Endelin - Wendelin-Pflegeheim
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Wendelin Pflegeheim Wendelin Tagesheim Inzlingerstrasse 50 Inzlingerstrasse 46 4125 Riehen 4125 Riehen Tel: 061 645 22 22 Tel: 061 643 22 16 info@aph-wendelin.ch info@th-wendelin.ch www.aph-wendelin.ch www.th-wendelin.ch 2
Der Heimleiter berichtet Liebe Bewohnende, liebe Leser des «Wendelinheftlis» «Frühlingslieder» Erinnern Sie sich noch an Ihre Jugend, als der Winter endlich vorbei war und es wieder zu wachsen und gedeihen begann? Wenn die Tage länger und heller werden, kommen mir alle Jahre wieder unsere ersten Familienausflüge nach dem Winter in den Sinn. Wir hatten im Hotzenwald in Herrischried, oben auf 800 m eine kleine Waldhütte, die dem Verband der Kriegsheim- kehrer VDK gehörte, und die wir als Familie eines solchen, regelmässig an den Wochenenden nutzen durften. Es war eine ganz einfache Holzhütte, mit einem Schlafraum, in dem 5 Betten waren und wir alle gemeinsam im gleichen Raum übernachte- ten, und einem Wohnraum mit Küche und einem Holzofen zum Heizen und Kochen. Alles ohne fliessendes Wasser, das mussten wir von der nahen Quelle in Eimern und Kanistern holen, und auch ohne Toilette. Das Häuschen stand am Dorfrand von Herrischried direkt an ein Waldstück angrenzend, schön geschützt von Tannen, absolut idyllisch gelegen. Rund herum waren vereinzelte Bauernhöfe, Wald und Wiesen. Die Toilette war ein kleines Holzhäuschen im Wald hinter der Hütte, mit einem Herz in der Türe, zum Sitzen ein Holzbrett mit einem Deckel in der Mitte. Ich kann mich gut daran erinnern, denn wenn ich drauf sass, hat es von unten immer fürchterlich gezo- gen und auch vom Geruch her war es nicht so fein wie zu Hause. Ich war immer froh, schnell wieder aus diesem Häus- chen heraus zu kommen. Mein Bruder hatte mir dort oft mit Geschichten von Waldgeistern Angst gemacht, also habe ich auf dem stillen Örtchen immer laut gesungen, so hatte ich das Gefühl, dass mir die Waldgeister nichts anhaben konnten. Ich habe oft das Frühlingslied «Im Märzen der Bauer die Röss- lein einspannt» gesungen. Ich wurde vermutlich auch von den umliegenden Bauernhöfen und den Motiven inspiriert, wo die 3
Bauern noch mit dem Pferdewagen den Mist auf die Matten brachten und ihn anschliessend als Dünger darauf verteilten. Andere holten mit ihren Pferdefuhrwerken das im Winter geschlagene Holz aus dem Wald und brachten es zum Spalten und Aufschichten zu ihren Höfen nach Hause. 1. Strophe «Im Märzen der Bauer» Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt. Er setzt seine Felder und Wiesen in Stand. Er pflüget den Boden, er egget und sät und rührt seine Hände früh morgens und spät. In unserem Wohnzimmer zu Hause hing ein riesiges Gemälde, «Die Ernte» von Robert Zünd. Dieses Bild hat mein Grossvater kopiert. Es war seine Meisterarbeit als Kunstmaler. Das Original dieses Bildes hing früher in Basel im Kunstmuseum. Die Kopie meines Grossvaters (rechtes Bild) ziert heute meine Wohn- zimmerwand. Das Sujet auf diesem Bild zeigt einen grossen Heuwagen, der von Pferden gezogen wird und Mägde und Bauern, die diesen Wagen mit Heu beladen. Auf unseren Ausflügen in die Natur wurde beim Wandern und Laufen im Übrigen immer viel gesungen. Meine Mutter kannte alle Kinder- und Volkslieder noch auswendig und motivierte uns so vermutlich auch, weiter zu laufen, wenn wir langsam müde 4
wurden und die Füsse nicht mehr wollten. Zumindest habe ich dies später mit meinen eigenen Kindern dann so gemacht, als ihnen der Weg begann zu weit zu werden. Was ist oder war Ihr Lieblingslied im Frühjahr? Und weshalb? Welche Gefühle waren oder sind für Sie immer noch damit verbunden? Kennen Sie es von der Schule her oder sang es jemand aus der Familie? Erzählen Sie uns davon! Es grüsst Sie herzlichst Ihr Rainer Herold Heimleiter 5
Geburtstage im Mai Bewohnende 13.05. Renate Häberli 88 19.05. Verena Etter 94 Personal 02.05. Wender Moreira Pflege 04.05. Bettina Jenni Tagesheim 14.05. Sarah Seger Pflege 22.05. Nezahat Hür Pflege 31.05. Stefanie Leu Aktivierung Personelles Austritte Frau Kerstin Storz, Nachtwache Frau Choeten Amipa, Hotellerie haben uns auf Ende April verlassen. Wir danken ihnen für die wertvolle Zeit und wünschen ihnen für die Zukunft alles Gute. Eintritte Frau Nira Leon als Berufsbildungsverantwortliche Pflege Frau Maryan Bosch als Mitarbeiterin in der Hotellerie Wir begrüssen die neuen Mitarbeitenden und wünschen ihnen viel Freude bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im Wendelin Herzlich Willkommen 6
