Erläuterungen zur Verordnung 2 vom 13. März 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19-Verordnung 2)

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Eidgenössisches Departement des Innern EDI
                                               Bundesamt für Gesundheit BAG

Erläuterungen zur Verordnung 2 vom 13. März 2020 über Massnah-
men zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19-Verordnung 2)

Version vom 15. Mai 2020, 17:00 Uhr

1. Ausgangslage und Zweck der Verordnung / der Massnahmen
Der Bundesrat hat am 28. Februar 2020 Massnahmen in einer besonderen Lage
nach Art. 6 Abs. 2 Bst. b Epidemiengesetz (EpG; SR 818.101) angeordnet und lan-
desweit öffentliche oder private Veranstaltungen, an welcher sich gleichzeitig mehr
als 1000 Personen aufhalten, zeitlich befristet verboten (Verordnung vom 28. Feb-
ruar 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus [COVID-19]; SR
818.101.24).
Diese Verordnung wurde am 13. März 2020 durch die vorliegende Verordnung (CO-
VID-19-Verordnung 2) ersetzt und seitdem mehrmals und in hohem Rhythmus ange-
passt. Am 1. April 2020 wurde die Verordnung zudem in systematischer und termino-
logischer Hinsicht überprüft und überarbeitet. So enthält die Verordnung u.a. eine
adaptierte Struktur (Einfügung der Ebene "Kapitel"), auch wurden einzelne Bestim-
mungen neu gruppiert.
Die folgenden Erläuterungen beziehen sich auf die COVID-19-Verordnung 2 in der
Fassung vom 14. Mai 2020.
Je näher und länger Personen beieinander sind, desto höher ist die Wahrscheinlich-
keit einer Übertragung. Das neue Coronavirus wird hauptsächlich bei engem und län-
gerem Kontakt übertragen. Das heisst konkret: bei weniger als 2 Metern Abstand
während mehr als 15 Minuten. Grosse Menschenansammlungen erhöhen das Risiko
der Übertragung des Coronavirus (COVID-19) auf viele Leute ganz besonders. Eine
wirksame Massnahme zur Eindämmung und Abschwächung eines Krankheitsaus-
bruchs ist demzufolge Distanz zu halten (engl. social distancing). Damit können die
Häufigkeit von Übertragungen reduziert, Übertragungsketten unterbrochen und lo-
kale Ausbrüche verhindert bzw. eingedämmt werden. Damit dienen sie auch dem
Schutz besonders gefährdeter Personen.
Aufgrund der aktuellen Entwicklung in Italien und weiteren europäischen Ländern
und dem antizipierten Verlauf der Epidemie 1 in der Schweiz ist ohne Anpassung der
Massnahmen der Verordnung vom 13. März 2020, die die Verbreitung nochmals
substanziell reduzieren, in absehbarer Zeit mit einer Überforderung insbesondere der
stationären medizinischen Einrichtungen (Spitalbetten, ICU) zu rechnen. Aufgrund
der aktuell eingetretenen epidemiologischen Entwicklung haben rigide Massnahmen
in der ersten Phase der Epidemie grössere Erfolgschancen, den epidemiologischen
Verlauf nachhaltig zu beeinflussen, als Verschärfungen zu einem späteren Zeitpunkt.

1Nachfolgend wird der Begriff «Epidemie» verwendet, der der Terminologie im EpG entspricht. Die
Verwendung dieses Begriffs stellt aber keineswegs in Frage, dass es sich bei der aktuellen Situation
um eine Pandemie handelt, wie dies von der WHO auch bereits Mitte März 2020 festgehalten wurde.
Bei der Anordnung von Massnahmen gilt es dem Verhältnismässigkeitsprinzip Rech-
nung zu tragen. Regulatorisch besteht die Schwierigkeit des Ausgleichs zwischen
praktikablen, einfachen und schematischen Lösungen und einer sachgerechten Mas-
snahme im Einzelfall. Die Verordnung des Bundesrates wurde deshalb konkretisiert
und es wurden den Kantonen genauere Vorgaben gemacht, ohne deren Spielraum
ungebührlich zu verengen.
Ein zentraler Aspekt bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit ist zudem immer
auch die zeitliche Komponente einer Anordnung (Befristung der Massnahme).

2. Erläuterungen im Einzelnen
2.1 Allgemeine Bestimmungen (1. Kapitel)
Inhalt von Artikel 1
Ziel der vorliegenden Verordnung ist gemäss Absatz 1 die Anordnung von Massnah-
men gegenüber der Bevölkerung, Organisationen und Institutionen sowie den Kanto-
nen zur Verminderung des Übertragungsrisikos und zur Bekämpfung des Coronavi-
rus (COVID-19). Die Ziele der Massnahmen sind in Absatz 2 aufgeführt.

Inhalt von Artikel 1a
Diese Bestimmung enthält die Feststellung, dass die Kantone im Rahmen ihrer Zu-
ständigkeiten nach wie vor tätig sein dürfen, sofern diese Verordnung keine Vorga-
ben macht.
Für die Zuständigkeitsfrage gilt es zwei Konstellationen zu unterscheiden:
Konstellation 1: Der Bundesrat hat eine (explizite) Regelung getroffen
Hat der Bundesrat eine Regelung getroffen, hat dies zur Folge, dass die Kantone
keine Bestimmungen erlassen dürfen, die der Bundesverordnung widersprechen. So-
fern für einen Bereich eine Bundesregelung besteht, ist diese abschliessend.
In einer ausserordentlichen Lage nach Artikel 7 Epidemiengesetz haben sich die
Kantone an die Vorgaben des Bundes zu halten. Sie haben in den durch die vorlie-
genden COVID-19-Verordnung 2 regulierten Bereichen keinen Handlungsspielraum
mehr, sondern erfüllen einen Vollzugsauftrag des Bundes. Das bedeutet, dass die
Kantone zum Beispiel keine von der COVID-19-Verordnung 2 abweichenden Rege-
lungen betreffend den Betrieb von Hotels (vgl. Art. 6 Abs. 3 Bst. j) erlassen dürfen.
Ebenso dürfen die kantonalen Vollzugsbehörden mit ihren Vollzugshandlungen die
vorliegende Bundesratsverordnung nicht unterlaufen. Es wäre damit nicht bundes-
rechtskonform und deshalb nicht zulässig, wenn die kantonalen Vollzugsbehörden
Verkaufsstellen von Telekommunikationsanbietern sowie Lebensmittelläden schlies-
sen würden. Solche Läden sind in Art. 6 Abs. 3 Bst. a und c der COVID-19-Verord-
nung 2 explizit von den zu schliessenden Einrichtungen ausgenommen.

Konstellation 2: Der Bundesrat hat keine (explizite) Regelung getroffen
Hat der Bundesrat zu einem Sachverhalt keine (explizite) Regelung getroffen, gilt es
wiederum zwei Fälle zu unterscheiden:
   − Der Bundesrat verzichtet auf eine explizite Regelung in der Absicht, den Kan-
     tonen eine Regelungsbefugnis einzuräumen.

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Beispiel: Besuchsmöglichkeiten und Besuchszeiten in Altersheimen. Die Kan-
       tone haben hier die Befugnis, beispielsweise die Besuchszeiten in Altershei-
       men zu regeln oder ein Besuchsverbot zu erlassen, da die COVID-19-Verord-
       nung 2 diesbezüglich keinerlei Vorgaben enthält.
   − Der Bundesrat verzichtet auf eine explizite Regelung in der Absicht, dass der
     betreffende Bereich in der ausserordentlichen Lage nicht geregelt werden soll
     (sogenannten "qualifiziertes Schweigen"), auch nicht durch die Kantone. Er
     belässt den Kantonen bewusst keine Regelungsbefugnis.
       Beispiel: Der Bund regelt das Ausgehverbot nicht, weil er kein Ausgehverbot
       will. Hier ist die (negative) Regelung abschliessend, die Kantone sind nicht be-
       fugt, ein Ausgehverbot zu erlassen.
Welche der beiden Fallgruppen bei der sich konkret stellenden Frage zur Anwen-
dung gelangt, ist durch die üblichen Auslegungsregeln zu eruieren.

