DROGENKURIER - BV-Info - magazin des jes-bundesverbands - JES Bundesverband
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DROGENKURIERmagazin des jes-bundesverbands nr. 107 Sep. 2016 BV-Info Bundesverband der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit
gedenktag 2 DROGENKURIER Ed ito ria l Unser Vorhaben den Gedenktag auch über die Grenzen unseres Landes hinaus bekannt zu machen und Länder dazu zu bewegen, ihre Gedenktage nun ebenfalls Der „Internationale können, nicht zur Diskussion. Im Rahmen am 21. Juli stattfinden zu lassen, findet im- Gedenktag für verstor- des Gedenktages galt es daher deutlich zu mer mehr Unterstützer. bene Drogengebraucher“ machen, dass z. B. die Einführung von bun- Wir haben Kenntnis, dass in 28 Städ- desweiten Naloxonprogrammen und die ten und 8 Ländern der EU Veranstaltun- am 21. Juli 2016 trug das Vergabe des Medikaments an medizini- gen am 21.07. stattfanden. Darüber hinaus Motto „Zahl der Drogen- sche Laien, zwangsläufig erfolgen müssen. beteiligten sich 5 Städte in Australien so- toten weiter gestiegen. Sowohl internationale Daten als auch wie 2 Städte in Canada. Wir haben zudem Erhebungen der Deutschen AIDS-Hil- Kenntnis von weiteren Veranstaltungen Jetzt handeln!“ fe machen deutlich, dass in Drogenkon- in Osteuropa und Asien. Hierzu lagen uns Die Veranstalter wiesen mit dem Mot- sumräumen im Fall einer Überdosis, durch bis zum Redaktionsschluss allerdings kei- to unmissverständlich auf den erneuten schnelles Eingreifen der Mitarbeiter_in- ne Texte oder Bilder vor. nen, hundertfach das Leben von Dro- dramatischen Anstieg von Drogen ge- Der Gedenktag in 100 Städten – genkonsument_innen gerettet werden brauchenden Frauen und Männern hin, ein großer Erfolg konnte. Leider sind Drogenkonsumräume die im Jahr 2015 verstarben. Nach An- Wir möchten uns an dieser Stelle noch aktuell nur in 6 Bundesländern verfügbar. gaben der Bundesdrogenbeauftragten einmal herzlich für die Teilnahme eurer Daher war es folgerichtig, dass von vielen Marlene Mortler, verstarben im Jahr 2015 Einrichtung am 21.07. bedanken. Die Ge- Veranstaltungen die Forderung ausging, 1.228 Menschen. Dies bedeutet eine Stei- samtschau der Veranstaltungen zeigt Frau Mortler solle sich bei ihren Länder- gerung von 18,8% gegenüber dem Jahr eine große Vielfalt und es wird deutlich, kolleg_innen z. B. in Bremen, Thüringen 2014 (1.032). dass viel Engagement und Liebe von Dro- und Bayern für die Schaffung der not- Der erneute Anstieg von verstorbe- gen gebrauchenden Menschen, Angehö- wendigen rechtlichen Rahmenbedingun- nen Drogengebraucher_innen veranlass- rigen und Mitarbeiter_innen investiert gen einsetzen. te die Drogenbeauftragte nicht ihre Poli- wurde. Auf diese Weise fanden Trauer, Unsere Nachbarländer zeigen, dass das tik zu überdenken. So steht die Einführung Gedenken, Protest, Messen, Demos und von der Drogenbeauftragten tabuisierte von Maßnahmen, die nachweislich zur Re- Aktionen unter dem Dach des Gedenkta- Thema „Drugchecking“, seit vielen Jahren duktion von Drogentodesfällen beitragen ges ihren Platz. Dieses Engagement in an- in präventiver als auch in schadensmin- dernder Hinsicht, große Potentiale auf- nähernd 100 Städten im In- und Ausland weist. Die Veranstalter des Gedenktags ist ein starkes Signal an diejenigen, die im Bund, Land und den Kommunen Verant- Impressum fordern Frau Mortler auf, ein entsprechen- des Bundesmodellprojekt umzusetzen. wortung für die Drogenpolitik tragen. Nr. 107, September 2016 Unser besonderer Dank geht an den Wir sind sicher, dass auch Frau Mort- Herausgeber des DROGENKURI ER: Richter und Autor Andreas Müller, der die ler und ihr Arbeitsstab diese Signale zur Schirmherrschaft für den Gedenktag 2016 Kenntnis nehmen werden. Es bleibt zu JES*-Bundesverband übernommen hat. Er ist ein Beispiel da- hoffen, dass die Drogenbeauftragte der Wilhelmstr. 138, 10963 Berlin für, dass sich heute nicht mehr nur einige Bundesregierung die richtigen Schlüsse Tel.: 030/69 00 87-56, „unverbesserliche“ für die Legalisierung zieht und die so dringend erforderlichen Fax: 030/69 00 87-42 von Cannabis einsetzen. Heute zählen Kurskorrekturen vollzieht. vorstand@jes-bundesverband.de Ärzte, Wissenschaftler, Strafrechtler, Po- Es wird allerhöchste Zeit, denn bereits www.jes-bundesverband.de lizisten, Polizeipräsidenten, Richter, Phar- jetzt erreichen uns aus Städten neue „Re- mazeuten, Theologen und Politiker aller kordzahlen“ von drogenbedingten Todes- Bundesverband der Eltern und demokratischen Parteien zu den Unter- fällen. Ein „weiter so“ darf es nicht geben. Angehörigen für akzeptierende stützern einer grundlegenden Neuorien- Jeder muss über seinen Schatten springen Drogenarbeit e. V. tierung der nat. und int. Drogenpolitik. und für das dringend Notwendige eige- Redaktion: Dirk Schäffer (V.i.S.d.P.), ne drogenpolitische Ansichten und Hal- Jürgen Heimchen, JES-Bundesvorstand Rekordteilnahme im Jahr 2016 tungen hinten anstellen. Es geht schlicht Titelbild: Projekt Lüsa/DAWO Zu unserer großen Freude ist der Interna- darum alles zu tun, um das Leben vie- Satz und Layout: Carmen Janiesch tionale Gedenktag für verstorbene Dro- ler zehntausend Drogen gebrauchender Druck: Das Druckteam gengebraucher _innen zu einem festen Menschen zu schützen. Gustav-Holzmann-Str. 6, 10317 Berlin Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit vie- Abschließend eine Anmerkung in ei- ler Einrichtungen in Deutschland und im gener Sache. Der Umfang dieser Aus- Auflage: 4.200 Exemplare Ausland geworden. Keine Spur von hin gabe macht die Vielzahl der von uns re- und wieder befürchteten Abnutzungs- cherchierten und von euch eingesandten Der DROGENKURI ER wird Texte und Bilder deutlich. Wir bitten um unterstützt durch: effekten. In diesem Jahr fanden nach unseren Recherchen in 58 Städten Ver- euer Verständnis, dass wir die Texte teil- Deutsche AIDS-Hilfe e.V., GL Pharma, weise kürzen mussten und nur eine klei- INDIVIOR, Mundipharma, Sanofi Aventis anstaltungen und Aktionen statt. Die An- zahl der beteiligten Organisationen liegt ne Auswahl der Fotos drucken konnten. *Junkies, Ehemalige, Substituierte schätzungsweise bei 180. Die Veranstalter
DROGENKURIER 3 gedenktag Gedenken und Protest in Hamburg Foto: Quelle Mandy Dombeck-Herrmann „Die Brücke“ gedachte verstorbenen Drogengebrauchern HAM BUR G Gedenktag in Hamburg Drogengebraucher_innen und der prohi- bitiven Drogenpolitik informiert. Außer- Der 21.07. in Am 21. Juli 2016 wurde auch in Hamburg dem wurde für eine Verbesserung der Le- benssituation und der gesellschaftlichen „Die Brücke“ den Menschen gedacht, die im vergange- Integration abhängiger Personen gewor- Das Beratungs- und Therapiezentrum „Die nen Jahr an den Folgen ihres Drogenkon- ben. Brücke e.V.“ nutzte zudem eine Veranstal- sums verstorben sind. Zum dritten Mal in Weiße Rosen wurden an die Passanten tung der PSB und Suchtberatung um am Folge stieg im Jahr 2015 die Zahl der Dro- verteilt, um auf die Aktion aufmerksam 20.07. mit einer kleinen Aktion verstor- gentoten an. Insgesamt starben im ver- zu machen. Viele nahmen sich die Zeit, benen Drogengebrauchern zu gedenken. gangenen Jahr in Hamburg 59 Menschen. die Info-Materialien näher anzusehen und Zudem wurde auf die Mahnwache am Mu- In Hamburg fand auf dem Vorplatz des sich in einem persönlichen Gespräch mit seum für Kunst und Gewerbe am 21.07. Museums für Kunst und Gewerbe eine der Problematik auseinanderzusetzen. hingewiesen. Mahnwache und eine Protestveranstal- Die Veranstaltung wurde von ragazza e.V. tung unter dem Motto „Zahl der verstor- und freiraum hamburg e.V. organisiert. benen Drogengebraucher gestiegen – Le- Außerdem nahmen weitere Mitglieder galisierung Jetzt!!!“ statt. Um diesen des Fachausschusses Drogen der Hambur- Menschen ein Gesicht zu geben, wurden ger Landesstelle für Suchtfragen mit ihren Gedenkkarten mit Namen und Daten der Klient_innen teil. Verstorbenen angefertigt und ausgestellt. Angehörige, Partner_innen, Freund_in- Ein Bericht von Ruth Geyer nen und engagierten Mitbürger_innen hatten vor Ort die Möglichkeit, weitere Gedenkkarten hinzuzufügen und so ihrer Verstorbenen zu gedenken. An einem In- fotisch wurde über die Zusammenhänge der steigenden Zahl von Todesfällen unter
