Endelin - Wendelin-Pflegeheim

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Endelin - Wendelin-Pflegeheim
endelin

Mai 2021
Endelin - Wendelin-Pflegeheim
Wendelin Pflegeheim        Wendelin Tagesheim
Inzlingerstrasse 50        Inzlingerstrasse 46
4125 Riehen                4125 Riehen

Tel: 061 645 22 22         Tel: 061 643 22 16
info@aph-wendelin.ch       info@th-wendelin.ch
www.aph-wendelin.ch        www.th-wendelin.ch

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Endelin - Wendelin-Pflegeheim
Der Heimleiter berichtet
Liebe Bewohnende, liebe Leser des «Wendelinheftlis»

«Frühlingslieder»

Erinnern Sie sich noch an Ihre Jugend, als der Winter endlich
vorbei war und es wieder zu wachsen und gedeihen begann?
Wenn die Tage länger und heller werden, kommen mir alle
Jahre wieder unsere ersten Familienausflüge nach dem Winter
in den Sinn. Wir hatten im Hotzenwald in Herrischried, oben auf
800 m eine kleine Waldhütte, die dem Verband der Kriegsheim-
kehrer VDK gehörte, und die wir als Familie eines solchen,
regelmässig an den Wochenenden nutzen durften. Es war eine
ganz einfache Holzhütte, mit einem Schlafraum, in dem 5 Betten
waren und wir alle gemeinsam im gleichen Raum übernachte-
ten, und einem Wohnraum mit Küche und einem Holzofen zum
Heizen und Kochen. Alles ohne fliessendes Wasser, das
mussten wir von der nahen Quelle in Eimern und Kanistern
holen, und auch ohne Toilette. Das Häuschen stand am
Dorfrand von Herrischried direkt an ein Waldstück angrenzend,
schön geschützt von Tannen, absolut idyllisch gelegen. Rund
herum waren vereinzelte Bauernhöfe, Wald und Wiesen. Die
Toilette war ein kleines Holzhäuschen im Wald hinter der Hütte,
mit einem Herz in der Türe, zum Sitzen ein Holzbrett mit einem
Deckel in der Mitte. Ich kann mich gut daran erinnern, denn
wenn ich drauf sass, hat es von unten immer fürchterlich gezo-
gen und auch vom Geruch her war es nicht so fein wie zu
Hause. Ich war immer froh, schnell wieder aus diesem Häus-
chen heraus zu kommen. Mein Bruder hatte mir dort oft mit
Geschichten von Waldgeistern Angst gemacht, also habe ich
auf dem stillen Örtchen immer laut gesungen, so hatte ich das
Gefühl, dass mir die Waldgeister nichts anhaben konnten.

Ich habe oft das Frühlingslied «Im Märzen der Bauer die Röss-
lein einspannt» gesungen. Ich wurde vermutlich auch von den
umliegenden Bauernhöfen und den Motiven inspiriert, wo die

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Bauern noch mit dem Pferdewagen den Mist auf die Matten
brachten und ihn anschliessend als Dünger darauf verteilten.
Andere holten mit ihren Pferdefuhrwerken das im Winter
geschlagene Holz aus dem Wald und brachten es zum Spalten
und Aufschichten zu ihren Höfen nach Hause.

1. Strophe «Im Märzen der Bauer»
Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt.
Er setzt seine Felder und Wiesen in Stand.
Er pflüget den Boden, er egget und sät
und rührt seine Hände früh morgens und spät.

In unserem Wohnzimmer zu Hause hing ein riesiges Gemälde,
«Die Ernte» von Robert Zünd. Dieses Bild hat mein Grossvater
kopiert. Es war seine Meisterarbeit als Kunstmaler. Das Original

dieses Bildes hing früher in Basel im Kunstmuseum. Die Kopie
meines Grossvaters (rechtes Bild) ziert heute meine Wohn-
zimmerwand. Das Sujet auf diesem Bild zeigt einen grossen
Heuwagen, der von Pferden gezogen wird und Mägde und
Bauern, die diesen Wagen mit Heu beladen.

Auf unseren Ausflügen in die Natur wurde beim Wandern und
Laufen im Übrigen immer viel gesungen. Meine Mutter kannte
alle Kinder- und Volkslieder noch auswendig und motivierte uns
so vermutlich auch, weiter zu laufen, wenn wir langsam müde

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Endelin - Wendelin-Pflegeheim
wurden und die Füsse nicht mehr wollten. Zumindest habe ich
dies später mit meinen eigenen Kindern dann so gemacht, als
ihnen der Weg begann zu weit zu werden.

Was ist oder war Ihr Lieblingslied im Frühjahr? Und weshalb?
Welche Gefühle waren oder sind für Sie immer noch damit
verbunden?
Kennen Sie es von der Schule her oder sang es jemand aus der
Familie?

Erzählen Sie uns davon!
Es grüsst Sie herzlichst Ihr

Rainer Herold
Heimleiter

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Endelin - Wendelin-Pflegeheim
Geburtstage im Mai
Bewohnende
13.05. Renate Häberli                 88
19.05. Verena Etter                   94

Personal
02.05.   Wender Moreira               Pflege
04.05.   Bettina Jenni                Tagesheim
14.05.   Sarah Seger                  Pflege
22.05.   Nezahat Hür                  Pflege
31.05.   Stefanie Leu                 Aktivierung

Personelles
Austritte

Frau Kerstin Storz, Nachtwache
Frau Choeten Amipa, Hotellerie

haben uns auf Ende April verlassen.

Wir danken ihnen für die wertvolle Zeit und wünschen ihnen für
die Zukunft alles Gute.

Eintritte

Frau Nira Leon als Berufsbildungsverantwortliche Pflege
Frau Maryan Bosch als Mitarbeiterin in der Hotellerie

Wir begrüssen die neuen Mitarbeitenden und wünschen ihnen
viel Freude bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im Wendelin

                     Herzlich Willkommen

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Unser Personal stellt sich vor
                       Monica Cruz

                        Ich bin 23 Jahre alt und arbeite seit dem
                        1. Januar 2021 hier im Wendelin in
                        Riehen. Ich arbeite auf dem 3.Stock und
                        komme sehr gerne jeden Tag zur Arbeit.
                        Ich arbeite mit einem sehr humorvollen
                        und ehrlichen Team. Vorher habe ich im
                        Alterszentrum Wesley Haus mit Bewoh-
                        nern mit Demenz gearbeitet. Da durfte
                        ich meine Lehre als Fachfrau Gesundheit
                        am 1. August 2019 abschliessen. Der
                        Beruf in der Pflege macht mir, seit ich
                        angefangen habe, sehr viel Freude. Ich
bin eine sehr offene, ehrliche lebens-freudige Person. Ich lache
sehr gerne und lerne gerne andere Menschen kennen. Der
respektvolle Umgang und die Wertschätzung gegenüber den
Bewohnern, wie auch den Arbeitskollegen im Wendelin ist mir
sehr wichtig, das liegt mir sehr am Herzen. Als ich im Januar im
Wendelin anfing, wurde ich sehr schön willkommen geheissen
und sehr freundlich und offen von den Personen aufgenommen,
die hier leben und ebenso von allen Mitarbeitern, die hier
arbeiten.

