UBS outlook Grosshandel - Eine Annäherung an grundlegende Tendenzen und Trends

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UBS outlook Grosshandel - Eine Annäherung an grundlegende Tendenzen und Trends
Impulse zur Unternehmensführung

UBS outlook

                                                Grosshandel
                                  Eine Annäherung an grundlegende
                                             Tendenzen und Trends
UBS outlook Grosshandel - Eine Annäherung an grundlegende Tendenzen und Trends
137mm KLAPPE AUSSENSEITE

Die «UBS outlook»-Reihe
(Auswahl)

«UBS outlook» – Risikomanagement*
SAP 80231D · SAP 80231F · SAP 80231I

«UBS outlook» – Verwaltungsrat**
SAP 81783D · SAP 81783F

«UBS outlook» – Nachfolge**
SAP 81976D · SAP 81976F

«UBS outlook» – Unternehmenswachstum**
SAP 82525D · SAP 82525F

«UBS outlook» – Unternehmenskrisen**
SAP 82265D · SAP 82265F

«UBS outlook» – Rohstoffhandel (commodity trading)***
SAP 83193E

* in deutscher, französischer und italienischer Sprache
** in deutscher und französischer Sprache
*** in englischer Sprache

Bestelladresse
UBS AG
Printed and Branded Products
Postfach, 8098 Zürich, Schweiz

sh-iz-ubs-publikationen@ubs.com oder
www.ubs.com/outlook
UBS outlook Grosshandel - Eine Annäherung an grundlegende Tendenzen und Trends
© UBS 2009. Das Schlüsselsymbol und UBS gehören zu den geschützten Marken der UBS.
Alle Rechte vorbehalten. Gedruckt im Februar 2009. SAP 80711D.
UBS outlook Grosshandel - Eine Annäherung an grundlegende Tendenzen und Trends
UBS outlook Grosshandel - Eine Annäherung an grundlegende Tendenzen und Trends
Grosshandel – eine Annäherung an grundlegende Tendenzen und Trends

Inhalt
                          Vorwort
                          Die grosse Unbekannte im Welthandel                             5

                          Resümee
                          Zeichen tiefgreifenden Wandels                                  6

                          Volkswirtschaft
                          Ein verborgenes Juwel                                           8

                          Wettbewerb
                          Grenzen überwinden – Horizonte erschliessen                    12

                          Wertschöpfung
                          Wie die Spinne im Netz                                         16

                          Technologie
                          «Online» oder «offline» –
                          der Einfluss elektronischer Netzwerke                          22

                          Finanzen
                          Finanzgeschäfte –
                          keine Lösungen «von der Stange»                                28

                          Ausblick
                          Mut – Profil – Augenmass                                       34

                          Thesen
                          Unsere Thesen auf einen Blick                                  37

                          Glossar                                                        38

                          Ein herzlicher Dank …                                          42

                          Impressum                                                      43

                          Im Sinne der Lesefreundlichkeit werden im
                          folgenden Text bestimmte Begriffe ausschliesslich
                          in der männlichen Form verwendet.

                          Die mit einem «*» gekennzeichneten Fachbegriffe
                          werden im Glossar ab Seite 38 erläutert.

                                                             UBS outlook – Grosshandel    3
UBS outlook Grosshandel - Eine Annäherung an grundlegende Tendenzen und Trends
UBS outlook Grosshandel - Eine Annäherung an grundlegende Tendenzen und Trends
Vorwort

Die grosse Unbekannte
im Welthandel
                     «Der Grosshandel ist auf dem Weg           Das haben wir bei einer früheren Analyse festgestellt, eine Aus-
                     vom Vermittler zum Problemlöser,           sage, die selbst zehn Jahre später immer noch gilt. Anderes ist
                     vom Händler zum integralen Dienstleister   hinzugekommen – zum Beispiel der enorme Konkurrenzdruck,
                     und vom Warenverteiler zum Logistiker.     hervorgerufen durch die Dynamik einer enger zusammen-
                     Diese Entwicklung verlangt eine laufende   rückenden Welt. Oder die Ausdehnung der Handelshäuser über
                     Überprüfung des Umfeldes und               Landesgrenzen hinaus. Oder die Bedeutung des Internets.
                     der massgebenden Erfolgsfaktoren.»         Oder das Tempo, in dem ungewohnte Formen der Zusammen-
                                                                arbeit entstehen – das Tempo, in dem neue Rollen angenommen
                                                                und alte abgestreift werden. Noch anspruchsvoller wird die

«Im Grunde genommen                                             Aufgabe, sich im Wettbewerb mit dem geeigneten Geschäfts-
                                                                modell zu behaupten, es kontinuierlich anzupassen oder
kann man den Grosshandel                                        zu verfeinern.

nicht mehr definieren.»                                         Bei allem, was sich gewandelt hat, was verändert oder moder-
                                                                nisiert wird, eines bleibt: die Persönlichkeit des Eigentümers
                                                                oder Unternehmers. Sie wird das Profil einer Firma, ihren Markt-
Max Th. Herzig
                                                                wert, weiterhin bestimmen.
Delegierter des Verwaltungsrates, Carl Spaeter AG
                                                                Nach zehn Jahren reifte der Entschluss, die Entwicklung des
                                                                Grosshandels erneut zu betrachten, im Wissen, dass dieser
                                                                Sektor für die Schweizer Volkswirtschaft von herausragender
                                                                Bedeutung ist, öffentlich aber kaum wahrgenommen wird.
                                                                Hinzu kam das 75-jährige Bestehen des Dachverbandes «VSIG –
                                                                Handel Schweiz», dessen Spitze die Studie mit Rat und Tat
                                                                begleitet hat. Die Redaktion dankt herzlich für die Unterstützung,
                                                                die ihr zuteil wurde.

                                                                Seit Beginn der neunziger Jahre geben wir in der «UBS outlook»-
                                                                Reihe Impulse zur Unternehmensführung – Denkanstösse,
                                                                die auf dem intensiven Dialog zwischen Unternehmern, Vertretern
                                                                von Hochschulen, Instituten, Branchen und Unternehmens-
                                                                beratern beruhen.

                                                                Mit den Schwerpunkten Wertschöpfung und Technologie,
                                                                Wettbewerb und Finanzen schärfen wir den Blick für die bedeu-
                                                                tenden Trends und regen an, darüber zu diskutieren, wie sich
                                                                der Grosshandel in den nächsten Jahren entwickeln wird.

                                                                Die «UBS outlook»-Redaktion
                                                                Zürich, im Dezember 2008

                                                                                              UBS outlook – Grosshandel            5
Resümee

Zeichen tiefgreifenden
Wandels
                             Der Handel in der Schweiz ist eine               Wichtig ist der Grosshandel auch als Arbeitgeber. 2005 –
                             bedeutende volkswirtschaftliche Kraft.           aktuelle Zahlen lagen bei Redaktionsschluss im Dezember 2008
                             Mit einer Bruttowertschöpfung (Gesamt-           nicht vor – arbeiteten laut offiziellen Angaben des «Bundesamtes
                             wert der Waren und Dienstleistungen              für Statistik» (BfS) insgesamt – Vollzeit und Teilzeit – mehr als
                             abzüglich Vorleistungen) von rund                180 000 Personen in knapp 19 000 Unternehmen. Rund 85
                             72 Milliarden Schweizer Franken                  Prozent davon beschäftigten bis zu 5 Mitarbeiter, knapp die
                             im Jahre 2008 übertrifft er den Maschi-          Hälfte waren Einzelfirmen. 12,5 Prozent der Beschäftigten
                             nenbau oder die chemische Industrie.             verteilten sich auf Kleinunternehmen mit bis zu 50 Personen,
                             Knapp die Hälfte davon, 47 Prozent,              weniger als 2,5 Prozent auf mittlere Unternehmen mit bis
                             steuert der Grosshandel* bei – ein Wirt-         zu 250 Arbeitern und Angestellten. Nicht einmal ein halbes
                             schaftszweig, der öffentlich wenig               Prozent entfiel auf Grossunternehmen mit mehr als 250 Mit-
                             wahrgenommen wird.                               arbeitern. Die kleingewerbliche Struktur des Grosshandels ist
                                                                              nahezu identisch mit derjenigen der Gesamtwirtschaft (Abb. 1).

