Projekt Tagesschulen 2025 Tagesschulen unter der Lupe Interview mit dem Stadtrat Urban Exploration - Studierendenzeitung der PH Zürich Nr. 30, 12 ...

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Projekt Tagesschulen 2025 Tagesschulen unter der Lupe Interview mit dem Stadtrat Urban Exploration - Studierendenzeitung der PH Zürich Nr. 30, 12 ...
Studierendenzeitung der PH Zürich
                     Nr. 30, 12. Dezember 2018

Projekt Tagesschulen 2025
Tagesschulen unter der Lupe
Interview mit dem Stadtrat
Urban Exploration
Projekt Tagesschulen 2025 Tagesschulen unter der Lupe Interview mit dem Stadtrat Urban Exploration - Studierendenzeitung der PH Zürich Nr. 30, 12 ...
Impressum
    Ausgabe: RePHlex Nr. 30, 12. Dezember 2018, Auflage: 1300 Stück
    Herausgeber: VS PH Zürich, Versammlung der Studierenden der PHZH; Lagerstrasse 2, Büro LAC-E073 8090 Zürich;
    vs@phzh.ch; www.facebook.com/vsphzh
    Redaktion: RePHlex, Zeitung des VS PH Zürich, Lagerstrasse 2, Büro: LAC-E073, 8090 Zürich; rephlex@phzh.ch
    Redaktionsleitung: Gabriel Mateos Sánchez
    Redaktion: Simon Heiniger, Luca Bastianini, Nathalie Hug, Martin Wipf, Jelena Bosiokovic, Marta Ribeiro, Michelle Speck, Cécile
    Mouron, Céline Haag, Gino Egli, Miro Müller, Riccardo Geuggis, Roman Balzarini, Teresa Dreßler, Whitney Huber
    Titelbild: Whitney Huber, (Foto Simon Heiniger)
    Küche: Cécile Mouron, Luca Bastianini
    Layout & Gestaltung: Simon Heiniger, Michelle Speck
    Inserieren: vs@phzh.ch – Einsendeschluss Ausgabe 31: 30. Januar 2018

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Im Wandel                                        2         Impressum
                                                         21        Ein Dach für alle PH-
                         4                                         Studierenden-
                                                                   organisationen
                     Editorial
                                                         16        Portraitiert
                         6                               24        Für ein Dach über dem
             Tagesschulen 2025                                     Kopf
SchülerInnen bleiben über den Mittag an der Schule.
         Chancen und Risiken des Projekts.               26        RePHlexionen
                                                         28        Pinnwand
                         8
       Schulhaus Leutschenbach                           30        Rätsel
Die Schule gilt als Vorzeigeprojekt. Ist sie das auch?
                                                         31        #phlife
                        10                               31        Comic
         Schulhaus Schauenberg                           32        Dr. PHlex
Kann trotz Provisorium eine Tagesschule betrieben
                     werden?

                        12
         Interview mit dem Stadrat
                                                             Exgüsi,
     Filippo Leutenegger nimmt Stellung zum
                Tagesschul-Projekt
                                                             aber weisch du, dass es Praktika und nöd
                        18                                   Praktikas und scho gar nöd Praktikums
                                                             heisst?
     Alternativen für Lehrpersonen
 Auch unser Schulsystem wandelt sich ständig. Wie
   sehen dagegen die alternativen Schulen aus?

                        20
   Von der Natur ins digitale Zeitalter
     Der Interessenwandel von Kindern und
            Jugendlichen untersucht.

                        22                                        DIE ZAHL
             Urban Exploration
        Die Stadt im Wandel. Die Stadt als
               Abenteuerspielplatz.
                                                              29‘180.00
                        29                                     CHF gibt die Mensa pro Jahr für
                Freier Wille?                                  neues Geschirr und Besteck aus.
    Können wir überhaupt wirklichen Wandel
herbeiführen? Unser Wille ist nicht so frei, wie wir
                    denken.

                                                                                                        3
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Stufen

                              Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
                              Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
                              Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
                              Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
                              Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
                              Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
                              Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
                              In andre, neue Bindungen zu geben.
                              Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
                              Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

                              Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
                              An keinem wie an einer Heimat hängen,
                              Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
                              Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
                              Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
                              Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
                              Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
                              Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

                              Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
                              Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Illustration Jérôme Philipp

                              Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
                              Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

                              Hermann Hesse, 1941
                                                                                5
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Tagesschulen 2025

         Das Projekt Tagesschulen 2025 wurde ins Leben gerufen, um
       Familien die Möglichkeit zu bieten, ihre Kinder auch ausserhalb
                      des Unterrichts schulintern betreuen zu lassen.
                                                      Text Teresa Dressler
                                                     Fotos Rahel Schaffter

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Projekt Tagesschulen 2025 Tagesschulen unter der Lupe Interview mit dem Stadtrat Urban Exploration - Studierendenzeitung der PH Zürich Nr. 30, 12 ...
Die Idee
   Die konkrete Idee ist, dass die SchülerInnen über Mittag nicht mehr nach Hause gehen. An den
   Tagen, an denen nachmittags Unterricht stattfindet, wird der Mittag zu einem sogenannten
   gebundenen Mittag. Das bedeutet, die Mittagszeit wird von 110 Minuten auf 80 Minuten ge-
   kürzt. Von der Schule wird Betreuung sowie eine warme Mahlzeit angeboten. Dadurch ist der
   Schultag jeweils etwas früher zu Ende als bisher. Doch auch in der Zeit vor Schulbeginn und
   nach Schulende sorgt die Schule für mögliche Betreuung durch das Angebot von Freizeitakti-
   vitäten und die Zusammenarbeit mit Drittanbietern. Daraus folgt, dass Eltern in Zukunft die
   Möglichkeit haben, ihre Kinder von 7 Uhr morgens bis 18 Uhr abends von der Schule betreuen
   zu lassen. In seiner Umsetzung verfolgt das Projekt hauptsächlich drei Ziele:

                                 Bildungsgerechtigkeit:
                                 Unterstützung von Integration und Förderung aller
                                 SchülerInnen

                                 Wirtschaftlichkeit:
                                 Optimierung der Organisation von Unterricht und
                                 Betreuung

                                 Gleichstellung:
                                 Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und
                                 Beruf

Die Möglichkeit für beide Elternteile oder alleinstehende     Die Folgen
Eltern, Familie und Karriere zu vereinen, ist für viele ein   Die Lehrpersonen, und somit auch wir als angehen-
grosser Schritt nach vorne. Die Kosten für einen gebunde-     de Lehrpersonen, müssen darauf eingestellt sein, dass
nen Mittag betragen ca. 6 Fr. pro Mahlzeit. Das dürfte in     die SchülerInnen in diesem Konzept um einiges mehr
den wenigsten Haushalten ein Problem darstellen. Zudem        Zeit an ihren Schulen verbringen werden. Die Kinder
wird versprochen, dass die Stundenpläne der Kinder aus        sollen in Zukunft den ganzen Tag in den Schulen sein.
denselben Familien aufeinander abgestimmt werden. Das         Dadurch werden die Lehrpersonen weniger Zeit haben,
bedeutet, dass Geschwister an den gleichen Nachmittagen       ihren Unterricht vorzubereiten. Gleichermassen wird
schulfrei haben.                                              es erschwert, sich mit dem Kollegium auszutauschen.
                                                              Ausserdem wird in den grossen Schulpausen der Raum
Die Umsetzung                                                 für die Lehrpersonen, sich abzugrenzen und zu erholen,
In der Umsetzung fordert dieses Projekt ein grosses Mass      vermindert.
an Organisation. Vielen Schulen fehlen die Ressourcen an      Mit all diesen Veränderungen wird auch die Stunden-
Räumlichkeiten und Personal. Jede Schule muss mehr            plangestaltung erschwert. Der neue Berufsauftrag, die
kompetentes Betreuungs-, Hausdienst- sowie Reinigungs-        Vorgaben des Projektes Tagesschulen 2025 und des
personal einstellen. Zudem brauchen einige Schulen mehr       Lehrplans 21 müssen vereint werden.
Räume, um alle SchülerInnen über Mittag unterzubrin-
gen. Für den Lärm, den die Kinder verursachen, muss           Der aktuelle Stand
ebenfalls eine Lösung gefunden werden. Aufgrund des           Wie dem auch sei, hat das Projekt Tagesschulen 2025
Platzproblems müssen an den meisten Schulen die Kin-          bereits als Pilotprojekt gestartet. Zurzeit sind 6 Schulen
der gestaffelt essen, das heisst die Hälfte der Klassen ha-   beteiligt. Keine der beteiligten Schulen möchte zurück
ben erst gegen 13:00 Uhr Mittagspause. Das wiederum           zum alten System. Sie sind alle überzeugte Befürworter
bedeutet, dass morgens 5 Lektionen Unterricht anstehen.       der Tagesschulen. Der Gemeinderat, der Stadtrat und
Damit könnten gewisse Kinder Mühe haben. Insbesonde-          die Schulpflege planen 24 weitere Schulen in das Pro-
re, da die Mittagszeit und somit die Erholungszeit kürzer     jekt miteinzubeziehen. Die Volksabstimmung vom 10.
ausfällt. Dies könnte dazu führen, dass es gewissen Schüle-   Juni 2018 zu dem Thema wurde mit 77.3% angenom-
rInnen schwerer fällt, sich zu konzentrieren.                 men.

