DROGENKURIER - BV-Info - magazin des jes-bundesverbands - JES Bundesverband

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DROGENKURIERmagazin des jes-bundesverbands
 nr. 107
Sep. 2016

                                    BV-Info
                                    Bundesverband der
                                    Eltern und Angehörigen
                                    für akzeptierende Drogenarbeit
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gedenktag             2   DROGENKURIER

 Ed ito ria l
                                                                                                   Unser Vorhaben den Gedenktag auch
                                                                                                über die Grenzen unseres Landes hinaus
                                                                                                bekannt zu machen und Länder dazu zu
                                                                                                bewegen, ihre Gedenktage nun ebenfalls
Der „Internationale                              können, nicht zur Diskussion. Im Rahmen        am 21. Juli stattfinden zu lassen, findet im-
Gedenktag für verstor-                           des Gedenktages galt es daher deutlich zu      mer mehr Unterstützer.
bene Drogengebraucher“                           machen, dass z. B. die Einführung von bun-        Wir haben Kenntnis, dass in 28 Städ-
                                                 desweiten Naloxonprogrammen und die            ten und 8 Ländern der EU Veranstaltun-
am 21. Juli 2016 trug das                        Vergabe des Medikaments an medizini-           gen am 21.07. stattfanden. Darüber hinaus
Motto „Zahl der Drogen-                          sche Laien, zwangsläufig erfolgen müssen.      beteiligten sich 5 Städte in Australien so-
toten weiter gestiegen.                              Sowohl internationale Daten als auch       wie 2 Städte in Canada. Wir haben zudem
                                                 Erhebungen der Deutschen AIDS-Hil-             Kenntnis von weiteren Veranstaltungen
Jetzt handeln!“                                  fe machen deutlich, dass in Drogenkon-         in Osteuropa und Asien. Hierzu lagen uns
Die Veranstalter wiesen mit dem Mot-
                                                 sumräumen im Fall einer Überdosis, durch       bis zum Redaktionsschluss allerdings kei-
to unmissverständlich auf den erneuten
                                                 schnelles Eingreifen der Mitarbeiter_in-       ne Texte oder Bilder vor.
                                                 nen, hundertfach das Leben von Dro-
dramatischen Anstieg von Drogen ge-                                                             Der Gedenktag in 100 Städten –
                                                 genkonsument_innen gerettet werden
brauchenden Frauen und Männern hin,                                                             ein großer Erfolg
                                                 konnte. Leider sind Drogenkonsumräume
die im Jahr 2015 verstarben. Nach An-                                                           Wir möchten uns an dieser Stelle noch
                                                 aktuell nur in 6 Bundesländern verfügbar.
gaben der Bundesdrogenbeauftragten                                                              einmal herzlich für die Teilnahme eurer
                                                 Daher war es folgerichtig, dass von vielen
Marlene Mortler, verstarben im Jahr 2015                                                        Einrichtung am 21.07. bedanken. Die Ge-
                                                 Veranstaltungen die Forderung ausging,
1.228 Menschen. Dies bedeutet eine Stei-                                                        samtschau der Veranstaltungen zeigt
                                                 Frau Mortler solle sich bei ihren Länder-
gerung von 18,8% gegenüber dem Jahr                                                             eine große Vielfalt und es wird deutlich,
                                                 kolleg_innen z. B. in Bremen, Thüringen
2014 (1.032).                                                                                   dass viel Engagement und Liebe von Dro-
                                                 und Bayern für die Schaffung der not-
    Der erneute Anstieg von verstorbe-                                                          gen gebrauchenden Menschen, Angehö-
                                                 wendigen rechtlichen Rahmenbedingun-
nen Drogengebraucher_innen veranlass-                                                           rigen und Mitarbeiter_innen investiert
                                                 gen einsetzen.
te die Drogenbeauftragte nicht ihre Poli-                                                       wurde. Auf diese Weise fanden Trauer,
                                                     Unsere Nachbarländer zeigen, dass das
tik zu überdenken. So steht die Einführung                                                      Gedenken, Protest, Messen, Demos und
                                                 von der Drogenbeauftragten tabuisierte
von Maßnahmen, die nachweislich zur Re-                                                         Aktionen unter dem Dach des Gedenkta-
                                                 Thema „Drugchecking“, seit vielen Jahren
duktion von Drogentodesfällen beitragen                                                         ges ihren Platz. Dieses Engagement in an-
                                                 in präventiver als auch in schadensmin-
                                                 dernder Hinsicht, große Potentiale auf-        nähernd 100 Städten im In- und Ausland
                                                 weist. Die Veranstalter des Gedenktags         ist ein starkes Signal an diejenigen, die im
                                                                                                Bund, Land und den Kommunen Verant-
 Impressum                                       fordern Frau Mortler auf, ein entsprechen-
                                                 des Bundesmodellprojekt umzusetzen.            wortung für die Drogenpolitik tragen.
 Nr. 107, September 2016                             Unser besonderer Dank geht an den              Wir sind sicher, dass auch Frau Mort-
 Herausgeber des DROGENKURI ER:                  Richter und Autor Andreas Müller, der die      ler und ihr Arbeitsstab diese Signale zur
                                                 Schirmherrschaft für den Gedenktag 2016        Kenntnis nehmen werden. Es bleibt zu
 JES*-Bundesverband                              übernommen hat. Er ist ein Beispiel da-        hoffen, dass die Drogenbeauftragte der
 Wilhelmstr. 138, 10963 Berlin                   für, dass sich heute nicht mehr nur einige     Bundesregierung die richtigen Schlüsse
 Tel.: 030/69 00 87-56,                          „unverbesserliche“ für die Legalisierung       zieht und die so dringend erforderlichen
 Fax: 030/69 00 87-42                            von Cannabis einsetzen. Heute zählen            Kurskorrekturen vollzieht.
 vorstand@jes-bundesverband.de                   Ärzte, Wissenschaftler, Strafrechtler, Po-         Es wird allerhöchste Zeit, denn bereits
 www.jes-bundesverband.de                        lizisten, Polizeipräsidenten, Richter, Phar-    jetzt erreichen uns aus Städten neue „Re-
                                                 mazeuten, Theologen und Politiker aller         kordzahlen“ von drogenbedingten Todes-
 Bundesverband der Eltern und
                                                 demokratischen Parteien zu den Unter-           fällen. Ein „weiter so“ darf es nicht geben.
 Angehörigen für akzeptierende
                                                 stützern einer grundlegenden Neuorien-          Jeder muss über seinen Schatten springen
 Drogenarbeit e. V.
                                                 tierung der nat. und int. Drogenpolitik.        und für das dringend Notwendige eige-
 Redaktion: Dirk Schäffer (V.i.S.d.P.),                                                          ne drogenpolitische Ansichten und Hal-
 Jürgen Heimchen, JES-Bundesvorstand             Rekordteilnahme im Jahr 2016                    tungen hinten anstellen. Es geht schlicht
 Titelbild: Projekt Lüsa/DAWO                    Zu unserer großen Freude ist der Interna-       darum alles zu tun, um das Leben vie-
 Satz und Layout: Carmen Janiesch                tionale Gedenktag für verstorbene Dro-          ler zehntausend Drogen gebrauchender
 Druck: Das Druckteam                            gengebraucher _innen zu einem festen            Menschen zu schützen.
 Gustav-Holzmann-Str. 6, 10317 Berlin            Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit vie-          Abschließend eine Anmerkung in ei-
                                                 ler Einrichtungen in Deutschland und im         gener Sache. Der Umfang dieser Aus-
 Auflage: 4.200 Exemplare                        Ausland geworden. Keine Spur von hin             gabe macht die Vielzahl der von uns re-
                                                 und wieder befürchteten Abnutzungs-              cherchierten und von euch eingesandten
 Der DROGENKURI ER wird                                                                           Texte und Bilder deutlich. Wir bitten um
 unterstützt durch:                              effekten. In diesem Jahr fanden nach
                                                 unseren Recherchen in 58 Städten Ver-            euer Verständnis, dass wir die Texte teil-
 Deutsche AIDS-Hilfe e.V., GL Pharma,                                                             weise kürzen mussten und nur eine klei-
 INDIVIOR, Mundipharma, Sanofi Aventis           anstaltungen und Aktionen statt. Die An-
                                                 zahl der beteiligten Organisationen liegt        ne Auswahl der Fotos drucken konnten.
 *Junkies, Ehemalige, Substituierte              schätzungsweise bei 180.                                                    Die Veranstalter
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DROGENKURIER              3    gedenktag

Gedenken und Protest in Hamburg

                                                                                                                                          Foto: Quelle Mandy Dombeck-Herrmann
                                                                                              „Die Brücke“ gedachte verstorbenen
                                                                                              Drogengebrauchern

