ERDERWÄRMUNG: HANDELN LOHNT SICH - GFZpublic

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ERDERWÄRMUNG: HANDELN LOHNT SICH - GFZpublic
Earth System Knowledge Platform – die Wissensplattform des Forschungsbereichs Erde und
Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft, www.eskp.de
Klimawandel · Anpassung

ERDERWÄRMUNG:
HANDELN LOHNT SICH
Oliver Jorzik 1
1
    Earth System Knowledge Platform | ESKP

Zuerst publiziert: 10. Oktober 2018, 5. Jahrgang

Digitaler Objektbezeichner (DOI): https://doi.org/10.48440/eskp.060

Teaser
Am 8. Oktober 2018 veröffentlichte der Weltklimarat IPCC seinen Sonderbericht zum 1,5-
Grad Klimaziel im südkoreanischen Incheon. Der Bericht mahnt zur Eile. Um die
Erderwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten, sind alle gefordert:
Regierungen, Wirtschaft und Bürger. In einem Interview des Forschungszentrums Jülich
gibt Prof. Astrid Kiendler-Scharr eine Einschätzung des Berichts. Sie ist Leiterin am Institut
für Energie- und Klimafolgenforschung (IEK-8) und hat als Gutachterin am IPCC-
Sonderbericht mitgearbeitet. ESKP hat das Interview und die Ergebnisse des IPCC-
Gutachtens zusammengefasst.

Keywords
IPCC, Weltklimarat, Treibhausgase, CO2, Landwirtschaft, Nutzviehhaltung, Atmosphäre,
Spurengase, Luftschafstoffe, Ozon, Klima, Aerosole, Starkregen, Hitzewellen, Dürre,
Biodiversität, Pariser Abkommen

Ist die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad gegenüber der
vorindustriellen Zeit noch möglich, besser auf 1,5 Grad? Nach Aussagen des Weltklimarats,
die er in einem aktuellen Gutachten für das UNFCCC-Sekretariat vorgelegt hat, würde eine
Begrenzung der Erderwärmung schnelle, weitreichende und beispielslose Veränderungen
bedeuten. Diese Veränderungen würden alle Bereiche der Gesellschaft treffen.

Für die Jülicher Klimaforscherin Prof. Dr. Astrid Kiendler-Scharr ist das ehrgeizige Ziel nur
mit einem starken Wechsel der Energietechnologie zu erreichen bis hin zu erneuerbaren
Energien. Wenn es um kurzfristige Wirkungen geht, ist für sie klar: „Alle Prozesse, die
Treibhausgase ansteigen lassen, sollten möglichst minimiert werden. Das umfasst zum
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Beispiel die industrielle Produktion, die Landwirtschaft oder die Nutzviehhaltung.“ Aber
wir müssten auch unseren Lebensstil insgesamt hinterfragen und unser individuelles
Handeln konsequenter nach dem Grundsatz „Wissen und Gewissen“ ausrichten. Auch die
Politik ist gefordert. Sie könnte diesen Veränderungsprozess unterstützen durch
Förderungen – beispielsweise für Radwege, den öffentlichen Nahverkehr oder Speicher für
die erneuerbaren Energien.

Gleichzeitig muss man sich mit der Frage der CO2-Speicherung auseinandersetzen. „Alle
aktuellen Berechnungen zeigen, dass wir CO2 aktiv aus der Atmosphäre herausnehmen
müssen, um eine Temperaturerhöhung von über 1,5 Grad zu vermeiden“, so Kiendler-
Scharr. Denn CO2 gehört zu den langlebigen Treibhausgasen. Wenn es einmal in der
Atmosphäre ist, verbleibt es dort so gut wie immer. Die natürlichen CO2-Speicher wie
Wälder und Ozeane würden nicht ausreichen, um den CO2-Anteil in wenigen Jahrzehnten
deutlich zu reduzieren.