                                                                                                                           7
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Schulhaus Leutschenbach
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                                                                                                   Fotos Michelle Speck

    Tagesschulen, die Schulen der                                     werden müssen und zwar von Anfang an.
    Zukunft. Sie existieren bereits                                   Immerhin, so erzählte uns Saladin, hatten sie sich nie allein
    und eine sehr bekannte davon ist                                  gelassen gefühlt. Das Schulamt nimmt Beschwerden ernst
    das Schulhaus Leutschenbach                                       und versucht, diese jeweils schnellstmöglich umzusetzen.
    in Oerlikon. Wir durften mit dem                                  Ihnen scheint das Projekt ebenfalls sehr am Herzen zu lie-
                                                                      gen.
    Schulleiter Claude Saladin ein                                    Im Schulhaus Leutschenbach, in das momentan gut 520
    Interview führen und haben                                        SchülerInnen, vom Kindergarten bis in die Sek in die Schule
    dabei Folgendes in Erfahrung                                      gehen, habe der Wechsel jedoch gut geklappt. Die Kinder
    gebracht.                                                         fühlen sich wohl und den meisten gefällt es, sogar über den
                                                                      Mittag mit ihren Klassenkameraden und Klassenkameradin-
    Das Konzept der Tagesschulen löst bei jedem andere Gefüh-         nen beisammen zu sein.
    le aus. Manche sind dafür Feuer und Flamme, andere be-            Leutschenbach bietet den SchülerInnen jedoch auch viele
    kommen nur schon beim Gedanken daran Schweissausbrü-              Freiräume. Sie haben keine Mensa oder Aula, sondern ein
    che. Fakt ist: ab 2025 sollen sämtliche Schulen Zürichs in        Schülerrestaurant. Die SchülerInnen können sich selbst aus-
    Tagesschulen umgewandelt werden.                                  wählen, wann sie essen gehen wollen und mit wem. Sogar
    Dabei birgt dieses Projekt so einige Schwierigkeiten. Für         den Kindergartenkindern ist diese Entscheidung freigestellt.
    das Schulhaus Leutschenbach war und ist es noch immer             Und das funktioniere gut. Die SchülerInnen wissen diese
    hauptsächlich der kontinuierlich hohe Lärmpegel. Die              Freiheit zu schätzen, so Saladin. Wir hatten die Möglichkeit,
    Wände sind aus Glas, die Flure sind breit und das Echo ent-       den Übergang in den Mittag zu beobachten und die Betreu-
    sprechend laut. Die Doppelturnhalle, die zuoberst ist, trägt      ungsmöglichkeiten zu erleben. Die SchülerInnen konnten
    sämtliche Stimmen, Schritte, Aufpraller und Aufschreie von        jeweils aussuchen, ob sie zu Beginn des Mittags lieber direkt
    der einen in die andere Etage und teilweise sogar bis ganz        essen, spielen oder sich ausruhen gehen. Beim näheren Be-
    hinunter ins Erdgeschoss.                                         trachten der Betreuungspersonen fiel uns jedoch auf, dass
    Früher war die Lärmbelästigung über den Mittag kein The-          diese zum Teil wenig Deutschkenntnisse haben und eher als
    ma. Die Schule war geschlossen, die SchülerInnen gingen           «Aufpasser» fungieren. Dabei stellt sich die Frage, wie gross
    nach Hause, doch seit dem Beginn der Tagesschule wurden           der pädagogische Wert dieser Betreuung ist. Hinzu kommt,
    ruhige Pausen zu einem Luxus, den sich die Lehrpersonen           dass Kinder mit besonderen Bedürfnissen mit so einem Mo-
    aktiv suchen müssen. So betont dies auch Claude Saladin im-       dell vollkommen untergehen. Dies stellt die Chancengleich-
    mer wieder, der darauf verweist, dass das Leben der Lehrer        heit, die bei dem Projekt eines der Hauptziele ist, in Frage.
    durch die Tagesschulen durchaus härter geworden ist.              Der Klassenzusammenhalt habe sich seit dem Beginn der Ta-
    Burnouts hätten sie noch keine gehabt, und es habe auch           gesschule deutlich verbessert. Für uns stellte sich jedoch die
    noch keine Lehrperson deswegen gekündigt, jedoch birgt            Frage, was mit den Kindern passiert, die über den Mittag
    diese dauernde Präsenz die Gefahr von erhöhtem Stress.            nicht in der Schule bleiben. Schliesslich ist es nach wie vor
    Nebst dem Lärm stellt vor allem der räumliche Aspekt ein          keine Pflicht.
    Problem dar. Im Falle Leutschenbach werden in den nächs-          Gemäss Saladin sei das überhaupt kein Problem. Bisher sei
    ten Jahren voraussichtlich mehrere hundert Kinder in die          es noch nie vorgekommen, dass jemand deswegen gemobbt
    Umgebung ziehen und es werden unausweichlich neue Klas-           oder ausgeschlossen wurde. Er persönlich ist sowieso dafür,
    sen entstehen. Allerdings ist der Platz bereits jetzt begrenzt.   dass nicht alle Kinder über den Mittag in der Schule bleiben.
    Wir haben uns im Schulhaus etwas umgesehen und uns                Es gäbe schlichtweg Kinder, denen eine Tagesschule zu viel
    wurde schnell bewusst, wie grosszügig das Schulhaus doch          sei. Das müssen nicht unbedingt nur ADHS-Kinder sein.
    gebaut wurde. Improvisierte Räume könnten erbaut und              Es komme immer mal wieder vor, dass der ständige sozia-
    relativ schnell genutzt werden und auch die neuen zwei Pa-        le Kontakt manche überfordere. Für diese SchülerInnen sei
    villons bieten noch etwas Platz. Doch das ist ein Luxus, den      es wichtig, dass sie über den Mittag nach Hause gehen und
    nicht alle Schulhäuser haben.                                     alleine etwas lesen oder spielen können. Die Ruheräume
    Fakt ist, dass die Planung der Umwandlung einer norma-            reichen für solche Kinder einfach nicht aus, und das muss
    len Schule in eine Tagesschule mehr als frühzeitig begonnen       respektiert werden. Ob dies jedoch in allen Schulen ab 2025
    werden muss. Es gibt viele Faktoren, die miteinbezogen            so umgesetzt wird, ist noch unklar.

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Übergang in den Mittag

                                                                               Ruheraum

    Essen                                                                        Spielen

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           Freie Platzwahl - En Guete!                              Kreativbereich         9
Projekt Tagesschulen 2025 Tagesschulen unter der Lupe Interview mit dem Stadtrat Urban Exploration - Studierendenzeitung der PH Zürich Nr. 30, 12 ...
Schulhaus Schauenberg
                                                                                                    von Michelle Speck

     Ein weiteres Schulhaus
     des Pilotprojekts ist das
     Schulhaus Schauenberg.
     Dieses ist anderen
     Problemen ausgesetzt, da
     das eigentliche Schulhaus
     sich momentan im Bau
     befindet und sie in einem
     provisorische Schulpavillon
     untergebracht sind. Ich
     hatte die Möglichkeit ein
     Gespräch zu führen mit den
     Schulleiterinnen, Ruth Bellis
     und Bettina Treschl.