«Bis vor etwa zehn Jahren                                                     Wenige Angestellte pro Firma – beträchtlicher Güterumschlag:
                                                                              Daraus können aussergewöhnlich hohe Pro-Kopf-Umsätze
war die Welt in Ordnung.                                                      von mehr als einer Million Schweizer Franken resultieren.
                                                                              Eine Bruttomarge, die von wenigen Prozentpunkten bis zu mitt-
Da konnte man zwischen Gross-                                                 leren zweistelligen Werten variieren kann, ist abhängig vom
                                                                              Umfang der erzielten Wertschöpfung und der übernommenen
und Einzelhandel unterscheiden.                                               Risiken. Der Sektor erbringt und vermittelt Dienstleistungen
                                                                              für sehr unterschiedliche Wirtschaftssektoren: Industrie, Gewerbe,
Aber jetzt? Jetzt sind die Grenzen                                            Einzelhandel. Konjunkturelle Schwankungen der vor- und nach-
                                                                              gelagerten Branchen spürt er deutlicher als andere.
absolut fliessend!»
                                                                              Definition
Dr. Jürg D. Lindecker                                                         Es sind im Wesentlichen zwei Gruppen von Unternehmen,
Partner, Geneva Consulting & Management S.A.                                  die den Grosshandel bilden: einerseits der klassische Fachgross-
                                                                              handel, gekennzeichnet durch ein breites und tiefes Waren-
                                                                              sortiment, andererseits Vertriebsgesellschaften, die, meistens
                                                                              Töchter von Herstellerfirmen, Funktionen des Grosshandels
                                                                              übernehmen.

Abb. 1: Struktur des Grosshandels

Der Grosshandel ist strukturiert …

… nach Bindung an Lieferanten und Abnehmer          Gebunden: kapitalseitig und vertraglich           Ungebunden: kapitalseitig und vertraglich
… nach Beschaffungs- und Absatzmärkten              Beschaffung: regional, national, international    Absatz: regional, national, international
… nach Abnehmern                                    Handel mit Industriegütern                        Handel mit Konsumgütern
                                                                                                      Streckenhandel*: direkt vom Lieferanten
… nach Art des Warenflusses                         Lagerhandel: vom Grosshandel zum Kunden           zum Kunden
                                                                                                      Kurzlebig: Verbrauchsgüter sowie Nahrungs-
… nach Lebensdauer der Produkte                     Langlebig: Investitionsgüter und Gebrauchsgüter   und Genussmittel
Quelle: UBS outlook

6                 UBS outlook – Grosshandel
Resümee

Der Grosshandel ist ein vielschichtiger Wirtschaftszweig,         Einer Reihe von Grosshandelsunternehmen ist es gelungen,
dessen einzelne Funktionen sich überlagern oder schwer            sich mit einem innovativen Geschäftsmodell neu im Markt
voneinander abzugrenzen sind. Unterschiede in den Branchen-       zu etablieren. Mit ergänzenden oder zusätzlichen Strategien,
strukturen und den Wertschöpfungsketten der Unternehmen           die in verschiedenen Geschäftszweigen angewandt oder kopiert
stechen hervor. Einzelne Firmen sind in verschiedenen Branchen    werden, streben derartige Unternehmen danach, Einfluss und
aktiv, andere betätigen sich in mehreren Gliedern der Wert-       Kontrolle innerhalb der Wertschöpfungskette kontinuierlich
schöpfungskette oder bieten grosshandelsfremde Dienst-            zu erhöhen, sie zu dominieren und zu steuern. Ein harter Kampf
leistungen an, etwa indem sie Rohwaren zu Halbfabrikaten          um die Führungsrolle ist entbrannt.
formen, indem sie Fertigprodukte herstellen oder veredeln.
Ferner werden Absatz- und/oder Beschaffungsmärkte regional,       Konzentrationsprozesse verstärken diesen Trend, der sich
national, europäisch oder – in zunehmendem Masse – weltweit       in vielen Branchen und auf nahezu allen Wertschöpfungsebenen
durchdrungen. Andersartige Formen der Bindung zu Lieferanten      beobachten lässt. Die traditionelle Aufgabenteilung zwischen
oder Abnehmern charakterisieren den Grosshandel, oder einen       dem Hersteller als Produzenten, dem Grosshändler als Ein-
Betriebsteil, ebenso wie die Art des Warenflusses – Lagerware     und Weiterverkäufer sowie dem Einzelhändler als Verkäufer
oder Direktlieferung – sowie die Lebensdauer und Haltbarkeit      an den Endverbraucher gibt es nicht mehr, oder sie geht
der gehandelten Produkte (Abb. 2).                                in ihrer Bedeutung sehr stark zurück (Kapitel «Wertschöpfung»
                                                                  ab Seite 16).
Wettbewerb
Die zunehmende Intensität des Wettbewerbs auf den inter-          Technologie
nationalen Absatz- und Beschaffungsmärkten verschiebt Grenzen     Gemessen an den Erwartungen vor etwa zehn Jahren fällt
oder lässt sie ganz verschwinden – Grenzen zwischen Produktion,   die Bedeutung elektronischer Netzwerke für den Grosshandel
Vermittlung und Logistik, zwischen Grossisten und Detaillisten,   im Herbst 2008 zwiespältig aus. Damalige Einschätzungen
zwischen alten und neuen Handelsplätzen. Der Strukturwandel       reichten von explosionsartigen Wachstumsschüben bis
ist immens, moderne Informations- und Kommunikationstech-         hin zu einem kompletten Austausch des Grosshandels durch
nologien beschleunigen ihn. Nicht zuletzt kommt es darauf an,     Hersteller und Endverbraucher, die ihre Geschäfte direkt
die Identität sich ergänzender und gegenläufiger Wirtschafts-     miteinander abwickeln. Beide Annahmen wurden widerlegt.
und Gesellschaftskulturen zu gegenseitigem Vorteil miteinander    Die Einbindung des Internets in Betriebsabläufe hat zwar
zu verbinden (Kapitel «Wettbewerb» ab Seite 12).                  zugenommen, aber bei weitem nicht so stark wie seinerzeit
                                                                  angenommen. Die Auswirkungen elektronischer Vernetzung
Wertschöpfung                                                     machen sich im Grosshandel eher schleichend bemerkbar –
Das Auf und Ab der Konjunktur, die Forderung nach hoher           sie könnten sich in Zukunft aber schneller vollziehen, als man-
Qualität bei niedrigem Preis, relativ kleine Margen und hart-     cherorts erwartet wird (Kapitel «Technologie» ab Seite 22).
näckige Konkurrenz – das sind Herausforderungen, denen sich
jedes Unternehmen stellen muss. Für den Grosshandel kommt         Finanzen
noch etwas anderes hinzu: Sein Beitrag in der Wertschöpfungs-     Einheitliche Abläufe, Strukturen oder Charakteristika kennt
kette wird von verschiedener Seite immer wieder in Frage          der Grosshandel nicht, wenn es um Finanzgeschäfte geht.
gestellt.                                                         Lediglich ein paar Gemeinsamkeiten sind zu beobachten, etwa
                                                                  die hohe Kapitalbindung im Umlaufvermögen, die vergleichs-
                                                                  weise niedrige Umsatzrendite oder die internationalen Verflech-
                                                                  tungen. Das Geschäft selbst trägt die Handschrift von Unter-
                                                                  nehmern, die ihre Firma unverwechselbar im Markt verankern
                                                                  und das Einmaleins des Umgangs mit Risiken beherrschen.

