Kinder, Schule und Religion - Eine Einordnung Seite 8 Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz
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freidenken. Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz Frühling 2019 / 1 Kinder, Schule und Religion Eine Einordnung Seite 8
INHALT EDITORIAL EDITORIAL EDITORIAL Foto: ©Adobe, Alistair Cotton Religion macht Schule 3 AKTUELL | NEWS Schweiz 4 International 5 Aufgefallen 6 Grosse Unterschiede beim PRO & KONTRA Religionsunterricht in der Schweiz: Seite 8 Soll man den Rassendiskriminierungs-Artikel Religion macht Schule Foto: ©Adobe Stock, Aarrttuurr INHALT weiter ausdehnen? 7 Der konfessionelle Religionsunterricht richtsmaterialien an, fällt jedoch schnell FREIDENKEN | HINTERGRUND wird zunehmend abgelöst von Schul- auf: Das Präsentieren von Faktenhäpp- Nun sag, wie hast du’s mit Reli? 8 fächern, die als Religionskunde konzi- chen überwiegt, das Hinterfragen fin- Konservative Christen zensieren Klitoris 10 piert sind. In der Deutschschweiz gibt det höchstens am Rand statt. Konfessionsfreie auf der Überholspur 13 der Lehrplan 21 grobe Leitplanken vor. Buchtipps für Kinder und Eltern: Seite 16 Die Umsetzung dieser nun zum Pflicht- Kinder fragen: «Ist es nicht traurig, Der Grundanspruch ist, dass nicht mehr fach aufgewerteten Religionskunde ist, dass Humanisten keinen Himmel haben?» 14 Bekenntnis gefordert und gefördert, schweiztypisch, von Kanton zu Kanton Buchtipps für Kinder und Eltern 16 Foto: ©Adobe, GieZetStudio sondern Grundwissen über Religionen verschieden (S. 8–10). Und es gibt lei- Religion im Fokus der Medien: «Christliche Werte» 18 vermittelt wird – es geht um teaching der besonders missglückte Formen, about religion, nicht um teaching in re- FREIDENKEN | GESPRÄCH wie das Zürcher Fach Religion und Kul- ligion. Der Ansatz ist gekoppelt an die «Religionskunde gehört in die Schule» 20 tur: Fünf Weltreligionen werden wie Hoffnung, dass Wissen über die domi- Ritualbegleitung: In schwierigen Zeiten 22 eine Angebotspalette präsentiert, die nanten Religionen gegenseitiges Ver- Lebenswelt der nichtreligiösen Kinder FREIDENKENDE | SCHWEIZ Im Gespräch mit der Religionswissenschaftlerin ständnis erhöht und das Fach so einen wird völlig ausgeblendet. Die Ausei- Petra Bleisch über die Religionskunde: Seite 20 Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden Über uns: Thomas Percy 23 nandersetzung mit Religion und dem leistet (S. 20–21). Verzicht darauf können insbeson- FEEDBACK | FORUM Es spricht durchaus einiges dafür, dass dere säkulare Eltern also kaum auf die Ratgeber,24 Kinder beispielsweise wissen, aus wel- Schule abdelegieren. Die von Nada Pe- Ein Erfahrungsbericht: IMPRESSUM cher Geschichtensammlung die Erzäh- ratovic zusammengestellten Antworten «Wir lassen uns überraschen» 24 Herausgeberin: Freidenker-Vereinigung der Schweiz, www.frei-denken.ch lung der Arche Noah stammt – Kin- auf Fragen von Geschäftsstelle: 3000 Bern AGENDA | INFOS Tel. 076 805 06 49, info@frei-denken.ch der begegnen ihr früh in der Form von Kindern (S. 14–15) Postkonto 84-4452-6 IBAN: CH7909000000840044526 Versammlungen, Notizen 26 Spielzeug, später lernen sie «Arche» als und die Lesetipps Erscheinungsweise vierteljährlich: 1. März, 1. Juni, 1. September, 1. Dezember Metapher kennen für Orte, die Sicher- (S. 16–17) sollen SCHLUSS | PUNKT Redaktionsschluss: 10. des Vormonats Auflage: 2000 heit bieten. Damit religionskundlicher eine kleine Hilfe Berühmte Atheistinnen: Marlene Dietrich 27 Redaktionskommission: Vera Bueller & Pietro Cavadini (Co-Leitung), Unterricht aber nicht zur schönfärberi- für Gespräche zu Simone Krüsi (Geschäftsleitung FVS), Sandro Bucher, Anne Boxleitner, Patrick Dubois, Claude Fankhauser, Eliane Schmid, Iris Schulz schen Sonntagsschule verkommt, muss Hause bieten. Viel FREIDENKENDE | EVENTS Jahresabonnement: Schweiz: Fr. 35.–, Ausland: Fr. 40.– (B-Post) er auch Raum bieten, über die Inhalte Spass beim Lesen! Veranstaltungen 28 Zweitabonnement für Mitglieder aus der Romandie und dem Tessin: Fr. 10.– Probeabonnement: 2 Nummern gratis zu reflektieren. Gerade die Arche-Ge- Korrektorat: Claude Fankhauser; Petra Meyer, www.korrektorium.ch schichte eignet sich bestens, um sich Gestaltung: Vera Bueller, www.selezione.ch; Pietro Cavadini, www.mindbombs.ch über Gottesbilder auszutauschen. Kann Druck und Spedition: Swissprinted.ch ein rachsüchtiger Gott, der fast alles Le- Andreas Kyriacou frei-denken.ch ISSN 1662-9043 Freidenkende Schweiz 101. Jahrgang (2015 korrigiert) ben auslöschen wollte, wirklich ein Vor- Namentlich gekennzeichnete Beiträge können, müssen aber nicht mit der Ansicht säkular . humanistisch . rational der Redaktion übereinstimmen. bild sein? Schaut man typische Unter- 2 freidenken. Frühling 2019 freidenken. Frühling 2019 3
AKTUELL | NEWS INTERNATIONAL Neues US-Parlament: Atheisten sind grosszügiger als Christen Atheisten sind Christen gegenüber grosszügiger als Chris- so religiös wie das alte ten gegenüber Atheisten. Das hat eine Studie der Ohio Uni- versity ergeben. Forscher baten die Teilnehmer eines Spie- SCHWEIZ les, den gewonnenen Geldpreis mit einem Mitspieler zu AKTUELL | NEWS Basel: Abstimmung über Kirchensteuer teilen, der selber keinen Einfluss auf das Spielergebnis hatte. Genf verbietet religiöse Symbole Die Basler Kirchen sollen ihre Steuern weiterhin selbst bei Als Atheisten die religiöse Ausrichtung ihres Mitspielers be- Foto: ©Adobe Stock, Africa Studio für Beamte ihren Mitgliedern eintreiben. Dies fordern die Unterzeichne- kannt gegeben wurde, hatte das keinen Einfluss auf ihr Ver- rinnen und Unterzeichner des von den Freidenkenden Basel halten. Christen hingegen zeigten sich parteiisch: Sie waren In Genf dürfen Staatsangestellte und Politiker künftig keine federführend organisierten Referendums gegen das geän- nur gegenüber Mitchristen grosszügig. Studienleiterin Col- Zeichen der Religionszugehörigkeit wie beispielsweise Kopf- derte Steuergesetz. Dieses sieht vor, dass der Staat im sä- leen Cowgill: «Wir haben in mehreren Studien festgestellt, AKTUELL | NEWS tücher mehr tragen. Die Genferinnen und Genfer haben ein kularsten aller Kantone künftig die Kirchensteuern eintreibt. dass unsere atheistischen Teilnehmer sich gegenüber Part- neues Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche angenom- Das Referendum ist zustande gekommen. (Bue) nern, die ihrer Meinung nach Christen waren, fairer verhiel- men. Darin wird der Grundsatz der Neutralität des Staates in ten als Christen gegenüber denjenigen, die sie für Atheisten religiösen Fragen bekräftigt. Weiter verbietet das neue Ge- hielten.» (pc) setz – von Ausnahmefällen abgesehen – religiöse Kundge- Stiftung «Wissen für alle» gegründet In der amerikanischen Bevölkerung bezeichnen sich 23 Pro- bungen im öffentlichen Raum. (Bue) zent als atheistisch, agnostisch oder «nichts Besonderes». Ende letzten Jahres hat ein unabhängiger Kreis von Fonda- Trotzdem sagt im neu gewählten Parlament nur gerade