Unser Personal stellt sich vor Monica Cruz Ich bin 23 Jahre alt und arbeite seit dem 1. Januar 2021 hier im Wendelin in Riehen. Ich arbeite auf dem 3.Stock und komme sehr gerne jeden Tag zur Arbeit. Ich arbeite mit einem sehr humorvollen und ehrlichen Team. Vorher habe ich im Alterszentrum Wesley Haus mit Bewoh- nern mit Demenz gearbeitet. Da durfte ich meine Lehre als Fachfrau Gesundheit am 1. August 2019 abschliessen. Der Beruf in der Pflege macht mir, seit ich angefangen habe, sehr viel Freude. Ich bin eine sehr offene, ehrliche lebens-freudige Person. Ich lache sehr gerne und lerne gerne andere Menschen kennen. Der respektvolle Umgang und die Wertschätzung gegenüber den Bewohnern, wie auch den Arbeitskollegen im Wendelin ist mir sehr wichtig, das liegt mir sehr am Herzen. Als ich im Januar im Wendelin anfing, wurde ich sehr schön willkommen geheissen und sehr freundlich und offen von den Personen aufgenommen, die hier leben und ebenso von allen Mitarbeitern, die hier arbeiten. Als ich im Wendelin angefangen habe, fiel es mir schwer, die Umstellung auf an Demenz erkrankte Menschen und die teilwei- se selbständigen Bewohner zu treffen. Die Wohngruppen kamen mir am Anfang sehr riesig vor, da ich gewöhnt war, in kleineren Wohngruppen zu arbeiten. Ich brauchte einige Zeit, um gewisse Sachen zu finden wie das Lager, Umkleide usw. In meiner Freizeit bin ich gerne in der Stadt und shoppe sehr gerne. Ich tanze und höre sehr gerne Musik und Reise gerne mit meiner Freundin zusammen.Ich freue mich sehr auf die weitere Zusammenarbeit und freue mich sehr darauf, weiterhin neue Erfahrungen machen zu dürfen und neue Menschen kennen zu lernen. 7
In lieber Erinnerung gedenken wir Frau Anna Schlup gestorben am 31.03.2021 Frau Anna-Maija Zimmermann gestorben am 06.04.2021 Ausgetreten ist Frau Johanna Münzel ausgetreten am 27.04.2021 Zu uns gezogen sind Herr Ludwig Bucher eingezogen am 01.04.2021 Herr Werner Balsiger eingezogen am 06.04.2021 Herr Ernst Rediger eingezogen am 19.04.2021 Frau Klara Heinimann eingezogen am 20.04.2021 Wir heissen die neuen Bewohnenden herzlich willkommen, wünschen ihnen ein gutes Einleben und hoffen, dass sie sich bei uns wohlfühlen werden. 8
Gottesdienste und Morgenbetrachtungen Gottesdienste Donnerstag 06.05. Pfr. Eugen Frei und Lukas Wenk Donnerstag 20.05. vor Pfingsten Pfarrer Lukas Wenk Morgenbetrachtungen Donnerstag 13.05. Auffahrt Pfarrerin Lea Schweyer Donnerstag 27.05. Pfarrerin Lea Schweyer Die Gottesdienste und Morgenbetrachtungen finden jeweils um 10.00 Uhr im Mehrzweckraum statt. Angehörige, Freunde, Bekannte, sowie die Mieter der umliegen- den Alterswohnungen können zurzeit noch nicht an diesen Anlässen teilnehmen. 9
Was machen die Pensionierten heute? Mein Leben nach der Pensionierung Ruth Wenk Mein Leben hat sich ver- ändert, seit ich aufgehört habe im Wendelin zu arbeiten. Es ist gemütli- cher geworden. Aufstehen geht jetzt regelmässig oh- ne Wecker, das ist herr- lich. Lesen ist etwas, das ich ausgiebig tun kann. Zum Glück habe ich die Stadtbibliothek gleich in der Nähe. Auch habe ich wieder mit Handarbeiten angefangen. Speziell Socken und Schals stricken, da ich beim Aufräumen noch Wolle entdeckt habe, die darauf wartet, verarbeitet zu werden. Ich geniesse es, zu kochen und Rezepte auszuprobieren, alte Gemüsesorten kennen zu lernen und Rezepte dazu zu suchen. Spontan Gäste einladen oder eingeladen werden, ohne lange nach Terminen suchen zu müssen, bedingt durch die ehemals unregelmässigen Arbeitszeiten, ist auch etwas Neues, was ich schätze. Natürlich hoffe ich, wie wohl alle, dass es bald auch wieder unkompliziert möglich sein wird, Freunde im In- und Aus- land zu besuchen. Corona bedingt ist und war vieles nicht möglich, was ich gerne unternehmen wollte. Trotzdem gibt es noch Vieles, was Freude macht. 10
Die Umgebung auf Spaziergängen und beim Velofahren neu entdecken macht Spass. Auch die Schweiz ist wunderschön, besonders die Berge locken mich immer wieder. Chorsingen ist leider seit fast einem Jahr nicht mehr möglich, ja sogar verboten. Das vermisse ich sehr. Wir treffen uns aber jeden Montag zum Proben, jede Sängerin zu Hause vor dem Computer, die andern sind zu sehen, jedoch nicht zu hören, nur die Dirigentin können wir hören, wenn sie uns anleitet. So wollen wir als Chor dranbleiben, bis wir hoffentlich bald wieder zusammen singen dürfen. Daneben bin ich in meiner Kirche aktiv beim Besuchsdienst, helfe beim Mittagstisch, schreibe Geburtstagskarten, so wird es mir nie langweilig. Natürlich hoffe ich, wie wohl alle von uns, dass das Leben bald wieder einfacher wird. 11
Tagesheimbericht EIN BESONDERER TAG DER MUTTERTAG Der erste Muttertag wurde am 12. Mai 1907 in den Vereinigten Staaten gefeiert. Es war jedoch kein fröhlicher Dankesanlass, sondern eine Gedenkfeier für Anna-Maria Reeves Jarvis. Sie begründete im Jahr 1865 in den USA die Mütterbewegung «Mothers Friendships Day». Es sollte eine Gelegenheit für Mütter sein, sich zu aktuellen Fragen auszutauschen. Ihre Tochter, Anna Marie Jarvis, organisierte 1907 anlässlich des zweiten Todestages ihrer Mutter eine Gedenkfeier. Am Sonntag nach jenem für die Tochter traurigen Datum lud sie zum Gedenkanlass, dem «Memorial Mothers Day Meeting» ein. Die Methodistenkirche widmete im darauffolgenden Jahr allen Müttern eine Andacht. 500 weisse Nelken wurden an Mamis verteilt. 12
