EINHEITSSPRACHE ODER SPRACHENVIELFALT: WIE VIELE SPRACHEN BRAUCHEN WISSENSCHAFT UND BILDUNG? - OEAD

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EINHEITSSPRACHE ODER SPRACHENVIELFALT: WIE VIELE SPRACHEN BRAUCHEN WISSENSCHAFT UND BILDUNG? - OEAD
Jahrgang 24 | Nummer 2/95 | Dezember 2014
                                            1

       Einheitssprache oder
       Sprachenvielfalt:
       Wie viele Sprachen brauchen
       Wissenschaft und Bildung?
EINHEITSSPRACHE ODER SPRACHENVIELFALT: WIE VIELE SPRACHEN BRAUCHEN WISSENSCHAFT UND BILDUNG? - OEAD
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                                                                                               INHALT
                                                                                 3
                                                                                      Hubert Dürrstein
                                                                                             Editorial

                            4                                                            Brigitta Busch
                                Für einen respektvollen Umgang mit sprachlichen Ressourcen

                                  6                                                       Sarah Breslin
                                       Linguistic Diversity in Europe – Opportunity or Obstacle?

                                                                      7                   Achim Braun
                                                                            Europa ist mehrsprachig

                                                                8                     Ursula Panuschka
                                                                    Bildung – Sprache – Erasmus+

                                                                      11                  OeAD-Events
                                                                            Veranstaltungskalender

                             12                                                         Bernd Wächter
                                      Zur Rolle englischsprachiger Studienprogramme in Europa

                                      14                                                Gabriele Slezak
                                            Internationale Forschung – eine mehrsprachige Praxis

                    16                               Monika Dannerer | Sebastian Maier | Peter Mauser
                            Sprachen – mehr Sprachen – Mehrsprachigkeit an der Universität

                                                    18                      oead.news im Gespräch mit
                                                         Petra Bernhardt und Margarete Kernegger

                       20                                       Michal Dvorecký | Magdalena Knappik
                             Studierstrategien im Kontext der Wissenschaftssprache Deutsch
                                           21 Neues OeAD-Kooperationsprogramm für Hochschulen
                                                                IMPULS für Mittel- und Osteuropa

                  22                                                                        Irena Zavrl
                       »Kennst du viele Sprachen, so hast du viele Schlüssel für ein Schloss«

                                                                                           Arnulf Knafl
                                                                            24 Notwendige Vielfalt

                                                                      26 Barbara Schrammel-Leber
                                                                                   Multilingual Graz

                       28                                                            Melanie Mayrhofer
                             Die Erfolgsgeschichte Sparkling Science geht in die fünfte Runde
                                                                    30      oead.news im Gespräch mit
                                                                                           Veit Sorger
                                                               32
                                                                    Franz Gramlinger | Melanie Wallar
                                                                          Arbeitserfahrung in Irland

    33                                                                                 Neuerscheinung
         OeAD-Schriftenreihe: Die Rolle von Guidance in einer sich wandelnden Arbeitswelt

                                                                                          Rita Michlits
                                           34 »Czech in«: OeAD lud zum Alumni-Treffen in Prag

                                                                          Eva Müllner | Barbara Sutrich
                                               36    OeAD-Hochschultagung 2014. Eine Nachlese.
                                                                       40     Publikation | Impressum
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                         Hubert Dürrstein

Editorial

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Liebe Leserinnen und Leser,

die Website www.studienwahl.at, die das Bundesministerium für            Unter dem Titel »Die Rolle von Guidance in einer sich wandelnden
Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft und der OeAD betreiben,           Arbeitswelt« gehen die Autor/innen auf die Bedeutung professio-
listet aktuell knapp 1.900 Studienprogramme auf. Rund zwölf Pro-         neller Bildungs- und Berufsberatung in Übergangsphasen und vor
zent davon sind englischsprachige Angebote, sechs Prozent sind teil-     dem Hintergrund eines angespannten Arbeitsmarkts ein. Herausge-
weise englisch. Laut einer soeben veröffentlichten Studie der Acade-     ber sind Ernst Gesslbauer und Carin Dániel Ramírez-Schiller von der
mic Cooperation Association (ACA) unter 2.600 Hochschulen in 28          Nationalagentur Lebenslanges Lernen (Details auf Seite 33). Gemein-
Ländern liegt Österreich damit auf Platz neun (lesen Sie dazu auch       sam mit dem Österreichischen Integrationsfonds, BMWFW, BMEIA,
den Beitrag von ACA-Geschäftsführer Bernd Wächter auf Seite 12).         der Wirtschaftskammer Österreich und der uniko hat der OeAD die
Bei Vorgängerstudien in den Jahren 2002 und 2008 rangierten wir          zweisprachige Informationsbroschüre »Studieren & Arbeiten in Ös-
auf dem bescheidenen Platz 16. Es ist also viel passiert in den ver-     terreich« aktualisiert. Sie enthält wichtige Hinweise zu Einreise, Auf-
gangenen Jahren.                                                         enthalt und Arbeiten während und nach dem Studium (Seite 40).

Doch wenn es um Internationalisierung geht, ist nicht nur Englisch als   Ich möchte nun noch die Gelegenheit nutzen, Dr. Veit Sorger und
globale Sprache der Wissenschaft essenziell. Es geht auch darum, die     seiner Mitarbeiterin Gertraud Max für die hervorragende Zu-
Sprachen der Nachbarländer in die Curricula zu integrieren, die mehr-    sammenarbeit im Rahmen des Mondi Austria Student Scholar-
sprachigen Ressourcen im Land selbst zu nutzen und die Varietäten        ship, das der OeAD betreuen durfte, sehr herzlich zu danken. Von
der eigenen Sprache zu beleuchten. In den vorliegenden OeAD-News         diesem großzügigen Stipendienprogramm konnten bislang 51
haben wir zu all diesen Aspekten Expert/innen zu Wort kommen las-        Studierende profitieren. 27 Stipendiat/innen haben bisher ein Mas-
sen. Ein paar Beispiele: Brigitta Busch von der Universität Wien hat     ter- bzw. Diplomstudium absolviert, vier ein Doktorat. Einige konn-
eine kreativ-visuelle Methode entwickelt, sprachliche Repertoires        ten in der Forschung oder am österreichischen Arbeitsmarkt Fuß
zu erheben (Seite 4). Sarah Breslin und Achim Braun gehen auf die        fassen, andere Karrieren in ihrem Herkunftsland starten, wieder an-
Vielfalt der Sprachen in Europa ein (Seite 6 und 7). Ursula Panuschka,   dere studieren weiter. Sie sind wertvolle Netzwerkpartner, mit denen
Leiterin des Bereichs Schulbildung in der Nationalagentur im OeAD,       es lohnt, Kontakt zu pflegen.
beschreibt Services, Instrumente und Good Practice-Beispiele im
EU-Programm Erasmus+ (Seite 8). Gabriele Slezak vom Institut für         Es bleibt mir, Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser, ein gesegnetes
Afrikanistik an der Universität Wien schildert gelebte Mehrspra-         Weihnachten zu wünschen, erholsame Tage und ein erfolgreiches
chigkeit im Rahmen eines Projekts in Burkina Faso (Seite 14). Und        Jahr 2015.
Irena Zavrl berichtet darüber, dass an der FH Burgenland die Priori-
tät bereits seit ihren Anfängen vor 20 Jahren auf CEE-Sprachen liegt.    Ihr Hubert Dürrstein
Kroatisch, Polnisch, Russisch, Tschechisch und Ungarisch werden so-
wohl auf Bachelor- als auch auf Masterniveau vermittelt.

Vielfältig sind auch die Neuerscheinungen, auf die wir in dieser
Ausgabe hinweisen – allem voran Band 7 der OeAD-Schriftenreihe.
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                         Brigitta Busch

Für einen respektvollen Umgang mit
sprachlichen Ressourcen
                         Brigitta Busch, Professorin für angewandte Sprachwissenschaft
                         an der Universität Wien, plädiert dafür, die Mehrsprachigkeit in
                         Österreich als wichtiges Gut zu nutzen. Ansetzen müsse man im
                         Schulsystem.