                                                                  Die Beziehung zwischen dem Unternehmer und seinem Geld-
                                                                  geber kennzeichnen zwei Dinge: wirtschaftliche Verfassung
                                                                  und Reputation des Unternehmens sowie Kontrolle der Risiken.
Abb. 2: Einflussfaktoren auf den Grosshandel                      In diesem Spannungsfeld ruht die Bonität. Ein Spannungsfeld,
                                                                  das am einfachsten aufzulösen ist, wenn Kapitalnehmer
                                                                  und Kapitalgeber Risiken gemeinsam beurteilen. Dazu ist es
      Wirtschaft                               Technologien
      Branchen           Konkurrenten          Information
                                                                  für den Geldgeber wichtig, das Geschäftsmodell zu verstehen.
      Märkte                                   Transport          Für den Unternehmer bildet Liquidität das A und O. Sie zu
                                                                  beschaffen und zu erhalten, gibt es viele Wege, drei davon
                                                                  sind die ertragskraftbasierte Verschuldungsfähigkeit («Debt
                                                                  Capacity»*), die Verschuldungsfähigkeit aus dem Nettoumlauf-
                                                                  vermögen und eine besondere, in der Schweiz noch wenig
      Hersteller                               Abnehmer           bekannte Form der Absatzfinanzierung, das «Inhouse
                          Grosshandel
      Lieferanten                              Konsumenten
                                                                  Factoring»* (Kapitel «Finanzen» ab Seite 28).

                                                                  Die Zeichen im Grosshandel deuten auf einen tiefgreifenden
                                                                  Wandel hin. Ausführlich beschreiben wir die Eckpfeiler
                                                Staat             auf den folgenden Seiten.
                         Wettbewerb
      Kapitalgeber                              Politik
                         mit neuen
      Banken                                    Medien
                         Vertriebskanälen
                                                Verbände          Die mit einem «*» gekennzeichneten Fachbegriffe werden im Glossar
                                                                  ab Seite 38 erläutert.
Quelle: UBS outlook

                                                                                                   UBS outlook – Grosshandel          7
Volkswirtschaft

Ein verborgenes Juwel

                     Wenn von Politik, Wirtschaft und Gesell-       Wer in der Wirtschaft öffentlich kaum wahrgenommen wird,
                     schaft die Rede ist, wird in der Schweiz       kann sich im Wettbewerb schneller als andere fortbewegen.
                     beiläufig zwischen Werk-, Denk- und            Glänzend verstanden hat das im Laufe der letzten zehn Jahre
                     Finanzplatz unterschieden. Von einem           vor allem der internationale Rohstoffhandel mit den Zentren
                     «Handelsplatz Schweiz» spricht kaum            Genf (Schwerpunkte Öl und Landwirtschaft), Zug (Dienst-
                     jemand. Namen von Unternehmen                  leistungen) und Lugano (Stahl). Glencore, Xstrata oder Cargill
                     der Lebensmittel-, Pharma- und Maschi-         sind über den Kreis der Fachleute hinaus nur wenigen bekannt.
                     nenindustrie sind in aller Welt ein Begriff,   In der Rangfolge der umsatzstärksten Unternehmen der Schweiz
                     ebenso diejenigen von Banken und               belegten sie 2007 die Plätze 1, 6 und 8. Angesichts der Bedeu-
                     Versicherungen. Hochschulen für Technik        tung des Rohstoffhandels für den Weltwirtschaftskreislauf
                     und Wirtschaft ziehen junge Leute              hat «UBS outlook» diesem Sektor eine eigene Studie gewidmet,
                     und gestandene Forscher, Nobelpreis-           die im Herbst 2008 in englischer Sprache erschienen ist (Abb. 3).
                     träger, weit über die Landesgrenzen            ➞ www.ubs.com/outlook/commodities
                     hinaus an. Aber Handelshäuser? Sie sind
                     nur wenigen ein Begriff. Und doch gibt
                     es sie. Der Grosshandel blüht überwiegend
                     im Verborgenen.                                «Der Grosshandel nimmt eine
                                                                    zentrale – und allzuo unter-
                                                                    schätzte – Scharnierfunktion
                                                                    zwischen Produzenten, Konsu-
                                                                    menten und Märkten auf unter-
                                                                    schiedlichen Kontinenten ein.»
                                                                    Dr. Daniel Kalt
                                                                    Leiter volkswirtschaftliche Analysen Europa, UBS AG

Unsere These                                                        Abb. 3: Die zehn umsatzstärksten Firmen der Schweiz 2007
Der Grosshandel in der Schweiz hat sehr                             (konsolidierte Umsatzvolumina, ohne Finanzdienstleister)
gute Chancen, eine starke volkswirt-
schaftliche Kraft zu bleiben.                                         1. Glencore International
                                                                      2. Nestlé
                                                                      3. Roche-Gruppe
                                                                      4. Novartis
                                                                      5. ABB-Konzern
                                                                      6. Xstrata AG
                                                                      7. Holcim-Gruppe
                                                                      8. Cargill International SA
                                                                      9. Adecco-Gruppe
                                                                    10. Migros-Konzern
                                                                    Quelle: Handelszeitung, Dun & Bradstreet

8         UBS outlook – Grosshandel
UBS outlook – Grosshandel   9
Volkswirtschaft

Seit Mitte der neunziger Jahre ist der Welthandel rasant gewachsen.
Markant stieg parallel dazu die weltweite Wertschöpfung,                                                             «Wohin gehören wir? Haupt-
das sogenannte «Welt-BIP», die Summe der Produktion von
Gütern und Dienstleistungen einschliesslich des Handels mit ihnen.
                                                                                                                     sächlich importieren und
Hauptursache dafür war die immer stärkere Einbindung auf-
strebender Volkswirtschaften der (asiatischen) Schwellenländer
                                                                                                                     vertreiben wir über den Fach-
mit China und Indien an der Spitze. Sie haben die weltweite                                                          handel Musikinstrumente.
Nachfrage nach industriellen Rohstoffen beschleunigt, Preise
in die Höhe getrieben und Handelsvolumina ausgeweitet.                                                               Menschen, die aktiv musizieren,
Die sehr enge Bindung vieler fernöstlicher Währungen an
den US-Dollar nach der Asienkrise 1998 hat den weltweiten                                                            stehen im Mittelpunkt unseres
Warenaustausch zusätzlich belebt (Abb. 4.1).
                                                                                                                     Marketings. CDs und Disketten
Gleichzeitig ist der jahrzehntelang dominierende Wachstums-
motor, die USA, überholt worden. 2007 steuerte Asien die Hälfte
                                                                                                                     sind nur ein Randbereich des
zum Weltwirtschaftswachstum bei, davon China allein knapp
ein Drittel, 30,1 Prozent. Zentral- und Osteuropa kamen
                                                                                                                     Geschäs, aber trotzdem werden
auf 13,8 Prozent. Die USA erreichten 7,0 Prozent gegenüber                                                           wir häufig mit der Hi-Fi-Branche
                                                                                                                     verwechselt …»
5,4 Prozent Westeuropas. Die Gewichte der Wachstumsdynamik
in der Weltwirtschaft haben sich verschoben (Abb. 4.2).

