Elektronischer Sonderdruck für K. Kral - Ein Service von Springer Medizin - ACIR

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HNO
 Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie
 Deutsche Akademie für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie

Elektronischer Sonderdruck für
K. Kral
Ein Service von Springer Medizin

HNO 2014 · 62:367–373 · DOI 10.1007/s00106-013-2832-y

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

K. Kral · B. Streicher · I. Junge · R. Lang-Roth

Phonologische Entwicklung bei Kindern mit
Cochleaimplantat(en)

                                                                          Diese PDF-Datei darf ausschließlich für nichtkommerzielle
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                                                                          auch soziale und wissenschaftliche Netzwerke und
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  www.HNO.springer.de
Originalien

HNO 2014 · 62:367–373                           K. Kral · B. Streicher · I. Junge · R. Lang-Roth
DOI 10.1007/s00106-013-2832-y                   Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Uniklinik Köln,
Online publiziert: 1. März 2014
                                                Cochlear Implant Centrum Köln
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion
P.K. Plinkert, Heidelberg
                                                Phonologische
                                                Entwicklung bei Kindern
B. Wollenberg, Lübeck

                                                mit Cochleaimplantat(en)

Phonologische Entwicklung                       zeitpunkten überwunden werden. Es tre-                    Beidseits gehörlose Kinder mit CI
                                                ten im Alter von 2;0–4;11 Jahren verschie-
Grundlagen                                      dene physiologische phonologische Pro-                    Aktuell liegen im deutschsprachigen
                                                zesse zur Vereinfachung der Aussprache                    Raum wenige Untersuchungen zur pho-
Ein Phonem ist die kleinste bedeutungs-         auf, wie z. B. die Tilgung unbetonter Sil-                nologischen Entwicklung von Kindern
unterscheidende Einheit [3, 10], und es         ben (TUS: z. B. „Nane“ statt „Banane“)                    mit CI vor. Trotz einer guten technischen
existieren im Deutschen 23 Konsonanten,         oder die Reduktion von Konsonantenver-                    Versorgung und optimaler Einstellung der
13 Vokale und 3 Diphtonge [10]. Die pho-        bindungen (RKV: z. B. „Tecka“ statt „Tre-                 Sprachprozessoren scheint die Sprachent-
nologischen Systeme, auch aus derselben         cker“). Hingegen liegt eine phonologische                 wicklung [14], insbesondere die phonolo-
Sprachfamilie, unterscheiden sich teilwei-      Verzögerung dann vor, wenn mindestens                     gische Entwicklung bei Kindern mit CI ei-
se stark, sodass Untersuchungen zur pho-        einer dieser Prozesse mindestens 6 Mo-                    nige Besonderheiten und eine hohe Varia-
nologischen Entwicklung aus andersspra-         nate länger besteht als im Normalkollek-                  bilität aufzuweisen [8]. In einzelnen Stu-
chigen Ländern nur ansatzweise übertrag-        tiv. Pathologische Prozesse sind Verein-                  dien, auch an deutschsprachigen Kin-
bar sind [4].                                   fachungen, die in der regulären Sprach-                   dern, wird unter Berücksichtigung des
    Im Lauf der Sprachwicklung lernen           entwicklung nicht vorkommen. Hierzu                       Lebensalters von Auffälligkeiten in der
Kinder, die Einzellaute (Phone) der Mut-        zählt exemplarisch die Rückverlagerung                    phonologischen Entwicklung berichtet.
tersprache zu bilden, und das Lautinven-        von Alveolaren (RVA: z. B. „Kelefong“                     Bei Zugrundelegung des Höralters wur-
tar des Kindes wächst an. Es lernt, Pho-        statt „Telefon“). Zeigt das Kind mindes-                  de in 2 Untersuchungen mit normal hö-
ne in Lautverbindungen zu verwenden,            tens einen pathologischen Prozess, ist dies               renden Kindern eine vergleichbare Ent-
die in der Muttersprache vorkommen. Im          nach Fox [10] eine konsequente phonolo-                   wicklung festgestellt [2, 15]. Dagegen lie-
Anschluss werden die Objekt-Laut-Zu-            gische Störung. Insbesondere die patholo-                 ßen sich in einer anderen Untersuchung
ordnung und die Fähigkeit zur Bildung           gischen Prozesse machen eine therapeu-                    die von Fox [9, 10] aufgeführten Alters-
der Phone in der entsprechenden Rei-            tische Intervention erforderlich [5]. Wei-                angaben zur Überwindung der phonolo-
henfolge in einem Wort erworben. Damit          terhin kann eine inkonsequente phono-                     gischen Prozesse nicht ohne Einschrän-
können die Phone nun phonemisch ein-            logische Störung auftreten. Hierbei setzt                 kungen auf Kinder mit CI übertragen,
gesetzt werden [10].                            das Kind bei einem Wort eine wechselnde                   auch nicht bei Zugrundelegung des Hör-
    Nach Fox [10] ist das Phoneminventar        Aussprache (z. B. für „Trecker“ die Äuße-                 alters [8]. Die phonologische Entwicklung
im Deutschen im Alter von 4;6–4;11 Jah-         rungen „Treta“ und „Teta“) ein [9].                       war – bezogen auf das Höralter – verzö-
ren vollständig erworben (bei Zugrunde-             Zur Einschätzung der phonologi-                       gert, und einige Prozesse, wie die Reduk-
legung des 90%-Kriteriums). Zuerst wer-         schen Entwicklung hat Fox in Anleh-                       tion von Konsonantenverbindungen, Til-
den die Phoneme /m/, /b/, /d/, /t/ und /n/      nung an Dodd für den deutschsprachi-                      gung von Konsonanten, Tilgung von Sil-
erworben (1;6–1;11 Jahre), wohingegen           gen Raum das Verfahren „Psycholingu-                      ben, Vorverlagerungen und Rückverlage-
z. B. das /sch/ ein Laut ist, der erst später   istische Analyse kindlicher Sprechstörun-                 rungen, traten gehäuft auf [8].
erworben wird (4;6–4;11 Jahre).                 gen“ (PLAKSS) entwickelt [9]. Dies er-                        In einer weiteren deutschsprachigen
    Im Verlauf der normalen Sprachent-          möglicht die altersabhängige Überprü-                     Untersuchung wurde die Aussprache von
wicklung zeigen Kinder phonologische            fung der phonologischen Entwicklung.                      24 schwerhörigen Kindern (gering- bis
Prozesse, die zu unterschiedlichen Alters-                                                                hochgradig, davon 2 Kinder mit CI) mit

