ENERGIESTRATEGIE 2040 - ENERGIE - Ministerium für Wirtschaft, Arbeit ...

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ENERGIE

ENERGIESTRATEGIE 2040

mwae.brandenburg.de
Zusammenfassung

Der Klimawandel mit seinen negativen Auswirkungen auf unser Leben und unsere Umwelt erfordert eine
schnelle und umfassende Transformation zu einem klimaneutralen, sicheren und wirtschaftlichen Ener-
gieversorgungssystem. Mit seiner Energiestrategie 2030 hat das Land Brandenburg schon sehr früh den
Weg dieser Transformation begonnen und führt ihn mit der überarbeiteten Energiestrategie 2040 weiter.
Dabei bindet sich die Energiestrategie in die klimapolitischen Regelungen auf nationaler und internatio-
naler Ebene ein und bildet zusammen mit dem Klimaplan, der Klimaanpassungsstrategie und den wei-
teren klimarelevanten Maßnahmen des Landes Brandenburg die Grundlage und die Leitplanken für eine
erfolgreiche Energiewende in Brandenburg.

Aufgrund der Dynamik der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen stellt die Energiestrategie
2040 mit ihrem Leitszenario und dem dynamischen Zielsystem eine fortzuschreibende Basis für die wei-
tere strategische Ausrichtung der brandenburgischen Energiepolitik. Hierzu bildet der kontinuierliche
Prozess aus Umsetzung, Monitoring, Überprüfung und Zielanpassung die Grundlage für die, in einem
wiederkehrenden Zyklus stattfindende Weiterentwicklung der Energiestrategie 2040. Innerhalb des
energiepolitischen Zielvierecks - bestehend aus der Klimaneutralität und Umweltverträglichkeit, der Ak-
zeptanz und Beteiligung, der Wirtschaftlichkeit sowie der Versorgungssicherheit - verfolgt die Energie-
strategie 2040 mit seinen sechs strategischen Zielen den Umbau des Energiesystems.

Durch die Erhöhung der Energieeffizienz sollen der Primär- und der Endenergieverbrauch bis 2040 deut-
lich gesenkt werden. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Energieverbrauch soll auch weiterhin
steigen, um bis 2045 die Klimaneutralität in Brandenburg und Deutschland zu erreichen. Eine signifikant
gesteigerte Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Zusammenspiel mit effizienten
Speichersystemen stellen die zukünftige Energieversorgung sicher. Wasserstoff wird als Energieträger
im zukünftigen dekarbonisierten Energiesystem eine zentrale Rolle spielen. Durch den Aufbau einer
Wasserstoffwirtschaft wird Brandenburg das volle Potential der heimischen erneuerbaren Energien he-
ben und die Wertschöpfung und Beschäftigung im Land steigern. Für den Erfolg der Energiewende be-
darf es aber auch der Akzeptanz aller Beteiligten. Diese gilt es durch geeignete Maßnahmen zu steigern
und die wirtschaftliche Beteiligung weiterzuentwickeln. Damit die Energiewende gelingt, werden geeig-
nete Maßnahmen definiert, umgesetzt und durch ein regelmäßiges Monitoring hinsichtlich ihrer Effekti-
vität überprüft.

                                                                                        ENERGIESTRATEGIE 2040   3
Inhaltsverzeichnis

              Vorwort                                                                                                                                           2

              Zusammenfassung ................................................................................................................................ 3

              1.           Motivation: Hintergrund der Fortschreibung .......................................................................... 5

                           Die Energiewende schreitet voran ........................................................................................ 5
                           Rechtlicher Rahmen .............................................................................................................. 5

                           Ganzheitliche klimaneutrale Systemtransformation und Sektorenkopplung als neue
                           Schwerpunkte ...................................................................................................................... 10

              2.           Methodik: Fortschreibung der Energiestrategie bis 2040 .................................................... 13

              3.           Ergebnisse: Das Energieland Brandenburg heute .............................................................. 14

                           Umsetzungsstand der Energiestrategie 2030 ..................................................................... 14
                           Umsetzungsstand im Vergleich zu den Zielen der Bundesregierung und zum
                           Umsetzungsstand in den Bundesländern ............................................................................ 17

                           Energiepolitische Auswirkungen / Zielkonflikte in Brandenburg .......................................... 21

                           Chancen für die weitere Entwicklung des Energielandes Brandenburg in der Hauptstadt-
                           region Berlin-Brandenburg ................................................................................................... 30

              4.           Perspektive: Das Energieland Brandenburg in 2040........................................................... 34
                           Leitszenario bis zum Jahr 2040 ........................................................................................... 35

                           Grundsätze der Energiestrategie 2040 ................................................................................ 35

                           Ziele der Energiestrategie 2040 ........................................................................................... 38

                           Handlungskonzept ............................................................................................................... 56

                           Handlungsfelder und strategische Maßnahmenbereiche .................................................... 56

                           Monitoring und regelmäßige Überprüfung ........................................................................... 62

              5.           Referenzen .......................................................................................................................... 64

                           Abbildungsnachweise .......................................................................................................... 64

                           Fotonachweise ..................................................................................................................... 64
                           Tabellenverzeichnis ............................................................................................................. 64

                           Quellennachweise................................................................................................................ 64

              Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................................... 68

4   ENERGIESTRATEGIE 2040
1. Motivation:
   Hintergrund der Fortschreibung

        Die Energiewende schreitet                     Setzung von Schwerpunkten (u. a. Systemin-
        voran                                          tegration der erneuerbaren Energien, umfangrei-
                                                       che Beteiligung, regionale Umsetzung), hat das
                                                       Land Brandenburg seinen energiepolitischen
  Mit dem Fortschreiten der Energiewende sind          Fahrplan definiert und untermauert, dass es einer
  enorme Herausforderungen in fast allen Lebens-       der Schrittmacher der Energiewende in Deutsch-
  bereichen zu bewältigen. Das Land Brandenburg        land ist.
  gehört zu den Regionen, die im Sinne dieser
  Energiewende als eine Art Modellregion angese-
  hen werden können. Zum einen hat sich Bran-          Im Rahmen des globalen Jahrhun-
                                                                                              Brandenburg stellt sich den
  denburg bereits früh zur Energiewende bekannt        dertprojekts Energiewende wird
                                                                                              Herausforderungen der
  und treibt diese auch seitens der Landespolitik      der europäische und bundespoliti-
                                                                                              Energiewende und des
  aktiv voran. Zum anderen ist Brandenburg ein         sche Rechtsrahmen im Energiebe- Klimawandels und passt
  Energieland mit einer historisch gewachsenen         reich ständig angepasst und wei- seine Energiepolitik an.
  konventionellen Energiewirtschaft, die derzeit       terentwickelt. Die Energiestrategie
  noch einen wichtigen Beitrag für die Versor-         2040 sieht vor, diesen dynamischen Entwicklun-
  gungssicherheit leistet.                             gen Rechnung zu tragen – nicht zuletzt deshalb,
                                                       um als Energieland die Wertschöpfung und die
                                                       Arbeitsplätze im Land zu sichern, die Wettbe-
  Der tiefgreifende Umbau unseres Energieversor-       werbsfähigkeit zu erhalten und seiner Verantwor-
  gungssystems ist auch weiterhin eine der zentra-     tung im Rahmen der Energieversorgungssicher-
  len Aufgaben der Gegenwart und wird es auch          heit und Klimaschutzpolitik gerecht zu werden.
  zukünftig bleiben. Der Anteil der erneuerbaren
  Energien an der Stromversorgung konnte in den
  letzten Jahren in Deutschland kontinuierlich ge-           Rechtlicher Rahmen
  steigert werden. Im Jahr 2020 wurde bereits
  45,4 % der deutschen Bruttostromerzeugung            Deutschland hat als eines der ersten Länder die
  durch erneuerbaren Energien generiert [1]. In        durch das Pariser Klimaschutzabkommen gefor-
  Brandenburg decken die erneuerbaren Energien         derte Klimaschutzlangfriststrategie erstellt. Durch
  bilanziell für das Jahr 2019 sogar 94,8 % des Jah-   das Aufstellen von Zielen für einzelne Handlungs-
  resstromverbrauchs [2].                              felder im Klimaschutzplan 2050, welche im Zu-
                                                       sammenhang mit dem Pariser Klimaschutzgipfel
  Die brandenburgische Energiestrategie bildet da-     erarbeitet wurden, hat die Bundesregierung im
  bei die Leitlinie für die Entwicklung der Energie-   November 2016 die Ziele ihres Energiekonzeptes
  versorgung in Brandenburg. Bereits mit der im        weiter konkretisiert [3]. Zur Umsetzung des Kli-
  Februar 2012 vorgelegten Energiestrategie 2030       maschutzplans 2050 wurde das Klimaschutzpro-
  hat das Land Brandenburg landesübergreifend          gramm 2030 entworfen und im Oktober 2019 vom
  Beachtung gefunden. Mit einer pragmatischen          Kabinett beschlossen [4]. Mit diesem Programm
  Zieldefinition und Ausrichtung, insbesondere der     wurden Maßnahmen definiert, um die nationalen