 HAM BUR G
Gedenktag in Hamburg                         Drogengebraucher_innen und der prohi-
                                             bitiven Drogenpolitik informiert. Außer-          Der 21.07. in
Am 21. Juli 2016 wurde auch in Hamburg
                                             dem wurde für eine Verbesserung der Le-
                                             benssituation und der gesellschaftlichen
                                                                                               „Die Brücke“
den Menschen gedacht, die im vergange-
                                             Integration abhängiger Personen gewor-           Das Beratungs- und Therapiezentrum „Die
nen Jahr an den Folgen ihres Drogenkon-
                                             ben.                                             Brücke e.V.“ nutzte zudem eine Veranstal-
sums verstorben sind. Zum dritten Mal in
                                                Weiße Rosen wurden an die Passanten           tung der PSB und Suchtberatung um am
Folge stieg im Jahr 2015 die Zahl der Dro-
                                             verteilt, um auf die Aktion aufmerksam           20.07. mit einer kleinen Aktion verstor-
gentoten an. Insgesamt starben im ver-
                                             zu machen. Viele nahmen sich die Zeit,           benen Drogengebrauchern zu gedenken.
gangenen Jahr in Hamburg 59 Menschen.
                                             die Info-Materialien näher anzusehen und         Zudem wurde auf die Mahnwache am Mu-
   In Hamburg fand auf dem Vorplatz des
                                             sich in einem persönlichen Gespräch mit          seum für Kunst und Gewerbe am 21.07.
Museums für Kunst und Gewerbe eine
                                             der Problematik auseinanderzusetzen.             hingewiesen.
Mahnwache und eine Protestveranstal-
                                             Die Veranstaltung wurde von ragazza e.V.
tung unter dem Motto „Zahl der verstor-
                                             und freiraum hamburg e.V. organisiert.
benen Drogengebraucher gestiegen – Le-
                                             Außerdem nahmen weitere Mitglieder
galisierung Jetzt!!!“ statt. Um diesen
                                             des Fachausschusses Drogen der Hambur-
Menschen ein Gesicht zu geben, wurden
                                             ger Landesstelle für Suchtfragen mit ihren
Gedenkkarten mit Namen und Daten der
                                             Klient_innen teil.
Verstorbenen angefertigt und ausgestellt.
Angehörige, Partner_innen, Freund_in-                       Ein Bericht von Ruth Geyer
nen und engagierten Mitbürger_innen
hatten vor Ort die Möglichkeit, weitere
Gedenkkarten hinzuzufügen und so ihrer
Verstorbenen zu gedenken. An einem In-
fotisch wurde über die Zusammenhänge
der steigenden Zahl von Todesfällen unter
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gedenktag           4   DROGENKURIER

Ballons als Symbol von Trauer und Hoffnung                                                      Großes Interesse am 21.07. in Leutkirch

 LEU TKIR CH
Gedenken an                                       •	warum haben sie überhaupt zu Drogen        den Tätern nicht bloß Fälle zu sehen, son-
verstorbene Drogen­                                  gegriffen?                                 dern Individuen, die auch individuell an-
                                                                                                gesprochen werden müssen.“
gebraucher in Leutkirch
                                                  •	warum haben wir nicht gemerkt, dass
                                                     der Sohn oder die Tochter so abdriftet?        Die von vielen geforderte Legalisie-
„19 Prozent mehr Tote durch                       •	warum konnten sie Hilfsangebote nicht      rung wird aufgrund der Polarisierung völ-
harte Drogen.“                                       annehmen?                                  lig falsch verstanden. Es geht dabei nicht
                                                  •	warum mussten sie so früh sterben?         um frei verkäuflichen Stoff jeder Art an
So stand es am 29. April in dicken, fetten        warum, warum, warum…. Auf diese Fra-          jeder Ecke. Es geht um einen regulierten
Lettern in unserer Schwäbischen Zeitung.          gen bekommen wir keine Antwort.               Umgang mit derzeit illegalen Substanzen.
Dass mehr Menschen die illegale Drogen                                                          Nicht um es Drogenkonsumenten leichter
konsumierten verstarben als im Vorjahr             Jeder Drogentote ist einer zu viel!          zu machen ihre Drogen zu erhalten, son-
wird zwar registriert. Welch persönlichen                                                       dern zu ihrem Schutz. Dass sie keinen
                                                   Was können wir ändern?                       gestreckten, verunreinigten Stoff neh-
Schicksale sich dahinter verbergen, das
wissen die meisten Menschen nicht, oder            Wir können auf Missstände aufmerksam         men, dessen Zusammensetzung nicht ab-
sie wollen es auch gar nicht wissen.               machen. Drogensucht ist eine Krankheit.      schätzbar ist und der schon häufig zum
                                                   Das wird noch lange nicht überall so ge-     Tod geführt hat. Ein Tod der uns so sinn-
Ein Blick auf Zahlen und Fakten                    sehen. Selbst Presseberichte haben häu-      los erscheint. Den es zu verhindern gilt,
Bundesweit sind, laut Meldungen 1.126              fig einen negativen Unterton. Wie es ist     wo immer wir die Möglichkeit dazu sehen.
Menschen gestorben. In Baden Württem-              einen Suchtkranken in der Familie zu ha-
berg waren es 142, davon 13 im Zustän-            ben, das können nur Betroffene verste-         Im bundesweit erhältlichen Flyer steht:
digkeitsbereich der Polizeidirektion Kon-         hen. Sie fühlen sich stigmatisiert und
                                                                                                     Der entscheidende Hebel zur
stanz. Im Landkreis Ravensburg sind 4             diskriminier t. Wertschätzung erfahren
                                                  Suchtkranke kaum. Sie werden als min-             Beseitigung des Drogenelends
Personen an den Folgen ihrer Suchter-                                                              scheint uns jedoch eine grund-
krankung gestorben. Manche durch Su-              derwertig angesehen, als Kriminelle. Was
                                                  hat denn die ganze Strafverfolgung von         sätzliche Überprüfung des gelten-
izid, andere durch eine Überdosis oder
                                                  Drogendelikten gebracht? Die Gefängnisse         den Betäubungsmittelgesetzes.
durch Folgeschäden.
                                                  sind voll von Drogenkonsumenten, die um
                                                                                                 Wir stimmen zu und betonen: Hier ist die
Der 21.07. hier in Leutkirch                      an ihren Stoff zu kommen auf irgendeine
                                                  Weise straffällig geworden sind. Straffäl-     Politik in der Pflicht!
Wir veranstalten den 21.07. hier in Leut-
kirch um den vielen, oft sehr jungen Men-         lig aufgrund ihrer Suchterkrankung. Hier
                                                  muss die Gesellschaft umdenken.                Defizite in der Substitutions­
schen zu gedenken, die es nicht geschafft                                                        behandlung
haben aus dem Teufelskreis Sucht auszu-
                                                  Jugendrichter Andreas Müller der               Es fehlen überall Ärzte, die bereit sind
brechen. Sie alle sind viel zu früh gestor-
                                                  Schirmherr 2016                                diese Therapie durchzuführen. Solange es
ben. Sie hinterlassen eine große Lücke in                                                        hier keine bessere rechtliche Absicherung
ihren Familien, bei ihren Freunden. Sie           Schirmherr der diesjährigen Aktion ist Ju-
                                                  gendrichter und Autor Andreas Müller aus       gibt, wird sich das nicht bessern. Es fehlt
fehlen! Sie werden so schmerzlich ver-                                                           z. B. das Mitspracherecht der Patienten.
misst und man fragt sich                          Berlin. Er gilt als Deutschlands härtester
                                                  Jugendrichter. Sogar er plädiert dafür: „in
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DROGENKURIER         5   gedenktag

                                              Aktion auf dem Paradeplatz

                                              Kein Drogentod in Mannheim                      Der 21. Juli im Kontaktladen kompass

 Niederschwellige Hilfsangebote wie
 Kontaktläden sind unverzichtbar!
 In vielen Städten gibt es sie. Ulm hat vor
 Jahren den Kontaktladen geschlossen. Vor
 wenigen Tagen wurde ein neuer eröffnet.
 Dort hat man erkannt, wie wichtig die-
 se Anlaufstelle für Drogenkonsumenten
 ist. In Ravensburg steht der Kontaktla-
den ebenfalls vor dem Aus. Wir hoffen in-