gedenktag 4 DROGENKURIER Ballons als Symbol von Trauer und Hoffnung Großes Interesse am 21.07. in Leutkirch LEU TKIR CH Gedenken an • warum haben sie überhaupt zu Drogen den Tätern nicht bloß Fälle zu sehen, son- verstorbene Drogen gegriffen? dern Individuen, die auch individuell an- gesprochen werden müssen.“ gebraucher in Leutkirch • warum haben wir nicht gemerkt, dass der Sohn oder die Tochter so abdriftet? Die von vielen geforderte Legalisie- „19 Prozent mehr Tote durch • warum konnten sie Hilfsangebote nicht rung wird aufgrund der Polarisierung völ- harte Drogen.“ annehmen? lig falsch verstanden. Es geht dabei nicht • warum mussten sie so früh sterben? um frei verkäuflichen Stoff jeder Art an So stand es am 29. April in dicken, fetten warum, warum, warum…. Auf diese Fra- jeder Ecke. Es geht um einen regulierten Lettern in unserer Schwäbischen Zeitung. gen bekommen wir keine Antwort. Umgang mit derzeit illegalen Substanzen. Dass mehr Menschen die illegale Drogen Nicht um es Drogenkonsumenten leichter konsumierten verstarben als im Vorjahr Jeder Drogentote ist einer zu viel! zu machen ihre Drogen zu erhalten, son- wird zwar registriert. Welch persönlichen dern zu ihrem Schutz. Dass sie keinen Was können wir ändern? gestreckten, verunreinigten Stoff neh- Schicksale sich dahinter verbergen, das wissen die meisten Menschen nicht, oder Wir können auf Missstände aufmerksam men, dessen Zusammensetzung nicht ab- sie wollen es auch gar nicht wissen. machen. Drogensucht ist eine Krankheit. schätzbar ist und der schon häufig zum Das wird noch lange nicht überall so ge- Tod geführt hat. Ein Tod der uns so sinn- Ein Blick auf Zahlen und Fakten sehen. Selbst Presseberichte haben häu- los erscheint. Den es zu verhindern gilt, Bundesweit sind, laut Meldungen 1.126 fig einen negativen Unterton. Wie es ist wo immer wir die Möglichkeit dazu sehen. Menschen gestorben. In Baden Württem- einen Suchtkranken in der Familie zu ha- berg waren es 142, davon 13 im Zustän- ben, das können nur Betroffene verste- Im bundesweit erhältlichen Flyer steht: digkeitsbereich der Polizeidirektion Kon- hen. Sie fühlen sich stigmatisiert und Der entscheidende Hebel zur stanz. Im Landkreis Ravensburg sind 4 diskriminier t. Wertschätzung erfahren Suchtkranke kaum. Sie werden als min- Beseitigung des Drogenelends Personen an den Folgen ihrer Suchter- scheint uns jedoch eine grund- krankung gestorben. Manche durch Su- derwertig angesehen, als Kriminelle. Was hat denn die ganze Strafverfolgung von sätzliche Überprüfung des gelten- izid, andere durch eine Überdosis oder Drogendelikten gebracht? Die Gefängnisse den Betäubungsmittelgesetzes. durch Folgeschäden. sind voll von Drogenkonsumenten, die um Wir stimmen zu und betonen: Hier ist die Der 21.07. hier in Leutkirch an ihren Stoff zu kommen auf irgendeine Weise straffällig geworden sind. Straffäl- Politik in der Pflicht! Wir veranstalten den 21.07. hier in Leut- kirch um den vielen, oft sehr jungen Men- lig aufgrund ihrer Suchterkrankung. Hier muss die Gesellschaft umdenken. Defizite in der Substitutions schen zu gedenken, die es nicht geschafft behandlung haben aus dem Teufelskreis Sucht auszu- Jugendrichter Andreas Müller der Es fehlen überall Ärzte, die bereit sind brechen. Sie alle sind viel zu früh gestor- Schirmherr 2016 diese Therapie durchzuführen. Solange es ben. Sie hinterlassen eine große Lücke in hier keine bessere rechtliche Absicherung ihren Familien, bei ihren Freunden. Sie Schirmherr der diesjährigen Aktion ist Ju- gendrichter und Autor Andreas Müller aus gibt, wird sich das nicht bessern. Es fehlt fehlen! Sie werden so schmerzlich ver- z. B. das Mitspracherecht der Patienten. misst und man fragt sich Berlin. Er gilt als Deutschlands härtester Jugendrichter. Sogar er plädiert dafür: „in
DROGENKURIER 5 gedenktag Aktion auf dem Paradeplatz Kein Drogentod in Mannheim Der 21. Juli im Kontaktladen kompass Niederschwellige Hilfsangebote wie Kontaktläden sind unverzichtbar! In vielen Städten gibt es sie. Ulm hat vor Jahren den Kontaktladen geschlossen. Vor wenigen Tagen wurde ein neuer eröffnet. Dort hat man erkannt, wie wichtig die- se Anlaufstelle für Drogenkonsumenten ist. In Ravensburg steht der Kontaktla- den ebenfalls vor dem Aus. Wir hoffen in- Ma nn he im ständig, dass sich eine Möglichkeit findet, diese Einrichtung weiter zu finanzieren. Wir appellieren an die Stadt, den Land- kreis, die kirchlichen Institutionen und weitere Träger. Gedenktag für Auch Drogengebraucher_innen haben Dieser Tage sind die Schicksale von verstorbene Drogen Träume, Wünsche für die Zukunft und Zie- le für ihr Leben. Leider war es vielen von Flüchtlingen in aller Munde. Manches haben unsere suchtkranken Kinder mit gebraucher_innen ihnen nicht mehr möglich, diese zu erle- Flüchtlingen gemeinsam. Auch sie sind in Mannheim ben oder zu erreichen. Wir luden die Besu- irgendwie auf der Flucht. Sie benötigen cher_innen unseres Standes ein, über die Hilfe und keine Zurückweisung. Nicht al- Auch in Jahr 2016 beteiligte sich der Frage „Wenn ich morgen sterben müsste, les lässt sich in Euro und Cent darstellen Drogenverein Mannheim am bundeswei- würde ich gerne noch...?“ nachzudenken. Menschlichkeit lohnt immer. ten „Gedenktag für verstorbene Drogen- gebraucher_innen“ Der 21. Juli stand un- Sechs Drogentote In Mannheim im ter dem Motto „Drogentod ist vermeidbar Jahr 2015 Ein menschlicher Umgang mit – auch in Mannheim!" In Mannheim waren im Jahr 2015 sechs Drogenabhängigen rettet Leben! Drogentote zu verzeichnen. Man kann von Aktion am Paradeplatz einer weitaus höheren Dunkelziffer ausge- „Wo Leben ist, da ist Hoffnung – Im Rahmen der Aktion am Paradeplatz, hen. Im Kontaktladen „Kompass“ wurde und unser erstes Ziel in der Dro- die gemeinsam mit KOSI.MA (Kompetenz- ein Gedenkgottesdienst veranstaltet. Mit genpolitik sollte darin bestehen, zentrum für sexuell übertragbare Infek- schwarzen Luftballons, beschriftet mit tionen Mannheim) durchgeführt wurde, den Namen der Verstorbenen, gedachten diese Hoffnung am Leben zu stand der Dialog mit den Bürgern im Mit- wir diesen verstorbenen Drogengebrau- erhalten, indem wir die Abhän- telpunkt. Wir wollen verdeutlichen unter cher_innen und machten ihr Leid sicht- welchen meist sehr unwürdigen Bedin- bar. gigen am Leben halten!“ gungen Drogengebraucher_innen leben; Heather Brook, Australien und Bürger sensibilisieren, dass das The- ma Drogentod leider immer noch präsent Beate Stör ist.