                                                                                                                                      HNO 5 · 2014   | 367
Originalien

        Tab. 1    Alter bei Erstanpassung zum Testzeitpunkt 1                                                          auf den Befunden des eingebundenen So-
        Alter bei Erstanpassung        Anzahl der Kinder       Durchschnittswert des Lebensalters (Jahre;              zialpädiatrischen Zentrums (SPZ), ausge-
                                                               Monate)                                                 schlossen.
        36 Monate                     5                       8;3                                                     schen 1;3 und 10;4 Jahren auf (n=33, davon
        Anzahl der Kinder zum Zeitpunkt T1 nach Einteilung in 4 Altersgruppen bei Erstanpassung und Angabe des         m=15, w=18). Das durchschnittliche Hör-
        durchschnittlichen Lebensalters zum Zeitpunkt der Testdurchführung.                                            alter mit CI betrug 4;11 Jahre. Das jüngs-
                                                                                                                       te Kind war zum Zeitpunkt der Erstan-
        Tab. 2    Anzahl der Kinder in den Gruppen 1, 2 und 3 zum Testzeitpunkt 0 und Testzeitpunkt 1
                                                                                                                       passung 5 Monate, das älteste Kind 5 Jah-
                              Höralter zu T0           Anzahl der Kinder zu T0          Anzahl der Kinder zu T1        re alt. Die Altersverteilung zum Zeitpunkt
        Gruppe 1              2;0–2;11 Jahre           3                                6                              der Erstanpassung ist in . Tab. 1 darge-
        Gruppe 2              3;0–3;11 Jahre           10                               12                             stellt.
        Gruppe 3              4;0–4;11 Jahre           9                                7                                  Es waren 14 Kinder zwei-, oder mehr-
        Anzahl der Kinder in den 3 Höraltergruppen zu T0 und T1, ausgehend von der Einteilung in die Höraltergruppen   sprachig. Einseitig mit einem CI waren
        2;0–2;11, 3;0–3;11 und 4;0–4;11 Jahre Höralter zu T0.
                                                                                                                       9%, beidseitig 65% und bimodal (mit Hör-
                                                                                                                       gerät und CI) 26% versorgt. Die Implanta-
    24 Kindern mit einer spezifischen Sprach-                    ein signifikant häufigeres Auftreten von              te verteilten sich auf 3 Firmen: Advanced
    entwicklungsstörung (SSES) im Alter zwi-                     initialer Plosivierung, Reduktion finaler             Bionics 9%, Med-El 26% und Cochlear
    schen 5;1 und 6;11 Jahren verglichen. Die                    Konsonanten, Reduktion initialer Konso-               65%. Alle Kinder erhielten nach Implan-
    Analyse der fehlgebildeten Laute der Kin-                    nantenverbindungen und Tilgung unbe-                  tation Hör-Sprach-Therapie nach audi-
    der mit einer geringgradigen Schwerhö-                       tonter Silben fest [7].                               tiv-verbalen-Prinzipien. Zusätzlich wur-
    rigkeit ergab im Mittel 5, die der mittel-                                                                         den einige Kinder sprachtherapeutisch/
    gradig schwerhörigen Kinder 4 und die                        Studiendesign                                         logopädisch gefördert.
    der hochgradig schwerhörigen Kinder 6                                                                                  Die Gruppe T0 bestand aus 31 Kin-
    inkorrekt gebildete Laute. Die beiden Kin-                   Hypothese und Fragestellung                           dern zwischen 2;1 und 10;7 Jahren mit
    der mit CI hatten mit 8 inkorrekt gebilde-                                                                         einem Höralter von 0;6–9;4 Jahren. Das