                                                                                                                     Michael Heuser
                                                                                                                     Delegierter des Verwaltungsrates und Geschäftsführer,
                                                                                                                     Roland (Switzerland) AG

Abb. 4.1: Welthandelsvolumen und Welt-Bruttoinlands-                                                                 Einheit der Vielfalt
produkt (BIP) 1950–2006                                                                                              Wenden wir uns der Schweiz zu.

Nominal in USD Mrd. (Index 1950 = 100)                                                                               In der Branchenmatrix vergleicht UBS die einzelnen Sektoren
30000                                                                                                                der Schweizer Wirtschaft hinsichtlich ihrer Marktattraktivität
                                                                                                                     (qualitativ) und internationalen Wettbewerbsfähigkeit (quanti-
25 000
                                                                                                                     tativ). Die Werte ermittelt die Bank einmal pro Jahr durch
20000
                                                                                                                     Umfragen in Industrie, Handel und Gewerbe, ergänzt um Daten
15 000                                                                                                               des Forschungsinstituts «Basel Economics» (BAK) und des
10000                                                                                                                «Bundesamts für Statistik» (BfS) der Schweiz in Neuenburg.
 5 000                                                                                                               Die aktuelle konjunkturelle Entwicklung wird in «UBS outlook –
                                                                                                                     Konjunktur» abgebildet, eine Analyse, die quartalsweise
      0
                                                                                                                     erscheint (Abb. 5.1).
          1950

                 1954

                        1958

                               1962

                                      1966

                                             1970

                                                    1974

                                                           1978

                                                                  1982

                                                                         1986

                                                                                1990

                                                                                         1994

                                                                                                1998

                                                                                                       2002

                                                                                                              2006

                 Welt-BIP (1950=100)                Welthandelsvolumen (1950=100)                                    Abseits der Schlagzeilen belegt der Schweizer Grosshandel
Quelle: The Conference Board and Groningen Growth and Development Centre – Total Economy Database;                   in der Bruttowertschöpfung (Gesamtwert der Waren und Dienst-
Internationaler Währungsfonds (IWF); Welthandelsorganisation (WTO)*; UBS Wealth Management Research                  leistungen abzüglich Vorleistungen) einen der vorderen Plätze.
                                                                                                                     Gemeinsam mit Detailhandel, Autogewerbe und Logistik schaffte
                                                                                                                     es der Handelssektor 2008 sogar an die Spitze der Schweizer
                                                                                                                     Volkswirtschaft: 14,3 Prozent! Das entspricht einer Gesamt-
                                                                                                                     summe von rund 72 Milliarden Schweizer Franken, wovon beinahe
                                                                                                                     die Hälfte, 47 Prozent, auf den Grosshandel entfiel. Bei einem
    !                                                                        Beschäftigungsanteil von 5 Prozent resultierte daraus ein Brutto-
                                                                                    wertschöpfungsanteil von knapp 7 Prozent. Führend ist
                                                                                                                     der Sektor zudem als Arbeitgeber (Abb. 5.2).
Geschätzte Werte in % (auf Basis Kaufkraftparitätswechselkurse)
                                                                                                                     Die bedeutendste Industriebranche der Schweiz, den Maschinen-
Übrige 1,9%                                                                            USA 7,0%                      bau, überflügelt er in dieser Hinsicht um 70 Prozent, und
Afrika 4,9%                                                                            Westeuropa 5,4%               die chemische Industrie übertrifft er um fast das Dreifache.
Naher Osten 6,9%                                                                       Zentral-
Lateinamerika 10,2%                                                                    und Osteuropa 13,8%           Welche Unternehmen bilden den Grosshandel?

Asien (ohne Japan                                                                      Japan 0,5%                    Es sind im Wesentlichen zwei Gruppen: einerseits der klassische
und China) 19,4%                                                                       China 30,1%                   Fachgrosshandel, gekennzeichnet durch ein breites und tiefes
                                                                                                                     Warensortiment, andererseits Vertriebsgesellschaften, die,
                                                                                                                     meistens Töchter von Herstellerfirmen, Funktionen des Gross-
                                                                                                                     handels übernehmen.
Quelle: Welthandelsorganisation (WTO), UBS Wealth Management Research

10                 UBS outlook – Grosshandel
Volkswirtschaft

2005 – aktuelle Zahlen standen bei Redaktionsschluss im                                                                 Prozentpunkten bis zu mittleren zweistelligen Werten, abhängig
Dezember 2008 nicht zur Verfügung – arbeiteten laut offiziellen                                                         vom Umfang der erzielten Wertschöpfung und der übernom-
Angaben des «Bundesamtes für Statistik» insgesamt – Vollzeit                                                            menen Risiken. Als Sektor, der Dienstleistungen für sehr
und Teilzeit – mehr als 180 000 Personen in knapp 19 000 Unter-                                                         unterschiedliche Wirtschaftszweige – Industrie, Gewerbe, Einzel-
nehmen. Rund 85 Prozent davon beschäftigten bis zu 5 Mitar-                                                             handel – erbringt und vermittelt, spürt der Grosshandel konjunk-
beiter, knapp die Hälfte waren Einzelfirmen. 12,5 Prozent                                                               turelle Schwankungen der vor- und nachgelagerten Branchen
der Beschäftigten verteilten sich auf Kleinunternehmen mit bis                                                          deutlicher als andere.
zu 50 Personen, weniger als 2,5 Prozent auf mittlere Unter-
nehmen mit bis zu 250 Arbeitern und Angestellten. Nicht einmal                                                          Alles in allem ist der Grosshandel ein vielschichtiger Wirtschafts-
ein halbes Prozent entfiel auf Grossunternehmen mit mehr als                                                            zweig, dessen einzelne Funktionen sich überlagern oder schwer
250 Mitarbeitern. Von der Statistik unberücksichtigt blieben                                                            voneinander abzugrenzen sind. Unterschiede in den Branchen-
die erwähnten Produktionsbetriebe, die über eigene Vertriebs-                                                           strukturen und in den Wertschöpfungsketten der Unternehmen
organisationen selbst als Grosshändler auftreten. Die klein-                                                            stechen hervor. Einzelne Firmen sind in verschiedenen Branchen
gewerbliche Struktur des Grosshandels ist nahezu identisch                                                              aktiv, andere betätigen sich in mehreren Gliedern der Wertschöp-
mit derjenigen der Gesamtwirtschaft.                                                                                    fungskette oder mieten grosshandelsfremde Dienstleistungen an,
                                                                                                                        etwa indem sie Rohwaren zu Halbfabrikaten formen, indem sie
Wenige Angestellte pro Firma – beträchtlicher Güterumschlag:                                                            Fertigprodukte herstellen oder veredeln. Ferner werden Absatz-
Daraus können aussergewöhnlich hohe Pro-Kopf-Umsätze von                                                                und/oder Beschaffungsmärkte regional, national, europäisch
mehr als einer Million Schweizer Franken resultieren. Eine Brutto-                                                      oder – in zunehmendem Masse – weltweit durchdrungen.
marge, die gleichwohl erheblich variieren kann – von wenigen                                                            Andersartige oder wechselnde Formen der Bindung zu Liefe-
                                                                                                                        ranten oder Abnehmern charakterisieren den Grosshandel,
                                                                                                                        oder einen Betriebsteil, ebenso wie die Art des Warenflusses –
                                                                                                                        Lagerware oder Direktlieferung – sowie die Lebensdauer
Abb. 5.1: Branchen – Marktattraktivität und
                                                                                                                        und Haltbarkeit der gehandelten Produkte.
Wettbewerbsposition 2008

                           Vorleistungen
                                                                                                                        Grosshandel – das ist neben anderem Produktionsverbindungs-
                                                                                                                        handel* und Sortimentsgrosshandel*, es ist Konsumgüterhandel
hoch