In der im Oktober begonnenen Lehrveranstaltung             anderen Sprachen. In einer solchen Sichtweise werden            setzt und bewertet. Manche sind eher
»Einführung in die Angewandte Sprachwissenschaft«          die vielfältigen Sprachen und Sprechweisen, die das             mit Zurückliegendem verbunden (»der
habe ich die Studierenden gebeten, einen Fragebogen        sprachliche Repertoire jedes Menschen ausmachen,                Dialekt meines Heimatorts«, »Franzö-
zu ihren Sprachen auszufüllen und ein Sprachenpor-         ganz einfach außer Acht gelassen. Mit dem Begriff               sisch als Sprache, die am Verschwinden
trät (siehe Bild) zu zeichnen. Etwas über ein Drittel      sprachliches Repertoire1 meinen wir in der Soziolin-            ist«), andere mit Zukunftsperspektiven
der Studierenden gab an, in der engeren Familie mit        guistik, dass die sprachlichen Ressourcen, über die wir         und Wünschen (»Norwegisch als Spra-
einer oder mehreren anderen Sprachen als Deutsch           verfügen, ein Ganzes bilden, auf das wir je nach Situ-          che meines Herzens, die meine Gedan-
– oder zusätzlich zu Deutsch – aufgewachsen zu sein.       ation und Gegenüber zurückgreifen. Das Repertoire               ken anregt, mir neue Welten eröffnet«).
Dabei wurden zwanzig Sprachen angeführt: Eng-              verändert sich entlang des Lebenswegs, bestimmte
lisch (in elf Familien), Ungarisch (in fünf), Russisch,    Sprachen, Varietäten, Register, Jargons usw. können             Auch kann, was üblicherweise als eine
Italienisch,Türkisch (in je vier), Slowakisch, Hollän-     in den Hintergrund treten, während andere an Be-                Sprache gesehen wird, unterschiedlich
disch/Flämisch (in je drei), Französisch, Spanisch,        deutung gewinnen. Das Repertoire verweist somit auf             besetzt sein. Im Sprachenporträt der
Finnisch, Tschechisch, Kroatisch (in je zwei), Serbisch,   Zurückliegendes ebenso wie auf das, was bevorsteht,             Studentin kann dies zum Beispiel das
Rumänisch, Tagalog, Kurdisch, Chinesisch, Koreanisch,      worauf man sich einstellt, was man begehrt.                     Englisch im Kopf sein, als »immer zu-
Ukrainisch, Albanisch (in je einer). Diese Momentauf-                                                                      gängliche Sprache der Kommunikation
nahme von sprachlicher Diversität verweist auf Mobi-       Selbstbild und Spracherleben                                    über Sprachbarrieren hinweg«, und das
lität und Migration – manche sind nach Österreich ge-                                                                      Englisch im Bauch, das mit Unterhal-
kommen, weil sie Wien als Studienort gewählt haben,        Auf welche Ressourcen wir in einer bestimmten Situ-             tung verknüpft ist und für spielerisches
andere sind in Österreich in einer mehrsprachigen Um-      ation tatsächlich zurückgreifen können, hängt nicht             Language Crossing zur Verfügung steht.
gebung aufgewachsen. Unter den Studierenden, die in        nur von Sprachkompetenz und Situationsangemes-
Österreich in die Schule gegangen sind, konnten nur        senheit ab, sondern wesentlich auch vom körperlich-             Mehrsprachig forschen
einige ihre nichtdeutschen Familiensprachen soweit         emotionalen Spracherleben. Die Frage ist, wie man
ausbauen, dass sie sich in der Lage fühlen, komplexere     sich selbst als Sprecher/in wahrnimmt und glaubt, von           Die Bedeutung von Deutsch und Eng-
Texte zu lesen und zu schreiben. Das ist meist dann der    anderen wahrgenommen zu werden, ob man sich bei-                lisch als Wissenschaftssprachen ist in
Fall, wenn es um Sprachen geht, die auch in der Schule     spielsweise anerkannt fühlt als legitime, kompetente            Österreich unbestritten. Deutsch, weil
gelernt werden konnten – vor allem Englisch und Ita-       Sprecher/in oder disqualifiziert als »defizitäre« Spre-         es die dominante Sprache des Umfelds
lienisch –, aber auch, wenn Bildungsangebote außer-        cher/in, als jemand, der mit einem »falschen« Akzent            ist, in dem Lehre und Forschung statt-
halb der Schule genutzt werden konnten. Die übrigen        spricht. Dabei spielen Sprachideologien bzw. Diskurse           finden, Englisch, weil es den Anschluss
waren nicht in der Lage, ihre Familiensprachen zu          über Sprache, die zum Beispiel vorgeben, welcher Wert           an die internationale Scientific Commu-
Bildungssprachen auszubauen, äußerten aber mehr-           einer bestimmten Sprache in einem gegebenen sozi-               nity sichert. Studierende und Lehrende
heitlich explizit den Wunsch, das in der Zukunft nach-     alen Kontext beigemessen wird, eine wichtige Rolle.             bringen, wie wir gesehen haben, aber
holen zu können. Ohne irgendeine Repräsentativität         Besonders hartnäckig ist der noch immer dominante               eine Vielzahl an Sprachen mit, die im
beanspruchen zu können, legt diese kleine Befragung        Diskurs des Monolingualismus, der Einsprachigkeit               aktuellen System nur in Ausnahmefäl-
dennoch nahe, dass das österreichische Schulwesen          stillschweigend als Normalfall voraussetzt.                     len als Arbeitssprachen in Forschung
mit seinem engen Sprachangebot dazu beiträgt, dass                                                                         und Lehre zum Einsatz gebracht werden
wertvolle sprachliche Ressourcen ungenutzt bleiben         Das abgebildete Sprachenporträt, das eine der Studie-           können. Und de facto ist es immer noch
und auf längere Frist zu versiegen drohen.                 renden zur Verfügung gestellt hat, stellt eine Visualisie-      so, dass wer Deutsch nicht als Erstspra-
                                                           rung ihres sprachlichen Repertoires dar und zeigt, wie          che hat, gegenüber anderen jedenfalls
Oft wird die Frage der Mehrsprachigkeit auf vereinfa-      sie ihre sprachlichen Ressourcen zueinander in Bezug            in der Studieneingangsphase im Nach-
chende Dichotomien reduziert, zum Beispiel Deutsch                                                                         teil ist2. Von Studierenden und Lehren-
                                                           1
                                                             Für eine ausführliche Diskussion vgl. Brigitta Busch (2013)
gegen »Herkunftssprache«, oder Englisch gegen alle         Mehrsprachigkeit. Facultas/UTB: Wien.                           2
                                                                                                                               Vgl. dazu: İnci Dirim (2013) Rassialisierende
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                     György Dalos: ›Viele sind in diesem wunder-
                     vollen Jahr 1989 nach Europa aufgebrochen,
                   aber noch längst sind nicht alle angekommen.‹

    Brigitta Busch hat eine kreativ-visuelle Methode entwickelt, sprachliche Repertoires zu erheben. Im Bild das Beispiel eines Sprachenporträts einer Studentin.