                                                                                         ENERGIESTRATEGIE 2040   5
Klimaziele des Klimaschutzplans 2050 zu errei-        Insofern bildet der Klimaplan mit seinen Zwi-
                   chen. Durch das Bundes-Klimaschutzgesetz              schen- und Sektorenzielen den übergeordneten
                   (KSG) vom Dezember 2019 wurden diese natio-           Rahmen mit einer klaren Orientierung für die
                   nalen Klimaziele gesetzlich festgelegt [5]. Mit der   Energiestrategie und die weiteren klimarelevan-
                   Novelle des KSG vom Juni 2021 wurden die zu-          ten Einzelstrategien der Ressorts. Darüber hin-
                   lässigen Treibhausgas (THG) Emissionsmengen           aus beinhaltet und bündelt das Maßnahmenpro-
                   bis 2030 für die verschiedenen Sektoren ange-         gramm des Klimaplans zur Erreichung der klima-
                   passt, die Reduktionsziele für die THG Emissio-       politischen Ziele die wichtigsten landespolitischen
                   nen bis 2040 festgelegt und das Ziel der THG          Maßnahmen zum Klimaschutz. Im Hinblick auf
                   Neutralität auf 2045 vorgezogen [6]. Mit dieser       Konsistenz und Zielerreichung wird der Klima-
                   Gesamtstrategie will die Bundesregierung die          plan, wie auch die Energiestrategie, einem konti-
                   Entwicklung und Umsetzung der Energiewende            nuierlichen Monitoring unterzogen. Zwischen Kli-
                   für eine sichere, umweltverträgliche und wirt-        maplan, der Energiestrategie und allen weiteren
                   schaftlich erfolgreiche Zukunft weiter umsetzen.      Einzelstrategien besteht ein enges Wechselver-
                                                                         hältnis, was sich auch in einer Verzahnung der
                                                                         Fortschreibung und Weiterentwicklung der jewei-
                                Der Landtag des Landes Branden-
Die Brandenburger Energie-                                               ligen Strategien niederschlägt.
                                burg und die Landesregierung ha-
und Klimapolitik ordnet sich
                                ben sich klar zum Pariser Klima-
       in den nationalen und
                                schutzabkommen bekannt. Der zu           Mit der Energiestrategie 2040 setzt sich das Land
internationalen Rahmen ein.
                                erarbeitende Klimaplan und die zu        Brandenburg neben dem weiteren Ausbau der er-
                   erarbeitende Klimaanpassungsstrategie bilden          neuerbaren Energien vor allem für die Systemin-
                   die beiden Säulen der Klimapolitik der branden-       tegration der erneuerbaren Energien, den Aufbau
                   burgischen Landesregierung und sind mit der           einer Wasserstoffwirtschaft, die Einbindung
                   Weiterentwicklung der Energiestrategie wichtige       neuer Speichertechnologien, die Steigerung der
                   Aufgaben in der 7. Legislaturperiode des Landta-      Energieeffizienz sowie für eine systematische
                   ges (2019 -2024) [7].                                 Verknüpfung der Energiesektoren Strom, Indust-
                                                                         rie, Wärme und Mobilität (Sektorenkopplung) ein.
                                                                         Hierbei gilt es nicht nur technische Herausforde-
                   Der Klimaplan zielt dabei auf den Schutz des Kli-
                                                                         rungen zu lösen, sondern es sind – wie sich in
                   mas durch Emissionsminderung und Stärkung
                                                                         den letzten Jahren herausgestellt hat – marktre-
                   der ökologischen Senken zur Erreichung von Kli-
                                                                         gulatorische und energierechtliche Rahmenbe-
                   maneutralität bis spätestens 2045, während die
                                                                         dingungen an die Erfordernisse der Energie-
                   Klimaanpassungsstrategie die Begrenzung von
                                                                         wende fortlaufend anzupassen. Die in der Ener-
                   Risiken und Schäden durch nachteilige Folgen
                                                                         giestrategie 2040 definierten Themenfelder
                   des Klimawandels zum Ziel hat. Die Energiestra-
                                                                         „Effiziente Energienutzung“, „Erzeugung aus er-
                   tegie bildet die Grundlage zum Erreichen des
                                                                         neuerbaren Energien“, „Wasserstoff“ und „Intelli-
                   Ziels einer klimaneutralen Energieversorgung.
                                                                         gente Übertragung, Verteilung und Speicherung“
                   Der Klimaplan soll sicherstellen, dass die Landes-
                                                                         werden die Energieversorgung in Brandenburg
                   regierung insgesamt ihre Klimaschutzziele er-
                                                                         bis zum Jahr 2040 und darüber hinaus bestim-
                   reicht. Dafür ist es nötig, dass alle klimarelevan-
                                                                         men.
                   ten Einzelstrategien und Maßnahmen der Lan-
                   desregierung aufeinander abgestimmt sind und
                   die nötigen Beiträge zur Zielerreichung im Klima-
                   schutz in allen Bereichen der Landespolitik ge-
                   leistet werden.

     6   ENERGIESTRATEGIE 2040
Transformation des                                  Die nationalen und internationalen Zielsetzun-
Energieversorgungssystems                           gen, rechtlichen Rahmenbedingungen und tech-
                                                    nologischen Entwicklungen bestimmen als Leit-
Durch die fluktuierende Stromeinspeisung aus er-    planken das quantitative Anspruchsniveau in der
neuerbaren Energien und die zunehmende De-          Energie- und Klimaschutzpolitik für den weiteren
zentralität der Stromerzeugung ist die bisherige    Weg des Energielandes Brandenburg. Die Bran-
Differenzierung unseres Stromsystems in unter-      denburger Energiepolitik bewegt sich dabei in ei-
schiedliche Lastbereiche (Grund-, Mittel- und       nem Spannungsfeld von Klimaneutralität und
Spitzenlastkraftwerke) nicht mehr sachgerecht.      Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit, Versor-
Zum einen führt der Ausbau der erneuerbaren         gungssicherheit sowie Akzeptanz und Beteili-
Energien zu einem vermehrten Austausch zwi-         gung.
schen den Regionen. Zum anderen führt das Ver-
ordnungspaket der Bundesregierung vom Mai           Die Energie- und Klimapolitik hat in den letzten
2021 zur Umsetzung des Erneuerbare-Energien-        Jahren nochmals stark an Tempo gewonnen.
Gesetz (EEG) 2021 als Übergangsregelung für         Durch die vom Bundestag verabschiedete Fest-
die aktuelle Phase des Markthochlaufs von grü-      legung auf ein klimaneutrales Deutschland im
nem Wasserstoff zu einer Befreiung von der          Jahr 2045 wurden wichtige Impulse ausgelöst.
EEG-Umlage [8]. Eine direkte Zuordnung von be-
stimmten Kraftwerkstypen zu den jeweiligen Last-
bereichen – wie sie bisher bekannt war – wird so-   Erhöhung des Anteils
mit in der Zukunft nicht mehr vorhanden sein. Die   erneuerbarer Energien
Einsatzmöglichkeiten für Kraftwerke, die für sehr
viele Volllaststunden ausgelegt sind, werden suk-   Um eine globale Führungsrolle bei den erneuer-
zessive zurückgehen. Es werden zukünftig insbe-     baren Energien einzunehmen, hat die EU im Jahr
sondere flexible Kraftwerke mit kurzen An- und      2018 ein verbindliches Ziel von 32 % für erneuer-
Abfahrzeiten sowie dynamischer Regelbarkeit         bare Energiequellen am Bruttoendenergiever-
benötigt. Dies hat u. a. zur Folge, dass die Ein-   brauch der EU bis 2030 festgelegt [9]. Mit dem
satzdauer dieser Anlagen weiter sinkt und somit     europäischen „Green Deal“ der EU-Kommission
auch neue Betriebsstrategien entwickelt werden      und dem Maßnahmenpaket „Fit for 55“ wird eine
müssen. Gleichzeitig müssen die Klimaschutz-        Erhöhung des Ziels für den Anteil der erneuerba-
ziele durch geringe THG Emissionen erreicht         ren Energien auf dann 40 % erwartet [10].
werden. Eine zunehmend wichtige Aufgabe be-
steht darin, die Einspeisung aus erneuerbaren       Auf nationaler Ebene gibt das Zielmodell des Kli-
Energien mit den Lastprofilen zu synchronisieren.   maschutzprogramms vor, dass bis zum Jahr
Dazu werden alle zur Verfügung stehenden In-        2030 der Anteil der erneuerbaren Energien am
strumente genutzt werden müssen. Hierzu zäh-        deutschen Bruttostrombedarf auf mindestens
len insbesondere die Einbindung neuer Speicher-     65 % auszubauen ist. Damit diese Zielmarke er-
technologien sowie die Sektorenkopplung.            reicht werden kann, wurde mit dem EEG 2021 die
                                                    Ausbaupfade der verschiedenen erneuerbaren
Ein wesentlicher Schwerpunkt der Energiepolitik     Energiequellen entsprechend angepasst [11].
verschiebt sich damit zu einem gesamtheitlichen
Ansatz – zu einer Transformation des Energiever-
sorgungssystems.