                           Intermediäre
                                                                 Informatikdienste
                           Endverbrauch                                                                                 und Investitionsgüterhandel, es ist «Cash and Carry» und,
                                                                                               Uhren                    wie wir auf den nächsten Seiten erfahren werden, in Zukunft
                                                                                                                        noch einiges mehr.
                                                                      Logistik                                Pharma
                                                                                 Telekommunikation
                                                                                                         Chemie         Die mit einem «*» gekennzeichneten Fachbegriffe werden im Glossar
                                     DL für                                  Elektro
                                                                                                                        ab Seite 38 erläutert.
                                     Unternehmen
Marktattraktivität

                                                                     Maschinen
                                                                                      Grosshandel      Versicherungen
                     Gesundheits-              Detailhandel,
                     + Sozialwesen                                       Food
                                               inkl. Auto Kunststoffe
                                                               Tourismus             Nonfood
                         Kultur,    Immobilien,                                Baustoffe
                                                         Metalle Ver-  +     Banken
                      Sport und Architektur- und                 Entsorgung
                        Bildung Ingenieurbüros Baugewerbe
                                                                      Materialien

                                                                                                Nominelle Brutto-
                                                                Papier und Karton             wertschöpfung 2008
                                           Medien
                                                                                                      40 Mrd. CHF
                                                                                                      20 Mrd. CHF
                                                                                                      10 Mrd. CHF
                                                                                                       5 Mrd. CHF
                                               Textil
tief

                     schwach                                                                                 stark
                                                Wettbewerbsposition
Quellen: Basel Economics (BAK), Bundesamt für Statistik (BfS), UBS Wealth Management Research

                                                                                                                                                 Weiterführende Informationen
Abb. 5.2: Bruttowertschöpfungsanteile                                                                                                            «UBS Wealth Management Research»
nach Handelssektoren 2008                                                                                                                        www.ubs.com/research

Mit 14,3% grösster Sektor der Schweizer Volkswirtschaft

Detailhandel 33%
Autogewerbe 11%

Logistik 9%
Grosshandel 47%

Quelle: Basel Economics (BAK), Bundesamt für Statistik (BfS), UBS Wealth Management Research

                                                                                                                                                         UBS outlook – Grosshandel          11
Wettbewerb

Grenzen überwinden –
Horizonte erschliessen
                     Raum und Zeit zwischen Herstellern und      Die meisten der ungefähr 19 000 Grosshandelsunternehmen in
                     Abnehmern zu überbrücken – darin liegt      der Schweiz betreiben ihre Geschäfte im Inland. Bei rund 30 Prozent
                     das Ursprüngliche des Handels. Die zuneh-   von ihnen entfielen nach Angaben des «Bundesamtes für Statistik»
                     mende Intensität des Wettbewerbs auf        2005 mehr als zwei Drittel des Umsatzes auf Importgüter.
                     den internationalen Absatz- und Beschaf-    Zum Vergleich: Im Versandhandel waren es 19 Prozent, im Einzel-
                     fungsmärkten verschiebt Grenzen oder        handel nur 7 Prozent. 4 Prozent der Unternehmen legen das
                     lässt sie ganz verschwinden – Grenzen       Schwergewicht auf den Export – über zwei Drittel ihrer Umsätze
                     zwischen Produktion, Vermittlung und        wickeln sie mit ausländischen Firmen ab. Diese Zahlen belegen:
                     Logistik, zwischen Grossisten und Detail-   Auch der schweizerische Grosshandel ist mit den internationalen
                     listen, zwischen alten und neuen Handels-   Märkten der Welt eng verflochten.
                     plätzen. Der Strukturwandel ist immens,
                     moderne Informations- und Kommuni-          Die Kunst, Märkte und Strategien miteinander
                     kationstechnologien beschleunigen ihn.      zu verbinden
                     Im folgenden Kapitel skizzieren wir,        Der überwiegende Teil der kleinen und Kleinstunternehmen
                     wie sich das Ursprüngliche in einer Welt    bedient regionale und lokale Märkte. Typische Waren sind
                     wandelt, in der es auch darauf ankommt,     Getränke, Obst und Gemüse, Blumen, Unterhaltungselektronik,
                     die Identität sich ergänzender und gegen-   Stahlerzeugnisse oder Baustoffe. Produkte ausländischen
                     läufiger Wirtschafts- und Gesellschafts-    Ursprungs beziehen diese Firmen entweder von schweizerischen
                     kulturen miteinander zu verbinden.          Vertriebsgesellschaften ausländischer Hersteller oder von Unter-
                                                                 nehmen, die sich auf den grenzüberschreitenden Grosshandel
                                                                 spezialisiert haben. Damit erfüllen sie eine wichtige aussenwirt-
                                                                 schaftliche Funktion: Sie verknüpfen die Binnen- mit den
                                                                 Auslands- und Weltmärkten. Über ein Drittel des Aussenhandels-
                                                                 volumens, schätzen Experten, bestreiten Firmen des (funktio-
                                                                 nalen) Grosshandels. Bei Konsumgütern oder in der Unter-
                                                                 haltungselektronik verdoppelt sich dieser Anteil.

                                                                 Viele kleine und mittlere Grosshandelsbetriebe scheuen allerdings
                                                                 den Schritt, Waren auf den Weltmärkten direkt zu beschaffen
                                                                 oder abzusetzen. Eine zu geringe Umsatz- oder Unternehmens-
                                                                 grösse und unzureichende Personalressourcen hinderten sie
                                                                 eigener Aussage nach daran. Zahlreiche tarifäre und nicht tarifäre
                                                                 Hemmnisse*, betonen sie, hemmten noch immer den Aussen-
Unsere These                                                     handel der Schweiz mit EU- und sogenannten Drittstaaten.
Im internationalen Grosshandel ver-
mischen sich traditionelle Formen,                               Um so bedeutsamer ist die Rolle des grenzüberschreitenden
Waren herzustellen, sie zu verteilen und                         Import- und Exportgrosshandels einzuschätzen, der sich
zu finanzieren. Sie weichen neuen                                über Jahrzehnte hinweg eine starke Stellung auf den wichtigen
Modellen der kurz- und langfristigen                             Handelsplätzen der Weltmärkte erarbeitet hat. Nicht allein
Zusammenarbeit und Arbeitsteilung                                in der Schweiz, in vielen europäischen Ländern wirkt er
mit gravierenden Veränderungen in der                            als «Transmissionsriemen» für die oft inhabergeführten kleinen
weltweiten Distribution.                                         und mittleren Unternehmen (KMU). Es ist ihm gelungen,
                                                                 sich mit fremden Gesellschafts- und Wirtschaftskulturen
                                                                 zu arrangieren und anfängliche Skepsis gegenüber ausländischen
                                                                 Handelspartnern in verlässliche Geschäftsbeziehungen zu über-
                                                                 führen. Er hat sich profundes Wissen erworben – über die
                                                                 Zuverlässigkeit von Lieferanten auf der einen, über die Zahlungs-
                                                                 moral von Abnehmern auf der anderen Seite.