Inhalt von Artikel 1b:
Diese Bestimmung gliedert die bisherige Vollzugsregelung des Artikel 9 in die allge-
meinen Bestimmungen ein: Der Grundsatz, wonach - vorbehältlich spezifischer Voll-
zugsvorschriften in den einzelnen Bestimmungen - die Kantone für den Vollzug zu-
ständig sind, gilt für die gesamte Verordnung.

2.2 Aufrechthaltung der Kapazitäten in der Gesundheitsversorgung (2. Kapitel)
Die Massnahmen zur Aufrechterhaltung der Kapazitäten in der Gesundheitsversor-
gung betreffen zwei Bereiche: Einschränkungen beim Grenzübertritt sowie bei der
Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern (Art. 2–4a) und eine Ausfuhrkontrolle
für Schutzausrüstung (Art. 4b und 4c). Dem betreffenden Abschnitt ist eine Grund-
satzbestimmung vorangestellt.

Inhalt von Artikel 2:
Um die Kapazitäten der Schweiz zur Bewältigung der COVID-19-Epidemie aufrecht-
zuerhalten und um insbesondere die Bedingungen für eine ausreichende Versorgung
der Bevölkerung mit Pflege und Heilmitteln zu gewährleisten, trifft die Schweiz nach
Absatz 1 dieser Grundsatzbestimmung Massnahmen in dreierlei Hinsicht:
 − zur Einschränkung der Einreise von Personen aus Risikoländern oder -regionen
   sowie der Ein- und Ausfuhr von Waren (Abs. 1 Bst. a).
 − zur Kontrolle der Ausfuhr von für die Gesundheitsversorgung wichtigen Gütern
   (Abs. 1 Bst. b).
 − zur Sicherstellung der Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern (Abs. 1
   Bst. c).
Als Risikoländer oder -regionen gelten nach Absatz 2 namentlich Länder und Regio-
nen, deren Behörden ausserordentliche Massnahmen zur Verhütung und Bekämp-
fung der COVID-19-Epidemie angeordnet haben. Sie sind in Anhang 1 der Verord-
nung aufgeführt: aktuell sind es alle Schengen-Staaten (ausser Fürstentum Liech-

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tenstein), jeweils inkl. Luftverkehr. Gleiches gilt – in Übereinstimmung mit der Emp-
fehlung der EU-Kommission – für sämtliche Drittstaaten ausserhalb des Schengen-
Raumes (jeweils bzgl. Luftverkehr).
Absatz 2 überträgt zudem dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement
(EJPD) die Kompetenz, nach Rücksprache mit dem Eidgenössischen Departement
des Innern (EDI) und dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegen-
heiten (EDA) die Risikoländer oder -regionen zu bestimmen.

Inhalt von Artikel 3:
Die Einreise für Personen aus Risikostaaten oder Risikoregionen wird im Grundsatz
verboten.
Ausgenommen vom Einreiseverbot sind Schweizerinnen und Schweizer, Personen,
die über einen gültigen Aufenthaltstitel in der Schweiz verfügen, ein berufliches Motiv
für die Einreise haben oder nur für den Transit durch die Schweiz in einen Drittstaat
reisen wollen. Diese Personengruppen müssen bei der Einreise in die Schweiz bele-
gen, dass sei sie eine dieser Bedingungen für eine Ausnahme erfüllen, namentlich
durch Vorweisen ihres Aufenthaltstitels, ihrer Meldebestätigung (für Freizügigkeitsbe-
rechtigte) oder ihres Transportauftrags mit einem Warenlieferschein. Als Aufenthalts-
titel gelten Grenzgängerbewilligung (G-Ausweis), Kurzaufenthaltsbewilligung (L-Aus-
weise), Aufenthaltsbewilligung (B-Ausweis), Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis),
einschliesslich Ci-Ausweis sowie die vom EDA ausgestellten Legitimationskarten.
Ausnahmen werden weiter gewährt für ausländische Personen, die im Besitz eines
von einer Schweizer Vertretung ausgestellten C-Visum mit Reisezweck „Business“
als Spezialistinnen und Spezialisten im Zusammenhang mit dem Gesundheitsbereich
oder „Offizieller Besuch“, eines C Vrg-Visums oder eines D-Visums sind. Ausländi-
sche Personen können mit einer Meldebestätigung nachweisen, dass sie als Dienst-
leister in die Schweiz entsandt werden. Dasselbe trifft auf Personen zu, die bei einem
Schweizer Arbeitgeber eine kurzfristige Stelle antreten. Die Meldebestätigung ist für
alle Branchen und Erwerbstätigen ab dem ersten Tag erforderlich. Personen, die sich
auf ein Recht auf Familiennachzug berufen können, können ebenfalls eine Aus-
nahme geltend machen, sofern sie über eine Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung
verfügen. Personen auf der Durchreise müssen ihre Absicht Glaubhaftmachen kön-
nen (z.B. Wohnsitz in einem anderen Staat oder andere offensichtliche Umstände)
und Aussicht auf eine erfolgreiche Ausreise haben.
Aufgrund der vom Bundesrat am 29. April 2020 beschlossenen Lockerungsmassnah-
men bei der Zulassung im Rahmen des Familiennachzugs (Artikel 3a Absatz 1 Buch-
stabe b und Artikel 3c) und der beschränkten Zulassung von Drittstaatsangehörigen
zum Aufenthalt mit Erwerbstätigkeit (Artikel 3b) ermöglicht die Verordnung neu zu-
sätzlich zur Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung auch eine Einreiseerlaubnis mit
einem von der Schweiz ausgestellten Visum zur Einreise (Artikel 3 Absatz 1 Buch-
stabe b Ziffer 2). Entsprechend sieht Artikel 4a die Möglichkeit der Visumerteilung in
diesen Fällen vor.
Einreisen zu anderen Zwecken, namentlich als Dienstleistungsempfänger, Tourist,
Besucher, Teilnehmer an Veranstaltungen, zur medizinischen Behandlung, zur Stel-
lensuche oder zur Einreichung eines Gesuchs um Erteilung einer Aufenthaltsbewilli-
gung sind nicht gestattet.

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Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) hat vermehrt festgestellt, dass die in Artikel
3 Absatz 1 festgelegten Voraussetzungen zum Überschreiten der Grenze insbeson-
dere von Grenzgängerinnen und Grenzgängern dazu missbraucht werden, weiterhin
in der Schweiz privaten Aktivitäten nachzugehen, wie zum Beispiel zum Einkaufen,
zum Bekannte besuchen oder einfach zum Spazierengehen. Dies zeigt sich umso
mehr, da immer mehr Betriebe, in welchen Grenzgängerinnen und Grenzgänger ar-
beiten, aufgrund der Massnahmen geschlossen sind, die Grenzgängerinnen und
Grenzgänger aber weiterhin ein- und ausreisen. Damit wird der Sinn und Zweck die-
ser Verordnung untergraben. Die Voraussetzungen zum Überschreiten der Grenze
gelten dem Schutz der Bevölkerung und Wirtschaft. Artikel 3 Absatz 1bis präzisiert
deshalb, dass die Grenzgängerbewilligung die Einreise nur zu beruflichen Zwecken
gestattet.
Mit den schrittweisen Lockerungen in der Wirtschaft und im Migrationsbereich ist eine
Zunahme des Grenzverkehrs und auch der grenzüberschreitenden Mobilität von
Ausländerinnen und Ausländern, insbesondere der Grenzgängerinnen und Grenz-
gänger, verbunden. Die in der Praxis bisher nahezu systematische (d.h. vollständige)
Kontrolle der Einhaltung der Einreisebestimmungen an den Grenzen grundsätzlich
bei allen Einreisen wird deshalb ab dem 11. Mai 2020 von einer risikoorientierten
Kontrolle abgelöst. Dies bedeutet, dass die für die Kontrollen zuständigen Grenzkon-
trollorgane aufgrund einer Lageanalyse entscheiden können, wann, wo und in wel-
cher Tiefe Kontrollen durchgeführt werden (Artikel 3 Absatz 1quater).
Der Vollständigkeit halber wird zudem auch auf die im Ausländer- und Integrations-
gesetz (AIG; SR 142.20) vorgesehenen, allgemein geltenden Einreisevoraussetzun-
gen für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerinnen und Ausländer verwiesen (Arti-
kel 3 Absatz 1ter), welche zusätzlich zu den spezifischen Einreisevoraussetzungen
der COVID-19-Verordnung 2 gelten.
Absatz 2 präzisiert die Zuständigkeiten. Die COVID-19-Verordnung 2 ändert aber
nichts an den bestehenden Zuständigkeitsregeln und gesetzlich vorgesehenen Re-
gelungen bei einer Wiedereinführung der Grenzkontrolle.
Absatz 3 COVID-19-Verordnung 2 verweist auf das Verfahren gemäss Artikel 65 des
Ausländer- und Integrationsgesetzes (SR 142.20; AIG). Damit richtet sich das Ver-
fahren und Zuständigkeiten nach diesen Regelungen. In den COVID-Weisungen des
SEM zur Grenzkontrolle wird in Ziffer 6.3 festgehalten, dass die Kontrollverfahren an
der Aussengrenze analog zur Anwendung kommen. Damit können das SEM, bzw.
das EDA in Ausnahmenfällen gestützt auf Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung über die
Einreise und die Visumerteilung (SR 142.204) die Einreise bewilligen und die ent-
sprechenden Anordnungen treffen. Zudem ist das SEM die Einspracheinstanz bei
Einreiseverweigerungen und kann entsprechende Einsprachen gutheissen und so
die Einreise (nachträglich) bewilligen. Dieses Verfahren gilt für alle Einreisegründe
gemäss Artikel 3, hat aber für die Härtefälle gemäss Buchstabe f in der Praxis eine
besondere Bedeutung.
Die meisten Einreiseverweigerungen, die gestützt auf die COVID-19-Verordnung 2
ausgesprochen werden, ergehen an den terrestrischen Grenzen. Im Gegensatz zu
den Flughäfen, wo im Sinne einer raschen Verfahrenserledigung eine mit 48h aus-
sergewöhnlich kurze Beschwerdefrist vorgesehen ist, besteht an den terrestrischen
Grenzen kein entsprechendes Beschleunigungsbedürfnis. Daher beträgt die Be-
schwerdefrist in Abweichung von den sonst analog anwendbaren Regeln von Arti-
kel 65 AIG 30 Tage.