      Am 26. September 2016 wurde über die Tagesschule ab-        sieht es als Bereicherung, den Mittag gemeinsam mit den
     gestimmt, das Schulhaus Schauenberg befindet sich seit       Kindern zu verbringen, da die Kinder glücklicher sind
     dem 1. November 2016 im Provisorium. Es stellte sich         desto mehr Lehrpersonen am Mittag dabei sind. Das Teil-
     die Frage, wie sinnvoll der Strukturwechsel innerhalb        nehmen an den Mittagen ist natürlich wünschenswert
     des Provisoriums und zusätzlich während dem laufen-          und optimal, darf aber auch nicht erzwungen werden.
     den Schuljahr wäre. Jedoch hielt die Stadt Zürich daran      Die Zusammenarbeit zwischen den Lehrpersonen und
     fest, dass das Schulhaus Schauenberg an dem Pilotprojekt     den Betreuern ist intensiver und der Austausch besser, da
     teilnehmen sollte. Sie hatten acht Monate vom Einzug ins     es viele Betreuungspersonen gibt, die auch bei der Klas-
     Provisorium bis zum Beginn der Tagesschule, d.h. es gab      senassistenz involviert sind.
     gar keine Zeit für Problemklärungen und Teambildungen.       Das Schulhaus Schauenberg hat momentan auch andere
     Für die Schulleitung war es eine Herausforderung, sich       Konditionen, da sie nicht mit Drittanbietern arbeiten.
     neu einzuleben und zusätzlich noch die Angelegenheiten       Dies wird sich jedoch ändern, sobald sie im Sommer
     der Tagesschule mit einzuplanen, u.a. die Transportmög-      2019 ins neue Schulhaus einziehen. Themen wie das Ein-
     lichkeiten zu organisieren, da sich das Provisorium nicht    binden von Vereinen und Schulsport und das vielfältige
     im gleichen Quartier befindet wie das Schulhaus. Sie ha-     Freizeitangebot stehen noch zur Debatte und bieten Ent-
     ben es jedoch sehr elegant umgesetzt. Durch den Platz-       wicklungspotential. Mit dem Umzug wird sich ebenso
     mangel wurde der Stundenplan so angepasst, dass die          herausstellen, wie gross der pädagogische Freiraum über
     Mittelstufe und die Unterstufe gestaffelt zu Mittag essen.   den Mittag ist, da man die Busfahrerei nicht mehr hat.
     Die Mittelstufe hat dementsprechend fünf Lektionen am        Der gestaffelte Mittag wird sich beim Umzug ins neue
     Morgen und somit bis 12:40 Uhr Schule, während der           Schulhaus nicht ändern, da es nicht möglich ist, das ganze
     Unterricht der Unterstufe bis 12:00 Uhr geht. Sie haben      Schulhaus gleichzeitig zu verpflegen.
     eine Rohkostpause um 10:00 Uhr, in der die Lehrer ge-        Da die Tagesschule günstiger ist als die Regelbetreuung,
     meinsam mit den SchülerInnenn das Essen vorbereiten          haben viele Elternteile wieder angefangen zu arbeiten,
     und die Pause im Klassenzimmer stattfindet. Dies heisst      d.h. die politischen Ziele der Tagesschule wurden gröss-
     jedoch auch, dass die Lehrpersonen sich weniger sehen        tenteils erreicht. Man kann sehr viele positive Auswirkun-
     und somit ein Austausch nicht mehr möglich ist. Es stellt    gen der Tagesschule erkennen. Fakt ist jedoch, dass das
     sich auch die Frage, ob die 5 Lektionen nicht zu einer       grösste Problem immer noch die Infrastruktur ist und das
     Überlastung der Lehrpersonen führen.                         zeigt sich nicht nur im Schulhaus Schauenberg. Die Fra-
     Die Betreuung über den Mittag ist für die Lehrpersonen       ge ist nun, wie man diesem Problem entgehen kann, um
     nicht zwingend, jedoch gibt es sehr viele Lehrpersonen,      als Lehrperson weiterhin qualitativ guten Unterricht zu
     die das im freiwilligen Rahmen machen. Die Schulleitung      geben.

10
Bastel- und Spielzimmer
                                                     mit Verhaltensregeln

                                                oben: Eines von meh-
                                                reren Esszimmern

                                                links: Ein zum Schul-
                                                bus umfunktionierter
                                                Eurobus

«Ich trage Sorge dazu: Gegenständen, Umwelt & Natur, mir & meinen Mitmenschen.»
                                                                                  11
Interview mit Stadtrat Leutenegger
                                                               von Luca Bastianini

         «Die Schule der
           Zukunft muss
         über eine reine
       Unterrichtsschule
          hinausgehen.»

                           Im Rahmen unseres Schwerpunktes zum Thema Tagesschulen
                           2025 haben wir mit dem zuständigen Stadtrat Filippo Leute-
                           negger gesprochen.

                           Herr Leutenegger, dieses Jahr wurden Sie mit dem
                           Slogan «Filippo – einer von uns» in den Zürcher
                           Stadtrat wiedergewählt. Sind Sie auch ein Lehrer?
                           Mit dem Slogan will ich zeigen, dass ich nahe bei den
                           Leuten bin. Ich kümmere mich um Alltagsthemen, aber
                           auch Themen der Stadt. Im Schul- und Sportdepartement
                           versuche ich daher, jede Woche eine Schule zu besu-
                           chen. Bezüglich Ihrer Frage: Ja, ich war auch mal Lehrer.
                           Während meines Studiums habe ich an der KV-Gewer-
                           beschule unterrichtet. Als Gründer von Kinderkrippen
                           und eines Kinderhorts ist mir auch das Thema Betreuung
                           nicht fremd. Mir ist es wichtig, die Anliegen der Lehrper-
                           sonen, Eltern und SchülerInnen zu kennen.

                           Wie stellen Sie sich einen idealen «Lebensraum Schu-
                           le» vor?
                           Ich denke, die Schule der Zukunft muss über eine reine
                           Unterrichtsschule hinausgehen. Diesen Weg hat die
                           Stadtzürcher Volksschule bereits eingeschlagen. Nun
                           müssen die Nachmittagsangebote der Betreuung über die
                           Kernzeiten hinaus weiterentwickelt werden, damit ein

12
Gesamtpaket entsteht, das einen kompakten, pädagogisch        sollten also reichen, um nach Hause gehen zu können.
stimmigen Schultag ermöglicht. Der Lebensraum Schule          Nach meinen Erfahrungen mit dem Mittagstisch haben
muss verlässlich, pädagogisch sinnvoll und bezahlbar          nach 10 bis 15 Minuten alle fertig gegessen und an-
sein. Nur so kann einerseits die Vereinbarkeit von Familie    schliessend ist genügend Zeit für die Erholungsphase und
und Beruf unterstützt und andererseits für die Kinder         den Schulweg.
ein fördernder Lern- und Lebensort gestaltet werden.
Zwischen fünf und sechs Uhr sollen die Kinder dann            Sind Essensschichten keine Realität wegen der feh-
nach Hause kommen können und im Idealfall wären die           lenden Infrastruktur?
Hausaufgaben bereits erledigt. Sofern es diese dann noch      In einzelnen Schulen in der Stadt Zürich wählen die
gibt (lacht).                                                 Kinder selbst, wann sie essen wollen. Das sogenannte
                                                              «Open Restaurant» ermöglicht, die Infrastruktur optimal
Ist die Mittagsbetreuung zukünftig ein Teil des Leh-          zu nutzen. Vor und nach dem Essen stehen den Kindern
rerberufs?                                                    verschiedene Aktivitäten, Spiele und Erholungsräume zur
Möglicherweise wird es sich in Zukunft so entwickeln,         Verfügung.
dass die Lehrpersonen am Mittagessen teilnehmen und
dann auch Betreuungsaufgaben übernehmen. Das wird             Wo sehen Sie die grössten Risiken bei der Umsetzung
aber nicht zur Pflicht. Wenn ein Lehrer nur unterrichten      des Projekts?
will, wird er das weiterhin können.                           In den Wachstumsgebieten entsteht durch die Einführung
                                                              der Tagesschule eine nicht zu unterschätzende Zusatzbe-
Denken Sie, dass die Mittagstischbetreuung kindge-            lastung. Die zweite Herausforderung liegt in der Platz-
recht umgesetzt werden kann?                                  nutzung. Die Räume müssen polyvalent und mehrfach
Ich kann aus meiner eigenen Familie ein Beispiel geben:       genutzt werden können, denn viele Schulen leiden jetzt
Meine jüngste Tochter ging zweimal pro Woche in einen         schon unter Raumknappheit. Wenn zusätzliche Betreu-
von mir mitgegründeten Kinderhort. Einmal pro Woche           ungsangebote entstehen, muss man dafür sorgen, dass
habe ich zu Hause einen Mittagstisch mit ihr und ihren        die Schulräume besser genutzt werden. Politisch sehe ich
«Gspänli» gemacht. Das war sehr bereichernd für mich          kein grosses Risiko, denn das Stimmvolk steht hinter den
als Vater und das hätte ich auch nicht hergeben wollen.       Schulprojekten.
Ich glaube, die Freiwilligkeit ist enorm wichtig, damit
wir keine ideologischen Diskussionen führen müssen. Es        Wie bleiben Sie am Puls der Projektumsetzung?
muss ein freiwilliges Modell bleiben, ein Angebot, das gut    Wir haben die Zürcher Schulpflege mit den Präsidentin-
ist, die Familien entlastet und trotzdem bezahlbar bleibt.    nen und Präsidenten der Kreisschulbehörden, mit der
                                                              wir fast jeden Dienstag zusammensitzen. Hier werden
Eltern zahlen 6 Franken für Betreuung. Die realisti-          wir regelmässig durch die Projektleitung über die neus-
schen Betreuungskosten pro Kind und Tag betragen              ten Entwicklungen informiert. Ich mache mir bei meinen
jedoch um die 30 Franken.Wer zahlt die Differenz?             Schulbesuchen aber auch vor Ort ein Bild und bin im
Der Steuerzahlende. Die ungebundene Betreuung wird            Austausch sowohl mit dem Elternkontaktgremium der
zwar einkommensabhängig berechnet, doch auch hier             Stadt Zürich als auch mit den Schulleitungen und dem
haben wir einen Deckungsgrad von rund 30 Prozent. Wir         Schulpersonal.
zahlen zwischen 6 und 7 Franken für das Essen, welches
von «menuandmore» angeliefert wird. Der ganze Be-             Wo sehen Sie die grössten Chancen des Projekts?
treuungsaufwand ist damit gar nicht finanziert. Übrigens      Es ist eine Chance für die Gesellschaft. Durch dieses
wird die gesamte unentgeltliche Volksschule mit Steuern       Angebot können Eltern Familie und Beruf besser verein-
finanziert. Das gilt grundsätzlich auch für die Tagesschule   baren. Natürlich muss die Tagesschule 2025 auch bezahl-
2025 mit den gebundenen Mittagen.                             bar bleiben, sowohl für die Stadt als auch für jene, die sie
                                                              nutzen. Für Kinder ist es eine soziale Chance. Sie können
Die Mittagspause soll auf 80 Minuten verkürzt                 in einer grösseren Gruppe zu Mittag essen und einen
werden. Reicht diese Zeit für die Kinder, welche zu           Teil der Freizeit miteinander verbringen. Bei all diesen
Hause essen?                                                  Veränderungen dürfen die Lernziele nicht vergessen
In der Regel wohnen die Kinder nicht viel weiter als ei-      werden. Denn letztlich ist die Hauptaufgabe der Schule
nen Kilometer von der Schule entfernt. Die 80 Minuten         die Bildung der Kinder.

