Kinder, Schule und Religion - Eine Einordnung Seite 8 Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz

Die Seite wird erstellt Paul-Egon Thiel
 
WEITER LESEN
Kinder, Schule und Religion - Eine Einordnung Seite 8 Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz
freidenken.
               Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz

                                                                         Frühling 2019 / 1
Kinder, Schule
und Religion
Eine Einordnung Seite 8
Kinder, Schule und Religion - Eine Einordnung Seite 8 Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz
INHALT

                                                                                                                                                                                        EDITORIAL
                                EDITORIAL

                                                                                                                                                                                                                                                                                 EDITORIAL
                                                                                                                  Foto: ©Adobe, Alistair Cotton
                         Religion macht Schule 3

                          AKTUELL | NEWS
                                   Schweiz 4
                                International 5
                                 Aufgefallen 6
                                                                Grosse Unterschiede beim
                            PRO & KONTRA                        Religionsunterricht in der Schweiz: Seite 8
             Soll man den Rassendiskriminierungs-Artikel
                                                                                                                                                                                   Religion macht Schule

                                                                                                                  Foto: ©Adobe Stock, Aarrttuurr
INHALT

                        weiter ausdehnen? 7
                                                                                                                                                                                   Der konfessionelle Religionsunterricht       richtsmaterialien an, fällt jedoch schnell
               FREIDENKEN | HINTERGRUND                                                                                                                                            wird zunehmend abgelöst von Schul-           auf: Das Präsentieren von Faktenhäpp-
                   Nun sag, wie hast du’s mit Reli? 8                                                                                                                              fächern, die als Religionskunde konzi-       chen überwiegt, das Hinterfragen fin-
              Konservative Christen zensieren Klitoris 10                                                                                                                          piert sind. In der Deutschschweiz gibt       det höchstens am Rand statt.
               Konfessionsfreie auf der Überholspur 13                                                                                                                             der Lehrplan 21 grobe Leitplanken vor.
                                                                Buchtipps für Kinder und Eltern: Seite 16                                                                                                                       Die Umsetzung dieser nun zum Pflicht-
                  Kinder fragen: «Ist es nicht traurig,                                                                                                                            Der Grundanspruch ist, dass nicht mehr       fach aufgewerteten Religionskunde ist,
             dass Humanisten keinen Himmel haben?» 14                                                                                                                              Bekenntnis gefordert und gefördert,          schweiztypisch, von Kanton zu Kanton
                  Buchtipps für Kinder und Eltern 16

                                                                                                                  Foto: ©Adobe, GieZetStudio
                                                                                                                                                                                   sondern Grundwissen über Religionen          verschieden (S. 8–10). Und es gibt lei-
         Religion im Fokus der Medien: «Christliche Werte» 18                                                                                                                      vermittelt wird – es geht um teaching        der besonders missglückte Formen,
                                                                                                                                                                                   about religion, nicht um teaching in re-
                  FREIDENKEN | GESPRÄCH                                                                                                                                                                                         wie das Zürcher Fach Religion und Kul-
                                                                                                                                                                                   ligion. Der Ansatz ist gekoppelt an die
              «Religionskunde gehört in die Schule» 20                                                                                                                                                                          tur: Fünf Weltreligionen werden wie
                                                                                                                                                                                   Hoffnung, dass Wissen über die domi-
              Ritualbegleitung: In schwierigen Zeiten 22                                                                                                                                                                        eine Angebotspalette präsentiert, die
                                                                                                                                                                                   nanten Religionen gegenseitiges Ver-         Lebenswelt der nichtreligiösen Kinder
                 FREIDENKENDE | SCHWEIZ                         Im Gespräch mit der Religionswissenschaftlerin                                                                     ständnis erhöht und das Fach so einen        wird völlig ausgeblendet. Die Ausei-
                                                                Petra Bleisch über die Religionskunde: Seite 20                                                                    Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden
                       Über uns: Thomas Percy 23                                                                                                                                                                                nandersetzung mit Religion und dem
                                                                                                                                                                                   leistet (S. 20–21).                          Verzicht darauf können insbeson-
                       FEEDBACK | FORUM
                                                                                                                                                                                   Es spricht durchaus einiges dafür, dass      dere säkulare Eltern also kaum auf die
                                  Ratgeber,24
                                                                                                                                                                                   Kinder beispielsweise wissen, aus wel-       Schule abdelegieren. Die von Nada Pe-
                         Ein Erfahrungsbericht:
                                                                IMPRESSUM                                                                                                          cher Geschichtensammlung die Erzäh-          ratovic zusammengestellten Antworten
                   «Wir lassen uns überraschen» 24
                                                                Herausgeberin: Freidenker-Vereinigung der Schweiz, www.frei-denken.ch                                              lung der Arche Noah stammt – Kin-            auf Fragen von
                                                                Geschäftsstelle: 3000 Bern
                           AGENDA | INFOS                       Tel. 076 805 06 49, info@frei-denken.ch                                                                            der begegnen ihr früh in der Form von        Kindern (S. 14–15)
                                                                Postkonto 84-4452-6 IBAN: CH7909000000840044526
                      Versammlungen, Notizen 26                                                                                                                                    Spielzeug, später lernen sie «Arche» als     und die Lesetipps
                                                                Erscheinungsweise vierteljährlich: 1. März, 1. Juni, 1. September, 1. Dezember                                     Metapher kennen für Orte, die Sicher-        (S. 16–17) sollen
                         SCHLUSS | PUNKT                        Redaktionsschluss: 10. des Vormonats
                                                                Auflage: 2000                                                                                                      heit bieten. Damit religionskundlicher       eine kleine Hilfe
             Berühmte Atheistinnen: Marlene Dietrich 27         Redaktionskommission: Vera Bueller & Pietro Cavadini (Co-Leitung),
                                                                                                                                                                                   Unterricht aber nicht zur schönfärberi-      für Gespräche zu
                                                                Simone Krüsi (Geschäftsleitung FVS), Sandro Bucher, Anne Boxleitner, Patrick Dubois,
                                                                Claude Fankhauser, Eliane Schmid, Iris Schulz                                                                      schen Sonntagsschule verkommt, muss          Hause bieten. Viel
                  FREIDENKENDE | EVENTS
                                                                Jahresabonnement: Schweiz: Fr. 35.–, Ausland: Fr. 40.– (B-Post)                                                    er auch Raum bieten, über die Inhalte        Spass beim Lesen!
                            Veranstaltungen 28                  Zweitabonnement für Mitglieder aus der Romandie und dem Tessin: Fr. 10.–
                                                                Probeabonnement: 2 Nummern gratis
                                                                                                                                                                                   zu reflektieren. Gerade die Arche-Ge-
                                                                Korrektorat: Claude Fankhauser; Petra Meyer, www.korrektorium.ch                                                   schichte eignet sich bestens, um sich
                                                                Gestaltung: Vera Bueller, www.selezione.ch; Pietro Cavadini, www.mindbombs.ch                                      über Gottesbilder auszutauschen. Kann
                                                                Druck und Spedition: Swissprinted.ch
                                                                                                                                                                                   ein rachsüchtiger Gott, der fast alles Le-
                                                                                                                                                                                                                                                      Andreas Kyriacou
                     frei-denken.ch                             ISSN 1662-9043

                              Freidenkende Schweiz
                                                                101. Jahrgang (2015 korrigiert)                                                                                    ben auslöschen wollte, wirklich ein Vor-
                                                                Namentlich gekennzeichnete Beiträge können, müssen aber nicht mit der Ansicht
                  säkular . humanistisch . rational             der Redaktion übereinstimmen.                                                                                      bild sein? Schaut man typische Unter-

         2     freidenken. Frühling 2019                                                                                                               freidenken. Frühling 2019                                                                                             3
Kinder, Schule und Religion - Eine Einordnung Seite 8 Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz
AKTUELL | NEWS                                                                                              INTERNATIONAL
                                                                                                                                                                  Neues US-Parlament:
                                                                                                                                                                                                                                                                   Atheisten sind grosszügiger als Christen
                                                                                                                                                                                                                                                                   Atheisten sind Christen gegenüber grosszügiger als Chris-
                                                                                                                                                                  so religiös wie das alte                                                                         ten gegenüber Atheisten. Das hat eine Studie der Ohio Uni-
                                                                                                                                                                                                                                                                   versity ergeben. Forscher baten die Teilnehmer eines Spie-

                 SCHWEIZ                                                                                                                                                                                                                                           les, den gewonnenen Geldpreis mit einem Mitspieler zu

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     AKTUELL | NEWS
                                                                                Basel: Abstimmung über Kirchensteuer                                                                                                                                               teilen, der selber keinen Einfluss auf das Spielergebnis hatte.
                 Genf verbietet religiöse Symbole                               Die Basler Kirchen sollen ihre Steuern weiterhin selbst bei                                                                                                                        Als Atheisten die religiöse Ausrichtung ihres Mitspielers be-