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Keine Ausnahme vom Einreiseverbot besteht auch für Asylsuchende. Personen, die
anlässlich einer Grenzübertrittskontrolle angeben, ein Asylgesuch stellen zu wollen,
wird die Einreise ebenfalls verweigert. Das Ersuchen um internationalen Schutz wird
auf Wunsch der betroffenen Person an die betreffende Behörde zur Prüfung übermit-
telt. Die schutzsuchende Person wird schriftlich darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihr
Gesuch an die zuständige ausländische Behörde übermittelt wurde. Überstellungen
von ausländischen Personen aus benachbarten Risikostaaten oder Risikoregionen in
die Schweiz nach Massgabe der Dublin-Verordnung oder auf Grundlage des bilatera-
len Rückübernahmeabkommens sind suspendiert. Dies gilt auch für bereits verein-
barte Überstellungen. Die ausländischen Behörden werden informiert, dass auf neue
Ersuchen zu verzichten ist, so lange diese Massnahme gilt.
Es obliegt den vollziehenden Behörden zu entscheiden, wie die Kontrollen auf opera-
tiver Ebene organisiert werden, um die Einreise von Personen aus Risikoländern o-
der Risikoregionen zu begrenzen. Die vorgesehenen Bestimmungen umfassen auch
Kontrollen an Flughäfen.

Inhalt von Artikel 3a:
Die Anwendung des Freizügigkeitsabkommens (FZA; SR 0.142.112.681) liegt in der
Vollzugskompetenz der kantonalen Migrations- und Arbeitsmarktbehörden. Die am
13. März 2020 in Kraft getretene COVID-19-Verordnung 2 hat das freizügigkeits-
rechtliche Einreiserecht gestützt auf Art. 5 Anhang I FZA eingeschränkt. Die für die
Grenzkontrolle zuständige Behörde gewährt freizügigkeitsberechtigten, ausländi-
schen Personen, die aus einem Risikoland oder aus einer Risikoregion in die
Schweiz einreisen wollen, die Einreise nur, wenn sie über einen schweizerischen
Aufenthaltstitel, eine Grenzgängerbewilligung, eine Zusicherung einer Aufenthaltsbe-
willigung oder eine Meldebestätigung verfügen (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b und c
COVID-19-Verordnung 2).
Im Zusammenhang mit der Anwendung des FZA durch die kantonalen Vollzugsbe-
hörden während der ausserordentlichen Lage wegen der COVID-19-Pandemie hat
das SEM Empfehlungen an die kantonalen Behörden formuliert. Im entsprechenden
Rundschreiben vom 24. März 2020 zur Umsetzung COVID-19-Verordnung 2 bei der
Bearbeitung von Bewilligungsgesuchen und Meldungen nach dem Freizügigkeitsab-
kommen wird darauf hingewiesen, dass die Kantone im Rahmen ihrer Vollzugskom-
petenz Aufenthaltsgesuche sowie Meldungen zur kurzfristigen Erwerbstätigkeit ge-
stützt auf das FZA sistieren können, wenn dies zum Schutz der öffentlichen Gesund-
heit notwendig ist (Artikel 5 Anhang I FZA), namentlich, wenn das Gesuch oder die
Meldung nicht im Hinblick auf eine Erwerbstätigkeit erfolgt, die im öffentlichen Inte-
resse ist. Stimmt die zuständige kantonale Behörde einem solchen Aufenthaltsge-
such bzw. einem kurzfristigen Erwerbseinsatz zu, kann der betroffenen Person eine
Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung bzw. eine Meldebestätigung ausgestellt wer-
den. Eine solche Zusicherung oder Meldebestätigung berechtigt sie zur Einreise in
die Schweiz (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 2 und Buchstabe c COVID-19-Ver-
ordnung 2).
Um den Aufbau von Pendenzen bei der Bearbeitung von Gesuchen und Meldungen
im Freizügigkeitsbereich zu vermeiden, sind Gesuche um Zulassung zu einem Auf-
enthalt mit Erwerbstätigkeit sowie Meldungen für die kurzfristige Erwerbstätigkeit im
Rahmen des Meldeverfahrens, die vor der Ausdehnung der Einreisebeschränkungen
auf alle EU/EFTA-Staaten bei den zuständigen kantonalen Behörden eingereicht

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worden waren, gemäss den üblichen Bestimmungen zu bearbeiten und gegebenen-
falls zu bewilligen (Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe c).
Schliesslich sollen auch Meldungen von Freizügigkeitsberechtigten für die Dienstleis-
tungserbringung von den kantonalen Behörden bearbeitet werden, wenn sich die
Dienstleistungserbringung auf einen vor dem 25. März 2020 abgeschlossenen
schriftlichen Dienstleistungsvertrag stützt (Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe d).
Zudem wird im Sinne einer weitergehenden Lockerung dem Anliegen der Kantone
Rechnung getragen, dass zusätzlich zum Pendenzenabbau bei den Gesuchen und
Meldungen auch alle Gesuche und Meldungen von EU/EFTA-Staatsangehörigen be-
arbeitet werden sollen, die vor dem 25. März 2020 eine arbeitsvertragliche Verpflich-
tung bei einem Arbeitgeber in der Schweiz eingegangen sind (Artikel 3a Absatz 1
Buchstabe c; Gleichbehandlung wie Dienstleistungserbringer). Gleichzeitig wird im
Rundschreiben des SEM ein Anliegen der Branchenverbände berücksichtigt, indem
die Kantone Meldungen für den Stellenantritt von langjährigen Arbeitnehmenden be-
stätigen können, die jeweils beim gleichen Arbeitgeber in saisonal befristeten Ar-
beitsverhältnissen beschäftigt werden.