Als ich im Wendelin angefangen habe, fiel es mir schwer, die
Umstellung auf an Demenz erkrankte Menschen und die teilwei-
se selbständigen Bewohner zu treffen. Die Wohngruppen
kamen mir am Anfang sehr riesig vor, da ich gewöhnt war, in
kleineren Wohngruppen zu arbeiten. Ich brauchte einige Zeit,
um gewisse Sachen zu finden wie das Lager, Umkleide usw. In
meiner Freizeit bin ich gerne in der Stadt und shoppe sehr
gerne. Ich tanze und höre sehr gerne Musik und Reise gerne
mit meiner Freundin zusammen.Ich freue mich sehr auf die
weitere Zusammenarbeit und freue mich sehr darauf, weiterhin
neue Erfahrungen machen zu dürfen und neue Menschen
kennen zu lernen.
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In lieber Erinnerung gedenken wir
Frau   Anna Schlup              gestorben am   31.03.2021
Frau   Anna-Maija Zimmermann    gestorben am   06.04.2021

Ausgetreten ist
Frau   Johanna Münzel           ausgetreten am 27.04.2021

Zu uns gezogen sind
Herr   Ludwig Bucher            eingezogen am 01.04.2021
Herr   Werner Balsiger          eingezogen am 06.04.2021
Herr   Ernst Rediger            eingezogen am 19.04.2021
Frau   Klara Heinimann          eingezogen am 20.04.2021

Wir heissen die neuen Bewohnenden herzlich willkommen,
wünschen ihnen ein gutes Einleben und hoffen, dass sie sich
bei uns wohlfühlen werden.

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Endelin - Wendelin-Pflegeheim
Gottesdienste und Morgenbetrachtungen
Gottesdienste

Donnerstag   06.05.    Pfr. Eugen Frei und Lukas Wenk

Donnerstag   20.05.    vor Pfingsten
                       Pfarrer Lukas Wenk

Morgenbetrachtungen

Donnerstag   13.05.       Auffahrt
                          Pfarrerin Lea Schweyer

Donnerstag   27.05.       Pfarrerin Lea Schweyer

Die Gottesdienste und Morgenbetrachtungen finden jeweils um
10.00 Uhr im Mehrzweckraum statt.

Angehörige, Freunde, Bekannte, sowie die Mieter der umliegen-
den Alterswohnungen können zurzeit noch nicht an diesen
Anlässen teilnehmen.

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Endelin - Wendelin-Pflegeheim
Was machen die Pensionierten heute?
                                      Mein Leben nach der
                                        Pensionierung

                                            Ruth Wenk

                                  Mein Leben hat sich ver-
                                  ändert, seit ich aufgehört
                                  habe im Wendelin zu
                                  arbeiten. Es ist gemütli-
                                  cher geworden. Aufstehen
                                  geht jetzt regelmässig oh-
                                  ne Wecker, das ist herr-
                                  lich. Lesen ist etwas, das
                                  ich ausgiebig tun kann.
                                  Zum Glück habe ich die
                                  Stadtbibliothek gleich in
                                  der Nähe. Auch habe ich
                                  wieder mit Handarbeiten
angefangen. Speziell Socken und Schals stricken, da ich beim
Aufräumen noch Wolle entdeckt habe, die darauf wartet,
verarbeitet zu werden.

Ich geniesse es, zu kochen und Rezepte auszuprobieren, alte
Gemüsesorten kennen zu lernen und Rezepte dazu zu suchen.
Spontan Gäste einladen oder eingeladen werden, ohne lange
nach Terminen suchen zu müssen, bedingt durch die ehemals
unregelmässigen Arbeitszeiten, ist auch etwas Neues, was ich
schätze. Natürlich hoffe ich, wie wohl alle, dass es bald auch
wieder unkompliziert möglich sein wird, Freunde im In- und Aus-
land zu besuchen.

Corona bedingt ist und war vieles nicht möglich, was ich gerne
unternehmen wollte. Trotzdem gibt es noch Vieles, was Freude
macht.
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Die Umgebung auf Spaziergängen und beim Velofahren neu
entdecken macht Spass. Auch die Schweiz ist wunderschön,
besonders die Berge locken mich immer wieder.

Chorsingen ist leider seit fast einem Jahr nicht mehr möglich, ja
sogar verboten. Das vermisse ich sehr. Wir treffen uns aber
jeden Montag zum Proben, jede Sängerin zu Hause vor dem

Computer, die andern sind zu sehen, jedoch nicht zu hören, nur
die Dirigentin können wir hören, wenn sie uns anleitet. So
wollen wir als Chor dranbleiben, bis wir hoffentlich bald wieder
zusammen singen dürfen.

Daneben bin ich in meiner Kirche aktiv beim Besuchsdienst,
helfe beim Mittagstisch, schreibe Geburtstagskarten, so wird es
mir nie langweilig. Natürlich hoffe ich, wie wohl alle von uns,
dass das Leben bald wieder einfacher wird.

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Tagesheimbericht
                  EIN BESONDERER TAG
                     DER MUTTERTAG

Der erste Muttertag wurde am 12. Mai 1907 in den Vereinigten
Staaten gefeiert. Es war jedoch kein fröhlicher Dankesanlass,
sondern eine Gedenkfeier für Anna-Maria Reeves Jarvis. Sie
begründete im Jahr 1865 in den USA die Mütterbewegung
«Mothers Friendships Day». Es sollte eine Gelegenheit für
Mütter sein, sich zu aktuellen Fragen auszutauschen.

Ihre Tochter, Anna Marie Jarvis, organisierte 1907 anlässlich
des zweiten Todestages ihrer Mutter eine Gedenkfeier. Am
Sonntag nach jenem für die Tochter traurigen Datum lud sie
zum Gedenkanlass, dem «Memorial Mothers Day Meeting» ein.
Die Methodistenkirche widmete im darauffolgenden Jahr
allen Müttern eine Andacht. 500 weisse Nelken wurden an
Mamis verteilt.