                                                                                                                                                                                                                               Foto: ©Adobe Stock, Africa Studio
                 für Beamte                                                     ihren Mitgliedern eintreiben. Dies fordern die Unterzeichne-                                                                                                                       kannt gegeben wurde, hatte das keinen Einfluss auf ihr Ver-
                                                                                rinnen und Unterzeichner des von den Freidenkenden Basel                                                                                                                           halten. Christen hingegen zeigten sich parteiisch: Sie waren
                 In Genf dürfen Staatsangestellte und Politiker künftig keine
                                                                                federführend organisierten Referendums gegen das geän-                                                                                                                             nur gegenüber Mitchristen grosszügig. Studienleiterin Col-
                 Zeichen der Religionszugehörigkeit wie beispielsweise Kopf-
                                                                                derte Steuergesetz. Dieses sieht vor, dass der Staat im sä-                                                                                                                        leen Cowgill: «Wir haben in mehreren Studien festgestellt,
AKTUELL | NEWS

                 tücher mehr tragen. Die Genferinnen und Genfer haben ein
                                                                                kularsten aller Kantone künftig die Kirchensteuern eintreibt.                                                                                                                      dass unsere atheistischen Teilnehmer sich gegenüber Part-
                 neues Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche angenom-
                                                                                Das Referendum ist zustande gekommen. (Bue)                                                                                                                                        nern, die ihrer Meinung nach Christen waren, fairer verhiel-
                 men. Darin wird der Grundsatz der Neutralität des Staates in
                                                                                                                                                                                                                                                                   ten als Christen gegenüber denjenigen, die sie für Atheisten
                 religiösen Fragen bekräftigt. Weiter verbietet das neue Ge-
                                                                                                                                                                                                                                                                   hielten.» (pc)
                 setz – von Ausnahmefällen abgesehen – religiöse Kundge-        Stiftung «Wissen für alle» gegründet                                              In der amerikanischen Bevölkerung bezeichnen sich 23 Pro-
                 bungen im öffentlichen Raum. (Bue)                                                                                                               zent als atheistisch, agnostisch oder «nichts Besonderes».
                                                                                Ende letzten Jahres hat ein unabhängiger Kreis von Fonda-
                                                                                                                                                                  Trotzdem sagt im neu gewählten Parlament nur gerade eine                                         Absage: österreichische Regierung will
                                                                                teurs aus Wissenschaft, Wirtschaft und Medien die Stiftung
                                                                                                                                                                  Person – Senatorin Kyrsten Sinema, Demokratin aus Arizona
                 Tessiner Schüler müssen zum                                    «Wissen für alle» ins Leben gerufen. Die Stiftung will den                                                                                                                         keinen Karfreitags-Feiertag
                                                                                                                                                                  –, dass sie nicht religiös sei. Der neue, 116. Kongress der Ver-
                 patriotischen «Hymnentest»                                     Wissenschaftsjournalismus in der Schweiz retten. Mitglied
                                                                                                                                                                  einigten Staaten ist insgesamt etwa so religiös wie der vor-                                     Der Karfreitag ist im überwiegend katholischen Österreich
                                                                                ist auch die Freidenker-Vereinigung der Schweiz.
                                                                                                                                                                  herige: 88,2 Prozent Christen, 6,4 Prozent Juden, je 0,6 Pro-                                    nur für Angehörige der evangelischen Kirchen des Augsbur-
                                                                                Anfang 2018 ging mit higgs.ch das erste unabhängige Ma-
                                                                                                                                                                  zent Muslime und Hindu und je 0,4 Prozent Buddhisten und                                         ger und Helvetischen Bekenntnisses, der Altkatholischen Kir-
                                                                                gazin für Wissenschaftsjournalismus der Schweiz online, um
                                                                                                                                                                  Unitarier. Allerdings: Befragt nach ihrer Religionszugehörig-                                    che und der Evangelisch-methodistischen Kirche ein bezahl-
                                                                                dem Wissenschaftsjournalismus eine von Verlagsinteressen
                                                                                                                                                                  keit weigern sich immer mehr Mitglieder des Kongresses,                                          ter Feiertag. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun
                                                                                unabhängige Plattform zu bieten. Dem gemeinnützigen
                                                                                                                                                                  sie anzugeben. Diese Gruppe – alles Demokraten – zählt                                           die geltende Karfreitags-Feiertagsregelung für Arbeitneh-
                                                                                Charakter des Vorhabens entspricht die Organisationsform
                                                                                                                                                                  18 Abgeordnete oder 3 Prozent des Kongresses, gegenüber                                          mer als diskriminierend eingestuft und gekippt. Die Gewäh-
                                                                                einer Stiftung. Sie ist neben privaten Spenden vor allem da-
                                                                                                                                                                  10 Mitgliedern (2 Prozent) im 115. Kongress. Unter den Ver-                                      rung eines bezahlten Feiertags primär nur für evangelische
                                                                                rauf angewiesen, dass sich jene Kreise zur Unterstützung
                                                                                                                                                                  weigerern ist auch Jared Huffman aus Kalifornien, der sich                                       Christen stelle eine verbotene Diskriminierung aufgrund der
                                                                                entscheiden, denen die Förderung von Bildung, Wissen und
                 Der sozialdemokratische Erziehungsdirektor des Kantons                                                                                           2017 als Humanist bezeichnet und gesagt hat, dass er nicht                                       Religion dar, entschied der EuGH. Die österreichische Bun-
                                                                                Wissenschaft ein Anliegen ist. (team higgs/pc)
                 Tessin, Manuele Bertoli, hat die Schulinspektoren, Schullei-                                                                                     sicher sei, ob Gott existiere. (pc)                                                              desregierung spricht sich aber auch nach dem EuGH-Urteil
                                                                                Alle Infos zur Stiftung unter www.wissen-fuer-alle.ch                                                                                                                              zum Karfreitag gegen die Einführung eines neuen Feierta-
                 ter und andere zuständige Personen angewiesen, in diesem
                 Jahr «Hymnentests» in den Schulklassen durchzuführen. Da-                                                                                                                                                                                         ges aus. (Bue)
                 mit will er prüfen, ob die Schülerinnen und Schüler den Text
                                                                                                                                                                  Zahl der Atheisten in der Türkei steigt
                 unserer Nationalhymne («Quando bionda aurora il mattin                                                                                           Immer mehr Menschen in der Türkei wenden der Religion
                 c’indora ...») kennen und ihn auch singen können. Bertoli                                                                                        den Rücken zu. Laut einer aktuellen Umfrage des renom-
                                                                                                                                                                                                                                                                   Schulpflicht trotz Religion
                 will die Ergebnisse der Kontrollen so rasch wie möglich prä-                                                                                     mierten Meinungsforschungsinstituts Konda gibt es in der                                         Ein Paar aus der Nähe von Darmstadt hat sich aus religiö-
                 sentieren und «wenn nötig» Massnahmen zur Verbesserung                                                                                           Türkei immer mehr Menschen, die sich selbst als Atheisten                                        sen Gründen geweigert, seine vier Kinder in die Schule zu
                 der «Hymnensituation» ergreifen. Der Hymnenunterricht ist                                                                                        bezeichnen – in den vergangenen zehn Jahren habe sich                                            schicken. Die streng religiöse Familie hält die Schulpflicht
                                                                                                                                               Foto: ©René Ruis

                 seit 2013 an den Tessiner Schulen obligatorisch.                                                                                                 ihre Zahl verdreifacht. Der Prozentsatz derjenigen, die sich                                     für eine «Freiheitsbeschränkung». Die Behörden brachten
                 Die auch als «Schweizerpsalm» bekannte Hymne ist ein Kir-                                                                                        als Muslime verstehen, sank dagegen von 55 auf 51 Prozent.                                       die Kinder daraufhin für drei Wochen im Heim unter, um die
                 chenlied (im Gesangbuch der evangelisch-reformierten Kir-                                                                                        Die Zahl der Strenggläubigen fiel von 13 auf 10 Prozent.                                         Schulpflicht durchzusetzen. Die Eltern sahen ihr Menschen-
                 chen unter der Nummer 519 und im katholischen Kirchen-                                                                                           Konservative Kreise betonten in der Vergangenheit immer,                                         recht auf Familienleben verletzt. Ihre Beschwerde landete
                 gesangbuch unter der Nummer 563 zu finden), das der            Das Gründer-Team von links Ruedi Aebersold, Carl August Zehnder,                  die türkische Gesellschaft bestünde zu 99 Prozent aus Mus-                                       vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Strassburger Richter
                 Priester Alberik Zwissig 1835/1841 komponiert und mit ei-      Alexander Huber, Christian Burger, Melanie Hartmann (für FVS),                    limen. Auch das Ministerium für Religiöse Angelegenheiten                                        hielten nun aber fest, dass mit dem teilweisen Sorgerechts-
                                                                                Manuel Puppis (Stiftungsrat), Andreas Kyriacou (für FVS), Alexander
                 nem schwülstigen religiösen und patriotischen Text von Le-     Moser, Bernhard Segesser, Jürg Wildberger. Auf dem Bild fehlen:                   DIYANET hatte 2014 erklärt, 99,2 Prozent der Bevölkerung                                         entzug zwar in dieses Recht eingegriffen worden sei. Die
                 onhard Widmer unterlegt hat. (pc)                              Thomas Nordmann, Wim Ouboter, Chris Baur, Felix Althaus.                          der Türkei seien Muslime. (pc)                                                                   Gründe dafür seien aber «relevant und ausreichend». (pc)

                   4      freidenken. Frühling 2019                                                                                                               freidenken. Frühling 2019                                                                                                                                  5
Kinder, Schule und Religion - Eine Einordnung Seite 8 Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz
AUFGEFALLEN
                                                                                            Von Gott auserwähltes Volk                                                                                                                          PRO & KONTRA
                                                                                            56 Prozent der Israeli glauben, dass die Juden ein von Gott
                                                                                            auserwähltes Volk sind. Das ergab kürzlich eine Umfrage der
                 «Wort zum Sonntag»: Fernsehprediger                                        israelischen Tageszeitung «Haaretz»1.
                 rechtfertigt Ausbildung zum Töten                                          Der Jude und Atheist Albert Einstein hat sich bereits 1954
                                                                                                                                                                                                       Soll man den Rassendiskriminierungs-Artikel

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                PRO | KONTRA
                                                                                            zu diesem Thema geäussert: «Für mich ist die unverfälsch-
                                                                                            te jüdische Religion wie alle anderen Religionen eine Incar-                                               weiter ausdehnen?
                                                                                            nation des primitiven Aberglaubens. Und das jüdische Volk,
                                                                                            zu dem ich gerne gehöre und mit dessen Mentalität ich tief
                                                                                            verwachsen bin, hat für mich doch keine andersartige Digni-
                                                                                            tät als alle anderen Völker. Soweit meine Erfahrung reicht, ist
                                                                                                                                                                                                                                              E
                                                                                                                                                                                                                                             nde letzten Jahres
                                                                                                                                                                                                                                             hat das Parlament
                                                                                                                                                                                                                                         mit der Erweiterung der
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 F
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                ast bei jedem Wet-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                ter halte ich die Re-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                            genbogenflagge hoch
AKTUELL | NEWS

                                                                                            es auch um nichts besser als andere menschliche Gruppen,
                                                                                                                                                                                                                                         Anti-Rassismusstrafnorm                                            und setze mich aus libe-
                                                                                            wenn es auch durch Mangel an Macht gegen die schlimms-
                                                                                                                                                                                                                                         erstmals einen explizi-                                            raler Überzeugung für