Inhalt von Artikel 3b:
Im Rahmen der geltenden Bestimmungen der COVID-19 Verordnung 2 können aktu-
ell nur Drittstaatsangehörige, welche Spezialisten im Zusammenhang mit dem Ge-
sundheitsbereich sind, zum Arbeitsmarkt zugelassen werden. Am 29. April 2020 hat
der Bundesrat beschlossen, dass auch Drittstaatsangehörigen, deren Gesuche für
einen Aufenthalt mit Erwerbstätigkeit vor der Inkraftsetzung der Einreisebeschrän-
kungen für Drittstaatsangehörige (am 19. März 2020) eingereicht worden waren oder
bereits bewilligt worden waren, denen aber gestützt auf die Einreisebeschränkungen
keine Einreiseerlaubnis, kein Visum bzw. keine Zusicherung der Aufenthaltsbewilli-
gung ausgestellt werden konnte, die Einreise - ungeachtet von Belangen des Schut-
zes der öffentlichen Gesundheit - gewährt werden kann (Artikel 3b Absatz 1Buch-
stabe b und c). Entsprechend kann auch das erforderliche Einreisedokumentausge-
stellt werden (Artikel 4a).
Ausgenommen von dieser Zulassung zum Aufenthalt mit Erwerbstätigkeit sind Aus-
länderinnen und Ausländer, die eine Erwerbstätigkeit in einem Betrieb ausüben wol-
len, der von den inländischen Massnahmen gemäss Kapitel 3 und insbesondere von
Artikel 6 Absatz 2 betroffen ist (Artikel 3b Absatz 2).
Schliesslich werden die materiellen Zulassungsvoraussetzungen zu den Einreise-
möglichkeiten von Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben f und g präzisiert, indem auf Ver-
ordnungsstufe verankert wird, dass Gesuche um Zulassung von Drittstaatsangehöri-
gen, die sich in einer Situation der äussersten Notwendigkeit befinden oder als Spe-
zialistinnen und Spezialisten im Zusammenhang mit dem Gesundheitsbereich von
grosser Bedeutung sind, ungeachtet von Belangen des Schutzes der öffentlichen
Gesundheit, bearbeitet werden können (Artikel 3b Absatz 1 Buchstabe a).

Inhalt von Artikel 3c:
Der Bundesrat hat am 29. April 2020 beschlossen, dass der Nachzug von Familien-
angehörigen von Schweizerbürgerinnen und -bürgern nach Artikel 42 AIG wieder er-
möglicht wird. Demzufolge wird in Artikel 4a ergänzt, dass die entsprechenden Visa
wieder erteilt werden können.

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Inhalt von Artikel 3d:
Gerade in den Grenzregionen stellt die EZV indes weiterhin einen regen grenzüber-
schreitenden Einkaufstourismus fest. Die Kontrolle der Einkaufstouristen bindet viele
Ressourcen der EZV, welche diese zur Überwachung und zum Schutz der gesamten
Schweizer Grenze benötigen würde. Einkaufen im benachbarten Ausland ist keine
absolute Notwendigkeit. Diese unnötige Mobilität führt zu einem höheren Personen-
verkehr über die Grenze, welche für die Personen frei bleiben sollte, welche aus be-
ruflichen oder sonstigen Gründen die Grenzen passieren müssen. Auch gilt es, den
Warenverkehr möglichst flüssig zu halten. Einkaufstouristen behindern damit eine
wirksame Kontrolle der Binnengrenzen.
Artikel 3a sieht daher ein explizites Verbot des Einkaufstourismus vor. Demnach ist
die Einfuhr von Waren über einen terrestrischen Grenzübergang aus einem Nachbar-
staat, der ein Risikoland ist, verboten, wenn diese im Rahmen einer Reise erworben
worden sind, die ausschliesslich dem Einkaufstourismus gedient hat. Dies gilt nur,
wenn die Nachbarstaaten zu den Risikoländern gehören und nur für den terrestri-
schen Weg und nicht für Flughäfen. Auszunehmen ist das Mitführen von Waren zum
üblichen persönlichen Bedarf, die bei Reisen mitgeführt werden, die aus dringenden
oder beruflichen Gründen erfolgen.
Das Verbot greift in die persönliche Freiheit und in die Bewegungsfreiheit ein, wie sie
unter anderem durch die Bundesverfassung (SR 101) und den Internationaler Pakt
vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (SR 103.2) ge-
schützt werden. Ausnahmen sind zulässig, wenn sie einem öffentlichen Interesse
entsprechen, notwendig und verhältnismässig sind. Um die Angemessenheit der
Massnahme zu gewährleisten, ist daher festzuhalten, dass es Ausnahmefälle geben
muss, die nicht unter den unbestimmten, auslegungsbedürftigen Begriff des «Ein-
kaufstourismus» fallen. Einkäufe sind nur dann verboten, sofern sie nicht lebensnot-
wendige Produkte betreffen oder ebenso in der Schweiz getätigt werden könnten.

Inhalt von Artikel 4:
Gemäss Artikel 4 bestimmt das EJPD nach Rücksprache mit dem EDI, dem Eidge-
nössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK),
dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) und dem EDA über Einschränkun-
gen im Strassen-, Schienen-, Schiffs- und Luftpersonenverkehr aus Risikoländern o-
der -regionen. Es kann insbesondere den Personenverkehr auf einzelnen Verkehrs-
arten auf gewisse Kurse, Linien oder Flüge beschränken, einzelne Grenzübergangs-
stellen, -häfen oder -flughäfen für den Personenverkehr aus Risikoländern oder -regi-
onen sperren oder den Personenverkehr aus Risikoländern oder -regionen in die
Schweiz ganz untersagen. Einschränkung des grenzüberschreitenden Personenver-
kehrs werden in Anhang 2 aufgeführt. Mit Blick auf die risikobasierten Grenzkontrol-
len rechtfertigt es sich, angesichts der Risikostruktur der Personen, die von der Luft-
waffe befördert werden (Magistratspersonen oder Angehörige der Armee), die Flüge
der Luftwaffe von der Kanalisierung des Luftverkehrs auszunehmen (Ziffer 3 Anhang
2).
Es obliegt den vollziehenden Behörden zu entscheiden, wie die Kontrollen auf opera-
tiver Ebene organisiert werden. Für die Umsetzung der Massnahmen nach Artikel 4
an den Landgrenzen ist grundsätzlich die EZV zuständig.

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In der Schweiz gibt es insgesamt rund 200 Grenzübergänge. Dabei handelt es sich
meist um Grenzübergänge, welche nur zu Fuss überquert werden können oder
kleine Landstrassen sind. Daher ist es notwendig, dass die EZV die Möglichkeit hat,
kurzfristig weitere temporäre Anpassungen ihrer Kanalisierungsmassnahmen vorzu-
nehmen. Gründe dafür können knappe Ressourcen, regionale Begehren oder wich-
tige internationale Transporte oder Anpassungen der Massnahmen ausländischer
Behörden sein. Ist dies der Fall, werden das EJPD, das UVEK sowie das EDA infor-
miert.
Die EZV hat zur Erreichung des Zwecks der Verordnung bereits kleinere Grenzüber-
gänge geschlossen und den Grenzverkehr (Personen- und Warenverkehr) auf grös-
sere Grenzübergänge kanalisiert. Die Liste mit den geöffneten Grenzübergängen
wird im Internet der EZV veröffentlicht. Sie wird laufend aktualisiert, wobei bei gleich-
bleibender Lage keine grösseren Änderungen mehr zu erwarten sein dürften. Diese
Kompetenzregelung ist in Artikel 4 Absatz 4 festgehalten.
Die Schliessungen gelten nicht nur für Personen, sondern auch für Waren. Dies ist
grundsätzlich impliziert, soll aber dennoch aufgrund festgestellter Modi operandi im
Grenzraum explizit festgehalten werden. So hat die EZV vermehrt festgestellt, dass
Waren an geschlossenen Grenzübergängen oder über die grüne Grenze übergeben
wurden. Wie für Personen sind auch die Ein- und Ausfuhr von Waren über die ge-
schlossenen Grenzübergänge inklusive die grüne Grenze verboten.
Aufgrund der Kanalisierungsmassnahmen kommt es - trotz signifikantem Rückgang
im Personenverkehr - an einzelnen Grenzübergängen zu Wartezeiten. Die EZV hat
deswegen - in Übereinstimmung auch mit entsprechenden Empfehlungen der Euro-
päischen Kommission - an bestimmten verkehrstechnisch wichtigen Grenzübergän-
gen vorrangige Fahrspuren, so genannte Green Lanes, eingerichtet. Diese dienen
dazu, dass wichtige Güter und Personen, welche im Gesundheitswesen oder in ver-
gleichbar wichtigen Berufen arbeiten, schneller über die Grenzen gelangen können.
Es ist wichtig, dass diese Green Lanes für ausgewählte Güter und Berufs-gruppen
reserviert bleiben, ansonsten wird der Sinn dieser Schnellspuren untergraben. Die
EZV ist die für die Zoll- und Personenkontrollen (aufgrund der wiedereingeführten
Grenzkontrollen) an den Grenzen zuständige Behörde. Artikel 4 Absatz 5 sieht dem-
zufolge vor, dass die Kompetenz, die Benutzungsbestimmungen dieser Green Lanes
festzulegen, bei der EZV liegen soll. Die regionalen, nationalen und internationalen
Bedürfnisse müssen dabei berücksichtigt werden. Die EZV definiert die Benutzungs-
bedingungen im Bereich Warentransport im Einvernehmen insbesondere mit der
wirtschaftlichen Landesversorgung. Die Interessen weiterer Wirtschaftspartner oder
der Nachbarstaaten werden ebenfalls berücksichtigt. Dasselbe gilt für Personen, wel-
che die Green Lanes benutzen dürfen. Die EZV wird bezüglich dieser Kategorie auch
die Kantone anhören und nötigenfalls regionale Anpassungen vornehmen. Die aktu-
elle Liste der Green Lanes sowie der Benutzungsbedingungen wird ebenfalls auf der
Website der EZV veröffentlicht.

