Kommt der "große Wurf" für die virtuelle Hauptversammlung?
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
01 hv-magazin.de 14,– EUR 2021 Kommt der „große Wurf“ für die virtuelle Hauptversammlung? Ausblick auf die Hauptversammlungssaison 2021 NOCH FRAGEN? DIGITALISIERUNG, BITTE WAS LANGE WÄHRT, ... Plötzlich Fragerecht Noch immer kaum Endlich Aktienrechtsrevision und Antragsfiktion Reporting online in der Schweiz
Passt genau! „One size fits all“ kann jeder, Link Market Services kann maßgeschneidert. Unser HV-Portal wurde schon knapp 200 Mal an die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden angepasst. Von überall aus teilnehmen Sichere Abstimmung Registrierung durch HV-Portal Location-Suche und -Kosten Gute Vorbereitung auf Wortmeldungen & Fragen Effizienter, kürzer, günstiger Aufwand fürs Buffet enz -H V t e e HV Stellen Sie mit uns Ihre virtuelle HV-Lösung zusammen! www.linkmarketservices.de
03 EDITORIAL Der Grund, aus dem du angefangen hast ISABELLA-ALESSA BAUER Redaktionsleitung Kapitalmarktmedien bauer@goingpublic.de Liebe Leserinnen und Leser, es gibt eine Menge schlauer Sinnsprüche, die sich in den Weiten tenten davon ausgegangen, im neuen Jahr zur Routine zurückkehren des Internets, auf den diversen Social-Media-Plattformen und in und wieder eine Präsenzhauptversammlung abhalten zu können. den Kalendern der Büros dieser Welt tummeln. Es gibt allerdings In der aktuellen Situation ist das allerdings eher unwahrscheinlich. nur wenige Sinnsprüche, die wirklich Sinn stiften. Einer dieser gut gemeinten Ratschläge sollte in den Köpfen jedoch derzeit omni- Wir blicken auf die kommende Hauptversammlungssaison 2021 präsent sein: „Wenn du aufgeben willst, denk an den Grund, aus und beleuchten, welche Neuerungen der Gesetzgeber für dieses dem du angefangen hast.“ Jahr im COVID-19-Gesetz implementiert hat und wie sich diese auf die Hauptversammlungspraxis auswirken – Stichworte sind Wer von uns hat nicht in den letzten Wochen mitunter ans Aufge- Fragerecht und Antragsfiktion. ben gedacht? Wer hat nicht mit dem Gedanken gespielt, endlich mal wieder die Großeltern zu besuchen oder Freunde zum Abend- Neben dem alles dominierenden Thema virtuelle Hauptversammlung essen einzuladen. Das Coronavirus raubt uns auch im neuen Jahr soll es in diesem Heft aber auch um andere Schwerpunkte gehen: 2021 Bewegungsfreiheit und soziale Kontakte; es verhindert, Wir beschäftigen uns mit Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung dass wir reisen, im Restaurant sitzen oder einfach nur die Familie über Aktien, mit Geschäftsberichten, der Taxonomie-Verordnung umarmen. Wir alle haben wohl angesichts der zunehmend belas- der Europäischen Union sowie der Frage nach einer angemesse- tenden Einschränkungen in den letzten Wochen schon das ei- nen Vorstandsvergütung. ne oder andere Mal ans Aufgeben gedacht. Wer von uns hat nicht in den letzten Wochen mitunter ans Aufgeben Allein: Es gibt einen Grund, aus dem wir angefangen haben. Wir gedacht: das Organisationsteam für die Hauptversammlung in den müssen das Virus eindämmen, um Krankenhäuser vor dem Kollaps Unternehmen, die Hauptversammlungsdienstleister, die einen Weg zu bewahren und uns selbst eine baldige Rückkehr in die Norma- finden müssen, Fragerecht zu gewähren, aber eben auch der Pfle- lität zu ermöglichen. Nur wenn wir weitermachen, können wir ger im Altenheim. Wir müssen an den Grund denken, aus dem wir auf absehbare Sicht auch wieder zu unserem geliebten norma- angefangen haben. Wir müssen zusammenhalten. Das Coronavirus len Alltag zurückkehren. stellt uns vor große Herausforderungen, aber wir geben nicht auf. Da- rum werden wir auch schon früher als gedacht wieder die Familie um- Nicht nur unser Privatleben leidet unter den Auswirkungen der Pande- armen oder gemeinsam im Restaurant sitzen. mie. Auch Unternehmen werden eingeschränkt: Wer kann, schickt seine Mitarbeiter ins Homeoffice, manche Branchen müssen kom- In diesem Sinne: gutes Durchhalten und eine informative Lektüre. plett zumachen. Und die börsennotierten Aktiengesellschaften sind erneut mit der Herausforderung konfrontiert, ihre Hauptversamm- lungen unter Ausnahmebedingungen über die Bühne zu bringen: als virtuelle Aktionärstreffen. Noch im Herbst 2020 sind viele Emit- Isabella-Alessa Bauer HV MAGAZIN 01/2021
04 INHALT INHALT DANIEL DR. FRANZ- GUDRUN BAUER JOSEF LEVEN MOLL SdK DAI Pinsent Masons Zu wenig: Der Gesetzgeber ändert kurzfristig Zu viel: Der Gesetzgeber ändert kurzfristig Aktien als Form der Mitarbeiterbeteiligung. noch einmal die Regularien rund um die virtu- noch einmal die Regularien rund um die Das kann für Emittenten funktionieren. elle Hauptversammlung. Aktionärsrechte sind virtuelle Hauptversammlung. Emittenten Die Regierung versucht sich inzwischen dennoch nicht gewährleistet. Seite 14 sind die Leidtragenden. Seite 15 immerhin an einem Anreiz. Seite 28 03 Editorial Austria Corner 06 Daten & Fakten 33 Aktuelle HV-Urteile 07 HV-Max – Die Kolumne Kommentiert von Dr. Thomas Zwissler, Kleine und große 18 Ein Spray gegn das Virus ZIRNGIBL Rechtsanwälte Überraschungen Österreichischer Hoffnungsträger Partnerschaft im Kampf gegen Corona Case Study, Marinomed Biotech Titelthema 34 Neue Vorschriften für die Zusam- mensetzung von Aufsichtsräten 08 Kommt der „große Wurf“ HV-Praxis Finanzmarktintegrationsstärkungs- für die virtuelle gesetz Hauptversammlung? 20 Trends im digitalen Reporting Dr. Klaus Weigel, Board Xperts Ausblick auf die Hybride Welten Hauptversammlungssaison 2021 Janina Schumann, Stefanie Wulf, Kirchhoff Consult HV-Splitter 12 Noch Fragen? Gesetzesänderungen für die virtuelle 22 Unterschätzte Herausforderung 36 Ausgewählte Hauptversammlungen Hauptversammlung 2021 EU-Taxonomie umsetzen Rückblick, Ausblick, Mareike Kuliberda, Andrea Bardens, Nadine Gehrke, Tipps & Spezialitäten Link Market Services PricewaterhouseCoopers Standpunkt 14 Ein kleiner Schritt 26 Zentrales Element der in die richtige Richtung Hauptversammlung 38 Es geht um einiges besser Stärkung der Aktionärsrechte: Online-Service für Aktionäre Vorstandsvergütung organisieren Pro Änderungen Björn Dobrzewski, Christiane Hölz, DSW Daniel Bauer, SdK ADEUS Aktienregister-Service 37 HV-Kalender/Impressum 15 Rechtsunsicherheit Legal zur Unzeit Stärkung der Aktionärsrechte: 28 Neue Chancen für die Contra Änderungen Mitarbeiterbeteiligung Dr. Franz-Josef Leven, DAI Der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Fondsstandorts 16 Virtuelle Hauptversammlung: Liebe Leser, dieses Symbol weist Deutschland jetzt aktionärsfreundlicher? Sie auf zusätzlichen Inhalt im Gudrun Moll, Pinsent Masons Unvorhergesehene Überraschungen Internet hin. Christof Schwab, Computershare 30 Die Schweiz erhält ein Das komplette Heft ist moderneres Aktienrecht als E-Magazin online abrufbar: Was lange währt, wird endlich gut? www.goingpublic.de/ Pascal Hubli, LL.M., Elia Schunck, LL.M., aktuelles-epaper-hv-magazin/ Schellenberg Wittmer HV MAGAZIN 01/2021