12        UBS outlook – Grosshandel
UBS outlook – Grosshandel   13
Wettbewerb

«Die zunehmende                                                      Traditionelle Unternehmen des Gross- und Aussenhandels
                                                                     Traditionelle Unternehmen des Gross- und Aussenhandels legen
inter nationale Arbeitsteilung                                       seit ihrer Gründung vor vielen Jahrzehnten das Schwergewicht
                                                                     strategisch auf den Welthandel und einzelne Regionen,
und damit der globale                                                etwa Afrika, Lateinamerika oder Südostasien. In den für sie wich-
                                                                     tigsten Absatz- und Beschaffungsmärkten mit Tochtergesell-
Handel mit Gütern                                                    schaften oder Repräsentanzen vertreten, konzentrieren sie sich
                                                                     auf bestimmte Warengruppen, darunter Vor- und Rohprodukte
und Dienstleistungen                                                 der Nahrungs- und Genussmittelindustrie oder Güter

sind ein Wachstumsmotor                                              der Stahlerzeugung und des Maschinenbaus. Ihr weiteres Plus
                                                                     im Wettbewerb besteht darin, das Angebot um technische
der Weltwirtscha.»                                                  und finanzielle Dienstleistungen auszuweiten, also den Bau
                                                                     einer Grossanlage vom Reissbrett bis zur Inbetriebnahme
                                                                     zu planen und durchzuführen sowie die Finanzierung zu sichern –
Dr. Uwe Christian Täger
                                                                     ein Angebot, das über das Ursprüngliche des Handels
Handelsforscher, Ifo – Institut für Wirtschaftsforschung
                                                                     weit hinausgeht. In einigen Staaten, beispielsweise in Frankreich
                                                                     oder Japan, nehmen derartige Firmen zudem die wirtschafts-
                                                                     politische Aufgabe wahr, die Versorgung ihres Herkunftslandes
                                                                     mit strategisch lebenswichtigen Rohstoffen zu sichern.

                                                                     Umsatzstarke Unternehmen des (Binnen-)Grosshandels
                                                                     Die zweite Gruppe, umsatzstarke, meist grössere Unternehmen
                                                                     des (Binnen-)Grosshandels, legen ihren Schwerpunkt unverändert
                                                                     auf das Inland. Dort zwingt sie der steigende Konkurrenzdruck
Daraus resultiert ein Urteilsvermögen über die Reputation            dazu, sich aus dem Schatten aussenhandelsorientierter Firmen
von Unternehmen, das dazu beitragen kann, die oft hohen              des Fachgrosshandels zu lösen. Von einer bestimmten Grössen-
Risiken des grenzüberschreitenden Warenumschlags und                 ordnung an streben diese Firmen über die Grenzen hinaus,
der damit verbundenen Finanztransaktionen spürbar zu mindern.        um direkte Geschäftsbeziehungen zu wichtigen Lieferanten
Die Pflege dieser Geschäftskontakte bildet das Fundament             auf den Weltmärkten auf- und auszubauen. Eine zentrale Rolle,
seiner Strategie auf den Weltmärkten.                                sich dem Ausland zu öffnen, spielen in Aussenhandelsgeschäften
                                                                     versierte Banken, vorzugsweise die jeweilige Hausbank.
Vier Wege – ein Ziel                                                 Sie verleihen den Unternehmen die notwendige Sicherheit,
Der Warenverkehr mit Rohstoffen und Halbfertigprodukten              Geschäfte mit zum Teil fremden Lieferanten in Osteuropa
kennt seit Jahren eingefahrene Absatzkanäle. Demgegenüber            oder dem Fernen Osten anzubahnen und durchzuführen,
sind Grosshandelsunternehmen in der Konsum- und Investi-             Risiken zu kontrollieren und oft komplexe Finanztransaktionen
tionsgüterindustrie gezwungen, ihr Profil je nach aktueller Situa-   zuverlässig abzuwickeln. Derartige Kontakte zu Handelspartnern
tion auf den Weltmärkten zu überdenken und das Angebot               aus fernen Kulturen lösen in den jeweiligen Handels- und
zu verdichten oder zu erweitern – zeitlich und räumlich,             Unternehmensgruppen oft stimulierende Nebeneffekte aus.
funktional und institutionell.                                       Sie weiten den Horizont der Firmen und ihrer Mitarbeiter,
                                                                     was sich oft in einem attraktiveren Warenangebot gegenüber
Aus den vielen Möglichkeiten, nationale Produkt- mit inter-          inländischen Konkurrenten niederschlägt und die Stellung
nationalen Handelsmärkten zu verbinden, kristallisieren sich         im Inlandsmarkt stärkt.
vier Hauptgruppen von grenzüberschreitenden Grosshandels-
firmen heraus:

t USBEJUJPOFMMF6OUFSOFINFOEFT(SPTTVOE"VTTFOIBOEFMT
t VNTBU[TUBSLF6OUFSOFINFOEFT #JOOFO (SPTTIBOEFMT
t LMFJOFSF'BDIHSPTTIBOEFMTVOUFSOFINFO
t 7FSUSJFCTHFTFMMTDIBGUFOBVTMÊOEJTDIFS6OUFSOFINFO

Wie unterscheiden sie sich?

                                                                     Abb. 6: Bedeutung der Handelsware im unteren
                                                                     Preissegment 1996 – 2005

                                                                       Herstellung von …                              Kontinuierliche Steigerung der Handels-
                                                                                                                      ware am Umsatz (in Prozent)
                                                                                                                            1996                      2000   2005

                                                                       Kleingeräten / Elektrogütern                           20                       25     32
                                                                       Spielwaren                                             30                       43    61
                                                                       Nahrungsmitteln                                        10                       15    17
                                                                     Quelle: Bundesamt für Statistik (BfS), Ifo – Institut für Wirtschaftsforschung