Anna Marie Jarvis hatte seit diesem Anlass ein neues Ziel: Sie wollte hauptberuflich einen offiziellen Muttertag ins Leben rufen. Sie schrieb mit ihrem Anliegen Politikern, Geschäftsleuten, Geistlichen und Frauenvereinen an. Mit Erfolg. Schon zwei Jahre später wurde der Tag in 45 amerikanischen Staaten gefeiert. Am zweiten Sonntag im Mai 1914 feierten die Vereinig- ten Staaten zum ersten Mal offiziell den Muttertag. Unter US-Präsident Woodrow Wilson wurde der Muttertag zum nationalen Feiertag. Immer mehr Geschäfte sprangen auf den Feiertag auf. Die Kommerzialisierung war der Begründerin jedoch zutiefst zuwider. Sie bereute, den Feiertag gründet zu haben und kämpfte - erfolglos - für seine Abschaffung. Und in der Schweiz? Hier engagierten sich schon 1914 unter anderem die Heils- armee für die Einführung des Muttertags. Doch zumindest in der Deutschschweiz ohne Erfolg. Erst 1930 kam es zum Durch- bruch als sich die Floristen, die Gärtnermeister und Konditor- meister für den Tag stark machten. Nun folgen noch ein Quiz und ein Mundartgedicht zum Muttertag. Wir wünschen Ihnen einen frohen Muttertag! Mit Blumen oder Schokolade - und auch einem Moment des Gedenkens. Ganz im Sinne der Begründerin. Das Team des Tagesheims 13
Quiz zum Muttertag • Nennen Sie möglichst viele Wörter, die mit dem Wort Mutter beginnen. • Wer sang das Lied «Mama»? • Was haben andere Mütter auch? • In welchem Land hat der Muttertag seinen Ursprung? • Kennen Sie typische Muttertags-Gerichte? • Welche Mutter gehört in die Werkzeugkiste? • Welches ist das beliebteste Muttertags-Geschenk? • Jemand, der nicht selbständig wird, hängt seiner Mutter am …? 14
Gedicht zum Muttertag Ei Tag längt nid zum danke säge es brucht es ganzes Johr derzue öb Muetterliebi, Muettersäge, s’het beides viel mit Opfer z‘tue. Mit Schmärze het si eus gebore, mit Liebi eim dur‘s Läbe treit hüt fühlt sie sich echli verlore will niemer richtig danke seit. Dis Blüemli wird si vo dir zwar scho freue au‘s Autofährtli macht si sicher froh, doch settisch s‘ganz Johr Blueme streue und si nid so alleige loh. Es Muetterhärz wird Liebi schänke bis zum allerletschte Schlag mer sette meh a d’Muetter dänke, und denn wär’s ganz Johr Muettertag. 15
Interviews mit Bewohnenden zum Thema: Frühlingslieder und Frühlingsmusik von Hansruedi Flückiger Interview mit Frau Seiler Haben Sie ein Lieblingslied oder Musikstück zu diesem Thema? Sie antwortet spontan: «Der Bauer im Märzen», rezitiert aber sogleich Bruchstücke eines vor gut 75 Jahren, in der Schule auswendig gelernten Gedichtes (Säerspruch von. C.F. Meyer), das ihr wegen der Geste des Säens schon immer sehr imponiert hat und ergänzt es mit Zeilen eines andern Gedichtes (Der Blümelein Antwort). Sie erinnert sich an ihre Kindheit in der Gärtnerei der Eltern, an die Blumenkisten beim Eingang und die Pflanzbeete, an die Geste des Säens, wenn der Vater die Pflanzen düngte. Man kann sehen, dass sie die Szenen so lebendig vor ihrem geistigen Auge hat, als wäre es gestern gewesen. Sind dies Gedichte oder Lieder? «Ich meine das mit den roten und gelben Blümelein kann man auch singen» und sie versucht die Melodie zu singen. Mit Hilfe des Tabletts suchen wir von beiden Gedichten die fehlenden Textzeilen. Gemeinsam lesen wir die Texte, sinnieren darüber und stellen fest, dass sogar beide Texte vertont worden sind. Säerspruch Conrad Ferdinand Meyer Bemesst den Schritt! Bemesst den Schwung! Die Erde bleibt noch lange jung! Dort fällt ein Korn, das stirbt und ruht. Die Ruh ist süss. Es hat es gut. Hier eins, das durch die Scholle bricht. Es hat es gut. Süss ist das Licht. Und keines fällt aus dieser Welt und jedes fällt, wie's Gott gefällt. 16
Zu dem Gedicht gibt es drei Vertonungen, von Willy Burkhard, Oskar von Chelius und Hans Fleischer. Der Blümelein Antwort Hoffmann von Fallersleben In meines Vaters Garten, da wars noch gestern grün, da sah ich noch so mancherlei, so schöne Blumen blüh'n. Und heut ist alles anders, und heut ist alles tot, wo seid ihr hin, ihr Blümelein, ihr Blümlein gelb und rot? «O liebes Kind, wir schlafen nach Gottes Willen hier, bis er uns seinen Frühling schickt und dann erwachen wir.» «Wie deine Blümlein schlafen, so wirst auch schlafen du, bis dich erweckt ein Frühlingstag aus deiner langen Ruh'.» «Und wenn du dann erwachest, o möchtest du dann sein so heiter und so frühlingsfroh, wie deine Blümelein!» Beim dritten Gedicht «Frühlingsjubel», das von Mozart vertont wurde, fügt Frau Seiler sofort an: Ich bin früher auch so gewe- sen. Ich hatte Freude am Frühling und an den Besuchen bei alten Leuten, mit denen ich auch gesungen habe oder ich freute mich über gute Taten, die ich für andere gemacht habe. Ich bin damals gerne Auto gefahren. Auf der Heimfahrt nach solchen Besuchen spürte ich Freude und habe fröhlich gesungen. Ja, ich hatte ein gutes Leben und bin dankbar dafür, sagt sie zum Schluss. 17