Abb. 1: Jedes Treibhausgas hat seine spezifische Verweildauer und Wirksamkeit in der Atmosphäre. Neben
CO2 sind andere Gase teils wesentlich schädlicher. (Grafik: eskp.de, Lizenz: CC BY 4.0)

Kurzfristige Wirkungen erreichen
Anders sähe das mit den kurzlebigen Spurengasen und Luftschadstoffen aus. Kurzlebige
Klimatreiber sind zum Beispiel atmosphärisches Ozon oder Aerosole. Es handelt sich um
Schwebeteilchen mit einer klar begrenzten Aufenthaltszeit in der Atmosphäre. Astrid
Kiendler-Scharr sieht hier ein großes Potenzial. Wenn man das 1,5 oder 2-Grad Ziel
erreichen möchte, „muss man sich massiv diesen kurzlebigen Stoffen zuwenden“, so die
Forscherin. So werde bodennahes Ozon durch anthropogene Luftschadstoffe gebildet.
Dieses sei nicht nur schädlich für Mensch und Umwelt, sondern auch ein starkes
Treibhausgas. Maßnahmen zur Luftqualitätsverbesserung hätten hier also einen direkten
Effekt auf das Klima.

Bei den sogenannten Aerosolen ist die Sachlage komplizierter. Zwar führt die Gesamtheit
aller Aerosole netto zu einer Kühlung, manche Aerosoltypen wie etwa Ruß können aber
auch wärmend wirken. Gleichzeitig wirkten sie als Wolkenkeime. Wolken wiederum haben
je nach Zusammensetzung, Tageszeit und Höhenlage einen kühlenden oder wärmenden
Effekt. „Wenn wir diese komplexen Zusammenhänge besser verstehen, gibt es die Chance
in naher Zukunft Erfolge im Klimageschehen zu erzielen. Dieses Wissen wiederum könnte
man laut Astrid Kiendler-Scharr als Übergangsphase nutzen, bis die Reduktion von CO2
weiter fortgeschritten ist. Sowohl bodennahes Ozon als auch Aerosole sind stark durch den
Menschen beeinflusst. Eine der Hauptquellen ist die Verbrennung fossiler Energien. Hierbei
nimmt der Straßenverkehr eine Schlüsselstellung ein.

Temperaturanstieg: je geringer, desto besser
Eine der Kernaussagen, die aus dem aktuellen IPCC-Bericht hervorgehen, ist, dass „wir
bereits die Folgen von 1 Grad Celsius globaler Erwärmung sehen – neben anderen
Änderungen“. Dies sagte Panmao Zhai, Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe I bei der
Vorstellung des Berichts. Dazu zählen extremeres Wetter – Starkregen, Hitzewellen, Dürre
– sowie steigende Meeresspiegel und eine Abnahme des Meereises in der Arktis. Mit
ansteigender Temperatur müsste man zunehmend mit Hitzewellen und Dürre, wie wir sie
in diesem Sommer erlebt hatten, rechnen – verbunden mit allen negativen Folgen für die
Landwirtschaft und damit verbunden für die Produktion von Nahrungsmitteln.

Das Alfred-Wegener-Institut für Polarforschung in Bremerhaven weist mit Verweis auf den
IPCC-Bericht darauf hin, dass eine Reihe von Auswirkungen des Klimawandels vermieden
werden könnten, wenn sich die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber 2 Grad
Celsius begrenzen ließe. Beispielswiese würde die Ausdehnung von Korallenriffen bei einer
globalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius um 70 bis 90 Prozent abnehmen, während bei 2
Grad Celsius praktisch alle Riffe (mehr als 99 Prozent) verloren gehen würden.
Korallenriffe haben nicht nur eine wichtige Funktion beim Küstenschutz. Sie dienen zudem
auch als Aufzuchtgebiet für viele Fischarten, die wiederum als Lebensgrundlage und
Einkommensquelle für Menschen dienen. Aber nicht nur marine Ökosysteme würden durch
eine stärkere Begrenzung des Temperaturanstiegs weniger belastet. Laut IPCC-
Sonderbericht gäbe es auch weniger negative Auswirkungen auf die Biodiversität an Land,
die Versorgung von Menschen mit Wasser oder Überflutungen durch einen steigenden
Meeresspiegel. Der Bericht zeigt die verschiedenen Entwicklungspfade auf, die mit dem
Erreichen des 1,5-Grad- oder des Zwei-Grad-Ziels verbunden sind. Damit bildet er eine
wichtige Bewertungsgrundlage für politische Entscheider.
Über den IPCC
Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) ist das weltweit
führende Gremium für die Bewertung der Wissenschaft im Zusammenhang mit dem
Klimawandel, seiner Auswirkungen und potenziellen künftigen Risiken sowie möglicher
Handlungsoptionen. Der Bericht wurde unter der wissenschaftlichen Leitung aller drei
IPCC-Arbeitsgruppen erstellt. Arbeitsgruppe I bewertet die physikalischen Grundlagen des
Klimawandels; Arbeitsgruppe II befasst sich mit Auswirkungen, Anpassung und Anfälligkeit;
und die Arbeitsgruppe III befasst sich mit der Abschwächung des Klimawandels.

