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Integrationskraft Arbeit EINE ZWISCHENBILANZ: ERFAHRUNGEN VON 300 UNTERNEHMEN MIT DER ARBEITSMARKTINTEGRATION VON 2.500 GEFLÜCHTETEN
The Boston Consulting Group (BCG) ist eine internationale Managementberatung und weltweit führend auf dem Gebiet der Unternehmensstrategie. BCG unterstützt Unternehmen aus allen Branchen und Regionen dabei, Wachstumschancen zu nutzen und ihr Geschäftsmodell an neue Gegebenheiten anzupassen. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Kunden entwickelt BCG individuelle Lösungen. Gemeinsames Ziel ist es, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu schaffen, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu steigern und das Geschäftsergebnis dauerhaft zu verbessern. BCG wurde 1963 von Bruce D. Henderson gegründet und ist heute weltweit an 85 Standorten vertreten. Für weitere Informationen: www.bcg.com
INTEGRATIONSKRAFT ARBEIT EINE ZWISCHENBILANZ: ERFAHRUNGEN VON 300 UNTERNEHMEN MIT DER ARBEITSMARKTINTEGRATION VON 2.500 GEFLÜCHTETEN ALEXANDER BAIC HEINRICH RENTMEISTER RAINER STRACK FABIAN FUCHS ANNA KRÖGER STEPHANIE PEICHL März 2017 | The Boston Consulting Group
INHALT 4 DIE STUDIE IN KÜRZE 6 AUSGANGSLAGE ERFASSEN 7 ARBEITSMARKTINTEGRATION IST MÖGLICH 13 INVESTITIONEN ZAHLEN SICH AUS KREMER MACHINE SYSTEMS: Schnell amortisiert WIWOX SURFACE SYSTEMS: Geflüchtete als Fachkräfte 22 POTENZIALE NUTZBAR MACHEN FRIEDHELM LOH GROUP: Schneller Einstieg an der Werkbank DAIMLER: Brücke in den Arbeitsmarkt CHARITÉ: Internationalisierung als Chance THYSSENKRUPP: Sich in der Praxis für die Ausbildung beweisen BETZ-CHROM: Neue Talente für Nischenberufe BZI REMSCHEID: Stufenweise zum Erfolg HORSCH: Kooperieren und profitieren AOK: Sprachförderung auf vier Säulen HYPOVEREINSBANK: Aus der Praxis für die Praxis 44 RAHMENBEDINGUNGEN VERBESSERN GWAB: Konzertierte Aktion „PRO:CONNECT“: Strukturiertes Matchmaking 52 SPEZIFISCHE KONZEPTE ENTWICKELN 55 AN DEN LESER The Boston Consulting Group | 3
DIE STUDIE IN KÜRZE T he Boston Consulting Group zieht in einer Studie zur Integration geflüchteter Menschen eine positive Zwischenbilanz. Die Studie basiert auf einer Befragung von rund 300 Unternehmen des NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge. Diese wurde um 13 Interviews und Firmenbesuche sowie vielfältige Projekterfahrungen und weitere Aktivitäten von The Boston Consulting Group, unter anderem die Initiative JOBLINGE1, ergänzt. Die wichtigsten Ergebnisse: •• Berufliche Integration ist in allen Branchen und in Unternehmen unter- schiedlichster Größe möglich: Rund drei Viertel der 300 befragten Firmen beschäftigen Geflüchtete, insgesamt rund 2.500 Personen. •• Der Einstieg in den Arbeitsmarkt ist wichtig: Der erste Schritt zur beruf- lichen Integration ist meist eine qualifizierende Beschäftigung. (Die 300 Umfrageteilnehmer bieten insgesamt ~ 1.500 Praktika, ~ 330 Einstiegsquali- fizierungen, ~ 270 Ausbildungsplätze sowie ~ 330 Festanstellungen an.) •• Die befragten Unternehmen werden 2017 ihr Engagement bei qualifizieren- den Maßnahmen fortsetzen oder sogar ausbauen. (~ 70 Prozent der Betriebe planen, mehr oder gleich viele Praktika anzubieten, ~ 50 Prozent beabsichtigen, mehr oder gleich viele Einstiegsqualifizierungen zu vergeben, und ungefähr ~ 60 Prozent, mehr oder gleich viele Ausbildungsplätze mit Geflüchteten zu besetzen.) •• Bei der Beschäftigung von Geflüchteten gibt es keine unüberwindbaren Hindernisse. ( Je ~ 90 Prozent der teilnehmenden Unternehmen sehen weder den Zugang zu Geflüchteten noch kulturelle Unterschiede als große Schwierigkeit an.) Die positive Sicht auf die Herausforderungen ist dabei umso stärker, je mehr Erfahrungen die Unternehmen bereits gemacht haben. •• Die größten Herausforderungen bleiben die Beherrschung der deutschen Sprache, komplizierte Verfahren sowie die Unsicherheit bezüglich einer möglichen Abschiebung. ( Jeweils ~ 40 Prozent der Umfrageteilnehmer schätzen diese Herausforderungen als sehr schwierig ein.) 4 | Integrationskraft Arbeit
•• Investitionen in die Beschäftigung von Geflüchteten lohnen sich vorzugs- weise bei Mangelberufen2, und dann meist in weniger als einem Jahr: Zusätzliche Kosten von rund 7.500 € (die zusätzlichen ~ 40 Prozent der Ausbildungskosten im ersten Lehrjahr entsprechen) fallen insbesondere für Betreuung, Qualifizierung und Sprachunterricht an. Kosten entstehen vor allem aufgrund des Zeiteinsatzes von Mitarbeitern. •• Neben Erträgen, die Geflüchtete für das Unternehmen erwirtschaften, erhöht staatliche Förderung – beispielsweise der Eingliederungszuschuss der Bundes- agentur für Arbeit – die Wirtschaftlichkeit dieser Investitionen zusätzlich. Die Vermittlung von Geflüchteten in Arbeit ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine gelingende Integration. Trotz der positiven Zwischenbilanz wurden je drei Handlungsfelder für Unternehmen und staatliche Akteure identifiziert, um die Integration in den Arbeitsmarkt zu vereinfachen. Handlungsfelder für Unternehmen: Potenziale nutzbar machen 1. Die Validierung von Qualifikationen der Geflüchteten, beispielsweise mittels Praxistests und Probearbeiten, ist eine maßgebliche Voraussetzung, um Kompetenzen zu erfassen und vorhandene Potenziale nutzbar zu machen. 2. Die systematische Heranführung von Geflüchteten an die deutsche Arbeits- welt durch Praktika und Einstiegsqualifizierungen, aber auch durch aktive Patenprogramme, ist ein unabdingbares Erfordernis, um erfolgreich Brücken in den Arbeitsmarkt zu bauen. 3. Die Vermittlung berufsspezifischer Sprache – zusätzlich zu den Angeboten staatlicher oder privater Anbieter – sowie die Erweiterung von bestehenden Kenntnissen „on the job“ sind notwendig, um Sprachbarrieren zu senken. Handlungsfelder für staatliche Akteure: Rahmenbedingungen verbessern 1. Die Schaffung von Transparenz über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Beseitigung von Unsicherheiten durch den Abbau von Ausnahmen beziehungsweise durch klare Beschreibung der Geltungsbereiche von Aus- nahmen sind entscheidend, damit Unternehmen verlässlich planen können. 2. Die objektive Erfassung der Qualifikationen geflüchteter Menschen, insbe- sondere auch von nicht-formalen Kompetenzen, ist notwendig, um eine zielgenaue Vermittlung zu ermöglichen. Um Geflüchtete des Weiteren punktuell und basierend auf ihren Vorkenntnissen weiterzuentwickeln, bedarf es ihrer Teilqualifizierung und Weiterbildung. 3. Der Ausbau der allgemeinen und nicht zuletzt auch der berufsspezifischen Sprachförderung ist eine wichtige Voraussetzung für eine nachhaltige Inte- gration und die Möglichkeit zum Aufstieg. Bestehende staatliche Angebote müssen daher besser bekannt gemacht und durch zusätzliche berufsbeglei- tende Angebote ergänzt werden. Anmerkungen 1. Eine gemeinsame Initiative von The Boston Consulting Group und der Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG. 2. Berufe, für die die Besetzung offener Stellen mit ausländischen Bewerberinnen oder Bewerbern arbeitsmarkt- und integrationspolitisch verantwortbar ist (Bundesagentur für Arbeit, September 2016). The Boston Consulting Group | 5