(E-)MAGAZIN – ONLINE – EVENT – NETZWERK 01 hv-magazin.de 14,– EUR 2021 Kommt der „große Wurf“ für die virtuelle Hauptversammlung? Ausblick auf uf die Hauptversammlungssaison ammlungssaison 2021 NOCH FRAGEN? DIGITALISIERUNG, BITTE WAS LANGE WÄHRT, ... Plötzlich Fragerecht Noch immer kaum Endlich Aktienrechtsrevision und Antragsfiktion Reporting online in der Schweiz Jahrespartner 2021 Jahrespartner im Netz: www.goingpublic.de/alle-partner
06 DATEN & FAKTEN NEWS Foto: © CrazyCloud stock.adobe.com DAI: Steuerfreier Betrag für Besteuerung profitieren. Das wiederum kritisiert das DAI und Mitarbeiteraktien weiter zu niedrig fordert die Regierung auf, „für Steuergerechtigkeit zu sorgen“. Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) fordert in einem Positionspapier Das entspräche auch eher dem Tenor des Gesetzesentwurfs, der zum Entwurf des Fondsstandortgesetzes, den steuer- und abga- Aktienkultur durchaus gutheißt: Der Gesetzgeber erkennt an, benfreien Betrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen weiter zu dass die Beteiligung der Mitarbeiter ein wichtiger Bestandteil des erhöhen. Die geplante Erhöhung von 360 EUR auf 720 EUR pro langfristigen Vermögensaufbaus des Einzelnen ist. Das DAI weist Jahr sei nicht ausreichend. darauf hin, dass Mitarbeiteraktien auch ein Weg sein können, den Deutschen die grundsätzliche Scheu vor Wertpapieren zu neh- Tatsächlich steht Deutschland auch nach der geplanten Steigerung men, und fordert den Gesetzgeber auf, „endlich“ zu handeln und des Freibetrags schlechter da als andere Länder. In Österreich das gesetzliche Umlageverfahren der Rente um ein Ansparver- werden Mitarbeiteraktien mit 4.500 EUR pro Jahr gefördert, in fahren mit Aktien zu ergänzen. Spanien und Irland sogar mit 12.000 EUR jährlich. Zwar sei die angedachte Verdoppelung grundsätzlich zu begrüßen, erklärt Anlegerschützer zeichnen Allianz SE Dr. Christine Bortenlänger, geschäftsführende Vorständin des DAI, für Vorstandsvergütung aus allerdings reiche sie nicht aus. Der Freibetrag müsse auf mindes- tens 1.000 EUR angehoben werden: „Ein Hersteller von Unterhal- Die Abstimmung über die Vorstandsvergütung ist für viele Gesell- tungselektronik darf seinen Mitarbeitern in Deutschland auf den schaften ein heikler Tagesordnungspunkt auf der Hauptver- Kauf seiner Geräte einen steuerfreien Rabatt in Höhe von 1.048 EUR sammlung – bei keinem anderen Thema fallen die Zustimmungs- gewähren. Warum gilt eine entsprechende Förderhöhe nicht quoten geringer aus. Doch es gibt auch Unternehmen mit einer auch für Mitarbeiteraktien?“ besonders aktionärsfreundlichen Vorstandsvergütung. Diese zeichnet EuroShareHolders, die Aktionärsvertretersparte inner- Einen anderen Aspekt des Entwurfs des Fondsstandortgesetzes halb des europäischen Anlegerschutzverbandes Better Finance, begrüßt das DAI hingegen: Nach aktueller Regelung muss der gemeinsam mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpa- geldwerte Vorteil, der über 720 EUR hinausgeht, direkt beim Kauf pierbesitz (DSW) aus. Heuer geht die Allianz SE als klarer Sieger von Mitarbeiteraktien versteuert werden – ohne einen gegenüber- hervor. stehenden realisierten Ertrag. Das soll sich nun ändern, eine nach- gelagerte Besteuerung soll kommen. Ursprünglich sollten nur „Bei den Bewertungskriterien geht es uns vor allem um Trans- Start-ups die nachgelagerte Besteuerung nutzen können; jetzt parenz und Verständlichkeit des Systems sowie darum, wie berücksichtigt der Gesetzgeber auch kleine und mittlere Unter- hoch die Akzeptanz bei den Aktionären ausfällt“, erklärt Jella nehmen. Allein – Mitarbeiter großer Unternehmen könnten nach Benner-Heinacher, stellvertretende DSW-Hauptgeschäftsführe- Gesetzesentwurf auch weiterhin nicht von einer nachgelagerten rin und aktuelle Vizepräsidentin von Better Finance. Die Zustim- HV MAGAZIN 01/2021
07 DATEN & FAKTEN HV-MAX sitzen leider nicht in den Rechtsabteilungen, auf Gegenseitigkeit, Verbände, Parteien DIE KOLUMNE die oftmals das letzte Wort in der Sache ha- ben. Ober sticht Unter, Risikoaversität siegt. Dabei haben die Emittenten doch jetzt die oder Genossenschaften jedoch Präsenz- veranstaltungen. Deren Versammlungen sind mehr ein gesellschaftliches Zusam- Kleine und große Gelegenheit, zu zeigen, dass das Format menkommen, bei dem der persönliche Überraschungen der virtuellen oder gar der hybriden HV ein Austausch wichtig ist: der Austausch unter Zukunftsmodell ist. Das COVID-19-Gesetz den Mitgliedern, der Austausch des Vor- Was meinen Sie? Ob der Gesetzgeber läuft zum 31. Dezember 2021 aus. Auch stands mit den Delegierten, der Austausch manchmal liest, was ich so von mir gebe? wenn bis dahin die Gesetzgebung weitestge- der Mitarbeiter mit den potenziellen Kun- Er scheint ja doch noch auf uns kleine hend brachliegt – Stichworte Bundestags- den. und große Aktionäre zu hören – das dachte wahl und Neuformierung des Parlaments –, Ich würde mir wünschen, dass auch Akti- ich mir, als ich durch Zufall entdeckt habe, würde ich mich nicht wundern, wenn wir engesellschaften wieder versuchen, in dass in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf auch Weihnachten 2021 wieder ein kleines diesen Dialog zu treten. Hauptversamm- Betreiben eines Abgeordneten, der auch Überraschungspaket im Jahressteu- lung als Happening statt als Pflicht- noch Rechtsprofessor ist, Änderungen ergesetz oder in veranstaltung. Aber eigent- für die virtuelle Hauptversammlung (HV) sonstigen dann lich habe ich es doch beschlossen wurden: unaufschiebbar auch in der Hand, bzw. Nun haben wir Aktionäre ein Fragerecht, anstehenden Ge- im Geldbeutel. Wieso nicht mehr nur die -möglichkeit. Und auch setzen entdecken veräußere ich nicht mei- alle Gegenanträge, die 14 Tage vor HV bei würden. ne Bestände und inves- der Gesellschaft eingereicht sind, gelten Nach anfänglicher tiere in Genossen- als gestellt. Na also, geht doch – auch Unsicherheit schei- schaften? Dann habe wenn es nicht der große Wurf ist. Wieso nen viele Emittenten ich auch wieder Vor- dürfen wir noch immer nicht während der Gefallen an der virtuellen Form stände zum Anfas- HV Fragen stellen, sondern müssen diese zu finden. Keine lästigen Nachfra- sen und bekomme die einen Tag – okay, nur einen statt zwei – gen, planbare Abläufe – die Lobby- Wertschätzung, die ich vorher einreichen? Und Nachfragen sind maschinerie ist sicherlich schon verdiene – bis zu dem Zeit- auch nicht möglich. Aktionärsdemokratie angeschmissen. Interessanterwei- punkt, zu dem wir Genos- sieht anders aus, ehrlich. Die Mutigen, die se präferieren andere Rechtsfor- sen den Bogen dann wieder Fragen auch