Das Pariser Abkommen, das im Dezember 2015 auf der 21. UNFCCC-Konferenz von 195
Staaten verabschiedet wurde, beinhaltete das Ziel, den Anstieg der globalen
Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen
Niveau zu begrenzen, wenn möglich auf 1,5 Grad Celsius. Der IPCC wurde eingeladen, 2018
einen entsprechenden Sonderbericht vorzulegen. Dieser Einladung folgte der IPCC folgte
und fügte hinzu, dass der Sonderbericht diese Fragen im Zusammenhang mit der Stärkung
der globalen Antwort auf die Bedrohung durch den Klimawandel, nachhaltige Entwicklung
und Bemühungen zur Beseitigung der Armut behandeln würde.

Referenzen
Alfred-Wegener-Institut – AWI. (2018, 5. Oktober). Weltklimarat zum 1,5-Grad-Ziel
[Pressemitteilung, www.awi.de]. Aufgerufen am 04.04.2020.
Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle, DLR Projektträger. (o.D.). Deutsche
IPCC‑Koordinierungsstelle. Ansprechpartner in Deutschland bei Fragen zum Weltklimarat
IPCC. [Webseite IPCC Deutschland, www.de-ipcc.de]. Aufgerufen am 13.01.2021.
IPCC. (2018). Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger [Deutsche Übersetzung
auf Basis der Version vom 14.11.2018]. In 1,5 °C globale Erwärmung. Ein IPCC-
Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C gegenüber
vorindustriellem Niveau und die damit verbundenen globalen Treibhausgasemissionspfade
im Zusammenhang mit einer Stärkung der weltweiten Reaktion auf die Bedrohung durch
den Klimawandel, nachhaltiger Entwicklung und Anstrengungen zur Beseitigung von Armut
(hrsg. von V. Masson-Delmotte, P. Zhai, H. O. Pörtner, D. Roberts, J. Skea, P. R. Shukla, A.
Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J. B. R. Matthews, Y. Chen, X.
Zhou, M. I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor & T. Waterfield). Bonn/Bern/Wien:
Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle, ProClim/SCNAT, Österreichisches Umweltbundesamt.
ProClim/SCNAT, Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle & Österreichisches Umweltbundesamt.
(Hrsg.). (2019, 27. März). IPCC-Sonderbericht über 1,5 °C globale Erwärmung
[Hauptaussagendes IPCC-Sonderberichts, Übersetzung in Deutsche]. Bern/Bonn/Wien.
Stahl-Busse, B. (2018, 7. November). 1,5-Grad Klimaziel – jeder ist gefordert! [Interview
mit Prof. Astrid Kiendler-Scharr, fz-juelich.de]. Aufgerufen am 04.04.2020.

Zitiervorschlag
Jorzik, O. (2018, 10. Oktober). Erderwärmung: Handeln lohnt sich. Earth System
Knowledge Platform [eskp.de], 5. doi:10.48440/eskp.060
Text, Fotos und Grafiken soweit nicht andere Lizenzen betroffen: eskp.de | CC BY 4.0
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Gemeinschaft
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