                                                                                                                             13
Ein Dach für alle
              PH-Studierenden-
                organisationen

                 von Gabriel Mateos Sánchez

                 Am 20. Oktober 2017 wurde der Dachverband VSPHS1 ins Leben
                 gerufen. Die Gründung krönte die zweijährige Planungsphase.
                 Oder mit den Worten unseres Präsidenten: «Mit der Gründung
                 haben wir zwar das Grundstück gekauft, das Haus müssen wir
                 erst noch bauen.» Denn mit dem Korkenknall an der Feier auf
                 dem Campus der PH Zürich fiel der Startschuss zu den eigentli-
                 chen Aufgaben: Der Verband brauchte Strukturen, damit wir ef-
                 fizient kommunizieren und organisieren konnten. Anschliessend
                 vernetzten wir uns mit anderen Institutionen und packten die
                 ersten Projekte an.
                 Der Pioniergeist des Verbandes ist nach wie vor ungebrochen und
                 mittlerweile hat sich mit folgenden Vorstandsmitgliedern ein zu-
                 verlässiger Kern gebildet:Theresa Geucke (LU), Laila Rutz (SG),
                 Estelle Rogivue (VS), Jimmy A. Goutzimitros (ZH) und Gabriel
                 Mateos Sánchez (ZH). Dass die Zusammenarbeit funktioniert,
                 hat sich an den beiden Delegiertenversammlungen in Kreuzlin-
                 gen (April, siehe Foto) und Lausanne (November) gezeigt. Zu-
                 dem steht der Vorstand in Kontakt mit dem VSS, dem Verband
                 der Schweizer Studierendenschaften, sowie der Kammer PH von
                 swissuniversities. Wir können also auf ein erfolgreiches erstes
                 Verbandsjahr zurückblicken und freuen uns auf die Zusammen-
                 arbeit im Jahr 2019.

                 Weitere Infos findet ihr unter www.vsphs.ch.
                 1
                     Verband der Studierendenorganisationen der Pädagogischen Hochschulen der Schweiz

       Mitglieder der VSPHS                                                             Laufende Projekte

     11 Studierendenorganisationen                                             • Prüfungseinsicht bei bestandenen
           mit insgesamt über                                                    Prüfungen
                                                                               • Anforderungen an die Sprachdiplome
         15‘000 Studierenden
                                                                               • Förderung der politischen Bildung an
                                                                                 den pädagogischen Hochschulen
                                                                               • Das Akkreditierungsverfahren der
                                                                                 pädagogischen Hochschulen bei
                                                                                 swissuniversities
14
13. April 2018: Studierende aus der ganzen Schweiz an der Delegiertenversammlung in Kreuzlingen

Lernobjekte to go: E-Books in beook

Unterwegs offline lernen, auf Tablet oder Laptop. E-Book-Beratung im Digital Learning.
Weitere Informationen unter «phzh.ch/lernmedien»                                   15
Ilaria, HS17,
                                                                Portraitiert       Text & Fotos Marta Ribeiro
                     Primarstufe
                     Wieso wirsch du e gueti Lehrperson?
                    Es gitt viel Gründ. Ich bin mega offe und authentisch
                   und will ich immer versueche, s beschte i de Schüeler z’gseh.

                Was sind d’Eigeschafte vo dim Lieblingslehrer gsi?
                Herzlich, verständnisvoll, kreativ und streng.

               Was würsch du am jetzige Schuelsystem ändere?
              Ich fänd weniger leistig- und notefokussierte Unterricht su-
             per. Also kei Note, defür meh uf d’Fähigkeite vode Schüeler
            fokussiere.

          Was haltisch du vom Konzept vo de Tagesschuele?
         Ich finds nöd schlächt. De Bezug zu de Eltere isch denn halt
        nümm so gäh, handkerum isch es e Chanceglichheit für all
        Chind.

       Was haltisch du vo religiöse Brüüch a de Schuel?
      Eigentlich ghört’s ja nöd id Schuel, aber eusi Kultur basiert uf
            em Christetum. Daher ganz usgrenze wür ich’s nöd,
                           aber bim Singe viellicht uf religiösi Liedli
                                         verzichte oder so.

                                Angela, HS16, KiGa
                         Wieso wirsch du e gueti Lehrperson?
              Will’s mir mega wichtig isch, dass ich s’einzelne
     Chind gseh und au was es brucht, seg’s emotional wie au
     kognitiv und’s dete denn au unterstütze.

       Was sind d’Eigeschafte vo dim Lieblingslehrer gsi?
       Er isch mega kreativ und sehr fiinfühlig gsi, het aber au e
        fairi Strengi gha. Er het de Unterricht sehr lebensweltbezoge
         gstaltet, also nöd nur Blätter usfülle.

          Was würsch du am jetzige Schuelsystem ändere?
          Uf de Chindergartestufe bini zwar nöd gross demit konfron-
           tiert, aber sicher s’Benotigssystem und dass d’Chind sich no
            meh chönd individuell entwickle.

              Was haltisch du vom Konzept vo de Tagesschuele?
              Es het bestimmt Vorteil, aber d’Chind sind denn de ganz Tag
               vo de Familie weg und hend denn non-stop Programm. Also
               wenn Tagesschuele, denn eso, dass sie gnueg Inslene hend, wo
                sie sich chönd usrueh und gnueg Entfaltigsmöglichkeite. Ich
                 persönlich wür mini Chind nöd gern ine Tagesschuel schicke.

16
Ivan, HS16, KUst
                      Wieso wirsch du e gueti Lehrperson?
          Ich bin sehr ihfühligsvermögend. Ich chan de
Chind das übermittle, was es brucht, us eim Grund: Ich bin
früener mal selber es Chind gsi, wo relativ schwierig gsi isch,
 und chan dur das verständnisvoller demit umgah.

  Was sind d’Eigeschafte vo dim Lieblingslehrer gsi?
  Er isch sehr streng gsi, aber zuvorkommend und fair.