in der HV erlauben würden, men wie Versicherungsvereine überspannen. mungsquote von 90% auf der Hauptversammlung sei eine Min- Harald Krüger war als sicherer Kandidat vorgesehen, der Ex- destanforderung. „Daneben spielen Aspekte wie das Verhältnis der BMW-Chef sitzt bereits im Gremium und bringt die nötige Erfah- Vorstandsvergütung zur Mitarbeitervergütung oder Pensionsver- rung mit. Nur will er den Posten jetzt eben leider nicht mehr – aus einbarungen eine Rolle“, erläutert Benner-Heinacher. persönlichen Gründen, wie das Handelsblatt berichtet. Beim Vergütungssystem der Allianz stimme alles – Transparenz Damit beginnt die Suche nach Prof. Dr. Lehners Nachfolger von und Verständlichkeit ebenso wie Gesamthöhe und Verhältnis zur Neuem. Die zu besetzende Position an der Spitze des Aufsichts- Vergütung der Mitarbeiter. „Das System hat uns in nahezu allen rats ist nicht ohne: Zum einen ist der Bund mit einem Drittel der Bereichen überzeugt und den Titel ‚aktionärsfreundlich‘ wirklich Aktien an der Telekom beteiligt, zum anderen ist das Unterneh- verdient“, sagt Benner-Heinacher. men einer der größten Konzerne Deutschlands und ein Schwer- gewicht im Leitindex DAX. Ex-BMW-Chef Harald Krüger will nicht mehr Aufsichtsratschef bei der Telekom werden Ein Sprecher der Firma erklärte gegenüber dem Handelsblatt den- noch, dass alles im grünen Bereich sei: Prof. Dr. Lehners Vertrag Auf der Hauptversammlung der Telekom AG am 1. April wollte Prof. laufe schließlich noch bis zur Hauptversammlung im kommen- Dr. Ulrich Lehner nach 13 Amtsjahren seinen Nachfolger an der den Jahr. Die Suche nach einem Nachfolger laufe in einem geord- Spitze des Aufsichtsrats vorstellen – allein, daraus wird nichts. neten Prozess. HV MAGAZIN 01/2021
08 TITELTHEMA Foto: © Siemens Ausblick auf die Hauptversammlungssaison 2021 Kommt der „große Wurf“ für die virtuelle Hauptversammlung? „Die Digitalisierung ist vor allem eine Service-Revolution“, erklärt der Managementberater und Keynotespeaker Carsten Rath – eine Revolution, die börsennotierte Aktiengesellschaften im vergangenen Jahr mit einer neuen Dringlichkeit erreicht hat. Die Corona-Pandemie machte Präsenzhauptversammlungen unmöglich. Die virtuelle Hauptversammlung (HV) war plötzlich alternativlos. Und auch 2021 scheinen Präsenzveranstaltungen eher unwahrscheinlich. Wie geht es in diesem Jahr weiter in Sachen HV? Noch haben sich Aufsichtsrat und Vor- Head of Legal & Compliance der Firma, Entgegen den Hoffnungen stellt sich allen stand der VARTA AG nicht final entschie- die mit ihrem Team die HV organisiert. börsennotierten Aktiengesellschaften die den, die Tendenz ist aber klar: Auch im „Wir können nicht sicher sein, dass wir Frage, ob eine Präsenzhauptversammlung Jahr 2021 wird das Unternehmen seine im Frühsommer wieder eine Präsenz- möglich sein wird, auch in diesem Jahr. Ent- HV sehr wahrscheinlich rein virtuell hauptversammlung abhalten können, gegen den Hoffnungen zeigt sich keine Ent- umsetzen. „Wir möchten den geplanten und möchten uns Planungssicherheit spannung der Corona-Situation. Weiterhin Termin im Juni halten“, erklärt Julia Weber, bewahren.“ sind Großveranstaltungen mit zahlreichen HV MAGAZIN 01/2021
09 TITELTHEMA Teilnehmern undenkbar. Wer wie VARTA einen Termin in der ersten Jahreshälfte plant, muss beinahe sicher damit rech- „Das Aktionärstreffen in digitaler nen, die HV nicht als Event mit den Aktio- nären vor Ort abhalten zu können. Im Herbst könnte sich die Lage vielleicht Form war für viele Gesellschaften entspannt haben – vorausgesetzt, die Impfkampagne der Bundesregierung und im vergangenen Jahr ein Sprung der Europäischen Union erholt sich von ihrem ruckelnden Start und Deutschland ins kalte Wasser.“ erreicht eine relativ hohe Impfquote in der Bevölkerung. ein Sprung ins kalte Wasser – im wahrsten ganzen Abteilungen leisten, die monate- 2021 ist von Sinne des Wortes eine „Service-Revolution“, lang eine Hauptversammlung vorbereiten. Unwägbarkeiten geprägt die eher als Notlösung fungierte. Für sie sei die Umstellung mit deutlich mehr Bauchschmerzen verbunden gewe- Es sind viele Unwägbarkeiten, mit denen Die VARTA AG, die erst seit 2017 an der sen. Dr. Ek betont aber auch: „Sowohl die Aktiengesellschaften auch 2021 kämpfen Börse notiert ist, profitierte 2020 von ihrer großen als auch die kleinen Gesellschaf- müssen. Vorausschauend hat die Bun- kurzen Kapitalmarkthistorie: Viele Abläufe ten haben im letzten Jahr eine gute Grund- desregierung bereits im letzten Jahr ihr hatten sich noch nicht verfestigt, Automa- lage für eine anfechtungssichere und effi- „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der tismen konnten relativ leicht verändert ziente Hauptversammlungssaison 2021 COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- werden. „Wir mussten nicht alles komplett geschaffen.“ und Strafverfahrensrecht“ vom 27. März umstellen“, sagt Weber. „Zudem hatten wir 2020 verlängert. Auch 2021 sind die das Glück, aufgrund von Umbaumaßnahmen Große Emittenten haben rechtlichen Grundlagen gültig, die eine einen geeigneten Raum zur Verfügung zu Vorteile, kleine Gesellschaften virtuelle HV möglich machen. Allein: Das haben, den wir zum Studio umfunktionieren Probleme Aktionärstreffen in digitaler Form war für konnten.“ Man habe sich zugetraut, die viele Gesellschaften im vergangenen Jahr virtuelle Hauptversammlung zufrieden- Also kein Grund, die Hände über dem Kopf stellend umsetzen zu können. Dieses zusammenzuschlagen und sich zu grä- Gefühl hat sich bestätigt: Für die VARTA AG men, weil 2021 voraussichtlich wieder alles lief die erste rein virtuelle HV laut Weber „völ- virtuell laufen muss? Dr. Ek erwartet, dass lig reibungslos“. Zwar musste neue Technik vor allem die großen Emittenten durchaus implementiert werden – die Etablierung eben nicht unglücklich über weitere virtuelle dieser Streaming-Optionen aber war kein Aktionärstreffen sind. Zum einen haben Problem. Daher ist Webers klare Empfehlung diese Gesellschaften meist Termine in an Vorstand und Aufsichtsrat auch, 2021 der ersten Jahreshälfte und gewinnen wieder diesen Weg einzuschlagen. durch die Möglichkeit der virtuellen HV Planungssicherheit, zum anderen sparen Für andere Aktiengesellschaften war die sich Konzerne wie Siemens oder BMW plötzliche Umstellung auf ein Aktio- einige Kosten, weil zum Beispiel die Miete närstreffen im virtuellen Raum nicht so für große Hallen wegfällt. Anders bewertet einfach. Dr. Ralf Ek, Partner bei der Rechts- der Rechtsanwalt die Situation bei kleinen anwaltskanzlei Baker Tilly: „Bei den kleinen Emittenten: „Kleinere Gesellschaften nut- Unternehmen gab es viele Unsicherheiten.“ zen ihre Hauptversammlung mit oftmals Julia Weber, Head of Legal & Compliance, VARTA AG Diese Emittenten könnten sich keine nur 30 oder 40 teilnehmenden Aktionären HV MAGAZIN 01/2021