                                                                                      ENERGIESTRATEGIE 2040   7
Mit dem Koalitionsvertrag für die Jahre 2021 bis     Rahmen für die künftige Erzeugung, Transport,
              2025 der neuen Bundesregierung wurde das Ziel        Nutzung und Weiterverwendung von Wasser-
              für den Anteil der erneuerbaren Energien am          stoff. Sie definiert Wasserstofftechnologien als
              Bruttostrombedarf bis zum Jahr 2030 auf 80 %         Kernelemente der Energiewende und Dekarboni-
              erhöht [12]. Diese Erhöhung des EE-Anteils erfor-    sierung, sieht aber auch ein wachsendes indust-
              dert gesteigerte Ausbaupfade und einen zügige-       riepolitisches Potenzial [13].
              ren Ausbau aller erneuerbaren Energien, insbe-
              sondere der Windenergie und der Photovoltaik.
                                                                   Dabei beziffert die Bundesregierung in ihrer NWS
              Brandenburg hat diesen Flächenbedarf bereits in
                                                                   bis 2030 einen Wasserstoffbedarf von ca. 90 bis
              seiner Energiestrategie 2030 als ein notwendiges
                                                                   110 TWh/a. Ein Teil dieses Bedarfs soll gedeckt
              Zwischenziel auf dem Weg zu einer klimaneutra-
                                                                   werden, indem bis zum Jahr 2030 in Deutschland
              len, sicheren und wirtschaftlichen Energieversor-
                                                                   Erzeugungsanlagen von bis zu 10,0 GW Ge-
              gung definiert und hält auch weiterhin daran fest.
                                                                   samtleistung einschließlich der dafür erforderli-
              Gleichzeitig ist sich die Landesregierung be-
                                                                   chen Offshore- und Onshore-Energiegewinnung
              wusst, dass möglicherweise nicht alle Bundeslän-
                                                                   entstehen sollen [12]. Dies entspricht laut NWS
              der (z.B. Stadtstaaten) dieses angestrebte Flä-
                                                                   einer grünen WasserstoffproduktionA von bis zu
              chenziel erreichen können. Brandenburg könnte
                                                                   28 TWh/a (ca. 30 % des Bedarfs) und einer be-
              bei geeigneten Rahmenbedingungen nach 2030
                                                                   nötigten erneuerbaren Strommenge von bis zu
              - als eines der führenden Länder der Energie-
                                                                   40 TWh/a. Für den Zeitraum bis 2035 - spätes-
              wende - ggf. einen größeren Anteil am Windener-
                                                                   tens bis 2040 - sollen nach Möglichkeit weitere
              gieausbau übernehmen und mögliche geographi-
                                                                   5,0 GW Elektrolyseleistung zugebaut werden.
              sche, aber auch industriepolitische Standortvor-
              teile nutzen. Dies darf jedoch nicht zu Lasten der
              Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs gesche-          Nach der bereits im Klimaschutzprogramm 2030
              hen. Der Aufwand und die Belastung durch den         angekündigten und am 10. Juni 2020 vom Bun-
              zusätzlichen Ausbau der Windenergie und durch        deskabinett beschlossenen Nationalen Wasser-
              den Netzausbau, müssen ausreichend berück-           stoffstrategie soll die EEG-Umlage für die Pro-
              sichtigt werden und wären durch geeignete Maß-       duktion von grünem Wasserstoff begrenzt wer-
              nahmen auf Länder- oder Bundesebene zu kom-          den. Dadurch wird der Markthochlauf der
              pensieren.                                           Wasserstoffproduktion in Deutschland unterstützt
                                                                   und gewährleistet, dass die Kopplung zwischen
                                                                   den Energieversorgungssektoren in Deutschland
              Wasserstoff                                          weiter voranschreiten kann.

              Im Juni 2020 bestätigte die Nationale Wasser-
              stoffstrategie (NWS) der Bundesregierung die         Künftig können Wasserstoffhersteller und -innen
              Bedeutung von Wasserstoff (H2) als einen tragen-     zwischen zwei Optionen wählen. Zum einen wird
              den Baustein der Energiewende und setzt einen        die Möglichkeit geschaffen, die EEG-Umlage für
                                                                   Hersteller und Herstellerinnen von Wasserstoff im

              AGrauer Wasserstoff: aus fossilen Energieträgern     Türkiser Wasserstoff: aus fossilen Energieträgern
              hergestellt – mit signifikanten CO2-Emissionen       mittels erneuerbarer Energien hergestellt und mit Ab-
              Blauer Wasserstoff: Grauer Wasserstoff mit CO2 Ab-   spaltung von festem Kohlenstoff – CO2-neutral
              scheidung und Speicherung (CCS) – bilanziell CO2-    Grüner Wasserstoff: aus Wasser durch Elektrolyse
              neutral                                              und mittels Strom aus erneuerbaren Energien herge-
                                                                   stellt – CO2 neutral

8   ENERGIESTRATEGIE 2040
Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung zu               Netze und Speicher
begrenzen. Zum anderen soll die Bundesregie-
rung auf Grundlage des Gesetzes künftig für die           Die Liberalisierung des europäischen Energie-
herstellenden Unternehmen von grünem Was-                 binnenmarktes ist weit vorangeschritten. In den
serstoff eine Vollbefreiung von der EEG-Umlage            Jahren von 1996 bis 2016 verabschiedete die EU
schaffen. Komplementär zur nationalen Strategie           insgesamt vier Legislativpakete, die die Stärkung
veröffentlichte die EU-Kommission ihre Wasser-            und Harmonisierung der europäischen Verbund-
stoffstrategie für die kommenden Dekaden. Diese           netze für Strom und Gas zum Gegenstand hat-
bildet eine wesentliche Säule des Green DealsB            ten. Neben Themen wie Entflechtung, Marktzu-
[14]. Die Kommission will die Produktion und Nut-         gang, Transparenz und Regulierung sowie Ver-
zung CO2-frei und CO2-arm erzeugten Wasser-               braucherschutz     stand    dabei     auch     die
stoffs rasch erhöhen, damit die EU bis 2050 „kli-         Versorgungssicherheit im Fokus (u.a. durch die
maneutral“ wird. Dabei geht sie in einem stufen-          Förderung von grenzüberschreitenden Projekten,
weisen Ansatz in drei Phasen vor, wobei die               den sog. PCI). Mit den Beschlüssen von 2018
grüne Wasserstoffproduktion von einer Million             und 2019 im Rahmen des „Clean Energy for all
Tonnen pro Jahr bis 2024 über zehn Millionen pro          Europeans“-Pakets hat die Europäische Kommis-
Jahr bis 2030, auf einen systemrelevanten Um-             sion zum einen das Ziel der Verbundbildung bei
fang zwischen 2030 und 2050 ansteigen soll.               den Stromnetzen bis 2030 auf 15 % erhöht (d. h.
                                                          15 % der in einem Mitgliedstaat installierten
Um die EU-Klimaschutzziele 2030 zu erreichen,             Stromerzeugungskapazität müssen grenzüber-
hat die EU mit der RED II Ceine Steigerung des            schreitend für andere Mitgliedstaaten verfügbar
Anteils erneuerbarer Energien am Endenergie-              sein) [17]. Zum anderen müssen bis spätestens
verbrauch vorgeschrieben [15]. Dabei sind die             2025 bereits 70% der Interkonnektoren für grenz-
verschärften Klimaschutzziele für 2030 noch               überschreitenden Stromhandel zur Verfügung
nicht berücksichtigt. Für den Straßen-und Schie-          stehen.
nenverkehr gilt nach § 25 der Richtlinie eine Min-
destquote von 14 % erneuerbarer Energien, die             Zur Erreichung der übergeordneten Ziele arbei-
durch eine Verpflichtung der Inverkehrbringer von         ten auf der Gemeinschaftsebene alle Übertra-
Kraftstoffen für jeden EU-Mitgliedstaat bis 2030          gungsnetzbetreiber im Rahmen des Verbands
zu erreichen ist. Deutschland setzt die Vorgaben          Europäischer         Übertragungsnetzbetreiber
der RED II wie schon bei der vorangegangenen              ENTSO-E (European Network of Transmission
Richtlinie (RED I) von 2009 über Änderungen des           System Operators for Electricity) bzw. des Ver-
Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG)                 bands Europäischer Fernleitungsnetzbetreiber
und der nachgelagerten Verordnung (BImSchV)               ENTSO-G (European Network of Transmission
um [16].                                                  System Operators for Gas) zusammen.