    Was würsch du am jetzige Schuelsystem ändere?
    Vieles! Ich wür de Leistigsdruck senke und denn das ganze
     Züg mit de Medie. Dass mir so viel über Computer und
     Tabletts schaffet, findi e Katastrophe. Mir bringet am Chind
      scho viel z’früeh bii, was Medie alles chönd und was sie alles
       söllet chöne. Ich find’s viel wichtiger, dass es Chind usegaht,
        dass es öpis selber muss go nahschlah – da hends viel meh
         devo.

           Was haltisch du vom Konzept vo de Tagesschuele?
           Ich find’s super. Ich find’s mega guet, will d’Sozialkompe-
            tenze vo de Chind underenand gförderet werdet. Sie lernet
             wie sie sich in Privatsituatione oder bimene Mittagässe
              z’verhalte hend.

                 Solana,
                HS18, Sek
                Wieso wirsch du e gueti Lehr-
               person?
              Ich lieb Chinde und schaff gern mitne. Da ich grad
             selber usem Gymi chume, weissi halt so chli wie’s isch.

           Was sind d’Eigeschafte vo dim Lieblingslehrer gsi?
           Er isch mega gechillt druff gsi und überhaupt nöd streng.
          Vorwiegend weg dem und au will mer nur selte Ufzgi
         becho hend.

        Was würsch du am jetzige Schuelsystem ändere?
       Ich wür weniger Ufzgi verteile und weniger, defür grösseri
      Prüefige statt immer regelmässigi Tests.

    Was haltisch du vom Konzept vo de Tagesschuele?
   Ich find’s eich no guet, mer isch de ganz Tag mit andere und
  chan grad zemme d Ufzgi löse. Bechunt vielleicht sogar no
  Hilf debie.

 Was haltisch du vo religiöse Brüüch a de Schuel?
     Mir hend biespielswies jewiels gwichtlet oder Os-
                   tereili versteckt, i dem Rahme findi’s in
                                 Ordnig.

                                                                         17
Alternativen für Lehrpersonen
      Keinen Bock mehr auf Schule? Das Korsett der Volksschule ist dir zu eng und du
      weisst nicht, was du machen sollst? Vielleicht verbirgt sich in diesem Artikel eine
      Lösung für dein Problem. Denn die gute Nachricht ist, es gibt alternative Erzie-
      hungskonzepte. Um den dichten Wald von alternativen Schulen etwas zu lichten,
      will ich hier vor allem auf zwei Erziehungskonzepte eingehen, welche sich seit
      ihrer Gründung behaupten konnten. Die Rudolf-Steiner- und die Montessori-Schu-
      len. Vielleicht rollst du in diesem Moment die Augen und neigst dazu, schnell zum
      nächsten Thema zu blättern. Ich rate dir jedoch, die folgenden Zeilen zu lesen.
      Denn sie können einem nicht nur eine Alternative aufzeigen, sondern Inspiration
      für eigene Konzepte sein.
      Text Roman Balsarini
      Illustrationen Simon Heiniger

                         Rudolf-Steiner-Schulen
                         Die wohl bekannteste alternative Schule dürfte die Rudolf-Steiner-Schulen sein. Im Jahr 1919
                         gegründet, wollte Steiner, dass der Unterrichtsinhalt seiner Schule nicht aus den Qualifika-
                         tions-, Reproduktions- und Selektionsanforderungen einer spätindustriellen demokratischen
                         Leistungsgesellschaft, sondern unmittelbar aus den Erfordernissen der kindlichen Entwicklung
                         heraus bestimmt wird.
                         Ein Unterrichtstag an einer Steiner-Schule sieht in der Regel folgendermassen aus. Am Morgen
                         findet der Hauptunterricht mit der Klassenlehrperson statt. Dabei werden die Grundfächer
                         Deutsch, Mathematik, Sachkunde, Geschichte, Biologie, Geographie, Physik und Chemie im
                         Epochenunterricht vermittelt. Am Nachmittag werden im Fachunterricht Fächer wie Kunst,
                         Turnen und Gymnastik, Handarbeit, Singen, Instrumentalmusik, Eurythmie, Religion, Haus-
                         wirtschaft im Wechsel mit Gartenbau und Feldmessen, Buchbinden und Technik unterrichtet.
                         Die Klassenlehrperson begleitet dabei eine Klasse acht Jahre lang, der Fachunterricht wird von
                         anderen Lehrpersonen übernommen.
                         Bei vielen eckt die anthroposophische Pädagogik jedoch an. Den eigenen Namen tanzen zu
                         müssen, ist mittlerweile schon zu einem müden Witz geworden. Allerdings gibt es bei der An-
                         throposophie tatsächlich einige Kritikpunkt. Sie geht zum Beispiel bei der Entwicklung der
                         Kinder von einem sieben Jahre Zyklus aus, in denen sich der Ätherleib entwickelt. Mit wissen-
                         schaftlichen Erkenntnissen hat dies wenig zu tun. Auch die sogenannte Temperamentenlehre ist
                         kritisch zu betrachten. Die Kinder werden dabei in die vier Grundtypen Sanguiniker, Phleg-
                         matiker, Melancholiker und Choleriker unterteilt und werden auf Grund von dieser Eintei-
                         lung verschieden gefördert. Einmal eingeteilt, ist es für die Kinder schwer zu einem anderen
                         Grundtyp zu wechseln, zumal die Lehrperson, die sie eingeteilt hat, acht Jahre für sie zuständig
                         ist. Die Anthroposophie soll jedoch nicht aktiv im Unterricht gelehrt werden und es steht der
                         Lehrperson frei, wie sehr sie diese Lehren in ihren Unterricht einfliessen lassen will. Rudolf
                         Steiners Schriften sehen sich auch immer wieder mit Rassismusvorwürfen konfrontiert. Die
                         Steiner-Schulen wichen diesen Vorwürfen lange aus, erst 2007 bezogen sie öffentlich Stellung
                         gegen Rassismus, Nationalismus und Diskriminierung.
                         Positiv fällt die Rudolf-Steiner-Schule mit dem Epochenunterricht auf. Dabei wird jedem Un-
                         terrichtsthema mehrere Wochen Zeit am Stück gewidmet. Berühmt ist die Schule auch für ihre
                         Inklusionsklassen. Einige Volksschulen haben mittlerweile Teile dieser Konzepte ebenfalls über-
                         nommen. Fälschlicherweise wird oft behauptet, es gäbe an einer Steiner-Schule keine Noten.
                         Dem ist jedoch nicht so. Jedes Jahr gibt es für jedes Kind ein ausführliches, schriftliches Zeugnis
                         und ab der Oberstufe werden auch Noten vergeben, wie man dies von der Volksschule kennt.
                         Die Schule bietet also trotz des esoterischen Einschlags viele gute Dinge. Da die Klasse acht
                         Jahre lang von der gleichen Klassenlehrperson begleitet wird, kann diese die Kinder viel besser
                         kennen lernen und ihren Werdegang mitgestalten. Der Epochenunterricht sorgt dafür, dass die
                         Kinder besser in die verschiedenen Fächer eintauchen können und die schriftlichen Zeugnisse
                         sorgen für weniger Druck und Konkurrenzkampf in der Klasse. So können sich die Kinder zu
                         starken Individuen entwickeln.
18
Montessori-Schulen
                                  «Hilf mir es selbst zu tun.» – so der Grundsatz von Maria Montessori, als sie
                                  im Jahre 1908 das erste Casa dei Bambini in Rom gründete. Die Kinder sollten
                                  selbst entscheiden dürfen, was sie wie, wo und wann lernen möchten. Maria
                                  Montessori war überzeugt, dass die Kinder von sich aus Lernen wollten und ein
                                  eigenes Gespür dafür, was sie in welchem Moment brauchen.
                                  Schon seit je her Stand die Montessori-Pädagogik in der Kritik, dass sie nicht
                                  auf den Erkenntnissen der modernen Entwicklungs- und Lernpsychologie be-
                                  ruht, sondern sich grösstenteils im Feld der experimentellen Psychologie be-
                                  wegt. Dies führt dazu, dass der Erfolg dieser Pädagogik kaum messbar ist.
                                  Eine 2006 veröffentlichte Studie der Montessori-Stiftung hat zwar gezeigt, dass
                                  Schüler der 4. Klasse der Montessori-Schulen besser in den Fächern Mathema-
                                  tik und Deutsch abschnitten, als gleichalterige Kinder aus der Volksschule. Die-
                                  se Studie wurde jedoch ebenfalls stark kritisiert, da die Schulen die Bewertun-
                                  gen der Kinder selbst ausfüllten und eine unabhängige Kontrollinstanz fehlte.
                                  Sowieso ist es schwer Kinder aus Montessori-Schulen mit Kindern aus der
                                  Volksschule zu vergleichen. Zu unterschiedlich ist die Gestaltung des Unter-
                                  richts. Es gibt keinen allgemeinen Lehrplan, jedes Kind hat seinen ganz indivi-
                                  duellen. Die Aufgabe der Lehrperson, die mehr als Lernbegleitung verstanden
                                  wird, ist dabei eine möglichst angenehme Lernumgebung zu schaffen und das
                                  Kind in seinem eigenen Lernprozess zu unterstützen. Die Lehrperson ist ge-
                                  schult, sensible Phasen des Kindes zu erkennen und das Kind zu Aktivitäten
                                  hinzuführen, die sein Interesse wecken sollten.
                                  Belohnung oder Bestrafung gibt es in den Montessori-Schulen keine. Einer-
                                  seits wegen des oben genannten Selbstantriebes des Kindes, aber auch weil so
                                  einer Beeinflussung des Kindes durch die Lehrperson oder Dritter vorgebeugt
                                  werden sollte. Es gibt zwar von Maria Montessori entwickelte Materialien für
                                  den Unterricht, diese muss das Kind jedoch nicht annehmen und es steht ihm
                                  frei, eigene Inputs zu geben. Die Beziehung zwischen Kind und Lehrperson
                                  soll auf Augenhöhe stattfinden. Einziges Instrument um Entwicklungen in eine
                                  ungewollte Richtung vorzubeugen sind Supervisionen. Die Leitplanken setzte
                                  Maria Montessori dabei folgendermassen: «Die Freiheit des Kindes muss als
                                  Grenze das Gemeinwohl haben, als Form das, was wir als Wohlerzogenheit bei
                                  seinen Manieren und seinem Auftreten bezeichnen. Wir müssen also dem Kind
                                  alles verbieten, was den anderen kränken oder ihnen schaden kann oder als
                                  unschickliche oder unfreundliche Handlung gilt.»
                                  Von dieser grossen Freiheit können viele Kinder profitieren und zu kreativen
                                  Köpfen heranwachsen. Die Schule ist stolz auf ihre berühmten Absolventen wie