eine Absage: österreichische Regierung will teurs aus Wissenschaft, Wirtschaft und Medien die Stiftung Person – Senatorin Kyrsten Sinema, Demokratin aus Arizona Tessiner Schüler müssen zum «Wissen für alle» ins Leben gerufen. Die Stiftung will den keinen Karfreitags-Feiertag –, dass sie nicht religiös sei. Der neue, 116. Kongress der Ver- patriotischen «Hymnentest» Wissenschaftsjournalismus in der Schweiz retten. Mitglied einigten Staaten ist insgesamt etwa so religiös wie der vor- Der Karfreitag ist im überwiegend katholischen Österreich ist auch die Freidenker-Vereinigung der Schweiz. herige: 88,2 Prozent Christen, 6,4 Prozent Juden, je 0,6 Pro- nur für Angehörige der evangelischen Kirchen des Augsbur- Anfang 2018 ging mit higgs.ch das erste unabhängige Ma- zent Muslime und Hindu und je 0,4 Prozent Buddhisten und ger und Helvetischen Bekenntnisses, der Altkatholischen Kir- gazin für Wissenschaftsjournalismus der Schweiz online, um Unitarier. Allerdings: Befragt nach ihrer Religionszugehörig- che und der Evangelisch-methodistischen Kirche ein bezahl- dem Wissenschaftsjournalismus eine von Verlagsinteressen keit weigern sich immer mehr Mitglieder des Kongresses, ter Feiertag. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun unabhängige Plattform zu bieten. Dem gemeinnützigen sie anzugeben. Diese Gruppe – alles Demokraten – zählt die geltende Karfreitags-Feiertagsregelung für Arbeitneh- Charakter des Vorhabens entspricht die Organisationsform 18 Abgeordnete oder 3 Prozent des Kongresses, gegenüber mer als diskriminierend eingestuft und gekippt. Die Gewäh- einer Stiftung. Sie ist neben privaten Spenden vor allem da- 10 Mitgliedern (2 Prozent) im 115. Kongress. Unter den Ver- rung eines bezahlten Feiertags primär nur für evangelische rauf angewiesen, dass sich jene Kreise zur Unterstützung weigerern ist auch Jared Huffman aus Kalifornien, der sich Christen stelle eine verbotene Diskriminierung aufgrund der entscheiden, denen die Förderung von Bildung, Wissen und Der sozialdemokratische Erziehungsdirektor des Kantons 2017 als Humanist bezeichnet und gesagt hat, dass er nicht Religion dar, entschied der EuGH. Die österreichische Bun- Wissenschaft ein Anliegen ist. (team higgs/pc) Tessin, Manuele Bertoli, hat die Schulinspektoren, Schullei- sicher sei, ob Gott existiere. (pc) desregierung spricht sich aber auch nach dem EuGH-Urteil Alle Infos zur Stiftung unter www.wissen-fuer-alle.ch zum Karfreitag gegen die Einführung eines neuen Feierta- ter und andere zuständige Personen angewiesen, in diesem Jahr «Hymnentests» in den Schulklassen durchzuführen. Da- ges aus. (Bue) mit will er prüfen, ob die Schülerinnen und Schüler den Text Zahl der Atheisten in der Türkei steigt unserer Nationalhymne («Quando bionda aurora il mattin Immer mehr Menschen in der Türkei wenden der Religion c’indora ...») kennen und ihn auch singen können. Bertoli den Rücken zu. Laut einer aktuellen Umfrage des renom- Schulpflicht trotz Religion will die Ergebnisse der Kontrollen so rasch wie möglich prä- mierten Meinungsforschungsinstituts Konda gibt es in der Ein Paar aus der Nähe von Darmstadt hat sich aus religiö- sentieren und «wenn nötig» Massnahmen zur Verbesserung Türkei immer mehr Menschen, die sich selbst als Atheisten sen Gründen geweigert, seine vier Kinder in die Schule zu der «Hymnensituation» ergreifen. Der Hymnenunterricht ist bezeichnen – in den vergangenen zehn Jahren habe sich schicken. Die streng religiöse Familie hält die Schulpflicht Foto: ©René Ruis seit 2013 an den Tessiner Schulen obligatorisch. ihre Zahl verdreifacht. Der Prozentsatz derjenigen, die sich für eine «Freiheitsbeschränkung». Die Behörden brachten Die auch als «Schweizerpsalm» bekannte Hymne ist ein Kir- als Muslime verstehen, sank dagegen von 55 auf 51 Prozent. die Kinder daraufhin für drei Wochen im Heim unter, um die chenlied (im Gesangbuch der evangelisch-reformierten Kir- Die Zahl der Strenggläubigen fiel von 13 auf 10 Prozent. Schulpflicht durchzusetzen. Die Eltern sahen ihr Menschen- chen unter der Nummer 519 und im katholischen Kirchen- Konservative Kreise betonten in der Vergangenheit immer, recht auf Familienleben verletzt. Ihre Beschwerde landete gesangbuch unter der Nummer 563 zu finden), das der Das Gründer-Team von links Ruedi Aebersold, Carl August Zehnder, die türkische Gesellschaft bestünde zu 99 Prozent aus Mus- vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Strassburger Richter Priester Alberik Zwissig 1835/1841 komponiert und mit ei- Alexander Huber, Christian Burger, Melanie Hartmann (für FVS), limen. Auch das Ministerium für Religiöse Angelegenheiten hielten nun aber fest, dass mit dem teilweisen Sorgerechts- Manuel Puppis (Stiftungsrat), Andreas Kyriacou (für FVS), Alexander nem schwülstigen religiösen und patriotischen Text von Le- Moser, Bernhard Segesser, Jürg Wildberger. Auf dem Bild fehlen: DIYANET hatte 2014 erklärt, 99,2 Prozent der Bevölkerung entzug zwar in dieses Recht eingegriffen worden sei. Die onhard Widmer unterlegt hat. (pc) Thomas Nordmann, Wim Ouboter, Chris Baur, Felix Althaus. der Türkei seien Muslime. (pc) Gründe dafür seien aber «relevant und ausreichend». (pc) 4 freidenken. Frühling 2019 freidenken. Frühling 2019 5
AUFGEFALLEN Von Gott auserwähltes Volk PRO & KONTRA 56 Prozent der Israeli glauben, dass die Juden ein von Gott auserwähltes Volk sind. Das ergab kürzlich eine Umfrage der «Wort zum Sonntag»: Fernsehprediger israelischen Tageszeitung «Haaretz»1. rechtfertigt Ausbildung zum Töten Der Jude und Atheist Albert Einstein hat sich bereits 1954 Soll man den Rassendiskriminierungs-Artikel PRO | KONTRA zu diesem Thema geäussert: «Für mich ist die unverfälsch- te jüdische Religion wie alle anderen Religionen eine Incar- weiter ausdehnen? nation des primitiven Aberglaubens. Und das jüdische Volk, zu dem ich gerne gehöre und mit dessen Mentalität ich tief verwachsen bin, hat für mich doch keine andersartige Digni- tät als alle anderen Völker. Soweit meine Erfahrung reicht, ist E nde letzten Jahres hat das Parlament mit der Erweiterung der F ast bei jedem Wet- ter halte ich die Re- genbogenflagge hoch AKTUELL | NEWS es auch um nichts besser als andere menschliche Gruppen, Anti-Rassismusstrafnorm und setze mich aus libe- wenn es auch durch Mangel an Macht gegen die schlimms- erstmals einen explizi- raler Überzeugung für Foto: ©Michael Fritschi ten Auswüchse gesichert ist. Sonst kann ich nichts ‹Auser- ten Schutz vor Diskrimi- Themen wie Ehe für alle, Foto: ©Mindbombs wähltes› an ihm wahrnehmen.» nierung für homo- und Adoption durch Gleich- Seit Israel die Atombombe besitzt und fremdes Territorium bisexuelle Menschen in geschlechtliche oder die besetzt, gilt Einsteins Hinweis auf den «Mangel an Macht» einem Gesetz festge- eingetragene Partner- des jüdischen Volkes nur noch eingeschränkt. Das hat wohl schrieben. Ein längst fäl- schaft ein. Zur Frage aber, Roman Heggli Dr. iur. Andrea Caroni auch «Haaretz»-Mitherausgeber Gideon Levy zu seinem liger Schritt! Denn mo- ob man den Rassendiskri- Geschäftsleiter Pink Cross FDP-Ständerat Kanton Kommentar veranlasst: «Es ist einfach zu erklären, dass Gott mentan herrscht eine minierungs-Artikel immer Urs Corradini möchte «ein breites Publikum ansprechen Appenzell A.