AUSGANGSLAGE ERFASSEN ZUWANDERUNG BEDEUTET FÜR DEUTSCHLAND HERAUSFORDERUNG UND CHANCE ZUGLEICH D ie Zahl der Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland Zuflucht suchen, ist in den vergangenen zwei Jahren Die Integration der Geflüchteten ist die Grund- voraussetzung, um das Potenzial, das in der Zuwanderung liegt, erschließen zu können. enorm gestiegen. Mehr als 1,2 Millionen Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist dabei ein Asylanträge verzeichnete das Bundesamt für wesentlicher Faktor, um den Geflüchteten Migration und Flüchtlinge (BAMF) in dieser gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Zeit – davon etwa 1,1 Millionen Erstanträge (rund 440.000 in 2015 und 720.000 in 2016). Der Eintritt in die Arbeitswelt ist für Geflüch- Diese enorme Zuwanderung stellt Politik, tete nicht nur unter wirtschaftlichen Aspek- Zivilgesellschaft und Wirtschaft vor große ten ein ganz wesentlicher Schritt hin zur Ein- Herausforderungen. Indes beinhaltet die gliederung in die deutsche Gesellschaft. Die Situation aber auch Chancen für ein Land, in Beschäftigung ermöglicht ihnen zugleich sozi- dem der demografische Wandel, aber auch ale Kontakte, fördert den Spracherwerb und der zunehmende Mangel an fachlich qualifi- bringt ihnen deutsche Gepflogenheiten und zierten Beschäftigten immer drängendere Kultur näher. Zukunftsthemen sind. Abbildung 1 | Zahlen zu Asyl in Deutschland Hauptherkunftsländer Asylbewerber nach Alter Asylbewerber nach Geschlecht Zeitraum Jan – Dez 2016 Zeitraum Jan – Dez 2016 Zeitraum Jan – Dez 2016 Sonstige (16 %) Andere (10 %) Syrien 35 – 39 Russische Föd. (1 %) (37 %) (6 %) 0 – 15 Weiblich Nigeria (2 %) Pakistan (2 %) Gesamt: Gesamt: (30 %) (34 %) Gesamt: Männlich 30 – 34 Ungeklärt (2 %) (66 %) Albanien (2 %) ~ 720.000 (10 %) ~ 720.000 ~ 720.000 Eritrea (3 %) Asylbewerber Asylbewerber Asylbewerber Iran (4 %) (Erstanträge) (Erstanträge) (Erstanträge) 25 – 29 16 – 17 (14 %) (6 %) Irak (13 %) Afghanistan 18 – 24 (18 %) Abschiebungsverbot (24 %) Keine formelle Formelle (3 %) Schulbildung Hochschule Entscheidungen 1 (10 %) (17 %) (13 %) Schutzquoten Anerkennung Höchste besuchte Zeitraum als Flüchtling Grundschule Befragung: Bildungseinrichtung Subsidiärer Gesamt: Jan – Dez 2016 Schutz (37 %) (21 %) ~ 200.000 der volljährigen Asylerst- (22 %) ~ 695.000 Asylbewerber antragsteller aus allen entschiedene Anträge (Erstanträge) (22 %) Herkunftsländern im Gymnasium ersten Halbjahr 2016 Ablehnung des Asylantrags (25 %) Mittelschule (30 %) Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung: Zahlen zu Asyl in Deutschland, Januar 2017; BAMF-Kurzanalyse Ausgabe 04/2016: Sozialstruktur, Qualifikationsniveau und Berufstätigkeit, Oktober 2016 (Daten durch Selbstauskunft auf freiwilliger Basis erhoben) 1 Gemäß BAMF erfolgen formelle Entscheidungen ohne nähere inhaltliche Prüfung des Asylvorbringens (z. B. Ablehnung des Antrags auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens oder Einstellung des Verfahrens wegen Antragsrücknahme durch den Asylbewerber). 6 | Integrationskraft Arbeit
ARBEITSMARKTINTEGRATION IST MÖGLICH UMFRAGE BEI MITGLIEDSUNTERNEHMEN DES NETZWERK UNTERNEHMEN INTEGRIEREN FLÜCHTLINGE I m März 2016 nahm das NETZWERK Berufliche Integration kann Unternehmen integrieren Flüchtlinge (NUiF), überall funktionieren eine Initiative des Deutschen Industrie- und Die NUiF-Unternehmen zeigen, dass berufli- Handelskammertages (DIHK), gefördert durch che Integration in Unternehmen aller Bran- das Bundesministerium für Wirtschaft und chen und unterschiedlichster Größen möglich Energie, seine Arbeit auf. Das Netzwerk bietet ist. Etwa drei Viertel der befragten Unterneh- Unternehmen, die sich für Geflüchtete enga- men haben in Summe knapp 2.500 Stellen gieren oder engagieren wollen, Informationen für geflüchtete Männer und Frauen geschaf- und ermöglicht Erfahrungsaustausch und Ko- fen.1 Diese 2.500 Stellen verteilen sich auf operationen zwischen den beteiligten Unter- ganz unterschiedliche Branchen. Da jeweils nehmen. Anfang 2017 waren bundesweit mehr ein Unternehmen in den Branchen Industrie als 1.000 Firmen aller Größen im Netzwerk sowie Verkehr/Lagerei/Logistik großes En- registriert; 300 haben an der Onlinebefragung gagement aufzeigt, stehen diese beiden mit teilgenommen. Unternehmen wie diese, die über 900 beziehungsweise über 400 beschäf- im Netzwerk verbunden sind, sind in Sachen tigten Geflüchteten an erster und zweiter betrieblicher Integration führend, weil sie sich Stelle. Abbildung 2 verdeutlicht dieses Bild. intensiver als andere mit der Beschäftigung Diesen Branchen folgen die Zweige Handel, von Geflüchteten befassen und dadurch auch Energiewirtschaft, Dienstleistungen, Gesund- über die entsprechenden Erfahrungen ver- heit/soziale Dienste, Handwerk, Gastgewerbe fügen. Rückschlüsse auf die Gesamtheit der und Bau. Unternehmen in Deutschland sind daher nicht ohne Weiteres möglich. Auch bei Betrachtung nach Unternehmens- größe in Abbildung 2 zeigen die antwortenden An der Studie haben Unternehmen aus allen Unternehmen, dass berufliche Integration Bundesländern teilgenommen; der Schwer- nicht von der Anzahl der Mitarbeiter abhängt. punkt liegt in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Auch wenn die etwa 70 Unternehmen mit Baden-Württemberg, Hessen, Berlin und mehr als 500 Mitarbeitern mit rund 1.700 Ge- Niedersachsen. Am stärksten ist die Industrie flüchteten den Löwenanteil beschäftigen, ist (produzierendes Gewerbe) vertreten, gefolgt die relative Leistung kleiner Unternehmen von Handel, Handwerk und Dienstleistungen. äußerst beachtlich. 60 Unternehmen mit je- Insgesamt ist ein sehr breites Branchenspektrum weils weniger als 50 Mitarbeitern beschäftigen repräsentiert. Auch die Betriebsgrößen sind in Summe fast 200 Geflüchtete. Somit entfal- heterogen und reichen von kleinen und mitt- len auf ein Unternehmen dieser Größe durch- leren Unternehmen bis hin zu Großkonzernen. schnittlich mehr als drei Geflüchtete. The Boston Consulting Group | 7