                                                Ma nn he im
ständig, dass sich eine Möglichkeit findet,
diese Einrichtung weiter zu finanzieren.
Wir appellieren an die Stadt, den Land-
kreis, die kirchlichen Institutionen und
weitere Träger.                               Gedenktag für                                      Auch Drogengebraucher_innen haben
    Dieser Tage sind die Schicksale von       verstorbene Drogen­                             Träume, Wünsche für die Zukunft und Zie-
                                                                                              le für ihr Leben. Leider war es vielen von
Flüchtlingen in aller Munde. Manches
haben unsere suchtkranken Kinder mit          gebraucher_innen                                ihnen nicht mehr möglich, diese zu erle-
Flüchtlingen gemeinsam. Auch sie sind         in Mannheim                                     ben oder zu erreichen. Wir luden die Besu-
irgendwie auf der Flucht. Sie benötigen                                                       cher_innen unseres Standes ein, über die
Hilfe und keine Zurückweisung. Nicht al-      Auch in Jahr 2016 beteiligte sich der           Frage „Wenn ich morgen sterben müsste,
les lässt sich in Euro und Cent darstellen    Drogenverein Mannheim am bundeswei-             würde ich gerne noch...?“ nachzudenken.
Menschlichkeit lohnt immer.                   ten „Gedenktag für verstorbene Drogen-
                                              gebraucher_innen“ Der 21. Juli stand un-        Sechs Drogentote In Mannheim im
                                              ter dem Motto „Drogentod ist vermeidbar         Jahr 2015
 Ein menschlicher Umgang mit
                                              – auch in Mannheim!"                            In Mannheim waren im Jahr 2015 sechs
Drogenabhängigen rettet Leben!
                                                                                              Drogentote zu verzeichnen. Man kann von
                                              Aktion am Paradeplatz                           einer weitaus höheren Dunkelziffer ausge-
„Wo Leben ist, da ist Hoffnung –              Im Rahmen der Aktion am Paradeplatz,            hen. Im Kontaktladen „Kompass“ wurde
und unser erstes Ziel in der Dro-             die gemeinsam mit KOSI.MA (Kompetenz-           ein Gedenkgottesdienst veranstaltet. Mit
genpolitik sollte darin bestehen,             zentrum für sexuell übertragbare Infek-         schwarzen Luftballons, beschriftet mit
                                              tionen Mannheim) durchgeführt wurde,            den Namen der Verstorbenen, gedachten
  diese Hoffnung am Leben zu                  stand der Dialog mit den Bürgern im Mit-        wir diesen verstorbenen Drogengebrau-
erhalten, indem wir die Abhän-                telpunkt. Wir wollen verdeutlichen unter        cher_innen und machten ihr Leid sicht-
                                              welchen meist sehr unwürdigen Bedin-            bar.
    gigen am Leben halten!“
                                              gungen Drogengebraucher_innen leben;
       Heather Brook, Australien              und Bürger sensibilisieren, dass das The-
                                              ma Drogentod leider immer noch präsent
                               Beate Stör
                                              ist.
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gedenktag                   6   DROGENKURIER

153 Ballons für 153 verstorbene Drogengebraucher am Oranienplatz

 BERLIN
Substituierte im Fokus                                                                                Gedenken am Stutti

Unter dem Titel „Menschenwürde in der
Substitution“ fand der Gedenktag für                     Gedenken im SKA
verstorbene Drogengebraucher_innen
in Berlin statt. Fast jeden 2. Tag stirbt                Die Kreuzberger Kontaktstelle SKA nahm
ein_e Drogengebraucher_in in Berlin,                     den 21. Juli 2016 zum Anlass, um gemein-
153 Menschen waren es im vergangenen                     sam mit den Besucher_innen ein besonde-
Jahr. Unter den Verstorbenen waren auch                  res Denkmal zu setzen. An einem Baum,
Menschen, die substituiert wurden. Wir                   welcher auf eine Leinwand gezeichnet
nahmen dies zum Anlass, um einen Blick                   wurde, hinterließen Besucher_innen
auf die Lebenssituationen von substitu-                  und Mitarbeiter_innen Fingerabdrücke
ierten Drogengebraucher_innen in unse-                   in Form von Blättern für die Verstorbe-
rer Stadt zu werfen.                                     nen, denen sie gedenken wollten. Dabei
                                                         bot sich für viele Besucher_innen die Ge-
                                                         legenheit, über ihre tragischen Verluste
                                                         sowie die ständige Konfrontation mit dem
                                                         Drogentod zu sprechen.

                                                         Gedenken „am Leo“
   Wie erleben substituierte Patient_in-                 Am 21. Juli fand zudem eine stimmungs-       Gedenken „am Stutti“
nen ihre medizinische Versorgung? Wel-                   volle Aktion zum Gedenken an verstorbe-
che Ängste und Nöte bestehen? Wie wird                                                                Das Charlottenburger Fixpunkt-Team hat
                                                         ne Drogengebraucher auf dem Leopold-
mit ihnen umgegangen? Welche Erfahrun-                                                                am 21. Juli, eine Girlande mit weißen
                                                         platz statt. Ein Gedicht wurde vorgetragen
gen haben sie gemacht? Wie kann Unter-                                                                Wimpeln am Baum direkt vor dem Prä-
                                                         und alle Anwesenden hatten die Möglich-
stützung aussehen?                                                                                    ventionsmobil am Stuttgarter Platz ange-
                                                         keit, ihre Wünsche auf bunte Zettel zu
   Kurze Vorträge zum Thema und Inter-                                                                bracht. Besucher_innen konnten Namen
                                                         schreiben, die anschließend in die Ga-
viewausschnitte mit Drogengebraucher_                                                                 Verstorbener auf die weißen Wimpel sch-
                                                         bionen-Mauer gesteckt werden konnten.
innen gaben einen Eindruck von der                                                                    reiben. Um den Baum herum wurden rote
                                                         Es wurden interessante Gespräche ge-
Wahrnehmung der Substitution bei User_                                                                Grablichter aufgestellt. Außerdem wur-
                                                         führt, in denen neben den persönlichen
innen. Abschließend wurde mit 153 Luft-                                                               den das offizielle Poster und ein Zettel
                                                         Erfahrungen auch die aktuelle politische
ballons den Verstorbenen gedacht und                                                                  auf Russisch an den Baum geklebt. Unter
                                                         Situation thematisiert wurde. So wurden
Musik gespielt.                                                                                       anderem wurde die Aktion auch von ei-
                                                         Überlegungen angestellt, wie der interna-
                                                                                                      ner Gruppe lettischer Drogengebraucher
                                                         tionale Tag für verstorbene Drogengebrau-
         Text und Fotos: Berliner Aids-Hilfe                                                          wahrgenommen. Das Poster und die Gir-
                                                         cher zukünftig gestaltet werden könnte
                                                                                                      lande befinden sich noch immer am Baum
                                                         und auch, warum es oft schwer fällt sich
                                                         zu erinnern...                                        Texte und Foto: Team-Fixpunkt e.V.
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DROGENKURIER   7   gedenktag
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gedenktag                  8   DROGENKURIER

Ballonaktion vor der Leonhardskirche                                                                    Die Peiner JES-Gruppe mit ihrem Spritzenautomaten

                                                                                                         Pein e
                                                                                                        Der Weg des Lebens
Rede von Roland Baur             Ballonarrangement in der Leonhardskirche

                                                                                                        in Peine
                                                                                                        Wir hatten wieder einen interessanten und
                                                                                                        ereignisreichen Gedenktag am 21.07. Der
                                                                                                        dargestellte „Weg des Lebens“, in der Fuß-
                                                                                                        gängerzone, zog die Blicke und das Inte-
                                                                                                        resse vieler Passanten an. Aufgrund der
                                                                                                        zahlreichen Nachfragen zum „Weg des Le-
                                                                                                        bens“ ergaben sich Möglichkeiten zu vie-
                                                                                                        len interessanten, umfangreichen und
                                                                                                        tiefgründigen Gesprächen. Wir nutzten
                                                                                                        die Chance um Bürger_innen genau zu
                                                                                                        erklären, was die einzelnen Objekte sym-

 S T U TTGART                                            die Einrichtung eines Konsumraums in
                                                                                                        bolisieren bzw. welche Forderungen da-
                                                                                                        hinterstehen. Darüber hinaus konnten wir
                                                                                                        unseren Spritzenautomaten vorstellen,
Gedenken an                                              Stuttgart. Denn ein solcher Raum würde
                                                                                                        der anders wie im Pressebericht erwähnt
                                                                                                        KEINEN eigenen Namen hat, sondern zu
Drogentote                                               Betroffenen die Möglichkeit geben, ohne
                                                         verunreinigte Spritzen und unter Aufsicht
                                                                                                        unserem Projekt „Safer-Use“ gehört. Auch
Auf dem Karlsplatz fordert ein                                                                          waren immer wieder erstaunte Gesichter
                                                         zu konsumieren.“ In Nordrhein-Westfalen
Bündnis mehr Unterstützung                                                                              zu sehen, wenn es um die Zahl der Ver-
                                                         sei durch die Einrichtung solcher Räume
für Süchtige                                                                                            storbenen ging, und das nicht nur bei
                                                         die Zahl der Drogentoten im letzten Jahr
                                                                                                        den „Peinern“. Also wir denken das wir
                                                         deutlich zurückgegangen, so Baur. „In
„Leben akzeptieren – Sterben verhindern“                                                                durch unseren Aktionstag wieder eini-
                                                         der Drogensuchttherapie ist man längst
– unter diesem Motto fand am Donners-                                                                   ge zum Nachdenken angeregt haben, das
                                                         vom Prinzip der totalen Abstinenz abge-
tag auf dem Karlsplatz ein Gedenktag für                                                                Drogengebraucher_innen ganz normale
                                                         rückt“, bestätigte Franziska Borkel, die
verstorbene Drogenabhängige in Stuttgart                                                                Menschen sind, die trotz ihres Drogenge-
                                                         Geschäftsführerin der AIDS-Hilfe Baden-
statt, den das gleichnamige Aktionsbünd-                                                                brauchs ein Anrecht auf ein menschen-
                                                         Württemberg. Auch müsse die Politik da-
nis organisierte. Das Bündnis besteht aus                                                               würdiges Leben haben.
                                                         rüber nachdenken, den Erwerb von harten
dem Stuttgarter Caritasverband, der AIDS-                Drogen staatlich kontrolliert zu ermögli-                       Stefan Ritschel (JES Peine)
Hilfe und dem Verband „JES für Junkies,                  chen, forderte der JES-Vorsitzende. Nur so
Ehemalige und Substituierte“. Oberbür-                   könne die Beschaffungskriminalität ein-
germeister Fritz Kuhn war Schirmherr der                 gedämmt werden. Im Anschluss an seine
Veranstaltung.                                           Ansprache folgte ein stilles Gedenken an
   Mit dem Motto ist gemeint, das Leben                  Verstorbene in der Leonhardskirche.
mit Drogen von Abhängigen zu akzeptie-
ren und deren Situation durch Hilfsange-                             Stuttgarter Zeitung, 22.07.2016,
bote zu verbessern, sagte JES-Bundesvor-                                             Benita Stalmann
stand Roland Baur. „Wir fordern konkret
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                                         ESS EN
Der Weg des Lebens
                                       AIDS-Hilfe und Sucht-                          Ballons als Symbol der Trauer und Hoffnung