-Rh. existiert oder nicht existiert. Niemand erwartet da Beweise. absurde Situation: Wenn weiter ausdehnen soll, und nicht nur Kircheninsider», sagt er. Beim «Wort zum Aber wenn die Mehrheit einer Nation überzeugt ist, dass sich die Beleidigung oder finde ich mich für einmal Sonntag» des Schweizer Fernsehens habe er die Mög- ihre Nation allen anderen Nationen überlegen ist, sind ei- Hetze gegen eine einzelne Person richtet, kann diese eine nicht im gleichen Lager wie die Regenbogen-Koalition. lichkeit, die christliche Haltung zu konkreten aktuellen nige Beweise notwendig. Im Falle Israels ist es allerdings Ehrverletzungsklage einreichen. Wenn es sich aber an eine Das Strafrecht sollte in einem Rechtsstaat stets als letz- Fragen zu kommentieren. Und davon hat er auch Ge- ganze Gruppe, wie z.B. «die Homosexuellen» richtet, ist das tes Mittel zum Einsatz kommen. Es ist in diesem Fall eine leicht zu erkennen, dass es sich um einen Fall von Realitäts- brauch gemacht. bisher nicht strafbar. zu grobe und meines Erachtens auch unnötige Keule im verlust handelt – um eine gefährliche Illusion. Denn ein Volk, Zur besten Sendezeit zwischen Tagesschau und «Wer Dieser erste Diskriminierungsschutz ist dringend notwendig: Kampf um Meinungshoheit. Es gibt heute schon einen das davon überzeugt ist, dass es von Gott auserwählt ist, wohnt wo?» sprach der römisch-katholische Gemeinde- Noch immer ist «schwul» eines der beliebtesten Schimpf- breiten Schutz für das Individuum, das aufgrund seiner se- stellt eine Gefahr dar, eine Gefahr für sich selbst und auch leiter aus Schüpfheim Mitte Januar sein Wort zum Sonn- wörter auf den Pausenplätzen in diesem Land. Noch immer xuellen Orientierung beleidigt oder gar bedroht wird. eine Gefahr für seine Umgebung.» (pc) tag. Allerdings nicht im Kollarhemd mit dunkler Kleidung, haben viele junge Menschen Angst vor dem Coming-Out. Jede Ausdehnung der Anti-Rassismus-Strafnorm wird weite- sondern in der Hauptmannsuniform eines Feldpredigers Glauben Sie, dass das jüdische Volk ein von Gott Noch immer werden Jugendliche von ihrem Umfeld zu «Ho- re nach sich ziehen. Die UNO wünscht sich von uns bereits auserwähltes Volk ist? weiss nicht / mo-Heilungen» gedrängt. Und noch immer ist die Suizida- schon strafrechtlichen Diskriminierungsschutz wegen der der Schweizer Armee. keine Antwort Und die Uniform des Fernsehpredigers war Programm: lität bei nicht-heterosexuellen Jugendlichen etwa fünfmal Sprache, des Geschlechts, wegen Behinderungen oder der Die wie Rekruten angesprochenen Fernsehzuschauer 12% höher als bei ihren heterosexuellen Peers. Nationalität. Was wäre, wenn wir es plötzlich unter Strafe stel- Das kommt nicht von ungefähr. Solange es legal und «nor- len, dass man schlecht über andere politische Gesinnungen (Durchschnittsalter 58 Jahre) mussten sich erklären las- mal» ist, gegen homo- und bisexuelle Menschen zu hetzen spricht («du Neoliberaler», «du Cüpli-Sozialist»)? Möglich sen, dass die Bibel zwar das Töten moralisch verbiete, Je- und sie pauschal herabzusetzen, wird sich daran wenig än- wäre auch, dass man irgendwann nicht mehr schlecht über sus aber auch Hilfe für die Schwachen fordere und es des- dern. Die Erweiterung ist deshalb auch symbolisch wichtig, die regionale Herkunft sprechen darf. Mit einer solchen straf- halb richtig sei, zur Verteidigung dieser Schwachen von 56% JA 32% NEIN sagt sie doch: Diskriminierung und Hetze ist keine Meinung, rechtlich bewehrten Regelung hätten wir Appenzeller den der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Im Übrigen finde sondern eine Straftat. Vorteil, dass man endlich aufhören müsste, uns als Halbkan- er die Ziele der Schweizer Armee gut. In einer solchen Ar- Genau deshalb bedroht die Erweiterung nicht die Mei- ton-Einwohner zu bezeichnen: Das wäre dann endlich straf- Quelle: «Haaretz», Grafik: Mindbombs mee Dienst zu tun, sei «moralisch kein Problem». Sie bie- nungsfreiheit. «Schwulenwitze» sind zwar meist nicht lustig, bar. Aber das wäre auch schon der einzige positive Effekt. te «wunderbare Erlebnisse von Kameradschaft». doch wird deswegen niemand vor Gericht gestellt. Wir dür- Die Grundsatzfrage ist also: Wollen wir das Strafrecht auf Beim Deutschschweizer Radio und Fernsehen gibt es fen aber nicht zulassen, dass weiterhin ungestraft Hass ge- immer mehr Kriterien ausdehnen und damit das Prinzip der heute zwölf Sendegefässe mit religiösem Bezug, mitfi- gen vulnerable Minderheiten verbreitet werden darf. Denn «ultima ratio» im Strafrecht verwässern? Ich bin gegen eine Politische Ausrichtung jener, die mit Ja geantwortet haben: nanziert durch Zwangsgebühren auch von Konfessions- das Klima des Hasses kann dazu führen, dass sich junge Erweiterung, weil ich die Meinungsfreiheit hochhalte und rechts 73% freien – und Militärdienstverweigerern. Menschen das Leben nehmen – nur weil sie nicht hetero- finde, das beste Rezept gegen eine dumme Äusserung ist Mitte 41% Pietro Cavadini sexuell sind. nicht das Strafrecht, sondern eine gescheite Gegenrede. links 13% 1 https://www.haaretz.com/opinion/.premium-79-percent-of-right- Roman Heggli ist Vizepräsident der Gleichstellungskommission des Andrea Caroni ist Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter der Universität wingers-believe-jews-are-the-chosen-people-are-you-for-real-1.6471893 Kantons Basel-Stadt St. Gallen 6 freidenken. Frühling 2019 freidenken. Frühling 2019 7
FREIDENKEN | HINTERGRUND schen Länder für verbindlich erklärt ha- sung garantierte Glaubens- und Gewis- FREIDENKEN | HINTERGRUND ben.» Von der Aufklärung, die schliess- sensfreiheit verbietet verpflichtenden lich dazu geführt habe, dass heute Religionsunterricht. Im Lehrplan 21 neu FREIDENKEN | HINTERGRUND eine Weltanschauung ohne Gottheiten ist die Kombination mit lebenskundli- Nun sag, möglich sei, erfahre man dagegen kein chen Themen, der von den Kirchen ge- Wort. «Das ist eine skandalöse Stigma- tragene christliche Religionsunterricht tisierung Nichtgläubiger.» wird weiterhin angeboten.» wie hast du’s mit «Reli»? Auch Thomas Schlag, evangelischer Was das bedeutet, wurde die Religi- Theologe und Professor für Praktische onswissenschaftlerin Katharina Frank Theologie an der Uni Zürich, spricht an- von der Uni Zürich vor drei Jahren in gesichts der Lehrmittel im Kanton Zü- der «NZZ» zitiert: «Die Schüler lernen rich von einem Gemischtwarenladen, im Fach Religion und Kultur nicht, dass von Sandro Bucher bei welchem sehr viele Religionen sehr ‹wir› an Weihnachten die Geburt von An allen Schulen in der Schweiz wird bunt nebeneinandergestellt würden. Es Jesus feiern, sondern, was das Fest für Religionsunterricht erteilt. Das galt sei undenkbar, dass sich Schüler da ori- verschiedene