B
    Der European Green Deal ist ein von der Europäi-      C  Ziel der neuen Erneuerbare-Energien-Richtlinie
    schen Kommission vorgestelltes Konzept mit dem        (RED II, 2018/2001) ist die Erhöhung des Anteils der
    Ziel, bis 2050 in der Europäischen Union die Netto-   erneuerbaren Energien in den Sektoren Strom,
    Emissionen von Treibhausgasen auf null zu redu-       Wärme und Transport bis zum Jahr 2030. Die Richt-
    zieren und somit als erster Kontinent klimaneut-      linie sieht deswegen ein verbindliches Ziel von min-
    ral zu werden.                                        destens 32 % erneuerbarer Energien im Bruttoend-
                                                          verbrauch der Union vor.

                                                                                             ENERGIESTRATEGIE 2040   9
Auf nationaler Ebene werden die energiepoliti-      Forschung und Entwicklung
               schen Vorgaben über die bereits 2009 im Ener-
               giewirtschaftsgesetz (EnWG) verankerten Netz-       Exzellente, breit angelegte und gut vernetzte
               entwicklungsplanungen im Strom- und Gasbe-          Energieforschung gehört zu den wichtigsten Vo-
               reich umgesetzt [18]. Ergänzend regeln              raussetzungen, um die Transformation des Ener-
               maßgeblich das Netzausbaubeschleunigungsge-         giesystems hin zu einer wirtschaftlichen, verläss-
               setz Übertragungsnetz (NABEG) [19], das Ener-       lichen und ökologisch nachhaltigen Energiever-
               gieleitungsausbaugesetz (EnLAG) [20] und das        sorgung der Zukunft zu meistern. Entscheidende
               Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) [21] den            Rahmenbedingungen setzen die europäischen
               Netzausbau in Deutschland.                          und nationalen Forschungsförderprogramme
                                                                   (z. B. Horizont Europa, Energieforschungspro-
               In Zusammenhang mit dem auf allen Politikebe-       gramm der Bundesregierung).
               nen angestrebten Aufbau einer Wasserstoffwirt-
               schaft könnte den heutigen Erdgasnetzen per-        Im Rahmen von Horizont Europa [22] steht in den
               spektivisch eine große Bedeutung zukommen.          Jahren 2021 – 2027 ein Budget von bis zu 35,5
               Mit der kürzlich verabschiedeten (Übergangs-)       Mrd. € für klimarelevante Forschung im Bereich
               Novelle des EnWG wurde Wasserstoff zunächst         "Klima, Energie und Mobilität" zu Verfügung.
               als eigenständiger Energieträger eingeführt.        Über das 7. Energieforschungsprogramm der
               Künftig wird jedoch – je nach Grad der Markt-       Bundesregierung werden jährlich rund 1,3 Mrd. €
               durchdringung von Wasserstoff – die Umwid-          bereitgestellt [23].
               mung der bestehenden Gasnetzinfrastruktur er-
               forderlich werden. Neben der reinen Transport-
               aufgabe kann das Gasnetz auch die zentrale               Ganzheitliche klimaneutrale
               Speicherfunktion im integrierten Energiesystem      Systemtransformation und Sektoren-
               erfüllen.                                           kopplung als neue Schwerpunkte

               Der Ausbau der Speicherkapazitäten ist ein wich-    Das Land Brandenburg hatte mit der Verabschie-
               tiger Baustein zur Stabilisierung des Energiesys-   dung der Energiestrategie 2030 im Jahr 2012 ei-
               tems. Brandenburg setzt sich deshalb bereits seit   nen neuen Schwerpunkt beim Thema Systemin-
               Jahren dafür ein, dass der Bund verstärkt neue      tegration der erneuerbaren Energien und der Ver-
               Speichertechnologien unterstützt. Durch das neu     knüpfung der Sektoren Strom, Industrie, Wärme
               gefasste Energiewirtschaftsgesetz, das im Juni      und Mobilität gesetzt. Hintergrund waren die sei-
               2021 verabschiedet wurde, wurde die Doppelbe-       nerzeit bereits erkennbaren Herausforderungen,
               lastung für Speicher mit Steuern, Umlagen und       die in Brandenburg durch den hohen Anteil er-
               Abgaben weitgehend beseitigt. Dadurch werden        neuerbarer Energien sichtbar wurden. Leider
               der systemische Einsatz sowie der effiziente        blieben die Bemühungen des Landes Branden-
               Multi-Use von Energiespeichern gefördert, was       burg, diese wichtigen Themen in die Gesetzge-
               lange Zeit aus wirtschaftlichen Gründen nicht       bungsverfahren (z. B. EEG 2014) einzubringen
               möglich war.                                        zunächst erfolglos. Im weiteren Verlauf der Ener-
                                                                   giewende erkannten immer mehr Akteurinnen
                                                                   und Akteure die Potenziale und die Notwendig-
                                                                   keit der Sektorenkopplung, sodass in den Ge-
                                                                   setzgebungsverfahren in der Vergangenheit
                                                                   erste Erfolge verbucht wurden (z. B. EEG 2017).

10   ENERGIESTRATEGIE 2040
Mit der Änderung des Energiewirtschaftsgeset-          Im Verkehrssektor bedarf es einer Sektorenkopplung ist ein
zes im Sommer 2021 wurde ein weiterer großer           umfassenden Veränderung, um           wichtiger Baustein einer
Schritt in Sachen FlexibilitätsoptionenD genom-        die THG Emissionen zu senken. klimaneutralen ganzheitlichen
men (vgl. hierzu auch Abschnitt 3.3).                  Hier bilden die Abkehr von Ver- Energiewende.
                                                       brennungsmotoren für fossile
                                                       Kraftstoffe, die Reduzierung des Verkehrsauf-
Es wird mehr und mehr deutlich, dass die Ener-
                                                       kommens sowie der effiziente Energieeinsatz im
giewende ganzheitlich gedacht werden muss und
                                                       Verkehrssektor die Grundlagen für eine erfolgrei-
wird. Neben dem Stromsektor, in dem bereits
                                                       che Verkehrswende. Die Elektrifizierung der An-
gute Fortschritte erzielt wurden, rücken die Berei-
                                                       triebe von PKW hat bereits begonnen und wird
che Wärme und Mobilität stärker in den Fokus der
                                                       weiter vorangetrieben. Im Güter- und Schwerlast-
energiepolitischen Debatte. Aus den unter Ab-
                                                       transport können durch den Einsatz von Wasser-
schnitt 1.2. aufgezeigten globalen, europäischen
                                                       stoff oder synthetischen Kraftstoffen konventio-
und nationalen Zielsetzungen ergibt sich, dass
                                                       nelle Energieträger ersetzt werden. Im ÖPNV
neben der Einbindung der erneuerbaren Ener-
                                                       werden bereits sowohl batterieelektrische An-
gien in das bisherige System der Energieversor-
                                                       triebe als auch Antriebe auf Basis von Wasser-
gung (Systemintegration) ein umfassender Um-
                                                       stoff eingesetzt. Durch diese Antriebswende wer-
bau erforderlich ist – insbesondere auch deshalb,
                                                       den die dort auftretenden THG Emissionen ver-
weil die neuen Energiemärkte, bedingt durch die
                                                       mieden, der Bedarf an elektrischer Energie wird
Transformation des Energieversorgungssystems
                                                       jedoch steigen. Ziele und Leitplanken für die Ver-
und seinen Anforderungen, anderen Mechanis-
                                                       kehrswende werden beispielsweise durch Mobili-
men unterliegen werden, als die bisherigen Ener-
                                                       tätsstrategien der Europäischen Kommission [24]
giemärkte. Das gesamte Energieversorgungs-
                                                       und des Landes Brandenburg [25] vorgegeben,
system, von der Erzeugung bis zum Verbrauch,
                                                       welche derzeit überarbeitet wird.
muss einem integrierten Ansatz folgen und an
den Zielen der Klimaneutralität ausgerichtet wer-
den. Die systematische Verknüpfung aller für           Die Wärmewende im Wärmesektor wird sowohl
diese Neuausrichtung geeigneten Energieträger          in den Haushalten, Gewerbe, Handel und Dienst-
und Sektoren sowie die intelligente Steuerung          leistung als auch in der Industrie weiter vorange-
des Gesamtsystems werden zentrale Zukunfts-            trieben. Die fortschreitende Umstellung von fossi-
aufgaben sein.                                         len Energieträgern auf erneuerbare Energieträ-
                                                       ger ist für die zentrale als auch für die dezentrale
                                                       Wärmeversorgung notwendig. Hier spielen ne-
Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen,
                                                       ben der direkten Nutzung erneuerbarer Energien
müssen in allen Bereichen des Lebens die THG
                                                       wie Solarthermie, Tiefengeothermie oder Bio-
Emission deutlich reduziert werden. Mit Hilfe der
                                                       masse, die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung
Sektorenkopplung, der Verzahnung der Energie-
                                                       und Wärmepumpen sowie die direkte Verwen-
verbrauchssektoren, lässt sich die Dekarbonisie-
                                                       dung elektrischer Energie zur Wärmeerzeugung
rung realisieren.
                                                       (Power to Heat) eine entscheidende Rolle.