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Anna Marie Jarvis hatte seit diesem Anlass ein neues Ziel: Sie
wollte hauptberuflich einen offiziellen Muttertag ins Leben rufen.
Sie schrieb mit ihrem Anliegen Politikern, Geschäftsleuten,
Geistlichen und Frauenvereinen an. Mit Erfolg. Schon zwei
Jahre später wurde der Tag in 45 amerikanischen Staaten
gefeiert. Am zweiten Sonntag im Mai 1914 feierten die Vereinig-
ten Staaten zum ersten Mal offiziell den Muttertag. Unter
US-Präsident Woodrow Wilson wurde der Muttertag zum
nationalen Feiertag.

Immer mehr Geschäfte sprangen auf den Feiertag auf. Die
Kommerzialisierung war der Begründerin jedoch zutiefst
zuwider. Sie bereute, den Feiertag gründet zu haben und
kämpfte - erfolglos - für seine Abschaffung.

Und in der Schweiz?
Hier engagierten sich schon 1914 unter anderem die Heils-
armee für die Einführung des Muttertags. Doch zumindest in der
Deutschschweiz ohne Erfolg. Erst 1930 kam es zum Durch-
bruch als sich die Floristen, die Gärtnermeister und Konditor-
meister für den Tag stark machten.

Nun folgen noch ein Quiz und ein Mundartgedicht zum
Muttertag.

Wir wünschen Ihnen einen frohen Muttertag! Mit Blumen oder
Schokolade - und auch einem Moment des Gedenkens.
Ganz im Sinne der Begründerin.

Das Team des Tagesheims

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Quiz zum Muttertag

•   Nennen Sie möglichst viele Wörter, die mit dem Wort Mutter
    beginnen.

•   Wer sang das Lied «Mama»?

•   Was haben andere Mütter auch?

•   In welchem Land hat der Muttertag seinen Ursprung?

•   Kennen Sie typische Muttertags-Gerichte?

•   Welche Mutter gehört in die Werkzeugkiste?

•   Welches ist das beliebteste Muttertags-Geschenk?

•   Jemand, der nicht selbständig wird, hängt seiner Mutter
    am …?

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Gedicht zum Muttertag

      Ei Tag längt nid zum danke säge
      es brucht es ganzes Johr derzue
        öb Muetterliebi, Muettersäge,
      s’het beides viel mit Opfer z‘tue.

      Mit Schmärze het si eus gebore,
        mit Liebi eim dur‘s Läbe treit
       hüt fühlt sie sich echli verlore
       will niemer richtig danke seit.

  Dis Blüemli wird si vo dir zwar scho freue
    au‘s Autofährtli macht si sicher froh,
  doch settisch s‘ganz Johr Blueme streue
          und si nid so alleige loh.

    Es Muetterhärz wird Liebi schänke
       bis zum allerletschte Schlag
     mer sette meh a d’Muetter dänke,
   und denn wär’s ganz Johr Muettertag.

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Interviews mit Bewohnenden zum Thema:
Frühlingslieder und Frühlingsmusik
von Hansruedi Flückiger

Interview mit Frau Seiler
Haben Sie ein Lieblingslied oder Musikstück zu diesem Thema?
Sie antwortet spontan: «Der Bauer im Märzen», rezitiert aber
sogleich Bruchstücke eines vor gut 75 Jahren, in der Schule
auswendig gelernten Gedichtes (Säerspruch von. C.F. Meyer),
das ihr wegen der Geste des Säens schon immer sehr imponiert
hat und ergänzt es mit Zeilen eines andern Gedichtes (Der
Blümelein Antwort). Sie erinnert sich an ihre Kindheit in der
Gärtnerei der Eltern, an die Blumenkisten beim Eingang und die
Pflanzbeete, an die Geste des Säens, wenn der Vater die
Pflanzen düngte. Man kann sehen, dass sie die Szenen so
lebendig vor ihrem geistigen Auge hat, als wäre es gestern
gewesen. Sind dies Gedichte oder Lieder?

«Ich meine das mit den roten und gelben Blümelein kann man
auch singen» und sie versucht die Melodie zu singen.

Mit Hilfe des Tabletts suchen wir von beiden Gedichten die
fehlenden Textzeilen. Gemeinsam lesen wir die Texte, sinnieren
darüber und stellen fest, dass sogar beide Texte vertont worden
sind.
                            Säerspruch
                    Conrad Ferdinand Meyer

         Bemesst den Schritt! Bemesst den Schwung!
              Die Erde bleibt noch lange jung!
            Dort fällt ein Korn, das stirbt und ruht.
              Die Ruh ist süss. Es hat es gut.
           Hier eins, das durch die Scholle bricht.
              Es hat es gut. Süss ist das Licht.
              Und keines fällt aus dieser Welt
              und jedes fällt, wie's Gott gefällt.

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Zu dem Gedicht gibt es drei Vertonungen, von Willy Burkhard,
Oskar von Chelius und Hans Fleischer.

                   Der Blümelein Antwort
                 Hoffmann von Fallersleben

     In meines Vaters Garten, da wars noch gestern grün,
   da sah ich noch so mancherlei, so schöne Blumen blüh'n.

        Und heut ist alles anders, und heut ist alles tot,
    wo seid ihr hin, ihr Blümelein, ihr Blümlein gelb und rot?

      «O liebes Kind, wir schlafen nach Gottes Willen hier,
  bis er uns seinen Frühling schickt und dann erwachen wir.»

   «Wie deine Blümlein schlafen, so wirst auch schlafen du,
  bis dich erweckt ein Frühlingstag aus deiner langen Ruh'.»

   «Und wenn du dann erwachest, o möchtest du dann sein
     so heiter und so frühlingsfroh, wie deine Blümelein!»

Beim dritten Gedicht «Frühlingsjubel», das von Mozart vertont
wurde, fügt Frau Seiler sofort an: Ich bin früher auch so gewe-
sen. Ich hatte Freude am Frühling und an den Besuchen bei
alten Leuten, mit denen ich auch gesungen habe oder ich freute
mich über gute Taten, die ich für andere gemacht habe. Ich bin
damals gerne Auto gefahren. Auf der Heimfahrt nach solchen
Besuchen spürte ich Freude und habe fröhlich gesungen. Ja,
ich hatte ein gutes Leben und bin dankbar dafür, sagt sie zum
Schluss.

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Frühlingsjubel

  Hoffmann von Fallersleben/Musik: Wolfgang Amadeus Mozart

                Heisa, lustig im sonnigen Wetter,
            wenn durch Blüten und säuselnde Blätter
             lieblich tönet der Vögel Geschmetter,
               ei, wer könnte da traurig noch sein!