Inhalt von Artikel 4a:
Die Erteilung von Schengen-Visa (Für kurzfristige Aufenthalte bis max. 90 Tagen) so-
wie von nationalen Visa (Für bewilligungspflichtige Aufenthalte von mehr als 90 Ta-
gen) und Ermächtigungen zur Visa-Ausstellung an Personen aus Risikoländern ge-
mäss Anhang 1 der Verordnung werden bis zum 15. Juni 2020 eingestellt. Bei Gesu-

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chen von Personen, die sich in einer Situation der äussersten Notwendigkeit befin-
den sowie für Spezialisten im Zusammenhang mit dem Gesundheitsbereich von
grosser Bedeutung können Ausnahmen gewährt werden.
Das allgemeine Verbot der Visumerteilung wird dahingehend präzisiert, dass für
Drittstaatsangehörige, die gestützt auf Artikel 3b Absatz 1 Buchstaben b und c zur
Erwerbstätigkeit zugelassen werden, ein Visum erteilt werden darf. Ebenfalls kann
visumpflichtigen Familienangehörigen von Schweizerbürgerinnen und -bürgern ein
Visum erteilt werden, wenn diese gestützt auf Artikel 3c zugelassen werden. Dies gilt
auch für visumpflichtige Personen aus Drittstaaten, die gestützt auf das FZA im Rah-
men des Familiennachzugs einreisen (Art. 3a Absatz 1 Buchstabe b).

Inhalt von Artikel 4b:
Absatz 1 enthält eine Bewilligungsplicht für die Ausfuhr von Schutzausrüstung und
von wichtigen medizinischen Gütern. Welche Güter unter die Kategorie «Schutzaus-
rüstung» fallen, ergibt sich aus Anhang 3 Ziffer 1 der Verordnung. Die aufgeführten
Güter entsprechen den Bestimmungen der PSA-Verordnung vom 25. Oktober 2017
(SR 930.115). Ziffer 1 orientiert sich an Anhang 1 zur Durchführungsverordnung (EU)
2020/402 der Europäischen Kommission vom 14. März 2020 über die Einführung der
Verpflichtung zur Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung bei der Ausfuhr bestimmter
Produkte. In Anhang 3 Ziffer 2 ist die Liste der wichtigen medizinischen Güter aufge-
führt, für welche ebenfalls eine Ausfuhrbewilligung notwendig ist. Da die Verfügbar-
keit von ganz bestimmten wichtigen Arzneimitteln zur Behandlung von COVID-19 Pa-
tientinnen und Patienten weltweit beschränkt ist und die Nachfrage exponentiell
steigt, muss sichergestellt werden, dass die Schweiz für den eigenen Bedarf über ge-
nügend Produkte verfügt.
Da sich die Versorgungslage mit diesen Gütern in der Schweiz insgesamt verbessert
hat, wurde mit der Änderung der Verordnung vom 9. Mai 2020 der Umfang der Aus-
fuhrbewilligungspflicht auf das unbedingt notwendige Mass beschränkt und Anhang 3
entsprechend angepasst. Um die Umgehung der EU-Exportkontrollen über die
Schweiz weiterhin zu verhindern, bleiben Ausfuhren von Schutzkleidung, Schutzbril-
len und Visieren sowie Mund-Nasen-Schutzmasken weiterhin der Bewilligungspflicht
unterstellt. Da sich die Verfügbarkeit von Midazolam in der Schweiz in den vergange-
nen Wochen verbessert hat und auf Exportkontrollen für Cisatracurium ebenfalls ver-
zichtet werden kann, bleiben nur die derzeit noch besonders knappen und stark
nachgefragten Wirkstoffe bzw. Arzneimittel mit den Wirkstoffen Propofol, Rocuronium
Bromide und Atracurium Besilate ausfuhrbewilligungspflichtig.
Bewilligungsstelle ist das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Allenfalls nötige
zusätzliche Bewilligungen nach dem Heilmittel- und dem Betäubungsmittelrecht blei-
ben vorbehalten.
Die Bewilligungspflicht beschränkt sich auf die Ausfuhr von Schutzausrüstung und
wichtigen medizinischen Gütern aus dem Schweizer Zollgebiet im Sinne von Artikel 3
des Zollgesetzes (SR 631.0), d.h. inklusive Fürstentum Liechtenstein und exklusive
Zollausschlussgebiete. Die Einfuhr, die Durchfuhr und die Vermittlung sind von der
Bewilligungspflicht nicht erfasst.
Absatz 2 regelt die Ausnahmen von der Bewilligungspflicht. Nicht bewilligungspflichtig
ist die Ausfuhr von Schutzausrüstung und wichtigen medizinischen Gütern:

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− in EU-Mitgliedstaaten, in die in Anhang II des Vertrags über die Arbeitsweise der
   Europäischen Union (AEUV) aufgeführten überseeischen Länder und Hoheitsge-
   biete sowie nach Norwegen, Island, das Vereinigte Königreich, die Färöer, An-
   dorra, San Marino, Monaco und Vatikanstadt; (Buchstabe a) – dies, soweit die Re-
   ziprozität gewährleistet ist, d.h. entsprechende Ausfuhren aus den genannten
   Staaten und Gebieten ebenfalls nicht bewilligungspflichtig oder gar zur Ausfuhr
   verboten sind:
 − durch medizinisches Personal oder Personal des Katastrophen- und Zivilschutzes
   zur Berufsausübung oder zur Leistung erster Hilfe (Buchstabe b);
 − für den eigenen Bedarf (Buchstabe c) – hier geht es um Ausfuhren im Reise- und
   Postverkehr;
 − als Ausrüstungen für die Leistung erster Hilfe oder für sonstige dringende Fälle in
   Autobussen, Eisenbahnzügen, Luftfahrzeugen oder Schiffen im internationalen
   Verkehr (Buchstabe d);
 − zur Versorgung von Schweizer Vertretungen und Auslandsmissionen sowie von
   Schweizer Einsätzen bei der Europäischen Grenz- und Küstenwache «Frontex»,
   der schweizerischen öffentlichen Institutionen im Ausland (z.B. Schulen), der An-
   gehörigen der Armee im Auslandseinsatz oder Angehöriger internationaler Poli-
   zeimissionen oder ziviler internationaler Friedensmissionen schweizerischer Nati-
   onalität (Buchstabe e).