D Flexibilitätsoptionen in der Energieversorgung be-   eine sichere und preiswerte Energieversorgung zu
inhalten Maßnahmen zum Ausgleich zwischen Ener-        gewährleisten.
gieerzeugung und –verbrauch in den Bereichen Er-
zeugung, Verbrauch und Speicherung, mit dem Ziel,

                                                                                          ENERGIESTRATEGIE 2040   11
Im Industriesektor ist es erforderlich, die ver-      Rechtzeitiger Klimaschutz ist seit dem Beschluss
               schiedensten Prozesse durch den Einsatz von           des Bundesverfassungsgerichts als verfassungs-
               Wasserstoff zu dekarbonisieren. Der Wasserstoff       rechtlich erforderlich eingestuft. Ohne rechtzeiti-
               sollte dafür idealerweise mittels erneuerbarer        gen Klimaschutz, d.h. ohne rechtzeitige Kli-
               Energien hergestellt werden, in der Übergangs-        maneutralität, werden die Folgen des unge-
               zeit sind aber klimaneutrale Methoden ebenso          bremsten oder unzureichend gebremsten
               möglich und notwendig. All diese Maßnahmen            Klimawandels die anderen o.g. etablierten
               zur Dekarbonisierung werden den Strombedarf           Schutzansprüche nach heutiger Voraussicht auf
               ebenfalls erheblich steigen lassen und damit          lange Sicht gegenstandslos machen oder ihnen
               auch die Ausbauziele der erneuerbaren Energien        ihre Substanz entziehen. Nur durch rechtzeitiger
               erhöhen.                                              Klimaschutz, nur durch rechtzeitige Klimaneutra-
                                                                     lität werden zukünftig Wettbewerbsfähigkeit und
                                                                     Lebensstandards erhalten bleiben können.
               Mit dem gesetzlich beschlossenen Klimaschutz-
               ziel der Klimaneutralität bis 2045 und der zugleich
               beschlossenen gesetzlichen Verpflichtung aller        Für das Land Brandenburg bedeutet dies, dass
               Träger von öffentlichen Aufgaben auf dieses Ziel      der Strukturwandel weiterhin große Herausforde-
               ist die Antwort auf die in diesem Zusammenhang        rungen an das heute existierende Energieversor-
               gestellte, auch im Land Brandenburg, grundsätz-       gungssystem auf dem Weg zur klimaneutralen
               liche Frage nach dem Verhältnis zwischen der          Energieversorgung stellt. Es ist ein substantieller
               Reduzierung der Risiken für die Umwelt und das        Umbau der zukünftigen Erzeugungs-, Verteil--,
               globale Klima, der uneingeschränkten Aufrecht-        Speicher-, Reserve- und Verbrauchsstrukturen
               erhaltung etablierter Schutzansprüche in anderen      erforderlich. Der Ausstieg aus der Nutzung fossi-
               Bereichen (z. B. beim Landschaftsbild, Natur-, Ar-    ler Energieträger und der damit synchronisierte
               ten- und Denkmalschutz) und dem Erhalt der in-        Umstieg auf Erneuerbare Energie und Wasser-
               ternationalen Wettbewerbsfähigkeit einer Indust-      stoff stehen dafür im Zentrum des politischen
               rienation – nicht zuletzt zur Sicherung des er-       Handelns.
               reichten Lebensstandards der Bevölkerung
               beantwortet. Klimaschutz kommt deshalb einer
               herausgehobenen Bedeutung zu.

12   ENERGIESTRATEGIE 2040
2. Methodik:
   Fortschreibung der Energiestrategie bis 2040
  Gemäß dem Koalitionsvertrag aus 2019 ist die          Klimapolitik auf die Brandenburger Energiewirt-
  bestehende Energiestrategie 2030 zur Energie-         schaft haben. Es wurde beschlossen, dass im
  strategie 2040 weiterzuentwickeln. Darüber hin-       Gutachten das Leitszenario die gültigen Rahmen-
  aus legt der Koalitionsvertrag fest, dass ein Kli-    bedingungen zu Beginn des Jahres 2021 abbil-
  maplan aufgestellt wird, der die Weiterentwick-       det. Im Kern stützt sich daher das Leitszenario
  lung der bestehenden Fachstrategien der               auf das Gutachten „Energiewirtschaftliche Pro-
  Landesregierung zu einer verbindlichen Klimast-       jektionen und Folgeabschätzungen 2030/2050“
  rategie zusammenfasst.                                [27]. In dieser Studie ist ein umfassendes, konsis-
                                                        tentes Bild der zukünftigen Entwicklung der deut-
                                                        schen Energieversorgung gezeichnet. Die Ergeb-
  Auf Grund der geänderten energiewirtschaftli-
  chen und –rechtlichen Rahmenbedingungen auf           nisse der deutschlandweiten Untersuchung wur-
                                                        den auf das Land Brandenburg übertragen.
  EU-, Bundes und Landesebene wurde Ende Sep-
  tember 2020 nach einer Ausschreibung ein Gut-
  achten an die Prognos AG in Auftrag gegeben,          Die Untersuchungsmethodik basiert auf der
  das die Fortschreibung der Energiestrategie 2030      „Prognos-Modellfamilie“ und umfasst alle Ver-
  zur Energiestrategie 2040 zum Inhalt hatte [26].      brauchssektoren sowie die Stromwirtschaft. Im
  Das Gutachten hat einerseits die bisherigen Fort-     Einzelnen wurden folgende Modelle miteinander
  schritte der Energiestrategie 2030 evaluiert und      kombiniert und angewendet:
  andererseits ein in die Zukunft verlängertes, aktu-
  elles Leitszenario analysiert, welches die gültige    •   der Energiebedarf Deutschland/Regionen,
  Gesetzeslage Anfang des Jahres 2021 abbildet.         •   der Strommarkt Deutschland,
                                                        •   die Endkunden-Energiepreise und
  Die Weiterentwicklung der Energiestrategie 2030
                                                        •   die internationalen Energiepreise
  erfolgte in mehreren aufeinander aufbauenden
  Phasen. Die Grundlagen für das Gutachten wur-         Aufbauend auf den Ergebnissen der energiewirt-
  den im Oktober 2020 geschaffen. Im Zuge eines
                                                        schaftlichen Analyse wurden von der Prognos AG
  Kick-off Meetings wurden die Methodik, der Pro-
                                                        zudem die Wertschöpfungs- und Beschäftigungs-
  jektablauf und der Zeitplan besprochen sowie die      effekte abgeschätzt. Im fortlaufenden Prozess
  notwendigen Akteure für Fachgespräche be-
                                                        gab es zahlreiche Gespräche und Diskussionen.
  stimmt. Des Weiteren wurde der Inhalt des Leits-
                                                        Innerhalb der Interministeriellen Arbeitsgruppe
  zenarios und der zu betrachtenden Sensitivitäten      Energiestrategie (IMAG ES) wurden regelmäßig
  besprochen. Aufgrund der umfangreichen Ände-
                                                        die Ergebnisse diskutiert. Darüber hinaus gab es
  rungen am energierechtlichen Regulierungsrah-
                                                        zahlreiche Fachgespräche mit den energiewirt-
  men und der Anpassungen an das Energie- und           schaftlichen Akteuren im Land.
  Klimakonzept der Bundesregierung wurde analy-
  siert, wie sich der geänderte Rechts- und Regu-
  lierungsrahmen und die aktuellen Investitionspla-     Auf Grundlage der Ergebnisse des Gutachtens
  nungen der Energiewirtschaft auf die energiepoli-     erfolgte anschließend die Ausarbeitung eines
  tischen Zielsetzungen des Landes auswirken            Entwurfes für die Energiestrategie 2040. Im Sinne
  (Monitoring Energiestrategie 2030). Daneben           einer bestmöglichen Transparenz wurde dieser
  wurde diskutiert, welche Auswirkungen die natio-      Entwurf in der IMAG Energiestrategie in der Ener-
  nalen Beschlüsse („Klimaschutzplan 2050“ und          gieallianz sowie anschließend in einer Onlineko-
  „Bundes-Klimaschutzgesetz“) und die internatio-       nsultation abgestimmt.
  nalen Beschlüsse („Paris-Abkommen“ 2015) zur

