Eisenbahnbau, Bahntechnik und Schienenverkehr in Ägypten - Zielmarktanalyse im Rahmen der Geschäftsanbahnungsreise für deutsche Unternehmen nach ...

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Eisenbahnbau, Bahntechnik und Schienenverkehr in Ägypten - Zielmarktanalyse im Rahmen der Geschäftsanbahnungsreise für deutsche Unternehmen nach ...
Eisenbahnbau, Bahntechnik
und Schienenverkehr in
Ägypten
Zielmarktanalyse im Rahmen der Geschäftsanbahnungsreise für
deutsche Unternehmen nach Ägypten,
22. – 26. Juni 2019
Eisenbahnbau, Bahntechnik und Schienenverkehr in Ägypten - Zielmarktanalyse im Rahmen der Geschäftsanbahnungsreise für deutsche Unternehmen nach ...
ZIELMARKTANALYSE „EISENBAHNBAU, BAHNTECHNIK UND SCHIENENVERKEHR IN ÄGYPTEN“   |2

Impressum
Herausgeber
MENA Business GmbH
Charlottenstr. 16
10117 Berlin

Text und Redaktion
Deutsch-Arabische Industrie- und Handelskammer
(German Arab Chamber of Industrie and Commerce)
21, Soliman Abaza St. off Jamet El Dowal El Arabia St.
Kairo
Ägypten

MENA Business GmbH
Charlottenstr. 16
10117 Berlin

Gestaltung und Produktion
MENA Business GmbH
Charlottenstr. 16
10117 Berlin

Deutsch-Arabische Industrie- und Handelskammer
(German Arab Chamber of Industrie and Commerce)
21, Soliman Abaza St. off Jamet El Dowal El Arabia St.
Kairo
Ägypten

Stand
Mai 2019

Bildnachweis
Umschlag: von links nach rechts:
1 und 2.: MENA Business GmbH
3.: AHK Ägypten

Die Studie wurde im Rahmen des BMWi-
Markterschließungsprogramms für das Projekt "Geschäfts-
anbahnung für deutsche Unternehmen und Zulieferer aus
dem Bereich Eisenbahnbau, Bahntechnik, Schienenverkehr,
Chancen für deutsche Bahnindustrieun-ternehmen beim
Ausbau und der Sanierung der ägyptischen Bahninfrastruk-
tur" (Ägypten, 24.-28. Juni 2019) erstellt.

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Inhalt
Tabellenverzeichnis .........................................................................................................................................................4
Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................................................................4
Abkürzungen ...................................................................................................................................................................5
1.      Abstract ...................................................................................................................................................................6
2.      Ägypten im Überblick ............................................................................................................................................7
     2.1         Politik............................................................................................................................................................ 8
     2.2         Wirtschaft ..................................................................................................................................................... 8
        2.2.1        Entwicklung ............................................................................................................................................. 9
        2.2.2        Arbeitsmarkt ........................................................................................................................................... 11
        2.2.3        Außenhandel........................................................................................................................................... 12
        2.2.4        Ausblick ................................................................................................................................................. 14
3.      Schienenverkehr in Ägypten ...............................................................................................................................16
     3.1         Städtischer ÖPNV ....................................................................................................................................... 17
        3.1.1        Metro Kairo ............................................................................................................................................ 17
        3.1.2        Planungen für eine Metro in Alexandria ................................................................................................ 21
        3.1.3        Straßenbahn in Alexandria ..................................................................................................................... 22
        3.1.4        Monorail ................................................................................................................................................. 23
     3.2         Regionaler Schienenverkehr ....................................................................................................................... 23
     3.3         Nationaler Zugverkehr (Fernverkehr) ......................................................................................................... 24
     3.4         Güterverkehr ............................................................................................................................................... 27
     3.5         Chancen für deutsche Unternehmen ........................................................................................................... 28
4.      Rechtliche Informationen ....................................................................................................................................30
     4.1         Handelsrecht ............................................................................................................................................... 30
        4.1.1        Handelsabkommen zwischen Ägypten und der EU ............................................................................... 30
        4.1.2        Agadir-Abkommen ................................................................................................................................. 30
        4.1.3        Handelsregelungen ................................................................................................................................. 31
        4.1.4        Neues Gesetz zur Registrierung von Importeuren .................................................................................. 31
        4.1.5        Neue Importbestimmungen .................................................................................................................... 31
        4.1.6        Neues Ausschreibungsgesetz.................................................................................................................. 32
     4.2         Investitions- und Wirtschaftszonen ............................................................................................................. 33
        4.2.1        Neues Investitionsgesetz ........................................................................................................................ 33
        4.2.2        Freihandelszonen .................................................................................................................................... 35
        4.2.3        Spezielle Wirtschaftszonen .................................................................................................................... 35
        4.2.4        Investitionszonen .................................................................................................................................... 36
        4.2.5        Technologiezonen .................................................................................................................................. 36
        4.2.6        Qualifizierte Industriezonen (QIZ) ......................................................................................................... 36
     4.3         Weiterer rechtlicher Rahmen ...................................................................................................................... 36
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       4.3.1        Anstellung ausländischer Arbeitskräfte .................................................................................................. 36
       4.3.2        Mehrwertsteuer....................................................................................................................................... 36
       4.3.3        Kapitalertragssteuer ................................................................................................................................ 37
       4.3.4        Registrierung neuer Unternehmen .......................................................................................................... 38
5.     Praktische Hinweise .............................................................................................................................................39
     5.1       Geschäftskultur ........................................................................................................................................... 39
     5.2       Sicherheit .................................................................................................................................................... 39
     5.3       Gesundheit .................................................................................................................................................. 40
6.     Anhang ..................................................................................................................................................................41
     6.1       Adressen ..................................................................................................................................................... 41
7.     Literatur- und Quellenverzeichnis......................................................................................................................42

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1:          Allgemeine Informationen........................................................................................................................ 8
Tabelle 2:          Ökonomische Basisdaten ......................................................................................................................... 9
Tabelle 3:          Außenhandel Ägyptens (Abweichungen durch Rundung vorbehalten).................................................. 13
Tabelle 4:          Deutscher Außenhandel mit Ägypten ..................................................................................................... 13
Tabelle 5:          SWOT-Analyse ägyptische Wirtschaft................................................................................................... 15
Tabelle 6:          Wichtige Bauprojekte im Bahntechnikbereich in Ägypten .................................................................... 29
Tabelle 7:          Regelungen für den Export nach Ägypten .............................................................................................. 31
Tabelle 8:          Benötigte Dokumente für den Ex- und Import ....................................................................................... 32
Tabelle 9:          Investitionsanreize unter neuem Gesetz ................................................................................................. 34