Inhalt von Artikel 4c:
Das Gesuch zur Bewilligung der Ausfuhr von Schutzausrüstung und wichtigen medi-
zinischen Gütern im Sinne von Artikel 4b Absatz 1 ist auf der elektronischen Bewilli-
gungsplattform ELIC des SECO, die bereits heute für die Bewilligung des Handels
mit Kriegsmaterial sowie mit zwischenstaatlich gelisteten zivil und militärisch ver-
wendbaren Gütern sowie besonderen militärischen Gütern und gewissen Nukleargü-
tern genutzt wird, einzureichen.
Für die Nutzung von ELIC ist eine vorgängige einmalige kostenlose Registrierung
durch die gesuchstellende Person unter https://www.elic.admin.ch (Menüpunkt
"Neues Benutzerkonto anlegen") erforderlich. Nach Abschluss des elektronischen
Registrierungsprozesses muss das Unterschriftsformular ausgedruckt und unter-
schrieben mit einer Kopie des Passes oder der Identitätskarte der gesuchstellenden
Person per E-Mail an das SECO übermittelt werden (licensing@seco.admin.ch).
Nach Erhalt der Zugangsdaten kann die gesuchstellende Person das Benutzerkonto
aktivieren und Gesuche einreichen. Die Exportkontrollnummer der von Anhang 3 er-
fassten Güter ist «COVID19».
Den elektronischen Gesuchen sind technische Unterlagen zu den jeweiligen Gütern
(z. B. Datenblätter, Prospekte) sowie sämtliche Unterlagen, die eine Bewilligungser-
teilung stützen können (Verträge, Aufträge oder Vereinbarungen mit internationalen
Organisationen, Aufrufe internationaler Organisationen zu Hilfseinsätzen etc.) im
PDF beizulegen. Zudem ist im Gesuch aufzuführen, ob die Schutzausrüstung den
Bestimmungen der PSA-Verordnung entspricht.
Das SECO entscheidet gemäss Absatz 2 innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Ein-
gang des vollständigen Gesuches auf der elektronischen Bewilligungsplattform ELIC.
Sind besonders aufwändige Abklärungen erforderlich, so kann diese Frist um weitere
fünf Arbeitstage verlängert werden. Es handelt sich hierbei um Ordnungsfristen. Eine

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bewilligungspflichtige Ausfuhr ohne vorliegende Bewilligung des SECO bleibt in je-
dem Falle rechtswidrig.
Das SECO eröffnet nach Absatz 3 den Entscheid der gesuchstellenden Person auf
der elektronischen Bewilligungsplattform ELIC.
Nach Absatz 4 erteilt das SECO eine Bewilligung zur Ausfuhr von Schutzausrüstung
oder von wichtigen medizinischen Gütern, wenn in der Schweiz der Bedarf für solche
Güter für Gesundheitseinrichtungen, weiteres medizinisches Personal, Patientinnen
und Patienten, den Bevölkerungs- und Zivilschutz und Behörden und Organisationen
für Rettung und Sicherheit genügend abgedeckt ist.
Das SECO hört gemäss Absatz 5 vor seinem Entscheid das Bundesamt für wirt-
schaftliche Landesversorgung (BWL), das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das
Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) sowie den Koordinierten Sanitätsdienst
an. Die zuständigen Stellen geben insbesondere bekannt, welche Mengen an
Schutzausrüstung oder an wichtigen medizinischen Gütern im Rahmen der Melde-
pflicht nach Artikel 4e Absätze 2-4 gemeldet wurde.
Absatz 5bis schafft die Möglichkeit, Ausfuhren der im Anhang 3 enthaltenen Güter ge-
mäss Liste 1 (Schutzausrüstung) bis zu einer maximalen Anzahl von 10'000 Stück
ohne Anhörung gemäss Absatz 5 zu bewilligen. Ausfuhren in kleinen Mengen gefähr-
den die Versorgungssicherheit in der Schweiz nicht. Dadurch werden die anzuhören-
den Behörden von Bagatellanfragen entlastet und die Ausstellung von Ausfuhrbewilli-
gungen für Kleinmengen wird beschleunigt.
Das SECO ist nach Absatz 6 befugt – sei es zur Bestimmung, ob eine Ausnahme ge-
mäss Artikel 4c Absatz 2 Buchstabe a tatsächlich vorliegt, sei es bei der Entscheid-
findung gemäss dem vorliegenden Artikel –, ausländische Behörden zu konsultieren,
diesen sachdienliche Angaben zu übermitteln und erhaltene Informationen zu be-
rücksichtigen.
Das SECO trifft seinen Entscheid in Erwägung aller relevanten Umstände (Abs. 7).
Dabei berücksichtigt es auch, ob die beantragte Ausfuhr dazu dienen soll:
   − Staaten oder internationale Organisationen zu unterstützen, falls diese ein
     entsprechendes Ersuchen an die Schweiz gerichtet haben (Buchstabe a);
   − Hilfsorganisationen im Ausland zu unterstützen, die nach der Genfer Flücht-
     lingskonvention geschützt sind (Buchstabe b);
   − Das Globale Netzwerk für Warnungen und Gegenmassnahmen (GOARN) der
     Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu unterstützen (Buchstabe c).

Inhalt von Artikel 4d und 4e:
Anhand einer Meldepflicht (Art. 4e) soll der Bestand an wichtigen Arzneimitteln, Me-
dizinprodukten und Schutzausrüstungen (medizinische Güter) erhoben werden. An-
hand dieser Meldungen können Versorgungsengpässe festgestellt werden, um dann
die Kantone bzw. namentlich ihre Gesundheitseinrichtungen gezielt versorgen zu
können. Die Meldepflicht ist differenziert ausgestaltet:
   − Die Kantone melden dem Koordinierten Sanitätsdienst (KSD) die aktuellen
     Bestände der wichtigen medizinischen Güter in ihren Gesundheitseinrichtun-
     gen. Vorbehalten bleiben die nachfolgend beschriebenen Zuständigkeiten.

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− Die Kantone, Spitäler sowie die Hersteller und die Vertreiber von Arzneimitteln
     melden dem Fachbereich Heilmittel der Organisation der wirtschaftlichen Lan-
     desversorgung die aktuellen Bestände bestimmter Arzneimittel nach Anhang 4
     Ziffer 1.
   − Laboratorien sowie Hersteller und Vertreiber von In-vitro-Diagnostika («CO-
     VID-19-Tests») melden dem Labor Spiez die aktuellen Bestände solcher
     Tests.
Die Liste der wichtigen und zur Verhütung und Bekämpfung des Coronavirus (CO-
VID-19) dringend benötigten Arzneimittel, Medizinprodukte und Schutzausrüstungen
(medizinische Güter) ist in Anhang 4 enthalten. Die Liste wird vom BAG nach Rück-
sprache mit der Armeeapotheke, dem Labor Spiez und dem Fachbereich Heilmittel
der wirtschaftlichen Landesversorgung laufend hinsichtlich der zu beschaffenden Gü-
ter nachgeführt und bestimmt die jeweils benötigten Mengen (Art. 4d).

Inhalt von Artikel 4f:
Absätze 1-4
Grundsätzlich bleiben die Kantone und die jeweiligen Gesundheitseinrichtungen für
die Sicherstellung der eigenen Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern ver-
antwortlich. Zur Unterstützung der Versorgung der Kantone und ihrer Gesundheits-
einrichtungen, von gemeinnützigen Organisationen (z. B. Schweizerisches Rotes
Kreuz) und von Dritten (z.B. Labors, Apotheken) kann der Bund jedoch wichtige me-
dizinische Güter beschaffen, falls über die normalen Beschaffungskanäle der Bedarf
nicht gedeckt werden kann. Die Bedarfsfestlegung erfolgt durch das BAG, bei In-
vitro-Diagnostika («COVID-19-Tests») durch das BAG in Abstimmung mit dem Labor
Spiez.
Die fehlenden wichtigen medizinischen Güter werden auf der Grundlage der Melde-
pflicht bestimmt. Die Armeeapotheke ist für die Beschaffung von Medizinprodukten
(dazu gehören auch In-vitro-Diagnostika, «COVID-19-Tests») und Schutzausrüstun-
gen zuständig, das BAG im Einvernehmen mit dem Fachbereich Heilmittel der Orga-
nisation der wirtschaftlichen Landesversorgung für Arzneimittel. Dringende Beschaf-
fungen können gestützt auf Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung über
das öffentliche Beschaffungswesen (SR 172.056.11) freihändig erfolgen; die Voraus-
setzungen bzgl. unvorhersehbares Ereignis und Dringlichkeit sind vorliegend erfüllt.