                                                                                          ENERGIESTRATEGIE 2040   13
3. Ergebnisse:
            Das Energieland Brandenburg heute
                                Im Energieland Brandenburg                      Umsetzungsstand der
      Die Umsetzung der
                                sind bislang zwei Handlungsfel-             Energiestrategie 2030
  Energiestrategie 2030
                                der von besonderer Bedeutung.
   wurde fortlaufend mit
                                Historisch und strukturell bedingt
   Berichten und einem                                                      Die Energiestrategie 2030 des Landes Bran-
                                ist zzt. noch die heimisch verfüg-
Monitoring dokumentiert.                                                    denburg sah eine regelmäßige Evaluierung
                                bare Braunkohle eine wesentli-
                che Säule der Energieversorgung und trägt zur               vor. Um den Umsetzungstand der Energiestra-
                Versorgungssicherheit in Deutschland bei. Die               tegie 2030 zu dokumentieren, wurden umfang-
                zweite tragende Säule sind die erneuerbaren                 reiche Berichte zu den strategischen Maßnah-
                Energien, die sich in den letzten Jahren im                 men erarbeitet [30], [31]. Zudem werden jähr-
                Zuge der Umsetzung der Energiestrategie                     lich aktuelle Daten im Rahmen des
                2020 und 2030 sehr dynamisch entwickelt ha-                 Monitorings zur Energiestrategie 2030 bereit-
                ben [28], [29].                                             gestellt [2]. Diese ermöglichen eine Verfolgung
                                                                            der Entwicklung der festgelegten Indikatoren.
                                                                            Die vorliegenden Ergebnisse werden im Fol-
                                                                            genden dargestellt und dokumentieren den
                                                                            Stand der Umsetzung der Energiestrategie
                                                                            2020 (aus dem Jahr 2008) und der Energie-
                                                                            strategie 2030 (aus dem Jahr 2012).

                                                  Abbildung 1: Übersicht der bisherigen Zielerreichung der Energiestrategie 2030 (Datenquelle: [7])

 14   ENERGIESTRATEGIE 2040
konnte, ergibt sich trotzdem nur ein Anteil der
Ziel „Anteil der erneuerbaren Energien
                                                                 erneuerbaren Energien am Primärenergiever-
am Energieverbrauch erhöhen“
                                                                 brauch von 22,5 %. Der Energieträger Bio-
ES-2020 (Zwischenziel): Erhöhung des An-                         masse leistet aktuell den größten Anteil der er-
teils erneuerbarer Energien am Primärener-                       neuerbaren Energien am Primärenergiever-
gieverbrauch auf 20 % (mind. 120 PJ)                             brauch, gefolgt von der Windenergie. In den
                                                                 letzten Jahren ist zudem ein starker Anstieg
ES-2030: Erhöhung des Anteils erneuerba-                         der gesamten installierten Leistung bei den
rer Energien am Primärenergieverbrauch                           Photovoltaikanlagen zu verzeichnen. Die er-
auf 32 % (mind. 170 PJ)                                          neuerbaren Energien sind in Brandenburg
                                                                 längst Motor für wirtschaftliches Wachstum
                                                                 und Innovationen: Im Jahr 2018 sichert die er-
Der Beitrag der erneuerbaren Energien zum
                                                                 neuerbaren Energieträger bereits 17.800 di-
Primärenergieverbrauch konnte bis zum Jahr
                                                                 rekte und indirekte Arbeitsplätze in Branden-
2019 auf über 143,5 PJ gesteigert werden und
                                                                 burg [26]. Davon entfallen 7.900 Arbeitsplätze
übertraf damit bereits das Zwischenziel für
                                                                 auf die Windbranche, rund 2.400 Arbeitsplätze
2020 von 120 PJ um ca. 19,6 % (Abbildung 2).
                                                                 auf die Photovoltaik sowie 7.500 Arbeitsplätze
Da jedoch der Primärenergieverbrauch nicht
                                                                 auf die Bioenergie.
im prognostizierten Umfang gesenkt werden

     Abbildung 2: Entwicklung des Anteils erneuerbarer Energieträger am Primärenergieverbrauch in Brandenburg (Datenquelle: [7])

                                                                                                           ENERGIESTRATEGIE 2040   15
relle Entwicklung des Landes nach der Wirt-
               Ziel „Energieeffizienz steigern und –ver-                  schaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 wie-
               brauch reduzieren“                                         der. Des Weiteren konnten nach 2009 neue In-
                                                                          dustrien angesiedelt werden, die zum höheren
               ES-2020 (Zwischenziel): Senkung des End-                   Endenergieverbrauch beigetragen haben. So
               energieverbrauchs um 13 % (auf 263 PJ)                     nahm das Bruttoinlandsprodukt für Branden-
               gegenüber 2007                                             burg zwischen 2010 und 2019 um 15 % zu.
                                                                          Am deutlichsten wird dies im Sektor Industrie.
               ES-2030: Senkung des Endenergiever-                        Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch
               brauchs um ca. 23 % (auf 220 PJ) gegen-                    müssen zukünftig im Land voneinander durch
               über 2007                                                  eine höhere Energieeffizienz, z.B. durch die
                                                                          Nutzung neuer energiesparender Technolo-
                                                                          gien, aber auch durch die Nutzung von Ein-
               Beim Endenergieverbrauch (EEV) kann im
               Land Brandenburg derzeit insgesamt keine                   sparpotentialen entkoppelt werden, damit der
                                                                          Energieverbrauch letztendlich sinkt, die Ener-
               kontinuierliche Absenkung festgestellt werden.
                                                                          gieproduktivität aber steigt.
               Während in den Jahren zwischen 2004 und
               2010 eine Reduzierung beim EEV erkennbar
               wurde (- 6 %), so stieg der EEV ab 2010 auf
               fast 322 PJ im Jahr 2019 (Abbildung 3). Hierin
               spiegelt sich insbesondere die gute konjunktu-

                                     Abbildung 3: Entwicklung des Endenergieverbrauchs nach Sektoren im Land Brandenburg (Datenquellen: [7])

16   ENERGIESTRATEGIE 2040
Umsetzungsstand im                                       gien zu decken. Damit hat das Land Branden-
Vergleich zu den Zielen der                                   burg das Zielniveau der Bundesregierung für
                                                              das Jahr 2030 bereits weit übertroffen (Abbil-
Bundesregierung und zum Umset-
                                                              dung 4). Die aktuellen Prognosen zum zukünf-
zungsstand in den Bundesländern
                                                              tigen Bruttostrombedarf gehen aufgrund der
                                                              Sektorenkopplung und dem geplanten Hoch-
In den letzten Jahren konnte die Bruttostrom-                 laufen der Wasserstoffwirtschaft von steigen-
erzeugung aus erneuerbaren Energien weiter                    den Bedarfen aus. Zusätzlich rechnet Bran-
ausgebaut werden. In 2019 wurden 19,9 TWh                     denburg mit der Ansiedlung weiterer energie-
(71,8 PJ) durch erneuerbare Energien er-                      intensiver Industrien. Aus diesen Gründen ist
zeugt. Dies ist eine Steigerung um 1,4 TWh                    zum Erreichen der Klimaneutralität der weitere
gegenüber 2018. Rein rechnerisch wäre das                     Ausbau der erneuerbaren Energien zwingend
Land Brandenburg im Jahr 2019 bereits in der                  erforderlich.
Lage gewesen, seinen Bruttostromverbrauch
bilanziell zu 94,8 % aus Erneuerbaren Ener-

              Abbildung 4: Anteile der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch im Land Brandenburg (Datenquellen: [7])

                                                                                                       ENERGIESTRATEGIE 2040   17
In Deutschland konnte bis zum Jahr 2018E der                        Energiepolitik der einzelnen Bundesländer zu-
               Anteil der erneuerbaren Energien am Brut-                           rückgeführt werden, sondern sind ebenso
               tostromverbrauch auf durchschnittlich 38,5 %                        strukturbedingt und stark durch geographische
               gesteigert werden. Die einzelnen Bundeslän-                         Gegebenheiten bestimmt. So ist das Potential
               der leisten in diesem Zusammenhang sehr un-                         der Windenergie zur Stromgewinnung in den
               terschiedliche Beiträge (vgl. Abbildung 5). Das                     nördlichen, windreichen Bundesländern deut-
               Land Brandenburg zählt hierbei zur Spitzen-                         lich größer. Auf der anderen Seite ist das Po-
               gruppe und belegt mit 84,5 % Platz zwei hinter                      tential für die PV in den südlicheren Ländern
               Schleswig-Holstein (145,3 %). Für das eben-                         tendenziell höher.
               falls windreiche Mecklenburg-Vorpommern
               und für das Saarland lagen zum Zeitpunkt der
               Erhebung keine Daten vor. Die Unterschiede
               können jedoch nicht ausschließlich auf die

               Abbildung 5: Anteil der erneuerbarer Energie am Bruttostromverbrauch im Bundesländervergleich (Datenquelle: www.foederal-erneuerbar.de)

               EFür 2019 lagen zum Zeitpunkt der Erhebung zu
               wenige Daten für eine Auswertung vor.