                                                                                                                                                                                                         Foto: ©Michael Fritschi
                                                                                            ten Auswüchse gesichert ist. Sonst kann ich nichts ‹Auser-                                                                                   ten Schutz vor Diskrimi-                                           Themen wie Ehe für alle,
                                                                         Foto: ©Mindbombs
                                                                                            wähltes› an ihm wahrnehmen.»                                                                                                                 nierung für homo- und                                              Adoption durch Gleich-
                                                                                            Seit Israel die Atombombe besitzt und fremdes Territorium                                                                                    bisexuelle Menschen in                                             geschlechtliche oder die
                                                                                            besetzt, gilt Einsteins Hinweis auf den «Mangel an Macht»                                                                                    einem Gesetz festge-                                               eingetragene Partner-
                                                                                            des jüdischen Volkes nur noch eingeschränkt. Das hat wohl                                                                                    schrieben. Ein längst fäl-                                         schaft ein. Zur Frage aber,
                                                                                                                                                                                                         Roman Heggli                                                      Dr. iur. Andrea Caroni
                                                                                            auch «Haaretz»-Mitherausgeber Gideon Levy zu seinem                                                                                          liger Schritt! Denn mo-                                            ob man den Rassendiskri-
                                                                                                                                                                                                         Geschäftsleiter Pink Cross                                        FDP-Ständerat Kanton
                                                                                            Kommentar veranlasst: «Es ist einfach zu erklären, dass Gott                                                                                 mentan herrscht eine                                               minierungs-Artikel immer
                 Urs Corradini möchte «ein breites Publikum ansprechen                                                                                                                                                                                                     Appenzell A.-Rh.
                                                                                            existiert oder nicht existiert. Niemand erwartet da Beweise.                                                                                 absurde Situation: Wenn                                            weiter ausdehnen soll,
                 und nicht nur Kircheninsider», sagt er. Beim «Wort zum
                                                                                            Aber wenn die Mehrheit einer Nation überzeugt ist, dass                                                                                      sich die Beleidigung oder                                          finde ich mich für einmal
                 Sonntag» des Schweizer Fernsehens habe er die Mög-
                                                                                            ihre Nation allen anderen Nationen überlegen ist, sind ei-                                                 Hetze gegen eine einzelne Person richtet, kann diese eine          nicht im gleichen Lager wie die Regenbogen-Koalition.
                 lichkeit, die christliche Haltung zu konkreten aktuellen
                                                                                            nige Beweise notwendig. Im Falle Israels ist es allerdings                                                 Ehrverletzungsklage einreichen. Wenn es sich aber an eine          Das Strafrecht sollte in einem Rechtsstaat stets als letz-
                 Fragen zu kommentieren. Und davon hat er auch Ge-                                                                                                                                     ganze Gruppe, wie z.B. «die Homosexuellen» richtet, ist das        tes Mittel zum Einsatz kommen. Es ist in diesem Fall eine
                                                                                            leicht zu erkennen, dass es sich um einen Fall von Realitäts-
                 brauch gemacht.                                                                                                                                                                       bisher nicht strafbar.                                             zu grobe und meines Erachtens auch unnötige Keule im
                                                                                            verlust handelt – um eine gefährliche Illusion. Denn ein Volk,
                 Zur besten Sendezeit zwischen Tagesschau und «Wer                                                                                                                                     Dieser erste Diskriminierungsschutz ist dringend notwendig:        Kampf um Meinungshoheit. Es gibt heute schon einen
                                                                                            das davon überzeugt ist, dass es von Gott auserwählt ist,
                 wohnt wo?» sprach der römisch-katholische Gemeinde-                                                                                                                                   Noch immer ist «schwul» eines der beliebtesten Schimpf-            breiten Schutz für das Individuum, das aufgrund seiner se-
                                                                                            stellt eine Gefahr dar, eine Gefahr für sich selbst und auch
                 leiter aus Schüpfheim Mitte Januar sein Wort zum Sonn-                                                                                                                                wörter auf den Pausenplätzen in diesem Land. Noch immer            xuellen Orientierung beleidigt oder gar bedroht wird.
                                                                                            eine Gefahr für seine Umgebung.» (pc)
                 tag. Allerdings nicht im Kollarhemd mit dunkler Kleidung,                                                                                                                             haben viele junge Menschen Angst vor dem Coming-Out.               Jede Ausdehnung der Anti-Rassismus-Strafnorm wird weite-
                 sondern in der Hauptmannsuniform eines Feldpredigers                       Glauben Sie, dass das jüdische Volk ein von Gott                                                           Noch immer werden Jugendliche von ihrem Umfeld zu «Ho-             re nach sich ziehen. Die UNO wünscht sich von uns bereits
                                                                                            auserwähltes Volk ist?                           weiss nicht /                                             mo-Heilungen» gedrängt. Und noch immer ist die Suizida-            schon strafrechtlichen Diskriminierungsschutz wegen der
                 der Schweizer Armee.                                                                                                        keine Antwort
                 Und die Uniform des Fernsehpredigers war Programm:                                                                                                                                    lität bei nicht-heterosexuellen Jugendlichen etwa fünfmal          Sprache, des Geschlechts, wegen Behinderungen oder der
                 Die wie Rekruten angesprochenen Fernsehzuschauer                                                                       12%                                                            höher als bei ihren heterosexuellen Peers.                         Nationalität. Was wäre, wenn wir es plötzlich unter Strafe stel-
                                                                                                                                                                                                       Das kommt nicht von ungefähr. Solange es legal und «nor-           len, dass man schlecht über andere politische Gesinnungen
                 (Durchschnittsalter 58 Jahre) mussten sich erklären las-
                                                                                                                                                                                                       mal» ist, gegen homo- und bisexuelle Menschen zu hetzen            spricht («du Neoliberaler», «du Cüpli-Sozialist»)? Möglich
                 sen, dass die Bibel zwar das Töten moralisch verbiete, Je-
                                                                                                                                                                                                       und sie pauschal herabzusetzen, wird sich daran wenig än-          wäre auch, dass man irgendwann nicht mehr schlecht über
                 sus aber auch Hilfe für die Schwachen fordere und es des-
                                                                                                                                                                                                       dern. Die Erweiterung ist deshalb auch symbolisch wichtig,         die regionale Herkunft sprechen darf. Mit einer solchen straf-
                 halb richtig sei, zur Verteidigung dieser Schwachen von                                         56% JA                 32% NEIN                                                       sagt sie doch: Diskriminierung und Hetze ist keine Meinung,        rechtlich bewehrten Regelung hätten wir Appenzeller den
                 der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Im Übrigen finde                                                                                                                                  sondern eine Straftat.                                             Vorteil, dass man endlich aufhören müsste, uns als Halbkan-
                 er die Ziele der Schweizer Armee gut. In einer solchen Ar-                                                                                                                            Genau deshalb bedroht die Erweiterung nicht die Mei-               ton-Einwohner zu bezeichnen: Das wäre dann endlich straf-
                                                                                                                                                                Quelle: «Haaretz», Grafik: Mindbombs

                 mee Dienst zu tun, sei «moralisch kein Problem». Sie bie-                                                                                                                             nungsfreiheit. «Schwulenwitze» sind zwar meist nicht lustig,       bar. Aber das wäre auch schon der einzige positive Effekt.
                 te «wunderbare Erlebnisse von Kameradschaft».                                                                                                                                         doch wird deswegen niemand vor Gericht gestellt. Wir dür-          Die Grundsatzfrage ist also: Wollen wir das Strafrecht auf
                 Beim Deutschschweizer Radio und Fernsehen gibt es                                                                                                                                     fen aber nicht zulassen, dass weiterhin ungestraft Hass ge-        immer mehr Kriterien ausdehnen und damit das Prinzip der
                 heute zwölf Sendegefässe mit religiösem Bezug, mitfi-                                                                                                                                 gen vulnerable Minderheiten verbreitet werden darf. Denn           «ultima ratio» im Strafrecht verwässern? Ich bin gegen eine
                                                                                            Politische Ausrichtung jener, die mit Ja geantwortet haben:
                 nanziert durch Zwangsgebühren auch von Konfessions-                                                                                                                                   das Klima des Hasses kann dazu führen, dass sich junge             Erweiterung, weil ich die Meinungsfreiheit hochhalte und
                                                                                                rechts                                                73%
                 freien – und Militärdienstverweigerern.                                                                                                                                               Menschen das Leben nehmen – nur weil sie nicht hetero-             finde, das beste Rezept gegen eine dumme Äusserung ist
                                                                                                Mitte                                                 41%
                                                            Pietro Cavadini                                                                                                                            sexuell sind.                                                      nicht das Strafrecht, sondern eine gescheite Gegenrede.
                                                                                                links                                                 13%
                                                                                            1
                                                                                             https://www.haaretz.com/opinion/.premium-79-percent-of-right-                                             Roman Heggli ist Vizepräsident der Gleichstellungskommission des   Andrea Caroni ist Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter der Universität
                                                                                            wingers-believe-jews-are-the-chosen-people-are-you-for-real-1.6471893                                      Kantons Basel-Stadt                                                St. Gallen

                  6      freidenken. Frühling 2019                                                                                                                                                     freidenken. Frühling 2019                                                                                                            7
Kinder, Schule und Religion - Eine Einordnung Seite 8 Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz
FREIDENKEN | HINTERGRUND

                                                                                                                                                                                                       schen Länder für verbindlich erklärt ha-    sung garantierte Glaubens- und Gewis-

                                                                                                                                                                                                                                                                                               FREIDENKEN | HINTERGRUND
                                                                                                                                                                                                       ben.» Von der Aufklärung, die schliess-     sensfreiheit verbietet verpflichtenden
                                                                                                                                                                                                       lich dazu geführt habe, dass heute          Religionsunterricht. Im Lehrplan 21 neu
FREIDENKEN | HINTERGRUND

                                                                                                                                                                                                       eine Weltanschauung ohne Gottheiten         ist die Kombination mit lebenskundli-

                           Nun sag,
                                                                                                                                                                                                       möglich sei, erfahre man dagegen kein       chen Themen, der von den Kirchen ge-
                                                                                                                                                                                                       Wort. «Das ist eine skandalöse Stigma-      tragene christliche Religionsunterricht
                                                                                                                                                                                                       tisierung Nichtgläubiger.»                  wird weiterhin angeboten.»