Frühlingsjubel Hoffmann von Fallersleben/Musik: Wolfgang Amadeus Mozart Heisa, lustig im sonnigen Wetter, wenn durch Blüten und säuselnde Blätter lieblich tönet der Vögel Geschmetter, ei, wer könnte da traurig noch sein! Wenn die silbernen Quellen erklingen, auf dem Anger die Blumen entspringen, Schmetterlinge zum Reigen sich schwingen, ei, wer könnte da traurig noch sein! Freud‘ und Lust hat sich wieder gefunden, was da kränkelte, muss nun gesunden, denn der Winter, er ist ja verschwunden, ei, wer könnte da traurig noch sein! Lasst uns singen, lasst uns scherzen! Lasst uns freu‘n und fröhlich sein! Denn fürwahr! in frohe Herzen kehret nur der Frühling ein Am Tag nach dem Interview sucht mich Frau Seiler auf: Wir müssen unbedingt noch ein Lied anfügen, das mir sehr viel bedeutet, das mich jeden Frühling begleitet: «Geh‘ aus mein Herz und suche Freud». 18
Dieses Gedicht von Paul Gerhardt umfasst 15 Strophen. Als Volkslied werden folgende vier Strophen gesungen: Geh‘ aus mein Herz und suche Freud Paul Gerhardt Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben; schau an der schönen Gärten Zier, und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben. Die Bäume stehen voller Laub, das Erdreich decket seinen Staub mit einem grünen Kleide; Narzissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide. Die Lerche schwingt sich in die Luft, das Täublein fliegt aus seiner Kluft und macht sich in die Wälder; die hochbegabte Nachtigall ergötzt und füllt mit ihrem Schall Berg, Hügel, Tal und Felder. Ich selber kann und mag nicht ruhn, des grossen Gottes grosses Tun erweckt mir alle Sinnen; ich singe mit, wenn alles singt, und lasse, was dem Höchsten klingt, aus meinem Herzen rinnen. 19
Frühlingslieder mit Harmonium oder Gitarre Interview mit Frau Schluchter Fällt Ihnen ein Lieblingslied oder Musikstück zu diesem Thema ein? Frau Schluchter überlegt nur kurz und sagt: «Frühlingssymphonie von Schumann und … die Jahreszeiten von Haydn» und beginnt zu erzählen: Wir hatten ein Harmonium zu Hause. Sonntagnachmittag gingen wir Kinder mit unserm Vater auf den Sonntagsspazier- gang. Unsere Mutter machte in der Zeit einen Mittagsschlaf. Wenn wir nach Hause kamen, sass sie immer am Harmonium und spielte. Das war so schön! So kam es, dass wir Kinder auch Harmonium spielen wollten und schliesslich Unterricht bekamen. Jedes Jahr zum Weih- nachtsfest lernten wir mit der Musiklehrerin neue Stücke dazu. Mit der Zeit spielten meine Schwester und ich auch vierhändig. Bei einem Weihnachtslied musste ich die hohen Töne spielen. In der obersten Oktave des Harmoniums wurden kleine Schnee- flocken, die leicht und sanft auf die Erde fallen imitiert. In Früh- lingsliedern waren es z.B. Vogelstimmen oder Wasserläufe, die vom Berg herunterkamen. Die Frühlingssymphonie ist eine luftig leichte Melodie, die mich innerlich erheitert und das Gefühl gibt, dass jetzt der Frühling kommt. Mit dem Gitarren- und Gesangschor vom Erlensträsschen sind wir in Spitäler (z.B. das Landpfrundhaus) und zu alten Leuten singen und musizieren gegangen. Wir haben viel Freude und Humor verbreitet. Ich erinnere mich an das Lied «Wenn alle 20
Brünnlein fliessen», da kommt der Schatz vor, dem ich winke, und wenn er nicht reagiert, wird ihm auf den Fuss getreten…! Frau Schluchter lacht herzlich dazu. «Es war eine schöne Zeit! Mit den Fotos aus der Zeit erinnere ich mich gerne daran.» Heimliche Liebe Volksweise aus dem 16. Jahrhundert Wenn alle Brünnlein fliessen, so muss man trinken; wenn ich mein’ Schatz nicht rufen darf, tu ich ihm winken. Ja, winken mit den Äugelein und treten auf den Fuss, s’ ist eine in der Stube drin, die meine werden muss. Warum sollt’ sie’s nicht werden, ich hab’ sie ja so gern. Sie hat zwei blaue Äugelein, die leuchten wie zwei Stern’. Sie hat zwei rote Wängelein, sind röter als der Wein. Ein solches Mädchen find’st du nicht wohl unterm Sonnen- schein. 21
Lied-Impuls für den Pfingstmonat Mai von Lukas Wenk, Pfarrer Wind kannst Du nicht sehen (Pfingstlied, reformiertes Kirchengesangbuch 516) Wind kannst Du nicht sehen, aber, was er tut: Felder wogen, Wellen wandern in der Flut. Geist kannst Du nicht sehen, doch wo Er will sein, weicht die Angst und strömt die Freude mächtig ein. Geist kannst Du nicht sehen, doch hör, wie er spricht tief im Herzen Worte voller Trost und Licht. 22
Der Monat Mai ist dieses Jahr auch Pfingstmonat. Ich halte es deshalb für passend, im Rahmen des Themas «Frühlingslieder» in diesem Heft ein Pfingstlied vorzustellen und Ihnen damit eine Anregung mitzugeben, sich auf Spurensuche nach dem Geist Gottes zu begeben. Wir haben es ja so nötig, uns berühren, erfüllen und bewegen – und gegen all das Bedrückende unserer Tage mit Zuversicht beschenken zu lassen. Gerade im Frühling können wir ja in der Natur wahrnehmen, wie der Wind die Rapsfelder wogen lässt und wie sich die Frische des Windes auf der Haut einmal angenehm anfühlt, wie Wellen sich bei Sturm vor ihm türmen und wie sich die Greifvögel vom Wind aufschwingen und tragen lassen, ganz frei und leicht. Der Wind treibt die Wolken, die Blütenblätter tanzen, die Tannen und Blätterbäume rauschen, die Wäsche trocknet in kurzer Zeit. Ja, an den Bildern lassen sich immer wieder Erfahrungen able- sen, wie Gottes Geistkraft tief in unserem Leben wirkt: dass er uns durch Stürme getragen hat und tragen wird, dass er uns zu neuem Auftrieb verhilft, uns um jemand oder etwas zu küm- mern. Er ist es, der uns Atem gibt für ein Engagement und das Leben. Werden wir es im Gottesdienst vor Pfingsten am Donnerstag, 20. Mai singen können? Wer weiss? Wohl eher nicht. Ich freue mich jedoch auf jedes Wiedersehen. Herzliche Grüsse Lukas Wenk, Pfarrer 23