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:            Topographische Karte Ägyptens.......................................................................................................... 7
Abbildung 2:            Bruttoinlandsprodukt Wachstum ....................................................................................................... 10
Abbildung 3:            Bilanzdefizit des ägyptischen Staates / Staatsverschuldung in Verhältnis zum BIP .......................... 10
Abbildung 4:            Wechselkurs des ägyptischen Pfundes zum Euro .............................................................................. 11
Abbildung 5:            Arbeitnehmer und Erwerbslose nach Bildungsgrad ........................................................................... 12
Abbildung 6:            Ägyptische Importe (links) und Exporte (rechts) nach Ländern 2017 ............................................... 12
Abbildung 7:            Ägyptische Importe (links) und Exporte (rechts) nach Gütern 2017 ................................................. 13
Abbildung 8:            Ägyptische Importe aus Deutschland (links) und Exporte nach Deutschland (rechts) nach Gütern
                        2017 ................................................................................................................................................... 14
Abbildung 9:            Auslastung des Metronetzes ausgewählter Städte .............................................................................. 17
Abbildung 10:           Metronetz Kairo ................................................................................................................................. 18
Abbildung 11:           Metronetz Kairo – Planungen für den Ausbau ................................................................................... 19
Abbildung 12:           Logo der Metro Kairo, Metro-Bahnhof ............................................................................................. 20
Abbildung 13:           Entwurf eines Metronetzes für Alexandria ........................................................................................ 21
Abbildung 14:           Straßenbahnnetz von Alexandria ....................................................................................................... 22
Abbildung 15:           Lage der New Administrative Capital ............................................................................................... 24
Abbildung 16:           Das Logo der Egyptian National Railways (ENR) ............................................................................ 24
Abbildung 17:           Nationales Schienennetz Ägyptens .................................................................................................... 25
Abbildung 18:           Schienennetz und Bahnhöfe in Unterägypten (Nildelta) .................................................................... 27
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Abkürzungen

ADR           Alternative Dispute Resolution
AECOM         Architecture, Engineering, Consulting, Operations und Maintenance (Eigenname)
AFD           Agence Française de Développement
APTA          Alexandria Passenger Transportation Authority
Art.          Artikel
AVIC          Aviation Industry Corporation Company of China
BIP           Bruttoinlandsprodukt
CAPMAS        Central Agency for Public Mobilization and Statistics
COMESA        Common Market for Eastern and Southern Africa
CRCC          China Railway Construction Corporation
DESTATIS      Statistisches Bundesamt
EBRD          European Bank for Reconstruction and Development
ECM           Egyptian Company for Metro Management and Operation
EFTA          European Free Trade Area
EGP           Egyptian Pound / Ägyptisches Pfund
EIB           European Investment Bank, Europäische Investitionsbank
ENR           Egyptian National Railways
ERIS          Egyptian Railway for Integrated Services, Insurance & Cleanliness S.A.A.
ETA           Egyptian Tax Authority
EU            Europäische Union
EUR           Euro
FJ            Fiskaljahr
GAFI          General Authority for Investment and Free Zones
GSTP          Global System of Trade Preferences and Developing Countries
GTAI          Germany Trade & Invest
IMF           International Monetary Fund
IWF           Internationaler Währungsfond
JICA          Japanese International Cooperation Agency
km            Kilometer
LKW           Lastkraftwagen
MIGA          Multilateral Investment Guarantee Agency
Mio.          Millionen
Mrd.          Milliarden
NAT           National Authority for Tunnels
Nr.           Nummer
OAPEC         Organization of Arabian Petroleum Exporting Countries
ÖPNV          Öffentlicher Personennahverkehr
PAFTA         Panarabischen Freihandelszone
PKW           Personenkraftwagen
PTN           Protokoll für Handelsgespräche
QIZ           Qualifizierte Industriezone/n
RATP          Régie Autonome des Transports Parisiens
SCZone        Suez Canal Economic Zone
SNCF          Société nationale des chemins de fer français
SWOT          Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats
t             metrische Tonne
TRV           Track Recording Vehicle
USD           United States Dollar
WLAN          Wireless Local Area Network
WTO           World Trade Organization
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    1.            Abstract
Ägypten ist schon immer vor allem durch seine geographische Lage und seine wachsende, junge Bevölkerung von
enormer Relevanz für Nordafrika und den Nahen Osten. Das größte arabische Land verbindet Afrika und Asien, kon-
trolliert den Suezkanal und bildet einen Brückenkopf und Stabilitätsanker für Europas Außenpolitik in der Region.
Unter der neuen Regierung, die im März 2018 bestätigt wurde, stehen die politischen Zeichen auf Stabilität. In den
letzten Jahren nahm die Wirtschaft des Landes nach einigen Turbulenzen um die Revolutionen in den Jahren 2011
und 2013 wieder an Fahrt auf.

Liberalisierungen in verschiedenen Bereichen in Kooperation mit dem IWF wie die Wechselkursfreigabe des Ägypti-
schen Pfunds und Veränderungen im Rechtsrahmen für ausländische Investoren sollen das Wachstum begünstigen.
Mit groß angelegten Infrastrukturprojekten und mehreren Planstädten stehen bedeutende Baumaßnahmen an. Unter
letzterem ist die neue, geplante Verwaltungshauptstadt „New Cairo“ am prominentesten.

Verkehr bedeutet in Ägypten bis dato vorrangig PKW, LKW und Busse. Mit der Metro in Kairo sowie der Straßen-
bahn in Alexandria gibt es zwar elektrischen ÖPNV. Diese und das nationale Schienenverkehrssystem tragen aber
noch unzureichend zum Transport- und Verkehrswesen bei. Vor allem in den Ballungsräumen führen Stau und Über-
lastung der Straßen nicht nur zu Wartezeiten für Pendler, sondern auch zu einer höheren Luftbelastung und Abnut-
zung der Infrastruktur. Die Bahn als Alternative zum Strassenverkehr wird daher immer interessanter in Zeiten stei-
gender Kraftstoffpreise.

Aber auch über Land ist noch einiges Potenzial unausgeschöpft. So gelangen nur etwa 2% der Güter und 8% des
Personenverkehrs auf der Schiene an ihr Ziel. Beim Güterverkehr plant die Regierung, die Zahlen deutlich zu steigern
und den Betrieb rentabler zu machen. Neben dem Ausbau des Netzes und des Wagenparks ist auch die Modernisie-
rung und zum Teil Renovierung der Strecken zu bewerkstelligen.

Ein großer Punkt ist das Verkehrsmanagement in den Planstädten und ihre Anbindung. Hier sind neue Konzepte wie
eine Einschienenbahn beabsichtigt.

Die Chancen für deutsche Unternehmen bieten sich in bei hochtechnologischen Produkten und Know-how. Hier spielt
auch der Nachhaltigkeitsaspekt eine wachsende Rolle. Aufgrund früherer Zusammenarbeit genießen sie einen guten
Ruf.
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    2.            Ägypten im Überblick
Die Arabische Republik Ägypten ist ein zentralistischer Staat mit 27 Verwaltungsbezirken („Gouvernorate“), denen
jeweils ein Gouverneur im Ministerrang vorsteht. Es ist flächenmäßig der dreißiggrößte Staat und liegt bei der Bevöl-
kerungsanzahl auf Platz dreizehn. Ägypten (arabisch: Misr) liegt im Nordosten des afrikanischen Kontinents, während
die zu Ägypten gehörende Sinai-Halbinsel im Allgemeinen zu Asien gezählt wird. Das Land grenzt im Westen an
Libyen, im Norden an das Mittelmeer, im Osten an das Rote Meer, den Gaza-Streifen und Israel, und im Süden an den
Sudan. Der landschaftliche Charakter Ägyptens ist geprägt vom Gegensatz der Wüstengebiete und dem dicht besie-
delten, bewässerten Kulturland entlang des Nils. Im Westen Ägyptens liegt die Libysche Wüste, die rund zwei Drittel
der Staatsfläche einnimmt, und im Osten die Arabische Wüste. Zwischen beiden fließt der Nil auf einer Länge von
etwa 1.550 Kmn durch Ägypten von Süden nach Norden, bevor er nach dem Durchfließen des 24.000 km² großen
Nildeltas in das Mittelmeer mündet.