Absatz 5
Die geltenden Weisungen für das Beschaffungswesen können im Rahmen des Auf-
trags nach dieser Bestimmung nicht umgesetzt werden. Die bestehenden Vorschrif-
ten für Beschaffungen lassen im Grundsatz keine Vorauszahlungen für Konsumgüter
ohne eine Absicherung zu. In der aktuellen Marktsituation für persönliche Schutzgü-
ter, der ein absoluter Verkäufermarkt ist und sich zu einer Art Spotmarkt entwickelt
hat, sind Vertragsabschlüsse ohne An- oder Vorauszahlungen nicht mehr möglich.
Dies gilt insbesondere für Hygienemasken und FFP2-Masken.
Solche Teil- oder vollständige Vorauszahlungen wurden bisher zu vermeiden ver-
sucht. Die Praxis, eine Erfüllungsgarantie einer internationalen Bank oder das Geld
auf ein Sperrkonto zu vergüten und erst freizugeben, wenn die Waren am Flughafen
übernommen wurden, scheitert oftmals entweder an der Bereitschaft der Verkäufer,

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oder aber an den Zeitverhältnissen. Ebenfalls können die geltenden Einkaufsbedin-
gungen gegenüber den ausländischen Lieferanten nicht in jedem Falle durchgesetzt
werden.
Der Einkauf beabsichtigt zur weiteren Realisierung von Beschaffungen, limitierte Ri-
siken bei Vorauszahlungen einzugehen. Es wird versucht, diese zu limitieren, indem
beispielsweise immer nur eine Frachteinheit vorausbezahlt wird, und bei Abnahme
die jeweils nächste. Damit sollten Risiken auch bei grösseren Beschaffungslosen auf
3–5 Mio. Franken, jedoch maximal 10 Mio. Franken begrenzt werden können.
Die Rechtsgrundlage, um von den bestehenden Regelungen im Finanzhaushaltsge-
setz (FHG, SR 611.0) abweichen zu können, wird mit Absatz 5 geschaffen.

Inhalt von Artikel 4g:
Die Versorgung erfolgt gestützt auf einen Zuteilungsschlüssel, der vom KSD auf An-
trag des BAG und dem Fachbereich Heilmittel der wirtschaftlichen Landesversorgung
festgelegt wird. Die Kantone stellen bei Bedarf Zuteilungsgesuche an den KSD in Be-
zug auf die konkrete Zuteilung von bestimmten Mengen nach Massgabe des Schlüs-
sels. Für die Zuteilung von In-vitro-Diagnostika («COVID-19-Tests») ist das Labor
Spiez im Einvernehmen mit dem BAG zuständig. Die Zuteilung erfolgt für alle in der
Schweiz vorhandenen Tests. Der Zuteilungsschlüssel wird gestützt auf die Versor-
gungslage und die aktuellen Fallzahlen festgelegt und wird laufend aktualisiert (ge-
plant ist eine Aktualisierung einmal pro Woche).
Seit dem 27. April 2020 ist die Durchführung nicht dringend angezeigter Untersu-
chungen und Behandlungen namentlich in Spitälern und Kliniken grundsätzlich wie-
der zulässig (siehe Art. 10a). Die vom BAG zugeteilten Mengen an für COVID-19
wichtigen Arzneimitteln müssen für die Behandlung von COVID-19 Patientinnen und
Patienten eingesetzt werden. Das BAG führt keine Beschaffung und Zuteilung von
Arzneimitteln durch, welche nicht für die Verhütung oder Bekämpfung von COVID-19
eingesetzt werden (siehe auch Erläuterungen zu Art. 10a Abs. 4).

Inhalt von Artikel 4h:
Die Lieferung der wichtigen medizinischen Güter erfolgt unter der Verantwortung des
Bundes. Für die konkreten Lieferungen kann auch auf Dritte (private Vetriebsfirmen
etc.) zurückgegriffen werden. Der Bund oder die von ihm beauftragten Dritten sorgen
für die Lieferung der wichtigen medizinischen Güter an eine zentrale kantonale Anlie-
ferstelle. Die Kantone organisieren die Verteilung an die Gesundheitseinrichtungen
und weiteren Anspruchsberechtigten innerhalb ihres Kantons und sorgen für die
rechtzeitige Weiterverteilung dieser Güter. In Absprache mit dem Kanton kann der
Bund ausnahmsweise auch anspruchsberechtigte Einrichtungen und Organisationen
direkt beliefern.

Inhalt von Artikel 4hbis:
Die Armeeapotheke verkauft die gestützt auf Artikel 4f beschafften Güter an Dritte
sowie an die Kantone. Artikel 4i sieht eine Rückerstattung der Einkaufskosten vor.
Die Armeeapotheke beschafft aber heute grosse Mengen und wird diese spätestens
bei einer Rückkehr in die normale Lage oder beim Vorliegen von entsprechenden
Bevorratungsstrategien oder Pflichtlagern an die Verbraucher im Gesundheitswesen

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oder an die Kantone abgeben. Dabei haben die Kantone die Einkaufskosten zu be-
zahlen. Dies stellt eine Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb dar, da in diesem
Fall private Anbieter direkt konkurrenziert werden können. Mit dem vorliegenden Arti-
kel wird die gemäss Artikel 41a FHG notwendige Rechtsgrundlage für eine solche
Teilnahme am Wettbewerb geschaffen.

Inhalt von Artikel 4i:
Die Kosten der Versorgung mit medizinischen Gütern werden vom Bund vorfinan-
ziert, soweit er diese selber beschafft hat. Der Bund stellt den Kantonen die Ein-
kaufskosten der wichtigen medizinischen Güter, deren Beschaffung er gemäss Arti-
kel 4f Absatz 1 übernommen hat, in Rechnung. Die Kosten der Lieferung der wichti-
gen medizinischen Güter an die Kantone trägt der Bund. Die allfällige Weitervertei-
lung in den Kantonen geht zu Lasten der Kantone.

Inhalt von Artikel 4j:
Als weitere Massnahme kann das EDI - sofern die Versorgung mit wichtigen medizi-
nischen Gütern nicht gewährleistet werden kann - einzelne Kantone oder öffentliche
Gesundheitseinrichtungen, die über ausreichende Lagerbestände bestimmter Arznei-
mittel nach Anhang 4 Ziffer 1 verfügen, verpflichten, Teile ihre Lagerbestände an an-
dere Kantone oder Gesundheitseinrichtungen zu liefern. Die Kosten der Lieferung
und der Güter werden von den Gesundheitseinrichtungen bzw. Kantonen zum Ein-
kaufspreis direkt an den Empfänger verrechnet. Das EDI kann auch in Unternehmen
vorhandene wichtige medizinische Güter einziehen lassen. Der Bund richtet eine
Entschädigung zum Einkaufspreis aus. Letztere Eingriffsmöglichkeit soll nicht dazu
führen, dass auch Materialien eingezogen werden, die für den Export in EU-Staaten
bestimmt sind; die bewilligungsfreie Ausfuhr (gemäss den Voraussetzungen von
Art. 4b Abs. 2) soll weiterhin gewährleistet bzw. nicht eingeschränkt werden.

Inhalt von Artikel 4k:
Kann die Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern anderweitig nicht gewähr-
leistet werden, kann der Bundesrat Hersteller wichtiger medizinischer Güter verpflich-
ten, die Produktion solcher Güter zu priorisieren und die Produktionsmengen zu er-
höhen. Der Bund kann Beiträge an die solche Produktionen leisten, sofern die Her-
steller infolge der Produktionsumstellung oder der Stornierung privater Aufträge fi-
nanzielle Nachteile erleiden.