                                       hilfe direkt gedachten                         Andacht in der Selbsthilfe „direkt“
                                       verstorbenen Drogen-
                                       gebrauchern
                                       Ballons als Symbol der Trauer
                                       und Hoffnung

                                        Die AIDS-Hilfe Essen e.V. informierte
Ein weiterer Teil vom Weg des Lebens    Bürgerinnen und Bürger am 21.07.2016
                                        mit einem Infostand in der Essener In-
                                        nenstadt Danach veranstaltete die AHE
                                        für alle Drogengebraucher_innen, Ange-
                                        hörige und Freunde, sowie für Mitarbei-
                                       ter_innen des Essener Drogenhilfesystem
                                       eine gemeinsame Veranstaltung in des-
                                       sen Fokus das Gedenken sowie die stei-
                                       gende Tendenz der in Essen verstorbenen
                                                                                      Andacht in der Suchthilfe direkt
                                       Drogengebraucher_innen (11 Drogentote
                                       im Jahr 2015, Tendenz steigend) stand.         Am 21. Juli 2016 fand auch in der Sucht-
                                       Schwarze Luftballons stiegen als Zeichen       hilfe direkt Essen eine Gedenkveranstal-
                                       der Trauer auf, während bunte Luftbal-         tung anlässlich des Internationalen Tags
                                       lons die Hoffnung auf Veränderung sym-         der Drogentoten statt. Die Andacht wur-
                                       bolisierten.                                   de von Herrn Diakon Winfried Rottenecker
                                             Textgrundlage und Foto: A. Wenner        gehalten. Anschließend wurden die Na-
                                                                                      men der Verstorbenen verlesen. Freunde
                                                                                      und Angehörige hatten die Möglichkeit
                                                                                      eine weiße Rose niederzulegen und eine
                                                                                      Kerze in Gedenken anzuzünden. Die Ver-
                                                                                      anstaltung wurde von vielen Drogenkon-
                                                                                      sumenten in Anspruch genommen. Für sie
                                                                                      ist es meist die einzige Gelegenheit sich
                                                                                      in Gedenken an die verstobenen Freun-
                                                                                      de, Bekannte oder auch Partner, zu ver-
                                                                                      abschieden.
                                                                                               Textgrundlage und Foto: J. Treichel
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gedenktag              10   DROGENKURIER

Gedenken an Drogengebraucher_innen in Leipzig

                                                                                            Ein Drogenkonsumraum könnte helfen

  LEIPZ IG
                                                                                                   Foto: vogtland-anzeiger.de
Leipzig erinnert                                     Forderung nach einem
an Drogentote                                        Drogenkonsumraum für Leipzig
                                                     Franke fordert einen sogenannten „Druck-
 In Sachsen ist die Zahl der Drogentoten so          raum", einen Raum, in dem abhängige
 hoch wie nie: Laut BKA starben im vergan-           Menschen sicher und sauber konsumieren
 genen Jahr 27 Menschen – fast dreimal               können. So könnten zusätzliche Infektio-                      Ulrike Franke, Pfarrerin und Seelsorgerin
 so viele wie im Jahr 2014. Um darauf auf-           nen, zum Beispiel durch verunreinigte Na-
 merksam zu machen, steht der diesjährige            deln, verhindert werden. Im Fachjargon                 Im Jahr 2015 wurden bundesweit 1.226
 Gedenktag unter einem streitbaren Mot-              nennt man solche Einrichtungen Drogen-              drogenbedingte Todesfälle polizeilich re-
 to. In Leipzig sieht man es weniger offen-          konsumräume. Sie stellen die Ausstattung            gistriert. Dies geht aus dem aktuellen Dro-
siv, fordert aber einen sicheren Raum für            für einen risikominimierenden Konsum                gen- und Suchtbericht hervor, der im Juni
Drogenabhängige und ihre Angehörigen.                von illegalen Drogen bereit. In Sachsen,            2016 veröffentlicht wurde. Cannabis wird
    "Legalisierung jetzt" ist das Motto des          Thüringen oder Sachsen-Anhalt gibt es               bisher legal nur Schmerzpatienten unter
diesjährigen deutschlandweiten Gedenk-               bisher keinen solchen Raum. Gleichwohl              medizinischer Bewachung verabreicht.
tages zur Erinnerung an Drogenopfer.                 ist Leipzig gut ausgestattet, was die Be-           Abhängige jeglicher Art von Drogen ver-
Cannabiskauf und sein Konsum sollen,                 treuung von Abhängigen und Angehörigen              sorgen sich also aktuell vor allem durch il-
so die Initiatoren, keine Sache des Straf-           angeht. Es gibt das Suchtzentrum Leip-              legale Märkte, teilweise aus dem Ausland.
rechts mehr, sondern legal sein. Der Ber-            zig, Drug Scouts und Straßensozialarbei-            Eine Legalisierung könnte diesen Handel
liner Jugendrichter Andreas Müller ist in            ter beim Amt für Jugend, Familie und Bil-           austrocknen. Doch Uwe Voigt, Pressespre-
diesem Jahr Schirmherr des Gedenktages.              dung. Außerdem verfügt das Klinikum St.             cher der Polizeidirektion Leipzig, ist skep-
Er sagt, dass das Verbot von Cannabis in             Georg über ein Zentrum für Drogenhilfe,             tisch: „Wir haben da Vorbehalte und eine
den vergangenen 40 Jahren mehr als eine              in welchem auch Ulrike Franke tätig ist.            pessimistische Einstellung in dieser Ange-
halbe Million Menschen in den Strafvoll-                                                                 legenheit. Bisher gibt es keine überzeu-
zug gebracht habe.                                    Für Angehörige ist es wichtig,                     genden Daten für uns, dass die Krimina-
    Pfarrerin und Seelsorgerin am Leip-                                                                  lität wirklich sinkt, wenn leichte Drogen
ziger Klinikum St. Georg, Ulrike Franke,              dass es Menschen gibt, denen                       wie Cannabis legalisiert werden. Es ist ein
steht weniger offensiv hinter dem Motto.             sie von ihrer Trauer, ihrer Wut                     streitbares Thema. Auch innerhalb der Be-
Sie hält die Legalisierung von Cannabis für                                                              hörden gibt es keine übereinstimmende
                                                     und Hilflosigkeit erzählen kön-
ein umstrittenes Thema, tritt aber auch                                                                  Haltung dazu."
für die Entkriminalisierung von Drogenab-              nen. Sie brauchen Räume, in
hängigen ein: „Kriminalisierung bedeutet             denen sie verstanden und mit                               Gedenkveranstaltung im Rosental
immer auch schlechtere Hilfe für die Be-                                                                        Am Donnerstagnachmittag fand im Blin-
troffenen. Das ist auch hier in Leipzig ein           ihren Anliegen und ihrer Not                              denpark in Rosental eine Gedenkstunde
wichtiges Thema".                                       ernst genommen werden.                                  statt, die von Pfarrerin Ulrike Franke mit
                                                                                                                einer Andacht begleitet wurde. Im An-
                                                                  Ulrike Franke,                                schluss wurde das „Fest des Lebens" ge-
                                                            Pfarrerin und Seelsorgerin                          feiert.
                                                                                                                                 MDR Sachsen, 21.07.2016
DROGENKURIER              11   gedenktag

                                                                                                     Gedenkinstallation in Bonn

                                                        Menschen konsumieren
                                                                                                      BONN
Foto: Conny Poltersdorf