Abbildung 2 | Anzahl der Beschäftigungsstellen für Geflüchtete nach Branche, Unternehmensgröße und Art der Anstellung Branche Geflüchtete 934 411 345 208 126 89 73 70 63 49 43 30 29 17 4 3 del 3 z. istik 2 haft haft ng haft aft e te Gew ndes rk erbe Bau n Verw tliche n erbe 1 Med n/ le D it/ duz ustrie nstle onstige erei/ erkehr/ mun ion/ ien ) stig sbe nge nge iens dwe io altu sozia undhe tsch Han tsc irtsc sc ikat Kom rmat tgew Son iere Die hmen Log istu istu n Ind wirt Han dwir swir Öff e S V nzw nstle Ges Gas Info rgie erne ung Lan Fina (pro Lag Ene Die Bild Unt Branchen Unternehmensgröße Geflüchtete 1.704 345 257 113 75 1–9 10 – 49 50 – 499 500 und mehr4 Sonstige Anzahl Mitarbeiter Art der Anstellung Geflüchtete 1.560 332 285 271 40 6 Praktikum/andere Einstiegsqualifizierung Ausbildungsplatz Hilfsarbeitertätigkeit Fachkraftstelle Führungsposition vorbereitende (EQ) Maßnahmen Ausbildung/Praktikum/Vorbereitung Festanstellung Σ 2.163 Σ 331 = Σ 2.494 Praktikum/andere vorbereitende Maßnahmen Ausbildungsplatz Fachkraftstelle Einstiegsqualifizierung (EQ) Hilfsarbeitertätigkeit Führungsposition Anmerkung: n = 300; Mehrfachnennungen sind möglich. Quelle: NUiF-Mitgliederbefragung 1 500 der insgesamt 608 Praktikumsplätze sowie 100 der insgesamt 175 Einstiegsqualifizierungen werden von nur einem Unternehmen angeboten. 2235 der insgesamt 253 Praktikumsplätze sowie 102 der insgesamt 110 Hilfsarbeitertätigkeits- stellen werden von nur einem Unternehmen angeboten. 3108 der insgesamt 140 Praktikumsplätze werden von nur einem Unternehmen angeboten (inkl. Kfz-Reparatur). 4~ 850 der Praktikumsplätze werden von insgesamt drei Unternehmen gestellt. 100 der insgesamt 230 Einstiegsqualifizierungen werden von nur einem Unternehmen gestellt. 8 | Integrationskraft Arbeit
Der erste Schritt ist Qualifizierung vergeben. Nur zwischen 5 und 7 Prozent der Die befragten Unternehmen zeigen klar, dass Unternehmen wollen weniger qualifizierende der erste Schritt der beruflichen Integration Beschäftigungen anbieten. Dies zeigt auch, in fast allen Fällen eine qualifizierende Be- dass die Unternehmen 2016 positive Erfah- schäftigung ist. Abbildung 2 veranschaulicht, rungen mit der Qualifizierung von Geflüch- dass die erste Beschäftigung häufig ein Prak- teten gemacht haben. tikum (1.560), eine Einstiegsqualifizierung2 (332) oder ein Ausbildungsplatz (271) ist. Oft Keine unüberwindbaren folgt die Ausbildung auch als zweiter Schritt Hindernisse ersichtlich auf ein erfolgreich absolviertes Praktikum Die befragten Unternehmen sehen keine un- oder eine Einstiegsqualifizierung. überwindbaren Herausforderungen bei der Beschäftigung von Geflüchteten, wie Abbil- Festanstellungen spielen bei der Integration dung 4 veranschaulicht. von Geflüchteten in den deutschen Arbeits- markt im Vergleich zu qualifizierenden Maß- Für knapp 90 Prozent der Unternehmen stel- nahmen derzeit noch eine geringere Rolle. len weder der Zugang zu Geflüchteten noch Zwar stellt rund ein Drittel der befragten die kulturellen Unterschiede eine große Netzwerkunternehmen Geflüchtete fest an, Schwierigkeit dar. Fast keines der Unterneh- die insgesamt 331 Stellen machen aber nur men schätzt den Zugang zu Geflüchteten oder rund 13 Prozent aller von den Umfrageteil- kulturelle Unterschiede als unüberwindbar nehmern gemeldeten Beschäftigungsverhält- ein – lediglich 0 beziehungsweise 2 Prozent. nisse aus. In der Mehrzahl finden Geflüchtete Der Zugang zu Geflüchteten ist nach Angaben Anstellung als ungelernte Hilfsarbeiter – nur der befragten Betriebe zwar kein großes Hin- wenige werden von den Unternehmen als dernis, aber mit viel Aufwand verbunden. Da Fachkräfte eingesetzt. Führungspositionen viele Unternehmen bereits seit Langem Arbeit- bilden mit 6 Stellen die Ausnahme. nehmer aus unterschiedlichen Kulturen und Ländern beschäftigen, verfügen sie über ent- Abbildung 3 zeigt, dass auch 2017 qualifi- sprechende Erfahrungen: Kulturelle Unter- zierende Maßnahmen im Vordergrund stehen schiede innerhalb der Belegschaft sind also werden. Während die meisten Unternehmen ein eher geringes Problem. in Bezug auf Festanstellungen noch keine genauen Pläne haben, wollen 39 Prozent der Zumindest für die angebotenen qualifizieren- Unternehmen mehr und 32 Prozent gleich den Stellen reichen den meisten Unterneh- viele Praktika, 29 Prozent mehr und 23 Pro- men die Vorkenntnisse der Geflüchteten aus. zent gleich viele Einstiegsqualifizierungen an- Etwa die Hälfte der Unternehmen sehen in bieten. 30 Prozent der Unternehmen planen, dem mangelnden Vorwissen zwar eine mehr und weitere rund 30 Prozent, dieselbe Schwierigkeit, schätzen diese aber als lösbar Anzahl Ausbildungsplätze an Geflüchtete zu ein. 24 Prozent sehen hierin eine kleine Her- Abbildung 3 | Planung der Besetzung von Positionen in 2017 im Vergleich zum Stand 2016 Antworten in % Praktikum/andere 2017 39 32 6 23 Einstiegsqualifizierung 2017 29 23 5 43 Ausbildungsplatz 2017 30 29 7 34 Hilfsarbeitertätigkeit 2017 24 17 8 51 Fachkraftstelle 2017 14 15 12 59 Führungsposition 2017 1 18 20 61 Mehr Gleich Weniger Kann ich noch nicht sagen Anmerkung: Angaben in Prozent; n = 263; Mehrfachnennungen möglich. Quelle: NUiF-Mitgliederbefragung The Boston Consulting Group | 9
ausforderung oder überhaupt kein Problem. „Komplizierte Verfahren“ und „Unsicherheit Mangelndes Vorwissen als unüberwindbare bezüglich einer möglichen Abschiebung“ sind Hürde sehen nur 3 Prozent der antwortenden auch nach den Asylpaketen und dem Integra- Unternehmen. tionsgesetz signifikante Herausforderungen. Änderungen wie beispielsweise die „3+2-Re- Unternehmen, die Geflüchtete integrieren gelung“4 sowie der Verzicht auf Vorrangprü- wollen, bewältigen auch Herausforderungen, fung5 zeigen noch nicht die gewünschte Wir- die über den üblichen Aufwand bei einer Neu- kung: Etwa 40 Prozent schätzen komplizierte einstellung hinausgehen. Dabei schätzen die- Verfahren und Unsicherheit bezüglich einer se Unternehmen drei Herausforderungen als Abschiebung noch heute als sehr hinderlich besonders groß ein. ein – einige davon (2 beziehungsweise 4 Pro- zent) sogar als unüberwindlich. Unternehmen Trotz der Integrationskurse, die mit dem Ziel- in Bayern schätzen diese Herausforderungen Sprachniveau B13 abschließen, ist die Sprach- im Vergleich zum Bundesdurchschnitt als barriere das größte Hindernis: 40 Prozent der noch deutlich schwieriger ein. Dies liegt größ- Unternehmen schätzen diese als sehr schwie- tenteils an den dort bestehenden Ausnahme- rig – 3 