             Wenn die silbernen Quellen erklingen,
            auf dem Anger die Blumen entspringen,
          Schmetterlinge zum Reigen sich schwingen,
              ei, wer könnte da traurig noch sein!

           Freud‘ und Lust hat sich wieder gefunden,
            was da kränkelte, muss nun gesunden,
            denn der Winter, er ist ja verschwunden,
              ei, wer könnte da traurig noch sein!

             Lasst uns singen, lasst uns scherzen!
               Lasst uns freu‘n und fröhlich sein!
                Denn fürwahr! in frohe Herzen
                  kehret nur der Frühling ein

Am Tag nach dem Interview sucht mich Frau Seiler auf:

Wir müssen unbedingt noch ein Lied anfügen, das mir sehr viel
bedeutet, das mich jeden Frühling begleitet:

«Geh‘ aus mein Herz und suche Freud».

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Dieses Gedicht von Paul Gerhardt umfasst 15 Strophen. Als
Volkslied werden folgende vier Strophen gesungen:

          Geh‘ aus mein Herz und suche Freud
                    Paul Gerhardt

           Geh aus, mein Herz, und suche Freud
               in dieser lieben Sommerzeit
                 an deines Gottes Gaben;
            schau an der schönen Gärten Zier,
              und siehe, wie sie mir und dir
              sich ausgeschmücket haben.

              Die Bäume stehen voller Laub,
             das Erdreich decket seinen Staub
                 mit einem grünen Kleide;
                Narzissus und die Tulipan,
              die ziehen sich viel schöner an
                   als Salomonis Seide.

            Die Lerche schwingt sich in die Luft,
            das Täublein fliegt aus seiner Kluft
               und macht sich in die Wälder;
                die hochbegabte Nachtigall
              ergötzt und füllt mit ihrem Schall
                Berg, Hügel, Tal und Felder.

            Ich selber kann und mag nicht ruhn,
              des grossen Gottes grosses Tun
                   erweckt mir alle Sinnen;
               ich singe mit, wenn alles singt,
            und lasse, was dem Höchsten klingt,
                 aus meinem Herzen rinnen.

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Frühlingslieder mit Harmonium oder Gitarre

Interview mit Frau Schluchter
Fällt Ihnen ein Lieblingslied oder Musikstück zu diesem Thema
ein?

Frau Schluchter überlegt nur kurz und sagt:
«Frühlingssymphonie von Schumann und … die Jahreszeiten
von Haydn» und beginnt zu erzählen:

Wir hatten ein Harmonium zu Hause. Sonntagnachmittag
gingen wir Kinder mit unserm Vater auf den Sonntagsspazier-
gang. Unsere Mutter machte in der Zeit einen Mittagsschlaf.
Wenn wir nach Hause kamen, sass sie immer am Harmonium
und spielte. Das war so schön!

So kam es, dass wir Kinder auch Harmonium spielen wollten
und schliesslich Unterricht bekamen. Jedes Jahr zum Weih-
nachtsfest lernten wir mit der Musiklehrerin neue Stücke dazu.
Mit der Zeit spielten meine Schwester und ich auch vierhändig.

Bei einem Weihnachtslied musste ich die hohen Töne spielen.
In der obersten Oktave des Harmoniums wurden kleine Schnee-
flocken, die leicht und sanft auf die Erde fallen imitiert. In Früh-
lingsliedern waren es z.B. Vogelstimmen oder Wasserläufe, die
vom Berg herunterkamen.

Die Frühlingssymphonie ist eine luftig leichte Melodie, die mich
innerlich erheitert und das Gefühl gibt, dass jetzt der Frühling
kommt.

Mit dem Gitarren- und Gesangschor vom Erlensträsschen sind
wir in Spitäler (z.B. das Landpfrundhaus) und zu alten Leuten
singen und musizieren gegangen. Wir haben viel Freude und
Humor verbreitet. Ich erinnere mich an das Lied «Wenn alle

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Brünnlein fliessen», da kommt der Schatz vor, dem ich winke,
und wenn er nicht reagiert, wird ihm auf den Fuss getreten…!
Frau Schluchter lacht herzlich dazu.

«Es war eine schöne Zeit! Mit den Fotos aus der Zeit erinnere
ich mich gerne daran.»

                     Heimliche Liebe
            Volksweise aus dem 16. Jahrhundert

     Wenn alle Brünnlein fliessen, so muss man trinken;
   wenn ich mein’ Schatz nicht rufen darf, tu ich ihm winken.

     Ja, winken mit den Äugelein und treten auf den Fuss,
     s’ ist eine in der Stube drin, die meine werden muss.

    Warum sollt’ sie’s nicht werden, ich hab’ sie ja so gern.
   Sie hat zwei blaue Äugelein, die leuchten wie zwei Stern’.

     Sie hat zwei rote Wängelein, sind röter als der Wein.
  Ein solches Mädchen find’st du nicht wohl unterm Sonnen-
                           schein.

                              21
Lied-Impuls für den Pfingstmonat Mai
von Lukas Wenk, Pfarrer

Wind kannst Du nicht sehen
(Pfingstlied, reformiertes Kirchengesangbuch 516)

        Wind kannst Du nicht sehen, aber, was er tut:
         Felder wogen, Wellen wandern in der Flut.

      Geist kannst Du nicht sehen, doch wo Er will sein,
     weicht die Angst und strömt die Freude mächtig ein.

     Geist kannst Du nicht sehen, doch hör, wie er spricht
          tief im Herzen Worte voller Trost und Licht.

                              22
Der Monat Mai ist dieses Jahr auch Pfingstmonat. Ich halte es
deshalb für passend, im Rahmen des Themas «Frühlingslieder»
in diesem Heft ein Pfingstlied vorzustellen und Ihnen damit eine
Anregung mitzugeben, sich auf Spurensuche nach dem Geist
Gottes zu begeben. Wir haben es ja so nötig, uns berühren,
erfüllen und bewegen – und gegen all das Bedrückende unserer
Tage mit Zuversicht beschenken zu lassen.

Gerade im Frühling können wir ja in der Natur wahrnehmen, wie
der Wind die Rapsfelder wogen lässt und wie sich die Frische
des Windes auf der Haut einmal angenehm anfühlt, wie Wellen
sich bei Sturm vor ihm türmen und wie sich die Greifvögel vom
Wind aufschwingen und tragen lassen, ganz frei und leicht. Der
Wind treibt die Wolken, die Blütenblätter tanzen, die Tannen und
Blätterbäume rauschen, die Wäsche trocknet in kurzer Zeit.