    ten Lauten die meisten Fehlbildungen. Im                     Die vorliegende Untersuchung soll klären,             Kollektiv wurde in 3 Höraltergruppen
    Vergleich zu den Kindern mit einer SSES                      ob und in welchem Zeitraum Kinder mit                 (. Tab. 2) unterteilt.
    ergaben sich nahezu identische Häufig-                       CI phonologische Prozesse überwinden
    keiten von Fehlbildungen. Am häufigsten                      und welche Auffälligkeiten sich im Ver-               Material und Methoden
    traten Ersetzungen (Substitutionen) und                      gleich zu hörenden Kindern zeigen. Es
    Auslassungen (Elisionen) auf. Bei den                        wird die Hypothese aufgestellt, dass Kin-             Das Testmaterial PLAKSS [9] besteht aus
    schwerhörigen Kindern waren die Fri-                         der mit CI bezogen auf ihr Höralter eine              einem Bildbenennungsverfahren mit 99
    kative (Zischlaute) am meisten von einer                     verzögerte phonologische Entwicklung                  Items und einem 25-Wörter-Test zur Fest-
    Fehlbildung betroffen [12].                                  aufweisen.                                            stellung einer phonologischen Inkonse-
        Eine amerikanische Studie verglich die                      Es wurde die Entwicklung der Aus-                  quenz. Das Wortmaterial entspricht dem
    phonologischen Muster von 6 Kindern                          sprache durch Testung mit der PLAKSS                  kindlichen Wortschatz und enthält alle
    mit CI mit der phonologischen Entwick-                       zu 2 Zeitpunkten analysiert.                          wesentlichen Laute und Lautverbindun-
    lung hörender Kinder (Spontansprach-                                                                               gen der deutschen Sprache [9].
    analysen). Die Autoren unterschieden                         Untersuchungskollektiv                                    Die Testdurchführung wurden durch
    entwicklungsgemäße und nicht entwick-                                                                              den Untersucher in der Untersuchungs-
    lungsgemäße Muster, die mit den physio-                      Ausgewertet wurden die Testergebnisse                 situation schriftlich festgehalten und ge-
    logischen und pathologischen Prozessen                       der PLAKSS aus den Jahren 2012 (T1) und               filmt (Canon GL1 3CCD Mini DV Cam-
    nach Fox [9, 10] vergleichbar sind. Das                      2010 (T0), die im Abstand von 15 Mona-                corder).
    durchschnittliche Lebensalter der 6 Pro-                     ten erhoben wurden. Die Daten wurden                      In die Auswertung gingen die Video-
    banden betrug 5 Jahre, das Implanta-                         in der Routinenachsorge im Cochlear Im-               aufnahme und die schriftlichen Aufzeich-
    tionsalter 2;4 Jahre, das Höralter 2;8 Jah-                  plant Centrum gewonnen. Eingeschlos-                  nungen der Untersucher ein, die durch 2
    re. Es lagen sowohl entwicklungsgemäße                       sen wurden deutschsprachige (ein- oder                voneinander unabhängige Untersucher
    als auch nichtentwicklungsgemäße Mus-                        mehrsprachig), beidseitig hochgradig, an              ausgewertet wurde. Die aufgezeichneten
    ter vor. Das am häufigsten vorkommende                       Taubheit grenzend schwerhörige Kinder,                Äußerungen des Kindes wurden mit der
    Muster war die „initiale Plosivierung“ und                   die ein- oder beidseitig mit einem CI ver-            Mitschrift abgeglichen und mithilfe des
    bei den nichtentwicklungsgemäßen Mus-                        sorgt waren. Das Alter lag zwischen 2 und             IPA (Internationales Phonetisches Alpha-
    tern die „regressive Assimilation“. Im Mat-                  11 Jahren, Patienten mit bekannten geis-              bet) transkribiert und in den Protokollbo-
    ched-Pair-Vergleich stellten die Autoren                     tigen Behinderungen wurden, basierend                 gen übertragen. Es wurden die im Manual