                                                       psychoaktive Substanzen,
                                                          legale und illegale.                       Gedenkstunde für
                                                       Und damit gehen wir um.                       Drogentote
                                                                Katrin Schröder
                                                                                                     Am internationalen Gedenktag für ver-
             Katrin Schröder von den Drug Scouts
                                                   Die Sozialarbeiterin Katrin Schröder von          storbene Drogenkonsumenten lud die
                                                   den Drug Scouts war bei mephisto 97.6 zu          Aids- Initiative Bonn zum Zentralen Om-
   Akzeptanz als                                   Gast. Mit ihr hat mephisto 97.6 Moderato-         nibusbahnhof ein. Dort hatten Hinterblie-
   Statement                                       rin Ina Beyer über die Drug Scouts gespro-        bene die Möglichkeit zu trauern – alleine
                                                                                                     oder gemeinsam mit anderen. Für den pas-
                                                   chen und sie gefragt, wie man mit Drogen
                                                   und Konsumenten umgehen sollte:                   senden Rahmen sorgte das Ensemble „One
   Drogenkonsum und -missbrauch ist heut-
                                                                                                     to Three“ mit Livemusik. Im vergangenen
   zutage leider nichts Unbekanntes mehr.          Interview unter www.mephisto976.de                Jahr starben in Bonn laut Aids-Initiati-
   Um an die Opfer dieses Missbrauches zu
                                                   An dem Gedenktag finden in vielen Städ-           ve 19 Menschen an Drogenmissbrauch,
   gedenken, gibt es seit 1998 jährlich am
                                                   ten in Deutschland Gedenkfeiern oder so-          das sind acht mehr als 2014. In diesem
   21. Juli den Drogentotengedenktag.
                                                   gar Podiumsdiskussionen statt. So auch            Jahr waren es bereits 14 Drogentote. Vor-
       An so einem Tag wird viel darüber dis-
                                                   in Leipzig. Um 17 Uhr fand im Rosenthal           standsmitglied Jürgen Repschläger rief
   kutiert, wie man mit Drogen – legalen und
                                                   im Blindenpark eine Gedenkstunde statt.           zu Überlegungen auf, eine weitere Mög-
   illegalen – umgehen soll. Manche argu-
                                                   Das Motto des diesjährigen Gedenktages            lichkeit zum sogenannten „Drücken“ für
   mentieren mit erhobenem Zeigefinger, ab-
                                                   lautete „Legalisierung jetzt". Hintergrund        die Konsumenten einzurichten. Der vor-
   schreckenden Geschichten und den mög-
                                                   dieser offensiven Forderung sind die mehr         handene Druckraum habe die Anzahl der
   lichen Folgen. Andere hingegen sprechen
                                                   als einer halbe Millionen Jugendlichen,           benutzten Spritzen im Stadtbild deutlich
   über und aus Erfahrung. So macht es auch
                                                   die in den letzten Jahren durch Cannabis-         verringert, so Repschläger. Ralf Runnin-
   die Organisation Drug Scouts. Ihr erklär-
                                                   konsum ins Gefängnis mussten. Nun wird            ger, Mitarbeiter der Initiative, forderte
   tes Ziel ist neben der Drogenprävention
                                                   gefordert, einen Alternativen Umgang mit          zudem eine Novellierung des Betäubungs-
   vor allem die Aufklärung über den richti-
                                                   Drogen und den Jugendlichen zu finden.             mittelgesetzes.
   gen Umgang mit Drogen. Ihr Ansatz lautet
   Akzeptanz – und ist damit auch ihr politi-         mephisto 97.6 Redakteurin Lisa Tutt-                           Bonner Rundschau,Ralf Klodt
   sches Statement.                                lies war bei der Gedenkfeier dabei. Sie
       1996 haben Anhänger der Elektroszene        hat mit den Initiatoren der Gedenkfeier
   die Drug Scouts gegründet. Heute beste-         gesprochen und fasst deren Anliegen zu-
   hen sie in Leipzig aus drei festangestell-      sammen:
   ten Mitarbeitern, ein paar Praktikanten         Interview unter mephisto976.de
   und derzeit etwa 50 Freiwilligen.
                                                                  Mephisto 97,6, 21.07.2016
gedenktag                    12   DROGENKURIER

                                                                                                                                                           Fotos: Ulrich Erker-Sonnabend
                                                                                                            storbenen, Freunde, Sozialarbeiter aus
                                                                                                            den Einrichtungen der Drogenhilfe, Men-
                                                                                                            schen, denen die Verstorbenen in irgend-
                                                                                                            einer Weise nahestanden.
                                                                                                               Draußen, vor der Kirche, im gleißen-
                                                                                                            den Sonnenlicht ist Alltag. Die Straßen-
Jürgen Dörr von der Aids-Hilfe hat zur Erinnerung                                                           bahn 709 fährt Richtung Birkenstraße. An
an die verstorbene Sabine eine Kerze auf den Altar                                                          der Ampel vor der Kirche warten Autos auf
der Elisabethkirche gestellt.                                                                               das grüne Signal. In der Kirche steht In-
                                                                                                            nehalten an.

                                                                                                             „Vertrauen in die Zukunft“
                                                                                                             „Lukas, 24 Jahre alt, Jan, 30 Jahre alt,
                                                                                                             Rebecca, 36 Jahre alt…“ Jedesmal, wenn
                                                                                                             ein Name vorgelesen wird, steht einer oder
                                                                                                             eine aus den Reihen der Gottesdienstbe-
                                                                                                             sucher auf, geht nach vorne, lässt sich
                                                                                                             eine Kerze geben, zündet sie an der Os-
                                                                                                             terkerze, dem Symbol des Lebens, an und
                                                                                                             stellt das schlichte weiße, hohe Wachs-
                                                                                                             licht auf den Altar unter dem goldenen
                                                                                                             Kruzifix. Die einen verharren einen Mo-
Für jeden Verstorbenen wurde eine Kerze entzündet.                                                           ment in Stille, andere machen das Kreuz-
Im Hintergrund Diakon Klaus Kehrbusch (links).                                                               zeichen. „Weder Tod noch Leben, weder
Superintendentin Henrike Tetz überreichte die Kerzen.
                                                                                                             Engel noch Dämonen noch andere gott-
                                                                                                             feindliche Mächte, weder Gegenwärtiges
                                                                                                             noch Zukünftiges kann uns trennen von
                                                                                                            der Liebe Gottes“, liest der katholische Di-
                                                                                                            akon Klaus Kehrbusch aus dem Römerbrief
                                                                                                            der Bibel. Die Gemeinde vertraut die Ver-
                                                                                                            storbenen mit Zuversicht Gott an – dem
                                                                                                            Gott, „der viel größer ist als unser Herz“,
Zum ökumenischen Gedenkgottesdienst für Drogentote
                                                                                                            wie Kehrbusch sagt. Der Theologe ist Ge-
kamen rund 120 Angehörige, Freunde und Begleiter                                                            schäftsführer des Drogenabhängigen-
der Verstorbenen in die katholische Elisabethkirche                                                         Hilfsvereins Flingern mobil.
                                                                                                                An der ökumenischen Gedenkfeier wirkt
                                                                                                            die evangelische Superintendentin Henrike
                                                                                                            Tetz ebenfalls mit. Sie überreicht den Ge-
                                                                                                            denkenden die Kerzen und lädt ein zum ge-
                                                                                                            meinsamen Schlussgebet: „Gott, damit wir
                                                                                                            uns nicht auf aussichtslosen Wegen verir-
                                                                                                            ren, bitten wir dich um Vertrauen in die
                                                                                                            Zukunft.“ Die Gemeinde spricht das Gebet

  DÜS SELDOR F                                                                                              mit. Es ist zu spüren, dass die Ereignisse
                                                                                                            und Erlebnisse, die sie an diesem Morgen
                                                                                                            zusammengebracht haben, bedrücken.
An 31 verstorbene                                            war stets schick gekleidet, mit Stöckel-
                                                                                                                Am Ende des Gottesdienstes gehen vie-
                                                                                                            le zum Altar, nehmen eine Kerze und tra-
Drogenabhängige                                              schuhen unterwegs. Eine beeindrucken-          gen sie in die jeweilige Einrichtung, in der
erinnert – Ökumeni-                                          de Frau. Sabine ist im Alter von 52 Jahren
                                                             gestorben. Sie hatte sich mit dem HI-Vi-
                                                                                                            der Verstorbene ein Stück seines Lebens-
scher Gottesdienst                                           rus in Folge des Drogenkonsums infiziert.
                                                                                                            weges lang begleitet und betreut wurde.
                                                                                                            Das sind die Aids-Hilfe, die Düsseldorfer
in St. Elisabeth                                                Schicksale wie das von Sabine stehen        Drogenhilfe an der Erkrather Straße und
                                                             so oder ähnlich hinter den 31 Namen, die       auch die eine oder andere Einrichtung der
„Sabine war eine tolle Frau“, sagt Jürgen                    an diesem Morgen in der katholischen Kir-      Diakonie wie zum Beispiel das Trebecafé.
Dörr. Der Berater der Aids-Hilfe Düssel-                     che St. Elisabeth zwei Frauen vorlesen. Es     Dort erinnern die großen, weißen Wachs-
dorf hat jetzt beim Gottesdienst für ver-                    ist der 21. Juli – das ist der Gedenktag für   kerzen jetzt an diejenigen, derer man
storbene Drogenabhängige eine Kerze für                      die Drogenverstorbenen. Rund 120 Got-          hier gedachte und die in den vergange-
Sabine auf den Altar der Elisabethkirche                     tesdienstbesucherinnen und -besucher           nen zwölf Monaten gestorben sind.
in Flingern gestellt. „Sie war verheiratet.                  sind in die Kirche am S-Bahnhof Wehr-
Ihre Kinder lebten bei den Großeltern. Sie                   hahn gekommen – Angehörige der Ver-                                        www.evdus.de
DROGENKURIER   13   gedenktag