Christen bedeutet und vor genau zwanzig Jahren. Heute entieren können, wird er in der ehema- wann zum Beispiel orthodoxe Chris- gibt es Dutzende Bezeichnungen für ligen Wochenzeitung der reformierten ten Weihnachten feiern.» Dieser reli- das Fach und der Unterricht ist teil- Kirche «reformierte presse» 2013 zitiert. gionskundliche Zugang des Lehrplans weise gar von Gemeinde zu Gemein- 21 sei letztlich eine Folge davon, dass Öffnung durch Lehrplan 21? die Zahl von Konfessionsfreien und An- de unterschiedlich. Dem Subsidiaritätsprinzip zumindest dersgläubigen in den Schulen steige. R in dieser Beziehung entgegenzutre- Für David Wakefield, Studienleiter am Foto: © zdf.de eligion und Kultur. Religions- ten, das verspricht der Lehrplan 21. Religionspädagogischen Institut der kunde. Ethik – Religionen – Das Projekt der Deutschschweizer Er- Uni Luzern, anerkenne der Staat mit Gemeinschaft. Oder einfach nur Religi- ziehungsdirektoren-Konferenz (D-EDK) dem Lehrplan 21 die Bedeutung von on. Dies sind nur einige der Etiketten, will die Ziele der Volksschulen in den Religion für unsere Gesellschaft: «Es ist die dem Religionsunterricht an öffentli- te in der Schweiz konfessionsfrei ist. In Zürich bedeutet das, dass jedes Kind Reli-Bücher stigmatisieren Atheisten 21 Deutschschweizer Kantonen har- konsequent, dass er religionskundliche chen Schulen hierzulande aufgedrückt Das gilt aber nicht für alle Landesteile. den Religionsunterricht zwar besuchen Wie aber sollten Schulen darauf re- monisieren, den Religionsunterricht im Bildung in den Lehrplan aufnimmt und werden. Entstanden ist dieses Bezeich- Denn geht es um «Reli», ist die Schweiz muss, der Unterricht aber nicht durch agieren, dass die Schweiz immer unre- neuen Lernbereich «Ethik – Religionen durch eine Ausbildung an den Pädago- nungs-Wirrwarr dadurch, dass der Re- ein unübersichtlicher Flickenteppich. den Pfarrer, sondern – im Rahmen ei- ligiöser wird? Dass eine Verstaatlichung – Gemeinschaft». Doch schon vor vier gischen Hochschulen sicherstellt, dass ligionsunterricht je nach historischen Wenn auch kein besonders bunter. ner bekenntnisfreien Religionskun- nicht automatisch bedeutet, dass der Jahren haben einige Religionspädago- Lehrpersonen diesen Unterricht auf für und rechtlichen Rahmenbedingungen Unterschiede de – durch eine Lehrperson. Ihrerseits Unterricht bekenntnisneutral und un- gen der theologischen Fakultäten der alle förderliche Weise gestalten.» Die- bis heute von Kanton zu Kanton unter- bis auf Gemeindeebene haben die Religionsgemeinschaften abhängig geführt wird, hat Freiden- Deutschschweiz die Sorge geäussert, ser staatliche Religionsunterricht dür- schiedlich geregelt wird. Während die So wird der Unterricht im Tessin zum weiterhin die Möglichkeit, die Kinder kenden-Präsident Andreas Kyriacou in dass der Religionsunterricht im Lehr- fe aber weder Bekenntnis vorausset- Verantwortung für ihn traditionell und Beispiel weiterhin von der katholischen in ihre Religion einzuführen. Aber: nur einem Streitgespräch mit dem Gross- plan 21 nur eine objektive Aussensicht zen noch auf Bekenntnisse abzielen. jahrzehntelang in vielen Kantonen bei Kirche verantwortet. Auch in der Ost- teils. Denn in einigen Gemeinden wird münsterpfarrer Christoph Sigrist in der auf das Phänomen Religion vermittle, «Dieser Unabhängigkeit müssen Lehr- den Landeskirchen lag, hat sich dies und Innerschweiz dürfen Vertreter der Religionsunterricht als Wahlpflichtfach «NZZ» Ende letztes Jahr aufgezeigt: «In statt religiöse Traditionen auch erfah- personen durch ihr Unterrichtssetting in den letzten Jahren stark geändert. Landeskirchen noch heute Religionsun- organisiert. Und in einigen Kantonen den Religionskunde-Büchern für die rungsorientiert weiterzugeben. Auch Rechnung tragen.» Denn für die Kirche wird es durch zeit- terricht erteilen. In den Kantonen Aar- muss der konfessionelle Religionsun- Unter-, die Mittel- und die Oberstufe auf der Website des Lehrplans 21 wird Dass der Lehrplan 21 der Kirche nicht gemässe Lehr- und dichter werdende gau, Freiburg, Zürich, Bern, Waadt und terricht ausserhalb der Schule abgehal- kommen die nichtreligiösen Personen «der christliche Religionsunterricht wird überall den Boden in der Schule raubt, Stundenpläne immer schwieriger, sich Neuenburg jedoch steht der Unterricht ten werden, während andere Kantone auf genau einer Doppelseite vor. Zum abgeschafft» als Kritikpunkt aufgeführt. zeigt sich am Beispiel der konfessions- in der Schule zu behaupten. Ebenso in staatlicher Verantwortung und zählt den Landeskirchen Klassenzimmer zur Atheismus liest man in diesen Büchern Ein Vorwurf, gegen den sich die D-EDK freien Mutter Laura C.* aus dem Kan- deshalb, weil mittlerweile jeder Vier- zur obligatorischen Schulbildung. Verfügung stellen. praktisch nur, dass ihn die kommunisti- wehrt: «Die durch die Bundesverfas- ton Obwalden. Dort gilt zwar der neue 8 freidenken. Frühling 2019 freidenken. Frühling 2019 9
Lehrplan. Doch mit seiner Etablierung verantwortet. Und die Kirche die Kate- ging die Entwicklung eines Religions- chese dort verortet, wo sie ihren Platz unterrichts einher, der weiterhin von Religionsgemeinschaften verantwortet wird. In Obwalden sind das die evan- hat, nämlich in der Pfarrei.» Wäre aber auch ein Miteinander von Kirche und Staat möglich? Dies zumin- Konservative Christen gelisch-reformierte Kirche und die rö- dest fordern die Religionspädagogen FREIDENKEN | HINTERGRUND misch-katholische Kirche, wobei ers- und -pädagoginnen, die sich kritisch tere den Unterricht ausserhalb der zum Lehrplan 21 geäussert haben. Und FREIDENKEN | HINTERGRUND zensieren Schulstunden gestaltet. Die katholi- sprechen sich dafür aus, dass im Un- sche Kirche hingegen darf den Unter- terricht neben einem objektiven Be- richt während der offiziellen Schulzeit zug ein erfahrungsorientierter und per- Klitoris abhalten. Das heisst: «In den Blockzei- sönlichkeitsbildender Ansatz tritt, der ten am Vormittag feiern katholische Kin- Schülern bei der Entwicklung einer reli- der eine Stunde lang eine Messe, wäh- giösen Identität helfe. rend der alle anderen unter der Aufsicht Geht mit «1+1» die Rechnung auf? Foto: ©Adobe Stock, Svetlana Farafonova einer Lehrperson einer Stillbeschäfti- Also ähnlich wie das «Modell 1+1», das gung nachgehen müssen. Das passiert beispielsweise an der Bündner Volks- je nachdem zehn bis zwanzig Mal im schuloberstufe praktiziert wird. Bei Schuljahr», sagt Laura C. «Für mich ist diesem jedoch werden Religionskun- das unzureichender Grundschulunter- de und Bekenntnisunterricht getrennt. richt, weil durch die Messe reguläre Lek- Erstere besuchen alle, zweiteren – der tionen wegfallen.» auf Basiswissen setzt, das im obligaten Fern der Messen gebe es alle zwei Wo- Unterricht vermittelt wird – nur diejeni- chen auch den katholischen Religions- gen, die einer Konfession angehören. unterricht à zwei Lektionen. «Bei die- Die christliche «Stiftung Zukunft Auch das Thema der sexuellen Vielfalt