18   ENERGIESTRATEGIE 2040
damit wesentlich zur Energieversorgung ande-
 Bundesziel „Reduzierung des Primär-
                                                             rer Bundesländer, insbesondere Berlins, bei-
 energieverbrauchs“
                                                             tragen. Statistisch wird der damit verbundene
                                                             Primärenergieverbrauch jedoch Brandenburg
 Verminderung des Primärenergieverbrauchs
                                                             zugerechnet. Aus heutiger Sicht und vor dem
 bis 2020 gegenüber 2008 um 20 %, bis
                                                             Hintergrund des Ausstiegs aus der Braunkohle
 2030 um 30 % und bis 2050 um 50 %
                                                             ist nicht sicher vorauszusagen, bis zu welchem
                                                             Zeitpunkt Brandenburg eine tragende Säule
Der Primärenergieverbrauch des Landes                        der nationalen Versorgungssicherheit sein
Brandenburg ist in den Jahren 2010 bis 2018                  wird. Letztendlich wird der Fortschritt der Ener-
gestiegen und folgt im Wesentlichen den wirt-                giewende im gesamtdeutschen Kontext dar-
schaftlichen Entwicklungen (vgl. Abbildung 6).               über entscheiden, in welchem Umfang Ener-
Der hohe Primärenergieverbrauch in Branden-                  gie aus Brandenburg (vor allem EE-Strom) zu-
burg resultiert insbesondere daraus, dass rund               künftig nachgefragt wird. Vor diesem
60 % des in Brandenburg produzierten Stroms                  Hintergrund sind auch die Zielsetzungen des
und über 60 % der in Brandenburg hergestell-                 Bundes beim Primärenergieverbrauch nicht
ten Raffinerieerzeugnisse (Heizöl, Kraftstoffe               unmittelbar auf das derzeitige Energieexport-
u. a. Mineralölprodukte) exportiert werden und               und Energietransitland Brandenburg übertrag-
                                                             bar.

Abbildung 6:       Jährliche Veränderung des Primärenergieverbrauchs des Landes Brandenburg (Datenquellen: [7]))

                                                                                                     ENERGIESTRATEGIE 2040   19
Der Primärenergieverbrauch in Deutschland                          Primärenergieverbrauch in den neuen Bun-
               konnte im Zeitraum von 1990 bis 2018F um                           desländern zu verzeichnen sind (vgl. Abbil-
               rund 12 % abgesenkt werden. Ein Blick auf die                      dung 7). Schlussendlich bilden diese Absen-
               Beiträge der einzelnen Bundesländer verdeut-                       kungen im Wesentlichen die weitreichenden
               licht, dass mit Ausnahme von Schleswig-Hol-                        Strukturumbrüche in der Industrie und der
               stein die größten Reduzierungen im                                 Energiewirtschaft im Zuge der Wiedervereini-
                                                                                  gung ab.

              Abbildung 7: Entwicklung des Primärenergieverbrauchs gegenüber 1990 im Bundesländervergleich (Datenquelle: www.foederal-erneuerbar.de)

               F   Aktuellere ländervergleichende Zahlen waren
                   zu Redaktionsschluss nicht verfügbar

20   ENERGIESTRATEGIE 2040
Energiepolitische Auswirkun-                 nationalen Kontext zu berück- Die Energieintensität in
               gen / Zielkonflikte in Brandenburg                sichtigen. Beispielweise bezieht Brandenburg liegt über dem
                                                                 allein das Land Berlin – bedingt Bundesdurchschnitt.
                                                                 durch seine geographische
              Das Energieland Brandenburg steht bei sei-         Lage – einen Großteil seines Strom- und Gas-
              nem Weg zu einer klimaneutralen verlässli-         bedarfes über Brandenburger Netze. Aufgrund
              chen, ökologisch verträglichen, gesellschaft-      des beschlossenen Ausstiegs aus der Braun-
              lich akzeptierten und wirtschaftlichen Energie-    kohleverstromung und dem geringer werden-
              versorgung vor Herausforderungen, mit denen        den Bedarf an Mineralölprodukten durch die
              offen und lösungsorientiert umgegangen wer-        Verkehrswendewird die Bedeutung Branden-
              den muss. Die durchgeführten Analysen ver-         burgs als Energieexportland sukzessive ab-
                                  deutlichen die Herausfor-      nehmen. Brandenburg strebt in Zukunft an,
Brandenburg ist derzeit noch
                                  derungen, vor denen die        dass der hier erzeugte Strom auch primär im
      ein Energieexport- und
                                  Brandenburger wie die ge-      Land verbraucht wird. Das wichtigste Ziel wird
Energietransitland und leistet
  damit wichtige Beiträge zur samte Energiewirtschaft            deshalb die bilanzielle Selbstversorgung mit
       Versorgungsicherheit. steht. [26]                         erneuerbaren Energien werden, um die not-
                                                                 wendigen Energieimporte so gering wie mög-
               Energieverbrauch und                              lich zu halten und die Wertschöpfung im Land
                                                                 zu erhöhen. Brandenburg wird aber auch zu-
               Energieexport
                                                                 künftig ein wichtiges Energietransitland, insbe-
                                                                 sondere auch im Hinblick auf die Berliner
               Auch wenn sich in Brandenburg die Entkopp-
                                                                 Energieversorgung, bleiben – wenn auch mit
               lung der Wirtschaftsleistung vom Endenergie-
                                                                 einem sich dynamisch wandelnden Energie-
               verbrauch (EEV) positiv entwickelt und damit
                                                                 mix, Wasserstoff wird ein bedeutender Be-
               auch die Energieeffizienz steigert, so sind die
                                                                 standteil werden. [26] Durch die Einbindung in
               Fortschritte bei der Erreichung der Einspar-
                                                                 die europäischen Verbundnetzsysteme für
               ziele beim EEV noch lange nicht ausreichend.
                                                                 Strom und Gas – die Erdgaspipeline Nord
               Die deutlich positive Entwicklung bis 2009 ist
                                                                 Stream 2 ist aktuell fertiggestellt worden –
               insbesondere ein Resultat der Wirtschafts-
                                                                 spielt Brandenburg eine bedeutende Rolle für
               krise. Der erneuerte Anstieg des EEV geht ei-
                                                                 die nationale und europäische Versorgungssi-
               nerseits mit einer guten wirtschaftlichen Ent-
                                                                 cherheit.
               wicklung einher. Andererseits werden die Effi-
               zienzgewinne zunehmend durch neue
               Anwendungen und Verbraucher relativiert           Die Energieintensität Brandenburgs liegt in
               (z. B. zunehmende Digitalisierung). Parallel      den Sektoren Industrie, Gewerbe, Handel und
               dazu kommt es zu einem Energieträgerwech-         Dienstleistungen über dem Bundesdurch-
               sel zu erneuerbaren bzw. treibhausgasneutra-      schnitt. Dies ist nicht zuletzt auf die Industrie-
               len Energieträgern. Die Entwicklung fällt auch    struktur Brandenburgs zurückzuführen, wel-
               aufgrund spezifischer Effekte in den einzelnen    che durch einen überdurchschnittlichen Anteil
               Verbrauchssektoren und für die Energieträger      energieintensiver Industrien (u. a. Stahl, Ze-
               unterschiedlich aus.                              ment, Chemie, Papier) gekennzeichnet ist.
                                                                 Auch die Verlagerung des gesamten Berliner
                                                                 Flugverkehrs von Tegel zum Flughafen Berlin-
               Mit Blick auf den Primärenergieverbrauch
                                                                 Brandenburg (BER) hat eine bilanziell zusätz-
               (PEV) ist die derzeitige Funktion Branden-
                                                                 liche, negative Auswirkung auf die Energiebi-
               burgs als Energieexport- und Energietransit-
                                                                 lanz des Landes Brandenburg.
               land (u. a. Strom, Mineralölprodukte, Gas) im

                                                                                                  ENERGIESTRATEGIE 2040   21
Braunkohle                                          Erneuerbare Energien