                           wie hast du’s mit «Reli»?
                                                                                                                                                                                                       Auch Thomas Schlag, evangelischer           Was das bedeutet, wurde die Religi-
                                                                                                                                                                                                       Theologe und Professor für Praktische       onswissenschaftlerin Katharina Frank
                                                                                                                                                                                                       Theologie an der Uni Zürich, spricht an-    von der Uni Zürich vor drei Jahren in
                                                                                                                                                                                                       gesichts der Lehrmittel im Kanton Zü-       der «NZZ» zitiert: «Die Schüler lernen
                                                                                                                                                                                                       rich von einem Gemischtwarenladen,          im Fach Religion und Kultur nicht, dass
                           von   Sandro Bucher                                                                                                                                                         bei welchem sehr viele Religionen sehr      ‹wir› an Weihnachten die Geburt von
                           An allen Schulen in der Schweiz wird                                                                                                                                        bunt nebeneinandergestellt würden. Es       Jesus feiern, sondern, was das Fest für
                           Religionsunterricht erteilt. Das galt                                                                                                                                       sei undenkbar, dass sich Schüler da ori-    verschiedene Christen bedeutet und
                           vor genau zwanzig Jahren. Heute                                                                                                                                             entieren können, wird er in der ehema-      wann zum Beispiel orthodoxe Chris-
                           gibt es Dutzende Bezeichnungen für                                                                                                                                          ligen Wochenzeitung der reformierten        ten Weihnachten feiern.» Dieser reli-
                           das Fach und der Unterricht ist teil-                                                                                                                                       Kirche «reformierte presse» 2013 zitiert.   gionskundliche Zugang des Lehrplans
                           weise gar von Gemeinde zu Gemein-                                                                                                                                                                                       21 sei letztlich eine Folge davon, dass
                                                                                                                                                                                                       Öffnung durch Lehrplan 21?                  die Zahl von Konfessionsfreien und An-
                           de unterschiedlich.
                                                                                                                                                                                                       Dem Subsidiaritätsprinzip zumindest         dersgläubigen in den Schulen steige.

                           R
                                                                                                                                                                                                       in dieser Beziehung entgegenzutre-          Für David Wakefield, Studienleiter am
                                                                       Foto: © zdf.de

                                     eligion und Kultur. Religions-                                                                                                                                    ten, das verspricht der Lehrplan 21.        Religionspädagogischen Institut der
                                     kunde. Ethik – Religionen –                                                                                                                                       Das Projekt der Deutschschweizer Er-        Uni Luzern, anerkenne der Staat mit
                           Gemeinschaft. Oder einfach nur Religi-                                                                                                                                      ziehungsdirektoren-Konferenz (D-EDK)        dem Lehrplan 21 die Bedeutung von
                           on. Dies sind nur einige der Etiketten,                                                                                                                                     will die Ziele der Volksschulen in den      Religion für unsere Gesellschaft: «Es ist
                           die dem Religionsunterricht an öffentli-   te in der Schweiz konfessionsfrei ist.      In Zürich bedeutet das, dass jedes Kind   Reli-Bücher stigmatisieren Atheisten       21 Deutschschweizer Kantonen har-           konsequent, dass er religionskundliche
                           chen Schulen hierzulande aufgedrückt       Das gilt aber nicht für alle Landesteile.   den Religionsunterricht zwar besuchen     Wie aber sollten Schulen darauf re-        monisieren, den Religionsunterricht im      Bildung in den Lehrplan aufnimmt und
                           werden. Entstanden ist dieses Bezeich-     Denn geht es um «Reli», ist die Schweiz     muss, der Unterricht aber nicht durch     agieren, dass die Schweiz immer unre-      neuen Lernbereich «Ethik – Religionen       durch eine Ausbildung an den Pädago-
                           nungs-Wirrwarr dadurch, dass der Re-       ein unübersichtlicher Flickenteppich.       den Pfarrer, sondern – im Rahmen ei-      ligiöser wird? Dass eine Verstaatlichung   – Gemeinschaft». Doch schon vor vier        gischen Hochschulen sicherstellt, dass
                           ligionsunterricht je nach historischen     Wenn auch kein besonders bunter.            ner bekenntnisfreien Religionskun-        nicht automatisch bedeutet, dass der       Jahren haben einige Religionspädago-        Lehrpersonen diesen Unterricht auf für
                           und rechtlichen Rahmenbedingungen          Unterschiede                                de – durch eine Lehrperson. Ihrerseits    Unterricht bekenntnisneutral und un-       gen der theologischen Fakultäten der        alle förderliche Weise gestalten.» Die-
                           bis heute von Kanton zu Kanton unter-      bis auf Gemeindeebene                       haben die Religionsgemeinschaften         abhängig geführt wird, hat Freiden-        Deutschschweiz die Sorge geäussert,         ser staatliche Religionsunterricht dür-
                           schiedlich geregelt wird. Während die      So wird der Unterricht im Tessin zum        weiterhin die Möglichkeit, die Kinder     kenden-Präsident Andreas Kyriacou in       dass der Religionsunterricht im Lehr-       fe aber weder Bekenntnis vorausset-
                           Verantwortung für ihn traditionell und     Beispiel weiterhin von der katholischen     in ihre Religion einzuführen. Aber: nur   einem Streitgespräch mit dem Gross-        plan 21 nur eine objektive Aussensicht      zen noch auf Bekenntnisse abzielen.
                           jahrzehntelang in vielen Kantonen bei      Kirche verantwortet. Auch in der Ost-       teils. Denn in einigen Gemeinden wird     münsterpfarrer Christoph Sigrist in der    auf das Phänomen Religion vermittle,        «Dieser Unabhängigkeit müssen Lehr-
                           den Landeskirchen lag, hat sich dies       und Innerschweiz dürfen Vertreter der       Religionsunterricht als Wahlpflichtfach   «NZZ» Ende letztes Jahr aufgezeigt: «In    statt religiöse Traditionen auch erfah-     personen durch ihr Unterrichtssetting
                           in den letzten Jahren stark geändert.      Landeskirchen noch heute Religionsun-       organisiert. Und in einigen Kantonen      den Religionskunde-Büchern für die         rungsorientiert weiterzugeben. Auch         Rechnung tragen.»
                           Denn für die Kirche wird es durch zeit-    terricht erteilen. In den Kantonen Aar-     muss der konfessionelle Religionsun-      Unter-, die Mittel- und die Oberstufe      auf der Website des Lehrplans 21 wird       Dass der Lehrplan 21 der Kirche nicht
                           gemässe Lehr- und dichter werdende         gau, Freiburg, Zürich, Bern, Waadt und      terricht ausserhalb der Schule abgehal-   kommen die nichtreligiösen Personen        «der christliche Religionsunterricht wird   überall den Boden in der Schule raubt,
                           Stundenpläne immer schwieriger, sich       Neuenburg jedoch steht der Unterricht       ten werden, während andere Kantone        auf genau einer Doppelseite vor. Zum       abgeschafft» als Kritikpunkt aufgeführt.    zeigt sich am Beispiel der konfessions-
                           in der Schule zu behaupten. Ebenso         in staatlicher Verantwortung und zählt      den Landeskirchen Klassenzimmer zur       Atheismus liest man in diesen Büchern      Ein Vorwurf, gegen den sich die D-EDK       freien Mutter Laura C.* aus dem Kan-
                           deshalb, weil mittlerweile jeder Vier-     zur obligatorischen Schulbildung.           Verfügung stellen.                        praktisch nur, dass ihn die kommunisti-    wehrt: «Die durch die Bundesverfas-         ton Obwalden. Dort gilt zwar der neue

                             8      freidenken. Frühling 2019                                                                                               freidenken. Frühling 2019                                                                                                  9
Kinder, Schule und Religion - Eine Einordnung Seite 8 Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz
Lehrplan. Doch mit seiner Etablierung       verantwortet. Und die Kirche die Kate-
                           ging die Entwicklung eines Religions-       chese dort verortet, wo sie ihren Platz
                           unterrichts einher, der weiterhin von
                           Religionsgemeinschaften verantwortet
                           wird. In Obwalden sind das die evan-
                                                                       hat, nämlich in der Pfarrei.»
                                                                       Wäre aber auch ein Miteinander von
                                                                       Kirche und Staat möglich? Dies zumin-
                                                                                                                         Konservative
                                                                                                                         Christen
                           gelisch-reformierte Kirche und die rö-      dest fordern die Religionspädagogen

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    FREIDENKEN | HINTERGRUND
                           misch-katholische Kirche, wobei ers-        und -pädagoginnen, die sich kritisch
                           tere den Unterricht ausserhalb der          zum Lehrplan 21 geäussert haben. Und
FREIDENKEN | HINTERGRUND

                                                                                                                         zensieren
                           Schulstunden gestaltet. Die katholi-        sprechen sich dafür aus, dass im Un-
                           sche Kirche hingegen darf den Unter-        terricht neben einem objektiven Be-
                           richt während der offiziellen Schulzeit     zug ein erfahrungsorientierter und per-

                                                                                                                         Klitoris
                           abhalten. Das heisst: «In den Blockzei-     sönlichkeitsbildender Ansatz tritt, der
                           ten am Vormittag feiern katholische Kin-    Schülern bei der Entwicklung einer reli-
                           der eine Stunde lang eine Messe, wäh-       giösen Identität helfe.
                           rend der alle anderen unter der Aufsicht
                                                                       Geht mit «1+1» die Rechnung auf?