Die mittlerweile fast 100 Mio. Einwohner bedeuten einen Zuwachs von 32 Mio. in den letzten 20 Jahren. Noch immer
ist die Wachstumsrate mit knapp 2% recht hoch.
Eine andauernde Verstädterung, verstärkt durch die Konzentration von etwa 90% der Bevölkerung auf nur 5% der
Landesfläche, sorgt für Druck auf die Metropolen.

Etwa 94% der Ägypter und Ägypterinnen sind Muslime der sunnitischen Glaubensrichtung. Die koptisch-christliche
Minderheit mischt sich im Alltag quasi nahtlos unter. Religiöse Konflikte sind daher selten. Die einzige Amtssprache
ist Arabisch, wobei Englisch unter der Bevölkerung recht gut verbreitet ist.

                    Abbildung 1:      Topographische Karte Ägyptens

                     Quelle: memphistours.com
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Tabelle 1:             Allgemeine Informationen

      Fläche                               1.010.450 km²

      Bevölkerung                          97,3 Mio. (96,3 Einwohner pro km²) (2018)

      Geburtenrate                         29,6 Geburten pro 1.000 Einwohner
                                           0-14 Jahre: 33,3 %; 15-24 Jahre: 18,9 %; 25-54 Jahre: 37,6 %; 55-64 Jahre: 6,0 %;
      Altersstruktur
                                           65 Jahre und darüber: 4,2 %
                                           Muslime (hauptsächlich Sunniten ) 94 %, Kopten und Angehörige anderer Religi-
      Religionen
                                           onsgemeinschaften 6 %
      Urbanisierungsgrad                   43,2 % (2016)
                                           Kairo 20,5 Mio., Alexandria 4,5 Mio., Gizeh 3,6 Mio.,
      Größte Ballungsräume
                                           Schubra al-Chaima 1,1 Mio.

   Wenn nicht anders angegeben: Daten für 2017.
   Quelle: GTAI: Wirtschaftsdaten kompakt November 2018, Statista, Index Mundi; CAPMAS

2.1      Politik

Die landesweiten Proteste 2011 zwangen den damaligen Präsident Hosni Mubarak nach 30 Jahren Amtszeit am 11.
Februar 2011 aus dem Amt. Nach freien Wahlen stellte mit Muhammad Mursi erstmals nicht das Militär den Präsi-
denten, sondern die „Freedom and Jusitce“-Partei der Muslimbrüder. Der oberste Militärrat löste die Regierung jedoch
auf, nachdem der Verwaltungsgerichtshof die Wahlen für teilweise ungültig erklärte, und übernahm kommissarisch
die Legislative für eine Überganszeit ab dem 3. Juli 2013. Auch diese Entwicklung wurde von Massenprotesten gegen
die Führung der Muslimbrüder begleitet. Feldmarschall Abdel Fatah Al-Sisi, früherer Armeechef und Verteidigungs-
minister, setzte sich den Erwartungen entsprechend bei erneuten Präsidentschaftswahlen durch.

Das Militär genießt in der ägyptischen Gesellschaft einen besonderen Stellenwert. Eine Mehrheit der Wähler traut nur
ihm zu, der Wirtschaft wieder zum Aufschwung zu verhelfen und für Sicherheit und Ordnung im Land zu sorgen.
Nachdem eine neue Verfassung seit 2014 auch die Gründung von Parteien mit einer religiösen Fundierung untersagt,
gibt es auch wenig funktionsfähige Alternativen. Dass der Präsident im März 2018 in Wahlen bestätigt wurde, ist ein
Zeichen der zurückgewonnenen Stabilität und des Vertrauens von weiten Teilen der Bevölkerung. Wichtigen Gegen-
kandidaten war aber die Kandidatur verschlossen.

Außenpolitisch setzt Ägypten auf Pragmatismus anstatt Ideologie. Es ist Mitglied der Vereinten Nationen, der Welt-
handelsorganisation, der Afrikanischen Union und der Arabische Liga, die ihren Sitz in Kairo hat. Seit 2004 ist ein
Assoziationsabkommen mit der EU in Kraft, die einer der wichtigsten Partner im Bereich der wirtschaftlichen Zu-
sammenarbeit ist. Die Bundesregierung unterstützt seit August 2011 den demokratischen Wandel und die gesellschaft-
liche Modernisierung in Ägypten. Die Förderung rechtsstaatlicher Strukturen, gute Regierungsführung sowie duale
Ausbildung und Beschäftigung stehen dabei im Fokus der bilateralen Zusammenarbeit im Rahmen der „Transformati-
onspartnerschaft“.

2.2      Wirtschaft

Auf dem afrikanischen Kontinent ist Ägypten die drittgrößte Volkswirtschaft nach Nigeria und Südafrika. In der ara-
bischen Welt ist es das bevölkerungsreichste Land mit einer Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter von 62 Mio. (ILO
Stand 2017) und einem entsprechenden Binnenmarkt. Der Suezkanal, eine der wichtigsten Seehandelsrouten der Welt,
ist sowohl strate gisch als auch als Einnahmequelle bedeutend. Die Textilindustrie stellt zusammen mit der Nah-
rungsmittelverarbeitung, dem Tourismus, der chemischen und pharmazeutischen Industrie, der Petrochemie und der
Zementindustrie, dem Bausektor und der Metallverarbeitung, verschiedenen Leichtindustrien (z.B. Glas, Keramik und
Automobilzulieferung) und der Landwirtschaft die wichtigsten Sektoren der Wirtschaft.
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Tabelle 2:             Ökonomische Basisdaten
    Bruttoinlandprodukt                    230,1 Mrd. USD (2018)
    BIP pro Kopf                           2.501 USD (2017)
                                           5,5 % (2019)
    Wirtschaftswachstum                    5,3 % (2018) *
                                           4,2 % (2017)
                                           4,3 % (2016)
    BIP-Entstehung                         2016: Bergbau/Industrie 27,5 %; Handel/Gaststätten/Hotels 15,8 %; Land- /Forst-
                                           /Fischwirtschaft 11,9 %; Transport/Logistik/Kommunikation 8,5 %; Bau 5,4 %;
                                           Sonstige 30,8 %
    BIP-Ausgaben                           2016: Privatverbrauch 82,8 %; Bruttoanlageinvestitionen 14,5 %;
                                           Staatsverbrauch 11,4 %; Bestandsveränderungen 0,6 %; Außenbeitrag -9,2 %
    Auslandsverschuldung in % des BIP      47,8 %
    Devisenreserven                        2018: 44,5 Mrd. USD, 2017: 35,9 Mrd. USD
    Arbeitslosigkeit                       2018: 10,9 %*, 2017: 12,2 %
    Jugendarbeitslosigkeit                 2017: 31,4 % (DESTATIS)
    (bis 24 Jahre)
    Währung                                Ägyptisches Pfund EGP, 1 EUR = ca. 19,50 EGP (Stand April 2019)

Wenn nicht anderweitig angemerkt, Daten für 2017
Quelle: GTAI, Wirtschaftsausblick Ägypten, November 2018, Wirtschaftsdaten kompakt November 2018

2.2.1    Entwicklung

Unter dem damaligen Präsidenten Mubarak gab es im Jahr 1991 mit dem sogenannten ERSAP (Economic Reform and
Structural Adjustment Program) eine der wichtigsten Bestrebungen zur Reform der Wirtschaft, nachdem schon vorher
die Regierung unter Präsident Sadat Liberalisierungen eingeleitet hatte. Im Zuge dessen wurden Preiskontrollen ver-
ringert und der Handel zunehmend dereguliert. Hintergrund war die Ineffizienz der sozialistischen und zentralisti-
schen Wirtschaftsordnung seit Präsident Gamel Abdel Nasser.