10 TITELTHEMA bewusst als Investor-Relations-Event Gesellschaften hat ohnehin alle Fragen und nehmen die Gelegenheit wahr, sich beantwortet“, sagt er. „Die 24-Stunden- mit ihren Anlegern auszutauschen.“ Bei die- Schwelle ist eine Herausforderung, aber sen Unternehmen gebe es eher den Wunsch wir sehen uns gut gerüstet, den Unterneh- nach einem „back to normal“, nach dem men die entsprechenden Online-Tools zur Zurück zur Präsenzhauptversammlung. Verfügung stellen zu können, um alle Fra- gen auch in der Kürze der Zeit dezidiert Oliver Singer, Head of Department bei der beantworten zu können.“ Auch Dr. Ek sieht ACS Solution GmbH, hat 2020 knapp 200 durch die Neuerungen keine Probleme in Hauptversammlungen betreut – beinahe der Praxis heraufziehen: „Ich kann mir ausschließlich digitale Events. Seiner Beob- nicht vorstellen, dass Aktionäre dazu über- achtung nach war ein Teil der Emittenten gehen werden, Hunderte Fragen kurz vor einer virtuellen Hauptversammlung im Fristende einzureichen.“ Vielmehr sei damit Vorfeld kritisch gegenübergestanden. zu rechnen, dass mit Näherrücken des HV- Dann aber, so Singer, sei das Aktio- Termins Tag für Tag etwas mehr Fragen närstreffen im allergrößten Teil der Fälle kämen. „Wenn man von Beginn an Fragen Oliver Singer, Head of Department, ACS Solution GmbH völlig ohne Probleme verlaufen; die Gesell- abarbeitet, kann das funktionieren“, so der schaften konnten dem Format doch „einen Experte. Dr. Ek gibt allerdings zu bedenken, gewissen Charme abgewinnen und waren dass zumindest theoretisch ein Miss zwar im Vorfeld viele Fragen stellen, es positiv eingestellt hinsichtlich künftiger brauchspotenzial des Fragerechts besteht: aber nicht darauf anlegen, es den Emitten- Hauptversammlungen“. „Diejenigen, die es kurz vor Ablauf der Frist ten unnötig schwer zu machen, indem sie trifft, müssen unter Umständen eine Nacht- die Frist voll ausreizen.“ Fragerecht, verlängerte schicht einlegen – dann sind in der Regel Einreichungsfrist auch wieder alle Fragen anfechtungssicher Dr. Ek erwartet für die kommende Haupt- und Antragsfiktion beantwortet.“ Bekannterweise seien es versammlungssaison, dass die Emittenten schließlich nur die groben Verstöße, die zu an der Best Practice aus dem vergangenen Fest steht: 2021 müssen die Gesellschaften Anfechtungsrisiken führten. Zudem, so der Jahr festhalten und diese weiterentwi- mit einer weiteren Neuerung klarkom- Rechtsanwalt, hätten viele Unternehmen ckeln. Zudem sei damit zu rechnen, dass men. Der Gesetzgeber hat das COVID- die Frist ohnehin bereits 2020 auf einen Tag mehr Interaktion mit den Aktionären 19-Gesetz nachbearbeitet: Statt einer verlängert. „Die meisten Gesellschaften erfolgen wird. Einige Unternehmen, so bloßen Fragemöglichkeit erhalten Aktio- haben verständnisvolle Aktionäre, die Dr. Eks Prognose, könnten sogar dazu näre ein Fragerecht, die Einreichungs- frist für Fragen wird auf einen Tag vor der Hauptversammlung verlängert und eine Antragsfiktion eingeführt. Das bedeutet, dass eingereichte Anträge als in der „Wenn der Gesetzgeber eine Hauptversammlung gestellt gelten. (Anm. d. Red.: Zu den Änderungen lesen Sie mehr dauerhafte Regelung trifft, muss auf den Seiten 12-17) den Aktionären ein Fragerecht Singer sieht diese Änderungen nicht als allzu große Herausforderung für die eingeräumt werden.“ Emittenten. „Die überwiegende Zahl der HV MAGAZIN 01/2021
11 TITELTHEMA übergehen, Fragestellungen in der Haupt- schwierig“, ergänzt Weber. „Die Hauptver- A nfechtungsrisiken und zusätzlicher versammlung zu ermöglichen. sammlung braucht ein digitales Gesicht Kosten. Der Experte hofft auf einen „gro- und muss sich modernisieren – man muss ßen Wurf“ des Gesetzgebers: „Die Moder- Und wie geht es weiter? aber sehr genau darauf achten, die techni- nisierung des HV-Rechts ist längst sche Umsetzung im Blick zu behalten überfällig, sodass viele Elemente, die 2021 steht nach Einschätzung von Weber, und alle rechtlichen Belange zu berück- sich in der virtuellen HV-Praxis bewährt Dr. Ek und Singer eine Hauptversamm- sichtigen.“ haben, weitergeführt werden sollten.“ Aller- lungssaison bevor, die der aus dem letzten dings kranke die Praxis hierzulande an Jahr nicht unähnlich sein wird – nur routi- Dr. Ek geht davon aus, dass viele Gesell- der extensiven Ausübung von Aktionärs- nierter, sicherer. Mit Ablauf des nächsten schaften die Hauptversammlungssaison rechten. Zu überlegen sei, diese Rechte Jahres aber ist das COVID-19-Gesetz Ver- 2021 nutzen werden, um bereits Sat- auch im Vorfeld eines Aktionärstreffens gangenheit, eine weitere Verlängerung zungsklauseln zu verabschieden, die eine bereits zu gewähren, indem man beispiels- ist nicht möglich. digitalisierte HV grundsätzlich erleichtern. weise den Frage- und Antwortprozess vor- Er mahnt aber auch: „Bleiben gesetzgeberi- verlege. Wie also kann es langfristig weitergehen mit sche Maßnahmen auch angesichts des der HV-Praxis? Für Singer ist klar: „Wenn der Wahljahres 2021 aus, fällt die HV-Praxis Fazit Gesetzgeber eine dauerhafte Regelung trifft, wieder auf den Rechtszustand vor der Coro- muss den Aktionären ein Fragerecht einge- na-Krise zurück. In diesem Fall würden die Der Zeithorizont bis zur Verabschiedung räumt werden.“ Es sei eine Überlegung wert, altbekannten Präsenzhauptversammlun- eines möglichen neuen Gesetzes, das dieses während der HV sogar bis zum Ende gen wieder dominieren.“ Der Rechtsanwalt dauerhaft Bestand hat, lässt sich in jedem der Vorstandsrede zu gewähren. „Das birgt würdigt aber auch die Tatsache, dass bereits Fall nur schwer definieren. 2021 steht die natürlich die Gefahr von Fragefluten, aber da- eine Diskussion um die Praxis der Zukunft Bundestagswahl an; die Parteien müssen für lassen sich Regelungen finden, ähnlich eingesetzt hat. Viele Aktionärsvertreter, nicht nur die Corona-Krise bewältigen, denen in einer Präsenzhauptversammlung – so Dr. Ek, würden ein hybrides Modell sondern auch noch bestmöglich aus den da gibt es ja auch eine Redezeitbegrenzung.“ begrüßen. Die Emittenten wiederum sehen Wahlen hervorgehen. Wie eine neue Regie- solche Ideen eher kritisch – wegen höherer rungskoalition zusammengesetzt sein Auch für Weber ist das Thema Fragerecht wird, ist genauso wenig vorherzusehen ein Knackpunkt: „Für uns war die schriftli- wie der Zeitpunkt, zu dem sich diese neue che Einreichung von Fragen 2020 die Bundesregierung einem Gesetz zuwen- größte Herausforderung. Viele Fragen den wird, das die HV-Praxis regelt. Dr. Ek: kamen sehr kurzfristig bei uns an.“ Die „Es ist eine spannende Frage, bis wann 48 Stunden vor der Hauptversammlung, mit einem Vorschlag zu rechnen ist und so Weber, hat sie mit ihrem Team durch- vor allem, wie viel Einfluss die Vertreter gearbeitet. Die Fristverlängerung, die der Aktionärsschützer und der Industrie 2021 gilt, hält sie für problematisch. jeweils haben.“ Es lasse sich also kaum „Wenn ein Gesetz erarbeitet wird, das eine Prognose abgeben. Fest steht wohl langfristig gelten soll, müssen Frage und nur: Carsten Rath hat in jedem Fall recht Antragsrecht der Aktionäre direkt in die damit behalten, die Digitalisierung als Hauptversammlung verschoben werden.“ Revolution zu bezeichnen – eine Revolution, Nur diese Zwei-Wege-Kommunikation die jetzt die börsennotierten Aktiengesell- könne eine zufriedenstellende Wahrung schaften trifft. der Aktionärsrechte gewährleisten. „Das ist aber technisch natürlich unglaublich Dr. Ralf Ek, Partner, Baker Tilly Isabella-Alessa Bauer HV MAGAZIN 01/2021