?
                                  zum Beispiel Amazon-Gründer Jeff Bezos, die Google-Gründer Sergey Brin
                                  und Larry Page oder der berühmte Maler Friedensreich Hundertwasser. Un-
                                  bestritten ist jedoch auch, dass einige Kinder bei so vielen Freiheiten durch die
                                  Maschen fallen. Hier ist es die Aufgabe der Lehrperson pragmatisch zu Handeln
                                  und dem Kind die Unterstützung zu geben, die es braucht.

Was tun?
Wie gesagt, sind dies nur zwei der bekanntesten Schulen. Es gibt noch unzählige andere Erziehungs-
konzepte. So zum Beispiel die Freinet-Pädagogik, welche viele Ähnlichkeiten mit der Montessori-Schule
aufweist, jedoch aus einem sozialistisch/kommunistischen Umfeld stammt und ihren Laizismus betont.
Oder das Modell der Antiautoritären Erziehung, dessen Wurzeln im wieder aufkeimenden Anarchismus
der 60er und 70er-Jahre liegen. Weiter gibt es noch die Befreiungspädagogik, den Philanthropismus, die
Charaktererziehung und viele mehr.
Wer unter all diesen Konzepten nicht das richtige für sich selbst gefunden hat, sollte die Flinte aber noch
immer nicht ins Korn werfen. Wieso nicht einfach das Beste aus den verschiedenen Modellen zusammen-
picken und eine eigene Pädagogik begründen? Die Pädagogische Hochschule ist ein perfekter Raum, um
sich mit Mitstudenten, Lehrpersonen und Experten auszutauschen und selbst eine neue Form von Schule
zu entwickeln. Vielleicht bist du der neue Rudolf Steiner oder die neue Maria Montessori.

                                                                                                                      19
Von der Natur ins digitale
                    Zeitalter
     Interessenwandel von Kindern und              67 befragte SchülerInnen
                         Jugendlichen              Um dieser Frage nachzugehen, habe ich eine Umfrage
                          Text Riccardo Geuggis    entworfen, die ich insgesamt an drei Schulen, in drei
                             Bild Simon Heiniger
                                                   Gemeinden verteilt habe. Daran teilgenommen haben
                                                   67 SchülerInnen, im Alter zwischen zehn und sechzehn
                                                   Jahren, die in diesen drei Schulgemeinden entweder in
         «Die Kinder von heute sitzen nur noch     die Primar- oder Sekundarschule gehen. Ich habe darauf
        zuhause vor dem Bildschirm und wenn        geachtet, dass in der Umfrage Hobbys vertreten sind,
       sie mal draussen sind, beschäftigen sie     die schon immer gerne ausgeübt wurden, wie zum Bei-
      sich mit dem Smartphone.» Doch stimmt        spiel Zeichnen, Backen und Lesen. Als Gegenstück habe
          diese Aussage, die man von so vielen     ich auch neue Hobbys als Multiple Choice Auswahl auf-
     verschiedenen Seiten hört, wirklich? Sind     gelistet:YouTube, Shoppen und Videospiele spielen. Diese
         die guten alten Zeiten vorbei, in denen   Punkte wurden unter den Rubriken «Sport», «Draussen»
         die Kinder auf dem Spielplatz «Räuber     und «Zuhause» aufgelistet. Bei jeder dieser Rubriken habe
             und Poli» spielten und im Wald auf    ich eine Linie frei gelassen, damit die SchülerInnen eige-
                       Erkundungstour gingen?      ne Präferenzen aufschreiben konnten. Natürlich kann man
                                                   anhand von 67 SchülerInnenn nicht auf alle Kinder und
                                                   Jugendliche der Schweiz schliessen, aber es gibt uns einen

20
Querschnitt
                                                                                                      verschiedener
                                                                                                      Hobbys

                                                                                                      Mädchen
                                                                                                      Jungs

                                                              wurde von allen Kindern und Jugendlichen mindestens
                                                              ein Hobby unter dem Thema Sport eingetragen. Es zeigt
                                                              also, dass sich Kinder gerne bewegen. Auch die, die «nur
                                                              zuhause rumhocken und in den Bildschirm starren».
                                                              Der einzige Punkt in der Umfrage, der von allen ange-
                                                              kreuzt wurde, war «mit Freunden draussen sein». Die
                                Abgegebener Fragebogen
                                                              Mädchen von heute Shoppen sehr gerne, knapp 75% der
                                                              Mädchen haben diesen Punkt angekreuzt. Etwas weniger
Anhaltspunkt, in welche Richtung sich die Interessen der      als die Hälfte haben «chillen» angekreuzt, was mich ein
Kinder verschieben.                                           wenig erstaunt hat.
                                                              Hobbies, die zuhause ausgeübt werden können, waren
Alt = besser?                                                 schon immer beliebt und sind es auch heute noch. Beim
Jeder hat den Satz «früher ging man noch in die Natur und     «Lesen» habe ich auch erstaunlich viele Kreuzchen ge-
sass nicht nur zuhause rum» schon einmal gehört. Frü-         sehen – bei Mädchen und Jungs. Leider spielt nur noch
her ging man fischen, Pilze sammeln und in jeder freien       ein kleiner Anteil der Schülerinnen und Schüler ein Inst-
Minute Fahrrad fahren. Aber das ist nur das Bild, das uns     rument. Acht von 67 um genau zu sein. Sehr viele haben
unsere Eltern vermitteln oder vermittelt haben. Selbst-       YouTube als Hobby angekreuzt: fünfundvierzig Kreuz-
verständlich gab es damals auch viele Kinder, die nur zu-     chen – das sind gleich viele wie beim Lesen. Die Mehr-
hause rumhockten und in den Bildschirm starrten. Aber         heit liegt bei den männlichen Jugendlichen und Kindern,
das würde ja niemand zugeben. Also gehen wir einfach          beschränkt sich aber keines Wegs auf diese. Ein typisches
davon aus, dass früher alles besser war und die Kinder von    Exempel für ein populäres Hobby, dem vor allem auf dem
damals nur draussen spielten und die Natur ohne Blödsinn      Smartphone nachgegangen wird. Videospiele wurden oft
im Kopf genossen. Das Bild, das viele Erwachsene von den      genannt, nicht aber so oft, wie ich es gedacht hätte. Zwei
heutigen Jugendlichen haben, ist, dass sie nur herumhän-      Mädchen und zwölf Jungs, was gute 20% ausmacht. Vor
gen, kiffen und am Smartphone sind. Aber dass die Ju-         allem Fortnite und Fifa wurden erwähnt.
gendlichen von damals ebenfalls draussen herumhängten,
kifften und – statt am Handy zu sein – Unfug anstellten,      Fazit
das weiss keiner mehr. Es ist klar, dass sich mit dem Fort-   Ja, die Kinder und Jugendlichen von heute verbringen
schritt in der Technologie auch die Interessen verändern.     mehr Zeit vor Bildschirmen. Der schnelle Fortschritt ist
Das heisst aber nicht, dass sich das Leben der Kinder und     schuld. Wäre die Technik schon damals auf dem heutigen
Jugendlichen nur noch in der digitalen Welt abspielt oder     Stand gewesen, sähe es genau gleich aus. Aber es ist weit-
alles schlechter ist. Im nächsten Abschnitt werden wir die    aus weniger schlimm, als das Vorurteil besagt, das man hat
Umfrage genauer anschauen und sehen, ob es wirklich so        und welches auch vermittelt wird. Die Kinder und Ju-
schlimm um die «Generation Nix» steht.                        gendlichen sind immer noch in der Natur – auch wenn sie
                                                              sich vielleicht weniger damit auseinandersetzen. Sie haben
Resultate die (nicht) verblüffen                              auch reale Freunde, mit denen sie etwas unternehmen,
Ein Grossteil aller Mädchen – egal welchen Alters – tan-      nicht nur Online-Freunde, mit denen sie chatten. Die Ho-
zen und reiten gerne. In der Rubrik Sport gibt es beträcht-   bbys haben sich in die Digitalität verschoben, jedoch die
lich mehr Varietät als bei den Jungs. Die Mädchen haben       «normalen» Hobbys nicht verdrängt.Wir wissen nicht wie
eine grosse Bandbreite; von Fussball über Eishockey und       es in zehn Jahren aussieht, aber heute besteht ein ausge-
Volleyball bis zur Mädchenriege und dem Schwimmun-            wogener Ausgleich zwischen «alten und neuen», zwischen
terricht wurde alles aufgeschrieben oder angekreuzt. Es       «virtuellen und realen» Hobbys.