368 |   HNO 5 · 2014
Originalien                                  Zusammenfassung · Abstract

    angegeben Werte für hörende Kinder zur           HNO 2014 · 62:367–373  DOI 10.1007/s00106-013-2832-y
    Auswertung verwendet und auf das jewei-          © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
    lige Höralter bezogen.
                                                     K. Kral · B. Streicher · I. Junge · R. Lang-Roth
        Nach Auswertung der Daten erfolg-
                                                     Phonologische Entwicklung bei Kindern mit Cochleaimplantat(en)
    te ein Vergleich mit den zuvor erhobe-
    nen Daten, um Veränderungen in den               Zusammenfassung
    verschiedenen Altersgruppen über einen           Hintergrund. In der Sprachentwicklung zei-         dem Höralter (ab Zeitpunkt der Erstanpas-
                                                     gen hörende Kinder verschiedene phonologi-         sung gemessenes Alter) entsprechend. Die
    Zeitraum von 1;3 Jahren festzustellen. Die
                                                     sche Prozesse, die zu unterschiedlichen Zeit-      am häufigsten vorkommenden phonolo-
    statistische Auswertung erfolgte mit den         punkten überwunden werden. Die Prozes-             gischen Prozesse waren die Reduktion von
    Programmen: IBM SPSS Statistics 21 und           se stellen Vereinfachungen in der Ausspra-         Konsonantenverbindungen sowie Vorverla-
    Microsoft Office Excel 2007.                     che dar. Im deutschsprachigen Raum liegen          gerungen. Im Vergleich hatten 83% der Pro-
                                                     noch keine sicheren Daten vor, ob sich die-        banden zu T1 weniger nicht höraltergemäße
                                                     se Entwicklungsschritte auch auf gehörlose         phonologische Prozesse als zu T0.
    Ergebnisse                                       Kinder mit Cochleaimplantaten (CI) übertra-        Schlussfolgerung. Die phonologische Ent-
                                                     gen lassen.                                        wicklung bei Kindern mit CI verläuft nicht
    Testzeitpunkt 1                                  Material und Methoden. Die phonologische           höraltergemäß und strukturell anders als bei
                                                     Entwicklung bei gehörlosen Kindern mit CI          hörenden Kindern.
    In der Gesamtgruppe traten zwischen              wurde mit der Psycholinguistischen Analyse
    0 und 17 phonologische Prozesse (Me-             kindlicher Sprechstörungen (PLAKSS) unter-         Schlüsselwörter
                                                     sucht und ausgewertet (Testzeitpunkt 1= T1,        Cochleaimplantate · Phonologische
    dian: 3; 0,5–6) auf, die im individuel-
                                                     n=33) und mit der im Jahr zuvor durchge-           Entwicklung · Phonologische Prozesse ·
    len Höralter der Kinder nicht mehr auf-          führten PLAKSS-Diagnostik (Testzeitpunkt 0=        Hörschädigung · Sprachentwicklung
    treten dürfen bzw. pathologische Prozes-         T0, n=31) verglichen.
    se darstellen. Insgesamt 76% der Kinder          Ergebnisse. Zu T1 war bei 76% der Gesamt-
    wiesen eine dem Höralter nicht entspre-          gruppe die phonologische Entwicklung nicht
    chende phonologische Entwicklung auf,
    und bei 24% dieser auffälligen Kinder lag
    eine inkonsequente phonologische Stö-            Phonological development in children with cochlear implant(s)
    rung vor. Die 5 häufigsten Prozesse zäh-         Abstract
    len zu den physiologischen Prozessen: Re-        Background. Normal-hearing children show           did not correspond to their hearing age (as
    duktion von Konsonantenverbindungen              signs of various phonological processes dur-       measured from the time of the first CI im-