12 TITELTHEMA Gesetzesänderungen für die virtuelle Hauptversammlung 2021 Noch Fragen? kann der Vorstand damit nicht mehr ent- MAREIKE KULIBERDA scheiden, welche Fragen er wie beant- Senior Beraterin, wortet, sondern wie er die frist- und form- Link Market Services GmbH gerecht eingereichten Fragen beantwor- mareike.kuliberda@linkmarketservices.de tet. Das bedeutet, dass er alle Fragen beantworten muss. Dabei unterliegt er weiterhin freiem und vor allem pflichtge- mäßem Ermessen. Dem Vorstand bleibt es weiterhin überlassen, inhaltlich gleiche oder ähnliche Fragen zusammenzufassen und einheitlich zu beantworten, wenn ihm Am 20. Oktober 2020 beschloss der Gesetzgeber die Ver- das sinnvoll erscheint. Damit hat der längerung des „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Aktionär weiterhin nicht das Auskunfts- recht nach § 131 AktG; das pflichtgemäße COVID-19-Pandemie“ und schuf damit rechtzeitig vor dem Ermessen des Vorstands soll sich aber Start der Hauptversammlungssaison 2021 Planungssicher- daran orientieren. heit für die Emittenten – dachte man zumindest, denn kurz Weiterhin gesetzlich nicht vorgeschrieben vor Jahresende wurden die rechtlichen Parameter doch ist das Fragerecht in der virtuellen Haupt- versammlung. Der Gesetzgeber hat ledig- noch einmal modifiziert. Insofern gilt es für Emittenten, im lich eine Empfehlung dahin gehend ausge- Vergleich zu 2020 einiges umzustellen. sprochen. Dabei ist es technisch unproble- matisch, Fragen in der virtuellen HV eingehen zu lassen. Aktionärsvertreter hatten in der Der Gesetzgeber hat im Nachgang der Ver- Ab wann und für wen? vergangenen Saison auch immer wieder längerung der Geltungsdauer der COVID- angeregt, die Fragefunktion der virtuellen 19-Gesetzgebung im Oktober auf Beschwer- Die Änderungen gelten ab dem 28. Februar HV-Plattformen doch länger geöffnet zu den von Aktionärsvertretern reagiert und 2021. Dabei wird nicht auf den Tag der halten. am 28. Dezember 2020 Änderungen am Einberufung abgestellt, sondern auf den bestehenden Gesetz beschlossen. Diese Tag der Hauptversammlung (HV). Das Dennoch scheut das der Großteil der traten am 28. Dezember 2020 in Kraft und heißt, dass alle virtuellen Hauptversamm- Emittenten. Bei der HV der Siemens AG am wurden am 30. Dezember 2020 im Bundes- lungen betroffen sind, die ab dem 28. Feb- 3. Februar ist aus dem Grund sogar ein gesetzblatt veröffentlicht. Die Änderungen ruar 2021 stattfinden. entsprechendes Ergänzungsverlangen sind in Art. 11 des „Gesetzes zur weiteren eingegangen: Verkürzung des Restschuldbefreiungsver- Die Änderungen gelten für alle Gesell- fahrens und zur Anpassung pandemie- schaften, unabhängig davon, ob sie im Der Verein von Belegschaftsaktionären bedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Freiverkehr oder im regulierten Markt hat verlangt, über eine Satzungsände- Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungs- notiert sind. rung abstimmen zu lassen, nach der recht sowie im Miet- und Pachtrecht“ (CO- sich die Anteilseigner zukünftig auch VMG) verborgen, der eine Änderung des Fragemöglichkeit wird während der virtuellen HV zu Wort mel- Gesetzes über Maßnahmen im Gesell- zu Fragerecht den können. Die Stimmrechtsberater ISS schaftsrecht unter anderem zur Bekämp- und Glass Lewis stellen sich hinter diese fung der COVID-19-Pandemie vorsieht. Art. 11 Nr. 1 COVMG ändert § 2 II 1 Nr. 3 des Forderungen, da Aktionäre, trotz des Fra- ursprünglichen COVMG und räumt dem gerechts, weiterhin nicht auf Aussagen Die Änderungen betreffen im Wesentli- Aktionär ab Wirksamwerden der Änderung von Vorstand und Aufsichtsrat in der HV chen drei Punkte. in Zukunft ein Fragerecht ein. In Zukunft reagieren könnten. Das wird als übermäßig HV MAGAZIN 01/2021
13 TITELTHEMA restriktiv kritisiert. ISS erklärte, dass dass zwischen dem Ende der Frist für die Vor der HV von der Gesellschaft zugäng- mit dem Ergänzungsantrag eines der Frageneinreichung und dem Start der HV lich zu machende Gegenanträge und Rechte der Aktionäre aus der Präsenz- ein freibleibender Tag liegt (Beispiel: HV- Wahlvorschläge – das heißt solche, die HV wiederhergestellt werden soll. Sie- Termin: 20. Mai 2021; Fristende: 18. Mai der Gesellschaft mindestens 14 Tage mens selbst hat den Antrag als nicht 2021, 24:00 Uhr; der 19. Mai 2021 bleibt vor der Versammlung übersandt wur- zielführend beschrieben. frei). den – gelten künftig als in der HV gestellt. Der den Antrag stellende Aktionär muss Es ist davon auszugehen, dass eine vor- Eine weitere Variante besteht darin, die dafür ordnungsgemäß legitimiert sein, sätzliche Verletzung des Fragerechts zu Fragen bis 24 Stunden vor Beginn der HV also seinen Anteilsbesitz nachgewie- einem Anfechtungsgrund werden kann. In eingehen zu lassen (Beispiel: HV-Termin: sen haben, und zur HV angemeldet dem Fall, dass die zulässige Frage von der 20. Mai 2021, 10:00 Uhr; Fristende: 19. Mai sein. Gesellschaft bewusst ignoriert wurde und 2021, 10:00 Uhr). die Information nach § 243 IV 1 AktG rele- Damit wurde die Best Practice der HV- vant gewesen wäre, hätte eine Anfech- Bei der dritten Möglichkeit könnten Fragen Saison 2020 in die Gesetzesänderung tungsklage Aussicht auf Erfolg. bis zum Vortag der HV um 24:00 Uhr einge- aufgenommen, da viele Emittenten den hen (Beispiel: HV-Termin: 20. Mai 2021; Aktionären dieses Recht schon in der Frist für die Einreichung Fristende: 19. Mai 2021, 24:00 Uhr). In die- vergangenen HV-Saison gewährt hatten. der Fragen sem Fall würde es sich für die Emittenten anbieten, für den Beginn der HV einen späte- Weiterhin davon ausgeschlossen bleiben Auch die Frist der Frageneinreichung der Akti- ren Startpunkt am Tag zu erwägen. Da der Geschäftsordnungsanträge, wie zum Bei- onäre wird neu geregelt. Bislang konnte der Ablauf der virtuellen HV weiterhin überschau- spiel ein Antrag auf die Abwahl des Ver- Vorstand vorsehen, dass Fragen bis zwei Tage und planbar bleibt, könnte sie auch erst am sammlungsleiters. vor der HV eingereicht werden müssen. Zu- frühen Nachmittag beginnen. So ließe sich künftig muss den