                                                                                                                                                                                                                                                                                          Foto: ©Adobe Stock, Svetlana Farafonova
                           einer Lehrperson einer Stillbeschäfti-
                                                                       Also ähnlich wie das «Modell 1+1», das
                           gung nachgehen müssen. Das passiert
                                                                       beispielsweise an der Bündner Volks-
                           je nachdem zehn bis zwanzig Mal im
                                                                       schuloberstufe praktiziert wird. Bei
                           Schuljahr», sagt Laura C. «Für mich ist
                                                                       diesem jedoch werden Religionskun-
                           das unzureichender Grundschulunter-
                                                                       de und Bekenntnisunterricht getrennt.
                           richt, weil durch die Messe reguläre Lek-
                                                                       Erstere besuchen alle, zweiteren – der
                           tionen wegfallen.»
                                                                       auf Basiswissen setzt, das im obligaten
                           Fern der Messen gebe es alle zwei Wo-
                                                                       Unterricht vermittelt wird – nur diejeni-
                           chen auch den katholischen Religions-
                                                                       gen, die einer Konfession angehören.
                           unterricht à zwei Lektionen. «Bei die-                                                  Die christliche «Stiftung Zukunft           Auch das Thema der sexuellen Vielfalt     kerinnen und Kritiker auf den Plan rief.   Das falsche Argument
                                                                       Die Forderung, beides in einem Fach
                           sem dürfen nichtgetaufte Katholiken                                                     Schweiz» will mit eigenen Lehrmit-          fällt komplett unter den Tisch. Die Se-   Sie fürchten die Folgen, die ein derart    der «Frühsexualisierung»
                                                                       vereinen zu wollen, würde sowieso ge-
                           nicht kostenlos dabei sein.» Ebenso                                                     teln den Sexualkundeunterricht be-          xualität von Frauen wird auf Schwan-      lückenhafter und falsch gewichteter        Gegenüber der «taz» erklärte die «Stif-
                                                                       gen die Glaubens- und Gewissensfrei-
                           muss mindestens ein Elternteil Mitglied                                                 einflussen.                                 gerschaft, Geburt und Kindererzie-
                                                                       heit verstossen, wie auch schon die                                                                                               Sexualkunde-Unterricht bei Kindern         tung Zukunft Schweiz»: «Bildliche Dar-
                           der römisch-katholischen Kirchgemein-                                                                                               hung reduziert. Der Aspekt der Lust
                                                                       D-EDK festgestellt hat.                                                                                                           und Jugendlichen hervorrufen könn-         stellungen, die wir für die Sexualaufklä-
                           de sein, damit das Kind zum Unterricht                                                  von   Tobias Tscherrig

                                                                                                                   «
                                                                       Darüber hinaus scheint «1+1» dennoch                                                    ist im Lehrmittel nicht nur inexistent,   te. Immerhin hat die «Stiftung Zukunft     rung von Mädchen verwenden, dürfen
                           zugelassen wird. Das geht aus einem
                                                                       zu einfach, wenn man auch die Plura-                                                    er wird den Schülerinnen und Schü-        Schweiz» ihre «Lehrmittel» mit 4000        nicht zu explizit sein. Dies, weil stark
                           Schreiben des Pfarramtes hervor, wel-                                                         Wir Powergirls» und «Rakete start-
                                                                       lisierung unserer Gesellschaft in der                                                   lern abgesprochen. So steht im Buch,      Briefen in der Deutschschweiz bewor-       sexualisierte Bilder auf gesunde Mäd-
                           ches freidenken vorliegt. «Wenn man                                                           klar»: Das sind die Namen der
                                                                       Rechnung berücksichtigt. So wurde                                                       Selbstbefriedigung könne zu Abhän-        ben. Wie die Stiftung erklärte, hätten     chen in der Regel eine abschrecken-
                           aber seine konfessionsfreien oder an-                                                   neusten Sexualkunde-Lehrmittel der
                                                                       beispielsweise Jarrah Peter, die gerade                                                 gigkeit führen. Auch Abtreibung wird      bereits 300 Schulen die Lehrmittel be-     de Wirkung haben und Abwehr auslö-
                           dersgläubigen Kinder trotzdem dorthin                                                   «Stiftung Zukunft Schweiz». Damit will
                                                                       ihr Masterstudium an der Juristischen                                                   ausschliesslich negativ dargestellt.      stellt (Stand: 29. Oktober 2018).          sen.» Deshalb wurde zum Beispiel die
                           schicken möchte, damit sie sich nicht                                                   die konservative Stiftung zehn- bis drei-
                                                                       Fakultät der Uni Basel abschliesst, An-                                                 Daneben bedienen die Autoren Ste-         Auch deshalb schrieb der nationale         Klitoris aus den Lehrmitteln verbannt.
                           ausgegrenzt fühlen, muss man der Kir-                                                   zehnjährige Kinder über Sexualität auf-
                                                                       fang Februar in der «Aargauer Zeitung»                                                  reotypen: So seien Mädchen schön          Dachverband «Sexuelle Gesundheit           Mit ihrer Aussage spielt die Stiftung
                           che einen Beitrag von 280 Franken be-                                                   klären. Die Publikationen kommen an-
                                                                       zitiert: «Da der Islam die drittgrösste                                                 und würden meckern. Knaben würden         Schweiz» im Oktober einen zweiseiti-       auf das oft gehörte und trotzdem fal-
                           zahlen. Pro Schuljahr und Kind.» Be-                                                    sprechend daher: Niedliche Buchtitel
                                                                       Religionsgemeinschaft der Schweiz ist,                                                  dagegen «Ziele anpeilen» und ihre         gen Brief an die Zürcher CVP-Regie-        sche Argument der «Frühsexualisie-
                           zeichnet wird dies in dem Schreiben als                                                 und liebevoll gemalte Zeichnungen
                                                                       erscheint die Einführung eines fakulta-                                                 «Ausdauer trainieren». Aus ihnen ent-     rungsrätin Silvia Steiner. Zusam-          rung» an. Dabei haben Expertinnen
                           «Gaststatus» für die Kinder.                                                            buhlen um ihre Gunst. Auf den ersten
                                                                       tiven islamischen Religionsunterrichts                                                  stünden «Helden», die «was zu sagen       mengefasst heisst es darin, dass das       und Experten diese Mär längst wider-
                           «Es ist wichtig, schulisch zwischen be-                                                 Blick ist wenig zu beanstanden, die
                                                                       an den Schulen folgerichtig.»                                                           haben».                                   Schulbuch der auf Menschenrechten          legt. Schon lange ist wissenschaftlich
                           kenntnisunabhängigem und konfessi-                                                      Lehrmaterialien scheinen nach metho-
                                                                       Der Religionsunterricht in der Schweiz      dischen Standards aufgebaut, sie wir-       Beschwerde gegen Lehrmittel               basierten Sexualaufklärung widerspre-      belegt, dass Kinder von klein auf auch
                           onellem Religionsunterricht zu unter-
                                                                       bleibt also trotz Lehrplan 21 weiterhin                                                                                           che. Ausserdem decke es nicht alle         sexuelle Wesen sind. Ebenso klar, dass
                           scheiden», sagt Wakefield. «Dass also                                                   ken progressiv.                             Überhaupt propagieren die Autoren
                                                                       ein Flickenteppich. Und wird künftig                                                                                              Themen ab, die im Lehrplan 21 veran-       andere Lehrmittel nicht – wie oft von
                           der Staat verantwortlich für das be-                                                    Erst der zweite Blick enthüllt ihre Rück-   die Ehe von Mann und Frau als Lebens-
                                                                       vielleicht sogar noch bunter.n                                                                                                    kert seien, und lasse sich nicht mit den   konservativen Kreisen befürchtet – Kin-
                           kenntnisunabhängige Fach Lebens-                                                        ständigkeit. Die Autoren verschweigen       entwurf und gehen auf keine anderen
                           kunde und Ethik ist und die Kirche den      * Name der Redaktion bekannt                die Klitoris und verteufeln Themen wie      Beziehungsformen ein. Kein Wunder,        «Standards für die Sexualaufklärung in     der sexualisieren möchten. «Frühsexu-
                           konfessionellen Religionsunterricht         Siehe auch: Anti-Buchtipp Seite 17          Selbstbefriedigung und Pornografie.         dass dieses rückständige Denken Kriti-    Europa» vereinbaren.                       alisierung» ist nicht mehr als ein politi-

                             10     freidenken. Frühling 2019                                                                                                  freidenken. Frühling 2019                                                                                                 11
Kinder, Schule und Religion - Eine Einordnung Seite 8 Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz
Konfessionsfreie
                           scher Kampfbegriff, der vor allem von       tian Solidarity International», einem in-   um gemeinsam mit den selbst er-              wertorientierte Sexualpädagogik und
                           rechten, konservativen und gläubigen        ternationalen christlichen Hilfswerk, das   nannten «Lebensschützern» zu beten.          natürliche Familienplanung.
                           Kreisen benutzt wird.                       sich für verfolgte Christen einsetzt.       In einer Vernehmlassungsantwort zur
                           Die Aussage, wonach «sexualisierte
                           Bilder» für gesunde Mädchen gefähr-
                                                                       Fundamentalisten kämpfen gegen
                                                                                                                   Änderung des Bundesgesetzes über
                                                                                                                   Finanzhilfen für familienergänzende
                                                                                                                                                                Auch Verlag hat klare Absichten
                                                                                                                                                                Die Lehrmittel der «Stiftung Zukunft                  auf der Überholspur
                                                                       Fundamentalisten                                                                         Schweiz» erschienen im fontis-Verlag,
                           lich seien, ist selber brandgefährlich.                                                 Kinderbetreuung schrieb sie: «Die vor-                                                             von   Andreas Kyriacou                     ihrer Analyse geht hervor, dass die Zu-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         FREIDENKEN | HINTERGRUND
                                                                       Stückelberger ist umstritten, er sah sich                                                einem «innovativen Verlag mit dem
                           Sie drängt Mädchen, die diese Bilder                                                    geschlagenen Massnahmen zielen an                                                                                                             wanderer zum schnellen Wachstum
                                                                       dem Vorwurf der Religionshetze und                                                       Ziel, durch Bücher und Medien Glau-                   Ende Januar präsentierte das Bun-
                           interessant und lustvoll finden, in die                                                 der gelebten Realität der Schweizer                                                                                                           der Konfessionsfreien beitragen. Ins-
FREIDENKEN | HINTERGRUND