den »mitgebrachte« Sprachen könnten aber, wenn                            Englisch, sondern möglichst auch in an-                 sondern auch die jeweiligen Erst- oder Bildungsspra-
sie erschlossen werden, ein wissenschaftliches Kapi-                      deren Sprachen (Slowenisch, Bosnisch/                   chen von Studierenden fördern, um eine lebendige
tal darstellen, denn in vielen Bereichen bewegt sich                      Kroatisch/Serbisch, Französisch), mit                   mehrsprachige Wissenschaftskultur fortzuschreiben.
Forschung in einem Feld, das durch gesellschaftliche                      denen ich in Forschungsprojekten zu                     Vergleichbare Schreibzentren gibt es bislang nur in
Mehrsprachigkeit gekennzeichnet ist. Nehmen wir                           tun habe. Ich habe dabei erfahren, wie                  den USA. Zu hoffen ist, dass die Universität Wien die
als Beispiel das Forschungsfeld Schule, bei dem man,                      sehr dies dazu beiträgt, Räume für einen                Chance wahrnimmt, auf diesem zukunftsträchtigen
wenn man sich auf empirische Daten stützen will, mit                      fachlichen Austausch zu öffnen und den                  Gebiet eine europäische Vorreiterrolle einzunehmen.
sprachlicher Diversität konfrontiert ist. Hier ist es ein                 Dialog zu intensivieren.
immenser Vorteil, wenn Forscher/innen im Team sind,                                                                               Brigitta Busch ist Professorin für angewandte Sprach-
die mit und in unterschiedlichen Sprachen arbeiten                        Schreibzentrum für                                      wissenschaft an der Universität Wien. 2012 wurde ihr
können. Arbeiten heißt nicht nur Daten sammeln und                        Mehrsprachigkeit                                        eine Berta-Karlik-Professur zur Förderung exzellenter
auswerten, sondern auch wissenschaftliche Literatur                                                                               Wissenschaftlerinnen verliehen. Seit Beginn ihrer
aus den entsprechenden Sprachräumen rezipieren                            Angeregt durch die interdisziplinäre                    akademischen Laufbahn, die sie im zweiten Bildungsweg
bzw. Forschungsresultate in diesen Sprachen zugäng-                       Arbeitsgruppe »Mehrsprachigkeit« an                     absolvierte, widmet sie sich Fragen der Mehrsprachigkeit,
lich machen zu können.                                                    der Universität Wien wurde im Auftrag                   zunächst in Kärnten und Südosteuropa, wo sie für den
                                                                          des Dekanats der Philologisch-Kultur-                   Europarat tätig wurde, später auch in Südafrika. Inter-
Wenn internationale wissenschaftliche Kommuni-                            wissenschaftlichen Fakultät im Jahr                     nationale Anerkennung finden die Weiterentwicklung des
kation nur noch in englischsprachigen Zeitschriften                       2013 eine Studie zur Etablierung eines                  sprachbiografischen Ansatzes und einer kreativ-visuellen
stattfände, dann liefe sie Gefahr, sich in einem ge-                      mehrsprachigkeitsorientierten Schreib-                  Methode zur Erhebung und Analyse sprachlicher Re-
schlossenen Kreis zu bewegen, Neues, das von »Rän-                        zentrums3 durchgeführt. Die Aufgabe                     pertoires. Sie forscht derzeit über Zusammenhänge
dern« her kommt, nicht mehr wahrzunehmen und                              eines solchen Zentrums soll nicht nur                   von Migration, Mehrsprachigkeit und traumatischem
sich gegenüber jenen zu verschließen, die unmittelbar                     darin bestehen, Personen zu unterstüt-                  Erleben.
von der Forschung betroffen und an ihr interessiert                       zen, die Deutsch oder Englisch als Wis-
sind. Ich selbst publiziere nicht nur in Deutsch und                      senschaftssprache ausbauen möchten,

Effekte? Eine Kritik der monolingualen Studieneingangsphase               3
                                                                            Birgit Huemer, Markus Rheindorf, Karin
an österreichischen Universitäten. In: Paul Mecheril et al. (Hg.)         Wetschanow (2013) Studie zur Etablierung
Migrationsforschung als Kritik? Wiesbaden: VS Verlag, Seite               eines mehrsprachigkeitsorientierten Schreib-
197-212.                                                                  zentrums. Unveröffentlichter Projektbericht.
EINHEITSSPRACHE ODER SPRACHENVIELFALT: WIE VIELE SPRACHEN BRAUCHEN WISSENSCHAFT UND BILDUNG? - OEAD
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                           Sarah Breslin

Linguistic Diversity in Europe –
Opportunity or Obstacle?
                           The Council of Europe recognises language as an expression
                           of identity and all languages as equal and valuable means
                           of communication.

Contemporary European society is              Moreover, the continued enthusiasm
characterised by cultural and linguistic      and huge increase in the number of
diversity. In recent times our perception     celebratory events for the European
of this diversity has shifted from seeing     Day of Languages, established in 2001
it as an opportunity, as a rich treasure      and coordinated by the Council of Euro-
to be valued, towards viewing it increa-      pe, is indicative of how much our lingu-
singly as a problem, as an obstacle to be     istic diversity means to us.

                                                                                                                                                                          © Sarah Breslin, ECML
overcome. The economic crisis has und-
oubtedly contributed to this shift. At        How can our education systems address
the same time English has become the          the practical challenges of supporting and
undisputed lingua franca, a fact used         promoting linguistic diversity, particular-
to justify the reduction in opportuni-        ly in times of severe economic restraint?
ties to learn other languages in schools      One key support structure, with 20 years      of Europe the ECML is an important European platform for langua-
and universities. Whilst it is tempting       of experience in successful programmes        ge education. Since its opening in 1994 around 13,000 internatio-
to see this as a pragmatic solution to        and products, is the European Centre for      nal language experts have come to Graz with many more actively
a complex problem, the domination of          Modern Languages (ECML), based here in        engaged in our pan-European network. In this way the ECML acts as
English poses a threat to our European        Austria, in the beautiful city of Graz.       a catalyst for reform in the learning and teaching of all languages.
identity, culture and heritage and risks                                                    Let us remember the words of Wittgenstein – »The limits of my lan-
creating a host of other problems for         The ECML is an Enlarged Partial Agree-        guage are the limits of my world« and continue to fight for lingu-
the future – personal, professional and       ment of the Council of Europe. It is the      istic diversity, turning »obstacles« which limit into »opportunities«
societal. We are living in dangerous          only intergovernmental institution of         which expand our horizons, and in so doing, sow the seeds of a more
times: employment opportunities for           its kind working in the area of langua-       humane, inclusive and prosperous Europe.
the young and low-skilled are in decline      ge education. The centre’s mission is to      Since October 2013 Sarah Breslin has been the Executive Director of the
whilst intolerance and xenophobia are         encourage excellence and innovation           European Centre for Modern Languages, an institution of the Council of
on the rise; the time is ripe to look again   in language teaching and support its          Europe, based in Graz, Austria. A passionate linguist with a thorough un-
at why the promotion of linguistic di-        member states in the implementation           derstanding of both policy and practice in language education and general
versity in Europe matters.                    of effective language policies which          education, Sarah has worked in a range of sectors and locations since she
                                              promote inclusive, plurilingual and in-       graduated with first class Honours in French and German from the Uni-
The Council of Europe recognises lan-         tercultural approaches across all langu-      versity of Glasgow in 1986. After training to become a language teacher
guage as an expression of identity and all    ages and all educational stages. It does      Sarah worked for 15 years in Catalonia as a TEFL teacher and became first
languages as equal and valuable means         so by bringing together experts from          Director of Studies and then Director of a prestigious language school in
of communication. For 60 years now the        across Europe to develop innovative,          Tarragona. She then moved into Higher Education, where she was Head
Language Policy Unit (formerly the Lan-       research-informed solutions to current        of Modern Languages in the Faculty of Tourism and teacher of English
guage Policy Division) has undertaken         challenges in language education, such        and German. On returning to the UK she worked for four years in further
pioneering work in the area of langua-        as testing and assessment, mobility and       education, teaching English for Speakers of Other Languages (ESOL) and
ge education, based on the conviction         intercultural learning, the use of ICT,       Spanish, before becoming Head of International and EU programmes.
that the preservation and promotion of        support for the language of schooling         Before taking up post as Director at SCILT, Scotland’s National Centre for
linguistic diversity and individual pluri-    or CLIL. These solutions take the form        Languages and at CISS, the Confucius Institute for Scotland’s Schools at
lingualism – i.e. the ability of an indivi-   of practical tools for teachers, teacher-     the University of Strathclyde, Sarah worked for the Scottish Qualifications
dual to develop competences in and the        trainers, and decision-makers and are         Authority (SQA) where her focus was on education policy both at UK and
use of more than one language – provide       all freely available on the ECML website.     EU level, as well as cross-border qualification recognition.
the key to personal, educational and pro-
fessional success, intercultural dialogue,    Through dialogue and exchange with
                                                                                                                                                     infopoint
democratic citizenship, economic pros-        relevant stakeholders and by drawing
perity and social cohesion.                   on the underlying values of the Council                                                                www.ecml.at
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                                              Achim Braun

                    Europa ist mehrsprachig
                                              Die Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich
                                              versteht sich als Informationsdrehscheibe zwischen Brüssel
                                              und Wien. Ein wichtiges Thema dieser Einrichtung ist der
                                              Umgang mit den zahlreichen Sprachen in Europa.

                                                                                                           Es ist eine Frage des Prinzips. Sprachpolitik berührt zwei wunde
                                                                                                           Punkte: die Identität und die Gefühle. Eine Einigung auf eine gemein-
                                                                                                           same Währung ist folglich leichter als die Einigung auf eine gemein-
                                                                                                           same Sprache.