Prozent sogar als unüberwindbar – ein. regelungen. So findet beispielsweise in elf Dies liegt daran, dass das wahrgenommene Bezirken der Bundesagentur für Arbeit in Sprachvermögen häufig nicht dem angestreb- Bayern die Vorrangprüfung nach wie vor statt. ten Niveau B1 entspricht. In Baden-Württemberg und Hessen nehmen Abbildung 4 | Herausforderungen bei der Integration von Geflüchteten Herausforderungen Antworten in % Sprachprobleme 3 40 43 12 2 Komplizierte Verfahren und Vorschriften zu Aufenthaltsstatus, Arbeitsmarktzugang etc. 2 38 38 15 6 Unsicherheit bei der Personalplanung wegen 4 33 27 23 13 drohender Abschiebung Mangelnde Vorkenntnisse; Ausbildung 3 25 48 18 6 Zugang zu Geflüchteten 0 12 42 26 20 Kulturelle Unterschiede 2 9 47 34 8 Nicht zu überwinden Sehr schwierig Schwierig, aber machbar Kleine Herausforderung Kein Problem Anmerkung: Angaben in Prozent. n = 248; Mehrfachnennungen möglich. Quelle: NUiF-Mitgliederbefragung Abbildung 5 | Vergleich, ob das Unternehmen schon Geflüchtete beschäftigt hat oder noch nicht Herausforderungen Geflüchtete beschäftigt Noch keine Geflüchteten beschäftigt Antworten in % Antworten in % Sprachprobleme 3 40 42 12 3 4 40 45 11 Komplizierte Verfahren und Vorschriften zu Aufenthaltsstatus, Arbeitsmarktzugang etc. 2 35 39 17 7 4 49 35 9 4 Unsicherheit bei der Personalplanung wegen drohender Abschiebung 2 30 30 24 15 11 44 18 18 9 Mangelnde Vorkenntnisse; Ausbildung 2 22 49 20 7 5 33 47 11 4 Zugang zu Geflüchteten 1 10 40 28 21 16 47 20 16 Kulturelle Unterschiede 27 49 34 8 2 16 40 35 7 Nicht zu überwinden Sehr schwierig Schwierig, aber machbar Kleine Herausforderung Kein Problem Anmerkung: Angaben in Prozent. n = 248; Mehrfachnennungen möglich. Quelle: NUiF-Mitgliederbefragung 10 | Integrationskraft Arbeit
Unternehmen diese Herausforderungen als gagement weiter zu erhöhen und noch mehr weniger schwerwiegend wahr. Hier wird auf Geflüchteten Praktika oder Ausbildungen zu Ausnahmen verzichtet. ermöglichen. Bei der Beurteilung der einzelnen Herausfor- Informelle Kanäle dominieren derungen unterscheiden sich die Antworten Betrachtet man die Wege der Kontaktaufnah- nach Unternehmensgröße: Kleinere Betriebe me in Abbildung 6, wird ersichtlich, dass Un- bewerten beispielsweise Sprachprobleme und ternehmen, die Geflüchtete einstellen, häufig kulturelle Unterschiede als weniger hinder- informelle Kanäle und Netzwerke wählen, lich als große Unternehmen. Die Fallbeispiele um Geflüchtete zu rekrutieren. Als Vermittler schildern, dass in einer Arbeitsumgebung, die fungieren meistens nicht institutionalisierte von persönlichem und familiärem Umgang Organisationen wie beispielsweise Hilfsorga- geprägt ist, Integration schneller und besser nisationen, Vereine und Träger der Flücht- gelingt. Zusätzlich ist für das benötigte Sprach- lingshilfe (44 Prozent). Beispiele für diese niveau die Branche maßgeblich. So können Organisationen sind oft lokale Helferkreise. Berufe im Handel sprachintensiver sein als Aber auch ehrenamtliche Helfer (45 Prozent) vergleichsweise im Handwerk. in den örtlichen Flüchtlingsheimen stellen oft Kontakt zu potenziellen Bewerbern her. Integrationserfahrung senkt Hemmschwelle Die Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit Unternehmen, die bereits Geflüchtete be- (BA) können nur bei anerkannten Geflüchte- schäftigen, schätzen Hindernisse geringer ein ten mit Aufenthaltstitel die Vermittlung in Ar- als solche, die bisher noch nicht mit der be- beit aufnehmen. Viele Verfahren sind derzeit trieblichen Integration befasst sind. Dies ver- noch immer nicht abgeschlossen. Doch auch anschaulicht Abbildung 5. Einzige Ausnahme die zielgerichtete Vermittlung von Geflüchte- ist die Sprachbarriere, die auch die erfahrenen ten mit positivem Asylbescheid schreitet auf- Unternehmen als schwerwiegend einschätzen. grund laufender Integrationskurse und noch Grundsätzlich aber lässt sich folgern: Je mehr nicht erfasster Kompetenzen und Qualifika- aktive Erfahrungen mit betrieblicher Integra- tionen langsam voran. Entsprechend gering ist tion, desto weniger Hemmschwellen und mit 36 Prozent im Umkehrschluss auch die Ängste davor. Diese positiven Erfahrungen Zahl der Unternehmen, die als Weg der Kon- stehen auch im Einklang mit der Bereitschaft taktaufnahme zu Geflüchteten die BA und die der praxiserfahrenen Betriebe, künftig ihr En- Jobcenter nennen. Abbildung 6 | Wege der Kontaktaufnahme zu Geflüchteten Antworten in % Ansprache durch Ehrenamtliche 45 % Hilfsorganisationen/private Initiativen 44 % Bundesagentur für Arbeit/Jobcenter 36 % Direktkontakte zu Flüchtlings- 31 % unterkünften und Schulen Initiativbewerbung der Geflüchteten 30 % Programme von Kammern 29 % und Verbänden (z. B. IHK-Flüchtlingskoordinator) Sonstiges 15 % Kommunale Angebote 12 % Staatliche Initiativen (Willkommenslotsen) 12 % Onlineangebote 11 % Bisher noch kein Kontakt 6% Anmerkung: n = 247; Mehrfachnennungen möglich. Quelle: NUiF-Mitgliederbefragung The Boston Consulting Group | 11
Im weiteren Teil der Umfrage wird klar, dass nutzen. Und sie profitieren bei der Suche auch der klassische Prozess der Bewerberaus- nach neuen Bewerbern auch von der Mund- wahl – Bewerbung, gegebenenfalls Assessment- propaganda: Ihr Engagement spricht sich bei Center, Interviews – von Unternehmen, die Geflüchteten und Helfern schnell herum. Ent- Geflüchtete integrieren wollen, in der Regel sprechend erhalten integrationsfreudige Be- modifiziert wird: Neben den klassischen Be- triebe auch vermehrt Initiativbewerbungen werbungsgesprächen nutzen sie vor allem von Geflüchteten. Praxistests als zusätzliches Auswahlkriterium. Über 50 Prozent der antwortenden Unter- nehmen lassen Interessenten unter Aufsicht einen oder mehrere Tage zur Probe arbeiten. So können sie sich einen ersten Eindruck über Qualifikation, Motivation und auch Sprach- Anmerkungen kenntnisse der Geflüchteten verschaffen. Dies 1. Im Folgenden wird aus Gründen der sprachlichen tun sie insbesondere vor dem Hintergrund, Vereinfachung nur die männliche Form verwendet. 2. Junge Menschen werden im Rahmen einer Einstiegs- dass in Deutschland anerkannte Berufs- und qualifizierung an eine Ausbildung im Betrieb herange- Bildungsabschlüsse der Geflüchteten oftmals führt. Zusätzlich ermöglicht die Einstiegsqualifizierung nicht vorliegen. Betrieben einen (Wieder-)Einstieg in die betriebliche Ausbildung, falls sie noch nicht oder längere Zeit nicht mehr ausgebildet haben (Bundesagentur für Arbeit, Dieses Vorgehen scheint sich zu bewähren. August 2016). 