kerinnen und Kritiker auf den Plan rief. Das falsche Argument Die Forderung, beides in einem Fach sem dürfen nichtgetaufte Katholiken Schweiz» will mit eigenen Lehrmit- fällt komplett unter den Tisch. Die Se- Sie fürchten die Folgen, die ein derart der «Frühsexualisierung» vereinen zu wollen, würde sowieso ge- nicht kostenlos dabei sein.» Ebenso teln den Sexualkundeunterricht be- xualität von Frauen wird auf Schwan- lückenhafter und falsch gewichteter Gegenüber der «taz» erklärte die «Stif- gen die Glaubens- und Gewissensfrei- muss mindestens ein Elternteil Mitglied einflussen. gerschaft, Geburt und Kindererzie- heit verstossen, wie auch schon die Sexualkunde-Unterricht bei Kindern tung Zukunft Schweiz»: «Bildliche Dar- der römisch-katholischen Kirchgemein- hung reduziert. Der Aspekt der Lust D-EDK festgestellt hat. und Jugendlichen hervorrufen könn- stellungen, die wir für die Sexualaufklä- de sein, damit das Kind zum Unterricht von Tobias Tscherrig « Darüber hinaus scheint «1+1» dennoch ist im Lehrmittel nicht nur inexistent, te. Immerhin hat die «Stiftung Zukunft rung von Mädchen verwenden, dürfen zugelassen wird. Das geht aus einem zu einfach, wenn man auch die Plura- er wird den Schülerinnen und Schü- Schweiz» ihre «Lehrmittel» mit 4000 nicht zu explizit sein. Dies, weil stark Schreiben des Pfarramtes hervor, wel- Wir Powergirls» und «Rakete start- lisierung unserer Gesellschaft in der lern abgesprochen. So steht im Buch, Briefen in der Deutschschweiz bewor- sexualisierte Bilder auf gesunde Mäd- ches freidenken vorliegt. «Wenn man klar»: Das sind die Namen der Rechnung berücksichtigt. So wurde Selbstbefriedigung könne zu Abhän- ben. Wie die Stiftung erklärte, hätten chen in der Regel eine abschrecken- aber seine konfessionsfreien oder an- neusten Sexualkunde-Lehrmittel der beispielsweise Jarrah Peter, die gerade gigkeit führen. Auch Abtreibung wird bereits 300 Schulen die Lehrmittel be- de Wirkung haben und Abwehr auslö- dersgläubigen Kinder trotzdem dorthin «Stiftung Zukunft Schweiz». Damit will ihr Masterstudium an der Juristischen ausschliesslich negativ dargestellt. stellt (Stand: 29. Oktober 2018). sen.» Deshalb wurde zum Beispiel die schicken möchte, damit sie sich nicht die konservative Stiftung zehn- bis drei- Fakultät der Uni Basel abschliesst, An- Daneben bedienen die Autoren Ste- Auch deshalb schrieb der nationale Klitoris aus den Lehrmitteln verbannt. ausgegrenzt fühlen, muss man der Kir- zehnjährige Kinder über Sexualität auf- fang Februar in der «Aargauer Zeitung» reotypen: So seien Mädchen schön Dachverband «Sexuelle Gesundheit Mit ihrer Aussage spielt die Stiftung che einen Beitrag von 280 Franken be- klären. Die Publikationen kommen an- zitiert: «Da der Islam die drittgrösste und würden meckern. Knaben würden Schweiz» im Oktober einen zweiseiti- auf das oft gehörte und trotzdem fal- zahlen. Pro Schuljahr und Kind.» Be- sprechend daher: Niedliche Buchtitel Religionsgemeinschaft der Schweiz ist, dagegen «Ziele anpeilen» und ihre gen Brief an die Zürcher CVP-Regie- sche Argument der «Frühsexualisie- zeichnet wird dies in dem Schreiben als und liebevoll gemalte Zeichnungen erscheint die Einführung eines fakulta- «Ausdauer trainieren». Aus ihnen ent- rungsrätin Silvia Steiner. Zusam- rung» an. Dabei haben Expertinnen «Gaststatus» für die Kinder. buhlen um ihre Gunst. Auf den ersten tiven islamischen Religionsunterrichts stünden «Helden», die «was zu sagen mengefasst heisst es darin, dass das und Experten diese Mär längst wider- «Es ist wichtig, schulisch zwischen be- Blick ist wenig zu beanstanden, die an den Schulen folgerichtig.» haben». Schulbuch der auf Menschenrechten legt. Schon lange ist wissenschaftlich kenntnisunabhängigem und konfessi- Lehrmaterialien scheinen nach metho- Der Religionsunterricht in der Schweiz dischen Standards aufgebaut, sie wir- Beschwerde gegen Lehrmittel basierten Sexualaufklärung widerspre- belegt, dass Kinder von klein auf auch onellem Religionsunterricht zu unter- bleibt also trotz Lehrplan 21 weiterhin che. Ausserdem decke es nicht alle sexuelle Wesen sind. Ebenso klar, dass scheiden», sagt Wakefield. «Dass also ken progressiv. Überhaupt propagieren die Autoren ein Flickenteppich. Und wird künftig Themen ab, die im Lehrplan 21 veran- andere Lehrmittel nicht – wie oft von der Staat verantwortlich für das be- Erst der zweite Blick enthüllt ihre Rück- die Ehe von Mann und Frau als Lebens- vielleicht sogar noch bunter.n kert seien, und lasse sich nicht mit den konservativen Kreisen befürchtet – Kin- kenntnisunabhängige Fach Lebens- ständigkeit. Die Autoren verschweigen entwurf und gehen auf keine anderen kunde und Ethik ist und die Kirche den * Name der Redaktion bekannt die Klitoris und verteufeln Themen wie Beziehungsformen ein. Kein Wunder, «Standards für die Sexualaufklärung in der sexualisieren möchten. «Frühsexu- konfessionellen Religionsunterricht Siehe auch: Anti-Buchtipp Seite 17 Selbstbefriedigung und Pornografie. dass dieses rückständige Denken Kriti- Europa» vereinbaren. alisierung» ist nicht mehr als ein politi- 10 freidenken. Frühling 2019 freidenken. Frühling 2019 11
Konfessionsfreie scher Kampfbegriff, der vor allem von tian Solidarity International», einem in- um gemeinsam mit den selbst er- wertorientierte Sexualpädagogik und rechten, konservativen und gläubigen ternationalen christlichen Hilfswerk, das nannten «Lebensschützern» zu beten. natürliche Familienplanung. Kreisen benutzt wird. sich für verfolgte Christen einsetzt. In einer Vernehmlassungsantwort zur Die Aussage, wonach «sexualisierte Bilder» für gesunde Mädchen gefähr- Fundamentalisten kämpfen gegen Änderung des Bundesgesetzes über Finanzhilfen für familienergänzende Auch Verlag hat klare Absichten Die Lehrmittel der «Stiftung Zukunft auf der Überholspur Fundamentalisten Schweiz» erschienen im fontis-Verlag, lich seien, ist selber brandgefährlich. Kinderbetreuung schrieb sie: «Die vor- von Andreas Kyriacou ihrer Analyse geht hervor, dass die Zu- FREIDENKEN | HINTERGRUND Stückelberger ist umstritten, er sah sich einem «innovativen Verlag mit dem Sie drängt Mädchen, die diese Bilder geschlagenen Massnahmen zielen an wanderer zum schnellen Wachstum dem Vorwurf der Religionshetze und Ziel, durch Bücher und Medien Glau- Ende Januar präsentierte das Bun- interessant und lustvoll finden, in die der gelebten Realität der Schweizer der Konfessionsfreien beitragen. Ins- FREIDENKEN | HINTERGRUND der Nähe zu fundamentalistischen Is- ben zu wecken und Kultur zu gestal- desamt für Statistik neue Zahlen zur ungesunde, abnormale Ecke. Von Kna- Bevölkerung vorbei und erklären etwas besondere Zuzüger aus Deutschland, lamgegnern ausgesetzt. Im Buch «Eu- ten». Der Verlag wurde von Dominik Religiosität der Bevölkerung der ben ist dagegen nicht die Rede. Das zur vermeintlichen Lebenswirklichkeit, Frankreich, Grossbritannien, den USA, ropas Aufstieg und Verrat – Wie Gott Klenk gegründet. Zwischen 2002 und Schweiz. Der Trend ist eindeutig: Die von der «Stiftung Zukunft Schweiz» was die feministisch dominierte Gleich- den Niederlanden und China bringen Geschichte macht» präsentierte er eine 2012 leitete dieser die ökumenische Konfessionsfreien machen einen im- herbeigezauberte Problem scheint stellungs-Lobby für fortschrittlich hält.» überdurchschnittlich oft keine Hausre- christliche Deutung der Geschichte. Kommunität «Offensive Junger Chris- mer grösseren Teil der Bevölkerung also nur Mädchen zu betreffen. Die Lehrmittel der «Stiftung Zukunft ligion mit. Darin versuchte er aufzuzeigen, «wie ten». Klenk setzt sich für die Familie aus aus. Schweizweit waren es Ende 2017 Schweiz» wurden von Regula Lehmann Interessant ist auch ein weiterer Aspekt Politik statt Sexualkunde das christliche Gottes- und Menschen- Mann und Frau sowie für ein Therapie- 26 Prozent. Zum Vergleich: im Jahr und Pascal Gläser verfasst. Neben ihrer der Stadtzürcher Untersuchung: Unter Im Lehrmittel steht auch, dass die «ge- bild den Aufstieg Europas begründet» recht für «veränderungswillige Homo- 2000 waren es erst 11,4 Prozent. Tätigkeit für die Stiftung arbeitet Leh- den 15- bis 49-jährigen Frauen neh- sellschaftlichen Umwälzungen der haben – und wie der Abstieg Europas sexuelle» ein. mann auch als Leiterin der «Elternini- men die Konfessionsfreien mit rund ei- 60er-Jahre» zu einer Fokussierung auf mit dem «Verrat am biblischen Gottes- Die säkularste Bevölkerung weist der tiative Sexualerziehung». Die Gruppe Rückständig und gefährlich nem Drittel klar vor den Katholikinnen Lust geführt hätten. Das sei eine einsei- und Menschenbild» zusammenhän- Kanton Basel-Stadt aus, 49,6 % der Be- vertritt den Standpunkt, dass Sexualer- Wenn nun derart konservative Christen (rund 28 %) und den Reformierten (ca. tig männliche Messlatte, woraus feh- gen soll. Stückelberger kämpft für die völkerung gehörten Ende 2017 keiner ziehung Familiensache sei. den Sexualkundeunterricht der Schu- 19 %) den ersten Platz ein. Und die kon- lende Achtung vor dem anderen und «Wiederentdeckung des christlichen religiösen Gemeinschaft an, mit ver- len vereinnahmen wollen, ist das nicht gleichsweise geringem Abstand folgen fessionsfreien Frauen haben mehr Kin- eine Überforderung der Schülerinnen Menschenbildes als Grundlage einer Kampf um Werte nur rückständig – sondern gefährlich. die beiden laizistischen Kantone Neu- der als Katholikinnen und Reformierte. und Schüler resultieren könne. europäischen Leitkultur». auf dem Buckel der Kinder Darunter können Schülerinnen und enburg (44,8 %) und Genf (41,3 %). Auch Höher ist die Fertilitätsrate nur bei den Nicht nur deshalb wird der Leserin und Inzwischen hat Stückelberger sein Prä- «Überlassen Sie das Prägen Ihrer Kin- Schüler leiden, die anhand von «christ- das Mittelland wird zunehmend religi- anderen Religionen. dem Leser der Lehrmittel bald klar, wo- sidentenamt bei der «Stiftung Zukunft der in Bezug auf Beziehungen, Liebe, lichen Werten» nur teilweise aufgeklärt onsfern (siehe Karte). Städte weisen ei- rum es der «Stiftung Zukunft Schweiz» Schweiz» an Michael Freiburghaus ab- Sexualität und Familie nicht der Schu- Grund der Austritte: oft die Stellung- werden und dadurch Lust plötzlich als nen höheren Anteil Konfessionsfreier wirklich geht: nicht etwa um Sexualkun- getreten. Der reformierte Pfarrer nennt le oder der Gesellschaft», steht auf der nahmen der Kirchen krankhaft empfinden. Sexualkundeun- auf als ihr Umland (Stadt Zürich: 34 %, deunterricht, sondern um die Verbrei- Kritik an der Bibel eine Sünde und tritt entsprechenden Internetseite. Dazu Ebenfalls aufschlussreich ist die städti- terricht sollte unabhängig von Religion Kanton Zürich: 29,2 %). Vergleichsweise tung der eigenen Ansichten und Wer- auch sonst in die ideologischen Fuss- gibt es einen Musterbrief, den besorg- sche Untersuchung nach den Beweg- und Glauben stattfinden. Es braucht gering ist der Anteil der Nichtreligiö- te. Die «Stiftung Zukunft Schweiz» hat stapfen von Stückelberger: «Unse- te Eltern als Vorlage für den Kontakt gründen für Kirchenaustritte. Insbeson- einen kindergerechten und ganzheitli- sen nach wie vor in ländlich und katho- sich zwar einen fortschrittlichen Na- re europäische Gesellschaft versinkt mit Lehrpersonen und Schulleitungen dere ältere Zürcher und Zürcherinnen chen Unterricht – keine religiösen Dog- lisch geprägten Kantonen. men gegeben, wirbt darunter aber für immer mehr im Chaos, wir brauchen verwenden sollen. Beim Sexualkunde- wenden sich von den Kirchen ab, weil men.n Die Stadt Zürich präsentierte Ende Ja- ihre stockkonservativen Überzeugun- christliche Werte, die uns für die Zu- unterricht gehe es nicht nur um sach- sie mit deren Stellungnahmen nicht gen. Sie kämpft zum Beispiel für das kunft tragen.» liche Fakten und Informationen, son- Der Artikel ist auch auf infosperber.ch erschienen. nuar ergänzende Auswertungen. Aus mehr einverstanden sind. Bei jungen Abtreibungsverbot, gegen die Gleich- Ein Auszug aus einer seiner Predig- dern auch um Wertefragen, heisst es Einwohnern und Einwohnerinnen do- berechtigung von Homosexuellen und ten: «Frau und Mann sind gleichwertig, darin. «Zudem verstärkt sich für uns der miniert die Begründung, dass sie nie Transgender-Menschen, für ein tradi- aber nicht gleichartig. Sie haben eine Eindruck, das teilweise unter dem Vor- gläubig waren. Glaubensverlust als Be- tionelles Familien- und Rollenbild, ge- unterschiedliche Bestimmung. Der wand, sexuellem Missbrauch und se- gründung ist über alle Altersgruppen gen Sterbehilfe, Migration, Flüchtlinge Mann ist das Haupt der Frau, er hat xuell übertragbaren Krankheiten vor- ziemlich gleichmässig verteilt. Erst an und den Islam. Dabei wird die Stiftung den Stichentscheid. Der Mann trägt zubeugen, Inhalte und Ideologien in vierter Stelle werden die Kirchensteu- nicht müde zu betonen, sie setze sich die Hauptverantwortung. Viele können den Schulunterricht einfliessen, die wir ern ins Feld geführt. für eine Respektierung der Menschen- dies heute nicht mehr nachvollziehen nicht unterstützen können (...).» Wiedereintritte gibt es kaum, und auch rechte ein. in unserer Kultur der totalen Gleichheit Pascal Gläser ist promovierter Philo- Übertritte zu anderen Religionsge- Die «Stiftung Zukunft Schweiz» wurde der Geschlechter (...).» soph. Er hat Philosophie, Ethnologie meinschaften bleiben die Ausnahme. von Hansjürg Stückelberger als Reakti- Als Geschäftsführerin von «Stiftung und die Geschichte Ost- und Südost- Die Daten zeigen insgesamt alle in on auf die «zunehmende Islamisierung Zukunft Schweiz» amtet Beatrice europas studiert. Gläser studierte aber eine Richtung: Die Schweizer Bevölke- auch in unserem Land und in Europa» Gall-Vollrath, die zusammen mit Ab- auch Theologie und arbeitet als Bil- rung wird von Jahr zu Jahr säkularer. n gegründet. Der Pfarrer der Reformier- treibungsgegnern am sogenannten dungsreferent der Diözese Augsburg. ten Kirche ist auch Gründer von «Chris- «Marsch fürs Läbe» auf die Knie fiel, Unter anderem kümmert er sich um Anteil der Konfessionsfreien pro Kanton per Ende 2017 Quelle: BFS 2019, Grafik: Andreas Kyriacou 12 freidenken. Frühling 2019 freidenken. Frühling 2019 13