gedenktag 6 DROGENKURIER 153 Ballons für 153 verstorbene Drogengebraucher am Oranienplatz BERLIN Substituierte im Fokus Gedenken am Stutti Unter dem Titel „Menschenwürde in der Substitution“ fand der Gedenktag für Gedenken im SKA verstorbene Drogengebraucher_innen in Berlin statt. Fast jeden 2. Tag stirbt Die Kreuzberger Kontaktstelle SKA nahm ein_e Drogengebraucher_in in Berlin, den 21. Juli 2016 zum Anlass, um gemein- 153 Menschen waren es im vergangenen sam mit den Besucher_innen ein besonde- Jahr. Unter den Verstorbenen waren auch res Denkmal zu setzen. An einem Baum, Menschen, die substituiert wurden. Wir welcher auf eine Leinwand gezeichnet nahmen dies zum Anlass, um einen Blick wurde, hinterließen Besucher_innen auf die Lebenssituationen von substitu- und Mitarbeiter_innen Fingerabdrücke ierten Drogengebraucher_innen in unse- in Form von Blättern für die Verstorbe- rer Stadt zu werfen. nen, denen sie gedenken wollten. Dabei bot sich für viele Besucher_innen die Ge- legenheit, über ihre tragischen Verluste sowie die ständige Konfrontation mit dem Drogentod zu sprechen. Gedenken „am Leo“ Wie erleben substituierte Patient_in- Am 21. Juli fand zudem eine stimmungs- Gedenken „am Stutti“ nen ihre medizinische Versorgung? Wel- volle Aktion zum Gedenken an verstorbe- che Ängste und Nöte bestehen? Wie wird Das Charlottenburger Fixpunkt-Team hat ne Drogengebraucher auf dem Leopold- mit ihnen umgegangen? Welche Erfahrun- am 21. Juli, eine Girlande mit weißen platz statt. Ein Gedicht wurde vorgetragen gen haben sie gemacht? Wie kann Unter- Wimpeln am Baum direkt vor dem Prä- und alle Anwesenden hatten die Möglich- stützung aussehen? ventionsmobil am Stuttgarter Platz ange- keit, ihre Wünsche auf bunte Zettel zu Kurze Vorträge zum Thema und Inter- bracht. Besucher_innen konnten Namen schreiben, die anschließend in die Ga- viewausschnitte mit Drogengebraucher_ Verstorbener auf die weißen Wimpel sch- bionen-Mauer gesteckt werden konnten. innen gaben einen Eindruck von der reiben. Um den Baum herum wurden rote Es wurden interessante Gespräche ge- Wahrnehmung der Substitution bei User_ Grablichter aufgestellt. Außerdem wur- führt, in denen neben den persönlichen innen. Abschließend wurde mit 153 Luft- den das offizielle Poster und ein Zettel Erfahrungen auch die aktuelle politische ballons den Verstorbenen gedacht und auf Russisch an den Baum geklebt. Unter Situation thematisiert wurde. So wurden Musik gespielt. anderem wurde die Aktion auch von ei- Überlegungen angestellt, wie der interna- ner Gruppe lettischer Drogengebraucher tionale Tag für verstorbene Drogengebrau- Text und Fotos: Berliner Aids-Hilfe wahrgenommen. Das Poster und die Gir- cher zukünftig gestaltet werden könnte lande befinden sich noch immer am Baum und auch, warum es oft schwer fällt sich zu erinnern... Texte und Foto: Team-Fixpunkt e.V.
gedenktag 8 DROGENKURIER Ballonaktion vor der Leonhardskirche Die Peiner JES-Gruppe mit ihrem Spritzenautomaten Pein e Der Weg des Lebens Rede von Roland Baur Ballonarrangement in der Leonhardskirche in Peine Wir hatten wieder einen interessanten und ereignisreichen Gedenktag am 21.07. Der dargestellte „Weg des Lebens“, in der Fuß- gängerzone, zog die Blicke und das Inte- resse vieler Passanten an. Aufgrund der zahlreichen Nachfragen zum „Weg des Le- bens“ ergaben sich Möglichkeiten zu vie- len interessanten, umfangreichen und tiefgründigen Gesprächen. Wir nutzten die Chance um Bürger_innen genau zu erklären, was die einzelnen Objekte sym- S T U TTGART die Einrichtung eines Konsumraums in bolisieren bzw. welche Forderungen da- hinterstehen. Darüber hinaus konnten wir unseren Spritzenautomaten vorstellen, Gedenken an Stuttgart. Denn ein solcher Raum würde der anders wie im Pressebericht erwähnt KEINEN eigenen Namen hat, sondern zu Drogentote Betroffenen die Möglichkeit geben, ohne verunreinigte Spritzen und unter Aufsicht unserem Projekt „Safer-Use“ gehört. Auch Auf dem Karlsplatz fordert ein waren immer wieder erstaunte Gesichter zu konsumieren.“ In Nordrhein-Westfalen Bündnis mehr Unterstützung zu sehen, wenn es um die Zahl der Ver- sei durch die Einrichtung solcher Räume für Süchtige storbenen ging, und das nicht nur bei die Zahl der Drogentoten im letzten Jahr den „Peinern“. Also wir denken das wir deutlich zurückgegangen, so Baur. „In „Leben akzeptieren – Sterben verhindern“ durch unseren Aktionstag wieder eini- der Drogensuchttherapie ist man längst – unter diesem Motto fand am Donners- ge zum Nachdenken angeregt haben, das vom Prinzip der totalen Abstinenz abge- tag auf dem Karlsplatz ein Gedenktag für Drogengebraucher_innen ganz normale rückt“, bestätigte Franziska Borkel, die verstorbene Drogenabhängige in Stuttgart Menschen sind, die trotz ihres Drogenge- Geschäftsführerin der AIDS-Hilfe Baden- statt, den das gleichnamige Aktionsbünd- brauchs ein Anrecht auf ein menschen- Württemberg. Auch müsse die Politik da- nis organisierte. Das Bündnis besteht aus würdiges Leben haben. rüber nachdenken, den Erwerb von harten dem Stuttgarter Caritasverband, der AIDS- Drogen staatlich kontrolliert zu ermögli- Stefan Ritschel (JES Peine) Hilfe und dem Verband „JES für Junkies, chen, forderte der JES-Vorsitzende. Nur so Ehemalige und Substituierte“. Oberbür- könne die Beschaffungskriminalität ein- germeister Fritz Kuhn war Schirmherr der gedämmt werden. Im Anschluss an seine Veranstaltung. Ansprache folgte ein stilles Gedenken an Mit dem Motto ist gemeint, das Leben Verstorbene in der Leonhardskirche. mit Drogen von Abhängigen zu akzeptie- ren und deren Situation durch Hilfsange- Stuttgarter Zeitung, 22.07.2016, bote zu verbessern, sagte JES-Bundesvor- Benita Stalmann stand Roland Baur. „Wir fordern konkret