14         UBS outlook – Grosshandel
Wettbewerb

Kleinere Fachgrosshandelsunternehmen
Ein hoher Grad an Fachwissen und Erfahrung in überschaubaren        «Üblicherweise sind
Segmenten zeichnet kleinere Unternehmen des Fachgrosshandels
aus, des dritten Typs. Ihre Spezialität liegt beispielsweise
                                                                    die Branchenumsätze
im Handel mit tropischen Hölzern, exotischen Nahrungsmitteln
oder Textil- und Bekleidungsfabrikaten, deren reibungslose
                                                                    in Deutschland zehnmal
Logistik und gewinnbringende Vermarktung besondere Kennt-           grösser als in der Schweiz –
nisse voraussetzen. Sie beschränken sich auf wenige Produkte
zumeist ausländischer Herkunft, etwa Erzeugnisse des Kunst-         im Handel mit Musik-
gewerbes, Spielzeug, Kunststoffe oder seltene NE-Metalle (Bunt-
metalle)*. Als innovative Nischenanbieter strategisch wichtiger     instrumenten sind sie aber
und absatzrelevanter Produkte haben sie in der inländischen
Warenverteilung (Verteilgrosshandel*) ihren Platz gefunden.
                                                                    nur viereinhalbmal so gross.
Grössenrelevante Nachteile mindern sie, indem sie sich häufig
zu Kooperationen zusammenschliessen. Deren Hauptaufgabe
                                                                    Ist Deutschland also weniger
besteht darin, günstige Konditionen für den Wareneinkauf
zu erzielen, ihre Mitglieder auf die Abnahme bestimmter
                                                                    musikalisch als die Schweiz?»
Mengen in den Stammsortimenten zu verpflichten und rechtliche       Prof. Dr. Joachim Zentes
Risiken, vor allem von finanziellen Transaktionen im Zuge           Institutsleiter, Universität des Saarlandes
grösserer Lieferverträge, zu begrenzen. Eine vollständige Über-
nahme der Risiken, die die fortschreitende Internationalisierung
nach sich zieht, würde die Ressourcen der Kooperationszentralen
allerdings überfordern. Lokale Handelsvermittler in wichtigen
Beschaffungsmärkten, wie China oder Indien, bieten einen
Ausweg. Im Auftrag der Abnehmer überwachen sie die Qualität
der Vor- und Betriebsstoffe bei Herstellern und Lieferanten,
prüfen die fertigen Produkte und organisieren für den kooperie-
renden und ungebundenen Fachgrosshandel Logistik und
Versand.                                                              Weiterführende Informationen
                                                                      t #FJTIFJN 0UUP )STH %JTUSJCVUJPOJN"VGCSVDIo
Vertriebsgesellschaften ausländischer Unternehmen                         Bestandsaufnahme und Perspektiven, mit Beiträgen
Die letzte Gruppe, Vertriebsgesellschaften ausländischer Unter-           von Erwin Conradi, Hans-Dieter Cleven, Roland Berger,
nehmen, setzt ausschliesslich Waren der Firma ab, zu der                  Helmut Schlesinger, Dieter Ahlert, Heribert Meffert,
sie gehört. Die Tochtergesellschaften kontrollieren den Umsatz            Bruno Tietz, Lothar Müller-Hagedorn und anderen,
der Markenprodukte und nehmen direkt Einfluss auf die                     München, 1999
Gestaltung von Sortimenten und Preisen. Klassische Beispiele          t .àMMFS 4UFGBO(FMCSJDI ,BUKB*OUFSLVMUVSFMMFT.BSLFUJOH 
sind Konzerne der japanischen und koreanischen Unterhaltungs-             München, 2004
elektronik- oder Konsumgüterindustrie. Die Grosshandelsbetriebe       t .àMMFS)BHFEPSO -PUIBS;VS8FUUCFXFSCTGÊIJHLFJU
dieses Typs steuern auf den jeweiligen europäischen (nationalen)          des Grosshandels, in: «Mitteilungen des ‹Instituts
Inlandsmärkten den Absatz ihrer Produkte bis in den Einzel-               für Handelsforschung an der Universität zu Köln›, 49. Jg.,
handel hinein. Ein Teil von ihnen hat sich auf die Distribution           Nr. 12, S. 253–261», 1997
von preisgünstigen Handelsmarken spezialisiert (Abb. 6).              t ;FOUFT +PBDIJN4DIFFS -BNCFSU-FIOFSU .BSLVT
                                                                          Internationalisierungspotenziale für Verbundgruppen,
Grossunternehmen der Konsumgüterindustrie schlagen als                    Frankfurt am Main, 2007
technologische Marktführer noch einen anderen Weg ein.                t ;FOUFT +PBDIJN )STH )BOECVDI)BOEFMo4USBUFHJFO 
Neben ihrer weltweiten Autonomie in Marketing und Absatz                  Perspektiven, Internationaler Wettbewerb, mit Beiträgen
beanspruchen sie die distributionswirtschaftliche Wertschöpfung           von Ludwig Veltmann, Andreas Kaapke, Alexander Otto,
ohne Abstriche für sich. In firmeneigenen Filialen des Einzel-            Joachim Siebert, Uwe C. Täger, Wolfgang Twardawa
handels vertreiben sie exklusiv hochwertige und hochpreisige              und anderen, Wiesbaden, 2006
Markenerzeugnisse. Beispiele dafür sind neben Technologie-            t ;FOUFT +PBDIJN4XPCPEB #FSOIBSE.PSTDIFUU %JSL )STH 
und Hi-Fi-Produkten klangvolle internationale Modemarken.                 B2B-Handel – Perspektiven des Gross- und Aussenhandels,
Auch der Fabrikverkauf im Einzelhandel, das sogenannte                    Frankfurt am Main, 2002
«Outlet»-Segment, hat hier seinen Ursprung.                           t ;FOUFT +PBDIJN4XPCPEB #FSOIBSE )STH 
                                                                          Globales Handelsmanagement, Voraussetzungen –
Im folgenden Kapitel lernen wir einige der Geschäftsmodelle               Strategien – Beispiele, Frankfurt am Main, 1998
kennen, die unter den beschriebenen Vorzeichen Erfolg
versprechen.                                                          t 74*(o)BOEFM4DIXFJ[XXXWTJHDI
                                                                      t #VTJOFTT/FUXPSL4XJU[FSMBOE 0TFD XXXPTFDDI
Die mit einem «*» gekennzeichneten Fachbegriffe werden im Glossar     t 'PSFJHO5SBEF"TTPDJBUJPO '5" XXXGUBFVPSH
ab Seite 38 erläutert.                                                t "VTTFOIBOEFMTWFSFJOJHVOHEFT%FVUTDIFO&JO[FMIBOEFMT
                                                                          (AVE) e.V.: www.ave-koeln.de
                                                                      t *OTUJUVUGàS)BOEFMTGPSTDIVOH *G) BOEFS6OJWFSTJUÊU,ÚMO
                                                                          www.ifhkoeln.de
                                                                      t *GPo*OTUJUVUGàS8JSUTDIBGUTGPSTDIVOHXXXJGPEF

                                                                                                    UBS outlook – Grosshandel         15
Wertschöpfung

Wie die Spinne
im Netz
                     Etliche Grosshandelsunternehmen suchen         Das Auf und Ab der Konjunktur, die Forderung nach hoher
                     ihren Platz in der Wertschöpfungskette,        Qualität bei niedrigem Preis, relativ kleine Margen und hart-
                     manche kämpfen sogar um ihre Existenz.         näckige Konkurrenz – das sind Herausforderungen, denen
                     Für andere, sehr professionell agierende       sich jedes Unternehmen stellen muss. Für den Grosshandel
                     Firmen ist diese Frage hingegen kaum           kommt noch etwas anderes hinzu: Sein Beitrag in der Wert-
                     noch relevant. Im Gegenteil, sie sind selbst   schöpfungskette wird von verschiedener Seite immer wieder
                     zur Konkurrenz für Hersteller und Einzel-      in Frage gestellt. Die Vorwärtsintegration der Industrie,
                     handel geworden, nicht, indem sie              das Streben der Kunden nach direkter Beschaffung, das erwei-
                     den Anspruch erheben, einzelne Stufen          terte Angebot logistischer Dienstleister – all das zwingt zu klarer
                     der Wertschöpfungskette auszuschalten,         Profilierung.
                     nein, sie dominieren und steuern sie.
                     Das breite Know-how des Grosshandels –         Einer Reihe von Grosshandelsunternehmen ist es gelungen,
                     Know-how über Märkte und Produkte,             sich mit einem innovativen Geschäftsmodell neu im Markt
                     über Lieferanten und Kunden, über              zu etablieren. Mit ergänzenden oder zusätzlichen Strategien,
                     Marketing und Absatz – ist eine sehr gute      die in verschiedenen Geschäftszweigen angewandt oder
                     Voraussetzung, um in der modernen              kopiert werden, streben derartige Unternehmen danach,
                     Wertschöpfungskette eine zentrale Rolle        Einfluss und Kontrolle innerhalb der Wertschöpfungskette
                     zu spielen. Sie drückt sich in verschiedenen   kontinuierlich zu erhöhen. Ein harter Kampf ist entbrannt
                     Geschäftsmodellen aus und findet ihre          um die Rolle desjenigen, der die einzelnen Glieder der Wert-
                     vorläufige Vollendung in der Kombination       schöpfungskette zuerst koordiniert und später kontrolliert.
                     einzelner dieser Modelle.
                                                                    Konzentrationsprozesse verstärken diesen Trend, der sich
                                                                    in vielen Branchen und auf nahezu allen Wertschöpfungsebenen
                                                                    beobachten lässt. Die traditionelle Aufgabenteilung zwischen
                                                                    dem Hersteller als Produzenten, dem Grosshändler als Ein-
                                                                    und Weiterverkäufer sowie dem Einzelhändler als Verkäufer
                                                                    an den Endverbraucher gibt es nicht mehr, oder sie geht
                                                                    in ihrer Bedeutung sehr stark zurück.

