefongespräch ereignete sich am frühen Morgen des 22. November 2019
und nur wenige Stunden später stand ein persönliches Treffen mit Paul
Tschigg und Federica Franchi. Die Sache war klar: Es musste gehandelt
werden und das sofort. Das Radiointerview mit Paul, das Heiner kurze
Zeit zuvor gehört hatte, und das die untragbare Situation der Wohnungs-
und Obdachlosen in unserem Land schilderte, hatte ihn derart berührt,
dass er kurzerhand beschlossen hatte, etwas zu unternehmen. Nachdem
verschiedene Ideen und Möglichkeiten ausgelotet wurden, hatte man ent-
schieden, das Haus in der Carduccistraße, das vorübergehend leer stand,
all jenen als sicheres Obdach zur Verfügung zu stellen, die in der Kälte des
Winters eines Daches über dem Kopf bedurften.
Nach wenigen Treffen, einigen organisatorischen Hürden und viel Tat-
kraft war es am 10. Dezember 2019, dem Welttag der Menschenrechte,
schließlich so weit: Die erste Nacht im Winterhaus war angebrochen.
Draußen war es bitterkalt und es ließ sich nur erahnen, wie sehnsüchtig
die Menschen, die einen Platz im Winterhaus ergattert hatten, auf diesen
Moment gewartet haben. Auch wir vom Organisationsteam waren voller
Vorfreude und Spannung und hatte keine Ahnung, was uns in den
kommenden Wochen und Monaten erwarten würde. Bedenken waren da,
aber diese wurden alle in den Wind geschlagen, denn das, was wir taten,
fühlte sich gut und richtig an.
Wenn ich an das Winterhaus zurückdenke, sehe ich vor meinem inneren
Auge die dankbaren Blicke der Bewohner*innen: Dankbarkeit für einen
sicheren Ort, an dem sie sich ausruhen konnten, Dankbarkeit für etwas
so Einfaches wie einen warmen Tee oder eine Gelegenheit, sich waschen
zu können. Vor allem aber hatte und habe ich den Eindruck, dass die
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Menschen dafür dankbar waren, dass sie als Mensch wahrgenommen
     wurden. Nicht als unbekannte Randfigur unserer Gesellschaft, nicht als
     Außenseiter oder Sonderling, sondern als Mensch mit einer Geschichte,
     mit Gefühlen und Bedürfnissen. Jedem von uns könnte so ein Schicksal
     widerfahren. Die Sicherheit, in der wir uns wiegen, ist nichts anderes
     als trügerisch. Keiner dieser Menschen im Winterhaus hätte jemals damit
     gerechnet, dass das Schicksal nicht auf seiner Seite sein würde, dass er
     vielleicht ganz einfach Pech haben und eines Tages auf das Wohlwollen
     anderer angewiesen sein würde.
     Umso mehr bewundere ich die zahlreichen Freiwilligen, die ihre Augen
     nicht vor dem Schicksal der Winterhaus-Bewohner*innen verschlossen haben
     und mit der Teilnahme an diesem außergewöhnlichen Projekt – in welcher
     Form auch immer – ihre Courage, ihren Großmut und ihre Menschlichkeit
     unter Beweis gestellt haben. Immer noch bin ich von dieser Nächstenliebe
     tief beeindruckt und dankbar, ein Teil davon gewesen zu sein.
     Danke, Caroline.
     Danke, Federica.
     Danke, Paul.
     Danke, Heiner.
     Danke, Maria.

                                                                    Barbara Bertagnolli,
                          Jahrgang 1985, Assistentin der Geschäftsleitung Oberalp, Lana
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LA NOTTE DI
 SAN SILVESTRO-CAPODANNO
 La nostra prima notte di servizio volontario alla casa d’inverno
 Winterhaus Werner ed io l’abbiamo fatta insieme, dalla sera di San Silvestro
 fino al mattino del nuovo anno 2020. Quando sono arrivata alle 19.30
 in via Carducci ho trovato volontarie esperte della Casa che stavano giá
 accompagnando Werner nella visita alla struttura e lo informavano sul da
 farsi, su come aprire e chiudere il portone con la combinazione, etc.
 Attorno alle ore 20 sono iniziati ad arrivare i primi ospiti della casa, a noi
 per la maggior parte delle persone totalmente sconosciute; soprattutto a
 Werner che è di Bressanone, mentre io invece essendo bolzanina diverse
 persone almeno di vista le conoscevo, ovvero già le avevo incontrate per le
 vie cittadine e con alcune ci avevo anche scambiato qualche chiacchiera.
 Nel corridoio d’entrata c’erano a disposizione il foglio presenza da firmare,
 il tè caldo pronto da bere, un pezzo di panettone da mangiare. Werner
 ed io ci siamo sistemati sulle sedie vicino al tavolo adiacente per poter
 meglio accogliere le persone, scambiarci almeno un saluto, il più delle
 volte sono state alcune parole con ognuna di loro.
 Le persone ospiti della casa quella sera speciale si sono quasi tutte affrettate
 ad andare nella loro stanza per lavarsi e cambiarsi. Avevano infatti il
 permesso di uscire nuovamente per festeggiare l’anno nuovo ed essere
 però di ritorno a casa entro le ore 1.30. Spettava invece a Werner e me
 decidere poi a che ora avrebbero dovuto lasciare la casa nella mattinata
 dell’01.01.2020. L’orario solito delle 8 del mattino non andava di certo
 bene per l’occasione.