Der IWF und die Weltbank ermutigten notwendige Privatisierungen. In der Umsetzung kamen die Reformen aber
vorranging der politischen Führung und einer wirtschaftlichen Oberschicht zugute, wodurch jungen Akademikern, die
auf den Arbeitsmarkt drängten, wenig Entwicklungschancen blieben. Bedingt war dies durch eine Kombination aus
Korruption und Nepotismus, was letzten Endes einer der Gründe für die Proteste von 2011 war.

Der Sturz Mubaraks führte zu wirtschaftlichen Unsicherheiten. Das Militär konnte aber, da es nicht nur die Politik
entscheidend mitbestimmt, sondern auch große Teile der Wirtschaft kontrolliert, wieder für eine neue Stabilität sor-
gen. So befinden sich viele Produktionsstätten im Besitz hoher Militärs und sind daher von gewissen Steuern, wie der
Grundsteuer, befreit. Auch an Großprojekten wie dem Ausbau des Suezkanals 2014 ist die Armee beteiligt.

Mit nur durchschnittlich 2 % war das reale BIP-Wachstum in den Jahren 2011 bis 2014 aufgrund der genannten Lage
sehr niedrig. Für 2018 wird aber den Voraussichten nach mit knapp über 5% als ein guter Jahrabschluß geschätzt. Die
Werte aus der Zeit vor der letzten Finanzkrise mit jenseits der 7%-Marke werden jedoch vorerst noch nicht erreicht.
Eisenbahnbau, Bahntechnik und Schienenverkehr in Ägypten - Zielmarktanalyse im Rahmen der Geschäftsanbahnungsreise für deutsche Unternehmen nach ...
ZIELMARKTANALYSE „EISENBAHNBAU, BAHNTECHNIK UND SCHIENENVERKEHR IN ÄGYPTEN“                                                    | 10

    Abbildung 2:      Bruttoinlandsprodukt Wachstum

                                                                                                                       1996    12%
   2000                                                                                                         1917
                                                                                                         1838
                                                                                           1711 1761                           10%
                                                                            1610 1638 1675
                                                                     1531
                                                              1463
   1500                                                1365                                                                    8%
                                                1275
                                    1193
                          1097 1142
           1003 1038 1063                                                                                                      6%
   1000
                                                                                                                               4%
    500
                                                                                                                               2%

       0                                                                                                                       0%
           2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

                                                 BIP nominal                Wachstumsrate
   Quelle: World Bank / GTAI

 Abbildung 3:       Bilanzdefizit des ägyptischen Staates / Staatsverschuldung in Verhältnis zum BIP

    -6%                                                              110%
                                                                                                                        101%
    -8%                                                              100%
                                                       -10%                                                 92%
                                                                                            91%
   -10%     -11%                                                      90%       87%
                                                                                                  85%
                                         -12%
                               -12%
   -12%              -13%                                             80%

   -14%                                                               70%
            2012     2013      2014      2015          2016                     2013    2014      2015      2016        2017
 Quelle: Trading Economics

Während dank der Stabilität auch der Tourismus als wirtschaftliches Standbein wieder wächst, bleiben Landwirtschaft
und Industrie, insbesondere Zement, Düngemittel, Stahl und Textilien die Treiber. Erdgasfunde aus letzter Zeit sowie
das Interesse an erneuerbaren Energien machen auch den Energiesektor für Investitionen interessant. So entsteht nahe
Assuan zur Zeit der größte Solarpark der Welt.

Die staatlichen Ausgaben sind aufgrund von drei Faktoren immer noch höher als die Einnahmen, wodurch das Ziel
eines ausgeglichenen Haushaltes verfehlt wird: Zinszahlungen für Staatsschulden, Subventionen und Löhne im aufge-
blähten öffentlichen Sektor. Auf der anderen Seite ist der informelle Sektor mitverantwortlich für fehlende Einnah-
men.
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            Abbildung 4:            Wechselkurs des ägyptischen Pfundes zum Euro

               20              20
               16              16
                 1 EUR = EGP
               12
                               12
                8
                               8
                4
                               4
                0
                               0

                                                                                            Monat / Jahr
             Quelle: Trading Economics

In Abstimmung mit internationalen Kreditgebern wie dem IWF hat sich Ägypten daher weitere Reformbestrebungen
auferlegt. So wurde im November 2016 das Ägyptische Pfund, das bis dahin an den US-Dollar gebunden war, freige-
geben und verlor ungefähr die Hälfte seines Wertes. Während so der akute Mangel an Devisen behoben wurde, was
vor allem für ausländische Firmen eine positive Entwicklung war, stiegen die Importpreise. Die Zentralbank und das
Innenministerium schützten den Binnenmarkt durch striktere Einfuhrregulierungen.

Kürzungen von diversen Subventionen sind ebenfalls notwendig, aber politisch schwierig. So nimmt die Regierung
sukzessive die Vergünstigung von Kraftstoffen und Elektrizität zurück und auch Brot wird weniger subventioniert.
Gerade letzteres trifft aber insbesondere die etwa 25 % der Ägypter, die unterhalb der vom ägyptischen Staat definier-
ten Armutsgrenze leben. Gepaart mit einer Arbeitslosenquote von 11 % beeinträchtigt das die Kaufkraft. So bergen
die Subventionskürzungen gewisse Risiken. Eine positive Auswirkung auf die nationale Kaufkraft ist daran erkenn-
bar, dass viele neue Einkaufszentren entstehen und die meisten Einzelhandelsketten expandieren. Davon profitieren
jedoch hauptsächlich die Ober- und obere Mittelschicht.