Vollmond Gesättigt, ziemlich rund feiert er intensiv einige Stund die Nacht durch, treibt es bunt, weicht müde dem Morgenlicht, beendet seine Partyschicht, langsam zieht er sich zurück, setzt sich auf Diät Stück um Stück, sammelt wieder Saft Nahrung und Lebenskraft nimmt genüsslich zu, lacht uns glänzend wieder zu, einige empfinden seine Präsenz als Ehr, andere kommen nicht zur Ruh, allen recht getan ist ziemlich schwer. Markus Strub 24
Der Kuckuck und der Esel von Hoffmann von Fellersbergen Der Kuckuck und der Esel die hatten großen Streit, wer wohl am besten sänge zur schönen Maienzeit Der Kuckuck sprach: «Das kann ich!» Und hub gleich an zu schrei'n. Ich aber kann es besser! Fiel gleich der Esel ein. Das klang so schön und lieblich, so schön von fern und nah; sie sangen alle beide Kuckuck, Kuckuck, i-a, i-a! Kuckuck, Kuckuck, i-a! 25
Wie Robert die Frühlingsmüdigkeit überwindet von Niklaus Schmid Heimes Samstagnachmittag im Mai. Jolanda, Roberts Frau, steht am Bügelbrett, ein riesiger Stoss Wäsche wartet darauf, gebügelt zu werden. Robert liegt auf dem Sofa und blättert lustlos in der Zeitung. «Robert, was hängst du in letzter Zeit so herum? Es ist Frühling, die Sonne strahlt. Hast du dir nicht kürzlich vor- genommen, mehr joggen zu gehen?» Da sie von ihrem Liebsten ausser einem Brummen keine Antwort erhält, fährt sie fort: «Möchtest du ein schönes Frühlingsgedicht hören? Ich kann es auswendig. Wir haben es damals in der Schule gelernt. Mich schuderet es jedes Mal, wenn ich es höre. Es wird für mich dann wirklich Frühling. Meine liebste Jahreszeit! Vielleicht kommst du dann auf andere Gedanken.» Da Robert kein grosser Fan von Gedichten ist, versucht er seine Frau abzulenken. «Ja, ja dein Frühling! Und was ist mit der Frühjahrsmüdigkeit? Was wird aus dem schönsten Schneemann im Frühling? Eine Pfütze! Das hast du davon!» «Du bist ein ewiger Pessimist! Kürzlich hast du dich über das kalte Wetter beklagt. Und jetzt, wenn es wärmer wird, ist es auch nicht recht. Willst du das Gedicht wirklich nicht hören? 26
Ich bin sicher, es wird dir gefallen.» «Gedichte! Der Erlkönig: ‘Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?’. Und wie endet es? ‘In seinen Armen das Kind war tot’. Nicht sehr erbaulich. Und John Maynard, der auf dem Eriesee umkommt. ‘Und noch zehn Minuten bis Buffalo’.» «Mein Frühlingsgedicht hingegen ist voller Poesie und Lyrik.» «Was heisst überhaupt Lyrik?» «Ich glaube, das hat etwas mit dem Musikinstrument der Leier zu tun.» «Darum werden diese Gedichte heruntergeleiert!» «Nein, im Gegenteil, sie sind gefühlvoll und drücken Stimmun- gen aus. Wie zum Beispiel das Gedicht von Eduard Mörike. Darf ich?» «Also gut!» «Schliesse bitte deine Augen und achte darauf, was für Bilder und Gefühle in dir auftauchen. Lass einfach deine Seele baumeln.» «Stopp, stopp! Meinst du wirklich baumeln? Ich kann mir vorstellen, meine Beine baumeln zu lassen, aber die Seele? Wie denkst du dir das? Die Seele ist doch nichts Materielles, nicht einmal einen Lufthauch könntest du baumeln lassen!» «Du weisst genau, lieber Robert, das ist nur bildlich gemeint. Lassen wir das mit dem Baumeln, entspann dich einfach. Achte darauf, was diese Zeilen in deinem Inneren auslösen, welche Gedanken, welche Gefühle! Jetzt unterbrich mich bitte nicht mehr.» 27
Nun beginnt seine Frau das Gedicht langsam und eindrücklich zu rezitieren. Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte; Süsse, wohlbekannte Düfte Streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen. – horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist’s! Dich hab ich vernommen! Eduard Mörike (1804-1875) 28
Jetzt folgt eine Minute andächtiges Schweigen. Nun öffnet sie die Augen und blickt Robert mit einem versonnenen Lächeln an. «Und nun? Was hast du empfunden?» «Ganz viele Sachen sind mir in den Sinn gekommen», er zögert, «ich weiss aber nicht, ob das die richtigen sind.» «Was heisst schon richtig? Jeder Mensch empfindet doch anders.» «Also gut, kannst du mir nochmals den Anfang aufsagen?» Jolanda missfällt zwar das Wort «aufsagen», doch sie wieder- holt die ersten Zeilen. «Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte» «Ja, genau. Da habe ich an ein Cordon bleu gedacht.» 29