                                                                                                           Sprache als Ausdruck der Wertschätzung

                                                                                                           Sprachkompetenz ist nicht bloß von Bedeutung unter dem Aspekt
© Achim Braun, EK

                                                                                                           des Nutzens. In ihr zeigt sich auch die für Europa unverzichtbare
                                                                                                           Haltung wechselseitiger Wertschätzung: Wer andere Sprachen lernt,
                                                                                                           achtet andere Kulturen als so weit gleichberechtigt, dass er sie einer
                                                                                                           sprachlichen Kenntnis für wert hält.
                    Europa ist mehrsprachig – und das ist       system, ihre Kultur- und Jugendpolitik.
                    auch gut so. Die EU will hieran nichts      Der Europäischen Kommission kommt          Es geht nicht nur um Sprache, sondern auch um Kultur
                    ändern. Ganz im Gegenteil, denn sie         eine unterstützende Funktion zu. Sie
                    beruht auf dem Grundsatz »in Vielfalt       kann und will sich nicht in Kompeten-      Jede einzelne Sprache beruht auf einem eigenen Gedankengebäude;
                    geeint«: unterschiedliche Kulturen,         zen der Mitgliedstaaten einmischen         die Metaphern sind völlig verschieden: Wenn die Österreicher/in nur
                    Sitten und Gebräuche, Überzeugungen         und spricht nur Empfehlungen aus. Ob       Bahnhof versteht, versteht die Tschech/in Pilze, die Italiener/in keine
                    – und Sprachen. In Artikel 10 des Ver-      und inwieweit diesen Empfehlungen          getrocknete Feige. Fellini hat das einmal so umschrieben, dass eine
                    trags über die Europäische Union heißt      von Seiten der Mitgliedstaaten nachge-     andere Sprache auch eine andere Sicht der Dinge vermittelt, den ei-
                    es: »Alle Bürgerinnen und Bürger haben      kommen wird, ist EU-weit sehr unter-       genen Horizont also erweitert.
                    das Recht, am demokratischen Leben          schiedlich.
                    der Union teilzuhaben.« Das wiederum                                                   Leider stelle ich immer wieder fest, dass einige Sprachen mehr Presti-
                    kann nur funktionieren, wenn Bürge-         Wie ist die Rechtslage auf                 ge als andere genießen, dass manche Schülerinnen und Schüler sich
                    rinnen und Bürger über Informationen        EU-Ebene?                                  ihrer Sprache regelrecht schämen, weil sie mit Vorurteilen behaftet
                    in ihrer Sprache verfügen. Im Gegensatz                                                ist. Hiervon sollten wir uns verabschieden, denn alle Sprachen sind
                    zu anderen internationalen Organisati-      Gemäß Artikel 342 des Vertrags über        gleichwertig.
                    onen, die zudem in weniger Sprachen         die Arbeitsweise der Europäischen
                    arbeiten, sind die EU-Institutionen auch    Union entscheidet der Rat einstimmig       Hätte ich einen Wunsch frei, so würde ich mir wünschen, alle Spra-
                    gesetzgeberisch tätig. Sie verabschie-      über die Sprachenregelung in den EU-       chen dieser Welt zu sprechen und zu verstehen, denn dann könnte
                    den Gesetze, die für alle Unionsbürger/-    Institutionen. Erstmals tat er dies 1958   ich mich im Norden Bamiyans und auf den Märkten von Bagdad
                    innen unmittelbar gelten. Es ist somit      mit der Verordnung Nr. 1 zur Regelung      unters Volk mischen. Und dann würde das Fremde seine Bedrohlich-
                    nur recht und billig, dass sowohl Bür-      der Sprachenfrage für die Europäische      keit verlieren.
                    ger/innen als auch Gerichte in der EU       Wirtschaftsgemeinschaft. Diese Ver-
                    in der Lage sein müssen, die Gesetze        ordnung gilt heute für die Europäische     Achim Braun hat in Deutschland Französisch und Geschichte studiert,
                    zu verstehen, die sie einzuhalten bzw.      Union.                                     war 18 Jahre Übersetzer bei der Europäischen Kommission in Brüssel und
                    durchzusetzen haben. Die Rechtsvor-                                                    ist seit zwei Jahren Sprachbeauftragter bei der EU-Vertretung in Wien.
                    schriften müssen daher zugänglich,          Warum nicht nur Englisch?                  Eine seiner Aufgaben ist die Förderung der Mehrsprachigkeit.
                    klar, nachvollziehbar und vorhersehbar
                    sein. Artikel 22 der Charta der Grund-      Englisch als weltweite Lingua franca der
                    rechte der Europäischen Union garan-        Wissenschaften und in der Arbeitswelt
                    tiert: »Die Union achtet die Vielfalt der   hat den Vorteil, dass globale Koope-
                    Kulturen, Religionen und Sprachen.«         ration möglich wird. Gleichzeitig geht
                                                                                                                                                                infopoint
                    Allerdings sind die Mitgliedstaaten         dies zu Lasten anderer Sprachen und
                    zuständig für ihr jeweiliges Bildungs-      gefährdet damit die Sprachenvielfalt.                                            http://ec.europa.eu/austria
EINHEITSSPRACHE ODER SPRACHENVIELFALT: WIE VIELE SPRACHEN BRAUCHEN WISSENSCHAFT UND BILDUNG? - OEAD
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               Ursula Panuschka

Bildung – Sprache – Erasmus+
               Sprachenlernen als Motivator bei europäischen
               Bildungsprojekten.

                                                                                                                                                                      © Gianmaria Gavra, OeAD
   Sprachenlernen und sprachliche Vielfalt zu fördern, ist eines der zentralen Ziele des Programms Erasmus+. Das Interesse
   an alternativen Methoden zur Vermittlung von Sprachen und damit auch zum Verständnis fremder Kulturen ist groß.