Aktionären für die Fragen- für die Aktionäre die Frist zu Frageneinrei- Fazit einreichung ein Tag länger gewährt werden. chung so weit wie möglich ausdehnen und Ob dies dem Aktionärsinteresse zuträglich ist, gleichzeitig die Möglichkeit wahren, die Durch die Änderungen am bestehenden wird sich zeigen müssen: Die Erfahrung der Beantwortung aller eingegangenen Fragen Gesetz wurden einige Kritikpunkte von In- vergangenen HV-Saison hat gezeigt, dass vie- vor dem Beginn der HV zu schaffen. vestoren und Aktionärsvereinigungen an le Aktionärsfragen erst kurz vor dem Ablauf den Regelungen zur virtuellen HV aufge- der Frist eingereicht wurden, und die Qualität Regelung für Anträge und Wahl- griffen. Dabei wurde jedoch von weitrei- der Antworten nahm ab, je später die Frage vorschläge von Aktionären chenden Änderungen abgesehen, um be- eingereicht wurde. reits etablierte Prozesse nicht durcheinan- Weiterhin hat der Gesetzgeber im Umgang derzubringen. Es bleibt abzuwarten, wie Zudem existieren – mangels Vorgaben – mit Anträgen und Wahlvorschlägen von die Emittenten – besonders bei der Frist- drei unterschiedliche Ansätze für die Frist- Aktionären die sogenannte Fiktionslösung berechnung für die Frageneinreichung – berechnung. Die erste Möglichkeit ist, im Gesetz ausdrücklich verankert. damit umgehen werden. TIMELINE 18. Mai 2021, Ein Tag 19. Mai 2021, 24 Stunden 19. Mai 2021, 24:00 Uhr 20. Mai 2021, 24:00 Uhr 10:00 Uhr 24:00 Uhr 10:00 Uhr freibleibend vor HV des Vortages Quelle: Link Market Services GmbH HV MAGAZIN 01/2021
14 TITELTHEMA Stärkung der Aktionärsrechte: Pro Änderungen Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung Zustand der Aktionärsrechte in Deutschland DANIEL BAUER auf. Eigentümern verwehren zu wollen, eige- Vorstandsvorsitzender, ne Kandidaten für das Kontrollgremium zur SdK – Schutzgemeinschaft Wahl vorzuschlagen oder Gegenanträge der Kapitalanleger e.V. zum Beispiel zur Gewinnverwendung von bauer@sdk.org der Zustimmung der Verwaltung abhängig zu machen, ist unter keinen Umständen akzep- tabel. Man stelle sich einmal vor, die Wahl der Listenkandidaten der Parteien im Vorfeld einer Wahl würde von der Zustimmung der jeweiligen Regierung abhängen oder die Die Rechte der Aktionäre wurden in den zurückliegenden Oppositionsparteien müssten vorab alle Fra- zwei Jahrzehnten massiv beschnitten. Dieser Trend gen an die Bundesregierung im Vorfeld einer Bundestagsdebatte schriftlich einreichen wurde durch die Corona-Pandemie noch verschärft. und der Bundesregierung stände es dann Die zuletzt vorgenommenen Korrekturen müssen den frei, zu bestimmen, welche Fragen gestellt werden dürfen und welche man auch beant- Anfang einer Trendwende darstellen. worten möchte. Stellt man sich so demokra- tische Kontrolle vor? Das wäre wohl undenk- bar – nicht umsonst hat der Bundestag auf Die zurückliegenden zwei Jahrzehnte waren fällt somit völlig weg. Dabei ist die Kommuni- die Durchführung der Bundestagssitzungen für Verfechter der Aktionärsdemokratie eine kation – auch und gerade der Aktionäre unter- in virtueller Form bislang verzichtet. Leidenszeit. So wurde unter anderem die einander – ein zentrales Element einer Klagebefugnis gegen Beschlüsse der Haupt- Hauptversammlung, denn nur so können Rückkehr zur versammlung (HV) beschränkt, ein Freiga- Missstände aufgedeckt, effektiv Kontrolle Präsenz-HV zwingend beverfahren eingeführt und die Redezeitbe- ausgeübt und Änderungen herbeigeführt grenzung verschärft. Die im Zuge der Corona- werden. Dem Rede- und Fragerecht der Akti- Auch der politische Untersuchungsaus- Pandemie geschaffene Notfallgesetzgebung onäre kommt eine zentrale Bedeutung dabei schuss im Fall Wirecard hat darauf bestan- führt jedoch deutlich zu weit und muss zu, dass diese ihre Pflichten wie die sorgfäl- den, wichtige Zeugen persönlich und gerade schnellstmöglich beendet werden. Die in die- tige Auswahl von Aufsichtsräten und Wirt- nicht per Videokonferenz zu befragen: Denn sem Rahmen geschaffene Form der virtuel- schaftsprüfern überhaupt erfüllen können. der persönliche Kontakt ist das A und O der len HV verdient diesen Namen nicht und Kommunikation – sowohl mit der Verwal- täuscht darüber hinweg, dass es sich dabei Kaum Verbesserungen tung als auch mit anderen Aktionären. weniger um eine Versammlung als um einen Monolog des Managements handelt, bei dem Die nun beschlossenen Änderungen hin- Die Dynamik, die eine Präsenz-HV entwi- dieses nur die ihm bequemen Fragen der sichtlich der Einführung eines Fragerechts, ckeln kann, wird es bei einer virtuellen Aktionäre beantworten muss – Fragen, die der Verkürzung der Einreichungsfrist von Hauptversammlung niemals geben. Daher zuvor elektronisch übermittelt wurden. Fragen von zwei auf einen Tag vor der HV und kann die virtuelle HV nur eine Ergänzung zur der Möglichkeit, tatsächlich wieder Gegenan- Präsenz-HV sein, zu der wir schnellstmög- Eine spontane interaktive Kommunikation träge und Wahlvorschläge zu stellen, sind zu lich zurückkehren müssen. Die jetzt durch- mit der Verwaltung, insbesondere das Stel- begrüßen. Dass diese grundlegenden Rech- geführten Änderungen im Vorfeld der HV- len von Nachfragen oder gar die Diskussion te überhaupt zur Diskussion gestellt wurden, Saison 2021 sind daher nur ein erster, ganz strittiger Punkte während der „Versammlung“ zeigt jedoch deutlich den verheerenden kleiner Schritt, der aber zu begrüßen ist. HV MAGAZIN 01/2021
15 TITELTHEMA Stärkung der Aktionärsrechte: Contra Änderungen Rechtsunsicherheit zur Unzeit Die Ermessensvorschriften für die Prä- DR. FRANZ-JOSEF LEVEN senzhauptversammlung wie beispiels- stellvertretender Geschäftsführer, weise § 131 Abs. 2 AktG helfen nicht weiter, Deutsches Aktieninstitut e.V. da nicht eindeutig geklärt ist, ob diese auf die virtuelle Hauptversammlung anwend- leven@dai.de bar sind. Die Rechtsunsicherheit, die mit der Fragebeantwortung jetzt einhergeht, ist hoch. Diese kann dazu führen, dass Unter- nehmen während der Hauptversammlung keine Nachfragen zulassen, da der Umgang mit einer möglichen Frageflut ungeklärt Mitte Dezember 2020 änderte der Gesetzgeber völlig überra- ist. Den Aktionären hat der Gesetzgeber schend – und höchst unüblich – die erst wenige Wochen zuvor mit der Umwandlung der Fragemöglichkeit in ein Fragerecht damit letztlich einen verlängerten Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung. Bärendienst erwiesen. Diese Vorgehensweise sorgte bei Unternehmen für große Darüber hinaus wurde die Frist zur Vorabein- Verunsicherung. Vor allem Unternehmen, die ihre Hauptver- reichung von Fragen von zwei auf einen Tag sammlungen Anfang des Jahres abhalten, standen plötzlich vor der Hauptversammlung verkürzt. Unter- nehmen haben damit weniger Zeit, die Antwor- bei der – komplexen – Planung ihrer Hauptversammlung