                                                                       der Nähe zu fundamentalistischen Is-                                                     ben zu wecken und Kultur zu gestal-                   desamt für Statistik neue Zahlen zur
                           ungesunde, abnormale Ecke. Von Kna-                                                     Bevölkerung vorbei und erklären etwas                                                                                                         besondere Zuzüger aus Deutschland,
                                                                       lamgegnern ausgesetzt. Im Buch «Eu-                                                      ten». Der Verlag wurde von Dominik                    Religiosität der Bevölkerung der
                           ben ist dagegen nicht die Rede. Das                                                     zur vermeintlichen Lebenswirklichkeit,                                                                                                        Frankreich, Grossbritannien, den USA,
                                                                       ropas Aufstieg und Verrat – Wie Gott                                                     Klenk gegründet. Zwischen 2002 und                    Schweiz. Der Trend ist eindeutig: Die
                           von der «Stiftung Zukunft Schweiz»                                                      was die feministisch dominierte Gleich-                                                                                                       den Niederlanden und China bringen
                                                                       Geschichte macht» präsentierte er eine                                                   2012 leitete dieser die ökumenische                   Konfessionsfreien machen einen im-
                           herbeigezauberte Problem scheint                                                        stellungs-Lobby für fortschrittlich hält.»                                                                                                    überdurchschnittlich oft keine Hausre-
                                                                       christliche Deutung der Geschichte.                                                      Kommunität «Offensive Junger Chris-                   mer grösseren Teil der Bevölkerung
                           also nur Mädchen zu betreffen.                                                          Die Lehrmittel der «Stiftung Zukunft                                                                                                          ligion mit.
                                                                       Darin versuchte er aufzuzeigen, «wie                                                     ten». Klenk setzt sich für die Familie aus            aus. Schweizweit waren es Ende 2017
                                                                                                                   Schweiz» wurden von Regula Lehmann                                                                                                            Interessant ist auch ein weiterer Aspekt
                           Politik statt Sexualkunde                   das christliche Gottes- und Menschen-                                                    Mann und Frau sowie für ein Therapie-                 26 Prozent. Zum Vergleich: im Jahr
                                                                                                                   und Pascal Gläser verfasst. Neben ihrer                                                                                                       der Stadtzürcher Untersuchung: Unter
                           Im Lehrmittel steht auch, dass die «ge-     bild den Aufstieg Europas begründet»                                                     recht für «veränderungswillige Homo-                  2000 waren es erst 11,4 Prozent.
                                                                                                                   Tätigkeit für die Stiftung arbeitet Leh-                                                                                                      den 15- bis 49-jährigen Frauen neh-
                           sellschaftlichen Umwälzungen der            haben – und wie der Abstieg Europas                                                      sexuelle» ein.
                                                                                                                   mann auch als Leiterin der «Elternini-                                                                                                        men die Konfessionsfreien mit rund ei-
                           60er-Jahre» zu einer Fokussierung auf       mit dem «Verrat am biblischen Gottes-                                                                                                          Die säkularste Bevölkerung weist der
                                                                                                                   tiative Sexualerziehung». Die Gruppe         Rückständig und gefährlich                                                                       nem Drittel klar vor den Katholikinnen
                           Lust geführt hätten. Das sei eine einsei-   und Menschenbild» zusammenhän-                                                                                                                 Kanton Basel-Stadt aus, 49,6 % der Be-
                                                                                                                   vertritt den Standpunkt, dass Sexualer-      Wenn nun derart konservative Christen                                                            (rund 28 %) und den Reformierten (ca.
                           tig männliche Messlatte, woraus feh-        gen soll. Stückelberger kämpft für die                                                                                                         völkerung gehörten Ende 2017 keiner
                                                                                                                   ziehung Familiensache sei.                   den Sexualkundeunterricht der Schu-                                                              19 %) den ersten Platz ein. Und die kon-
                           lende Achtung vor dem anderen und           «Wiederentdeckung des christlichen                                                                                                             religiösen Gemeinschaft an, mit ver-
                                                                                                                                                                len vereinnahmen wollen, ist das nicht                gleichsweise geringem Abstand folgen       fessionsfreien Frauen haben mehr Kin-
                           eine Überforderung der Schülerinnen         Menschenbildes als Grundlage einer          Kampf um Werte
                                                                                                                                                                nur rückständig – sondern gefährlich.                 die beiden laizistischen Kantone Neu-      der als Katholikinnen und Reformierte.
                           und Schüler resultieren könne.              europäischen Leitkultur».                   auf dem Buckel der Kinder
                                                                                                                                                                Darunter können Schülerinnen und                      enburg (44,8 %) und Genf (41,3 %). Auch    Höher ist die Fertilitätsrate nur bei den
                           Nicht nur deshalb wird der Leserin und      Inzwischen hat Stückelberger sein Prä-      «Überlassen Sie das Prägen Ihrer Kin-
                                                                                                                                                                Schüler leiden, die anhand von «christ-               das Mittelland wird zunehmend religi-      anderen Religionen.
                           dem Leser der Lehrmittel bald klar, wo-     sidentenamt bei der «Stiftung Zukunft       der in Bezug auf Beziehungen, Liebe,
                                                                                                                                                                lichen Werten» nur teilweise aufgeklärt               onsfern (siehe Karte). Städte weisen ei-
                           rum es der «Stiftung Zukunft Schweiz»       Schweiz» an Michael Freiburghaus ab-        Sexualität und Familie nicht der Schu-                                                                                                        Grund der Austritte: oft die Stellung-
                                                                                                                                                                werden und dadurch Lust plötzlich als                 nen höheren Anteil Konfessionsfreier
                           wirklich geht: nicht etwa um Sexualkun-     getreten. Der reformierte Pfarrer nennt     le oder der Gesellschaft», steht auf der                                                                                                      nahmen der Kirchen
                                                                                                                                                                krankhaft empfinden. Sexualkundeun-                   auf als ihr Umland (Stadt Zürich: 34 %,
                           deunterricht, sondern um die Verbrei-       Kritik an der Bibel eine Sünde und tritt    entsprechenden Internetseite. Dazu                                                                                                            Ebenfalls aufschlussreich ist die städti-
                                                                                                                                                                terricht sollte unabhängig von Religion               Kanton Zürich: 29,2 %). Vergleichsweise
                           tung der eigenen Ansichten und Wer-         auch sonst in die ideologischen Fuss-       gibt es einen Musterbrief, den besorg-                                                                                                        sche Untersuchung nach den Beweg-
                                                                                                                                                                und Glauben stattfinden. Es braucht                   gering ist der Anteil der Nichtreligiö-
                           te. Die «Stiftung Zukunft Schweiz» hat      stapfen von Stückelberger: «Unse-           te Eltern als Vorlage für den Kontakt                                                                                                         gründen für Kirchenaustritte. Insbeson-
                                                                                                                                                                einen kindergerechten und ganzheitli-                 sen nach wie vor in ländlich und katho-
                           sich zwar einen fortschrittlichen Na-       re europäische Gesellschaft versinkt        mit Lehrpersonen und Schulleitungen                                                                                                           dere ältere Zürcher und Zürcherinnen
                                                                                                                                                                chen Unterricht – keine religiösen Dog-               lisch geprägten Kantonen.
                           men gegeben, wirbt darunter aber für        immer mehr im Chaos, wir brauchen           verwenden sollen. Beim Sexualkunde-                                                                                                           wenden sich von den Kirchen ab, weil
                                                                                                                                                                men.n                                                 Die Stadt Zürich präsentierte Ende Ja-
                           ihre stockkonservativen Überzeugun-         christliche Werte, die uns für die Zu-      unterricht gehe es nicht nur um sach-                                                                                                         sie mit deren Stellungnahmen nicht
                           gen. Sie kämpft zum Beispiel für das        kunft tragen.»                              liche Fakten und Informationen, son-         Der Artikel ist auch auf infosperber.ch erschienen.   nuar ergänzende Auswertungen. Aus
                                                                                                                                                                                                                                                                 mehr einverstanden sind. Bei jungen
                           Abtreibungsverbot, gegen die Gleich-        Ein Auszug aus einer seiner Predig-         dern auch um Wertefragen, heisst es                                                                                                           Einwohnern und Einwohnerinnen do-
                           berechtigung von Homosexuellen und          ten: «Frau und Mann sind gleichwertig,      darin. «Zudem verstärkt sich für uns der                                                                                                      miniert die Begründung, dass sie nie
                           Transgender-Menschen, für ein tradi-        aber nicht gleichartig. Sie haben eine      Eindruck, das teilweise unter dem Vor-                                                                                                        gläubig waren. Glaubensverlust als Be-
                           tionelles Familien- und Rollenbild, ge-     unterschiedliche Bestimmung. Der            wand, sexuellem Missbrauch und se-                                                                                                            gründung ist über alle Altersgruppen
                           gen Sterbehilfe, Migration, Flüchtlinge     Mann ist das Haupt der Frau, er hat         xuell übertragbaren Krankheiten vor-                                                                                                          ziemlich gleichmässig verteilt. Erst an
                           und den Islam. Dabei wird die Stiftung      den Stichentscheid. Der Mann trägt          zubeugen, Inhalte und Ideologien in                                                                                                           vierter Stelle werden die Kirchensteu-
                           nicht müde zu betonen, sie setze sich       die Hauptverantwortung. Viele können        den Schulunterricht einfliessen, die wir                                                                                                      ern ins Feld geführt.
                           für eine Respektierung der Menschen-        dies heute nicht mehr nachvollziehen        nicht unterstützen können (...).»                                                                                                             Wiedereintritte gibt es kaum, und auch
                           rechte ein.                                 in unserer Kultur der totalen Gleichheit    Pascal Gläser ist promovierter Philo-                                                                                                         Übertritte zu anderen Religionsge-
                           Die «Stiftung Zukunft Schweiz» wurde        der Geschlechter (...).»                    soph. Er hat Philosophie, Ethnologie                                                                                                          meinschaften bleiben die Ausnahme.
                           von Hansjürg Stückelberger als Reakti-      Als Geschäftsführerin von «Stiftung         und die Geschichte Ost- und Südost-                                                                                                           Die Daten zeigen insgesamt alle in
                           on auf die «zunehmende Islamisierung        Zukunft Schweiz» amtet Beatrice             europas studiert. Gläser studierte aber                                                                                                       eine Richtung: Die Schweizer Bevölke-
                           auch in unserem Land und in Europa»         Gall-Vollrath, die zusammen mit Ab-         auch Theologie und arbeitet als Bil-                                                                                                          rung wird von Jahr zu Jahr säkularer. n
                           gegründet. Der Pfarrer der Reformier-       treibungsgegnern am sogenannten             dungsreferent der Diözese Augsburg.
                           ten Kirche ist auch Gründer von «Chris-     «Marsch fürs Läbe» auf die Knie fiel,       Unter anderem kümmert er sich um                                                                                   Anteil der Konfessionsfreien pro Kanton per Ende 2017
                                                                                                                                                                                                                                                                            Quelle: BFS 2019, Grafik: Andreas Kyriacou

                             12     freidenken. Frühling 2019                                                                                                   freidenken. Frühling 2019                                                                                                                      13
Kinder, Schule und Religion - Eine Einordnung Seite 8 Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz
«Ist es nicht traurig,
                                                                                                                                                            ihm. Bei ihm suchen sie Rat, Trost und               Freiheiten, seine Rechte, seine Wün-       8. Ist es nicht traurig, dass Humanisten
                                                                                                                                                            Liebe. Sie befolgen seine Regeln, sie                sche, seine Verbundenheit mit ande-        keinen Himmel haben? Keinen Gott,
                                                                                                                                                            essen, handeln und kleiden sich so,                  ren Menschen und Lebewesen und der         an den sie sich wenden können?