Ja, an den Bildern lassen sich immer wieder Erfahrungen able-
sen, wie Gottes Geistkraft tief in unserem Leben wirkt: dass er
uns durch Stürme getragen hat und tragen wird, dass er uns zu
neuem Auftrieb verhilft, uns um jemand oder etwas zu küm-
mern. Er ist es, der uns Atem gibt für ein Engagement und das
Leben.

Werden wir es im Gottesdienst vor Pfingsten am Donnerstag,
20. Mai singen können? Wer weiss? Wohl eher nicht. Ich freue
mich jedoch auf jedes Wiedersehen.

Herzliche Grüsse

Lukas Wenk, Pfarrer

                              23
Vollmond

          Gesättigt, ziemlich rund
       feiert er intensiv einige Stund
      die Nacht durch, treibt es bunt,
      weicht müde dem Morgenlicht,
        beendet seine Partyschicht,
       langsam zieht er sich zurück,
   setzt sich auf Diät Stück um Stück,
            sammelt wieder Saft
         Nahrung und Lebenskraft
            nimmt genüsslich zu,
      lacht uns glänzend wieder zu,
einige empfinden seine Präsenz als Ehr,
      andere kommen nicht zur Ruh,
  allen recht getan ist ziemlich schwer.

             Markus Strub

                  24
Der Kuckuck und der Esel

  von Hoffmann von Fellersbergen

    Der Kuckuck und der Esel
     die hatten großen Streit,
    wer wohl am besten sänge
     zur schönen Maienzeit

Der Kuckuck sprach: «Das kann ich!»
   Und hub gleich an zu schrei'n.
     Ich aber kann es besser!
      Fiel gleich der Esel ein.

  Das klang so schön und lieblich,
    so schön von fern und nah;
       sie sangen alle beide
    Kuckuck, Kuckuck, i-a, i-a!
      Kuckuck, Kuckuck, i-a!

                25
Wie Robert die Frühlingsmüdigkeit überwindet
                                   von Niklaus Schmid Heimes

                                   Samstagnachmittag im Mai.
                                   Jolanda, Roberts Frau, steht
                                   am Bügelbrett, ein riesiger
                                   Stoss Wäsche wartet darauf,
                                   gebügelt zu werden. Robert
                                   liegt auf dem Sofa und blättert
                                   lustlos in der Zeitung.

                                   «Robert, was hängst du in
                                   letzter Zeit so herum? Es ist
                                   Frühling, die Sonne strahlt.
                                   Hast du dir nicht kürzlich vor-
                                   genommen, mehr joggen zu
                                   gehen?»

                              Da sie von ihrem Liebsten
ausser einem Brummen keine Antwort erhält, fährt sie fort:

«Möchtest du ein schönes Frühlingsgedicht hören? Ich kann es
auswendig. Wir haben es damals in der Schule gelernt. Mich
schuderet es jedes Mal, wenn ich es höre. Es wird für mich
dann wirklich Frühling. Meine liebste Jahreszeit! Vielleicht
kommst du dann auf andere Gedanken.»

Da Robert kein grosser Fan von Gedichten ist, versucht er seine
Frau abzulenken.

«Ja, ja dein Frühling! Und was ist mit der Frühjahrsmüdigkeit?
Was wird aus dem schönsten Schneemann im Frühling? Eine
Pfütze! Das hast du davon!»

«Du bist ein ewiger Pessimist! Kürzlich hast du dich über das
kalte Wetter beklagt. Und jetzt, wenn es wärmer wird, ist es
auch nicht recht. Willst du das Gedicht wirklich nicht hören?
                              26
Ich bin sicher, es wird dir gefallen.»

«Gedichte! Der Erlkönig: ‘Wer reitet so spät durch Nacht und
Wind?’. Und wie endet es? ‘In seinen Armen das Kind war tot’.
Nicht sehr erbaulich. Und John Maynard, der auf dem Eriesee
umkommt. ‘Und noch zehn Minuten bis Buffalo’.»

«Mein Frühlingsgedicht hingegen ist voller Poesie und Lyrik.»

«Was heisst überhaupt Lyrik?»

«Ich glaube, das hat etwas mit dem Musikinstrument der Leier
zu tun.»

«Darum werden diese Gedichte heruntergeleiert!»

«Nein, im Gegenteil, sie sind gefühlvoll und drücken Stimmun-
gen aus. Wie zum Beispiel das Gedicht von Eduard Mörike. Darf
ich?»

«Also gut!»

«Schliesse bitte deine Augen und achte darauf, was für Bilder
und Gefühle in dir auftauchen. Lass einfach deine Seele
baumeln.»

«Stopp, stopp! Meinst du wirklich baumeln? Ich kann mir
vorstellen, meine Beine baumeln zu lassen, aber die Seele?
Wie denkst du dir das? Die Seele ist doch nichts Materielles,
nicht einmal einen Lufthauch könntest du baumeln lassen!»

«Du weisst genau, lieber Robert, das ist nur bildlich gemeint.
Lassen wir das mit dem Baumeln, entspann dich einfach. Achte
darauf, was diese Zeilen in deinem Inneren auslösen, welche
Gedanken, welche Gefühle! Jetzt unterbrich mich bitte nicht
mehr.»
                                 27
Nun beginnt seine Frau das Gedicht langsam und eindrücklich
zu rezitieren.

               Frühling lässt sein blaues Band
               wieder flattern durch die Lüfte;
                 Süsse, wohlbekannte Düfte
               Streifen ahnungsvoll das Land.
                  Veilchen träumen schon,
                   Wollen balde kommen.
            – horch, von fern ein leiser Harfenton!
                     Frühling, ja du bist’s!
                  Dich hab ich vernommen!

                                    Eduard Mörike (1804-1875)

                              28
Jetzt folgt eine Minute andächtiges Schweigen. Nun öffnet sie
die Augen und blickt Robert mit einem versonnenen Lächeln an.

«Und nun? Was hast du empfunden?»

«Ganz viele Sachen sind mir in den Sinn gekommen», er
zögert, «ich weiss aber nicht, ob das die richtigen sind.»

«Was heisst schon richtig? Jeder Mensch empfindet doch
anders.»

«Also gut, kannst du mir nochmals den Anfang aufsagen?»

Jolanda missfällt zwar das Wort «aufsagen», doch sie wieder-
holt die ersten Zeilen.

«Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte»

«Ja, genau. Da habe ich an ein Cordon bleu gedacht.»