   Internationalität ist ein alter Standard          Wilhelm von Humboldt sah das Kulturverständnis                      intensiven Zusammenarbeit, einem
   wissenschaftlichen Denkens, Handelns              – und somit auch die Diversität der Sprachen - als                  regen Austausch unterschiedlicher Ide-
   und Lehrens. Schon antike Gelehrte                absolut zentralen Bestandteil jeglicher Bildungsdis-                en und letztendlich dem Finden eines
   waren Kosmopoliten, die in verschie-              kussion an: Zum Weltbürger werden heißt, sich mit                   gemeinsamen (sprachlichen) Nen-
   denen Ländern studierten und wirk-                den großen Menschheitsfragen auseinanderzuset-                      ners. Das Ganze findet im Idealfall in
   ten, was dem Gedankenaustausch und                zen: sich um Frieden, Gerechtigkeit, um den Aus-                    persönlichen Gesprächen statt, doch
   der Entwicklung der Wissenschaft sehr             tausch der Kulturen, andere Geschlechterverhältnisse                in der Realität meist virtuell. Dies führt
   zuträglich war. Im Mittelalter waren              oder eine andere Beziehung zur Natur zu bemühen.2                   mich zu dem in letzter Zeit häufig kriti-
   viele Menschen mehrsprachig, wobei                Auch heute ist Internationalität ein unverzichtbarer                sierten Begriff der Digital Natives, also
   bekannt ist, dass mit Ausnahme des                Teil des schulischen, universitären und beruflichen Le-             die Generation ab dem Geburtsjahr
   Lateinischen keine Sprache systema-               bens. Kommunikation wird als bedeutendes Element                    1980. Ist dies bereits eine sprachliche
   tisch in Schulen gelehrt wurde. Waren             der Alltagskultur verstanden. Dies umfasst sowohl                   Kompetenz, sich über neue Medien,
   es vor allem die Sprachen Latein, Grie-           die Aneignung einer Sprache und das Erwerben von                    sozialen Netzwerke etc. austauschen zu
   chisch und Hebräisch, welche die Basis            Sprachkompetenz als auch die interkulturelle Kom-                   können? Ist die Computersprache eine
   jedes Wissenstransfers waren, kommt               munikation.                                                         Sprache, die gleichwertig neben allen
   später in rhetorischer und kommunika-                                                                                 anderen (be-)stehen soll?
   tionswissenschaftlicher Hinsicht (auch)           Sprache und europäische Zusammenarbeit
   Luthers Einfluss auf die deutsche Spra-                                                                               Aber bleiben wir noch beim persönli-
   che besondere Bedeutung zu. Das                   Österreich ist ein Land der Sprachenvielfalt. Ein Fünf-             chen Treffen der Projektpartnerinnen
   Wirken Luthers trug maßgeblich zur                tel der Schülerinnen und Schüler verwendet im Alltag                und Projektpartner: Hier hat Sprache
   Weiterentwicklung und zum Ausbau                  neben Deutsch noch eine andere Sprache.3 Mehr als                   einen extrem hohen Stellenwert, denn
   des Deutschen bei. Die Innovation lag             ein Viertel aller Volkshochschulkurse sind Sprachkurse.             sie transportiert nicht nur Fakten, son-
   darin, dass er die deutsche Sprache als           In der OeAD-GmbH/Nationalagentur Lebenslanges                       dern auch Einstellungen, Ängste, Hoff-
   gleichberechtigt neben den drei bis               Lernen werden jährlich Projekte eingereicht und viele               nungen, Wünsche und Sichtweisen.
   dato als heilig betrachteten Sprachen             gefördert. Die Vorarbeit ist meist geprägt von einer                Nicht zu vergessen sei an dieser Stelle
   Hebräisch, Griechisch und Latein erach-                                                                               auch auf die Körpersprache, welche ver-
   tete.1
                                                     2
                                                       Quelle: www.humboldtgesellschaft.de/inhalt.                       bindend, trennend, kränkend, ermun-
                                                     php?name=humboldt
                                                                                                                         ternd und vieles mehr sein kann. Samy
   1
     Aus: Stolt, Birgit: Luthersprache. In: HWdR     3
                                                       Quelle: Österreichisches Sprachenkompetenzzentrum:
   Band 5: L-Musi. Tübingen 2001. S. 677-690.        www.oesz.at/oesko_domain/home.php                                   Molcho, ein begnadeter Pantomime,
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                                                                                                                                                             © iStockphoto, Jani Bryson
veröffentlichte 2009 ein Buch zu diesem Thema »Be-         Vorstellungen über die Geografie Ita-              einer einheitlichen Amtssprache wirt-
rühre mich, aber rühr mich nicht an«, in dem es vor        liens, einen Überblick über die wich-              schaftlich konkurrenzfähiger? Haben
allem um ein Verständnis darüber geht, die Zeichen         tigsten Epochen der Geschichte dieses              die vielen Sprachen gar eine zerstören-
sensibel zu deuten, denn nur so kann darauf reagiert       Landes und eine Übersicht über die                 de Wirkung auf die Einheit der Union?
und das Bedürfnis des anderen respektiert werden.          Geschichte der italienischen Litera-               Worin zeigt sich die kulturelle Identität
Projektkooperationen mit Gehörlosen erfordert eine         tur – zumindest der älteren Epochen –              Europas?5 So viele Expert/innen so viele
weitere Sprachkompetenz: die Gebärdensprache, die          verschaffen.«4 Spannend werden dann                Meinungen.
ebenso wie alle anderen Sprachen von kulturellen Un-       die einzelnen Spracheinflüsse der Pro-
terschieden geprägt ist.                                   jektgruppe in der alltäglichen Zusam-              Und – die Fragestellungen sind nicht
                                                           menarbeit: Wann immer europäische                  neu! Schon im 19. Jahrhundert ha-
Alsbald stellt sich die Frage: Bleibt Englisch die ver-    Projektarbeit evaluiert wird, kristallisie-        ben sich Menschen darüber Gedanken
bindende Sprache eines gemeinsamen Antrags oder            ren sich die Themenbereiche Sprache,               gemacht, wie man mit der Sprachen-
reicht man den Projektantrag doch in einer anderen         Sprachenlernen, Wertschätzung durch                vielfalt in Europa umgehen könne,
europäischen Sprache ein? Meist, in über 90 Prozent        Sprache und Sprachenvielfalt als ganz              denn durch die Unabhängigkeitsbe-
der eingereichten multilateralen Anträge, wird Eng-        klarer Fokus der Zusammenarbeit her-               wegungen, die zu neuen National-
lisch als gemeinsame Projektsprache gewählt. Das           aus. Ein einfaches »Goddag« (dänisch               staaten mit Nationalsprachen führten,
Arbeiten an einem Projekt, an einem Thema, das Er-         für Guten Tag) oder ein »Ce faci?« (Wie            wurde die sprachliche Vielfalt deut-
stellen eines gemeinsamen Projektprodukts unter-           geht es dir? auf Rumänisch) öffnet oft             lich größer. Das Esperanto, 1887 von
liegt wohl aus praktischen Gründen doch wieder der         schneller Tür und Tor in andere Kulturen           einem polnischen Augenarzt quasi
Diktatur einer lingua franca. Englisch als lingua franca   und Lebenswelten. Dennoch ergeben                  »geplant«, scheint damals wie heu-
und als Schlüsselkompetenz hat natürlich den un-           sich europaweit immer wieder folgen-               te auch keine Lösung zu bieten. Und
schlagbaren Vorteil, dass sie Kooperationen und Wis-       de Fragestellungen: Ist Vielfalt gut und           Europa definiert sich ja auch über die
senstransfer (leichter) ermöglicht, doch fehlt ihr die                                                        Vielfalt an Kulturen und Sprachen –
Kulturspezifik. In ihrem romanistischen Arbeitsheft        Mehrsprachigkeit eine Bereicherung?                was sich auch im Europamotto »In
»Einführung in die italienische Sprachwissenschaft«        Oder wäre die Europäische Union mit
erinnerten Dieter Kattenbusch und Horst Geckeler                                                              Vielfalt geeint« widerspiegelt. Mehr-
1986 ihre Studierenden: »Wer einen Einführungskurs
                                                           4
                                                             Geckeler, Horst/Kattenbusch, Dieter: Einfüh-     sprachigkeit und Sprachenvielfalt muss
                                                           rung in die italienische Sprachwissenschaft. 2.,
in die italienische Sprachwissenschaft mit Gewinn
                                                           durchgesehene Auflage; Max Niemeyer Verlag         5
                                                                                                                Quelle: www.bpb.de/internationales/europa/
absolvieren möchte, sollte sich nebenher auch klare        Tübigen 1992. Seite 8.                             europa-kontrovers/38161/einleitung
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                                                                                                                                                                  Bild rechts aus der Serie ›Die Träume
                                                                                                                                                                  der Grenzwächter‹ von Fred Misik

                                                                                                                                                                                                          © Fotolia
                                                                                                                                   Viele Kinder, die in Österreich aufwachsen und die Schule besuchen,
                                                                                                                                          sprechen in ihrem Alltag neben Deutsch eine andere Sprache.

                          als wertvolle Ressource unserer Gesellschaft gefördert   bildung für CLIL6 gefördert, denn das Interesse an                   Die National-agentur Lebenslanges
                          werden. Zahlreiche erfolgreiche Projekte geben auch      alternativen Methoden zur Vermittlung von Spra-                      Lernen zeichnet gemeinsam mit dem
                          Zeugnis darüber, inwiefern sich dieses Motto in der      chen und damit auch zum Verständnis fremder Kul-                     ÖSZ alle zwei Jahre die besten Projekte
                          täglichen Zusammenarbeit umsetzten lässt. Mehr-          turen ist seit jeher groß. (Von den 182 genehmigten                  Österreichs zum Thema Sprachenler-
                          sprachigkeit verspricht immer einen intellektuellen      Mobilitätsprojekten im Schulbereich 2014 setzt ein                   nen mit dem ESIS (Europäisches Spra-
                          Reichtum, weil sie mit anderen, fremden Ideen ver-       Drittel den Fokus auf das Thema Sprachenlernen in der                chensiegel für innovative Projekte im
                          traut macht.                                             Lehrer/innenfortbildung.)                                            Bereich Sprachenlehren und -lernen)
                                                                                                                                                        aus.
                          Die Rolle des Bildungsprogramms Erasmus+                 Die eigenen Sprachkenntnisse sichtbar zu machen
                                                                                   – dabei unterstützt der europäische Sprachenpass.                    Übrigens: Auch der Tag der Sprachen
                          Mehrsprachigkeit ist ein zentraler Aspekt des euro-      Die Nationalagentur ist im Österreichischen Spra-                    am 26. September findet in Österreich
                          päischen Projekts und ein kraftvolles Symbol für das     chen-komitee (ÖSKO) aktiv, einer partizipativen                      alljährlich unter Beteiligung der Natio-
                          Streben der Europäischen Union nach Einheit in der       Plattform zur Förderung von Mehrsprachigkeit und                     nalagentur Lebenslanges Lernen statt.
                          Vielfalt. Fremdsprachenkompetenz spielt eine große       Sprachenvielfalt. Das Österreichische Sprachenko-
                          Rolle dabei, Menschen besser für den Arbeitsmarkt        mitee wurde vom Bundesministerium für Bildung
                          auszustatten, damit sie das meiste aus den vorhan-       und Frauen (BMBF) in Kooperation mit dem Öster-
                          denen Möglichkeiten machen können. Sprachenler-          reichischen Sprachen-Kompetenz-Zentrum (ÖSZ)
                          nen und sprachliche Vielfalt zu fördern, ist eines der   und dem Bundesministerium für Wissenschaft, For-
                          zentralen Ziele des Programms Erasmus+ und damit         schung und Wirtschaft (BMWFW) eingerichtet, um
                          ein wichtiges Thema für die Nationalagentur Lebens-      den bereichsübergreifenden Austausch und das ge-                                                infopoint
                          langes Lernen. Im Rahmen des Programms Erasmus+          meinsame Vorgehen in Sprachenfragen zu forcieren.
                          werden u. a. Mobilitätsprojekte zur Lehrer/innenfort-                                                                                www.bildung.erasmusplus.at
                                                                                   6
                                                                                       CLIL – Integriertes Fremdsprachen- und Sachfachlernen