DROGENKURIER 9 gedenktag ESS EN Der Weg des Lebens AIDS-Hilfe und Sucht- Ballons als Symbol der Trauer und Hoffnung hilfe direkt gedachten Andacht in der Selbsthilfe „direkt“ verstorbenen Drogen- gebrauchern Ballons als Symbol der Trauer und Hoffnung Die AIDS-Hilfe Essen e.V. informierte Ein weiterer Teil vom Weg des Lebens Bürgerinnen und Bürger am 21.07.2016 mit einem Infostand in der Essener In- nenstadt Danach veranstaltete die AHE für alle Drogengebraucher_innen, Ange- hörige und Freunde, sowie für Mitarbei- ter_innen des Essener Drogenhilfesystem eine gemeinsame Veranstaltung in des- sen Fokus das Gedenken sowie die stei- gende Tendenz der in Essen verstorbenen Andacht in der Suchthilfe direkt Drogengebraucher_innen (11 Drogentote im Jahr 2015, Tendenz steigend) stand. Am 21. Juli 2016 fand auch in der Sucht- Schwarze Luftballons stiegen als Zeichen hilfe direkt Essen eine Gedenkveranstal- der Trauer auf, während bunte Luftbal- tung anlässlich des Internationalen Tags lons die Hoffnung auf Veränderung sym- der Drogentoten statt. Die Andacht wur- bolisierten. de von Herrn Diakon Winfried Rottenecker Textgrundlage und Foto: A. Wenner gehalten. Anschließend wurden die Na- men der Verstorbenen verlesen. Freunde und Angehörige hatten die Möglichkeit eine weiße Rose niederzulegen und eine Kerze in Gedenken anzuzünden. Die Ver- anstaltung wurde von vielen Drogenkon- sumenten in Anspruch genommen. Für sie ist es meist die einzige Gelegenheit sich in Gedenken an die verstobenen Freun- de, Bekannte oder auch Partner, zu ver- abschieden. Textgrundlage und Foto: J. Treichel
gedenktag 10 DROGENKURIER Gedenken an Drogengebraucher_innen in Leipzig Ein Drogenkonsumraum könnte helfen LEIPZ IG Foto: vogtland-anzeiger.de Leipzig erinnert Forderung nach einem an Drogentote Drogenkonsumraum für Leipzig Franke fordert einen sogenannten „Druck- In Sachsen ist die Zahl der Drogentoten so raum", einen Raum, in dem abhängige hoch wie nie: Laut BKA starben im vergan- Menschen sicher und sauber konsumieren genen Jahr 27 Menschen – fast dreimal können. So könnten zusätzliche Infektio- Ulrike Franke, Pfarrerin und Seelsorgerin so viele wie im Jahr 2014. Um darauf auf- nen, zum Beispiel durch verunreinigte Na- merksam zu machen, steht der diesjährige deln, verhindert werden. Im Fachjargon Im Jahr 2015 wurden bundesweit 1.226 Gedenktag unter einem streitbaren Mot- nennt man solche Einrichtungen Drogen- drogenbedingte Todesfälle polizeilich re- to. In Leipzig sieht man es weniger offen- konsumräume. Sie stellen die Ausstattung gistriert. Dies geht aus dem aktuellen Dro- siv, fordert aber einen sicheren Raum für für einen risikominimierenden Konsum gen- und Suchtbericht hervor, der im Juni Drogenabhängige und ihre Angehörigen. von illegalen Drogen bereit. In Sachsen, 2016 veröffentlicht wurde. Cannabis wird "Legalisierung jetzt" ist das Motto des Thüringen oder Sachsen-Anhalt gibt es bisher legal nur Schmerzpatienten unter diesjährigen deutschlandweiten Gedenk- bisher keinen solchen Raum. Gleichwohl medizinischer Bewachung verabreicht. tages zur Erinnerung an Drogenopfer. ist Leipzig gut ausgestattet, was die Be- Abhängige jeglicher Art von Drogen ver- Cannabiskauf und sein Konsum sollen, treuung von Abhängigen und Angehörigen sorgen sich also aktuell vor allem durch il- so die Initiatoren, keine Sache des Straf- angeht. Es gibt das Suchtzentrum Leip- legale Märkte, teilweise aus dem Ausland. rechts mehr, sondern legal sein. Der Ber- zig, Drug Scouts und Straßensozialarbei- Eine Legalisierung könnte diesen Handel liner Jugendrichter Andreas Müller ist in ter beim Amt für Jugend, Familie und Bil- austrocknen. Doch Uwe Voigt, Pressespre- diesem Jahr Schirmherr des Gedenktages. dung. Außerdem verfügt das Klinikum St. cher der Polizeidirektion Leipzig, ist skep- Er sagt, dass das Verbot von Cannabis in Georg über ein Zentrum für Drogenhilfe, tisch: „Wir haben da Vorbehalte und eine den vergangenen 40 Jahren mehr als eine in welchem auch Ulrike Franke tätig ist. pessimistische Einstellung in dieser Ange- halbe Million Menschen in den Strafvoll- legenheit. Bisher gibt es keine überzeu- zug gebracht habe. Für Angehörige ist es wichtig, genden Daten für uns, dass die Krimina- Pfarrerin und Seelsorgerin am Leip- lität wirklich sinkt, wenn leichte Drogen ziger Klinikum St. Georg, Ulrike Franke, dass es Menschen gibt, denen wie Cannabis legalisiert werden. Es ist ein steht weniger offensiv hinter dem Motto. sie von ihrer Trauer, ihrer Wut streitbares Thema. Auch innerhalb der Be- Sie hält die Legalisierung von Cannabis für hörden gibt es keine übereinstimmende und Hilflosigkeit erzählen kön- ein umstrittenes Thema, tritt aber auch Haltung dazu." für die Entkriminalisierung von Drogenab- nen. Sie brauchen Räume, in hängigen ein: „Kriminalisierung bedeutet denen sie verstanden und mit Gedenkveranstaltung im Rosental immer auch schlechtere Hilfe für die Be- Am Donnerstagnachmittag fand im Blin- troffenen. Das ist auch hier in Leipzig ein ihren Anliegen und ihrer Not denpark in Rosental eine Gedenkstunde wichtiges Thema". ernst genommen werden. statt, die von Pfarrerin Ulrike Franke mit einer Andacht begleitet wurde. Im An- Ulrike Franke, schluss wurde das „Fest des Lebens" ge- Pfarrerin und Seelsorgerin feiert. MDR Sachsen, 21.07.2016