2.2.2    Arbeitsmarkt

2017 betrug die Anzahl der erwerbsfähigen Ägypter im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 65 Jahren knapp 60
Mio., was 61 % der Bevölkerung ausmacht. Die Erwerbsquote betrug 51,2 %. Die Arbeitslosenquote ist in den letzten
beiden Jahren gesunken und lag im Jahr 2018 bei ungefähr 10 %.
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                       Abbildung 5:         Arbeitnehmer und Erwerbslose nach Bil-
                                            dungsgrad
                        Mio. Arbeitnehmer

                        12                                               Prozentangabe:
                                                                         Arbeitslosenquote pro
                        10                                               Gruppe

                         8

                         6

                         4                             16 %              7%              3%
                         2
                                  20 %                 16 %                      7%              3%
                         0
                               Universitäts-      Mittlere Reife/   Grundlegende         Keine
                                abschluss          Ausbildung       Schulbildung      Schulbildung

                                                      Arbeitslos     In Arbeit

                      Quelle: Trading Economics

Die Nachfrage nach Arbeitskräften in Ägypten ist groß und mit den jährlich etwa zwei Mio. Personen, die in den
Arbeitsmarkt eintreten, ist das Potenzial für eine Deckung groß. Es ist jedoch schwierig, nachweislich qualifizierte
Arbeitskräfte zu finden. Grund dafür ist unter anderem auch der informelle Sektor, in dem ein Teil der jungen Ar-
beitskräfte unterkommt, bis sie eine reguläre Anstellung finden. Diese Unternehmen investieren aber zum einen nicht
in das Humankapital und fördern wegen mangelnder Innovativität keine Initiative. Zum anderen kann die Arbeitser-
fahrung nicht offiziell angegeben werden. Dass sie keine Steuern zahlen, ist für den Staat ein weiteres Problem.

Ein einheitliches Ausbildungssystem mit vorgegebenen Inhalten und nachvollziehbaren Zertifizierungen, anhand
derer Arbeitgeber sich orientieren können, fehlt. Dadurch finden auch gut ausgebildete Gruppen häufig keine, oder
nicht die richtige Anstellung. Dies wird als eine der Motivationen für die Proteste 2011 genannt.

2.2.3    Außenhandel

Ägypten hat über seine Mitgliedschaften in internationalen Organisationen wie der Arabischen Liga, der OAPEC und
der WTO einige Handelsabkommen. So ist es Teil der panarabischen Freihandelszone und des Gemeinsamen Marktes
für das östliche und südliche Afrika und hat bilaterale Abkommen, zum Beispiel mit der EU, der Türkei, Marokko
und Tunesien. Die bedeutendsten Handelspartner sind hier aufgeführt:

 Abbildung 6:       Ägyptische Importe (links) und Exporte (rechts) nach Ländern
                                                                              VAE
                                                                                  2017
                                 China
                                  13%                                                                11%
                                               Deutschland                                                  Italien
                                                   7%                                                         9%

                                               Saudi Arabien                                                   Türkei
                                                    6%                                                          7%
  Andere                                        USA                 Andere                                     Saudi Arabien
   57%                                          6%                   60%                                            6%
                                         Italien                                                               USA
                                           6%                                                                  5%
                                 Russland                                                            Deutschland
                                   5%                                                                    2%

                                                      Quelle: Trading Economics
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Der Suezkanal und der wieder anziehende Tourismus haben mit steigenden Einnahmen 2017 für ein abgeschwächtes
Handelsbilanzdefizit gesorgt. Der Import von Erdöl und in geringerem Maße andere Brennstoffen sowie Maschinen
überstieg jedoch die Ausfuhren von Agrarprodukten und Rohstoffen. So belief sich das Defizit in dem Jahr auf 40,4
Mrd. US-Dollar.

Unternehmen, die nach Ägypten exportieren, beklagen einen enormen bürokratischen Aufwand. Doch da eine kurz-
fristige Steigerung der Ausfuhren für das Land aufgrund mangelnder Produktionsstätten schwierig umzusetzen ist,
beschloss die Regierung weitere Beschränkungen auf Importe zu erlassen. Ziel ist der Abbau des Handelsdefizits.

Tabelle 3:        Außenhandel Ägyptens (Abweichungen durch Rundung vorbehalten)
                                  2016                     2017                  2018 *          Veränderung 2018/2017
                                                                                                        in % *
    Einfuhr (Mrd. USD)             58,1                    60,3                  62,2                     3,2
    Ausfuhr (Mrd. USD)             22,5                    23,3                  30,2                    29,6
    Saldo (Mrd. USD)              -35,5                    -37,0                 -32,0                     -

* Schätzungen
Quelle: GTAI Wirtschaftsausblick Ägypten, November 2018.

 Abbildung 7:         Ägyptische Importe (links) und Exporte (rechts) nach Gütern 2017

       14    11,500
       12
       10
        8             5,700
        6                     4,800 4,400                                 5,00
                                            3,200 3,200                           2,400 2,100 1,700 1,500
        4
                                                                                                          1,100
        2
        0

 Quelle: UN Comtrade

2017 war ein besonders gutes Jahr im Hinblick auf deutsche Ausfuhren im Maschinen- und Anlagenbau dank der
Lieferung mehrerer Kraftwerkskomponenten durch Siemens. Aber auch sonst ist dies der Bereich, in dem Ägypten
den Hauptabsatzmarkt in der arabischen Welt darstellt. Darüber hinaus ist Deutschland, wie auf Abbildung 9 zu sehen
ist, insbesondere im industriellen Bereich eines der wichtigsten Lieferländer für Ägypten.

Tabelle 4:        Deutscher Außenhandel mit Ägypten
                                               2015                2016                   2017           2018 (1. HJ)
  Deutsche Einfuhr aus Ägypten (Mrd.
                                                1,7                1,1                    1,4                  0,7 *
  EUR)
  Deutsche Ausfuhr nach Ägypten
                                                3,3                4,4                    4,5                  1,5 *
  (Mrd. EUR)
  Saldo (Mrd. EUR)                              1,5                3,3                    3,1                  0,8 *

* Schätzung bzw. Progose
 Quelle: GTAI: Wirtschaftsdaten Kompakt: Ägypten, November 2018.
ZIELMARKTANALYSE „EISENBAHNBAU, BAHNTECHNIK UND SCHIENENVERKEHR IN ÄGYPTEN“                                               | 14

  Abbildung 8:        Ägyptische Importe aus Deutschland (links) und Exporte nach
                      Deutschland (rechts) nach Gütern 2017

 1400      1265
 1200                                                   In Mio.
 1000
                     663                                EUR               695
  800
  600                      401    358
  400                                     249     227
                                                                                  129     91      53
  200                                                                                                     45      40
    0

  Quelle: destatis

Für die Pläne der ägyptischen Regierung zum Ausbau der Industrie und Infrastruktur werden wegen des knappen
Staatshaushalts dringend Investitionen aus dem Ausland benötigt. Die derzeitige Schwäche des Ägyptischen Pfunds
hilft dabei, die Rahmenbedingungen attraktiver zu machen. Die Summe neuer Auslandsinvestitionen betrug im Jahr
2017 7,4 Mrd. US-Dollar und ist über mehrere Jahre stetig stark gewachsen (durchschnittlich um 30%). Eine Industri-
al Investment Map wurde Ende 2017 von offizieller Seite veröffentlicht und zeigt, welche Investitionen besonders
lohnend sind. Der Abschnitt 4.2.1 dieser Zielmarktanalyse geht näher auf ein neues Investitionsgesetz ein, das Ge-
richtsverfahren beschleunigen und ausländisches Kapital besser schützen soll.

2.2.4     Ausblick

Die wichtigen Reformbestrebungen der Regierung, insbesondere die Lösung der Währungsbindung, der Subventions-
abbau, und die Verbesserung von Investitionsbedingungen wirken daran mit, dass die Entwicklung der Wirtschaft
Ägyptens in den letzten Jahren sehr erfreulich war. Gepaart mit steigenden Auslandsinvestitionen und Außenhandel
war das Wachstum beachtlich.