                               29
Seine Frau ist entsetzt und etwas beleidigt: «Bitte, Robert, das
ist ja absurd!»

«Hast du nicht eben gesagt, jeder Mensch würde auf seine Art
empfinden? Blaues Band heisst auf französisch ‘cordon bleu’.
Das blaue Band war damals die Auszeichnung für hohe Koch-
kunst. Und als irgendein französischer Koch etwas ausprobierte,
indem er ein Schnitzel mit Schinken und Käse füllte, waren alle
so begeistert davon, dass der dafür das Blaue Band bekam,
und man nannte es eben Cordon bleu.»

«Ja gut, Robert, aber wollen wir nicht zum Gedicht zurückkeh-
ren? Da gibt es sicher noch mehr zu entdecken, das Frühlings-
gefühle in uns weckt.»

«Meinetwegen. Bei den süssen Düften bin ich noch hängen
geblieben. Wenn du einen Kuchen bäckst, duftet es in der
ganzen Wohnung so herrlich. Dieser Duft ist mir in die Nase
gestiegen und ich bekomme Appetit auf ein grosses Stück
Schwarzwälder Torte.»

Und fügt etwas kleinlaut dazu; «Sorry, war bestimmt wieder
falsch!»

Jolanda will noch nicht aufgeben.

«Es handelt sich nicht um Küchendüfte. Es heisst doch im
Gedicht: ‘Süsse, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das
Land’.»

«Das mit dem ‘ahnungsvoll’, habe ich nicht ganz verstanden.
Was für eine Ahnung soll ein herumstreifender Duft haben?»

«Ach, Robert, er ahnt, dass bald der Frühling kommt»

                              30
«Und er kommt mit einem leisen Harfenton. Dieser Schluss des
Gedichts hat dir sicher besonders gut gefallen. Mir wäre es
allerdings lieber, wenn der Frühling mit Pauken und Trompeten
ins Land zieht.»

Nun steht Robert abrupt auf und umarmt seine Frau.

«Lass die Wäsche für heute, mein Goldschatz, gehen wir doch
raus in die Natur und machen einen kleinen Frühlingsspazier-
gang. Dann kehren wir beim Italiener ein. Es muss nicht
unbedingt ein Cordon bleu sein.»

Jolanda freut sich über diesen Vorschlag und sofort einverstan-
den. Sie stellt das Bügeleisen ab und versorgt schnell die
Wäsche.

Das Gedicht hat doch seine Wirkung getan. Nicht ganz so, wie
sie es sich gedacht hatte. Doch Roberts Frühlingsmüdigkeit ist
wie weggeblasen.

                              31
Interview mit Hildi Hari-Wäfler
Autorin der Fortsetzungs-Geschichte im Wendelin-Heft

Hildi Hari-Wäfler hat drei autobiographische Bücher geschrie-
ben, wie diese Abbildung zeigt. Im Wendelin-Heft bringen wir
künftig Auszüge aus dem ersten Buch: «Felsig, karg und
hoffnungsgrün, eine Kindheit in Adelboden». Nach einem
ereignisreichen Leben verbringt die Autorin ihren Ruhestand in
Adelboden, wo sie aufgewachsen ist. Die Fragen des folgenden
Interviews stellte Pascale Hari, Sekretariat Wendelin.

Aus welchem Anlass hast Du angefangen zu schreiben?

Das Bücherschreiben war nicht geplant. Aus Zeitgründen wäre
dies nie möglich gewesen. Im Ruhestand aber besann ich mich
auf einen Ausspruch einer für mich wichtigen Person, die einmal
bemerkte, sie würde mir durchaus eine Autobiographie zutrau-
en. Da ich schon immer gerne schrieb, fing ich an, Kindheitser-
innerungen aufzuschreiben, dazu gehörte die recht einfache Art
Landwirtschaft zu betreiben und auch die Entstehung von
Adelboden und dem späteren Kurort. Schlussendlich hatte ich
genug Material beisammen für ein Buch: «Felsig, karg und hoff-
nungsgrün» sollte es heissen.

                              32
Als dann immer wieder die Frage an mich herantrat, wie es
weiterging, entschloss ich mich zum Weiterschreiben. Das
Resultat war: «Bibel, Blech und Gottvertrauen», und schluss-
endlich als Abschluss unserer Geschichte «Unverzagt und
himmelsnah».

Du bist schon viele Jahre mit Peter verheiratet. Wie hat er
Dich bei deinem Unterfangen unterstützt?

Wir sind im 59. Ehejahr miteinander unterwegs. Während unse-
ren 40 Jahren Aktivdienst als Heilsarmee-Offiziere unterstützten
und ergänzten wir uns gegenseitig und wurden zu einem idea-
len Team. Dies blieb auch so im Ruhestand. Als ich zu schrei-
ben anfing, freute sich Peter über meine Tätigkeit und war
bereit, im Haushalt mitanzupacken, sich im Kochen zu üben und
mir Freiraum zu verschaffen. Später ging es darum, mich mit
dem Vertreiben der Bücher zu unterstützen. Ohne Peters
tatkräftige Hilfe hätten wir es wohl nicht fertig gebracht über
4'000 Exemplare persönlich an den Mann, die Frau zu bringen.

                              33
Dazu kamen gut 60 Lesungen in der deutschen Schweiz, eine
sogar ännet der Grenze, an denen sich Peter durch Sologesän-
ge zur Gitarre, durch Bildprojektionen und anderem, einsetzte.
Wenn er Abstand vom ganzen Betrieb brauchte, setzte er sich
für ein oder mehrere Tage aufs Velo. Einmal besuchte er per
Fahrrad unsere Tochter mit Familie in Leipzig. Bergsteigen und
Skifahren gehören ebenfalls zu seinen Hobbys. So schaffte er
sich nebst Gärtnern und Brennholzverschaffen den nötigen
Abstand.

Heute wohnt ihr in diesem kleinen Haus mit Stall, welches
auf dem Buchdeckel abgebildet ist. Wie kam es dazu?
Können eure Kinder und Grosskinder euch dort besuchen?