«Ist es nicht traurig, ihm. Bei ihm suchen sie Rat, Trost und Freiheiten, seine Rechte, seine Wün- 8. Ist es nicht traurig, dass Humanisten Liebe. Sie befolgen seine Regeln, sie sche, seine Verbundenheit mit ande- keinen Himmel haben? Keinen Gott, essen, handeln und kleiden sich so, ren Menschen und Lebewesen und der an den sie sich wenden können? dass Humanisten wie es in den Büchern über ihre Göt- Natur. Für sie ist das Wissen wichtig, Menschen, die nicht an den Himmel ter vorgeschrieben ist. Sie sind meis- das sich der Mensch durch Forschung glauben, sind der Meinung, dass wir tens überzeugt, dass ihr Glaube und und kritische Überlegungen aneignet. keinen Himmel brauchen, um glücklich FREIDENKEN | HINTERGRUND keinen Himmel haben?» ihr Gott das einzig Wahre sind. Men- Er braucht dieses Wissen, um die rich- zu sein. Wir besitzen das Hier und Jetzt. schen, die an andere Götter oder an tigen Entscheidungen in seinem Le- Alle die Momente, die wir mit unseren FREIDENKEN | HINTERGRUND keine Götter glauben, sind ihrer Mei- ben zu treffen. Das Wort «humanus» Allerliebsten verbringen, sind für uns nung nach im Unrecht. bedeutet menschlich, deshalb nennen himmlisch genug. Ob in Freude oder sich manche dieser Menschen auch Trauer, wir haben unsere Freunde und 4. Wieso glauben manche Menschen Nada Peratovic einzigartig. Liebe die Anderen. Zeige diese Götter oder diesen einen Gott Humanisten. Verwandten, an die wir uns wenden von nicht an Gott? Hassen sie ihn? Nada Peratovic ist Autorin des Bu- Mitgefühl und Anerkennung anderen gibt. Ich weiss nur, dass mich bis jetzt Menschen, die nicht gläubig sind, kön- 6. Was ist die Seele? können, die mit uns lachen oder uns ches «Humanismus für Kinder» ( vgl. Lebewesen gegenüber. Der Mensch niemand überzeugen konnte, dass es nen nicht etwas hassen, das nach ihrer Unser Gehirn erschafft unsere Gedan- umarmen und trösten. Und auch nach Seite 17). Darin hat sie versucht, Kin- kann sich erst durch die Beziehung mit Götter wirklich gibt. Aber wenn es sie Meinung gar nicht existiert. Sie has- ken, unsere Gefühle, unser Wissen. Es dem Tod leben wir in den Erinnerun- derfragen nach dem «Warum?», dem Anderen bereichern, in ihnen die Lie- oder ihn geben sollte, so muss das sen auch nicht die Gläubigen. Men- macht unsere Persönlichkeit. So wie wir gen und Geschichten der Menschen «Was ist eigentlich...?» oder dem be finden, die er dann weiterzugeben nicht bedeuten, dass ich mich diesen schen, die nicht an übernatürliche We- denken und was wir fühlen, das können weiter, mit denen wir unser Leben ver- «Warum bin ich da?» aus humanisti- vermag. Denn nur die Liebe ist es, die Göttern gegenüber verbunden fühlen sen glauben, verschwenden weder Zeit wir Seele nennen. Wenn wir sterben, bracht haben. Wir werden durch unse- scher Sicht zu beantworten. grösser wird, auch wenn man sie unter müsste. Ich kann und darf selber ent- noch Gedanken an Gottheiten und fol- wenn unser Gehirn aufhört zu arbeiten, re Taten unsterblich. Deshalb sollen wir sich teilt. scheiden, wem ich mich zuwende. gen auch nicht deren Geboten. Sie erlischt auch unsere Seele. Manche ein gutes Leben führen, in Einklang mit sind frei vom Glauben. Sie sind frei in Menschen behaupten, dass die See- unserer Familie und unseren Freunden. 1. Wieso bin ich auf der Welt? 2. Gibt es einen Gott? 3. Weshalb beten Menschen? ihren Gedanken. Darum nennen sich le nach dem Tod weiterlebt. Bis jetzt Und wir sollten versuchen, in unserem Um zu lieben. Lebe, damit du liebst. Viele Menschen glauben an allmächti- Durch verschiedene Zeremonien und manche von ihnen Freidenker. konnte aber niemand beweisen, dass Leben viele gute Taten zu tun, an die Liebe, damit du lebst. Liebe dich ge Wesen, die unsere Welt und alle Le- Gebete bezeugen Gläubige ihre Hin- es eine solche unsterbliche Seele gibt. sich auch zukünftige Generationen selbst. Liebe auch deinen Körper. Lie- bewesen erschaffen haben sollen. Der gabe und ihren Gehorsam zu Gott 5. An was glauben dann die Freiden- noch erinnern werden. be deine Gefühle, Wünsche und Be- Glaube an diese Wesen bestimmt ihr oder zu den Göttern. Für gläubige ker? An nichts? 7. Gibt es einen Himmel, in den wir dürfnisse, vernachlässige sie nicht. Je- Leben. Sie nennen diese Wesen Göt- Menschen steht Gott an erster Stel- Für Freidenker steht der Mensch an alle kommen? 9. Warum müssen wir sterben? der Mensch ist auf seine Art und Weise ter. Ich weiss nicht, ob es diese Wesen, le. In ihren Gebeten sprechen sie zu erster Stelle, seine Bedürfnisse, seine Manche Gläubige sind überzeugt, dass Wir alle müssen sterben, weil wir ge- die Seele in den Himmel kommt, wenn boren wurden. Nur diejenigen, die der Mensch an Gott geglaubt hat und nie geboren wurden, werden auch nie gehorsam war. Der Himmel, das so- sterben. Stell dir vor, welches Glück es genannte Paradies, soll ein wunder- war, dass von allen möglichen Lebe- schöner Ort sein, den kein lebender wesen, von allen möglichen Kombina- Mensch zuvor gesehen hat. Sie glau- tionen von Müttern und Vätern, gera- ben aber auch, dass die Seelen der de du hier und jetzt geboren wurdest, ungehorsamen und bösen Menschen als unser Kind. Der Tod ist Teil unseres in die Hölle kommen. Die Hölle ist ein Lebens, fürchte dich nicht vor ihm. Un- grausamer Ort der Einsamkeit und Ver- sere Zellen, aus denen der menschli- dammnis. Humanisten glauben, dass che Körper besteht, ermöglichen uns, wir nur dieses eine Leben haben und zu leben. Mit der Zeit verändern sie das Beste daraus machen sollten. Die sich, sie altern, werden schwächer und Vorstellungen von einem Paradies, in langsamer, sie sterben ab. Unser Kör- das wir nach unserem Tode einziehen per altert und stirbt, wenn die Zeit ge- Die Katze wurde vom Auto überfahren und getötet. Daraufhin erklärt die Mutter werden, oder von einer Hölle, in der wir kommen ist. Doch aus unserem Kör- ihrem Fünfjährigen, die Katze sei nun im Himmel und da sei es wunderschön. nach dem Leben bestraft werden, weil per kann auch neues Leben entstehen, Fragt das Kind: «Ist sie beim lieben Gott im Himmel?» – «Ja, ist sie, mein wir nicht nach den Regeln der jeweili- eine neue Kombination von Zellen, ein Foto: © Pixabay Liebling». Das Kind denkt einen Moment nach: «Was will denn der liebe Gott gen Götter gelebt haben, überzeugt neuer Mensch, der weiterleben wird, mit einer toten Katze?» die Humanisten nicht. auch wenn wir nicht mehr da sind.n 14 freidenken. Frühling 2019 freidenken. Frühling 2019 15