DROGENKURIER 11 gedenktag Gedenkinstallation in Bonn Menschen konsumieren BONN Foto: Conny Poltersdorf psychoaktive Substanzen, legale und illegale. Gedenkstunde für Und damit gehen wir um. Drogentote Katrin Schröder Am internationalen Gedenktag für ver- Katrin Schröder von den Drug Scouts Die Sozialarbeiterin Katrin Schröder von storbene Drogenkonsumenten lud die den Drug Scouts war bei mephisto 97.6 zu Aids- Initiative Bonn zum Zentralen Om- Akzeptanz als Gast. Mit ihr hat mephisto 97.6 Moderato- nibusbahnhof ein. Dort hatten Hinterblie- Statement rin Ina Beyer über die Drug Scouts gespro- bene die Möglichkeit zu trauern – alleine oder gemeinsam mit anderen. Für den pas- chen und sie gefragt, wie man mit Drogen und Konsumenten umgehen sollte: senden Rahmen sorgte das Ensemble „One Drogenkonsum und -missbrauch ist heut- to Three“ mit Livemusik. Im vergangenen zutage leider nichts Unbekanntes mehr. Interview unter www.mephisto976.de Jahr starben in Bonn laut Aids-Initiati- Um an die Opfer dieses Missbrauches zu An dem Gedenktag finden in vielen Städ- ve 19 Menschen an Drogenmissbrauch, gedenken, gibt es seit 1998 jährlich am ten in Deutschland Gedenkfeiern oder so- das sind acht mehr als 2014. In diesem 21. Juli den Drogentotengedenktag. gar Podiumsdiskussionen statt. So auch Jahr waren es bereits 14 Drogentote. Vor- An so einem Tag wird viel darüber dis- in Leipzig. Um 17 Uhr fand im Rosenthal standsmitglied Jürgen Repschläger rief kutiert, wie man mit Drogen – legalen und im Blindenpark eine Gedenkstunde statt. zu Überlegungen auf, eine weitere Mög- illegalen – umgehen soll. Manche argu- Das Motto des diesjährigen Gedenktages lichkeit zum sogenannten „Drücken“ für mentieren mit erhobenem Zeigefinger, ab- lautete „Legalisierung jetzt". Hintergrund die Konsumenten einzurichten. Der vor- schreckenden Geschichten und den mög- dieser offensiven Forderung sind die mehr handene Druckraum habe die Anzahl der lichen Folgen. Andere hingegen sprechen als einer halbe Millionen Jugendlichen, benutzten Spritzen im Stadtbild deutlich über und aus Erfahrung. So macht es auch die in den letzten Jahren durch Cannabis- verringert, so Repschläger. Ralf Runnin- die Organisation Drug Scouts. Ihr erklär- konsum ins Gefängnis mussten. Nun wird ger, Mitarbeiter der Initiative, forderte tes Ziel ist neben der Drogenprävention gefordert, einen Alternativen Umgang mit zudem eine Novellierung des Betäubungs- vor allem die Aufklärung über den richti- Drogen und den Jugendlichen zu finden. mittelgesetzes. gen Umgang mit Drogen. Ihr Ansatz lautet Akzeptanz – und ist damit auch ihr politi- mephisto 97.6 Redakteurin Lisa Tutt- Bonner Rundschau,Ralf Klodt sches Statement. lies war bei der Gedenkfeier dabei. Sie 1996 haben Anhänger der Elektroszene hat mit den Initiatoren der Gedenkfeier die Drug Scouts gegründet. Heute beste- gesprochen und fasst deren Anliegen zu- hen sie in Leipzig aus drei festangestell- sammen: ten Mitarbeitern, ein paar Praktikanten Interview unter mephisto976.de und derzeit etwa 50 Freiwilligen. Mephisto 97,6, 21.07.2016
gedenktag 12 DROGENKURIER Fotos: Ulrich Erker-Sonnabend storbenen, Freunde, Sozialarbeiter aus den Einrichtungen der Drogenhilfe, Men- schen, denen die Verstorbenen in irgend- einer Weise nahestanden. Draußen, vor der Kirche, im gleißen- den Sonnenlicht ist Alltag. Die Straßen- Jürgen Dörr von der Aids-Hilfe hat zur Erinnerung bahn 709 fährt Richtung Birkenstraße. An an die verstorbene Sabine eine Kerze auf den Altar der Ampel vor der Kirche warten Autos auf der Elisabethkirche gestellt. das grüne Signal. In der Kirche steht In- nehalten an. „Vertrauen in die Zukunft“ „Lukas, 24 Jahre alt, Jan, 30 Jahre alt, Rebecca, 36 Jahre alt…“ Jedesmal, wenn ein Name vorgelesen wird, steht einer oder eine aus den Reihen der Gottesdienstbe- sucher auf, geht nach vorne, lässt sich eine Kerze geben, zündet sie an der Os- terkerze, dem Symbol des Lebens, an und stellt das schlichte weiße, hohe Wachs- licht auf den Altar unter dem goldenen Kruzifix. Die einen verharren einen Mo- Für jeden Verstorbenen wurde eine Kerze entzündet. ment in Stille, andere machen das Kreuz- Im Hintergrund Diakon Klaus Kehrbusch (links). zeichen. „Weder Tod noch Leben, weder Superintendentin Henrike Tetz überreichte die Kerzen. Engel noch Dämonen noch andere gott- feindliche Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges kann uns trennen von der Liebe Gottes“, liest der katholische Di- akon Klaus Kehrbusch aus dem Römerbrief der Bibel. Die Gemeinde vertraut die Ver- storbenen mit Zuversicht Gott an – dem Gott, „der viel größer ist als unser Herz“, Zum ökumenischen Gedenkgottesdienst für Drogentote wie Kehrbusch sagt. Der Theologe ist Ge- kamen rund 120 Angehörige, Freunde und Begleiter schäftsführer des Drogenabhängigen- der Verstorbenen in die katholische Elisabethkirche Hilfsvereins Flingern mobil. An der ökumenischen Gedenkfeier wirkt die evangelische Superintendentin Henrike Tetz ebenfalls mit. Sie überreicht den Ge- denkenden die Kerzen und lädt ein zum ge- meinsamen Schlussgebet: „Gott, damit wir uns nicht auf aussichtslosen Wegen verir- ren, bitten wir dich um Vertrauen in die Zukunft.“ Die Gemeinde spricht das Gebet DÜS SELDOR F mit. Es ist zu spüren, dass die Ereignisse und Erlebnisse, die sie an diesem Morgen zusammengebracht haben, bedrücken. An 31 verstorbene war stets schick gekleidet, mit Stöckel- Am Ende des Gottesdienstes gehen vie- le zum Altar, nehmen eine Kerze und tra- Drogenabhängige schuhen unterwegs. Eine beeindrucken- gen sie in die jeweilige Einrichtung, in der erinnert – Ökumeni- de Frau. Sabine ist im Alter von 52 Jahren gestorben. Sie hatte sich mit dem HI-Vi- der Verstorbene ein Stück seines Lebens- scher Gottesdienst rus in Folge des Drogenkonsums infiziert. weges lang begleitet und betreut wurde. Das sind die Aids-Hilfe, die Düsseldorfer in St. Elisabeth Schicksale wie das von Sabine stehen Drogenhilfe an der Erkrather Straße und so oder ähnlich hinter den 31 Namen, die auch die eine oder andere Einrichtung der „Sabine war eine tolle Frau“, sagt Jürgen an diesem Morgen in der katholischen Kir- Diakonie wie zum Beispiel das Trebecafé. Dörr. Der Berater der Aids-Hilfe Düssel- che St. Elisabeth zwei Frauen vorlesen. Es Dort erinnern die großen, weißen Wachs- dorf hat jetzt beim Gottesdienst für ver- ist der 21. Juli – das ist der Gedenktag für kerzen jetzt an diejenigen, derer man storbene Drogenabhängige eine Kerze für die Drogenverstorbenen. Rund 120 Got- hier gedachte und die in den vergange- Sabine auf den Altar der Elisabethkirche tesdienstbesucherinnen und -besucher nen zwölf Monaten gestorben sind. in Flingern gestellt. „Sie war verheiratet. sind in die Kirche am S-Bahnhof Wehr- Ihre Kinder lebten bei den Großeltern. Sie hahn gekommen – Angehörige der Ver- www.evdus.de