Einstieg zum Ausstieg

20 Jahre Erfahrung in der

Suchttherapie
     Kompetent in der Therapie
     Engagiert für Betro≈ene
     Einzigartiger Service

                                                                  AVS 506 12 012-024452

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gedenktag                   14    DROGENKURIER

Am 21. Juli waren Gerhard Wermter (links) vom Gesundheitsamt Neuwied zusammen mit Peter Kesselheim (2.v.l.)
von der Suchtberatung der Caritas und Jens Arbeiter (2.v.r.) von der Neuwieder Kontakt- und Informationsstelle für
Selbsthilfe (Nekis) mit einem Informationsstand in der Neuwieder Fußgängerzone präsent Die Mitwirkenden
freuten sich über den Besuch des 1. Kreisbeigeordneten und Gesundheitsdezernenten Achim Hallerbach (rechts)
und das Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, MdB Erwin Rüddel

                                                                                                                     Joachim Jüngst (Leiter der Beratungsstelle) und

  NEU WIE D
                                                                                                                     Bernard Garling (r) (Mitarbeiter Drogenkontaktladen
                                                                                                                     „Café Relax“) werben für den Gedenktag

 Erinnern – Gesicht
 zeigen – informieren –
                                                                   Neben Aufklärung und Prävention, um
                                                                auf Gefahren und Risiken des Drogenge-
                                                                                                                      RHE INE
 Internationaler                                               brauchs hinzuweisen, ist für den Gesund-
                                                               heitspolitiker Erwin Rüddel (MdB), Canna-             Drogenberatungsstelle
 Gedenktag für                                                 bis als Medizin ein aktuelles Thema: „Wir             veranstaltet
 verstorbene                                                   möchten die Versorgung der Patienten
                                                                                                                     Gedenkfrühstück
 Drogenabhängige                                               mit cannabishaltigen Arzneimitteln ver-
                                                               bessern. Denn für bestimmte Schmerz-                  Seit vielen Jahren wird am 21. Juli bun-
                                                               patienten kann Medizinalhanf eine gute                desweit der „Internationale Gedenktag für
 Zum Gedenktag für verstorbene Drogen-
                                                               Therapie sein, wenn andere Schmerzmittel              verstorbene Drogengebraucher“ began-
 abhängige am 21. Juli waren das Gesund-
                                                               nicht helfen. Schwerwiegend erkrankten                gen. Das ist Anlass genug für die Jugend-
 heitsamt Neuwied zusammen mit der Neu-
                                                               Patienten, die keine Therapiealternative              und Drogenberatung, Aktion Selbsthilfe
 wieder Kontakt- und Informationsstelle
                                                               haben, soll es durch den Arzt ermöglicht              e.V. Rheine, das Problem „Drogentod“ er-
 für Selbsthilfe (Nekis) und der Suchtbe-
                                                               werden, getrocknete Cannabisblüten und                neut ins Bewusstsein zu rufen. Denn lei-
 ratung der Caritas mit einem Informati-
                                                               Cannabisextrakte in kontrollierter Qualität           der ist seit dem Jahr 2013 bundesweit eine
 onsstand in der Neuwieder Fußgängerzo-
                                                               auf ärztliche Verschreibung in Apotheken              deutliche Zunahme der Drogentoten im
 ne präsent und informierten interessierte
                                                               zu erhalten, ohne dass dabei die Sicher-              Vergleich zu den rückläufigen Zahlen in
 Passanten über Beratungs- und Hilfsan-
                                                               heit und Kontrolle des Betäubungsmittel-              den Jahren zuvor zu verzeichnen.
 gebote in der Region. Die Mitwirkenden
                                                               verkehrs gefährdet wird. Diesen Menschen                 Auch in Rheine und Umgebung sind ei-
 freuten sich über die Unterstützung und
                                                               wollen wir helfen und ihnen die Therapie              nige Konsumenten an den direkten, aber
 Wertschätzung der Aktion durch den Be-
                                                               nicht vorenthalten. Die Änderung des Be-              auch indirekten Folgen des langjährigen
 such des 1. Kreisbeigeordneten und Ge-
                                                               täubungsmittelrechts ist dabei der richti-            Konsums verstorben. „Allein in den ers-
 sundheitsdezernenten Achim Hallerbach
                                                               ge Weg. Denn wir wollen einen sicheren                ten fünf Monaten dieses Jahres haben wir
 und dem Mitglied im Gesundheitsaus-
                                                               und kontrollierten Zugang der Betroffe-               sechs Todesfälle zu beklagen gehabt“, so
 schuss des Deutschen Bundestages, MdB
                                                               nen unter staatlicher Kontrolle.“                      Joachim Jüngst, Leiter der Drogenbera-
  Erwin Rüddel
      „Seit 1990 sind in Deutschland mehr                                               www.kreis-neuwied.de          tung Aktion Selbsthilfe e.V. in Rheine.
  als 37.000 Menschen durch den Konsum                                                                                „Hier war vor allem der Mischkonsum ver-
  illegaler Drogen gestorben. Viele dieser                                                                            schiedener Substanzen Ursache für die To-
  Todesfälle wären vermeidbar gewesen –                                                                               desfälle“, so Jüngst weiter.
  durch Aufklärung, Angebote zur Risikom-
  inimierung und durch Überlebenshilfen“,
  begründet Achim Hallerbach das Engage-
  ment des Kreisgesundheitsamtes.
DROGENKURIER         15   gedenktag

                                               Die Skulptur von Nils Grube wird enthüllt

                                               Impression vom Gedenktag 2016 in Bielefeld

     Die Bemühungen der Drogenberatung
  Rheine basieren seit vielen Jahren darauf,
  frühzeitig ein differenziertes Hilfeange-
  bot zu machen. Angebote der Drogenbe-
  ratung sind unter anderem die Beratung
 für Betroffene und Angehörige, ambulan-
 te Behandlung, psychosoziale Betreuung
 Substituierter, Betreutes Wohnen, Sucht-
 vorbeugung, betriebliche Suchtberatung,
 aufsuchende Hilfen und niedrigschwellige
 Kontaktladenarbeit. Zum anderen bemüht
 sich die Drogenhilfe aber auch, Hilfen und

                                                BIE LEF ELD
 Beratung bei einem möglichst risikoar-
 men Gebrauch von Drogenkonsum an-
 zubieten. Sei es durch die Bereitstellung
 eines Spritzenautomaten und dem kosten-                                                         den. Im Bielefelder Drogenkonsumraum
 losen Spritzentausch (Alt gegen Neu) zur
 Verhinderung von schwerwiegenden In-
                                               Zahl der verstorbenen                             werden Drogen gebrauchende Frauen

                                               Drogenkonsumenten
                                                                                                 und Männer durch Ärzte, Pflegepersonal
 fektionskrankheiten oder durch die Auf-                                                         und Sozialarbeiter betreut, die im Notfall
 klärung von Betroffenen über den siche-       bleibt in Bielefeld                               eingreifen können. Die Drogen stammen
 ren Gebrauch (und den Nichtgebrauch)
 von Substanzen. Zudem unterstützt die
                                               konstant                                          weiter vom Schwarzmarkt mit unbekann-
                                                                                                 ter Wirkstärke und müssen von den Kon-
Beratungsstelle bei Bedarf die schnelle        Zum Gedenktag für verstorbene Drogen-             sumenten selbst mitgebracht werden.
Vermittlung zu ärztlichen Behandlungen         abhängige forderten Experten im Dro-                 Um den Drogenkonsum von Jugendli-
im Notfall.                                    genhilfezentrum Bielefeld eine Entkri-            chen zu reduzieren, die bereits wegen il-
     Die Beratungsstelle Rheine bietet an      minalisierung und mehr Kontrolle. Laut            legaler Drogen strafrechtlich belangt wor-
diesem Tag verschiedene Aktionen an und        statistischem Landesamt sind durch den            den sind, bietet die Drogenberatung das
veranstaltet daher morgen (21. Juli) zum       Konsum illegaler Drogen 2014 drei Perso-          Projekt „High School" an.
Beispiel ein Gedenkfrühstück für alle, die     nen in Bielefeld gestorben,                          Zum Gedenktag für verstorbene Dro-
einen nahestehenden Menschen verloren             Da die Zahl der Drogentoten nicht alle         gengebraucher_innen wurde eine Holzfi-
haben. Dieses findet in der Zeit von 10        Personen berücksichtigt, die an mögli-            gur vom Künstler Nils Grube gestaltet. Die
bis 13 Uhr an der Thiemauer 42 in Rheine       chen Folgen einer HIV- oder Hepatitis-            Skulptur wurde an Orten aufgestellt, die
statt. Von 13.30 bis 16 Uhr wird ein Info-     C-Infektion verstorben sind, fordert Axel         für Konsumenten eine Bedeutung haben
und Gedenkstand an der Einkaufsstraße          Hentschel vom NRW-Landesverband JES               und soll Leben und Tod symbolisieren. Die
in der Innenstadt von Rheine aufgestellt.      (Junkies, Ehemalige und Substituierte)            Plastik befindet sich aktuell im Hof des
                                               im Rahmen der diesjährigen Gedenkfeier            Drogenhilfezentrums.
                      wirin.de, 20.07.2016
                                               die Abschaffung des Betäubungsmittelge-                       Neue Westfälische, 22.07.2016
                                               setzes. Hierdurch sollen Substanzen, die                             von Nora Pfützenreuter
                                               zurzeit illegal auf dem Schwarzmarkt ver-                          (redaktionell bearbeitet)
                                               kauft werden, staatlich kontrolliert wer-
gedenktag                  16   DROGENKURIER