 Quella notte Werner ed io abbiamo cercato di offrire ascolto a chi aveva
 il desiderio di raccontarci qualcosa di sé. Infatti diverse persone si sono
 fermate e intrattenute nel corridoio d’entrata con noi semplicemente per
 condividere dei momenti insieme alle altre persone presenti: a volte in
 italiano, altre volte in tedesco, qualcosa anche in inglese o francese: a
 seconda della lingua preferita dall’ospite. Non c’è stato alcun problema
 quella notte: tutte le persone hanno rispettato le regole della casa, gli
 orari decisi, si sono rapportate fra loro e con noi con educazione e il
 massimo rispetto.
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Molte delle persone ospiti sono quindi uscite per festeggiare e “brindare”
     al nuovo anno, anche le due famiglie con bambini sono andate in piazza
     Tribunale dove era prevista una festa. Tutte quante sono poi rientrate
     entro l’orario stabilito e ci tengo a sottolineare che nessuna di loro pareva
     aver eccessivamente abusato con alcool o altre sostanze.
     Nel frattempo Werner ed io – anche su sollecito di vari ospiti – dovevamo
     decidere e comunicare l’orario di uscita dalla casa del mattino del giorno
     di Capodanno. Abbiamo pensato, dato che di solito le persone ospiti dove-
     vano lasciare la casa entro le 8 del mattino, di fissare per il primo giorno
     dell’anno l’uscita alle 10.00 del mattino, ma abbiamo anche concordato
     fra noi due di essere veramente molto elastici il giorno seguente.
     Credo infatti, a memoria, che alla fine siamo riusciti a chiudere la casa
     alle ore 11 passate: fin tanto che tutte le persone si sono alzate dal letto,
     lavate, fatto colazione e sono riuscite ad andarsene … Infatti alcune sono
     anche andate e tornate, perché avevano dimenticato ad esempio qualcosa
     nella loro stanza. Ma noi due non avevamo nessun impegno particolare
     quella mattina e fortunatamente abbiamo anche una casa nostra dove
     tornare, a differenza loro … Abbiamo pertanto cercato di eseguire il
     nostro turno con leggerezza, ma anche un sentito spirito di servizio per la
     comunità tutta della Winterhaus.
     Di questa particolare notte ricorderò sempre diverse cose che rimarranno
     nel mio profondo, ma soprattutto mi accompagnerà il ricordo della gioia
     delle bambine nel ricevere dei semplici mandarini, i visi sorridenti delle
     famiglie mentre si recavano alla festa in piazza, una signora straniera che
     non riuscivo proprio a capire cosa dicesse a parte qualche parola ricorrente
     nei suoi discorsi, ma io semplicemente annuivo sperando di farla ugual-
     mente sentire ascoltata ed accolta. Ricordo anche un ragazzo, timido e
     serio che anelava ad un posto di lavoro che quella notte non è nemmeno
     uscito a festeggiare talmente era triste, poi alcuni signori che precedente-
     mente avevo visto accampati nel giardino di piazza Vittoria e anche loro
     sono rimasti nella loro casa temporanea, a letto al caldo, nella notte di San
     Silvestro, un paio di loro in particolare si sono soffermati a chiacchierare
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con Werner e me. Impossibili da dimenticare sono anche alcuni simpatici
giovani ragazzotti che facevano battute e com’era prevedibile al mattino si
sono dilungati coi tempi nell’uscire dal loro giaciglio.
Come dimenticare le persone tutte con le quali abbiamo chiacchierato, ci
siamo scambiati sorrisi e auguri, con alcune di esse abbiamo anche riso e
scherzato piacevolmente insieme.
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Molte di loro mi è capitato di rincontrarle per le vie della mia città ed
     ogni volta mi sono fermata a scambiarci qualche parola, per sapere come
     stavano. Sono felice di aver appreso direttamente da alcune di loro che nel
     frattempo erano state aiutate ed avevano un’occupazione e/o una diversa ma
     spesso non migliore sistemazione alloggiativa. Altre invece hanno lasciato
     Bolzano o purtroppo vivono nuovamente per strada, sotto i ponti o nei
     parchi. La maggior parte sono state invece sistemate nel padiglione di Fiera
     Bolzano: per loro un’altra sistemazione temporanea …
     Sono triste, perché a breve dovranno lasciare anche questo posto e a
     tutt’oggi – data in cui scrivo – gli enti pubblici competenti ancora non
     hanno comunicato loro un’alternativa.
     Sono triste, perché durante il lockdown dovuto all’emergenza Covid loro
     sono stati ancora una volta “gli ultimi”, i soliti “invisibili” … Alle persone
     più fragili e vulnerabili non si è pensato troppo, anzi …
     Sono triste, perché con questa crisi è aumentato il divario fra persone
     benestanti e persone bisognose come anche il numero delle persone con
     problemi economici, sociali, psichici, di dipendenza, etc.
     Ma voglio comunque continuare a sognare e sperare in un mondo più
     giusto.

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             nata nel 1963, dipendente provinciale alla Ripartizione Politiche sociali; Bolzano
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