Inhalt von Artikel 4l:
Die Ausnahme von der Zulassungspflicht für Arzneimittel zielt darauf ab, die in der
medizinischen Praxis gesammelten Erfahrungen und vielversprechenden Therapie-
optionen den schweizerischen Patientinnen und Patienten möglichst rasch verfügbar
zu machen. Zugleich soll die Kompetenz von Swissmedic (Prüfung Qualität, Evalua-
tion der bislang verfügbaren Evidenz dieser Präparate) zielführend genutzt werden,
ohne dass die Behandlung von COVID-19 zeitlich verzögert wird. Mit dem Erforder-
nis des Einreichens eines Zulassungsgesuchs soll der Anreiz gesetzt werden, dass
solche Präparate rasch in den ordentlichen Zulassungszustand überführt werden

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können. Gleichzeitig soll die Verwendung bei der Behandlung von COVID-19 wäh-
rend dieser Zeit nicht eingeschränkt werden. Swissmedic wird auf dieser Grundlage
der notwendige Ermessensspielraum zuerkannt, bei diesen ohne behördliche Zulas-
sung (resp. während dem Zulassungsverfahren) vertriebenen und abgegebenen Arz-
neimitteln aufgrund einer Nutzen-/Risikoanalyse und für die Behandlung der Covid-
19 Patientinnen und Patienten wo angezeigt und vertretbar erscheinend punktuell
Ausnahmen zu gewähren.
Ein Inverkehrbringen ohne Zulassung ist nur für Arzneimittel mit Wirkstoffen zulässig,
die in Anhang 5 aufgeführt sind; diese Liste wird vom BAG nach Rücksprache mit
Swissmedic nachgeführt. Da für COVID-19 noch keine etablierte Therapie besteht,
werden verschiedene Wirkstoffe eingesetzt, die erfolgsversprechend erscheinen. Es
ist möglich, dass in anderen neue Therapieansätze mit weiteren Substanzen erfol-
gen. Wenn sich dies evidenzbasiert zeigt, muss nach Evaluation die Liste mit diesen
Wirkstoffen ergänzt werden. Die Beobachtung der Entwicklung erfolgt unter den
Fachleuten laufend.
Auch bei Änderungen bestehender Zulassungen soll es möglich sein, diese sofort
umzusetzen ohne auf den Abschluss des Verfahrens warten zu müssen. Damit wird
ein Anreiz zur Produktionssteigerung in der Schweiz geschaffen. Diese Vereinfa-
chung gilt für die in Anhang 4 aufgeführten Arzneimittel und Wirkstoffe.
Absatz 4 schafft schliesslich den Spielraum, in Einzelfällen von den in der aktuellen
Notlage als sehr einschränkend empfundenen Qualitätsvorgaben abzuweichen, wo
dies aufgrund einer durch Swissmedic durchgeführten Nutzen-/Risikoanalyse und für
die Behandlung der COVID-19 Patientinnen und Patienten angezeigt und vertretbar
erscheint.

Inhalt von Artikel 4m:
Mit der Ausnahme von den Bestimmungen für die Einfuhr von Arzneimitteln werden
die geltenden Einfuhrregelungen gelockert, um vielversprechenden Therapieoptionen
für schweizerische Patientinnen und Patienten zu ermöglichen. Diese Ausnahme
zielt darauf ab, dass die Einfuhr im Rahmen von vielversprechenden Therapieoptio-
nen für schweizerische Patienten von den in Artikel 49 der Arzneimittel-Bewilligungs-
verordnung (SR 812.212.1) vorgesehenen Einschränkungen (bspw. keine Einschrän-
kung in Bezug auf eingeführte Mengen oder keine Einschränkung auf Herkunftslän-
der mit vergleichbarer Arzneimittelaufsicht) befreit ist. Mit der Auftragserteilung an
Dritte (mit Grosshandels- oder Einfuhrbewilligung) wird die Grundlage für einen zent-
ralen Einkauf (z.B. Armeeapotheke) geschaffen. Damit wird den angesprochenen
Behandlungszentren in der Schweiz ein möglichst weiter Kreis an Beschaffungswe-
gen zur Verfügung gestellt. Diese Ausnahme ist insbesondere für diejenigen Thera-
pieoptionen gedacht, bei welchen das Einreichen eines Zulassungsgesuchs noch
verfrüht ist.
Zudem wird eine Lockerung der bestehenden Out-of-Stock-Bewilligungen nach Arti-
kel 9b Absatz 2 des Heilmittelgesetzes (SR 812.21) vorgesehen. Damit soll die Ein-
fuhr von Arzneimitteln nach Anhang 4 erleichtert und dem Bedarf entsprechend er-
möglicht werden, bis die inländische Produktion genügend gesteigert worden ist.

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Inhalt von Artikel 4n:
Mit der Ausnahme für Medizinprodukte soll die rasche und adäquate Verfügbarkeit
von zur Bewältigung der COVID-19-Epidemie benötigten Medizinprodukten in der
Schweiz ermöglicht werden. Aufgrund der weltweiten Krisensituation sind die Lie-
ferkapazitäten von konformen (den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden)
Medizinprodukten eingeschränkt. Demgegenüber gibt es Hersteller und Lieferanten,
die Medizinprodukte (z.B. Beatmungsgeräte, Schutzmasken oder Tests) verfügbar
haben, welche jedoch die erforderliche Konformitätsbewertung gemäss Artikel 10 der
Medizinprodukteverordnung (MepV; SR 812.213) noch nicht oder nicht vollständig
absolviert haben. Auch Medizinprodukte, die zwar bereits durch Behörden anderer
Länder (Drittstaaten, mit welchen die Schweiz kein Abkommen über die Anerken-
nung der Konformitätsbewertungen hat) zertifiziert oder bewilligt wurden, jedoch in
der Schweiz aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nicht in Verkehr gebracht
werden dürfen, können unter dieser Ausnahmeregelung bewilligt werden. Es ist nicht
die Beschaffungsstelle, welche die Erfüllung der grundlegenden Anforderungen so-
wie die Wirksamkeit und Leistung nachweisen muss.
Eine Prüfung der Sicherheit und Wirksamkeit muss stattgefunden haben. Im Rahmen
der durch Swissmedic erfolgten Risikoabwägung ist insbesondere der erhobene Be-
darf in Bezug auf die Art (siehe Anhang 4) und die Menge der Medizinprodukte zu
berücksichtigen. Diese Kriterien sind insofern zentral, als die Risiken des Einsatzes
von nicht mit dem Schweizer Recht konformen Medizinprodukten durch Swissmedic
aufgrund der voraussichtlich lückenhaften Datenlage schwer abschätzbar sein wer-
den und damit der ausgewiesene medizinische Bedarfsnachweis häufig, wenn nicht
immer, für die Bewilligungserteilung ausschlaggebend sein wird.
Ein Gesuch kann von einem Schweizer Inverkehrbringer (z.B. Hersteller, Händler,
Importeur), von einer Gesundheitseinrichtung (z.B. Spital, Pflegeheim) oder einer an-
deren Institution (z.B. Bundesbehörde, kantonale Behörde, Verband, Verein) gestellt
werden und wird diesen gegenüber verfügt. Als Gesuchsteller ist zwingend eine An-
sprechperson mit Sitz in der Schweiz erforderlich, welche als Adressat der Verfügung
dient und für die Einhaltung der Auflagen oder Bedingungen sowie der Produktebe-
obachtung eintritt.
Es ist in der aktuellen Lage nicht sachgerecht und auch nicht notwendig, das in Ab-
satz 1 vorgesehene Bewilligungsverfahren auf alle nichtkonformen Medizinprodukte
anzuwenden, welche zur Verhütung und Bekämpfung des Coronavirus in der
Schweiz verwendet werden sollen (Abs. 3bis). Gesichtsmasken, für die kein Konformi-
tätsbewertungsverfahren nach Artikel 10 MepV durchgeführt wurde, können ohne
Bewilligung der Swissmedic in Verkehr gebracht werden, wenn:
   − sie ausschliesslich für die nicht medizinische Verwendung (z. B. in Coiffeurbe-
     trieben oder für die allgemeine Verwendung in der Bevölkerung) in Verkehr
     gebracht werden; und
   − ihre Funktionsfähigkeit durch ein Schweizer Prüflabor, das gemäss der euro-
     päischen Norm SN EN ISO/IEC 17025, 2005, «Allgemeine Anforderungen an
     die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierlaboratorien» akkreditiert ist, nachge-
     wiesen worden ist.
Nicht-konforme Gesichtsmasken, die in Verkehr gebracht werden, dürfen aber nicht
in Spitälern oder Arztpraxen in Situationen angewendet werden, wo es zu einem di-
rekten Kontakt mit einer Patientin oder einem Patienten kommt (Abs. 3ter). In solchen

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