Gedenken und Information am Café Connection                                                             Die Klient_innen bepflanzten ein fahrbares Beet

Mitglieder von JES Hannover gedenken verstorbenen                                                       Der Gedenktag in Unna
Freunden am Gedenkstein in Hannover

 HANNO VE R
Cannabis und Crack
beliebt in der Szene
                                                             In der Region gebe es rund 5000 Kon-
                                                          sumenten harter Drogen, schätzt der städ-
                                                                                                         Un na
                                                          tische Drogenbeauftragte Alfred Lessing.
Gedenktag für Drogenopfer.
                                                          „Der Heroinkonsum geht weiter zurück,         Gedenkfeier für
                                                                                                        alle Drogentoten –
In der Region Hannover starben
                                                          unser größtes Problem bleibt der Alko-
2016 bisher sieben Abhängige.
                                                          hol“, sagt Lessing. Stark nachgefragt in
                                                          der lokalen Szene sei derzeit eher Ecstasy;
                                                                                                        Pflaumenbaum soll
2015: zwölf Drogentote. 2016: Bisher star-
ben sieben Menschen in Stadt und Um-                     außerdem komme Cannabis wieder mehr            an Verstorbene
land an den Folgen ihres Rauschgiftkon-                  in Mode. Auch Crack, „Stein“ genannt,          erinnern
sums. Auch wenn die Zahlen der Opfer in                  werde viel konsumiert. Die Kristalle – sie
der Region – entgegen dem Bundestrend                    entstehen, wenn Kokain mit Ammoniak            Anlässlich des Gedenktages für verstorbe-
– in einem niedrigen Bereich liegen: Je-                 aufgekocht wird – werden geraucht und          ne Drogengebraucher_innen gedachten
der Drogentote ist ein Toter zu viel, beton-             machen schnell abhängig.                       die Menschen rund um die Einrichtung
te Bürgermeister Thomas Hermann (SPD)                        „Das Strafrecht habe bei Konsumenten       LÜSA (Langzeit-, Übergangs- und Stüt-
gestern Vormittag.                                       nichts zu suchen“, betonte Lessing und         zungsangebot) verstorbenen Klienten,
   Am Café Connection (nahe Hauptbahn-                   forderte eine Entkriminalisierung von          Weggefähr ten und Freunden. Seit fast 20
hof) wurden am „Internationalen Gedenk-                  Drogenkauf und – besitz. Viel wichtiger        Jahren setzen sich die LÜSA Mitarbeiter_
tag für verstorbene Drogengebrauchende“                  seien Beratung, Betreuung und medizini-        innen mit Empathie, Freude an der Arbeit
Kerzen entzündet, weiße Rosen aufge-                     sche Angebote, um Abhängigen zu helfen.        und Menschlichkeit in der Platanenallee
stellt und Reden gehalten. Eingeladen                    Der Drogenbeauftragte warnte außerdem          und nun im DAWO für die Bedürfnisse von
hatte der Arbeitskreis Sucht, Drogen und                 vor Legal Highs, auch Badesalz genannt:        Drogen gebrauchenden Frauen und Män-
Aids – ein Zusammenschluss von Institu-                  „Hochgefährliche Mischungen mit synthe-        nern ein.
tionen, Vereinen und Selbsthilfegruppen.                 tischem THC.
                                                                      Rheinische Post, 22.07.2016,
                                                                                        Andreas Kö
DROGENKURIER           17   gedenktag

Botschaften an verstorbene Freunde                 Infostand und Banner in Pforzheim
mit Bildern und Texten

                                                                                                                           DIese Kacheln mit
                                                                                                                           persönlichen Botschaften

                                                    PF OR ZH EI M
                                                                                                                           führten zum Infostand
       Wir mussten manchmal leidvoll erfah-
    ren, dass wir mit unserer Arbeit auch an
    Grenzen stoßen", erklärte Dawo-Leiterin
    Sabine Lorey. Dirk, Thorsten, Christian,
    Lars und zuletzt Ingo sind in den letzten
                                                   Unser Weg geht weiter                                 Zu diesem Zweck haben wir auch viele
    zwölf Monaten verstorben. Für jeden von         Wie schon im letzten Jahr hat die Plan B          Flyer mit Hintergrundinfos verteilt. Neben
    ihnen zündete Pfarrer Matthias Bruders         gGmbH in Kooperation mit der AIDS-Hilfe            der Geste des Gedenkens war es uns dieses
    eine Kerze an. Pfarrer Bruders lobte nicht     Pforzheim e.V. zum Gedenktag eine Akti-            Jahr vor allem ein Anliegen über das The-
    nur die Arbeit von LÜSA, sondern sprach        on in der Pforzheimer Innenstadt durch-            ma „Spritzenautomat“ zu informieren. Wir
    den Klienten Mut zu und wandte sich auch       geführt. Ein Weg gelegt aus weißen Rosen,          hoffen in naher Zukunft in diesem Bereich
    an alle Bürger, nicht wegzuschauen, weil       schwarzen Luftballons und Kacheln, wel-            weiter voranzukommen und bleiben dran.
    man das Leiden nicht sehen will.               che im Vorfeld und direkt vor Ort beschrif-           Geplant ist, dass der Weg auch nächs-
       Ein Pflaumenbaum der im Garten der          tet werden konnten, führte schließlich zu          tes Jahr weiter gelegt wird.
    Dawo-Einrichtung gepflanzt wurde, wird         einem Informationsstand am Marktplatz.                     Das Team des Kontaktladens Loft,
    zukünftig an die Verstorbenen erinnern.           Der Weg hat sich im Vergleich zum                                      Plan B gGmbH und
    Mit einem Brunch, Gegrilltem und der Mu-       Vorjahr schon deutlich verlängert. Immer                        der AIDS-Hilfe Pforzheim e.V.
    sik der Lüsa-Band endete eine kleine aber      wieder blieben Passant_innen stehen, um
    schöne Feier.                                  die Kacheln zu lesen. Wir konnten auch
                 Hellweger Anzeiger 22.07. 2016    mit vielen Menschen ins Gespräch kom-
                       (redaktionell bearbeitet)   men, um für Akzeptanz in der Bevölke-
                                                   rung zu werben. Die Aktion soll zu mehr
                                                   gesellschaftlicher Integration und Teilha-
                                                   be beitragen.
Foto: hbz/Wallerius
                                                gedenktag                 18   DROGENKURIER

                      Neben den 11 Namen ziert eine Inschrift den Stein                                                                        Mit weißen Rosen, Namensschildern und Kerzen wurde

                                                                                                                            Foto: Merkurist
                                                                                                                                               der Verstorbenen gedacht

                                                                                                                             Foto: Merkurist
                                                                                                                                               Mitarbeiter aus der Mainzer Drogenhilfe verlasen die
                                                                                                                                               Namen von Verstorbenen