60 Prozent der Unternehmen, die bereits 3. Sprachniveaustufe nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER). Geflüchtete im Betrieb beschäftigen und dies B1 entspricht „fortgeschrittener Sprachverwendung“. in Zukunft ausweiten wollen, geben an, auch 4. Geflüchtete, die eine Ausbildung absolvieren, werden künftig Praxistests anwenden zu wollen. für deren Gesamtdauer geduldet. Bleiben sie nach der Ausbildung im Betrieb, verlängert sich ihr Aufenthalts- recht um weitere zwei Jahre (Integrationsgesetz der Zudem zeigt sich, dass Unternehmen, die be- Bundesregierung, August 2016). reits seit Längerem Geflüchtete beschäftigen, 5. In der Vorrangprüfung wird kontrolliert, ob bevor- rechtigte Bewerber – Deutsche, EU-Bürger oder sonstige wahrscheinlich aufgrund ihrer Erfahrungen bevorrechtigte ausländische Arbeitnehmer – für die stärker als andere bestehende Angebote, bei- freie Stelle zur Verfügung stehen (Bundesamt für spielsweise von Kammern und Verbänden, Migration und Flüchtlinge, Januar 2017). 12 | Integrationskraft Arbeit
INVESTITIONEN ZAHLEN SICH AUS ZUSÄTZLICHE KOSTEN RECHNEN SICH BEI MITARBEITER- KNAPPHEIT BEREITS NACH SECHS BIS ZWÖLF MONATEN D ie Integration von Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt erfordert eine Anfangsinvestition. Die Erfahrungen der auch ihre Qualifikationen und Neigungen bei den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern bisher nur unzureichend erfasst werden interviewten Unternehmen zeigen, dass Kosten konnten.1 Dies führt dazu, dass Unternehmen vor allem in vier verschiedenen Bereichen eine Vielzahl von Geflüchteten persönlich anfallen: Suche und Auswahl, Sprachkurse, kennenlernen müssen, um deren Kompeten- zusätzliche Qualifizierung und fortlaufende zen selbst in Erfahrung zu bringen. Gerade Betreuung. Diese Kosten fallen meist im ersten bei Unternehmen, die eine größere Anzahl Jahr an. Danach berichten die Unternehmen von Geflüchteten anstellen können und wol- davon, dass sich der zusätzliche Aufwand oft len, ist die Suche nach Kandidaten oft ein auf ein Minimum reduziert. großer Aufwandstreiber. Erfahrungen der Unternehmen haben gezeigt, dass intensives Suche und Auswahl passender Netzwerken und Gespräche mit zahlreichen Kandidaten Kandidaten sowie die Ermittlung ihrer Quali- Wie das vorherige Kapitel thematisiert hat, fikationen und Neigungen oftmals zu einem finden Geflüchtete oftmals über persönliche zusätzlichen Zeitaufwand im Vergleich zum Netzwerke den Weg in Unternehmen. Häu- Regelfall in Höhe von etwa 15 Stunden pro figster Weg ist derzeit der Kontakt über ehren- Geflüchteten führen. Bei einem angenomme- amtlich Engagierte und deren Netzwerke in nen Personalkostensatz von 50 € entspricht der Flüchtlingshilfe. Die Geflüchteten sowie dies einem Betrag von 750 €. ihre jeweiligen Qualifikationen sind den Hel- fern in der Regel sehr gut bekannt – genauso Unterstützung beim berufs- wie die Arbeitgeber in der Region. Die Ehren- bezogenen Spracherwerb amtlichen bringen beide zusammen. Sprachkurse stellen meist den größten Investi- tionsbedarf dar. Geflüchtete besitzen nach Wenn Geflüchtete über staatliche Behörden Abschluss des Integrationskurses in der Regel den Weg ins Unternehmen finden, sind die Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 (zumin- Erfahrungen der Unternehmen sehr unter- dest jedoch A2). Bis Mitte 2016 haben laut schiedlich. Zum Teil funktioniert die Voraus- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wahl der Behörden sehr gut. Oftmals aber (BAMF) 315.000 der Neuzuwanderer nach schildern Unternehmen, dass die Behörden 2005 diesen Kurs absolviert. Für den Arbeits- noch keine oder nur unpassende Kandidaten alltag ist dieses Niveau trotzdem oftmals nicht nennen können. Grund hierfür ist, dass Ge- ausreichend, da vor allem berufsspezifische flüchtete häufig noch nicht registriert und Sprachkenntnisse fehlen. Unternehmen unter- The Boston Consulting Group | 13
stützen den Spracherwerb geflüchteter Be- Unterstützung in der Berufsschule. Unterneh- schäftigter in der Regel auf drei unterschied- men schätzen diese oft halb so hoch ein wie liche Arten: Als Erstes können sie externe An- die der zusätzlichen Qualifizierung im Unter- bieter damit beauftragen, Sprachkurse für ihr nehmen. Dies würde Kosten in Höhe von Unternehmen durchzuführen. Die zweite Mög- etwa 600 € pro Jahr entsprechen. lichkeit ist der Einsatz eigener Mitarbeiter. Vor allem Großunternehmen mit eigenen Betreuung im Alltag erleichtert Akademien und Erfahrung im Einsatz von das „Ankommen“ ausländischen Arbeitnehmern können hier- Zusätzliche Betreuung durch Paten ist oftmals bei auf bestehende Strukturen zurückgreifen. ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die beruf- Dritte Möglichkeit ist die Nutzung eines vom liche Integration von Geflüchteten. Auch BAMF geförderten Sprachkurses. Das BAMF wenn die interviewten Unternehmen von hat sein Programm für berufsbezogene einer außergewöhnlichen Hilfsbereitschaft Sprachförderung seit Mitte 2016 deutlich er- ihrer Mitarbeiter berichten, setzen sie doch weitert. Die Schulungen bauen unmittelbar des Öfteren auch auf strukturierte Patenpro- auf dem Integrationskurs auf und werden gramme. Dies ist meist keine Sonderlösung entweder vom Geflüchteten selbst oder vom für Geflüchtete. Auch Praktikanten und Aus- Unternehmen bezahlt. zubildenden wird oftmals ein Pate zur Seite gestellt, jedoch ist die Unterstützung von Ge- Abhängig von der Option, die ein Unterneh- flüchteten meist deutlich intensiver. Je nach men nutzt, sind die Kosten unterschiedlich. Intensität sind dies eineinhalb Stunden pro Ausgehend von etwa sechs Unterrichtsstun- Woche mehr als sonst üblich. den pro Woche entstehen Unternehmen durch den Einsatz externer Anbieter je nach Erfolgt die Betreuung während der Arbeits- Gruppengröße pro Teilnehmer Kosten in zeit und nimmt man erneut einen Personal- Höhe von etwa 1.500 € im Jahr. Übernimmt kostensatz von 50 € an, entstehen dem Unter- das Unternehmen die Kosten der BAMF-Kurse, nehmen hierdurch Kosten von etwa 3.500 € fallen Ausgaben in Höhe von etwa 600 € an. jährlich. Setzt man eigene Mitarbeiter ein und erfolgt der Unterricht während der Arbeitszeit, führt Anfangsinvestitionen von rund dies bei monetärer Bewertung des Zeitein- 7.500 € im ersten Jahr notwendig satzes zu den höchsten Kosten – bei einem Addiert man die Kosten für die zusätzliche Personalkostensatz von 50 € pro Stunde, 300 Unterstützung, entstehen durchschnittliche Stunden Unterricht im Jahr und einer Grup- Gesamtkosten in Höhe von etwa 7.500 € im pengröße von sechs Personen