Am deutlichsten ins Auge fallen neben diesen Reformen die umfangreichen Baumaßnahmen des Landes. Sowohl in
den neuen Planstädten stehen Infrastrukturprojekte an, als auch in den in Kapitel 3 beschriebenen Schienennetzen, vor
allem in Kairo und Alexandria. Der IWF, die EBRD und die Weltbank sowie die AFD gehören zu den internationalen
Instituten, die bei der Finanzierung helfen. So ist auch der Einfluss des Währungsfonds auf die lokale Wirtschaftspoli-
tik zu verstehen.

Die Herausforderungen im Blick haltend, sind die Aussichten also durchaus chancenreich. Bürokratische Hürden für
Importe ausländischer Unternehmen, die dringenden Fragen auf dem Arbeitsmarkt und das Handels- und Haushaltsde-
fizit sind Punkte, bei denen noch Verbesserungsbedarf besteht. Die derzeitigen und die noch anstehenden Reformen
lassen aber annehmen, dass die Regierung ernsthaft daran arbeitet.
ZIELMARKTANALYSE „EISENBAHNBAU, BAHNTECHNIK UND SCHIENENVERKEHR IN ÄGYPTEN“                                   | 15

Tabelle 5:        SWOT-Analyse ägyptische Wirtschaft

                            Strenghts                                                Weaknesses

                                                                 Hoher Investitionsstau
       Großer Binnenmarkt mit rund 97 Mio. Einwohnern
                                                                 Ausgeprägte Bürokratie
       Zahlreiche Handelsabkommen
                                                                 Wenige handwerklich-technische Fachkräfte
       Vielzahl günstiger Arbeitskräfte
                                                                 Ausgeprägter informeller Sektor
       Keine separatistischen Tendenzen
                                                                 Zuliefererbasis zum Teil schmal
       Erhebliche Rohstoffvorkommen
                                                                 Überwiegend geringe Kaufkraft

                          Opportunities                                                 Threats

       Zahlreiche geplante Großprojekte
       Vertiefung der lokalen Wertschöpfung                     Ungebremstes Bevölkerungswachstum
       Ausbau der Zuliefererbasis                               Anhaltende Wasserknappheit
       Entlastung des Haushalts durch Abbau von Subventio-      Steigende Verschuldung
        nen                                                      Soziale Folgen des Subventionsabbaus
       Strategische Nutzung der Erdgasvorkommen                 Geringe mittelfristige Planbarkeit
       Modernisierung der Infrastruktur

   Quelle: GTAI: SWOT-Analyse - Ägypten (Mai 2019)
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    3.            Schienenverkehr in Ägypten
Ägypten verfügt nach Südafrika über das zweitgrößte Schienennetz Afrikas. Auch der ÖPNV hat mit der Straßenbahn
in Alexandria eine lange Historie. In der Hauptstadt Kairo wird seit 1981 ein Metronetz gebaut. Mittlerweile verfügt
dieses Netz über drei Linien, von denen zwei komplett ausgebaut sind, während bei der dritten Linie Erweiterungen
anstehen. Drei weitere Linien sind in der Planung.

Damit ist das Potential für die Schiene in Ägypten aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Derzeit werden nur 8%
des Personenverkehrs und sogar nur 2% des Güterverkehrs über Land auf der Schiene abgewickelt. Der Zustand des
Bahnnetzes trägt dazu bei. Der Global Competitiveness Index 2016/2017 bescheinigt der Eisenbahninfrastruktur im-
merhin einen durchschnittlichen Zustand. Das Land erreichte Rang 73 unter 138 Staaten. Vor dem Hintergrund der
stetig wachsenden Bevölkerung und ihrer Konzentration, gepaart mit dem Aspekt der Umweltverträglichkeit, hat die
Regierung ambitionierte Projekte für den Nah- und Fernverkehr aufgestellt. Diese sollen nicht nur effizienter im Ver-
brauch fossiler Brennstoffe sein, sondern auch die lokale Luftverschmutzung reduzieren. Darüber hinaus sind elektri-
sche Bahnen geplant.

Dies rührt von einem zunehmenden Umweltbewusstsein her. Aber auch die Tatsache eines wirtschaftlichen Schadens
von jährlich einigen Mrd. USD für die ägyptische Wirtschaft durch Staus im Strassenverkehr ist ein Motiv. Die Sub-
ventionen von Kraftstoffen waren bisher eine enorme Belastung für den Staatshaushalt.

Die täglichen Staus in Kairo verdeutlichen die Notwendigkeit, die Straßen zu entlasten. Gleiches gilt auch für den
Personenverkehr über Land, in Tourismusgebiete, aber auch den Güterverkehr, der bisher hauptsächlich mit LKWs
stattfindet. Während Importe mit dem Absturz des Pfunds in den letzten beiden Jahren stark zurückgegangen sind,
konnten Exporte dies nicht nur ausgleichen, sondern führten sogar zu teils drastischem Wachstum im Transportwesen.
Während der Ausbau des Straßennetzes hier signifikant hilft, ist der Mangel an Fahrzeugen ein großes Problem. Die
Überladung von LKWs ist ein ernstzunehmendes Risiko. Lediglich etwa 1 % der Waren gelangt per Zug an das Ziel.
Hier will die Regierung die „Fourth Generation Cities“ von vornherein mit einbeziehen. Das prominenteste Beispiel
ist die New Administrative Capital. Aber auch die Sicherheit des Schienenverkehrs ein dringliches Thema. Die Be-
hörden berichten von durchschnittlich etwa 1.000 Unfällen unterschiedlicher Schwere pro Jahr zwischen 2004 und
2016.

Auch in ländlichen Gebieten fehlt es in vielen Fällen an adäquaten Transportwegen. Die Straßen in abgelegenen Ge-
genden sind oft in einem schlechten Zustand und nur wenig ausgebaut. Welche Folgen solch eine Abgeschnittenheit
für eine Region haben kann, wird am Beispiel der Sinaihalbinsel sichtbar. Die Verbindung mit dem Rest des Landes
mittels jeweils einer Brücke über und einem Tunnel unter dem Suezkanal erschwert die lokale wirtschaftliche Ent-
wicklung in erheblichen Maße. Neben dem Tourismus bietet vor allem der Suezkanal mit einer neuen Wirtschaftszone
Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Entwicklung dieser Region.

Bei der Planung arbeiten ägyptische Unternehmen vornehmlich mit ausländischen Firmen als Berater zusammen. So
hat die „Japan International Cooperation Agency“ (JICA) in der Vergangenheit Machbarkeitsstudien für den Bau von
Metrolinien durchgeführt. Bei der Finanzierung von Instandhaltungen und Erneuerungen an Strecken und Zügen ist
mitunter die EBRD beteiligt, aber auch die französische AFD und die EIB. Dies liegt an der mangelnden Rentabilität
der Staatsbahn sowie am generell defizitären Staatshaushalt. Angaben von 2015 und 2016 lassen den Schluss zu, dass
bei der Metro und der Eisenbahn die Fahrpreise etwa zwischen 12 und 30 % der Kosten decken. Das soll sich jedoch
auch durch die künftige private Durchführung von Projekten ändern.