An der damaligen Scheune hatte mein Vater ein kleines Zimmer
mit Küche angebaut, um während der Heuernte zu übernach-
ten. Vorher mussten wir mit dem Stall Vorlieb nehmen. In dieser
kleinen Behausung verbrachten wir später mit unserer Familie
viele Jahre unsere Ferien auf engstem Raum. Die Kinder schlie-
fen oben unter den Dachbalken. Im Blick auf unseren Ruhe-
stand stellten wir drei Mal ein Gesuch beim Bauamt und baten
um die Erlaubnis, eine kleine Wohnung ausbauen zu dürfen.
Jedes Mal erhielten wir einen ablehnenden Bescheid. Dank
einer Umzonung wurde nun plötzlich grünes Licht gegeben und
der Umbau der ganzen Scheune erlaubt. So haben wir genü-
gend Platz, wenn unsere Kinder und Grosskinder und nun auch
Urgrosskinder auf Besuch kommen. Genau zur Zeit vor dem
Ausbau konnten wir in der Nähe meines Elternhauses in der
Oey einen Bauplatz verkaufen, der mir gehörte und bis dahin
nicht veräussert werden durfte wegen Baubeschränkungen. Sie
fielen plötzlich weg. Das hat uns finanziell sehr geholfen. Ich
wurde an Mutters gelegentlichen Ausspruch erinnert: «Wenn die
Stunden sich gefunden, bricht die Hilf mit Macht herein».

                              34
Wie erlebst Du Adelboden heute?

•   Schon vor 20 Jahren, als wir in unsere alte Heimat zurück-
    kamen, stellten wir eine gewaltige Veränderung fest, vor
    allem in der primitiven Bearbeitung der Landwirtschaft bis
    hin zur hochtechnisierten.

•   Die Bevölkerungszahl stagniert. Jedoch nicht, weil das Tal
    ausstirbt, sondern weil es weniger Kinder gibt. Bei Peter
    waren es 14, meine Mutter war die Älteste von 16 Kindern.
    Hier gibt es noch Familien mit 4 Kindern, doch das reicht
    nicht für ein Wachstum.

•   Der Tourismus hat sich auf den Winter verlagert. In unserer
    Kindheit vermietete man im Sommer die eigene Wohnung
    und zog z.B. in Keller und Waschküche, um Platz zu
    schaffen für ferienhungrige Unterländer. Heute werden

                              35
Ferien- und Zweitwohnungen in den Wintersportwochen gut
    bis überteuert vermietet. Das Tal verfügt über 60 % Zweit-
    wohnungen. Von einem Tag auf den andern können das 4-5-
    fache der Bevölkerung in Adelboden hausen.

•   Die Berglandwirtschaft hat wohl die grösste Veränderung
    erlebt. Eine junge Bergbauernfamilie bewirtschaftet heute
    das 2 - 3fache an Fläche als ihre Eltern und Grosseltern.
    Ohne staatliche Hilfe, die Bergbauern recht grosszügig
    erhalten, kämen sie wohl nicht über die Runden. Die jungen
    Bergbauern müssen ein weiteres Standbein zum Überleben
    haben und erlernen oft einen weiteren oder gar dritten Beruf.
    Die finanzielle Hauptlast in der Landwirtschaft besteht im
    Maschinenpark.

•   Das religiöse Leben im Tal ist nach wie vor sehr ausgeprägt.
    Wenn man sich zwischen Landes- und Freikirchen früher
    eher bekämpfte, haben es uns die Jungen vorgemacht, dass
    wir alle zur einen Gemeinde Jesu gehören und jede Möglich-
    keit der Zusammenarbeit schätzen und fördern müssen.
    Man kann ohne Dünkel sagen, dass jeder dritte. Bewohner
    hier als engagierter Christ bezeichnet werden darf.

•   Schön ist, dass Adelboden seinen Dorfcharakter behalten
    hat. Es herrscht eine gute, gesunde und auch persönliche
    Atmosphäre. Man kennt einander zum grössten Teil noch,
    grüsst sich auf der Strasse, erlaubt sich gegenseitig einen
    Schwatz, wenn es gerade möglich ist.

                               36
Geschichte von Hildi Hari-Wäfler
Die heutige Episode aus dem Buch »Felsig, karg und hoff-
nungsgrün, eine Kindheit in Adelboden», berichtet von dem
Brand der elterlichen Scheune, den die Autorin als Erstklässlerin
erlebt hat.

Scheune in Flammen

An einem Vormittag im Juni kam Bewegung in die Bevölkerung
von Adelboden. Das Feuerhorn ertönte an allen Ecken. «Es
brennt! Es brennt!», riefen die einen den anderen zu. «Ja, wo
brennt es denn? Hier im Dorf kann es nicht sein, das müssten
wir sehen». «Unten in der Oey, direkt unter dem Hotel Nevada
Palace, steht ein Haus oder eine Scheune oder beides in Flam-
men. Genaues wissen wir nicht. Es muss bei Wäflers sein –
nicht das alte Bauernhaus der Witwe, sondern die Gebäude des
Sohnes Wilhelm, ganz in der Nähe.» Auf dem Risetensträssli,
nahe dem Dorf, sammelten sich bereits Neugierige. Die ersten
Feuerwehrleute trafen ein, suchten in Eile den Wasseranschluss

                               37
an den Hydranten, legten Schläuche und begannen zu spritzen.
Das geschah innerhalb kürzester Zeit, trotz des hochgewachse-
nen Grases, das die Arbeit erschwerte. Es war glücklicherweise
die Scheune, die lichterloh brannte. Die Feuerwehrleute spritzen
auf die Scheune, jedoch nicht, um sie zu retten. Ihre Sorge galt
dem Wohnhaus, das dicht danebenstand. Dessen Wände
hatten sich bereits auf der dem Feuer zugewandten Seite von
der Hitze schwarz verfärbt. So wurden auch auf sie Wasser-
schläuche gerichtet. Inzwischen warfen freiwillige Helfer den
Hausrat planlos über den Sims der Laube ins Freie. Da lagen
Bettwäsche, Bettgestelle, Matratzen, Kochgeschirr, kleinere
Möbel, Kleider und viele andere Gegenstände wirr durcheinan-
der im Gras und bildeten ein unglaubliches Chaos.

Als ich von der Schule kam, hatte ich bereits unterwegs etwas
vom Brand vernommen. Mir bot sich ein Bild der Verwüstung.
Von der Scheune waren nur noch Umrisse zu erkennen, ein
hohles, brennendes Gerüst mit Teilen des Daches, der Wände
und des Zwischenbodens. Mit fürchterlichem Krach stürzten
einzelne Balken Funken stiebend zu Boden. «Gib acht, Hildi»,
rief meine vorübereilende Mutter mir zu. «Halte dich fern von
der Brandstelle; es ist viel zu gefährlich, in die Nähe zu kom-
men». Es blieb mir keine Zeit, die Frage zu stellen, wie so etwas
nur passieren konnte. Auch im Wohnhaus gab es kein ruhiges
Plätzchen für mich. Alles schien ausser Kurs geraten, nichts
funktionierte mehr wie früher. Trotz der vielen Leute um mich
herum fühlte ich mich in diesem Moment einsam und verlassen.