ergeben sich ersten Jahr.3 Je nach Gestaltung der Unterstüt- pro Geflüchteten Kosten in Höhe von 2.500 €. zung kommen hierzu noch die Personalkosten für den Geflüchteten während der Qualifizie- Qualifizierung als Schlüsselfaktor rungsmaßnahmen – beispielsweise durch den Neben der Investition in Sprachvermittlung Sprachunterricht. Ebenfalls stark beeinflusst müssen Unternehmen oft auch zusätzliche werden die Kosten durch die Gestaltung der Zeit in die Qualifizierung von Geflüchteten Unterstützung durch Kollegen: Erfolgt zum investieren. Der Umfang der zusätzlichen Beispiel die Betreuung durch Paten außer- Maßnahmen ist dabei sehr unterschiedlich halb der Arbeitszeit, können die Kosten auch und abhängig von Branche und Unterneh- bei einem Bruchteil der zuvor genannten, mensgröße. Unternehmen schätzen den Mehr- beispielsweise unter 1.000 €, liegen. bedarf bei Geflüchteten im Vergleich zum sonst üblichen Aufwand oftmals auf etwa Setzt man diese zusätzlichen durchschnitt- 30 Prozent. Orientiert man sich an den durch- lichen Kosten beispielsweise ins Verhältnis zu schnittlichen Bruttokosten für Ausbilder in den durchschnittlichen Ausbildungskosten in Höhe von über 4.000 € (Kosten für die Zeit, Höhe von etwa 18.000 € im ersten Lehrjahr,4 die das ausbildende Personal mit den Auszu- zeigt sich, dass die 7.500 € knapp 40 Prozent bildenden verbringt), ergeben sich Mehr- der Kosten entsprechen. Wie die Ausbildungs- kosten in Höhe von etwa 1.200 € jährlich.2 kosten selbst, hängen auch die zusätzlichen Hinzu kommen häufig weitere Kosten für Kosten für die Beschäftigung von Geflüch- 14 | Integrationskraft Arbeit
Abbildung 7 | Wirtschaftliche Betrachtung der Integration im ersten Jahr Zusätzliche Mehrwert Erträge Förderungen Kosten im ersten Jahr Mehrwert bei der Erwirtschaftete Erträge Staatliche Unterstützungs- Erforderliche Anfangs- Beschäftigung eines der Geflüchteten im möglichkeiten für die investition für die Integration Geflüchteten Unternehmen berufliche Eingliederung im Unternehmen Sobald Geflüchtete im Der Staat unterstützt die berufliche Neben den regulären Lohn- Eingliederung Geflüchteter u. a. kosten fallen zusätzlich Mehr- Mehrwert Unternehmen einsatzbereit kosten bei der Integration mit folgenden Hebeln: sind, erwirtschaften sie Geflüchteter v. a. in den folgen- = durch ihre produktiven • • Eingliederungszuschuss (EGZ) Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) den Bereichen an: Erträge • Assistierte Ausbildung (AsA) • Suche und Auswahl Tätigkeiten Erträge für das • Berufsbezogener + Unternehmen • Programm Weiterbildung Gering- qualifizierter und Beschäftigter in Spracherwerb Förderungen KMU (WeGebAU) • Qualifizierung • Betreuung - • BAMF-Programme zur berufs- bezogenen Sprachförderung Die genaue Zusammensetzung Zusätzliche Kosten der Kosten findet sich in Abbildung 8 wieder. Beispielunternehmen Firmensitz: Baden-Württemberg Kundenkreis: Weltweites Netzwerk Industrie: Unternehmensbezogene Dienstleistungen Mitarbeiteranzahl: < 100 im handwerklichen Bereich Geflüchtete im Unternehmen: 2 Die zusätzlichen Kosten für Geleistete Arbeitsstunden Eingliederungszuschuss (EGZ) Suche und Auswahl – 750 € Geflüchtete amortisieren 1.600 h/Jahr sich bereits innerhalb des Bruttojahres- Berufsbezogener Auslastung × 70 % verdienst 32.000 € Spracherwerb – 1.500 € ersten Jahres Gewinn pro Arbeitsstunde × 10 € EGZ × bis zu 50 % Qualifizierung – 1.800 € Betreuung – 3.500 € Mehrwert Erträge Förderungen Zusätzliche Kosten + 19.650 € + 11.200 € + 16.000 € – 7.550 € Quelle: Die zugrunde gelegten Beträge für Erträge und Förderungen dieser wirtschaftlichen Betrachtung stammen aus einem anonymisierten Beispiel eines mittelständischen Unternehmens. Für die Kosten wurde der Durchschnitt aller untersuchten Unternehmen verwendet 1 Mehrwert vor üblichen Rekruitierungs- und Einarbeitungskosten. 2Informationen hierzu und zu weiteren Angeboten finden Sie unter www.nuif. de/Foerderung. 3Das Angebot besteht aus dem ESF-BAMF-Programm sowie der Verordnung über die berufsbezogene Deutschsprachförderung (DeuFöV). 4Unter unternehmensbezogenen Dienstleistungen versteht man Dienstleistungen, die nicht von Privatpersonen, sondern nur von Unternehmen in Anspruch genommen werden. Abbildung 8 | Erforderliche Anfangsinvestitionen für die Integration im ersten Jahr Zusätzliche Kosten Begründung der Mehrkosten für das erste Jahr Berechnungslogik Ø Gesamtkosten • Lebensläufe der Geflüchteten sind oftmals nicht vergleichbar Zeitaufwand mit deutschen Standards (Zertifikate fehlen, Qualifikationen (15 Stunden) müssen validiert werden etc.) × – 750 € • Geflüchtete werden häufig über persönliche Netzwerke ange- stellt, da Recruiting über Stellenausschreibungen und angenommener Suche und Auswahl Personalkostensatz (50 €) Arbeitsagentur/Jobcenter noch nicht funktionieren • Trotz Absolvierung des Integrationskurses ist das Sprach- niveau häufig nicht ausreichend und weitere Unterstützung notwendig Kosten für externe Sprachkurse – 1.500 € Berufsbezogener • Berufsspezifische Sprachkenntnisse erlernen Geflüchtete Spracherwerb besser „on the job“ im Unternehmen • Die Ausbilder müssen Tätigkeiten oftmals vorzeigen, anstatt Zeitaufwand sie nur zu erklären (36 Stunden) × – 1.800 € • Um Prüfungen der Berufsschule zu bestehen, benötigen angenommener Qualifizierung Geflüchtete häufig Nachhilfe Personalkostensatz (50 €) Zeitaufwand • Gerade in der Anfangszeit benötigen Geflüchtete oftmals (70 Stunden) Unterstützung bei Alltagsthemen wie beispielsweise – 3.500 € Behördengänge, Übersetzungen oder Wohnungssuche × angenommener Betreuung Personalkostensatz (50 €) Summe – 7.550 € Quelle: Erfahrungswerte NUiF-Mitgliederbefragung 1 Betreuung der Geflüchteten erfolgt während der regulären Arbeitszeit. 2Staatliche Angebote zur Sprachunterstützung sind Unternehmen oftmals nicht bekannt, daher werden Sprachkurse derzeit häufig über externe Anbieter organisiert. The Boston Consulting Group | 15