Michael Schmidt-Sa- Michael Schmidt-Sa- Nada Topic Peratovic BUCH | BESPRECHUNG lomon / illustriert von Anne-Barbara lomon / illustriert von Helge Nyncke: Humanismus für Kinder Kindler: Die Geschichte ab 10 Jahren Big Family vom frechen Hund 2014, Center for Civil Die phantastische 3–6 Jahre Courage, 98 S. Reise in die Vergan- 2008, Alibri-Verlag, ISBN: genheit 35 S., ISBN: 9535818627 ab 7 Jahren 978-3-86569-041-8 FREIDENKEN | HINTERGRUND 2015, Schmidt-Salo- mon Michael-Verlag, 36 S., FREIDENKEN | HINTERGRUND ISBN: 978-3-00-050236-1 «Hast du schon gehört, dass T-Rex ein Der freche Hund wird von allen ge- Das Buch «Humanismus für Kinder» Verwandter von dir war? Dass einige fürchtet. Denn vor seinen Frechheiten führt die Kinder in die Welt des huma- deiner Ur-Ur-Ur…Grossmütter als Fi- ist niemand sicher. Aber dann hat der nistischen Denkens ein. Das rund 100 sche durch die Meere schwammen? freche Hund ein Problem ... Michael Seiten umfassende Buch soll Kinder Dass wir Menschen nicht nur von Affen, Schmidt-Salomon und Helge Nyncke mit humanistischen Philosophien und sondern auch von Echsen und Bakte- haben ein Buch gemacht, das Kindern Ideen in kindgerechter Form vertraut rien abstammen? Nein? Dann komm’ im Alter von 3 bis 6 Jahren grundlegen- machen. Das Buch ist in zwei Teile ge- mit auf eine phantastische Reise in die des ethisches Verhalten vermitteln soll. teilt. Der erste Teil «Humanismus ist für Vergangenheit und finde heraus, wie Anknüpfend an die Erkenntnisse über alle» erklärt den Kindern die wissen- deine Vorfahren lebten!» die «Evolution der Kooperation» wird schaftlichen Errungenschaften und ge- Foto: ©Adobe Stock, ulza Das aufwendig illustrierte Kinderbuch Kindern gezeigt, dass ein fairer Um- sellschaftlichen Werte. Der zweite Teil von Michael Schmidt-Salomon und gang mit anderen letztlich auch Vor- des Buches «Wie lebt man ein erfülltes Anne-Barbara Kindler erzählt die Ge- teile für einen selbst bringt. Ein Buch Leben» enthält zehn Ratschläge für ein Buchtipps für Kinder und Eltern schichte der Evolution auf noch nie da- gewesene Weise, nämlich als Zeitreise für alle Eltern, die ihren Kindern sozia- les Verhalten vermitteln wollen, ohne besseres und gerechtes Leben auf der Grundlage humanistischer, menschen- zu den Ur-Ur-Ur-Vorfahren der Leserin- dabei auf Konzepte von Schuld oder rechtlicher und feministischer Werte. nen und Leser. schlechtem Gewissen zurückzugreifen. Siehe auch Seite 14/15 Richard Dawkins / Michael Schmidt-Sa- Christian Lührs: illustriert von Dave McKean: lomon / illustriert von Helga Nyncke: Gut sein ohne Gott 10–12 Jahre Raphael Weiss: Mira Lobe, illustriert DER ANTI-TIPP Der Zauber Wo bitte geht‘s Erschienen 2007, Gedanken unter von Susi Weigel: Blickpunkt 3 – der Wirklichkeit zu Gott?, fragte das Schmidt-Salomon dem Sternenhimmel Das Kleine Ich bin ich Religion und Kultur Die faszinierende kleine Ferkel Michael-Verlag, 3–5 Jahre 4–6 Jahre Sekundarstufe I Wahrheit hinter den 6–8 Jahre 93 S., ISBN: 2017, Eigenverlag 2016, Jungbrun- Grosse religiöse Rätseln der Natur Erschienen 2007, 978-3-86548-935-7 Raphael Weiss, nen-Verlag, 32 S., Traditionen und Fra- ab 12 Jahren Schmidt-Salomon 24 S., ISBN: ISBN: gen aus Religion und Erschienen 2012, Alibri-Verlag, 978-3-033-06405-8 978-3-7026-4850-3 Gesellschaft Ullstein Verlag, 272 S., 44 S., ISBN: Lehrmittelverlag ISBN: 978-3-550-08850-6 978-3-86569-030-2 Zürich «Blickpunkt» ist die offizielle Schulbuch- Richard Dawkins erzählt die Mythen Das kleine Ferkel und der kleine Igel Was sagen Sie Ihren Kindern über Der Nachthimmel steckt voller Ge- Auf der bunten Blumenwiese geht ein reihe für das Zürcher Fach «Religion und der Menschheit und erklärt die wis- hatten immer geglaubt, es könnte ih- die wichtigen Dinge im Leben, wenn heimnisse! Das stellt auch Mira fest, kleines Tier spazieren. Es fühlt sich mit Kultur». Herausgeber ist der kantonseige- senschaftliche Wahrheit, die hinter ih- nen gar nicht besser gehen. Doch dann Sie nicht an Gott glauben? Ein Vater als sie mit ihrem Papa die Sterne beob- vielen anderen Tieren verwandt – ob- ne Lehrmittelverlag. Die drei Bände sind nen steckt. Seit jeher hat die Mensch- klebt jemand über Nacht ein Plakat an schreibt für seine Kinder über die gros- achtet. Dabei geraten sie ganz schön wohl es keinem ganz gleicht. Es ist kein hübsch illustriert, aber von zweifelhaftem heit versucht, sich die rätselhafte Natur ihr Häuschen: «Wer Gott nicht kennt, sen Themen und bezieht dabei Stel- ins Philosophieren! Sie sprechen über Pferd, keine Kuh, kein Vogel, kein Nil- pädagogischem Wert. In allen Bänden durch Mythen begreiflich zu machen. dem fehlt etwas!» Also machen sie sich lung. Darin spiegelt sich ein modernes das Wunder des Universums, über pferd – und langsam beginnt es an sich wird suggeriert, Religion durchdringe das Auf den Herbst folgt der Winter, weil auf den Weg, um Gott zu suchen ... Wo Weltbild und eine klare Überzeugung, Gott, über das gute Leben, über den zu zweifeln. Aber dann erkennt es: Ich ganze Leben, die Lebenswelt der nichtre- Hades, der Gott der Unterwelt, Per- bitte geht’s zu Gott?, fragte das kleine mit der die Themen lebensnah und Tod und über den freien Willen. bin nicht irgendwer, ich bin ich. ligiösen Kinder wird ausgeblendet. Zum sephone in sein Reich entführt hat; in Ferkel. Das Buch klärt Kinder auf hu- einfühlsam beschrieben werden. Da- Drei Gutenachtgeschichten, die zum Auf fantastische Weise wird die Ge- Reflektieren über Religion wird kaum ein- Wirklichkeit gibt es unterschiedliche morvolle Weise über die drei Weltre- bei werden auch schwierige Aspekte Nachdenken anregen: Der Zauberer, schichte einer Identitätsfindung er- geladen. Einzig im dritten Band werden Jahreszeiten, weil die Erdachse ge- ligionen Judentum, Christentum und wie Krieg, Tod oder Gewalt nicht aus- Die Rakete, Der Walfisch. zählt – sehr schön gestaltet. Dabei die Stichworte Atheist und Agnostiker in neigt ist. So wunderbar die Mythen Islam auf. Die Frage, ob einem religi- gespart. Christian Lührs: «Ich habe Das Buch richtet sich in erster Linie an wird den Kindern deutlich gemacht, einem Kasten erläutert – und der Unglau- sind, weitaus spannender werden die onsfreien Kind «etwas fehlt», wird da- lange vergeblich nach so einem Buch jene Eltern, die mit ihren Kindern über dass sie einmalig und einzigartig be wird nicht etwa mit der Aufklärung in Phänomene, wenn man sie wissen- bei aus der Perspektive des weltlichen gesucht und es schliesslich selbst ge- grosse Fragen nachdenken möchten, sind, dass sie so, wie sie sind, als Ge- Verbindung gebracht, sondern mit kom- schaftlich betrachtet. Genau das tut Ri- Humanismus beantwortet: «Und die schrieben. Ich möchte meinen Kindern ohne auf religiöse Erklärungen zurück- schöpf liebenswert und wichtig sind munistischen Regimes. Das ist mit Steuer- chard Dawkins, indem er die Wahrheit Moral von der Geschicht’: Wer Gott damit einen Weg in ein selbstverant- zugreifen: philosophisch, humanis- und dass es jedes Lebewesen in sei- geldern finanzierte Diffamierung. (ak) hinter den Rätseln erklärt. nicht kennt, der braucht ihn nicht ...» wortetes Leben zeigen.» tisch, agnostisch. ner ganz eigenen Art zu achten gilt. 16 freidenken. Frühling 2019 freidenken. Frühling 2019 17
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