Wie gut, dass es windstill war, sonst wäre es wohl um das Haus
geschehen gewesen. Endlich, endlich schienen die Feuerwehr-
leute das Feuer im Griff und die Gefahr gebannt zu haben.

Der Rest der Scheune sank in sich zusammen. Glühende Über-
reste, bereit, beim leisesten Windhauch wieder in Feuer auszu-
brechen, ragten in die Luft. Ein flüchtiger Blick auf das, was

                               38
übrigblieb, bestätigte: Da ist nichts mehr zu retten, nichts mehr
zu gebrauchen, ausser einigen angekohlten Balken, die eventu-
ell noch als Brennholz verwertet werden können, und einigen
Dachziegeln, die noch ganz sind.

Mein Vater arbeitete zu der Zeit in Kandersteg, im Nebental, als
ihn die Nachricht erreichte: «Bei dir zu Hause brennt es!»
Er überlegte nicht lange, bestieg sein Fahrrad – mit Rücktritt-
bremse und ohne Gangschaltung – und sauste die kurvenreiche
Strasse hinunter in Richtung Frutigen. Dort legte er sich in die
Pedale, um die gut 500 Meter Höhendifferenz bis nach Adelbo-
den zu überwinden. Bei unserem Wohnhaus angekommen,
stieg er atemlos von seinem «Göppel». Er hatte die fast dreissig
Kilometer, von denen die Hälfte ein steiler Aufstieg war, zurück-
gelegt, ohne einmal abzusteigen. Mit grossem innerem Schmerz
musste er sich vom Ausmass der Katastrophe überzeugen.

Wie nur konnte dieser Brand ausbrechen? Mutter Rosina war
für einen Augenblick ausser Haus gewesen. Willi, dem es ohne
seine Schwester, die vor kurzem die Schule begonnen hatte,
wohl langweilig wurde, beschäftigte sich selbst in einem Neben-
raum der Scheune. Da waren so viele interessante Gegen-
stände und Werkzeuge aller Art beieinander. Plötzlich fiel sein
Blick auf einen Haufen Späne, die kürzlich aus der Sägerei
geholt worden waren. Mit diesen würde es sich gut spielen
lassen. Die mussten ja auch leicht brennen. Nur schnell sehen,
wie das funktioniert. Zündhölzer waren in der Küche, etwas
erhöht aufbewahrt, mit einem Stuhl erreichbar. Aus dem
Spielchen wurde bitterer Ernst.

Mein Bruder erschrak heftig. Nie hätte er das Ausmass seines
Handelns erahnt. So schnell ihn seine kurzen Beine trugen,
sprang er taleinwärts. Nur fort, fort von allem! Die kleine, rundli-
che Tresi, des Postgodis Frau mit dem lachenden Gesicht und
den Grübchen in den Wangen, hielt den verängstigten Buben

                                39
auf. «Willi, hast du es so eilig? Wohin willst du? Komm doch für
einen Augenblick zu mir in die Stube. Ich habe gern Gesell-
schaft. Du hast sicher Hunger?» Tresi war ohne Kinder geblie-
ben, aber liebte sie. Beruhigend sprach sie auf Willi ein und
stellte ihm ein dick bestrichenes Butterbrot und eine Tasse Milch
auf den behäbigen, schweren Tisch aus Eichenholz. Es war
eine gemütliche Stube mit einem Trittofen, der im Winter herrlich
wärmte und zum Sitzen einlud. Dicke, schwere Balken trugen
die Decke. Kleine Fenster mit winzigen Scheiben erhellten den
Raum. Rechts oben in der Ecke des Fensters stand mit
Zierschrift auf der Scheibe geschrieben: «Anna Zürcher, geb. im
Jahre 1759!»

Es war nicht leicht, Willi zum Reden zu bringen. Dicke Tränen
rollten seine Backen herunter. Aus den paar Worten, die nur
stockend über seine Lippen kamen, konnte Tresi sich einige
unklare Zusammenhänge reimen. Sie war froh, ihn wenigstens

                               40
hier in Sicherheit zu haben, und teilte dies Mutter mit, damit sie
sich nicht noch zusätzliche Sorgen zu machen brauchte. Was
hätte wohl auf seiner Flucht alles geschehen können?

Es war klar, die Scheune musste so bald wie möglich wieder
aufgebaut werden. Spätestens im Herbst sollte das Vieh darin
untergebracht werden können. Das Heu der bevorstehenden
Ernte konnte vorübergehend zu Zucker stockförmigen Tristen
aufgeschichtet werden. Es gab viele zusätzlichen Umtriebe,
Abklärungen mit den Versicherungen, langwierige, Zeit rauben-
de Aufräumarbeiten und Pläne für den Neubau.

Trotz allem atmeten alle erleichtert auf: «Wir hatten unerhörtes
Glück. Der Bub ist mit dem Schrecken davongekommen. Ihm ist
glücklicherweise nichts zugestossen. Wohl ist die Scheune total
abgebrannt, aber das Wohnhaus erlitt keinen beträchtlichen
Schaden. Die Hand des Höchsten war über uns und bewahrte
uns vor Schlimmerem». Die Eltern vergassen nicht, ein herzli-
ches Dankeschön zum Himmel zu schicken.

                               41
Bildernachweis
Seite
   1    Titelseite von E. Eberle
        Die Ernte, Original von Robert Zünd, Wikimedia
   4
        Die Ernte, Kopie Emil Rigling-Krafft, Foto R. Herold
   5    Foto von Pixabay
   8    Blume von E. Eberle
   9    Foto von Pixabay

  11    Foto von Stephanie Hofschlaeger auf Pixelio

  12    Rosenkorb: S. Hermann & F. Richter auf Pixabay

  14    Foto von Pixabay

  15    Drei Rosen: N. Schmid

  22    Rapsfeld: Sven Lachmann, pixabay

  24    Vollmond: Fotomontage N. Schmid
        Fotomontage N. Schmid mit Fotos: TheOtherKev, pixabay und
  25
        JackieLou DL, pixabay
  28    Foto von N. Schmid

  29    Foto vom cordon-bleu von: Rainer Zenz, Wikipedia

  32    Buchumschlag von Hildi Hari-Wäfler
        Adelboden Dorfzentrum, Foto: Matthias Nutt, Tourismus
  35
        Adelboden-Lenk-Kandersteg
  37    Brandkatastrophe: Foto: Hermann Schönhofer, pixelio

  40    Foto aus Buch von Hildi Hari-Wäfler

  43    Zeichnung von unserer Abteilungsleiterin Nezahat Hür

  40    Rückseite von E. Eberle

                                   42
Schwan im Frühling

                     43
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