DROGENKURIER 13 gedenktag Einstieg zum Ausstieg 20 Jahre Erfahrung in der Suchttherapie Kompetent in der Therapie Engagiert für Betro≈ene Einzigartiger Service AVS 506 12 012-024452 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Potsdamer Str. 8 · 10785 Berlin www.substitutionstherapie.de www.sanofi.de
gedenktag 14 DROGENKURIER Am 21. Juli waren Gerhard Wermter (links) vom Gesundheitsamt Neuwied zusammen mit Peter Kesselheim (2.v.l.) von der Suchtberatung der Caritas und Jens Arbeiter (2.v.r.) von der Neuwieder Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (Nekis) mit einem Informationsstand in der Neuwieder Fußgängerzone präsent Die Mitwirkenden freuten sich über den Besuch des 1. Kreisbeigeordneten und Gesundheitsdezernenten Achim Hallerbach (rechts) und das Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, MdB Erwin Rüddel Joachim Jüngst (Leiter der Beratungsstelle) und NEU WIE D Bernard Garling (r) (Mitarbeiter Drogenkontaktladen „Café Relax“) werben für den Gedenktag Erinnern – Gesicht zeigen – informieren – Neben Aufklärung und Prävention, um auf Gefahren und Risiken des Drogenge- RHE INE Internationaler brauchs hinzuweisen, ist für den Gesund- heitspolitiker Erwin Rüddel (MdB), Canna- Drogenberatungsstelle Gedenktag für bis als Medizin ein aktuelles Thema: „Wir veranstaltet verstorbene möchten die Versorgung der Patienten Gedenkfrühstück Drogenabhängige mit cannabishaltigen Arzneimitteln ver- bessern. Denn für bestimmte Schmerz- Seit vielen Jahren wird am 21. Juli bun- patienten kann Medizinalhanf eine gute desweit der „Internationale Gedenktag für Zum Gedenktag für verstorbene Drogen- Therapie sein, wenn andere Schmerzmittel verstorbene Drogengebraucher“ began- abhängige am 21. Juli waren das Gesund- nicht helfen. Schwerwiegend erkrankten gen. Das ist Anlass genug für die Jugend- heitsamt Neuwied zusammen mit der Neu- Patienten, die keine Therapiealternative und Drogenberatung, Aktion Selbsthilfe wieder Kontakt- und Informationsstelle haben, soll es durch den Arzt ermöglicht e.V. Rheine, das Problem „Drogentod“ er- für Selbsthilfe (Nekis) und der Suchtbe- werden, getrocknete Cannabisblüten und neut ins Bewusstsein zu rufen. Denn lei- ratung der Caritas mit einem Informati- Cannabisextrakte in kontrollierter Qualität der ist seit dem Jahr 2013 bundesweit eine onsstand in der Neuwieder Fußgängerzo- auf ärztliche Verschreibung in Apotheken deutliche Zunahme der Drogentoten im ne präsent und informierten interessierte zu erhalten, ohne dass dabei die Sicher- Vergleich zu den rückläufigen Zahlen in Passanten über Beratungs- und Hilfsan- heit und Kontrolle des Betäubungsmittel- den Jahren zuvor zu verzeichnen. gebote in der Region. Die Mitwirkenden verkehrs gefährdet wird. Diesen Menschen Auch in Rheine und Umgebung sind ei- freuten sich über die Unterstützung und wollen wir helfen und ihnen die Therapie nige Konsumenten an den direkten, aber Wertschätzung der Aktion durch den Be- nicht vorenthalten. Die Änderung des Be- auch indirekten Folgen des langjährigen such des 1. Kreisbeigeordneten und Ge- täubungsmittelrechts ist dabei der richti- Konsums verstorben. „Allein in den ers- sundheitsdezernenten Achim Hallerbach ge Weg. Denn wir wollen einen sicheren ten fünf Monaten dieses Jahres haben wir und dem Mitglied im Gesundheitsaus- und kontrollierten Zugang der Betroffe- sechs Todesfälle zu beklagen gehabt“, so schuss des Deutschen Bundestages, MdB nen unter staatlicher Kontrolle.“ Joachim Jüngst, Leiter der Drogenbera- Erwin Rüddel „Seit 1990 sind in Deutschland mehr www.kreis-neuwied.de tung Aktion Selbsthilfe e.V. in Rheine. als 37.000 Menschen durch den Konsum „Hier war vor allem der Mischkonsum ver- illegaler Drogen gestorben. Viele dieser schiedener Substanzen Ursache für die To- Todesfälle wären vermeidbar gewesen – desfälle“, so Jüngst weiter. durch Aufklärung, Angebote zur Risikom- inimierung und durch Überlebenshilfen“, begründet Achim Hallerbach das Engage- ment des Kreisgesundheitsamtes.
DROGENKURIER 15 gedenktag Die Skulptur von Nils Grube wird enthüllt Impression vom Gedenktag 2016 in Bielefeld Die Bemühungen der Drogenberatung Rheine basieren seit vielen Jahren darauf, frühzeitig ein differenziertes Hilfeange- bot zu machen. Angebote der Drogenbe- ratung sind unter anderem die Beratung für Betroffene und Angehörige, ambulan- te Behandlung, psychosoziale Betreuung Substituierter, Betreutes Wohnen, Sucht- vorbeugung, betriebliche Suchtberatung, aufsuchende Hilfen und niedrigschwellige Kontaktladenarbeit. Zum anderen bemüht sich die Drogenhilfe aber auch, Hilfen und BIE LEF ELD Beratung bei einem möglichst risikoar- men Gebrauch von Drogenkonsum an- zubieten. Sei es durch die Bereitstellung eines Spritzenautomaten und dem kosten- den. Im Bielefelder Drogenkonsumraum losen Spritzentausch (Alt gegen Neu) zur Verhinderung von schwerwiegenden In- Zahl der verstorbenen werden Drogen gebrauchende Frauen Drogenkonsumenten und Männer durch Ärzte, Pflegepersonal fektionskrankheiten oder durch die Auf- und Sozialarbeiter betreut, die im Notfall klärung von Betroffenen über den siche- bleibt in Bielefeld eingreifen können. Die Drogen stammen ren Gebrauch (und den Nichtgebrauch) von Substanzen. Zudem unterstützt die konstant weiter vom Schwarzmarkt mit unbekann- ter Wirkstärke und müssen von den Kon- Beratungsstelle bei Bedarf die schnelle Zum Gedenktag für verstorbene Drogen- sumenten selbst mitgebracht werden. Vermittlung zu ärztlichen Behandlungen abhängige forderten Experten im Dro- Um den Drogenkonsum von Jugendli- im Notfall. genhilfezentrum Bielefeld eine Entkri- chen zu reduzieren, die bereits wegen il- Die Beratungsstelle Rheine bietet an minalisierung und mehr Kontrolle. Laut legaler Drogen strafrechtlich belangt wor- diesem Tag verschiedene