    (67%), Vorverlagerung (58%), Tilgung fi-         ing language development. These process-           plantation). The most frequently observed
                                                     es represent simplifications of articulation,      phonological processes were the reduction
    naler Konsonanten (39%), Sonosierung/
                                                     which are overcome at different time points.       of consonant clusters and fronting. Howev-
    Entstimmung (24%) und Plosivierung               For the German language, there are current-        er, 83% of the group had fewer phonological
    (24%). Neben den verzögerten physiolo-           ly no reliable data regarding whether these        processes inappropriate to their hearing age
    gischen Prozessen zeigten sich auch ei-          developmental stages also apply to deaf chil-      at T1 than they did at T0.
    nige pathologische Prozesse. Hier traten         dren with cochlear implants (CI).                  Conclusion. The phonological development
    insbesondere Vokalfehler (21%), Nasalie-         Materials and methods. Phonological de-            of children with CI is not equivalent to their
                                                     velopment in deaf children with CI was ex-         hearing age and is structured differently to
    rung (18%) und intrusive Vokale (18%) auf
                                                     amined and evaluated with the PLAKSS (“Psy-        that of normal-hearing children.
    (. Abb. 1).                                      cholinguistischen Analyse kindlicher Sprech-
        25 Kinder lassen sich in die 3 Höralter-     störungen“). The results of this analysis (time    Keywords
    gruppen einteilen (. Tab. 2). Höralter-          of test 1= T1, n=33) were compared to those        Cochlear implants · Phonological
    gruppe 1 weist im Median 4 Prozesse (2,5–        of a PLAKSS diagnostic evaluation performed        development · Phonological processes ·
                                                     1 year previously (time of test 0= T0, n=31).      Hearing impairment · Language
    6), Höraltergruppe 2 im Median 7 Prozes-
                                                     Results. At T1, 76% of the whole group             development
    se (1,5–11,5) und Höraltergruppe 3 im Me-        showed a phonological development that
    dian 2 phonologische Prozesse (0–5) auf.
    Im statistischen Gruppenvergleich zeigte
    sich im Kruskal-Wallis-Test kein signifi-
    kanter Unterschied zwischen den 3 Höral-       gleich (Kruskall-Wallis-Test) keine Signi-           Median 2,5, zuvor 6 nicht dem Höralter
    tergruppen (p>0,5).                            fikanz der Unterschiede (p>0,5).                     angemessene bzw. pathologische Prozes-
        In der Unterteilung nach Alter bei Erst-                                                        se vor (. Abb. 2).
    anpassung zeigt sich, dass die im 1. Le-       Vergleich mit Testzeitpunkt 0                           Bei 83% der Kinder kam es innerhalb
    bensjahr versorgten Kinder im Median                                                                von 15 Monaten zu einer Verbesserung.
    weniger auffällige Prozesse zeigen (Me-        Der Vergleich der Anzahl der phonolo-                Im Wilcoxon-Test war die Abnahme der
    dian: 1) als die 3 anderen Gruppen (12–24      gischen Prozesse im Abstand von 15 Mo-               phonologischen Prozesse von T0 zu T1 auf
    Monate: Median 2,5; 25–36 Monate: Me-          naten zeigte Folgendes: 24 Probanden der             dem Niveau (p36 Monate: Median 3). Auch hier       Gruppe zu T1 wurden bereits zu T0 mit                gische Prozesse traten zu T0 bei 75% der
    zeigt sich im statistischen Gruppenver-        der PLAKSS untersucht. Zu T1 lagen im                Kinder auf, zu T1 nur noch bei 37,5%.