EINGLIEDERUNGSZUSCHUSS (EGZ) Die Bundesagentur für Arbeit unterstützt die Förderantrag: Ist rechtzeitig vor dem geplanten berufliche Eingliederung von Menschen, die am Beginn des Arbeitsverhältnisses bei den örtlichen Arbeitsmarkt schwerer zu vermitteln sind. Dazu Agenturen für Arbeit oder den Jobcentern zu zählen auch Geflüchtete. Voraussetzungen: Die stellen. Gründe für die mangelnde Vermittelbarkeit müssen in der Person des künftigen Arbeitnehmers liegen, Zu beachten: Ein Rechtsanspruch auf einen EGZ und die Förderung ist für die berufliche Einglie- besteht nicht. Bei der Gewährung handelt es sich derung notwendig. Ein klassischer Anwendungsfall grundsätzlich um eine Ermessensentscheidung. sind fehlende Fachkenntnisse, die im Rahmen einer Der Arbeitgeber kann den Antrag für Geflüchtete längeren Einarbeitungsphase erst erworben werden mit Aufenthaltserlaubnis unmittelbar, für Geduldete müssen. und Asylbewerber nach Ablauf der Drei-Monats- Frist stellen. Förderhöhe: Bis zu 50 Prozent des regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts sowie 20 Prozent des Weitere Informationen: pauschalierten Arbeitgeberanteils am Gesamt- Beim örtlichen Arbeitgeberservice oder über die sozialversicherungsbeitrag. kostenfreie Servicerufnummer 0800 4555520. Förderdauer: Maximal zwölf Monate als monat- licher Zuschuss. Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Juli 2016; Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Februar 2017 WEITERE FÖRDERMÖGLICHKEITEN Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH): Diese Weiterbildung Geringqualifizierter und Be- bieten jungen Geflüchteten in Einstiegsqualifi- schäftigter in KMU (WeGebAU): Das Programm zierung (EQ) oder betrieblicher Berufsausbildung WeGebAU der Bundesagentur für Arbeit unterstützt Unterstützung. Einzelfallförderungen werden in kleine und mittlere Unternehmen, die ungelernten enger Absprache mit der zuständigen Agentur für Beschäftigten die Möglichkeit geben wollen, sich Arbeit oder dem Jobcenter erbracht und vollständig während der Arbeitszeit weiter zu qualifizieren. Zur von diesen getragen. Die Unterstützung reicht Förderung gehören unter anderem ein Arbeitsent- dabei von sozialpädagogischer Begleitung bis hin geltzuschuss und die (Teil-)Erstattung von Lehr- zum Abbau von Bildungs- und Sprachdefiziten. gangskosten. Assistierte Ausbildung (AsA): Bei einer assis- tierten Ausbildung werden junge Geflüchtete und Unternehmen vor und während einer betrieblichen Berufsausbildung unterstützt. Sie umfasst individu- elle Unterstützungsleistungen für die Geflüchteten und Hilfestellungen für die Unternehmen. Die Kosten hierfür trägt die Agentur für Arbeit bezie- hungsweise das zuständige Jobcenter. Quelle: NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge, Januar 2017; Bundesagentur für Arbeit, November 2017 16 | Integrationskraft Arbeit
teten vom Berufsfeld ab. So belaufen sich die als größtes Risiko bei der wirtschaftlichen durchschnittlichen Ausbildungskosten für ei- Entwicklung der Unternehmen angesehen.6 nen Bäcker auf etwa 12.500 €.5 Ausgehend Weitere Studien zeigen, dass es etwa 80 Pro- von den 40 Prozent liegen die zusätzlichen zent der Mittelständler in Deutschland Kosten für die Beschäftigung Geflüchteter in schwerfällt, ausreichend qualifizierte Mitar- diesem Berufsbild bei etwa 5.000 €. beiter zu finden – etwa jeder zweite Mittel- ständler beklagt, dass er Aufträge nicht an- Kosten amortisieren sich über nehmen kann, weil ihm geeignete Fachkräfte Erträge und Förderungen fehlen. Studien beziffern, dass dem Mittel- Dass sich diese Investitionen insbesondere stand hierdurch jedes Jahr knapp 50 Milliar- dort lohnen, wo Mitarbeiter knapp sind, be- den € Umsatz entgehen.7 legt beispielhaft das Unternehmen Kremer Machine Systems (Spezialist für Industrie- Neben Erträgen, die Geflüchtete für das Un- montage), für das der Fachkräftemangel ein ternehmen erwirtschaften, unterstützt auch bedeutendes Wachstumshindernis ist. Das die Bundesagentur für Arbeit die berufliche Unternehmen investiert pro Geflüchteten in- Eingliederung von Geflüchteten auf vielfälti- klusive monetär bewerteter Arbeitszeit etwa ge Weise – beispielsweise wenn fehlende 6.200 €, vor allem in Sprachkurse und Qualifi- Fachkenntnisse im Rahmen einer längeren zierungsmaßnahmen. Diese Investitionen Einarbeitungsphase erst erworben werden amortisieren sich bereits innerhalb eines müssen. halben Jahres, zum Teil sogar früher. Auch andere Unternehmen mit Fachkräftemangel wie beispielsweise WIWOX (Spezialist für in- Anmerkungen 1. Kompetenztests zur standardisierten Erfassung novative Verfahren zur professionellen Werk- beruflicher Vorerfahrung befinden sich derzeit in der zeug- und Teilereinigung) schildern, dass sich Entwicklungsphase. Das Projekt wird von der Bundes- Investitionen innerhalb des ersten Beschäfti- agentur für Arbeit gemeinsam mit der Bertelsmann Stif- tung durchgeführt (Bertelsmann Stiftung, Februar 2017). gungsjahres bezahlt machen. 2., 4. Bundesinstitut für Berufsbildung: Kosten und Nut- zen der betrieblichen Ausbildung 2012, Dezember 2015. 3. Sprachkurse durch externe Anbieter einberechnet. Dass diese beiden Unternehmen keine Ein- 5. Bundesinstitut für Berufsbildung: BIBB-Erhebung zelfälle sind, zeigt der Blick auf die Knapp- zu Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung heit von Mitarbeitern vor allem im Mittel- 2012/13 – Betriebliche Ausbildungskosten nach Ausbil- dungsberufen, Dezember 2015. stand. Die Ergebnisse der DIHK-Konjunktur- 6. Deutscher Industrie- und Handelskammertag: umfrage bei den Industrie- und Handels- Exportschub trotz politischer Risiken. Ergebnisse der DIHK-Konjunkturumfrage bei den Industrie- und Han- kammern zum Jahresbeginn 2017 sind ein- delskammern, Januar 2017. deutig: Der Fachkräftemangel wird seit 2016 7. EY: Mittelstandsbarometer, Januar 2017. The Boston Consulting Group | 17
SCHNELL AMORTISIERT Kremer Machine Systems investiert gezielt in Geflüchtete und profitiert davon gleich mehrfach F ür Kremer Machine Systems aus dem nordrhein-westfälischen Gescher ist der Fachkräftemangel ein echtes Wachstumshin- netseiten wie workeer.de, eine Online- jobplattform für Geflüchtete. Insofern ist der Aufwand kostenneutral. dernis. Fehlendes Personal hat dazu geführt, dass der Spezialist für Industriemontagen Mehrkosten: geringfügig bereits mehrfach Aufträge ablehnen musste. Geschäftsführer Tilman Mues verwendet 2. Sprachkurse inzwischen einen Großteil seiner Arbeitszeit auf die Mitarbeitersuche. Vorgehensweise: Englische Sprachkenntnisse sind bei Kremer ein Auswahlkriterium; Eine Lösung sieht das Unternehmen in der Deutschkenntnisse und Fremdsprachen- Beschäftigung Geflüchteter mit entsprechen- kenntnisse wie insbesondere Arabisch der Berufserfahrung in Montage und Bau. sind erwünscht. Das Unternehmen bietet Einstellungsvoraussetzungen sind neben er- den Geflüchteten die Teilnahme an einem sten Erfahrungen in handwerklichen Berufen Deutsch-Sprachkurs an. Dieser findet an ein Aufenthaltstitel und die Bereitschaft, zwei Abenden in der Woche mit jeweils auch im Ausland zu arbeiten. Die Geflüchte- zwei Unterrichtseinheiten statt. Insgesamt ten erhalten dieselben Vertragskonditionen werden 80 Einheiten angeboten. wie neu eingestellte Mitarbeiter ohne Flucht- hintergrund. Sie arbeiten von Anfang an bei Mehrkosten: Der Sprachkurs mit internationalen Projekten mit. Derzeit sind 80 Stunden kostet 1.000 €. drei Fachkraftstellen mit Geflüchteten besetzt – das entspricht 10 Prozent der Belegschaft. 