                                                                                                                           21
Betreibt man Urban Exploration,

       Urban       so wird die Stadt zum
                   Abenteuerspielplatz.

     Exploration
                   von Miro Müller

                   Das Erste, was einem beim Betreten des finsteren Tun-
                   nels auffällt, ist der Geruch – eine Mischung aus nassem
                   Beton, abgestandenem Wasser, einer Note Chlor und,
                   unverkennbar, Fäkalien unbekannten Ursprungs. Meine
                   Kollegin Mae (Pseudonym) leuchtet mit ihrer Taschen-
                   lampe die Wände entlang: Sie sind übersät mit Graffiti.
                   Wir sind definitiv nicht die Ersten hier unten, im Abwas-
                   sertunnel unter der Stadt. Der trügerisch schmale, ange-
                   schrägte Betonsteg, auf welchem wir uns im Halbdunkel
                   vortasten, ist stellenweise immer wieder überflutet von
                   den roh aus der Wand geschlagenen Wasserzuläufen. Ihre
                   kalten, klaren Ausflüsse strömen in den träge neben uns
                   daher fliessenden Kanal, und in einem unvorsichtigen
                   Moment auch in meine Schuhe. Ab und zu hören wir das
                   holpernde Rattern der Trams über uns; wir sind nur etwa
                   8 Meter unter ihren Gleisen. Als aber der letzte Strahl
                   des Tageslichts um eine sanfte Beugung des Tunnels ver-
                   schwindet, fühle ich mich plötzlich sehr weit weg von der
                   Stadt an der Oberfläche, verloren irgendwo in ihren laby-
                   rinthartigen Zementeingeweiden.

                   Erforscher des Grossstadtdschungels
                   Die Schweizer Grossstädte befinden sich im Moment im
                   Wandel. So beispielsweise auch in der Nähe des Zürcher
                   Hauptbahnhofs, wo im Moment die schon lange herbei-
                   gesehnte Europaallee entsteht: Das topmoderne Quartier
                   soll Platz bieten für diverse Büros,Wohnungen, Geschäfte
                   und Bildungseinrichtungen. Jeden Tag beobachten Passan-
                   ten fasziniert das Tummeln der Bauarbeiter auf den vie-
                   len Gerüsten und Baustellen. Doch bereits jetzt finden
                   städtische Abenteurer eine neue Funktion in ebensolchen
                   unfertigen Räumen: Urban Exploration (kurz «Urbex»)
                   nennt sich das Hobby, das sich seit Mitte der 2000er Jahre
                   einer immer mehr gesteigerten Aufmerksamkeit erfreut.
                   Wer Urbex betreibt, will die unbekannten, vergessenen
                   oder unsichtbaren Winkel der Stadt entdecken – und
                   somit werden vom geschichtsbegeisterten Hobbyfor-
                   scher über den Adrenalinjunkie bis zum wagemutigen
                   Stadtfotografen verschiedenste Arten von Leuten davon
                   angezogen. Baustellen, verlassene Industriegebäude und
                   unterirdische Wasserbecken werden zu Kletteranlagen,
                   Erkundungsorten und Spielplätzen. Die Grundregel dabei
                   ist simpel: «Nimm nichts mit, lass nichts zurück». Mae,
                   die mich in den feuchten Abwassertunnel mitgenommen
                   hat, ist eine dieser waghalsigen Entdeckerinnen.

                   Aus Wänden werden Berge
                   Nachdem wir die Leiter am Ende des Tunnels wieder
                   hochgeklettert sind, erklärt mir Mae, wie sie Urbex für
                   sich entdeckt hat. «Ich war eigentlich schon immer ein

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sehr aktives Kind und bin überall hochgeklettert. Zu-          zieht sich Mae auf das nächste, angrenzende Dach. Dort
erst waren das Bäume oder Klettergerüste. Dann bin ich         rappelt sie sich auf und schwingt sich auf einen Kamin,
einmal auf dem Spielplatz auf das Dach des Türmchens           der aus der Dachschräge ragt. Dann lässt sie die Beine
geklettert, wo man ja eigentlich nicht hochdurfte – und        baumeln, schaut sich um – und gestikuliert mir plötzlich
damit war das Tabu gebrochen. Von da an habe ich immer         zu, unten zu bleiben; leise zu sein. Sie deutet hinter sich:
spannendere Orte gesehen, die ich erklimmen wollte.            Etwa zwanzig Meter Luftlinie von uns aus sitzt eine ältere
Der Spielplatz hat sich auf die Stadt ausgebreitet, und aus    Dame mit ihrer (nun gesenkten) Zeitung in den Händen
Wänden sind erklimmbare Berge geworden». Später wird           auf ihrer Dachterrasse und beobachtet uns interessiert.
sie mir auch erzählen, dass es sie sowieso immer am meis-      Zwar macht sie nicht den Anschein, die Polizei rufen zu
ten in die Höhe ziehe. Auf meine Frage, ob sie denn vor        wollen – aber unser Bedarf, weitere Risiken einzugehen,
allem den Adrenalinkick suche, meint sie, dass sei eher        ist gering. Nach wenigen Minuten stehen wir wieder un-
der falsche Begriff: «Einen wirklich expliziten «Kick»         ten auf der Strasse.
gibt es nicht, beim Klettern bist du die ganze Zeit voll da,
und eigentlich auch immer nervös. Aber dieser Moment,
wenn du oben ankommst und dich umsiehst – das ist so           Die wahren Gefahren
ein extrem schönes Gefühl der Freiheit. Das findest du         Kurze Zeit später sind wir in Maes Wohnung angekom-
sonst nirgends!».                                              men. Während sie beiläufig immer wieder die Krümel
                                                               von der Packung Doppelkekse, die wir uns teilen, zur
Aus den Augen, aus dem Sinn                                    Seite wischt, erzählt sie mir, dass das heute im Ernstfall
Auf dem Rückweg schlägt Mae vor, dass wir auch noch            nicht ihre erste Konfrontation mit der Polizei aufgrund
auf ein Hausdach in der Nähe klettern könnten – der            von Urbex gewesen wäre. Die Hüter des Gesetzes seien
Aufstieg sei nicht sehr schwierig, und die Aussicht die        aber auch bei weitem nicht das Gefährlichste, das einem
Anstrengung wert. Etwas zögerlich stimme ich ihr zu.           passieren könne. «Einmal, da wäre ich wirklich fast ge-
Zehn Minuten später sind wir bereits ein Treppenhaus           storben. Wir sind in der Nacht auf einem mit welligen
hochgestiegen, und ich zwänge mich durch das unabge-           Platten belegten Industriedach herumgeklettert – das war
schlossene Dachfenster, durch welches sich Mae gerade          schon ganz alt und erodiert. Zwischen den Platten hatte
vor mir noch mühelos hochgezogen hat. Nach einer kur-          es brüchige Plastikfenster, die aber so verwittert waren,
zen Anstrengung stehe ich mit wackligen Beinen auf dem         dass man sie auch bei Tageslicht kaum erkennen konnte
ziegelsteinbelegten Satteldach. Mae zeigt über die Dach-       – geschweige denn bei Dunkelheit! Ich bin da also übers
rinne hinweg auf die Strasse und die Fussgänger, die das       Dach gestiegen, und plötzlich ist der Boden mit einem
Trottoir entlangschlendern. «Du musst dir keine Sorgen         lauten Krachen unter meinen Füssen eingebrochen. Zum
machen; die Leute gucken eh nie hoch», meint sie. Tat-         Glück konnte ich mich gerade noch zusammenziehen und
sächlich sollten wir von der Strasse aus, über welcher wir     zur Seite fallen lassen – ansonsten wäre es weit runterge-
in 15 Metern Höhe stehen, gut sichtbar sein – aber keiner      gangen. Etwa 5 Stockwerke, und zuunterst alte Maschi-
der Passanten macht auch nur den Anschein, den Kopf zu         nen… Das wäre kein schönes Ende gewesen.» Trotzdem
heben. Wir gehen den Dachfirst entlang, und Mae zeigt          sei es ihr das Risiko wert, und solange man vorsichtig sei,
auf die Baukräne, die zwischen den Häusern herausra-           passiere ja grundsätzlich auch wirklich nichts. Inzwischen
gen: Vor etwa einem Jahr habe sie alle damals von hier         ist es ziemlich spät geworden, und bevor ich mich auf den
aus sichtbaren Kräne schon einmal erklommen. Inzwi-            Weg mache, frage ich sie, ob sie noch eine abschliessende
schen seien aber schon wieder neue dazugekommen. Wir           Bemerkung habe. Sie denkt kurz nach – und dann breitet
kommen am Ende des Dachfirstes an, und ohne zu zögern          sich ein Grinsen in ihrem Gesicht aus: «Stay safe!».