370 |   HNO 5 · 2014
Auftretende phonologische Prozesse                                     cken sich mit den Ergebnissen aus ande-
                                                                                                          ren Studien [2, 8, 15]. Anders als bei einer
   Reduktion von Konsonantenverbindungen
                                  Vorverlagerung                                                          ausschließlich verzögerten Entwicklung
                   Tilgung finaler Konsonanten                                                            zu erwarten, traten tendenziell gehäuft
                                          Son/Ent
                                     Plosivierung                                                         Prozesse auf, die regulär früh überwun-
                                      Vokalfehler                                                         den wurden (. Abb. 2). Somit scheint
                                   Deaffrizierung
                      Tilgung unbetonter Silben                                                           die phonologische Entwicklung bei Kin-
                                     Nasalierung                                                          dern mit CI auch strukturell anders zu
                Intrusive Konsonanten / Vokale
   Tilgung finaler Konsonantenverbindungen
                                                                                                          verlaufen.
                                   Frikativierung                                                             Es traten sowohl physiologische Pro-
  Tilgung initialer Konsonantenverbindungen                                                               zesse mit einer Verzögerung auf, als auch
              Rückverlagerung von Alveolaren
                             Tilgung von Vokalen                                                          pathologische Prozesse, die daher als pho-
                  Tilgung initialer Konsonanten                                                           nologische Störung zu betrachten sind.
               Rückverlagerung von Sibilanten
                         Laterale Approximation                                                           Ein höheres Höralter scheint sich positiv
                    Rückverlagerung von /t d n/                                                           auf die phonologische Entwicklung aus-
                               Glottale Ersetzung
                         Tilgung betonter Silben                                                          zuwirken, so zeigten die Kindern in allen
                                   Onset Prozess                                                          3 Höraltergruppen zu T0 im Mittel mehr
                                     Assimilation
                                                                                                          phonologische Prozesse als zu T1. Das be-
                                                 0%          20%           40%       60%         80%
                                                                                                          deutet, dass die Kinder mit CI zwar später
                                                                                                          als normal hörende Kinder einzelne Pro-
Abb. 1 8 Verzögerte und pathologische phonologische Prozesse in prozentualer Häufigkeit zum Test-
zeitpunkt 1. Physiologische Prozesse grün, pathologische Prozesse rot, Son/Ent Sonosierung/Entstim-       zesse überwinden, sie aber dennoch hin-
mung (Lebensalter der Kinder: 4;1–9;11 Jahre)                                                             ter sich lassen und nicht zwingend aus
                                                                                                          einer Verzögerung eine lang anhaltende
                      Entwicklung der Prozessanzahl über 15 Monate                                        Störung entsteht. Nach den Kriterien von
                                         n = 24                                                           Fox [9, 10] wären viele Prozesse schon als
                 16                                                                                       Verzögerung und damit als behandlungs-
                                                                  Min
                                                                                                          bedürftig zu betrachten. Im Hinblick auf
                 14                                               Median
                                                                                                          die nicht höraltergemäße phonologische
                                                                  Mittelwert
                 12                                                                                       Entwicklung ist in einer weiteren Unter-
                                                                  Max
                                                                                                          suchung zu klären, ob die Kinder ein
                 10                                                                                       homogenes oder heterogenes Profil auf
 Prozessanzahl

                                                                                                          anderen linguistischen Ebenen aufwei-
                  8
                                                                                                          sen. In der Gruppe der Kinder, die unter
                  6                                                                                       12 Monaten mit einem CI versorgt wur-
                                                                                                          den, war die phonologische Entwicklung
                  4
                                                                                 Abb. 2 9 Vergleich der   am unauffälligsten. Diese Tendenz zeigt
                                                                                 Anzahl der Prozesse      sich auch in anderen Studien. Eine eng-
                  2
                                                                                 im Mittelwert, Medi-     lischsprachige Studie, in der die Produk-
                  0
                                                                                 an, Minimum und Ma-      tion von Lauten an verschiedenen Wort-
                              T0                             T1                  ximum zu den Testzeit-   positionen untersucht wurde, kam man
                                                                                 punkten T0 und T1
                                                                                                          zum Ergebnis, dass die Kinder, die vor
                                                                                                          dem 3. Geburtstag mit einem CI versorgt
   Die Reduzierung der phonologischen                     Diskussion                                      wurden, sich im Bereich der Lautentwick-
Auffälligkeiten (. Abb. 2) ist auch bei der                                                               lung innerhalb der ersten 2 Hörjahre na-
Betrachtung der einzelnen Höraltergrup-                   Die Probanden wiesen eine große He-             hezu vergleichbar mit hörenden Kindern
pen (. Abb. 3) nachzuweisen. Aus den 24                   terogenität in Bezug auf das Lebensalter        entwickelten [6]. Der Zeitpunkt der Ver-
Kindern des Gesamtkollektivs zu T0 und                    und das Alter bei Erstanpassung auf. Ein        sorgung scheint somit auch für die pho-
T1 entsprachen 19 Kinder der Einteilung                   Großteil der Kinder mit CI war, gemessen        nologische Entwicklung eine entscheiden-
der Höraltergruppen. Aufgrund der ge-                     am Höralter, in der phonologischen Ent-         de Rolle zu spielen.
ringen Probandenanzahl je Untergruppe                     wicklung nicht altersgemäß. Die Zeitfens-           Eine weitere Frage ist, welche Faktoren
wurden keine weiteren statistischen Be-                   ter der hörenden Kinder ließen sich nicht       noch für eine nicht höraltergemäße pho-
rechnungen durchgeführt.                                  auf die Entwicklungszeitfenster der Kin-        nologische Entwicklung bei Kindern mit
                                                          der mit CI übertragen. Mit zunehmen-            CI verantwortlich sind. So könnten die
                                                          dem Höralter wurden auch zunehmend              Verarbeitung der auditiven Signale und
                                                          phonologische Prozesse überwunden.              der Grad der auditiven Reifung eine Rolle
                                                          Die hier beschriebenen Ergebnisse de-           spielen. Nach Briscoe et al. [1] bestehen bei