ten vorzubereiten. Dies ist bedauerlich, hat neuen Herausforderungen gegenüber. sich doch gerade in der Hauptversamm- lungssaison 2020 gezeigt, dass die Antwor- ten durch das Vorabeinreichen der Fragen Um sich Klarheit über die rechtlichen Folgen Vorstands, ob er Fragen der Aktionäre beant- bis zwei Tage vor der Hauptversammlung der Gesetzesänderung zu verschaffen, wortet, wurde gestrichen. Die Umwandlung an Qualität gewonnen haben. mussten einige Unternehmen den Zeitpunkt der Fragemöglichkeit in ein Fragerecht führt der Einberufung ihrer Hauptversammlung zu einer ganz erheblichen Verunsicherung Durch die Änderung des COVID-19-Gesetzes (HV) verschieben. Geplante Hauptversamm- bei den Unternehmen. Ihre Sorge, dass gelten nun vorab eingereichte Anträge der lungsaktivitäten wie das Zulassen von Nach- die Hauptversammlung aufgrund des Aktionäre als in der Hauptversammlung fragen während des HV-Tages wurden über- Missbrauchs des Fragerechts durch einen gestellt. Auf diese Weise werden nun im Ein- dacht und Hauptversammlungseinladungen oder mehrere Aktionäre nicht mehr rechtssi- klang mit dem Gesetz ordnungsgemäße An- entsprechend umgeschrieben. Die Über- cher durchgeführt werden kann, hat neue träge zu Recht berücksichtigt. gangsfrist von zwei Monaten bis zum Inkraft- Nahrung erhalten. treten der neuen Regelungen, die der Gesetz- Die Änderungen der Regelungen der virtuellen geber dann noch in das Gesetz aufnahm, Während bei einer Präsenzhauptversamm- Hauptversammlungen hatten zum Ziel, die führte schließlich dazu, dass die Unterneh- lung die Rednerliste geschlossen werden Interaktion zwischen Aktionären und Manage- men ihre Hauptversammlung wenigstens kann, ist es bei der virtuellen Hauptversamm- ment zu verbessern. Allerdings droht gerade nicht kurzfristig absagen mussten. lung möglich, Tausende Fragen binnen Sekun- aus Anlegersicht, dass sie sich kontrapro- den beim Unternehmen einzureichen. Ist der duktiv auswirken. Zielführender wäre es Inhaltlich wurden drei gravierende Ände- Vorstand gezwungen, alle Fragen zu beant- gewesen, den Unternehmen die Chance zu rungen vorgenommen. So sehen die Rege- worten, ist dies rein zeitlich nicht zu bewälti- geben, die Erfahrungen zu nutzen, die sie lungen zur virtuellen Hauptversammlung gen. Deshalb ist es erforderlich, ein angemes- 2020 mit dem neuen virtuellen Hauptver- in der geänderten Fassung statt einer Fra- senes Ermessen des Vorstands nicht nur beim sammlungsformat gesammelt haben, um gemöglichkeit des Aktionärs ein Fragerecht Wie, sondern auch beim Ob der Beantwortung darauf aufbauend im Jahr 2021 Neues beim vor. Das pflichtgemäße, freie Ermessen des von Fragen gesetzlich zu verankern. Thema Aktionärsfragen auszuprobieren. HV MAGAZIN 01/2021
16 TITELTHEMA Unvorhergesehene Überraschungen Virtuelle Hauptversammlung: jetzt aktionärsfreundlicher? CHRISTOF SCHWAB Director Business Development, Computershare christof.schwab@computershare.de Der Gesetzgeber hat im März letzten Jahres das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (COVID-19-Gesetz) verabschiedet. Seither wurden nahezu alle Hauptversammlungen als virtuelle präsenz- lose Versammlungen umgesetzt. Der Gesetzgeber hat die Durchführbarkeit und die Herbeiführung der notwendigen Beschlüsse in den Vordergrund gestellt. Frage-, Antrags- und Anfechtungsrechte Aktionäre wird zu einem Fragerecht. Dane- die Fiktionslösung für Anträge oder wurden eingeschränkt, um die Risiken ben können Fragen nun bis zu einem Tag Wahlvorschläge vor, die nach dem § 126 für Emittenten temporär zu beschränken. vor der Hauptversammlung eingereicht oder § 127 AktG zugänglich zu machen Das Gesetz war als zeitlich begrenzte Rege- werden. Auf diese Weise werden wir den sind. lung konzipiert, die einmalig um ein Jahr verfassungsrechtlichen Anforderungen verlängert werden konnte. Von dieser an die Aktionärsbeteiligung gerecht.“ Virtuelle Hauptversammlung Möglichkeit wurde wie erwartet Gebrauch 2.0: Was wird damit gemacht: Der Referentenentwurf für die Das ist eine Klarstellung, die viele Aktio- alles besser? Verlängerung des COVID-19-Gesetzes regt näre freuen wird – besonders diejeni- an, virtuelle Hauptversammlungen nur gen, die eine Anfechtungsklage wegen Es stellt sich die Frage, was sich bei den dann abzuhalten, wenn dies aufgrund der unverhältnismäßiger Beschneidung ihrer virtuellen Hauptversammlungen 2021 im pandemischen Lage erforderlich scheint. Eigentumsrechte eingereicht haben. Bei Vergleich zu 2020 ändern wird: Aktionäre Emittenten dürfte dies weniger Anlass bekommen mehr Zeit für die Frageneinrei- So viel zum erwarteten dramaturgischen zur Freude gegeben haben, denn die ver- chung. Die Fiktionslösung für Anträge und Ablauf. Dann aber brachten uneindeutige fassungsrechtliche Unsicherheit wird Wahlvorschläge hatte sich letzte Saison Twitter-Meldungen der CDU/CSU-Fraktion damit seitens eines Mitglieds des ohnehin schon als Quasistandard etab- rund um Aktionärsrecht und Co Überra- Rechtsausschusses unterfüttert. Die liert. Neu ist das Fragerecht statt der Fra- schungen. In der daran anschließenden Gesetzesänderung verkürzt die mögli- gemöglichkeit. Die Unklarheit, ab wann Pressemeldung zur Gesetzesänderung che Frist zur Frageneinreichung von zwei das Gesetz gültig sein wird, blieb bis stellte Prof. Dr. Heribert Hirte von der Tagen auf einen Tag, macht aus der Fra- kurz vor dem Jahreswechsel 2020/2021 CDU dann klar: „Die Fragemöglichkeit der gemöglichkeit ein Fragerecht und sieht bestehen. HV MAGAZIN 01/2021
17 TITELTHEMA Die Aktionäre waren sich überwiegend einig, Diese Diskussion findet aktuell auf vielen Möglichkeit noch breiter genutzt werden, dass die Gesellschaften die eingereichten Kanälen statt. So antwortet Joe Kaeser wie beispielsweise bei Infineon 2021 als Fragen beantwortet haben. Auch die Ant- über Twitter auf eine Aktionärsnachfrage erster Gesellschaft. wortqualität wurde allgemein mehr gelobt zu fehlenden Frage- und Nachfragemög- als getadelt, Einzelfälle ausgenommen. Inso- lichkeiten, dass die heutige One-Way-Praxis Virtuelle Hauptversammlung fern haben die Emittenten die Fragemöglich- nicht bleiben könne. Sobald es einen verläss- weiter in Räumen der Gesellschaft keit bereits in der letzten Saison wie ein lichen Rechtsrahmen für virtuelle Hauptver- Fragerecht gehandhabt. Allerdings wurden sammlungen gebe, müsse gegebenenfalls Wie letztes Jahr werden wohl die meisten Fragen während der ersten virtuellen Haupt- ein Live-Dialog ermöglicht werden. Gesellschaften die virtuelle Hauptversamm- versammlungssaison sehr gerne unmittelbar lung in den eigenen Räumen abhalten. In der vor Einreichungsschluss eingereicht. Dieses Dr. Paul Achleitner zieht als Aufsichtsratsvor- letzten Saison war dies bei über 80% unserer Verhalten zeigte sich unabhängig von der sitzender