Auch an der Umsetzung von Projekten können sich internationale Unternehmen beteiligen. Die Projekte werden dann
entsprechend ausgeschrieben. Einige Ausschreibungen werden allerdings von Ministerien nur auf Arabisch veröffent-
licht. Hier hilft der Tenders Alert Service der American Chamber of Commerce in Egypt (AmCham) weiter. Dieser
wertet unter anderem die Inlandspresse für 17 Branchen aus.
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Die folgende Analyse stellt die wichtigsten Projekte, den Stand ihrer Umsetzung sowie die anstehenden Herausforde-
rungen und Chancen für den ägyptischen Mobilitätssektor dar und erörtert die Möglichkeiten des Schienenverkehrs
zur Problemlösung. Dies geschieht mit Blick auf die Möglichkeiten deutscher Unternehmen der Bahnbranche, sich
einzubringen.

3.1      Städtischer ÖPNV

Ein wesentliches Merkmal des öffentlichen Nahverkehrs in Ägypten ist es, Personen über weite Strecken kostengüns-
tig, schnell und zuverlässig zu transportieren. Das ist insbesondere für Pendler im unteren Einkommenssegment eine
Lebensgrundlage. Das gilt insbesondere im Vergleich zu umweltverträglichen Mobilitätskonzepten des Individualver-
kehrs. Aufgrund ihrer Effizienz sind öffentliche Modelle aber auch für die neuen Planstädte relevant und stellen einen
der wichtigsten Sektoren dar, in dem sich deutsche Unternehmen beteiligen können. Investitionen lohnen sich allem
voran aufgrund der beständig immensen Nachfrage.

UN Habitat untersucht Möglichkeiten, ein städtisches Schnellbusnetz aufzubauen. Aufgrund der bisher geringen Dich-
te des Metronetzes ist ein multimodaler Transport jetzt schon Realität und bei der Planung zum Ausbau der Linien
miteinbezogen. Heute bedeutet dies meist die Benutzung von Kleinbussen für die letzte Meile an beiden Enden des
Weges. Mit Verbindungen zwischen Ringstraße und Metrolinien wird das Auto auch eine wichtige Ergänzung blei-
ben. Der Fokus der Regierung liegt aber eher auf den Optionen der Bahn. Neben dem im Ausbau befindlichen Metro-
netz sollen in der Metropolregion in und um Kairo neue Konzepte wie eine Einschienenbahn zum Einsatz kommen. In
Alexandria ist die Modernisierung der Straßenbahn im Gange und es werden Elektrobusse getestet. Während die
Auslastung der Kairoer Metro zeitweise sogar die Kapazität übersteigt, ist es beabsichtigt, in Alexandria die Passa-
gierzahlen durch eine höhere Attraktivität der Strassenbahn zu steigern.

3.1.1    Metro Kairo

Die erste Linie der Metro in Kairo wurde 1987 in Betrieb        Abbildung 9:      Auslastung des Metronetzes aus-
genommen. Sie führt von Helwan nach New El Marg und                               gewählter Städte
wurde mit einer Finanzhilfe der französischen Regierung
gebaut. Mit der Fertigstellung 1997 folgte der Bau der           200    166
zweiten Linie. Diese führt von El Shubra im Norden
                                                                 150
Kairos nach Moneeb im Süden Gizehs. Sie hat mit den                                   98
Stationen Sadat und Shohadaa zwei Schnittstellen mit der         100
ersten Linie, bindet die dritte bei Attaba mit ein und stellt                                                      37
                                                                  50
die erste Unterführung unter dem Nil dar. Beide Linien                        7            8      12 22        4
verbinden den Nahverkehr mit dem nationalen Schienen-              0
verkehr mit der Station Shohadaa am Hauptbahnhof, die                   London      New York      Mexico       Kairo
zweite Linie noch einmal in Gizeh. In Moneeb verbindet                                            Stadt
die zweite Linie zudem mit einem Mikrobusbahnhof in                     Netzlänge in km pro Mio. Einwohner
Richtung Süden. Für die zweite Linie werden sechs neue
                                                                        Auslastung in Fahrgäste pro Tag pro km ('000)
Züge der koreanischen Firma Hyundai-Rotem angeschafft.
Der Vertrag schließt noch zwei Zugwagen und die In-              Quelle: World Bank Congestion Study 2014
standhaltung über acht Jahre ein.

Laut Internetpräsenz der NAT (National Authority of Tunnels) steht auch eine Studie zur Verlängerung der zweiten
Linie um 8,8 km in den Norden nach Qalyoub an. Die Kosten dafür werden auf 3 Mrd. EGP geschätzt. Geplant ist
eine intermodale Endstation. Während dies mit der CREATS-Studie übereinstimmen würde, sind in der Presse bisher
noch keine weiteren Berichte zu lesen. Womöglich werden die ersten beiden Linien erst zur Kapazitätssteigerung
modernisiert und zusätzlich durch die Linien 5 und 6 entlastet, bevor man den Andrang auf die in die Jahre kommende
Linie erhöht.
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Die dritte Linie soll bis 2022 auf 43 km 2,7 Mio. Passagiere befördern. Heute werden schon zirka 1,8 Mrd. Fahrten im
Jahr, beziehungsweise 5 Mio. Fahrten am Tag bewerkstelligt. Der Bedarf übersteigt dieses Angebot aber schon heute.
Im Vergleich zu anderen Städten verfügt Kairo über ein U-Bahnsystem, das in seiner Ausdehnung der Größe der
Hauptstadt nicht entspricht. Die Lösung der entsprechenden Auslastung mit Fahrgästen, die sich teils auf sehr engem
Raum drängen, ist nicht ganz einfach. Das Bohren von Tunnels für neue Linien ist zeit- und kostenaufwendig und
könnte den Straßenverkehr zusätzlich stark behindern. Demgegenüber könnte ein Schnellbusnetz mit ca. 10 Mio. US-
Dollar pro Kilometer finanzierbar sein, während der Bau einer Metrolinie mit 100-150 Mio. US-Dollar zu Buche
schlägt. Während es für ersteres schon einen Versuch gab, schließt sich beides gegenseitig nicht aus.

     Abbildung 10: Metronetz Kairo

Quelle:   The Egyptian Company for Metro Management & Operation (www.cairometro.gov.eg)

Die Vorteile der Metro liegen jedoch in der absoluten Unabhängigkeit vom Straßenverkehr, der um ein Vielfaches
geringeren lokalen Luftverschmutzung und der höheren Passagierkapazität. Mit der schrittweisen Kürzung der Kraft-
stoffsubventionen wird die Metro auch in Zukunft die erschwinglichere Alternative für Pendler daratellen. Um die
Kapazität der ältesten Metrolinie auf täglich 2 Mio. Fahrgäste zu steigern, haben die „Agence Française de Dévelop-
pement“ (AFD) und die Europäische Investitionsbank (EIB) insgesamt 700 Mio. EUR bereitgestellt. Das Projekt
umfasst in drei Phasen die Modernisierung der Kommunikationsmittel, neue Signalgebung, Kontrollsysteme und
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Gleisarbeiten und wird von der EBRD komplementiert. Auch der Fuhrpark soll mit 32 neuen Zügen erweitert und die
vorhandenen 23 Züge im Betrieb saniert werden. Für Phase 3 ist eine Weiterentwicklung der Stationen vorgesehen.
Dass die Linie schon jetzt von dieser Zahl an Passagieren genutzt wird, verdeutlicht die Dringlichkeit der Erweite-
rung. Die Auftragsvergabe ist aber noch offen.