                       MAIN Z                                                  würden, liege auch der kleine Platz mit-
                                                                               ten in Mainz, aber fast völlig unbekannt.
                      Gedenkstein am                                           „Es ist wichtig, dass man mal ein Zeichen
                      Mainzer Café Balance                                     setzt“, betonte Merkator. Den Toten Wür-
                                                                               de zu geben, darauf zielt auch die kup-
                      erinnert an verstorbene                                  ferfarbene Inschrift auf dem L-förmigen
                      Drogenabhängige                                          Schieferblock. Es ist eine Stelle aus dem
                                                                               Gedicht „Uninteressante Menschen gibt es
                Am Ende sind es elf Namensschilder, die                        nicht“ von dem russischen Schriftsteller
                bei dem neuen Gedenkstein liegen. Ni-                          Jewgeni Alexandrowitsch Jewtuschenko.
                cole starb im Januar 2016, Melanie im                          „Nicht Menschen sterben; Welten hören
                Juli 2015, dazu Wilhelm, Pedro, Hubert                         auf“, heißt es da. „Es sind kleine Welten,
                                                                               große Pläne, Hoffnungen und Partner-
                                                                                                                                                Internationaler
                                                                                                                                                Gedenktag –
                und sechs weitere Namen. Die Schilder
                stehen für Klienten des Café Balance, die                      schaften, die da sterben“, formulierte es
                in den vergangenen zwölf Monaten ge-                           Merkator.                                                        Gedenkstätte
                storben sind. An sie – und an viele ande-
                                                                               Viele Verstorbene werden anonym
                                                                                                                                                für Drogentote
                re – soll nun der Gedenkstein auf einem
                kleinen Rondell oberhalb der Suchtbera-                        beerdigt                                                         Die Stadt Mainz hat heute einen An-
                tungsstelle in der Parkanlage am Römer-                        Bärmann bedauerte die verbreitete gesell-                        dachtsort für verstorbene Drogenkosu-
                wall erinnern.                                                 schaftliche Praxis, Drogenkranke auszu-                          menten am Römerwall eröffnet. Da Sucht-
                   Mit dem Gedenkort ist es laut Claus                         grenzen. „An Drogenkonsum kann man                              kranke noch immer stigmatisiert würden,
                Bärmann vom Café Balance der städti-                           sterben“, so Bärmann. Aber es könne auch                        sei dieser Schritt längst überfällig.
                schen Abteilung Suchthilfen gelungen,                          damit gelebt werden. Die Gesellschaft                               Anlässlich des 19. „Internationalen Ge-
               eine Stelle zu finden, wo würdevoll und                         entscheide mit ihrem Verhalten gegen-                           denktags für verstorbene Drogengebrau-
               öffentlich an verstorbene Suchtkranke er-                       über Suchtkranken, ob diese Leben bes-                          cher“ hat die Abteilung Suchthilfen der
               innert werden kann. Und dass der Stein                          ser oder schlechter seien. Oft genug sind                       Stadt Mainz am Donnerstag eine Gedenk-
               gerade am 21. Juli der Öffentlichkeit über-                     sie schlechter, und das reiche noch in den                      stätte am Römerwall eröffnet. Ein Gedenk-
               geben wird, ist kein Zufall. Denn seit 1998                     Tod hinein. Viele Verstorbene würden ano-                       stein und eine Tafel erinnern von nun an
               ist dies der „Gedenktag für verstorbene                         nym beerdigt, und Freunde aus der Szene                         in der Parkanlage „Am Römerwall“ unweit
               Drogengebraucher“. In diesem Jahr wird                          seien bei Beerdigungen selten erwünscht.                        des Drogenhilfezentrums Café Balance an
               er erstmals als internationaler Gedenktag                       Der Gedenkstein, den der Steinmetz An-                          verstorbene Mainzer Drogenkonsumen-
               begangen.                                                       dreas Schmitz gegen eine Aufwandsent-                           ten.
                   Nicht nur das Datum ist, so Sozialde-                       schädigung hergestellt hat, soll da einen                          Sozialdezernent Kurt Merkator (SPD)
               zernent Kurt Merkator (SPD), mit Bedacht                        Kontrapunkt setzen.                                             richtete zur Einweihung einige Worte an
               gewählt. Auch dem Ort könne eine symbo-                                                                                         die anwesenden Mitarbeiter aus der Main-
                                                                                         Allgemeine Zeitung, 22.07.2016,
               lische Bedeutung zugeschrieben werden.                                                      Heiko Beckert                       zer Drogenhilfe, Angehörige von Verstor-
               Denn so wie Drogenkranke mitten in der                                                                                          benen und suchtkranke Klienten: „Es ist
               Stadt lebten, aber kaum wahrgenommen                                                                                            wichtig, dass wir mit diesem Gedenkort
DROGENKURIER               19   gedenktag

                                                                   Den Toten Würde zu geben, darauf zielt die
                                                                   kupferfarbene Inschrift auf dem L-förmigen
                                                                   Schieferblock:

                                                                   „Nicht Menschen sterben;
                                                                   Welten hören auf“

                                                                   Aus dem Gedicht „Uninteressante Menschen
                                                                   gibt es nicht“ vom russischen Schriftsteller
                                                                   Jewgeni Alexandrowitsch Jewtuschenko.

ein Zeichen setzen, denn Drogenabhän-
gige werden noch immer häufig stigmati-
siert.“ Mainz habe nun endlich einen Ort,
an dem man an diese Menschen erinnern
könne. Auch Claus Bärmann, Mitarbeiter
                                               BO CH UM
des Café Balance, freute sich über die Ge-    Drogenabhängige                                      Silvia Wilske, fachliche Leiterin der Kri-
                                              gründen Netzwerk
denkstätte: Da suchtkranke Menschen oft                                                         senhilfe, kann dem nur zustimmen. „Uns
in der Anonymität lebten, würden diese                                                          sind im Rahmen der Haushaltssicherung
auch nach dem Tod häufig vergessen und        in Bochum                                         vor einigen Jahren rund 100 000 Euro vom
ohne Namen beerdigt. „Es ist mir ein Be-                                                        Jahresetat gestrichen worden. Das spüren
dürfnis, dass Angehörige unserer Klien-       15 Kerzen leuchten vor einer Liste mit            wir bis heute.“ Dabei seien die Angebote
ten endlich einen würdigen Ort zum Ge-        Vornamen. Es sind die Namen von Män-              der Krisenhilfe oft lebenswichtig. Sabine
denken haben.“                                nern und Frauen, die in den letzten zwölf         Oldani etwa weiß, dass sowohl der Drogen-
   Allein in Rheinland-Pfalz sind im ver-     Monaten an den Folgen ihrer Drogensucht           konsumraum als auch das Café etwa in der
gangenen Jahr 48 Menschen an den Fol-         gestorben sind. Die evangelische Pastorin         Nachbarstadt Dortmund wesentlich länger
gen ihres Drogenkonsums gestorben.            Heike Lengenfeld-Brown leitet wie schon           geöffnet haben. In Bochum sind die Zeiten
Bundesweit waren es laut einer Polizei-       oft in der Vergangenheit die Gedenkstun-          von 9 bis 11.30 Uhr begrenzt. Kommt es
Statistik insgesamt 1226 Menschen, die in     de im Café der Krisenhilfe. Es ist der 21.        etwa im Drogenkonsumraum zu lebensbe-
Folge einer Überdosierung oder durch be-      Juli, der Tag, an dem seit bald 20 Jahren         drohlichen Krisen, ist Hilfe direkt vor Ort.
gleitende Erkrankungen verstorben sind.       weltweit der Drogentoten gedacht wird.               Für die, für die jede Hilfe zu spät kam,
Vor diesem Hintergrund wies Bärmann auf       Erinnerung an Menschen, die viele lieber          versammelten sich am Donnerstag rund
die Dringlichkeit von Hilfsangeboten für     nicht wahrnehmen wollen.                           20 Menschen bei der Krisenhilfe, darun-
Drogenkonsumenten hin.                           Es ist eine besondere Gedenkveranstal-         ter auch Angehörige. Die 15 Namen stehen
    Im Café Balance bekommen Drogenab-       tung, denn zum ersten Mal in all den Jah-          für 15 Lebensgeschichten. Pfarrerin Len-
 hängige unter anderem Hilfe bei der Woh-    ren haben sich Betroffene selbst an der             genfeld-Brown legte Wert auf die Bedeu-
 nungssuche, werden bei ihrem Umgang         Vorbereitung beteiligt. Sie haben nun               tung von Erinnerung, auf Gemeinschaft.
 mit der Sucht beraten und erhalten bei      auch in Bochum das Selbsthilfenetzwerk              Der Song „You’ll never walk alone“ wur-
 Bedarf eine Notunterkunft. In den vergan-   JES (Junkies, Ehemalige, Substituierte)             de zitiert.
 genen drei Jahren sind laut Bärmann 18      gegründet. Noch sind es wenige Aktive.
 Konsumenten gestorben, die regelmäßig       Aber sie wollen Stimme sein für die ge-            Zettel mit kurzen Botschaften
 Hilfe im Café Balance und anderen Bera-     schätzt rund 1000 Drogenabhängigen al-             Danach schrieben die Hinterbliebenen
 tungs-Einrichtungen wie der BRÜCKE in       lein in dieser Stadt.                              und Freunde kurze Kommentare auf Zettel
 der Münsterstraße in Anspruch genom-            Die Bochumerin Sabine Oldani, selbst           wie „Trauer, Wut und unnötiger Tod“, „Ich
 men haben. Bei der Einweihung der Ge-       Teilnehmerin am Substitutionsprogramm              hoffe, dort wo Du jetzt bist, geht es Dir
 denkstätte wurden die Vornamen dieser       mit Methadon, das Süchtigen ein normales           besser. Du warst ein sehr lieber Mensch“
 und anderer Verstorbener verlesen und       Leben ermöglicht, hat mit anderen die Bo-          oder einfach nur „Du fehlst!“. An mit He-
 weiße Rosen ausgelegt. Dazu wurde der       chumer Gruppe gegründet. „Wir möchten              lium gefüllte Luftballons gebunden, wur-
 Dichter Jewgeni Jewtuschenko zitiert:       ganz legal Heroin bekommen. Außerdem               den die Zettel vom Konrad-Adenauer-Platz
 „Nicht Menschen sterben; Welten hören       muss die Krisenhilfe mehr Sozialarbeiter           in den Himmel geschickt. Dutzende bun-
 auf.“ Der Vers ist auch auf dem Gedenk-     erhalten, die wir als Ansprechpar tner so          te Ballons stiegen auf. Einige Leute hat-
 stein zu lesen.                             dringend benötigen“, sagt sie.                     ten dabei Tränen in den Augen.
                21.07.2016, Daniel Gläßer,                                                                             WAZ.de, 22.07.2016,
                    Autor von Merkurist.de                                                                                  Michael Weeke
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