Aktionen an und statistischem Landesamt sind durch den den sind, bietet die Drogenberatung das veranstaltet daher morgen (21. Juli) zum Konsum illegaler Drogen 2014 drei Perso- Projekt „High School" an. Beispiel ein Gedenkfrühstück für alle, die nen in Bielefeld gestorben, Zum Gedenktag für verstorbene Dro- einen nahestehenden Menschen verloren Da die Zahl der Drogentoten nicht alle gengebraucher_innen wurde eine Holzfi- haben. Dieses findet in der Zeit von 10 Personen berücksichtigt, die an mögli- gur vom Künstler Nils Grube gestaltet. Die bis 13 Uhr an der Thiemauer 42 in Rheine chen Folgen einer HIV- oder Hepatitis- Skulptur wurde an Orten aufgestellt, die statt. Von 13.30 bis 16 Uhr wird ein Info- C-Infektion verstorben sind, fordert Axel für Konsumenten eine Bedeutung haben und Gedenkstand an der Einkaufsstraße Hentschel vom NRW-Landesverband JES und soll Leben und Tod symbolisieren. Die in der Innenstadt von Rheine aufgestellt. (Junkies, Ehemalige und Substituierte) Plastik befindet sich aktuell im Hof des im Rahmen der diesjährigen Gedenkfeier Drogenhilfezentrums. wirin.de, 20.07.2016 die Abschaffung des Betäubungsmittelge- Neue Westfälische, 22.07.2016 setzes. Hierdurch sollen Substanzen, die von Nora Pfützenreuter zurzeit illegal auf dem Schwarzmarkt ver- (redaktionell bearbeitet) kauft werden, staatlich kontrolliert wer-
gedenktag 16 DROGENKURIER Gedenken und Information am Café Connection Die Klient_innen bepflanzten ein fahrbares Beet Mitglieder von JES Hannover gedenken verstorbenen Der Gedenktag in Unna Freunden am Gedenkstein in Hannover HANNO VE R Cannabis und Crack beliebt in der Szene In der Region gebe es rund 5000 Kon- sumenten harter Drogen, schätzt der städ- Un na tische Drogenbeauftragte Alfred Lessing. Gedenktag für Drogenopfer. „Der Heroinkonsum geht weiter zurück, Gedenkfeier für alle Drogentoten – In der Region Hannover starben unser größtes Problem bleibt der Alko- 2016 bisher sieben Abhängige. hol“, sagt Lessing. Stark nachgefragt in der lokalen Szene sei derzeit eher Ecstasy; Pflaumenbaum soll 2015: zwölf Drogentote. 2016: Bisher star- ben sieben Menschen in Stadt und Um- außerdem komme Cannabis wieder mehr an Verstorbene land an den Folgen ihres Rauschgiftkon- in Mode. Auch Crack, „Stein“ genannt, erinnern sums. Auch wenn die Zahlen der Opfer in werde viel konsumiert. Die Kristalle – sie der Region – entgegen dem Bundestrend entstehen, wenn Kokain mit Ammoniak Anlässlich des Gedenktages für verstorbe- – in einem niedrigen Bereich liegen: Je- aufgekocht wird – werden geraucht und ne Drogengebraucher_innen gedachten der Drogentote ist ein Toter zu viel, beton- machen schnell abhängig. die Menschen rund um die Einrichtung te Bürgermeister Thomas Hermann (SPD) „Das Strafrecht habe bei Konsumenten LÜSA (Langzeit-, Übergangs- und Stüt- gestern Vormittag. nichts zu suchen“, betonte Lessing und zungsangebot) verstorbenen Klienten, Am Café Connection (nahe Hauptbahn- forderte eine Entkriminalisierung von Weggefähr ten und Freunden. Seit fast 20 hof) wurden am „Internationalen Gedenk- Drogenkauf und – besitz. Viel wichtiger Jahren setzen sich die LÜSA Mitarbeiter_ tag für verstorbene Drogengebrauchende“ seien Beratung, Betreuung und medizini- innen mit Empathie, Freude an der Arbeit Kerzen entzündet, weiße Rosen aufge- sche Angebote, um Abhängigen zu helfen. und Menschlichkeit in der Platanenallee stellt und Reden gehalten. Eingeladen Der Drogenbeauftragte warnte außerdem und nun im DAWO für die Bedürfnisse von hatte der Arbeitskreis Sucht, Drogen und vor Legal Highs, auch Badesalz genannt: Drogen gebrauchenden Frauen und Män- Aids – ein Zusammenschluss von Institu- „Hochgefährliche Mischungen mit synthe- nern ein. tionen, Vereinen und Selbsthilfegruppen. tischem THC. Rheinische Post, 22.07.2016, Andreas Kö
DROGENKURIER 17 gedenktag Botschaften an verstorbene Freunde Infostand und Banner in Pforzheim mit Bildern und Texten DIese Kacheln mit persönlichen Botschaften PF OR ZH EI M führten zum Infostand Wir mussten manchmal leidvoll erfah- ren, dass wir mit unserer Arbeit auch an Grenzen stoßen", erklärte Dawo-Leiterin Sabine Lorey. Dirk, Thorsten, Christian, Lars und zuletzt Ingo sind in den letzten Unser Weg geht weiter Zu diesem Zweck haben wir auch viele zwölf Monaten verstorben. Für jeden von Wie schon im letzten Jahr hat die Plan B Flyer mit Hintergrundinfos verteilt. Neben ihnen zündete Pfarrer Matthias Bruders gGmbH in Kooperation mit der AIDS-Hilfe der Geste des Gedenkens war es uns dieses eine Kerze an. Pfarrer Bruders lobte nicht Pforzheim e.V. zum Gedenktag eine Akti- Jahr vor allem ein Anliegen über das The- nur die Arbeit von LÜSA, sondern sprach on in der Pforzheimer Innenstadt durch- ma „Spritzenautomat“ zu informieren. Wir den Klienten Mut zu und wandte sich auch geführt. Ein Weg gelegt aus weißen Rosen, hoffen in naher Zukunft in diesem Bereich an alle Bürger, nicht wegzuschauen, weil schwarzen Luftballons und Kacheln, wel- weiter voranzukommen und bleiben dran. man das Leiden nicht sehen will. che im Vorfeld und direkt vor Ort beschrif- Geplant ist, dass der Weg auch nächs- Ein Pflaumenbaum der im Garten der tet werden konnten, führte schließlich zu tes Jahr weiter gelegt wird. Dawo-Einrichtung gepflanzt wurde, wird einem Informationsstand am Marktplatz. Das Team des Kontaktladens Loft, zukünftig an die Verstorbenen erinnern. Der Weg hat sich im Vergleich zum Plan B gGmbH und Mit einem Brunch, Gegrilltem und der Mu- Vorjahr schon deutlich verlängert. Immer der AIDS-Hilfe Pforzheim e.V. sik der Lüsa-Band endete eine kleine aber wieder blieben Passant_innen stehen, um schöne Feier. die Kacheln zu lesen. Wir konnten auch Hellweger Anzeiger 22.07. 2016 mit vielen Menschen ins Gespräch kom- (redaktionell bearbeitet) men, um für Akzeptanz in der Bevölke- rung zu werben. Die Aktion soll zu mehr gesellschaftlicher Integration und Teilha- be beitragen.