Seine Frau ist entsetzt und etwas beleidigt: «Bitte, Robert, das ist ja absurd!» «Hast du nicht eben gesagt, jeder Mensch würde auf seine Art empfinden? Blaues Band heisst auf französisch ‘cordon bleu’. Das blaue Band war damals die Auszeichnung für hohe Koch- kunst. Und als irgendein französischer Koch etwas ausprobierte, indem er ein Schnitzel mit Schinken und Käse füllte, waren alle so begeistert davon, dass der dafür das Blaue Band bekam, und man nannte es eben Cordon bleu.» «Ja gut, Robert, aber wollen wir nicht zum Gedicht zurückkeh- ren? Da gibt es sicher noch mehr zu entdecken, das Frühlings- gefühle in uns weckt.» «Meinetwegen. Bei den süssen Düften bin ich noch hängen geblieben. Wenn du einen Kuchen bäckst, duftet es in der ganzen Wohnung so herrlich. Dieser Duft ist mir in die Nase gestiegen und ich bekomme Appetit auf ein grosses Stück Schwarzwälder Torte.» Und fügt etwas kleinlaut dazu; «Sorry, war bestimmt wieder falsch!» Jolanda will noch nicht aufgeben. «Es handelt sich nicht um Küchendüfte. Es heisst doch im Gedicht: ‘Süsse, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land’.» «Das mit dem ‘ahnungsvoll’, habe ich nicht ganz verstanden. Was für eine Ahnung soll ein herumstreifender Duft haben?» «Ach, Robert, er ahnt, dass bald der Frühling kommt» 30
«Und er kommt mit einem leisen Harfenton. Dieser Schluss des Gedichts hat dir sicher besonders gut gefallen. Mir wäre es allerdings lieber, wenn der Frühling mit Pauken und Trompeten ins Land zieht.» Nun steht Robert abrupt auf und umarmt seine Frau. «Lass die Wäsche für heute, mein Goldschatz, gehen wir doch raus in die Natur und machen einen kleinen Frühlingsspazier- gang. Dann kehren wir beim Italiener ein. Es muss nicht unbedingt ein Cordon bleu sein.» Jolanda freut sich über diesen Vorschlag und sofort einverstan- den. Sie stellt das Bügeleisen ab und versorgt schnell die Wäsche. Das Gedicht hat doch seine Wirkung getan. Nicht ganz so, wie sie es sich gedacht hatte. Doch Roberts Frühlingsmüdigkeit ist wie weggeblasen. 31
Interview mit Hildi Hari-Wäfler Autorin der Fortsetzungs-Geschichte im Wendelin-Heft Hildi Hari-Wäfler hat drei autobiographische Bücher geschrie- ben, wie diese Abbildung zeigt. Im Wendelin-Heft bringen wir künftig Auszüge aus dem ersten Buch: «Felsig, karg und hoffnungsgrün, eine Kindheit in Adelboden». Nach einem ereignisreichen Leben verbringt die Autorin ihren Ruhestand in Adelboden, wo sie aufgewachsen ist. Die Fragen des folgenden Interviews stellte Pascale Hari, Sekretariat Wendelin. Aus welchem Anlass hast Du angefangen zu schreiben? Das Bücherschreiben war nicht geplant. Aus Zeitgründen wäre dies nie möglich gewesen. Im Ruhestand aber besann ich mich auf einen Ausspruch einer für mich wichtigen Person, die einmal bemerkte, sie würde mir durchaus eine Autobiographie zutrau- en. Da ich schon immer gerne schrieb, fing ich an, Kindheitser- innerungen aufzuschreiben, dazu gehörte die recht einfache Art Landwirtschaft zu betreiben und auch die Entstehung von Adelboden und dem späteren Kurort. Schlussendlich hatte ich genug Material beisammen für ein Buch: «Felsig, karg und hoff- nungsgrün» sollte es heissen. 32
Als dann immer wieder die Frage an mich herantrat, wie es weiterging, entschloss ich mich zum Weiterschreiben. Das Resultat war: «Bibel, Blech und Gottvertrauen», und schluss- endlich als Abschluss unserer Geschichte «Unverzagt und himmelsnah». Du bist schon viele Jahre mit Peter verheiratet. Wie hat er Dich bei deinem Unterfangen unterstützt? Wir sind im 59. Ehejahr miteinander unterwegs. Während unse- ren 40 Jahren Aktivdienst als Heilsarmee-Offiziere unterstützten und ergänzten wir uns gegenseitig und wurden zu einem idea- len Team. Dies blieb auch so im Ruhestand. Als ich zu schrei- ben anfing, freute sich Peter über meine Tätigkeit und war bereit, im Haushalt mitanzupacken, sich im Kochen zu üben und mir Freiraum zu verschaffen. Später ging es darum, mich mit dem Vertreiben der Bücher zu unterstützen. Ohne Peters tatkräftige Hilfe hätten wir es wohl nicht fertig gebracht über 4'000 Exemplare persönlich an den Mann, die Frau zu bringen. 33
Dazu kamen gut 60 Lesungen in der deutschen Schweiz, eine sogar ännet der Grenze, an denen sich Peter durch Sologesän- ge zur Gitarre, durch Bildprojektionen und anderem, einsetzte. Wenn er Abstand vom ganzen Betrieb brauchte, setzte er sich für ein oder mehrere Tage aufs Velo. Einmal besuchte er per Fahrrad unsere Tochter mit Familie in Leipzig. Bergsteigen und Skifahren gehören ebenfalls zu seinen Hobbys. So schaffte er sich nebst Gärtnern und Brennholzverschaffen den nötigen Abstand. Heute wohnt ihr in diesem kleinen Haus mit Stall, welches auf dem Buchdeckel abgebildet ist. Wie kam es dazu? Können eure Kinder und Grosskinder euch dort besuchen? An der damaligen Scheune hatte mein Vater ein kleines Zimmer mit Küche angebaut, um während der Heuernte zu übernach- ten. Vorher mussten wir mit dem Stall Vorlieb nehmen. In dieser kleinen Behausung verbrachten wir später mit unserer Familie viele Jahre unsere Ferien auf engstem Raum. Die Kinder schlie- fen oben unter den Dachbalken. Im Blick auf unseren Ruhe- stand stellten wir drei Mal ein Gesuch beim Bauamt und baten um die Erlaubnis, eine kleine Wohnung ausbauen zu dürfen. Jedes Mal erhielten wir einen ablehnenden Bescheid. Dank einer Umzonung wurde nun plötzlich grünes Licht gegeben und der Umbau der ganzen Scheune erlaubt. So haben wir genü- gend Platz, wenn unsere Kinder und Grosskinder und nun auch Urgrosskinder auf Besuch kommen. Genau zur Zeit vor dem Ausbau konnten wir in der Nähe meines Elternhauses in der Oey einen Bauplatz verkaufen, der mir gehörte und bis dahin nicht veräussert werden durfte wegen Baubeschränkungen. Sie fielen plötzlich weg. Das hat uns finanziell sehr geholfen. Ich wurde an Mutters gelegentlichen Ausspruch erinnert: «Wenn die Stunden sich gefunden, bricht die Hilf mit Macht herein». 34