Für die zweite Linie beschafft die NAT sechs neue Züge der koreanischen Firma Hyundai Rotem. Diese werden vo-
raussichtlich 2023 geliefert und bis 2031 von dem Unternehmen unterhalten. Der Auftrag hat einen Wert von 134
Mio. USD. Auch für die dritte Linie hat die Firma bereits im August 2018 einen Zuschlag erhalten. Diese 32 Züge
dienen der Erweiterung von Linie 3 und kosten 318 Mio. EUR. Es ist beabsichtigt, 30 % der Fahrzeugteile in Ägypten
herzustellen, was weitere 640 Mio. EGP (ca. 33,6 Mio. EUR) kosten würde.

Mit der Erweiterung der Metrolinie 3 in zwei Phasen (Phasen 3 und 4) ist mit Vinci, Bouygues Travaux Publics, O-
rascom und Arabco ein Konsortium aus ägyptischen und ausländischen Firmen beauftragt worden. Die dritte Phase
wird den westlichen Teil der Innenstadt mit dem Osten verbinden und macht so eine erneute Tunnelverlegung unter
dem Nil nötig (Abb. 11). Mit der zu bauenden Station in Zamalek wird es zudem eine zweite Station auf der Nil-Insel
El Gezirah geben. Außerdem soll eine „Multimodale Station“ entstehen, die einen Übergang zwischen Metro und der
Ringstraße und dem Rod El Farag-Korridor ermöglicht. Laut Orascom ist der Tunnel für die dritte Phase bereits ge-
bohrt. In den nächsten Monaten werden die Stationen gebaut. Zur Finanzierung des dritten Abschnitts trugen die fran-
zösische Entwicklungsagentur AFD und die Europäische Investitionsbank bei. Der derzeitige Zeitplan sieht vor, Phase
3a von Attaba bis Kitkat im Januar 2021 zu eröffnen, 3b von Kitkat nach Rod al Farag im November 2022 und
schließlich 3c von Kitkat nach Cairo University im Juni 2023.

               Abbildung 11: Metronetz Kairo – Planungen für den Ausbau

Quelle:   protenders

Die vierte Phase stellt eine Osterweiterung dar, unter anderem bis zum Flughafen, und ist in drei Bauabschnitte unter-
teilt. Zehn Stationen werden unter der Erde verlegt und weitere fünf der Phase B erhöht. Bis dahin müssen sich An-
und Abreisende noch auf Taxen, Uber oder Careem verlassen, um den Flughafen zu erreichen oder in die Stadt zu
gelangen. Die Fertigstellung der drei Abschnitte von Phase 4 wird 2022 erfolgen. Ihre Finanzierung nach dem BOT-
Modell kostet insgesamt 7,5 Mrd. USD. Ende Februar 2019 wurde angekündigt, dass die Stationen der vierten Phase
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in einigen Tagen eröffnet werden. Es handelt sich um die Stationen Haroun, El Nozha, Alf Maskan und El Shams
Club, in der Reihenfolge Südwest nach Nordost.

Das Unternehmen Alstom ist dabei für Signale zuständig, während Oravia und Orascom die Gleisarbeiten umsetzen
werden. Da der letzte Abschnitt der mit Abstand längste ist, wurde rund die Hälfte der Strecke bislang fertiggestellt.
Auf Teilen wurden bereits Testfahrten durchgeführt. So sollen die Stationen Haroun, Alf Maskan und Shams Club
bald eröffnet und bedient werden. Außerdem ist für die Strecke ein eigenes Preisschema geplant, wonach für Fahrten
bis neun Stationen 4 EGP statt 3 EGP gezahlt wird, für mehr als neun Stationen 9 EGP. Mit den nächsten Eröffnungen
wird die Strecke 13 Stationen haben. Berichten zufolge hat die RATP (Régie Autonome des Transports Parisiens) den
Auftrag bekommen, Linie 3 zu managen und unterhalten.

Abbildung 12: Logo der Metro Kairo, Metro-Bahnhof

Quelle:   MENA Business GmbHl

Zu der vierten Linie hat die japanische JICA eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. Ebenfalls hat sich eine japanische
Firma den Auftrag gesichert, den ersten Abschnitt gemeinsam mit Orascom von der Stadt des 6. Oktober in den Osten
der Stadt zu bauen. Die Implementierung könnte noch vor Vollendung der dritten Linie beginnen. Dieser Teil kann als
besonders wichtig für die Entwicklung der Metropole gelten, da die Linie durch die Viertel El Haram und Faisal so-
wie durch Gizeh führt. Die dichte Besiedlung in diesen Gebieten zusammen mit dem Einkommensniveau führt hier zu
einer besonders hohen Nachfrage nach günstigen Transportmöglichkeiten. Der Auftrag für den zweiten Abschnitt
befindet sich gerade in der Ausschreibung. Um letzten Endes beide Teile zu verbinden, ist eine weitere Unterführung
des Nils notwendig. Die hohe Nachfrage nach einer Metro trifft auch auf den Stadtteil Sayda Zeinab zu. Obwohl beide
Male der Nil unterquert wird, gehen die Arbeiten an Linie 4 wohl schneller voran als an der dritten. Der Grund dafür
ist wohl die Herausforderung, die Station Zamalek zu bauen. Die Arbeiten in der ersten Phase werden nach aktuellem
Stand im vierten Quartal 2019 beginnen, Terminverschiebungen sind vorbehalten.

Bezüglich der Linie 5 sind noch keine Gespräche über eine Vergabe des Projekts bekannt. Die Linie 5 soll über einen
Halbkreis im Nordosten der Stadt verlaufen und mit den anderen Linien je einen Übergang haben. Die sechste Linie
ist vom Norden der Stadt nach New Maadi im Südosten geplant, auch um die Linie 1 zu entlasten. Das kanadische
Unternehmen Bombardier ist im Juli 2017 von der Regierung mit der Planung für die 20 km lange Strecke beauftragt
worden. Bisher erwartet man eine halbe Million Passagiere pro Tag. Im Khosous-Viertel wird die Strecke eine weitere
Anbindung der Ringstraße darstellen. Es sind Schnittstellen mit den Linien 1, 3, 4 und 5 geplant.

Im Mai 2018 wurde ein gestaffeltes Preissystem je nach Länge der Fahrtstrecke beginnend bei 3 EGP (0,14 EUR,
Wechselkurs Stand Mai 2018; 0,16 EUR, Wechselkurs Stand Mai 2019) eingeführt, nachdem im Jahr 2017 schon die
Ticketpreise auf 2 EGP verdoppelt wurden. Dies geschah als Reaktion auf Verluste von 500 Mio. EGP (23,4 Mio.
EUR Wechselkurs Stand Mai 2018; 26,2 Mio. EUR, Wechselkurs Mai 2019). Nichtsdestotrotz ist die Rentabilität
eines der dringendsten Probleme der U-Bahn in Kairo. Die tatsächlichen Kosten der Metro liegen bei gut 16 EGP pro
Fahrgast. Die für deutsche Betrachter fast irrelevant erscheinende Preissteigerung sind für die 28 % der Ägypter, die
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