der Deutschen Bank ein positives Kunden der Fall. Widersprüche waren in der Fristlänge. Die qualifizierte Beantwortung Resümee und fordert in einem Artikel für das vergangenen Saison fast der Standard – es einer Vielzahl komplexer Fragen in kurzer Handelsblatt auf, die virtuelle Hauptversamm- wurde bei über 80% der Gesellschaften ein Zeit wird breit aufgestellte Unternehmen lung zu einer dauerhaften Alternative weiter- Widerspruch zu Protokoll gegeben. Wegen vor große Herausforderungen stellen. zuentwickeln. Er regt an, einen rechtlichen der Unklarheiten, was ein Fragerecht ohne Rahmen für Nachfragen zu schaffen. Die eine veränderte Anfechtungsmöglichkeit Interessant wird, welche Möglichkeiten ein Gesellschaften ermuntert er, die Freiheitsgra- bedeutet, erwarten wir keinen Rückgang der Aktionär hat, wenn die Fragen nicht beant- de des neuen Formats zu nutzen und Elemen- Widersprüche. wortet werden. Ist das dann irrelevant, da er te wie beispielsweise Videobeiträge oder eine nur ein Frage-, aber kein Auskunftsrecht externe Moderation in Erwägung zu ziehen. Und 2022? hat, und wurden deshalb die Anfechtungs- möglichkeiten nicht angepasst? Was ist Dies zeigt, dass die Forderung der Aktio- Die spannende Frage, was 2022 passiert, ein Fragerecht wert, wenn die Konsequen- näre, Nachfragen zuzulassen, Gehör findet. wird vom Gesetzgeber nicht beantwortet, ja zen aus der Nichtbeantwortung der Fragen Einige Gesellschaften planen, dies in der noch nicht einmal angedeutet. Prof. Dr. Hirte nicht berücksichtigt wurden? Ob beabsich- kommenden Hauptversammlung anzubieten. erwähnt zwar auf Twitter, dass man 2021 tigt oder unbeabsichtigt: Der Gesetzgeber Es bleibt abzuwarten, ob die Unternehmen schauen müsse, wie es mit der Hauptver- lässt offen, ob die Auskunft im Mittelpunkt trotz der geänderten Rahmenbedingungen sammlung 2022 weitergehe. Ob dies vor steht oder die formale Fragestellung. Es daran festhalten. der Bundestagswahl in Angriff genommen liegt bei der Formulierung nahe, dass kein wird, bleibt ungewiss. Es haben sich bereits Auskunftsrecht eingeräumt wird. Das würde Die letzte Saison hat bereits gezeigt, dass mehrere Unternehmen mit dem Wunsch bedeuten, dass der Vorstand Fragen beant- sich die Gesellschaften 2020, nachdem geäußert, die Hauptversammlung zu refor- worten muss, das „Wie“ aber ihm überlassen sich Unsicherheiten in der Realisierung mieren und die neuen erfolgreichen virtuel- bleibt. Inhaltlich muss die Antwort den Aktio- der virtuellen Hauptversammlung gelegt len Elemente aufzunehmen. när nicht zufriedenstellen. hatten, um immer aktionärsfreundlichere Lösungen bemüht haben. Dies betrifft auch Die Mehrheit der Unternehmensbeiträge Besteht die Nachfrage nach die Bereitstellung von Aktionärsbeiträgen favorisiert ein virtuelles Hauptversammlungs- Nachfragen? auf der Website oder dem Aktionärsportal Set-up. Von einigen Aktionären werden hyb- vor der Hauptversammlung. Vonovia hat ride Hauptversammlungen als Chance für Vonseiten der Aktionäre wurde letzte Saison als Gesellschaft Aktionärsbeiträge zuge- Innovation gesehen. Für die Unternehmen mehrfach angeregt und gefordert, den lassen – Gesellschaften wie GEA sind bedeutet der aktuelle Status wohl, dass sie für Aktionären ein Nachfragerecht einzuräumen. gefolgt. In dieser Saison dürfte diese 2022 Versammlungsorte buchen sollten. HV MAGAZIN 01/2021
sponsored by 18 AUSTRIA CORNER Marinomed Biotech AG: österreichischer Hoffnungsträger im Kampf gegen Corona Ein Spray gegen das Virus DR. ANDREAS GRASSAUER Chief Executive Officer, Marinomed Biotech AG andreas.grassauer@marinomed.com Biotech ist plötzlich nicht mehr nur Thema für Expertenrunden – seit BioNTech und Co. mit Impfstoffen gegen das Coronavirus die Berichterstattung dominieren, beschäftigen sich auch Laien damit. Das treibt die Aktienkurse der Biotechs und verschafft ihnen die Platt- form, die ihre Arbeit verdient. In Österreich ist die Marinomed Biotech AG eine der Firmen, die vom neuen Interesse an Biotech profitieren. Die Wiener kämpfen mit ihrer For- schung auch gegen das Coronavirus. Sein ganzes wissenschaftliches Leben hat Acropora. Nur zwei Jahre später folgte die Viren“, erklärt Dr. Grassauer. „Man muss sich Dr. Andreas Grassauer mit Viren be- nächste Finanzierungsrunde mit Acropo- sich die Wirkung vorstellen wie bei einer fasst – und damit, was man gegen diese ra, zudem die Markteinführung des ersten Klette, die man umwickelt: Sie kann nicht ausrichten kann. 2006 gründete der Bio- Produkts, der sogenannten Carragelose. mehr haften.“ Genauso wenig könnten die technologe mit Schwerpunkt Virologie ein Viren nach dem Verkleben durch die Carra- eigenes Unternehmen: eine Firma, die sich Carragelose: ein Wirkstoff gelose noch in Zellen eindringen. Ihre Zahl zunächst dem Thema Virenbekämpfung gegen das Coronavirus? reduziere sich um 90% oder mehr. Dr. Gras- verschrieben hat. 14 Jahre später brach sauer: „Dadurch werden Erkrankte schneller ein Virus über die Welt herein, das die Lebens- Eben diese antivirale Verbindung, ein Poly- wieder gesund.“ Die Carragelose gibt es als weise der Menschen so dramatisch verän- mer aus der Rotalge, entpuppt sich nun Nasen- oder Rachenspray im Handel. dert hat wie kaum ein geschichtliches Ereig- als vielversprechender Wirkstoff gegen nis zuvor. Und auch Dr. Grassauers Wiener das Coronavirus. Entwickelt wurde die Bereits in der Vergangenheit hatte Marino- Marinomed verfolgt seither vor allem ein Carragelose ursprünglich als breitenwirk- med die Wirksamkeit der Carragelose ge- Ziel: Mittel zu finden, die dieses Virus ein- sames Mittel gegen verschiedene Erkäl- gen Coronaviren getestet – mit positivem dämmen können; Mittel, die gegen das Coro- tungsviren. Dr. Grassauer: „Es ist nicht leicht, Resultat. Als im vergangenen Jahr das Foto: © butenkow – stock.adobe.com navirus SARS-CoV-2 wirksam sind. respiratorische Infektionskrankheiten wie neuartige Coronavirus ausbrach, prüften Husten, Schnupfen oder Heiserkeit früh und Dr. Grassauer und sein Team ihre alten Er- Als Spin-off der Universität Wien wurde die gezielt zu therapieren.“ Laut dem Biotechno- hebungen und kamen schnell zu dem Marinomed AG zunächst mit Eigenkapital logen gibt es mehr als 200 unterschiedliche Schluss, dass ihr Polymer mit großer der Gründer finanziert. Noch im ersten Viren, die Erkältungen auslösen. Die Carrage- Wahrscheinlichkeit auch gegen die neue Geschäftsjahr sicherte sich das Unterneh- lose, so der Marinomed-CEO, bekämpft Variante wirksam ist. Aktuell laufen zwei men dann eine Seed-Finanzierung von zahlreiche davon. „In Form einer physika- klinische Studien, die diese Hypothese bele- aws Gründerfonds und dem Family Office lischen Bindung verklebt das Polymer die gen sollen. Noch in den nächsten Monaten HV MAGAZIN 01/2021
Sie können auch lesen