                                                                                                                                        HNO 5 · 2014   | 371
Originalien

                                                                            Entwicklung in den drei Höraltergruppen                                                                          higkeit und Tilgung finaler Konsonanten
                            16                                                                                                                                                               aufweist. Andere Studien weisen auch da-
                                                                                                                                                                                             rauf hin [6], dass der Erwerb der Auslau-
                                                                                                                                                                        Min                  te verzögert verläuft. Als Erklärungsan-
                            14
                                                                                                                                                                        Median               sätze wurden die schlechtere Hörfähigkeit
                                                                                                                                                                        Mittelwert           von Auslauten sowie die häufig komple-
                            12
                                                                                                                                                                                             xere Aufführung diskutiert [6]. Auch auf
                                                                                                                                                                        Max                  die Bedeutung der Fähigkeit der Phonem-
                            10                                                                                                                                                               diskrimination für die weitere Sprachent-
        Prozessanzahl

                                                                                                                                                                                             wicklung wird verwiesen [14].
                             8
                                                                                                                                                                                                 In weiteren Untersuchungen sollte ge-
                                                                                                                                                                                             zielt die phonologische Entwicklung früh
                                                                                                                                                                                             mit einem CI versorgter Kinder (
Fachnachrichten

                                                           14. Ortmann M, Knief A, Deuster D et al (2013) Neural     Leipziger Studie
Einhaltung ethischer Richtlinien                               correlates of speech processing in prelingually de-
                                                               afened children and adolescents with cochlear im-     zu Langzeitfolgen von Krebs
Interessenkonflikt. K. Kral, B. Streicher, I. Junge und        plants. PLoS One 8(7):e67696. doi:10.1371/journal.
R. Lang-Roth geben an, dass kein Interessenkonflikt            pone.0067696
besteht.
                                                                                                                     In Deutschland leben über 2 Millionen
                                                           15. Peter K (2010) Phonetisch-phonologische Sprach-
                                                               entwicklung hörgeschädigter Kinder mit unter-         Menschen, bei denen eine Krebsdiagnose
Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen                  schiedlicher Versorgung. Forum Hals-Nasen-Oh-         bis zu zehn Jahre zurückliegt. Die Spät- und
Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustim-                  renheilkd 12:197–200
mung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang                                                                   Langzeitfolgen einer Krebserkrankung
                                                           16. Stollman MH, Kapteyn TS, Sleeswijk BW (1994) Ef-
mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration               fects of time-scale modification of speech on the     führen zu neuen Herausforderungen in der
von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten        speech recognition threshold in noise for hearing-    Gesundheitsversorgung und in der Reha-
Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten         impaired and language-impaired children. Scand
liegt eine Einverständniserklärung vor.                                                                              bilitation. Nun startet ein dreijähriges For-
                                                               Audiol 23:39–46
                                                                                                                     schungsprojekt, das die körperlichen und
                                                                                                                     psychischen Spät- und Langzeitfolgen von
Literatur                                                                                                            Krebserkrankungen erfasst. Dazu sollen