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Für ein Dach über dem Kopf

                             Ein Schuldossier
                               von Nathalie Hug

         Dieses Jahr setzt sich die Spendenaktion «Jeder Rappen zählt»
          vom Radio SRF für Familien ohne Dach über dem Kopf ein. In
      Zusammenarbeit mit SRF und der Glückskette hat youngCaritas nun
       ein Schuldossier für die Praxis zusammengestellt. Wie das Dossier
             aufgebaut und für wen es geeignet ist, erfahrt ihr hier.

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links: Weisses Infoblatt für die
                                                                             SchülerInnenn

                                                                             rechts: Graues Infoblatt für die
                                                                             Lehrperson

Einblick in das Dossier                                      Kutupalong und die konkreten Hilfsprojekte. Für jedes
Das Schuldossier kann kostenlos auf der Website von          Teilthema gibt es ein Arbeitsblatt mit Fakten und Diskus-
youngCaritas in gedruckter oder digitaler Form bestellt      sionsfragen. Die möglichen Lösungen sind auf den Infob-
werden. Die Zielstufe reicht von der 5. bis zur 9. Klasse.   lättern für die Lehrperson notiert.
Der Bezug zum Lehrplan 21 wurde nur für den dritten
Zyklus gemacht, im zweiten Zyklus sind aber auch Lern-       Mein Fazit
ziele zu finden, die man in einer Mittelstufe abdecken       Das Schuldossier ist sehr strukturiert aufgebaut und an-
kann. Im Dossier wird das Thema «Dach über dem Kopf»         sprechend gestaltet. Die Lernziele sind vernünftig mit
aus drei verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Das ers-     dem Lehrplan verknüpft und der Aufbau der Kapitel ist
te Beispiel ist das Erdbeben in Nepal im Jahr 2015, das      sinnvoll. Die Videobeiträge und die Diskussionsfragen
zweite befasst sich mit dem Syrienkonflikt, der seit 2010    sind jeweils mit einem Schwierigkeitsgrad versehen, man
andauert und als drittes wird das Schicksal der Rohing-      kann das Kapitel also den Klassenstufen anpassen. Die
ya-Flüchtlinge (ethnische Minderheit in Myanmar) ange-       Kapitel können gut in der Sekundarstufe auf verschiede-
sprochen. Als zusätzliches Kapitel wird die Situation in     ne Gruppen aufgeteilt werden. Die Videos sind von einer
der Schweiz angeschaut, in dem auch «Kindesmisshand-         sehr guten Qualität, müssen vorher aber unbedingt ange-
lungen» thematisiert werden.                                 schaut werden, da sie reale Begebenheiten und Situatio-
Da die unterschiedlichen Perspektiven unabhängig vonei-      nen von Menschen in Not zeigen und diese verstörend für
nander sind, können auch nur Teile des Dossiers bearbei-     Kinder sein können. Für eine Primarstufenklasse hat es
tet werden, je nachdem wie viel Zeit man in das Thema        sehr viele Diskussionsfragen, die man aber natürlich nicht
investieren möchte.                                          alle behandeln muss. Ich finde, dass das Dossier für die
                                                             Sekundarstufe geeignet ist. Natürlich muss man das Dos-
Aufbau des Dossiers                                          sier je nach Klasse anpassen; für die Sekundarstufe weni-
Das Schuldossier ist in drei, beziehungsweise vier, un-      ger, für die Primarstufe mehr. Es müssten Ergänzungen
terschiedlich grosse Kapitel unterteilt. Am Anfang jedes     gemacht und Hilfestellungen gegeben werden, damit die
Kapitels folgen zunächst die Informationsblätter der je-     Kapitel für jede Schülerin und jeden Schüler verständlich

                                                             +
weiligen Perspektiven. Bevor man jedoch mit einem Ka-        sind.
pitel einsteigt, gibt das Dossier eine Einführung ins The-
ma «Dach über dem Kopf». Dabei werden verschiedene
Bilder von Schlafplätzen von Kindern der ganzen Welt be-        Pro
sprochen. Die Bilder sind per Link aufrufbar. Anschlies-         • Kostenlos (digitale und gedruckte Form)
send folgen die vier Kapitel.                                    • Ansprechend gestaltet
                                                                 • Sinnvoller Aufbau der Kapitel
Aufbau eines Kapitels                                            • Schwierigkeitsgrade bei Videos und Diskussions-

                                                             –
Im nachfolgenden Abschnitt wird das Kapitel der                    fragen angegeben
«Rohingya-Flüchtlinge» näher angeschaut.                         • Qualität der Videos
Im Dossier gibt es graue Infoblätter für die Lehrperson
und weisse für SchülerInnen. Die Informationsblätter für        Kontra
die Lehrpersonen beinhalten die Lernziele für das jewei-         • Schwere Themen
lige Kapitel sowie passende Videobeiträge und Links. Das         • Evt. zu diskussionslastig für Primarstufe
Kapitel «Rohingya-Flüchtlinge» ist aufgeteilt in die Hin-        • Anpassungen/Ergänzungen müssen in jedem Fall
tergrundinformationen, die grossen Probleme im Camp                gemacht werden

                                                                                                                          25
In einer Gesellschaft, die so bunt wie noch nie ist, sollte
     es doch möglich sein, eine Lösung für alle zu finden. Ein
     gescheiter Mann mit heraushängender Zunge meinte mal
     beiläufig: «Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.» Da-
     rum hier der Vorschlag, dass jeder einfach selber ent-
     scheiden soll, wie spät es denn jetzt ist. Ein Tag hat in der
     Endabrechnung für jeden immer noch 24 Stunden, zeitli-
     che Gleichstellung. Bei jeglichen Zeitangaben müsste man
     natürlich beide Ausrichtungen beachten, kein Problem für
     die Schweiz, wo sowieso jede Beschriftung und jedes Do-
     kument in mind. zwei Sprachen vorliegt. Lehrpersonen
     müssten dann natürlich ihr Unterrichtsangebot für alle zu-
     gänglich machen, ob Sommer- oder Winterzeitler – Ange-
     botsvielfalt und Berücksichtigung der Heterogenität. Auch
     kein Problem, die täglichen zwei Stunden Mehraufwand
     werden mit den 13 Wochen Ferien kompensiert. Und für
     alle Unterrichtsempfänger würde die passende Kompetenz
     heissen: «Die SchülerInnen können sich eigenständig einer
     Zeitausrichtung zuordnen und nehmen mit dem überfach-
     lichen Ziel der sozialen Zusammenarbeit Rücksicht auf die
     Zeitausrichtung von MitschülerInnen.»

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