                                                                                         Wie dokumentiere ich meine
                                                                                         Fremdsprachenkenntnisse?
                                                                                                 Mit dem Europass Sprachenpass!
                                                                                         Jede/r kennt das Problem: In einem Formular oder Lebenslauf sind Sprachkenntnisse
                                                                                         anzugeben und man weiß nicht, wie man sich einstufen soll:

                                                                                         ÆÆ Sind meine Englischkenntnisse gut oder sehr gut?
                                                                                         ÆÆ Was bedeutet denn eigentlich »Grundkenntnisse«?
                                                                                         ÆÆ Französischsprachigen Filmen kann ich ohne weiteres folgen, aber beim Sprechen tu ich
                                                                                              mir doch ziemlich schwer.
                                                                                         ÆÆ
                                                                                         Mit dem Europass Sprachenpass steht eine europaweit einheitliche Vorlage zur Verfügung,
© Gianmaria Gavra, OeAD

                                                                                         die alle Fähigkeiten und Kompetenzen im Zusammenhang mit Sprachen dokumentiert und
                                                                                         die eigene Einschätzung der Sprachkenntnisse anhand des »Gemeinsamen europäischen
                                                                                         Referenzrahmens für Sprachen'« erleichtert.
                                                                                         Mehr darüber unter: www.europass.at.
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                         OeAD-Events

Veranstaltungskalender
                         Der OeAD bietet Plattformen zur öffentlichen Diskussion
                         rund um Mobilität und Internationalisierung. Alle Ver-
                         anstaltungen im Detail unter www.oead.at/events.
29. Jänner 2015 | Innsbruck

International Lectures: Potenziale und Formate der Mobilität: regional und international
Ort: Universität Innsbruck

Die International Lectures finden im Wintersemester 2014/15 in Innsbruck statt. Sie sind insbesondere Fragen der Internationalisierung im
regionalen Umfeld gewidmet. Beim dritten Diskussionsforum der Reihe debattiert ein hochkarätiges Podium zu Potenzialen und Formaten
der Mobilität: regional und international.
Begrüßung: Heinrich Schmidinger, Universitätenkonferenz
        • Lucienne Blessing, Universität der Großregion
        • Thomas S. Hofer, ASEA-Uninet
        • Lukas Moschen, Universität Innsbruck
        • Lana Rauch, ÖH
        • Stefan Zotti, OeAD-GmbH
        • Moderation: Köksal Baltaci, Die Presse

15. Dezember, 13. & 27. Jänner 2015 | Innsbruck und Graz

Infotour Erasmus+ zum Aufruf 2015

Auch vor der Antragsrunde 2015 bietet die Nationalagentur Lebenslanges Lernen (OeAD-GmbH) wieder Informationsveranstaltungen zu
den Fördermöglichkeiten von Mobilitäts- und Kooperationsprojekten im EU-Programm Erasmus+ an. Zur Vorbereitung auf die Antragsrun-
de 2015 informieren wir Sie in den folgenden Wochen an Standorten in ganz Österreich über die Möglichkeiten im Rahmen der Aktionslini-
en Key Action 1 (Mobilität von Einzelpersonen) und Key Action 2 (Kooperationsprojekte).

Schulbildung (Lernmobilitäten von Einzelpersonen und Strategische Partnerschaften):
13. Jänner 2015, Innsbruck
27. Jänner 2015, Graz

Hochschulbildung:
15. Dezember, Graz

                                  Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
                                    der OeAD-GmbH wünschen Ihnen
                                  erholsame Weihnachtsfeiertage und
                                        ein glückliches neues Jahr.
                                                                                                                                            ©forwallpaper
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                         Bernd Wächter

Zur Rolle englischsprachiger
Studienprogramme in Europa
                         In einer aktuellen Studie erhob die ACA (Academic
                         Cooperation Association) die Verbreitung englisch-
                         sprachiger Studienprogramme in 28 Ländern Europas.
                         Österreich liegt im Ländervergleich auf Platz 9.

Schon zweimal hat die Academic Cooperation Asso-
ciation (ACA) die europäische Landschaft der eng-
lischsprachigen Studienangebote vermessen. Auf die
in den Jahren 2002 und 2008 erschienenen Berichte
wird nun, kurz vor Weihnachten, die dritte Studie zum
Thema erscheinen. Die Ergebnisse der aktuellen Studie
beruhen auf großangelegten Fragebogenerhebungen
an allen Universitäten und Fachhochschulen in ins-
gesamt 28 europäischen Ländern, in denen Englisch
nicht die (oder eine) Landessprache ist. Die Befragun-
gen wurden von ACA und ihren Partnern – Gesellschaft
für empirische Studien (Kassel) und StudyPortals BV
(Eindhoven) – durchgeführt. Die Studie wurde von der
Europäischen Kommission finanziell unterstützt.