                                                                                                                     etwa 800 Menschen befragt werden, bei
 1. Briscoe J, Bishop DV, Norbura CF (2001) Phonologi-                                                               denen die Krebsdiagnose 5 bzw. 10 Jahre
    cal processing, language and litracy: a comparison
    of children with mild to moderate hearing loss and                                                               zurückliegt.
    those with specific language impairment. J Child
    Psychol Psychiatry 42:329–340                                                                                    „Bislang wissen wir noch zu wenig über
 2. Buhler HC, DeThomasis B, Chute P et al (2007) An
    Analysis of phonological process use in young chil-                                                              die körperlichen und psychosozialen Lang-
    dren with cochlear implants. Volta Rev 107:55–74                                                                 zeit- und Spätfolgen der Erkrankung und
 3. Bußmann H (2002) Lexikon der Sprachwissen-                                                                       in welchem Ausmaß diese den Alltag der
    schaft, 3. Aufl. Kröner, Stuttgart
 4. Caselli MC, Rinaldi P, Varuzza C et al (2012) Coch-                                                              Patienten beeinträchtigen“, sagt Prof. Anja
    lear implant in the second year of life: lexical and                                                             Mehnert, Leiterin der Sektion Psychosoziale
    grammatical outcomes. J Speech Lang Hear Res                                                                     Onkologie an der Abteilung Medizinische
    55:382–394
 5. Dodd BJ, Iacano T (1989) Phonological disorders in                                                               Psychologie und Medizinische Soziologie
    children: changes in phonological process use du-                                                                der Universität Leipzig.
    ring treatment. Br J Disord Commun 24:333–351
 6. Ertmer DJ, Kloiber DT, Jung J et al (2012) Consonat
    production accuracy in young cochlear implant re-                                                                Die Wissenschaftler interessiert, welche
    cipients: developmental sound classes and word                                                                   onkologischen und psychoonkologischen
    position effects. Am J Speech Lang Pathol 21:342–                                                                Versorgungsangebote Krebspatienten 5
    353
 7. Flipsen P, Parker R (2008) Phonological patterns in                                                              bzw. 10 Jahre nach der Akutbehandlung
    the conversational speech of children with cochle-                                                               in Anspruch nehmen und wie zufrieden
    ar implants. J Commun Disord 41:337–357                                                                          sie damit sind. „Wir wollen herausfinden,
 8. Fritz TA, Bekermann A, Lang-Roth R et al (2011)
    Phonologische Entwicklung hörgeschädigter Kin-                                                                   wodurch die seelische und körperliche
    der mit Cochlea-Implantat im Höralter von 0 bis 9                                                                Gesundheit nach einer Krebserkrankung
    Jahren. In: 28. Wissenschaftliche Jahrestagung der                                                               gestärkt werden kann“, erklärt die Projekt-
    Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädau-
    diologie (DGPP), 2. Dreiländertagung D-A-CH, Zü-                                                                 leiterin Dr. Heide Götze.
    rich, 09.-11.09.2011. Medical Science GMS Publi-
    shing House, Düsseldorf, Doc11dgpp05. https://                                                                   Das Projekt wird gefördert durch die Stif-
    egms.de/en/meetings/dgpp2011/11dgpp05.
    shtml                                                                                                            tung Swiss Bridge. Die Stiftung unterstützt
 9. Fox AV (2009) PLAKSS Psycholinguistische Analyse                                                                 Projekte in der Onkologie, die darauf ab-
    kindlicher Sprechstörungen. Manual, 4. Aufl. Pear-                                                               zielen, die medizinische Versorgung von
    son Assessment & Information GmbH, Frankfurt/M
10. Fox AV (2009) Kindliche Aussprachestörungen,                                                                     Krebspatienten zu verbessern.
    5. Aufl. Schulz-Kirchner, Idstein
11. Grogan ML, Barker EJ, Dettmann SJ et al (1995)                                                                                    Quelle: Universität Leipzig,
    Phonetic and phonological changes in the connec-
    ted speech of children using a cochlear implantat.                                                                                       www.uni-leipzig.de
    Ann Otol Rhinol Laryngol 166(Suppl):390–393
12. Keilmann A, Klüsener P, Freude C (2008) Aus-
    sprachstörung bei Kindern mit spezifischer
    Sprachentwicklungsstörung und schwerhöri-
    gen Kindern im Vergleich. Laryngorhinootologie
    87:704–710
13. Lee Y, Yim D, Sim H (2012) Phonological processing
    skills and its relevance to receptive vocabulary de-
    velopment in children with early cochlear implan-
    tation. Int J Pediatr Otorhinolaryngol 76:1755–
    1760

                                                                                                                                                    HNO 5 · 2014     | 373
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