Wie erlebst Du Adelboden heute? • Schon vor 20 Jahren, als wir in unsere alte Heimat zurück- kamen, stellten wir eine gewaltige Veränderung fest, vor allem in der primitiven Bearbeitung der Landwirtschaft bis hin zur hochtechnisierten. • Die Bevölkerungszahl stagniert. Jedoch nicht, weil das Tal ausstirbt, sondern weil es weniger Kinder gibt. Bei Peter waren es 14, meine Mutter war die Älteste von 16 Kindern. Hier gibt es noch Familien mit 4 Kindern, doch das reicht nicht für ein Wachstum. • Der Tourismus hat sich auf den Winter verlagert. In unserer Kindheit vermietete man im Sommer die eigene Wohnung und zog z.B. in Keller und Waschküche, um Platz zu schaffen für ferienhungrige Unterländer. Heute werden 35
Ferien- und Zweitwohnungen in den Wintersportwochen gut bis überteuert vermietet. Das Tal verfügt über 60 % Zweit- wohnungen. Von einem Tag auf den andern können das 4-5- fache der Bevölkerung in Adelboden hausen. • Die Berglandwirtschaft hat wohl die grösste Veränderung erlebt. Eine junge Bergbauernfamilie bewirtschaftet heute das 2 - 3fache an Fläche als ihre Eltern und Grosseltern. Ohne staatliche Hilfe, die Bergbauern recht grosszügig erhalten, kämen sie wohl nicht über die Runden. Die jungen Bergbauern müssen ein weiteres Standbein zum Überleben haben und erlernen oft einen weiteren oder gar dritten Beruf. Die finanzielle Hauptlast in der Landwirtschaft besteht im Maschinenpark. • Das religiöse Leben im Tal ist nach wie vor sehr ausgeprägt. Wenn man sich zwischen Landes- und Freikirchen früher eher bekämpfte, haben es uns die Jungen vorgemacht, dass wir alle zur einen Gemeinde Jesu gehören und jede Möglich- keit der Zusammenarbeit schätzen und fördern müssen. Man kann ohne Dünkel sagen, dass jeder dritte. Bewohner hier als engagierter Christ bezeichnet werden darf. • Schön ist, dass Adelboden seinen Dorfcharakter behalten hat. Es herrscht eine gute, gesunde und auch persönliche Atmosphäre. Man kennt einander zum grössten Teil noch, grüsst sich auf der Strasse, erlaubt sich gegenseitig einen Schwatz, wenn es gerade möglich ist. 36
Geschichte von Hildi Hari-Wäfler Die heutige Episode aus dem Buch »Felsig, karg und hoff- nungsgrün, eine Kindheit in Adelboden», berichtet von dem Brand der elterlichen Scheune, den die Autorin als Erstklässlerin erlebt hat. Scheune in Flammen An einem Vormittag im Juni kam Bewegung in die Bevölkerung von Adelboden. Das Feuerhorn ertönte an allen Ecken. «Es brennt! Es brennt!», riefen die einen den anderen zu. «Ja, wo brennt es denn? Hier im Dorf kann es nicht sein, das müssten wir sehen». «Unten in der Oey, direkt unter dem Hotel Nevada Palace, steht ein Haus oder eine Scheune oder beides in Flam- men. Genaues wissen wir nicht. Es muss bei Wäflers sein – nicht das alte Bauernhaus der Witwe, sondern die Gebäude des Sohnes Wilhelm, ganz in der Nähe.» Auf dem Risetensträssli, nahe dem Dorf, sammelten sich bereits Neugierige. Die ersten Feuerwehrleute trafen ein, suchten in Eile den Wasseranschluss 37
an den Hydranten, legten Schläuche und begannen zu spritzen. Das geschah innerhalb kürzester Zeit, trotz des hochgewachse- nen Grases, das die Arbeit erschwerte. Es war glücklicherweise die Scheune, die lichterloh brannte. Die Feuerwehrleute spritzen auf die Scheune, jedoch nicht, um sie zu retten. Ihre Sorge galt dem Wohnhaus, das dicht danebenstand. Dessen Wände hatten sich bereits auf der dem Feuer zugewandten Seite von der Hitze schwarz verfärbt. So wurden auch auf sie Wasser- schläuche gerichtet. Inzwischen warfen freiwillige Helfer den Hausrat planlos über den Sims der Laube ins Freie. Da lagen Bettwäsche, Bettgestelle, Matratzen, Kochgeschirr, kleinere Möbel, Kleider und viele andere Gegenstände wirr durcheinan- der im Gras und bildeten ein unglaubliches Chaos. Als ich von der Schule kam, hatte ich bereits unterwegs etwas vom Brand vernommen. Mir bot sich ein Bild der Verwüstung. Von der Scheune waren nur noch Umrisse zu erkennen, ein hohles, brennendes Gerüst mit Teilen des Daches, der Wände und des Zwischenbodens. Mit fürchterlichem Krach stürzten einzelne Balken Funken stiebend zu Boden. «Gib acht, Hildi», rief meine vorübereilende Mutter mir zu. «Halte dich fern von der Brandstelle; es ist viel zu gefährlich, in die Nähe zu kom- men». Es blieb mir keine Zeit, die Frage zu stellen, wie so etwas nur passieren konnte. Auch im Wohnhaus gab es kein ruhiges Plätzchen für mich. Alles schien ausser Kurs geraten, nichts funktionierte mehr wie früher. Trotz der vielen Leute um mich herum fühlte ich mich in diesem Moment einsam und verlassen. Wie gut, dass es windstill war, sonst wäre es wohl um das Haus geschehen gewesen. Endlich, endlich schienen die Feuerwehr- leute das Feuer im Griff und die Gefahr gebannt zu haben. Der Rest der Scheune sank in sich zusammen. Glühende Über- reste, bereit, beim leisesten Windhauch wieder in Feuer auszu- brechen, ragten in die Luft. Ein flüchtiger Blick auf das, was 38