                                                                                                                                                          © Sandra Kühnapfel
Stürmisches Wachstum

Englischspachige Studiengänge in Europa verzeich-
nen ein geradezu phänomenales Wachstum. Die ers-
te ACA-Studie (2002) ermittelte etwa 700 englisch-
sprachige Studienprogramme, die zweite (2008)            1,3 Prozent aller Studierenden eingeschrieben. Diese   Länderranking. Wie schon in der letzten
bereits fast 2.400. Diese Zahl ist nun auf 8.100 ge-     niedrige Zahl relativiert das Wachstum an Program-     Untersuchung führen die Niederlande
stiegen. Auch wenn die Zahlen aus den verschiede-        men dann doch wieder. Dänemark ist auch hier Spit-     das Feld an, gefolgt von Dänemark,
nen Jahren nicht direkt vergleichbar sind, weil in den   zenreiter mit 12,4 Prozent, vor den Niederlanden mit   Schweden und Finnland. Insgesamt ist
früheren Umfragen weniger Länder einbezogen wa-          7,2 Prozent. Wiederum über dem Durchschnitt liegt      das Ergebnis eine Mischung aus Erwar-
ren: der Siegeszug des Englischen ist eindrucksvoll.     Österreich mit 1,8 Prozent.                            tetem und Überraschendem. Zu Recht
Allerdings gibt es auch erste Anzeichen für ein Ab-                                                             erwartet wurde, dass die Alpen Europas
flachen der Wachstumskurve. Seit etwa 2010 fallen        Niederlande und Deutschland führen die                 Wasserscheide bleiben, wenn es um
die Steigerungsraten niedriger aus als in den Jahren     Liste an                                               englischsprachigen Unterricht geht. Die
davor.                                                                                                          Länder südlich der Alpen sind – mit der
                                                         Die höchste Zahl von Programmen wurde mit 1.078        Ausnahme Zypern – nahezu englisch-
Im europäischen Durchschnitt beträgt der Anteil der      in den Niederlanden ermittelt, noch vor Deutschland    frei. Ebenfalls kaum überraschend: die
englischsprachigen an allen Studienangeboten 5,7         (1.030), Schweden (822), Frankreich (499) und Dä-      Niederlande liegen, zusammen mit den
Prozent. Österreich liegt mit 9,4 Prozent deutlich       nemark (494). Letztlich sind aber absolute Zahlen      nordischen Staaten – erneut im Spit-
über dem Durchschnitt. Bei diesem Indikator führt        angesichts der erheblichen Größenunterschiede der      zenfeld. Nicht erwartet wurde dagegen,
übrigens Dänemark mit 38 Prozent. Die Zahl der           Hochschulsysteme in Europa nur sehr bedingt auf-       dass sich alle baltischen Staaten eben-
Studiengänge ist das eine, die der eingeschriebenen      schlussreich. Wie in den Publikationen von 2002 und    falls zu ernsthaften Anbietern gemau-
Studierenden das andere. In ausschließlich englisch-     2008 erstellte die ACA auch dieses Mal ein auf ver-    sert haben. Im Gesamtranking nimmt
sprachigen Studiengängen sind europaweit lediglich       schiedenen »gewichteten« Indikatoren beruhendes        Österreich gemeinsam mit Norwegen
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                                                                                                                                                             © iStockphoto, Kristian Sekulic
übrigens den neunten Platz ein und ist damit im obe-     pa. Asiat/innen stellen mit 14 Prozent    mit der englischen Sprache hätten. Dies ist, vor dem
ren Drittel der Anbieterländer.                          die größte nicht-europäische Studie-      Hintergrund der anhaltenden Diskussionen über die
                                                         rendengruppe. Auf fünf Prozent oder       angebliche sprachliche Misere im English-language
Studienstufen, Fachgruppen und Herkunft                  weniger kommen Studierende aus Af-        Classroom, zumindest verwunderlich. Empirische
der Studierenden                                         rika und aus Nord- bzw. Lateinamerika.    Sozialwissenschaftler/innen, wie wir in der ACA, neh-
                                                                                                   men ungern an, dass ihnen das Blaue vom Himmel
Englischsprachige Studiengänge werden ganz über-         Ein Ende des akademischen                 heruntergelogen wird. Was für die Ehrlichkeit der
wiegend im Master-Segment angeboten. 80 Prozent          Sprachenstreits?                          Antworten sprechen mag, ist in der Tat, dass viele der
der ermittelten Angebote waren Masterstudiengänge                                                  Klagen über das »Babylon im Vorlesungssaal« doch
und nur 20 Prozent Bacherlor-Angebote (andere Stu-       Die Einführung englischsprachiger Stu-    sehr hysterisch anmuten. Andererseits wurde dem
dienstufen waren von den Erhebungen ausgeschlos-         diengänge war von Anfang an begleitet     Autor dieses Artiklels vor Jahr und Tag von der Vize-
sen). Dies ist exakt die gleiche Verteilung wie in der   von einer hitzigen Debatte zwischen       rektorin einer Technischen Hochschule eines mittel-
Studie von 2008.                                         den Befürworter/innen und Gegner/-        europäischen Landes versichert, alle Lehrenden der
                                                         innen dieser Form der Hochschubil-        Univerität spächen sehr gutes Englisch – durch einen
Wie schon in unserer ersten Studie 2002 sind die So-     dung. Zeitweise nahm die Diskussion       Dolmetscher.
zialwissenschaften einschließlich Wirtschaftswissen-     glaubenskämpferische Züge an. Die
schafen und Jura mit 36 Prozent aller Studiengänge       Gegner/innen behaupteten zuweilen,        Bernd Wächter ist Geschäftsführer der ACA. Die
die größte Fachgruppe. Es folgen die Naturwissen-        dass in englischsprachigen Studiengän-    Academic Cooperation Association ist eine unabhän-
schaften mit 23 Prozent und die Ingenieurwissen-         gen Studierende, die kein Englisch ver-   gige Non-Profit-Organisation, die 1993 mit dem Ziel
schaften mit 18 Prozent. Im Jahr 2008 hatten die In-     stehen, von Dozent/innen unterrichtet     gegründet wurde, die Zusammenarbeit im europäischen
genieurwissenschaften zwischenzeitlich den ersten        werden, die kein Englisch beherrschen.    Bildungsbereich zu fördern, das Management europäi-
Platz erklommen.                                         Mit abträglichen Auswirkungen für die     scher und außereuropäischer Institutionen zu unterstüt-
                                                         Qualität der Ausbildung.                  zen und die Analyse des Hochschulraums zu verbessern.
Woher kommen die Studierenden in englischsprachi-
gen Studiengängen? Die größte Gruppe sind einhei-        Nicht zuletzt aufgrund dieser Debatte
mische Studierene, mit 44 Prozent. Deren Anteil ist      enthalten die ACA-Surveys schon im-
seit 2008 – damals lag er bei 35 Prozent – sogar noch    mer Fragen zu den Englischkenntnissen
weiter gestiegen. Allerdings ist er in Masterstudien-    von Studierenden und Lehrenden. Wie
gängen niedriger als im Bachelor-Bereich. Internatio-    in den beiden Vorgängerstudien bekun-
nale Studierende kommen aus anderen EU- oder EWR-        deten die Befragten, dass in der großen
                                                                                                                                          infopoint
Staaten und machen 17 Prozent der Eingeschriebenen       Mehrheit aller Fälle Studierende und
aus, sechs Prozent kommen aus dem restlichen Euro-       Lehrende keine ernsthaften Probleme                                  www.aca-secretariat.be
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                          Gabriele Slezak

Internationale Forschung – eine
mehrsprachige Praxis
                          Gelebte Mehrsprachigkeit im Rahmen eines Projekts in
                          Burkina Faso. Die Kommunikation in mehreren Sprachen
                          ist Chance und nicht Barriere.

In Internationalisierungsstrategien von
Universitäten und anderen höheren
Bildungsinstitutionen stehen Wett-
bewerbsfähigkeit und wirtschaftliche
Interessen im Vordergrund. Mobilität

                                                                                                                                                                      © Elke Stinnig, OeAD
und eine internationale Ausrichtung
von Bildung haben uneingeschränkt
positive Auswirkungen auf die Institu-
tionen und ihre Akteure, so die Annah-
me. Das Augenmerk wird dabei jedoch                                                                    Appear-Projekt SUSFISH in Burkina Faso: Die Teilnehmer/innen
                                                                                                       kommunizierten in vielen Sprachen.
kaum auf die Veränderungen gerichtet,
die sich auf persönlicher Ebene für Leh-
rende, Forschende und Studierende in         In der Mehrsprachigkeitsforschung wird davon              sprachigen Austauschs beinhalten. Letzteres würde
ihrem Arbeitsalltag ergeben. Individu-       ausgegangen, dass Menschen über ein ganzes Re-            auch bedeuten, sich die ideologischen Konzepte, die
elle Erwartungshaltungen, Bedürfnisse        pertoire an sprachlichen und kommunikativen Res-          dem Sprachenwettbewerb in der Internationalisie-
der beteiligten Personen, die sich aus       sourcen verfügen, das nicht nur Sprachen umfasst,         rungsdebatte zugrunde liegen, bewusst zu machen.
einem neuen Umfeld ergeben und ihre          sondern auch Ausdrucksmöglichkeiten, Dialekte,            Sprachen sind gesellschaftliche Praxis und daher
Erfahrungen, die sie in den Prozess ein-     Stile und Register, die wir im Laufe unseres Lebens als   nicht neutral. Wir bewerten Sprecher/innen auf-
bringen, bleiben bei dieser Sichtweise       Sprachressourcen, je nach Kontext verschieden, ein-       grund ihrer Sprachen und orientieren uns selbst in
oft unbeachtet. Dies gilt auch für die       zusetzen lernen. Dementsprechend interagieren wir         der Anwendung unserer mehrsprachigen Fähigkei-
Ebene der Kommunikation: An unter-           grundsätzlich immer mit mehreren Sprachen. Mobi-          ten an gesellschaftlich gelebten Sprachhierarchien.
schiedlichen Universitäten zu studieren      lität verlangt, dass diese Fähigkeit ständig erweitert
oder an mehreren Universitäten gleich-       wird.                                                     Im Zuge der Internationalisierungsbestrebungen von
zeitig zu arbeiten, bringt eine veränder-                                                              Universitäten ist ein Trend festzustellen, Englisch als
te sprachliche Situation mit sich. Ein in-   An einer neuen oder international ausgerichteten          der internationalen Sprache einen größeren Wert
ternationales Lern- oder Arbeitsumfeld       Universität zu studieren oder zu arbeiten, kann be-       beizumessen als allen anderen Sprachen, die sich für
verlangt von Menschen, erfolgreiche          deuten, dass eine Unterrichtssprache dominiert, die       Lehre und Forschung eignen würden. Englisch wird
Strategien der sprachlichen Interaktion      sowohl für die Lernenden als auch für die Lehrenden       zu einer Sprache der Modernität und Qualität stili-
an neue Anforderungen anzupassen             neu ist. Neben dem Besuch von Sprachkursen gilt es,       siert, die als allgemein gültiger Standard die Funktion
und die Möglichkeiten der Verständi-         sich die Fachsprache zu erarbeiten, gewohnte Kom-         der (alleinigen) zukunftsfähigen Wissenschaftsspra-
gung zu erweitern. Mit Erweiterung           munikationsstrategien dem Unterricht anzupassen           che übernehmen wird. Diese Politik der Monolingu-
meine ich nicht nur das Erlernen einer       und Übersetzungsarbeit füreinander zu leisten. An-        alisierung lässt die Diversität von Englischvarietäten,
international anerkannten Sprache wie        dererseits werden in der Interaktion mit anderen          die an unterschiedlichen Universitäten weltweit Be-
Englisch. Auch innerhalb dieser gibt es      Teilnehmer/innen mehrsprachige Praktiken trainiert,       deutung gewonnen haben, unberücksichtigt. Und
unterschiedliche Varietäten, wie Fach-       Erfahrungen für den Einsatz der eigenen sprachlichen      diese hypothetische Standardisierung der Kommu-
sprachen, lokal bedeutende Dialekte,         Ressourcen gemacht und letztendlich auch der eige-        nikation ignoriert die Realität der Sprecher/innen.
aber auch Umgangssprachen, denen             ne Umgang mit Sprachen reflektiert. Sprachenler-          Erfolgreich zu kommunizieren, bedeutet auch in
in der Praxis der täglichen Kommuni-         nen besteht zu einem bedeutenden Teil auch darin,         der Wissenschaft, situationsabhängig die verfügba-
kation unterschiedliche Funktionen           sich der eigenen sprachlichen Möglichkeiten stärker       ren sprachlichen Ressourcen einzusetzen. Führt die
zukommen. Für diesen Anpassungspro-          bewusst zu werden. Aus der Perspektive der Spre-          Vorgabe, Englisch als alleinige Unterrichtssprache zu
zess stellt die Fähigkeit, mehrsprachig      cher/innen, ob Lehrende oder Studierende, sollten         verwenden, dazu, dass andere verfügbare Sprachen
zu kommunizieren, eine wertvolle Res-        Trainings- und Fortbildungsangebote für (Wissen-          als Ressource für Verständigung und Vermittlung
source dar.                                  schafts-)Sprachen auch die Förderung des (mehr-)          nicht erlaubt sind, kann dies die Qualität des Unter-
15