3. Qualifizierung Für die Eingliederung in das Unternehmen fal- Vorgehensweise: Das Unternehmen schätzt len natürlich Mehrkosten an. Rechnet sich das? den Zeitraum, bis die Geflüchteten voll- ständig angelernt sind, auf etwa zwei Kosten Jahre. Davon ist ein Viertel Lernzeit, unge- 1. Suche und Auswahl fähr 1.000 Stunden. 20 Prozent dieser Zeit, also 200 Stunden, verbringen sie direkt Vorgehensweise: Die Suche nach geeigneten mit dem Meister, der in dieser Zeit nur Geflüchteten läuft über die aktive Kontakt- rund ein Drittel seiner Arbeitsleistung aufnahme zu Flüchtlingsunterkünften direkt für das Kundengeschäft aufwenden beziehungsweise über spezifische Inter- kann. 18 | Integrationskraft Arbeit
Erträge Gleichzeitig erwirtschaftet der Geflüchtete aber auch zügig Einkünfte für die Firma. Für den Einsatz beim Kunden rechnet das Unter- nehmen einen gewinnbringenden Stunden- satz ab. Und dies von Anfang an, da die Geflüchteten in der Regel sofort in den Außeneinsatz gehen. Hinzu kommt der Eingliederungszuschuss zum Arbeitsentgelt. Kremer Machine Systems hat für jeden Geflüchteten in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses rund die Hälfte der Lohnkosten als Zuschuss von der Bundesagentur für Arbeit erhalten, das sind in Summe 8.400 €. Dieser Zuschuss alleine übersteigt bereits die Mehrkosten. Quelle: Kremer Machine Systems GmbH Fazit Den Mehrkosten von etwa 6.200 € stehen zu- Mehrkosten: Bewertet man die anderen sätzliche Einnahmen sowie der Eingliederungs- zwei Drittel Arbeitszeit des Meisters, die zuschuss gegenüber, sodass sich die Beschäfti- er mit der Betreuung des Geflüchteten gung von Geflüchteten für Kremer bereits verbringt – 135 Stunden – mit jeweils nach etwa sechs Monaten lohnt. Zusätzlich 30 € Stundenlohn, ergibt dies in Summe ermöglichen die Geflüchteten dem Unter- rund 4.000 €. nehmen Wachstum, das bislang durch den Personalmangel ausgebremst wurde. 4. Betreuung Vorgehensweise: In den ersten beiden Jahren erhalten die Geflüchteten von der Firma Beratung und Unterstützung, unter anderem bei der Wohnungssuche und bei Steuerangelegenheiten. Der Aufwand liegt bei durchschnittlich 40 Arbeitsstunden pro geflüchteten Mitarbeiter. Mehrkosten: Bei einem Stundensatz von 30 € ergibt sich eine Summe von 1.200 €. Zusammengerechnet fallen Mehrkosten von etwa 6.200 € pro Geflüchteten an. The Boston Consulting Group | 19
GEFLÜCHTETE ALS FACHKRÄFTE Bei WIWOX GmbH Surface Systems zahlt sich die Integration Geflüchteter bereits nach kurzer Zeit aus SURFACE SYSTEMS E ine Vielfalt von Nationalitäten ist bei der WIWOX GmbH Surface Systems aus dem rheinischen Erkrath Alltag. 19 der Kosten 1. Suche und Auswahl 45 Mitarbeiter stammen aus dem Ausland, Vorgehensweise: Die Kontaktaufnahme mit aus 13 verschiedenen Ländern. Der Spezialist dem Verein und die Auswahl der Geflüch- für innovative Verfahren zur professionellen teten verursachen bei WIWOX verhältnis- Werkzeug- und Teilereinigung sucht fast mäßig geringe Kosten. ständig neue Mitarbeiter. Die formellen Wege über die staatlichen Behörden funktionieren Mehrkosten: Das Unternehmen beziffert dabei nicht. Geschäftsführer Axel Hallens- die zusätzliche Arbeitszeit mit zwei bis leben nutzte die Kontakte des Erkrather drei Stunden pro Geflüchteten. Mit dem Vereins „füreinander“. Mit Erfolg: Aktuell durchschnittlichen Bruttoverdienst von sind drei Geflüchtete als Fachkräfte bezie- 25 € pro Stunde für interne Mitarbeiter hungsweise Hilfsarbeiter angestellt, ein multipliziert, ergeben sich Kosten von weiterer ist als Praktikant tätig. rund 75 €. Auf formale Qualifikationen kommt es bei 2. Sprachkurse WIWOX nicht an – entscheidend sind hand- werkliche Fähigkeiten, Interesse und Motiva- Vorgehensweise: Die Geflüchteten besuchen tion. Alle Kandidaten absolvieren zunächst neben ihrer Arbeitszeit ehrenamtlich ein Praktikum über zwei bis drei Monate. Ist organisierte Sprachkurse und greifen auch die Beurteilung nach dieser Zeit positiv, folgt gerne auf kostenloses Onlinematerial die Festanstellung – in der Regel zuerst als zurück. Zudem vermitteln auch die Hilfsarbeiter mit sukzessiver Heranführung WIWOX-Mitarbeiter während der gemein- an Facharbeitertätigkeiten, bis das Facharbei- samen Arbeit ihren neuen Kollegen in der terniveau erreicht ist. Die Integration dieser Einarbeitungszeit berufsspezifisches neuen Mitarbeiter in die Firma erfordert Vokabular. einen Mehraufwand, der sich im Einzelnen wie folgt quantifizieren lässt: Mehrkosten: keine 20 | Integrationskraft Arbeit
Fazit Aufgrund der geringeren Qualifikation sind die Löhne der Geflüchteten zu Beginn ihrer Tätigkeit geringer. Meist erfolgt die Anglei- chung an das durchschnittliche Facharbeiter- gehalt nach 1,5 Jahren. Neben den Einspa- rungen beim Lohn erhält WIWOX Surface Systems auch einen Eingliederungszuschuss. Quelle: WIWOX GmbH Surface Systems Hierdurch zahlen sich die Einstellung und Qualifizierung von Geflüchteten für das Unternehmen bereits am Ende des ersten 3. Qualifizierung Jahres aus. Gleichzeitig eröffnet die über- durchschnittliche Motivation dieser neuen Vorgehensweise: Die Qualifizierung eines Mitarbeiter zusätzliche Chancen: Aktuell Geflüchteten dauert laut Werksleiter etwa versucht WIWOX, über die Geflüchteten 1,5 Jahre. Im ersten Jahr muss dieser rund neue Geschäftsbeziehungen in deren drei Stunden pro Woche direkt mit dem Herkunftsländer zu knüpfen. neuen Mitarbeiter verbringen, im letzten Halbjahr reduziert sich dieser Aufwand auf etwa zwei Stunden pro Woche. Mehrkosten: Hochgerechnet ergibt sich ein Zeitaufwand von etwa 200 Stunden. Setzt man hierfür einen Stundensatz von etwa 25 € an, entstehen somit Kosten in Höhe von 5.000 €. 4. Betreuung Vorgehensweise: Im Alltag benötigen die Geflüchteten anfangs Hilfe bei Themen wie Wohnungssuche, Behördengängen oder der Übersetzung von Briefen. Auch hier springen die Kollegen von WIWOX ein. Hallensleben kalkuliert dafür 20 Arbeitsstunden pro Geflüchteten. Mehrkosten: Bei einem Stundensatz von 25 € ergibt sich eine Summe von 500 €. Zusammengerechnet fallen Mehrkosten in Höhe von rund 5.600 € pro Geflüchteten an. The Boston Consulting Group | 21
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