übrigblieb, bestätigte: Da ist nichts mehr zu retten, nichts mehr zu gebrauchen, ausser einigen angekohlten Balken, die eventu- ell noch als Brennholz verwertet werden können, und einigen Dachziegeln, die noch ganz sind. Mein Vater arbeitete zu der Zeit in Kandersteg, im Nebental, als ihn die Nachricht erreichte: «Bei dir zu Hause brennt es!» Er überlegte nicht lange, bestieg sein Fahrrad – mit Rücktritt- bremse und ohne Gangschaltung – und sauste die kurvenreiche Strasse hinunter in Richtung Frutigen. Dort legte er sich in die Pedale, um die gut 500 Meter Höhendifferenz bis nach Adelbo- den zu überwinden. Bei unserem Wohnhaus angekommen, stieg er atemlos von seinem «Göppel». Er hatte die fast dreissig Kilometer, von denen die Hälfte ein steiler Aufstieg war, zurück- gelegt, ohne einmal abzusteigen. Mit grossem innerem Schmerz musste er sich vom Ausmass der Katastrophe überzeugen. Wie nur konnte dieser Brand ausbrechen? Mutter Rosina war für einen Augenblick ausser Haus gewesen. Willi, dem es ohne seine Schwester, die vor kurzem die Schule begonnen hatte, wohl langweilig wurde, beschäftigte sich selbst in einem Neben- raum der Scheune. Da waren so viele interessante Gegen- stände und Werkzeuge aller Art beieinander. Plötzlich fiel sein Blick auf einen Haufen Späne, die kürzlich aus der Sägerei geholt worden waren. Mit diesen würde es sich gut spielen lassen. Die mussten ja auch leicht brennen. Nur schnell sehen, wie das funktioniert. Zündhölzer waren in der Küche, etwas erhöht aufbewahrt, mit einem Stuhl erreichbar. Aus dem Spielchen wurde bitterer Ernst. Mein Bruder erschrak heftig. Nie hätte er das Ausmass seines Handelns erahnt. So schnell ihn seine kurzen Beine trugen, sprang er taleinwärts. Nur fort, fort von allem! Die kleine, rundli- che Tresi, des Postgodis Frau mit dem lachenden Gesicht und den Grübchen in den Wangen, hielt den verängstigten Buben 39
auf. «Willi, hast du es so eilig? Wohin willst du? Komm doch für einen Augenblick zu mir in die Stube. Ich habe gern Gesell- schaft. Du hast sicher Hunger?» Tresi war ohne Kinder geblie- ben, aber liebte sie. Beruhigend sprach sie auf Willi ein und stellte ihm ein dick bestrichenes Butterbrot und eine Tasse Milch auf den behäbigen, schweren Tisch aus Eichenholz. Es war eine gemütliche Stube mit einem Trittofen, der im Winter herrlich wärmte und zum Sitzen einlud. Dicke, schwere Balken trugen die Decke. Kleine Fenster mit winzigen Scheiben erhellten den Raum. Rechts oben in der Ecke des Fensters stand mit Zierschrift auf der Scheibe geschrieben: «Anna Zürcher, geb. im Jahre 1759!» Es war nicht leicht, Willi zum Reden zu bringen. Dicke Tränen rollten seine Backen herunter. Aus den paar Worten, die nur stockend über seine Lippen kamen, konnte Tresi sich einige unklare Zusammenhänge reimen. Sie war froh, ihn wenigstens 40
hier in Sicherheit zu haben, und teilte dies Mutter mit, damit sie sich nicht noch zusätzliche Sorgen zu machen brauchte. Was hätte wohl auf seiner Flucht alles geschehen können? Es war klar, die Scheune musste so bald wie möglich wieder aufgebaut werden. Spätestens im Herbst sollte das Vieh darin untergebracht werden können. Das Heu der bevorstehenden Ernte konnte vorübergehend zu Zucker stockförmigen Tristen aufgeschichtet werden. Es gab viele zusätzlichen Umtriebe, Abklärungen mit den Versicherungen, langwierige, Zeit rauben- de Aufräumarbeiten und Pläne für den Neubau. Trotz allem atmeten alle erleichtert auf: «Wir hatten unerhörtes Glück. Der Bub ist mit dem Schrecken davongekommen. Ihm ist glücklicherweise nichts zugestossen. Wohl ist die Scheune total abgebrannt, aber das Wohnhaus erlitt keinen beträchtlichen Schaden. Die Hand des Höchsten war über uns und bewahrte uns vor Schlimmerem». Die Eltern vergassen nicht, ein herzli- ches Dankeschön zum Himmel zu schicken. 41
Bildernachweis Seite 1 Titelseite von E. Eberle Die Ernte, Original von Robert Zünd, Wikimedia 4 Die Ernte, Kopie Emil Rigling-Krafft, Foto R. Herold 5 Foto von Pixabay 8 Blume von E. Eberle 9 Foto von Pixabay 11 Foto von Stephanie Hofschlaeger auf Pixelio 12 Rosenkorb: S. Hermann & F. Richter auf Pixabay 14 Foto von Pixabay 15 Drei Rosen: N. Schmid 22 Rapsfeld: Sven Lachmann, pixabay 24 Vollmond: Fotomontage N. Schmid Fotomontage N. Schmid mit Fotos: TheOtherKev, pixabay und 25 JackieLou DL, pixabay 28 Foto von N. Schmid 29 Foto vom cordon-bleu von: Rainer Zenz, Wikipedia 32 Buchumschlag von Hildi Hari-Wäfler Adelboden Dorfzentrum, Foto: Matthias Nutt, Tourismus 35 Adelboden-Lenk-Kandersteg 37 Brandkatastrophe: Foto: Hermann Schönhofer, pixelio 40 Foto aus Buch von Hildi Hari-Wäfler 43 Zeichnung von unserer Abteilungsleiterin Nezahat Hür 40 Rückseite von E. Eberle 42
Schwan im Frühling 43
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