                                                                                                                    Nur Englisch als Wissenschaftssprache gelten
© Andi Melcher

                                                                                                                    zu lassen, führt zu Benachteiligung bestimmter
                                                                                                                    Gruppen. Im Forschungsteam kommt es darauf
                                                                                                                    an, die mehrsprachigen Ressourcen aller zu
                                                                                                                    nützen.

                 richts erheblich beeinträchtigen. Etwa dann, wenn        werden auch dann mobilisiert, wenn        zu verstehen, war nicht gleichbedeutend mit einem
                 Lehrende und Studierende nicht mehrsprachig inter-       Verstehen nur eingeschränkt möglich       Wissens- oder Sprachdefizit, das zum Ausschluss
                 agieren, obwohl sich aufgrund der Zusammenset-           ist. Ein Team von Studierenden und        führte. Vielmehr ergab sich durch die Möglichkeit
                 zung der Gruppe ein mehrsprachiger Unterricht mit        Lehrenden im Bereich der angewand-        und das Erfordernis, nachzufragen und zu erklären,
                 beispielsweise Deutsch und Englisch besser eignen        ten Ökologie veranschaulicht durch        ein tiefergehendes Verständnis der komplexen Zu-
                 bzw. zur Vermittlung positiv beitragen würde. Spra-      gemeinsame Forschungspraxis in Bur-       sammenhänge. Mehrere Sprachen im Team wurden
                 che wird so als zentraler Bestandteil der Internatio-    kina Faso und Österreich den Umgang       als Ressource genützt, um Wissen neu zu verhandeln
                 nalisierungspolitik instrumentalisiert.                  mit mehrsprachigen Strategien in der      und nicht als Barriere für Verständigung gesehen.
                                                                          Wissenschaft. 2012 wurde im Rahmen        Entscheidend für die Mobilisierung dieser Wissens-
                 Sich einer neuen Unterrichtssprache anzunähern, be-      des von der OEZA finanzierten Appear-     räume ist jedoch ein offener Zugang zu Sprachen
                 deutet eine – nicht für alle Studierende in gleichem     Projekts SUSFISH eine zwölfwöchige        als Ressource. Dem Team ist es in diesem Kontext
                 Ausmaß bestehende – zusätzliche Herausforderung.         Feldforschung zur Datenaufnahme           gelungen, eine Dichotomie zwischen Wissenschafts-
                 Die Konzentration auf Englisch als Wissenschafts-        hinsichtlich der Biodiversität von        sprache und Nicht-Wissenschaftssprache aufzulösen:
                 sprache verstärkt ungleiche Zugangsbedingungen.          aquatischen Organismen von unter-         Englisch war nicht »moderner« oder ein größerer Ga-
                 Im Fall der Gruppenzuordnung »Studierende aus            schiedlichen Gewässertypen in wei-        rant für Qualität als Moore.
                 Entwicklungsländern« wird das Augenmerk über-            ten Teilen Burkina Fasos organisiert,
                 wiegend auf ein Sprachdefizit gerichtet, das mit der     an der rund 20 Personen teilnahmen.       Die Mobilisierung unserer mehrsprachigen Res-
                 fehlenden Qualität der bisherigen Ausbildung in Zu-      Kommuniziert wurde in vielen Spra-        sourcen ist jedoch situationsabhängig. Eine Hie-
                 sammenhang gebracht wird. Das Angebot an Kursen          chen, weder Französisch noch Moore,       rarchisierung von Sprachen im Zusammenhang mit
                 mit Unterrichtssprache Englisch dient als Richtwert      Deutsch oder Englisch eigneten sich       Internationalisierung führt an österreichischen Uni-
                 für die Qualität universitärer Bildung. In diesem Er-    als alleiniges Verständigungsmit-         versitäten dazu, dass mehrsprachige Ressourcen an
                 klärungsmodell wird nicht hinterfragt, dass Englisch     tel für die Produktion von geteiltem      Gültigkeit verlieren. Das Sprachregime, im interna-
                 als Unterrichtssprache die Teilnahme an höherer          Wissen. Die Situation bestimmte,          tionalen Kontext lediglich Englisch gelten zu lassen,
                 Bildung für bestimmte Gruppen von Studierenden           wer im Team gerade Sprachexpert/-         führt auch dazu, dass Stipendiaten aus Burkina Faso,
                 zusätzlich erschwert. In Burkina Faso beispielsweise     in und Vermittler/in war. Niemand         die in Burkina Faso gemeinsam mit österreichischen
                 beschränkt Französisch als zentrale Unterrichtsspra-     handelte ausschließlich als Übersetzer/   Wissenschafter/innen erfolgreich geforscht haben,
                 che den Zugang zu höherer Bildung bereits ab der         in oder Native Speaker. Expert/innen      in internationalen Master- und Doktorats-Stipendi-
                 Sekundarstufe. Durch die Fokussierung auf Englisch       aus Wissenschaft und Praxis versuch-      enprogrammen deutlich benachteiligt werden. Das
                 als Wissenschaftssprache wird dies noch verstärkt.       ten, einander ihre Inhalte und Themen     liegt jedoch nicht nur an eingeschränkten Englisch-
                 Für den akademischen Nachwuchs aus Burkina Faso          mit allen sprachlichen Ressourcen, die    kompetenzen, sondern auch an der fehlenden kri-
                 ergibt sich daraus schon rein sprachlich ein Nachteil    ihnen zu Verfügung standen, zu ver-       tischen Reflexion der eigenen sprachideologischen
                 im internationalen Wettbewerb.                           mitteln. Ob man die eine oder andere      Konzepte, die uns in der Internationalisierungs-
                                                                          Sprache »weniger gut« sprechen konn-      debatte bewegen.
                 Aus der bereits skizzierten Perspektive einer gelebten   te, war dabei unbedeutend.
                 Mehrsprachigkeit entwickeln wir Strategien, unse-                                                  Mag. Dr. Gabriele Slezak ist Lektorin und Mitarbeiterin
                 re kommunikativen Ressourcen trotz sprachlicher          Dem Übersetzen kam dabei die Funk-        am Forschungsschwerpunkt Mehrsprachigkeit am
                 Unterschiede flexibel einzusetzen und an die verän-      tion eines Produktionsraumes von          Institut für Afrikawissenschaften der Universität Wien
                 dernden Bedürfnisse anzupassen. Diese Fähigkeiten        Wissen und Verstehen zu: Etwas nicht
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