                           dass Humanisten
                                                                                                                                                            wie es in den Büchern über ihre Göt-                 Natur. Für sie ist das Wissen wichtig,     Menschen, die nicht an den Himmel
                                                                                                                                                            ter vorgeschrieben ist. Sie sind meis-               das sich der Mensch durch Forschung        glauben, sind der Meinung, dass wir
                                                                                                                                                            tens überzeugt, dass ihr Glaube und                  und kritische Überlegungen aneignet.       keinen Himmel brauchen, um glücklich

                                                                                                                                                                                                                                                                                                        FREIDENKEN | HINTERGRUND
                           keinen Himmel haben?»
                                                                                                                                                            ihr Gott das einzig Wahre sind. Men-                 Er braucht dieses Wissen, um die rich-     zu sein. Wir besitzen das Hier und Jetzt.
                                                                                                                                                            schen, die an andere Götter oder an                  tigen Entscheidungen in seinem Le-         Alle die Momente, die wir mit unseren
FREIDENKEN | HINTERGRUND

                                                                                                                                                            keine Götter glauben, sind ihrer Mei-                ben zu treffen. Das Wort «humanus»         Allerliebsten verbringen, sind für uns
                                                                                                                                                            nung nach im Unrecht.                                bedeutet menschlich, deshalb nennen        himmlisch genug. Ob in Freude oder
                                                                                                                                                                                                                 sich manche dieser Menschen auch           Trauer, wir haben unsere Freunde und
                                                                                                                                                            4. Wieso glauben manche Menschen
                                  Nada Peratovic                      einzigartig. Liebe die Anderen. Zeige      diese Götter oder diesen einen Gott                                                             Humanisten.                                Verwandten, an die wir uns wenden
                           von                                                                                                                              nicht an Gott? Hassen sie ihn?
                           Nada Peratovic ist Autorin des Bu-         Mitgefühl und Anerkennung anderen          gibt. Ich weiss nur, dass mich bis jetzt   Menschen, die nicht gläubig sind, kön-               6. Was ist die Seele?                      können, die mit uns lachen oder uns
                           ches «Humanismus für Kinder» ( vgl.        Lebewesen gegenüber. Der Mensch            niemand überzeugen konnte, dass es         nen nicht etwas hassen, das nach ihrer               Unser Gehirn erschafft unsere Gedan-       umarmen und trösten. Und auch nach
                           Seite 17). Darin hat sie versucht, Kin-    kann sich erst durch die Beziehung mit     Götter wirklich gibt. Aber wenn es sie     Meinung gar nicht existiert. Sie has-                ken, unsere Gefühle, unser Wissen. Es      dem Tod leben wir in den Erinnerun-
                           derfragen nach dem «Warum?», dem           Anderen bereichern, in ihnen die Lie-      oder ihn geben sollte, so muss das         sen auch nicht die Gläubigen. Men-                   macht unsere Persönlichkeit. So wie wir    gen und Geschichten der Menschen
                           «Was ist eigentlich...?» oder dem          be finden, die er dann weiterzugeben       nicht bedeuten, dass ich mich diesen       schen, die nicht an übernatürliche We-               denken und was wir fühlen, das können      weiter, mit denen wir unser Leben ver-
                           «Warum bin ich da?» aus humanisti-         vermag. Denn nur die Liebe ist es, die     Göttern gegenüber verbunden fühlen         sen glauben, verschwenden weder Zeit                 wir Seele nennen. Wenn wir sterben,        bracht haben. Wir werden durch unse-
                           scher Sicht zu beantworten.                grösser wird, auch wenn man sie unter      müsste. Ich kann und darf selber ent-      noch Gedanken an Gottheiten und fol-                 wenn unser Gehirn aufhört zu arbeiten,     re Taten unsterblich. Deshalb sollen wir
                                                                      sich teilt.                                scheiden, wem ich mich zuwende.            gen auch nicht deren Geboten. Sie                    erlischt auch unsere Seele. Manche         ein gutes Leben führen, in Einklang mit
                                                                                                                                                            sind frei vom Glauben. Sie sind frei in              Menschen behaupten, dass die See-          unserer Familie und unseren Freunden.
                           1. Wieso bin ich auf der Welt?             2. Gibt es einen Gott?                     3. Weshalb beten Menschen?
                                                                                                                                                            ihren Gedanken. Darum nennen sich                    le nach dem Tod weiterlebt. Bis jetzt      Und wir sollten versuchen, in unserem
                           Um zu lieben. Lebe, damit du liebst.       Viele Menschen glauben an allmächti-       Durch verschiedene Zeremonien und
                                                                                                                                                            manche von ihnen Freidenker.                         konnte aber niemand beweisen, dass         Leben viele gute Taten zu tun, an die
                           Liebe, damit du lebst. Liebe dich          ge Wesen, die unsere Welt und alle Le-     Gebete bezeugen Gläubige ihre Hin-
                                                                                                                                                                                                                 es eine solche unsterbliche Seele gibt.    sich auch zukünftige Generationen
                           selbst. Liebe auch deinen Körper. Lie-     bewesen erschaffen haben sollen. Der       gabe und ihren Gehorsam zu Gott            5. An was glauben dann die Freiden-
                                                                                                                                                                                                                                                            noch erinnern werden.
                           be deine Gefühle, Wünsche und Be-          Glaube an diese Wesen bestimmt ihr         oder zu den Göttern. Für gläubige          ker? An nichts?                                      7. Gibt es einen Himmel, in den wir
                           dürfnisse, vernachlässige sie nicht. Je-   Leben. Sie nennen diese Wesen Göt-         Menschen steht Gott an erster Stel-        Für Freidenker steht der Mensch an                   alle kommen?                               9. Warum müssen wir sterben?
                           der Mensch ist auf seine Art und Weise     ter. Ich weiss nicht, ob es diese Wesen,   le. In ihren Gebeten sprechen sie zu       erster Stelle, seine Bedürfnisse, seine              Manche Gläubige sind überzeugt, dass       Wir alle müssen sterben, weil wir ge-
                                                                                                                                                                                                                 die Seele in den Himmel kommt, wenn        boren wurden. Nur diejenigen, die
                                                                                                                                                                                                                 der Mensch an Gott geglaubt hat und        nie geboren wurden, werden auch nie
                                                                                                                                                                                                                 gehorsam war. Der Himmel, das so-          sterben. Stell dir vor, welches Glück es
                                                                                                                                                                                                                 genannte Paradies, soll ein wunder-        war, dass von allen möglichen Lebe-
                                                                                                                                                                                                                 schöner Ort sein, den kein lebender        wesen, von allen möglichen Kombina-
                                                                                                                                                                                                                 Mensch zuvor gesehen hat. Sie glau-        tionen von Müttern und Vätern, gera-
                                                                                                                                                                                                                 ben aber auch, dass die Seelen der         de du hier und jetzt geboren wurdest,
                                                                                                                                                                                                                 ungehorsamen und bösen Menschen            als unser Kind. Der Tod ist Teil unseres
                                                                                                                                                                                                                 in die Hölle kommen. Die Hölle ist ein     Lebens, fürchte dich nicht vor ihm. Un-
                                                                                                                                                                                                                 grausamer Ort der Einsamkeit und Ver-      sere Zellen, aus denen der menschli-
                                                                                                                                                                                                                 dammnis. Humanisten glauben, dass          che Körper besteht, ermöglichen uns,
                                                                                                                                                                                                                 wir nur dieses eine Leben haben und        zu leben. Mit der Zeit verändern sie
                                                                                                                                                                                                                 das Beste daraus machen sollten. Die       sich, sie altern, werden schwächer und
                                                                                                                                                                                                                 Vorstellungen von einem Paradies, in       langsamer, sie sterben ab. Unser Kör-
                                                                                                                                                                                                                 das wir nach unserem Tode einziehen        per altert und stirbt, wenn die Zeit ge-
                                    Die Katze wurde vom Auto überfahren und getötet. Daraufhin erklärt die Mutter                                                                                                werden, oder von einer Hölle, in der wir   kommen ist. Doch aus unserem Kör-
                                    ihrem Fünfjährigen, die Katze sei nun im Himmel und da sei es wunderschön.                                                                                                   nach dem Leben bestraft werden, weil       per kann auch neues Leben entstehen,
                                    Fragt das Kind: «Ist sie beim lieben Gott im Himmel?» – «Ja, ist sie, mein                                                                                                   wir nicht nach den Regeln der jeweili-     eine neue Kombination von Zellen, ein

                                                                                                                                                                                               Foto: © Pixabay
                                    Liebling». Das Kind denkt einen Moment nach: «Was will denn der liebe Gott                                                                                                   gen Götter gelebt haben, überzeugt         neuer Mensch, der weiterleben wird,
                                    mit einer toten Katze?»                                                                                                                                                      die Humanisten nicht.                      auch wenn wir nicht mehr da sind.n

                             14      freidenken. Frühling 2019                                                                                              freidenken. Frühling 2019                                                                                                           15
Kinder, Schule und Religion - Eine Einordnung Seite 8 Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz
Michael Schmidt-Sa-                          Michael Schmidt-Sa-                                Nada Topic Peratovic
                                                                                BUCH | BESPRECHUNG                                                                                                                          lomon / illustriert
                                                                                                                                                                                                                            von Anne-Barbara
                                                                                                                                                                                                                                                                         lomon / illustriert von
                                                                                                                                                                                                                                                                         Helge Nyncke:
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Humanismus
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            für Kinder
                                                                                                                                                                                                                            Kindler:                                     Die Geschichte                                     ab 10 Jahren
                                                                                                                                                                                                                            Big Family                                   vom frechen Hund                                   2014, Center for Civil
                                                                                                                                                                                                                            Die phantastische                            3–6 Jahre                                          Courage, 98 S.
                                                                                                                                                                                                                            Reise in die Vergan-                         2008, Alibri-Verlag,                               ISBN:
                                                                                                                                                                                                                            genheit                                      35 S., ISBN:                                       9535818627
                                                                                                                                                                                                                            ab 7 Jahren                                  978-3-86569-041-8

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     FREIDENKEN | HINTERGRUND
                                                                                                                                                                                                                            2015, Schmidt-Salo-
                                                                                                                                                                                                                            mon Michael-Verlag,
                                                                                                                                                                                                                            36 S.,
FREIDENKEN | HINTERGRUND