Foto: hbz/Wallerius gedenktag 18 DROGENKURIER Neben den 11 Namen ziert eine Inschrift den Stein Mit weißen Rosen, Namensschildern und Kerzen wurde Foto: Merkurist der Verstorbenen gedacht Foto: Merkurist Mitarbeiter aus der Mainzer Drogenhilfe verlasen die Namen von Verstorbenen MAIN Z würden, liege auch der kleine Platz mit- ten in Mainz, aber fast völlig unbekannt. Gedenkstein am „Es ist wichtig, dass man mal ein Zeichen Mainzer Café Balance setzt“, betonte Merkator. Den Toten Wür- de zu geben, darauf zielt auch die kup- erinnert an verstorbene ferfarbene Inschrift auf dem L-förmigen Drogenabhängige Schieferblock. Es ist eine Stelle aus dem Gedicht „Uninteressante Menschen gibt es Am Ende sind es elf Namensschilder, die nicht“ von dem russischen Schriftsteller bei dem neuen Gedenkstein liegen. Ni- Jewgeni Alexandrowitsch Jewtuschenko. cole starb im Januar 2016, Melanie im „Nicht Menschen sterben; Welten hören Juli 2015, dazu Wilhelm, Pedro, Hubert auf“, heißt es da. „Es sind kleine Welten, große Pläne, Hoffnungen und Partner- Internationaler Gedenktag – und sechs weitere Namen. Die Schilder stehen für Klienten des Café Balance, die schaften, die da sterben“, formulierte es in den vergangenen zwölf Monaten ge- Merkator. Gedenkstätte storben sind. An sie – und an viele ande- Viele Verstorbene werden anonym für Drogentote re – soll nun der Gedenkstein auf einem kleinen Rondell oberhalb der Suchtbera- beerdigt Die Stadt Mainz hat heute einen An- tungsstelle in der Parkanlage am Römer- Bärmann bedauerte die verbreitete gesell- dachtsort für verstorbene Drogenkosu- wall erinnern. schaftliche Praxis, Drogenkranke auszu- menten am Römerwall eröffnet. Da Sucht- Mit dem Gedenkort ist es laut Claus grenzen. „An Drogenkonsum kann man kranke noch immer stigmatisiert würden, Bärmann vom Café Balance der städti- sterben“, so Bärmann. Aber es könne auch sei dieser Schritt längst überfällig. schen Abteilung Suchthilfen gelungen, damit gelebt werden. Die Gesellschaft Anlässlich des 19. „Internationalen Ge- eine Stelle zu finden, wo würdevoll und entscheide mit ihrem Verhalten gegen- denktags für verstorbene Drogengebrau- öffentlich an verstorbene Suchtkranke er- über Suchtkranken, ob diese Leben bes- cher“ hat die Abteilung Suchthilfen der innert werden kann. Und dass der Stein ser oder schlechter seien. Oft genug sind Stadt Mainz am Donnerstag eine Gedenk- gerade am 21. Juli der Öffentlichkeit über- sie schlechter, und das reiche noch in den stätte am Römerwall eröffnet. Ein Gedenk- geben wird, ist kein Zufall. Denn seit 1998 Tod hinein. Viele Verstorbene würden ano- stein und eine Tafel erinnern von nun an ist dies der „Gedenktag für verstorbene nym beerdigt, und Freunde aus der Szene in der Parkanlage „Am Römerwall“ unweit Drogengebraucher“. In diesem Jahr wird seien bei Beerdigungen selten erwünscht. des Drogenhilfezentrums Café Balance an er erstmals als internationaler Gedenktag Der Gedenkstein, den der Steinmetz An- verstorbene Mainzer Drogenkonsumen- begangen. dreas Schmitz gegen eine Aufwandsent- ten. Nicht nur das Datum ist, so Sozialde- schädigung hergestellt hat, soll da einen Sozialdezernent Kurt Merkator (SPD) zernent Kurt Merkator (SPD), mit Bedacht Kontrapunkt setzen. richtete zur Einweihung einige Worte an gewählt. Auch dem Ort könne eine symbo- die anwesenden Mitarbeiter aus der Main- Allgemeine Zeitung, 22.07.2016, lische Bedeutung zugeschrieben werden. Heiko Beckert zer Drogenhilfe, Angehörige von Verstor- Denn so wie Drogenkranke mitten in der benen und suchtkranke Klienten: „Es ist Stadt lebten, aber kaum wahrgenommen wichtig, dass wir mit diesem Gedenkort
DROGENKURIER 19 gedenktag Den Toten Würde zu geben, darauf zielt die kupferfarbene Inschrift auf dem L-förmigen Schieferblock: „Nicht Menschen sterben; Welten hören auf“ Aus dem Gedicht „Uninteressante Menschen gibt es nicht“ vom russischen Schriftsteller Jewgeni Alexandrowitsch Jewtuschenko. ein Zeichen setzen, denn Drogenabhän- gige werden noch immer häufig stigmati- siert.“ Mainz habe nun endlich einen Ort, an dem man an diese Menschen erinnern könne. Auch Claus Bärmann, Mitarbeiter BO CH UM des Café Balance, freute sich über die Ge- Drogenabhängige Silvia Wilske, fachliche Leiterin der Kri- gründen Netzwerk denkstätte: Da suchtkranke Menschen oft senhilfe, kann dem nur zustimmen. „Uns in der Anonymität lebten, würden diese sind im Rahmen der Haushaltssicherung auch nach dem Tod häufig vergessen und in Bochum vor einigen Jahren rund 100 000 Euro vom ohne Namen beerdigt. „Es ist mir ein Be- Jahresetat gestrichen worden. Das spüren dürfnis, dass Angehörige unserer Klien- 15 Kerzen leuchten vor einer Liste mit wir bis heute.“ Dabei seien die Angebote ten endlich einen würdigen Ort zum Ge- Vornamen. Es sind die Namen von Män- der Krisenhilfe oft lebenswichtig. Sabine denken haben.“ nern und Frauen, die in den letzten zwölf Oldani etwa weiß, dass sowohl der Drogen- Allein in Rheinland-Pfalz sind im ver- Monaten an den Folgen ihrer Drogensucht konsumraum als auch das Café etwa in der gangenen Jahr 48 Menschen an den Fol- gestorben sind. Die evangelische Pastorin Nachbarstadt Dortmund wesentlich länger gen ihres Drogenkonsums gestorben. Heike Lengenfeld-Brown leitet wie schon geöffnet haben. In Bochum sind die Zeiten Bundesweit waren es laut einer Polizei- oft in der Vergangenheit die Gedenkstun- von 9 bis 11.30 Uhr begrenzt. Kommt es Statistik insgesamt 1226 Menschen, die in de im Café der Krisenhilfe. Es ist der 21. etwa im Drogenkonsumraum zu lebensbe- Folge einer Überdosierung oder durch be- Juli, der Tag, an dem seit bald 20 Jahren drohlichen Krisen, ist Hilfe direkt vor Ort. gleitende Erkrankungen verstorben sind. weltweit der Drogentoten gedacht wird. Für die, für die jede Hilfe zu spät kam, Vor diesem Hintergrund wies Bärmann auf Erinnerung an Menschen, die viele lieber versammelten sich am Donnerstag rund die Dringlichkeit von Hilfsangeboten für nicht wahrnehmen wollen. 20 Menschen bei der Krisenhilfe, darun- Drogenkonsumenten hin. Es ist eine besondere Gedenkveranstal- ter auch Angehörige. Die 15 Namen stehen Im Café Balance bekommen Drogenab- tung, denn zum ersten Mal in all den Jah- für 15 Lebensgeschichten. Pfarrerin Len- hängige unter anderem Hilfe bei der Woh- ren haben sich Betroffene selbst an der genfeld-Brown legte Wert auf die Bedeu- nungssuche, werden bei ihrem Umgang Vorbereitung beteiligt. Sie haben nun tung von Erinnerung, auf Gemeinschaft. mit der Sucht beraten und erhalten bei auch in Bochum das Selbsthilfenetzwerk Der Song „You’ll never walk alone“ wur- Bedarf eine Notunterkunft. In den vergan- JES (Junkies, Ehemalige, Substituierte) de zitiert. genen drei Jahren sind laut Bärmann 18 gegründet. Noch sind es wenige Aktive. Konsumenten gestorben, die regelmäßig Aber sie wollen Stimme sein für die ge- Zettel mit kurzen Botschaften Hilfe im Café Balance und anderen Bera- schätzt rund 1000 Drogenabhängigen al- Danach schrieben die Hinterbliebenen tungs-Einrichtungen wie der BRÜCKE in lein in dieser Stadt. und Freunde kurze Kommentare auf Zettel der Münsterstraße in Anspruch genom- Die Bochumerin Sabine Oldani, selbst wie „Trauer, Wut und unnötiger Tod“, „Ich men haben. Bei der Einweihung der Ge- Teilnehmerin am Substitutionsprogramm hoffe, dort wo Du jetzt bist, geht es Dir denkstätte wurden die Vornamen dieser mit Methadon, das Süchtigen ein normales besser. Du warst ein sehr lieber Mensch“ und anderer Verstorbener verlesen und Leben ermöglicht, hat mit anderen die Bo- oder einfach nur „Du fehlst!“. An mit He- weiße Rosen ausgelegt. Dazu wurde der chumer Gruppe gegründet. „Wir möchten lium gefüllte Luftballons gebunden, wur- Dichter Jewgeni Jewtuschenko zitiert: ganz legal Heroin bekommen. Außerdem den die Zettel vom Konrad-Adenauer-Platz „Nicht Menschen sterben; Welten hören muss die Krisenhilfe mehr Sozialarbeiter in den Himmel geschickt. Dutzende bun- auf.“ Der Vers ist auch auf dem Gedenk- erhalten, die wir als Ansprechpar tner so te Ballons stiegen auf. Einige Leute hat- stein zu lesen. dringend benötigen“, sagt sie. ten dabei Tränen in den Augen. 21.07.2016, Daniel Gläßer, WAZ.de, 22.07.2016, Autor von Merkurist.de Michael Weeke
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