               Der gesetzlich beschlossene Ausstieg aus            Die Entwicklung der einzelnen erneuerbaren
               dem heimischen Energieträger Braunkohle ist         Energieträger ist seit der Verabschiedung der
               wegen des historisch gewachsenen bedeuten-          Energiestrategie 2030 im Jahr 2012 unter-
               den regionalen Wertschöpfungs- und Beschäf-         schiedlich verlaufen. Insbesondere marktwirt-
               tigungsfaktors eine anspruchsvolle Aufgabe.         schaftliche Entwicklungen (z. B. Skaleneffekte
               Das machen die folgenden Zahlen deutlich:           bei der Photovoltaik) und Gesetzesnovellie-
               ca. 1,3 Mrd. Euro Bruttowertschöpfung des           rungen des EEG haben teilweise enorme Ef-
               Landes, ca. 5.600 direkte, 3.500 indirekte und      fekte auf den Wind- und Photovoltaikzubau in
               3.000 induzierte Beschäftigte in Brandenburg        Brandenburg gehabt.
               im Jahr 2018. Die Braunkohleverstromung ist
               auch ein Eckpfeiler der Energieversorgungssi-
                                                                   Photovoltaik
               cherheit. [26] Neben der kontinuierlichen Be-
               reitstellung von Strom wirkt die Braunkohlen-       Im Juni 2021 waren in Brandenburg rund
               verstromung aufgrund ihrer Importunabhän-           4,50 GW Photovoltaikleistung am Netz. Zu-
               gigkeit teilweise preisstabilisierend. Allerdings   dem sind bereits weitere 180 MW im Rahmen
               verursacht dieser Umwandlungssektor derzeit         weiterer Ausschreibungsverfahren bezu-
               fast zwei Drittel der gesamten CO2-Emissio-         schlagt worden. Allein der Solarpark Weesow-
               nen des Landes sowie erhebliche Eingriffe in        Willmersdorf, nördlich der Stadt Werneuchen,
               die Landschaft und den Wasserhaushalt.              ist mit einer Leistung von rund 187 MW Ende
                                                                   2020 ans Netz gegangen. Die Wettbewerbsfä-
               Der fossile Kraftwerkspark in Brandenburg           higkeit der Photovoltaik wird von der Tatsache
               hatte im Jahr 2018 eine installierte Nettoleis-     unterstrichen, dass das Projekt außerhalb der
               tung von 6,00 GW. Mit der Umsetzung des             EEG-Förderung umgesetzt wurde. Demzu-
               KohleausstiegsgesetzesG kommt es hier zu ei-        folge sind die bisherigen Ziele der Energiestra-
               ner sukzessiven Verringerung der Kraftwerks-        tegie 2030 i. H. v. 3,50 GW installierter Photo-
               leistung. Das Kohlenausstiegsgesetz sieht vor,      voltaik bereits übertroffen. Der Brandenburger
               dass zunächst die einzelnen Blöcke sukzes-          Koalitionsvertrag sieht eine deutliche Steige-
               sive in die Sicherheitsbereitschaft überführt       rung der Photovoltaikpotentiale vor. Ein star-
               werden und später endgültig stillgelegt wer-        ker Zuwachs ist im Bereich der Photovoltaik in
               den.                                                den nächsten Jahren zu erwarten. Durch deut-
                                                                   lich angehobene Ausschreibungsmengen und
                                                                   einem stabilen Anteil Brandenburgs an den zu
                                                                   erwartenden Gebotsmengen konnte sich die
                                                                   Leistung im Segment Photovoltaik-Freifläche
                                                                   von 2,70 GW im Jahr 2018 laut Prognos-Gut-
                                                                   achten auf 7,20 GW im Jahr 2040 erhöhen.

               G Das Kohleausstiegsgesetz beinhaltet das Ge-       von betreffenden Gesetzen wie das EnWG, das
               setz zur Reduzierung und zur Beendigung der         EEG, das KWKG sowie das TEHG.
               Kohleverstromung (Kohleverstromungsbeendi-
               gungsgesetz KvbG) sowie mehrere Änderungen

22   ENERGIESTRATEGIE 2040
Windenergie                                       Zur Erreichung der bisher geplanten Wind-
                                                  stromerzeugung von rund 23 TWh (82 PJ)
Mit Stand Juli 2021 waren im Bereich der          wurde in der Energiestrategie 2030 auch ein
Windenergie 3.879 Windenergieanlagen mit          erforderlicher Flächenbedarf abgeschätzt. So
rund 7,50 GW Leistung installiert. Aufgrund       waren seinerzeit schätzungsweise 10,50 GW
des bundesweiten Einbruchs beim Ausbau der        installierte Leistung sowie die rechtzeitige Aus-
Windenergie in den letzten Jahren war nur         weisung der erforderlichen Windeignungsge-
eine moderate Erhöhung der installierten Leis-    biete von 2 % der Landesfläche erforderlich.
tung zu erkennen. Brandenburg hat trotz alle-     Im Zeitraum von 2015 bis 2018 wurde in allen
dem gut bei den Ausschreibungsrunden der          fünf Regionen in Brandenburg neue Regio-
Bundesnetzagentur abgeschnitten. In den           nalpläne mit Windeignungsgebieten beschlos-
letzten Monaten ist ein positiver Trend bei den   sen. Im Ergebnis waren insgesamt 1,9 % der
Ausbau- und Genehmigungszahlen zu erken-          Landesfläche für die Windenergienutzung vor-
nen. Die Erreichung der Zielsetzung von           gesehen. Aktuell werden auf Grund von Ge-
10,50 GW installierter Windleistung in 2030 ist   richtsentscheidungen in allen Regionen neue
abhängig vom künftigen Rückbau der Altanla-       Regionalpläne aufgestellt, um die Windener-
gen, der erfolgreichen Teilnahme in den Aus-      gienutzung zu steuern. In vier von fünf Regio-
schreibungen der Bundesnetzagentur und der        nen werden diese Planungsverfahren durch
zur Verfügung stehenden Flächen für die           eine neue landesgesetzliche Zulassungs-
Windenergienutzung. Ab dem Jahr 2020 en-          sperre für Windenergieanlagen, die befristet
dete erstmals der EEG-Vergütungsanspruch          gilt, abgesichert, um einen ungesteuerten Zu-
für Windenergieanlagen. Betreiber von Altan-      bau zu verhindern; Ausnahmen sind möglich.
lagen haben die Wahl, ob ihre Anlagen weiter
betrieben werden, repowert werden oder er-
                                                  Bei der Erstellung der Regio- Der Ausbau der erneuerbaren
satzlos zurück gebaut werden. Die Szenarien-
                                                  nalpläne wird eine Vielzahl von Energien wird durch das Ziel
analysen zeigen deutlich, dass ab 2020 viele
                                                  Kriterien (z. B. Arten- und Natur- der Klimaneutralität und den
Anlagen aus der EEG-Vergütung gefallen sind
                                                  schutz) geprüft. In einem um- Kohleausstieg bestimmt.
und noch fallen werden und daher mit einem
                                                  fangreichen       Beteiligungspro-
deutlichen Rückbau gerechnet werden kann,
                                                  zess werden die für und gegen die Windener-
so dass sich die Netto-Zubaukurve deutlich
                                                  gie sprechenden Belange ermittelt und
abflachen könnte. Dadurch könnte es im un-
                                                  schließlich abgewogen. Dabei treten tiefgrei-
günstigsten Fall, in den Jahren 2023 bis 2029
                                                  fende und vielschichtige Interessenkonflikte
ggf. sogar zu einem Rückgang der insgesamt
                                                  bei dem Ausbau der Windenergie zutage. Die
in Brandenburg installierten Windenergieanla-
                                                  Regionalplanung stößt daher erkennbar an
gen kommen. Allerdings ist der erwarte starke
                                                  Grenzen, Gebiete für die Windenergienutzung
Rückbau der Altanlagen bislang ausgeblieben.
                                                  zu sichern, zumal sie wesentliche Rahmenbe-
Inwieweit die Windenergieanlagen tatsächlich
                                                  dingungen und Friktionen (z.B. aus der Fach-
schon nach 20 Betriebsjahren aus dem Strom-
                                                  planung) nicht beeinflussen kann.
erzeugungssystem ausscheiden, ist derzeit
schwer abzuschätzen. Sofern der technische
Zustand der Anlagen und die Entwicklung der       Mit Blick in die Zukunft auf das Jahr 2040 wird
Börsenstrompreise einen wirtschaftlichen Wei-     der Ausbau von Windenergieanlagen mit einer
terbetrieb im Rahmen der Direktvermarktung        zunehmenden Inanspruchnahme von Flächen
zulassen, ist zu erwarten, dass viele Anlagen     einhergehen. Bei einem stärkeren Ausbau der
auch über die zwanzigjährige EEG-Vergütung        Windkraft in Brandenburg – etwa um Wasser-
hinaus betrieben werden.                          stoff zu erzeugen - müsste dementsprechend
                                                  von einer noch höheren Inanspruchnahme

                                                                                  ENERGIESTRATEGIE 2040   23
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