                                                                                                                                                                                                ISBN: 978-3-00-050236-1

                                                                                                                                                                                                «Hast du schon gehört, dass T-Rex ein              Der freche Hund wird von allen ge-              Das Buch «Humanismus für Kinder»
                                                                                                                                                                                                Verwandter von dir war? Dass einige                fürchtet. Denn vor seinen Frechheiten           führt die Kinder in die Welt des huma-
                                                                                                                                                                                                deiner Ur-Ur-Ur…Grossmütter als Fi-                ist niemand sicher. Aber dann hat der           nistischen Denkens ein. Das rund 100
                                                                                                                                                                                                sche durch die Meere schwammen?                    freche Hund ein Problem ... Michael             Seiten umfassende Buch soll Kinder
                                                                                                                                                                                                Dass wir Menschen nicht nur von Affen,             Schmidt-Salomon und Helge Nyncke                mit humanistischen Philosophien und
                                                                                                                                                                                                sondern auch von Echsen und Bakte-                 haben ein Buch gemacht, das Kindern             Ideen in kindgerechter Form vertraut
                                                                                                                                                                                                rien abstammen? Nein? Dann komm’                   im Alter von 3 bis 6 Jahren grundlegen-         machen. Das Buch ist in zwei Teile ge-
                                                                                                                                                                                                mit auf eine phantastische Reise in die            des ethisches Verhalten vermitteln soll.        teilt. Der erste Teil «Humanismus ist für
                                                                                                                                                                                                Vergangenheit und finde heraus, wie                Anknüpfend an die Erkenntnisse über             alle» erklärt den Kindern die wissen-
                                                                                                                                                                                                deine Vorfahren lebten!»                           die «Evolution der Kooperation» wird            schaftlichen Errungenschaften und ge-

                                                                                                                                                                     Foto: ©Adobe Stock, ulza
                                                                                                                                                                                                Das aufwendig illustrierte Kinderbuch              Kindern gezeigt, dass ein fairer Um-            sellschaftlichen Werte. Der zweite Teil
                                                                                                                                                                                                von Michael Schmidt-Salomon und                    gang mit anderen letztlich auch Vor-            des Buches «Wie lebt man ein erfülltes
                                                                                                                                                                                                Anne-Barbara Kindler erzählt die Ge-               teile für einen selbst bringt. Ein Buch         Leben» enthält zehn Ratschläge für ein
                                                                       Buchtipps für Kinder und Eltern                                                                                          schichte der Evolution auf noch nie da-
                                                                                                                                                                                                gewesene Weise, nämlich als Zeitreise
                                                                                                                                                                                                                                                   für alle Eltern, die ihren Kindern sozia-
                                                                                                                                                                                                                                                   les Verhalten vermitteln wollen, ohne
                                                                                                                                                                                                                                                                                                   besseres und gerechtes Leben auf der
                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Grundlage humanistischer, menschen-
                                                                                                                                                                                                zu den Ur-Ur-Ur-Vorfahren der Leserin-             dabei auf Konzepte von Schuld oder              rechtlicher und feministischer Werte.
                                                                                                                                                                                                nen und Leser.                                     schlechtem Gewissen zurückzugreifen.            Siehe auch Seite 14/15
                                                     Richard Dawkins /                               Michael Schmidt-Sa-                            Christian Lührs:
                                                     illustriert von Dave
                                                     McKean:
                                                                                                     lomon / illustriert von
                                                                                                     Helga Nyncke:
                                                                                                                                                    Gut sein ohne Gott
                                                                                                                                                    10–12 Jahre                                                             Raphael Weiss:                              Mira Lobe, illustriert
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           DER ANTI-TIPP
                                                     Der Zauber                                      Wo bitte geht‘s                                Erschienen 2007,                                                        Gedanken unter                              von Susi Weigel:                                    Blickpunkt 3 –
                                                     der Wirklichkeit                                zu Gott?, fragte das                           Schmidt-Salomon                                                         dem Sternenhimmel                           Das Kleine Ich bin ich                              Religion und Kultur
                                                     Die faszinierende                               kleine Ferkel                                  Michael-Verlag,                                                         3–5 Jahre                                   4–6 Jahre                                           Sekundarstufe I
                                                     Wahrheit hinter den                             6–8 Jahre                                      93 S., ISBN:                                                            2017, Eigenverlag                           2016, Jungbrun-                                     Grosse religiöse
                                                     Rätseln der Natur                               Erschienen 2007,                               978-3-86548-935-7                                                       Raphael Weiss,                              nen-Verlag, 32 S.,                                  Traditionen und Fra-
                                                     ab 12 Jahren                                    Schmidt-Salomon                                                                                                        24 S., ISBN:                                ISBN:                                               gen aus Religion und
                                                     Erschienen 2012,                                Alibri-Verlag,                                                                                                         978-3-033-06405-8                           978-3-7026-4850-3                                   Gesellschaft
                                                     Ullstein Verlag, 272 S.,                        44 S., ISBN:                                                                                                                                                                                                           Lehrmittelverlag
                           ISBN: 978-3-550-08850-6                                                   978-3-86569-030-2                                                                                                                                                                                                      Zürich

                                                                                                                                                                                                                                                                                                    «Blickpunkt» ist die offizielle Schulbuch-
                           Richard Dawkins erzählt die Mythen                   Das kleine Ferkel und der kleine Igel          Was sagen Sie Ihren Kindern über                                 Der Nachthimmel steckt voller Ge-                  Auf der bunten Blumenwiese geht ein              reihe für das Zürcher Fach «Religion und
                           der Menschheit und erklärt die wis-                  hatten immer geglaubt, es könnte ih-           die wichtigen Dinge im Leben, wenn                               heimnisse! Das stellt auch Mira fest,              kleines Tier spazieren. Es fühlt sich mit        Kultur». Herausgeber ist der kantonseige-
                           senschaftliche Wahrheit, die hinter ih-              nen gar nicht besser gehen. Doch dann          Sie nicht an Gott glauben? Ein Vater                             als sie mit ihrem Papa die Sterne beob-            vielen anderen Tieren verwandt – ob-             ne Lehrmittelverlag. Die drei Bände sind
                           nen steckt. Seit jeher hat die Mensch-               klebt jemand über Nacht ein Plakat an          schreibt für seine Kinder über die gros-                         achtet. Dabei geraten sie ganz schön               wohl es keinem ganz gleicht. Es ist kein         hübsch illustriert, aber von zweifelhaftem
                           heit versucht, sich die rätselhafte Natur            ihr Häuschen: «Wer Gott nicht kennt,           sen Themen und bezieht dabei Stel-                               ins Philosophieren! Sie sprechen über              Pferd, keine Kuh, kein Vogel, kein Nil-          pädagogischem Wert. In allen Bänden
                           durch Mythen begreiflich zu machen.                  dem fehlt etwas!» Also machen sie sich         lung. Darin spiegelt sich ein modernes                           das Wunder des Universums, über                    pferd – und langsam beginnt es an sich           wird suggeriert, Religion durchdringe das
                           Auf den Herbst folgt der Winter, weil                auf den Weg, um Gott zu suchen ... Wo          Weltbild und eine klare Überzeugung,                             Gott, über das gute Leben, über den                zu zweifeln. Aber dann erkennt es: Ich           ganze Leben, die Lebenswelt der nichtre-
                           Hades, der Gott der Unterwelt, Per-                  bitte geht’s zu Gott?, fragte das kleine       mit der die Themen lebensnah und                                 Tod und über den freien Willen.                    bin nicht irgendwer, ich bin ich.                ligiösen Kinder wird ausgeblendet. Zum
                           sephone in sein Reich entführt hat; in               Ferkel. Das Buch klärt Kinder auf hu-          einfühlsam beschrieben werden. Da-                               Drei Gutenachtgeschichten, die zum                 Auf fantastische Weise wird die Ge-              Reflektieren über Religion wird kaum ein-
                           Wirklichkeit gibt es unterschiedliche                morvolle Weise über die drei Weltre-           bei werden auch schwierige Aspekte                               Nachdenken anregen: Der Zauberer,                  schichte einer Identitätsfindung er-             geladen. Einzig im dritten Band werden
                           Jahreszeiten, weil die Erdachse ge-                  ligionen Judentum, Christentum und             wie Krieg, Tod oder Gewalt nicht aus-                            Die Rakete, Der Walfisch.                          zählt – sehr schön gestaltet. Dabei              die Stichworte Atheist und Agnostiker in
                           neigt ist. So wunderbar die Mythen                   Islam auf. Die Frage, ob einem religi-         gespart. Christian Lührs: «Ich habe                              Das Buch richtet sich in erster Linie an           wird den Kindern deutlich gemacht,               einem Kasten erläutert – und der Unglau-
                           sind, weitaus spannender werden die                  onsfreien Kind «etwas fehlt», wird da-         lange vergeblich nach so einem Buch                              jene Eltern, die mit ihren Kindern über            dass sie einmalig und einzigartig                be wird nicht etwa mit der Aufklärung in
                           Phänomene, wenn man sie wissen-                      bei aus der Perspektive des weltlichen         gesucht und es schliesslich selbst ge-                           grosse Fragen nachdenken möchten,                  sind, dass sie so, wie sie sind, als Ge-         Verbindung gebracht, sondern mit kom-
                           schaftlich betrachtet. Genau das tut Ri-             Humanismus beantwortet: «Und die               schrieben. Ich möchte meinen Kindern                             ohne auf religiöse Erklärungen zurück-             schöpf liebenswert und wichtig sind              munistischen Regimes. Das ist mit Steuer-
                           chard Dawkins, indem er die Wahrheit                 Moral von der Geschicht’: Wer Gott             damit einen Weg in ein selbstverant-                             zugreifen: philosophisch, humanis-                 und dass es jedes Lebewesen in sei-              geldern finanzierte Diffamierung. (ak)
                           hinter den Rätseln erklärt.                          nicht kennt, der braucht ihn nicht ...»        wortetes Leben zeigen.»                                          tisch, agnostisch.                                 ner ganz eigenen Art zu achten gilt.

                             16       freidenken. Frühling 2019                                                                                                                                 freidenken. Frühling 2019                                                                                                                    17
Kinder, Schule und Religion - Eine Einordnung Seite 8 Das Magazin für eine säkulare und humanistische Schweiz
Sie können auch lesen