                                                                    Kunden des Grosshandels besinnen sich zudem auf ihre Kern-
                                                                    kompetenzen. Bestimmte Arbeiten gliedern sie deshalb in vor-
                                                                    und nachgelagerte Branchen aus, die Liefer- und Bestands-
                                                                    verantwortung delegieren sie («Outsourcing»). Dadurch
Unsere These                                                        lösen sich herkömmliche Wertschöpfungsketten vielfach auf,
Die gewohnte Rollenverteilung zwischen                              gewohnte Branchengrenzen verschieben sich. Zwei Beispiele
Grosshandel, Hersteller und Einzelhan-                              für eine aussichtsreiche strategische Repositionierung sind
del verwässert sich – harter Konkurrenz-                            die Bildung von Verbundgruppen (Kooperation) oder
kampf ist die Konsequenz.                                           die Öffnung zum Ausland (Internationalisierung).

                                                                    Sinnvoll erscheint es vor diesem Hintergrund, Geschäftsmodelle
                                                                    anhand des jeweiligen Gliedes der Wertschöpfungskette ein-
                                                                    zuteilen, das vom Grosshandel bedient wird. Darunter fallen
                                                                    die Kundengruppen Gewerbe, Industrie, Gastronomie/Gross-
                                                                    verbraucher, Einzelhandel/Apotheken sowie Lieferanten.
                                                                    Darauf aufbauend und bezogen auf die einzelnen Leistungs-
                                                                    bereiche – Beschaffung, Logistik, Marketing und Be-/Verarbei-
                                                                    tung – lassen sich einige zukunftsträchtige Modelle ableiten.

16        UBS outlook – Grosshandel
UBS outlook – Grosshandel   17
Wertschöpfung

Ihr Zuschnitt und ihre Definition gehen auf eine breit angelegte                                                               Ausschliesslich auf den Einzelhandel konzentriert sich dem-
Studie des «Instituts für Handel und Internationales Marketing»                                                                gegenüber der «Service Merchandiser». Dessen Kunden
der Universität des Saarlandes zurück, die 2006/07 in Zusam-                                                                   erwarten ansprechend präsentierte Ware und ein auf die Lage
menarbeit mit der SAP AG, dem «Bundesverband des Gross-                                                                        des Geschäfts abgestimmtes Sortiment. Der Einzelhändler selbst
und Aussenhandels» (BGA) und dem «Zentralverband Gewerb-                                                                       fordert darüber hinaus eine rasche und vollständige Verfüg-
licher Verbundgruppen» (ZGV) in Deutschland und den USA                                                                        barkeit des Angebots.
durchgeführt wurde. Ihre Erkenntnisse lassen sich auch auf
die Schweiz übertragen. Um Missverständnissen mit der ein-    Hier setzt das Geschäftsmodell an: Das Grosshandelsunternehmen
schlägigen Fachliteratur zu begegnen, werden im Text und      vertreibt nicht einzelne Produkte an seine Kunden, sondern
in den Abbildungen die Bezeichnungen verwendet, die das       stattet sie mit einem kompletten System aus, einschliesslich
Universitätsinstitut bestimmt hat (Abb. 7).                   des Materials, das für Marketing und Absatz benötigt wird.
                                                              Es muss ihm gelingen, sein Angebot jederzeit an die individuellen
Schauen wir uns die Geschäftsmodelle jetzt der Reihe nach an. Bedürfnisse des Einzelhändlers anzupassen. Sein Ziel reicht aber
                                                              weiter, es will die Verantwortung für das Füllen der Regale
Versorgungskonzepte und komplette Systeme:                    und den Absatz der Ware exklusiv übernehmen. Das setzt hohe
Die Modelle «MRO Provider» und «Service Merchandiser»         Kompetenz in Logistik und Versorgung voraus und sehr gute
Dienstleistungen aus einer Hand für die Versorgung mit Teilen Kenntnis situationsgerechter Massnahmen zur Verkaufsförderung
für Wartung, Reparatur und Betrieb bietet der sogenannte «MRO und Flexibilität.
Provider» an. Die englische Abkürzung steht für «Maintenance,
Repair, Operation». Das Angebot richtet sich an Industrie-    Kooperation, Arbeitsteilung, Systemführung:
und Gewerbebetriebe, die ihre Prozesskosten deutlich senken   Das Modell «Systemkopf»
können, insbesondere wenn C-Teile* und andere Produkte        In vielen Gewerbebetrieben, vor allem in kleineren, ist es
des «MRO»-Leistungsspektrums zu beschaffen sind.              aufgrund mangelnder Ressourcen üblich, dass Chefs direkt
                                                              in der Produktion mitarbeiten. Äusseres Kennzeichen dafür
Beispiel Automobilindustrie: Nachts erhält der Grosshändler   ist die eher produktionsgetriebene Geschäftspolitik.
die Nachricht, welche Teile am nächsten Tag am Montageband    Überfordert sind derartige Betriebe oft, wenn es darum geht,
benötigt werden. Er muss in der Lage sein, die Ware rasch     ihre Produkte zu vermarkten, entsprechende Aktionen zu planen
zu verteilen und wirtschaftlich zu kommissionieren.           und umzusetzen und sich ein Profil zu geben, das auf
Vielleicht hat er auch die komplette Lagerhaltung übernommen, die Erwartungen des Endverbrauchers zielt und sich von
und möglicherweise ist die Ware, die ans Band geliefert wird, der Konkurrenz abhebt.
sein Eigentum. Abgerechnet wird nach Verbrauch.
                                                              In diesem Fall bieten sich Kooperationen mit anderen Gewerbe-
Der Erfolg des Geschäftsmodells beruht neben gegenseitigem    betrieben an, die über die vertikalen Stufen der Wertschöpfungs-
Vertrauen auf der zuverlässigen und pünktlichen Versorgung    kette zusammenarbeiten. Die zentrale Rolle in diesem Gefüge
der Industrie- und Gewerbebetriebe mit der vereinbarten Ware. übernimmt das Grosshandelsunternehmen. Es bildet den Kopf

Abb. 7: Moderne Geschäftsmodelle in der Wertschöpfungskette

          Wertschöpfungs-
                  partner                                                                                                                             Kunden
                                                  Lieferanten
  Leistungs-                                                                               Einzelhandel /                         Gastronomie/
  bereiche                                                                                  Apotheken                            Grossverbraucher                              Industrie                      Gewerbe

                                                                                                                                               (Global) Sourcer
  Beschaffung
                                                                                           Service Merchandiser

                                                                                                                                                                MRO Provider

                                                                                                                                                                                                    MRO Provider
                                                                                                                  Branchen-

                                                                                                                                                                                       Branchen-

                                                                                                                                                                                                                    Branchen-

                                                                                                                                 Branchenspezialist
                                                                                                                  spezialist

                                                                                                                                                                                       spezialist

                                                                                                                                                                                                                    spezialist

  Logistik

                                                   Distributor

  Marketing/Vertrieb                                                                                                    Systemkopf                                                                      Systemkopf

                                                 Distributor/                                                                                                    Distributor/
                                                 After-Sales                                                                                                     After-Sales
                                               Service Provider                                                                                                Service Provider

  Be- und Verarbeitung
                                               Modul-Lieferant                                                                                                 Modul-Lieferant

                                         up-stream                               down-stream
                                         (lieferantengerichtet)                  (kundengerichtet)
Quelle: Institut für Handel und Internationales Marketing der Universität des Saarlandes

18                 UBS outlook – Grosshandel
Wertschöpfung

«In einer Verbundgruppe
ergänzen sich die individuelle
Stärke des einzelnen Unter-
nehmens und die vereinigten
Kräe, die durch Zusammen-
arbeit entstehen.»
Peter Stöhr
Geschäftsleiter, Häuselmann Holding GmbH

eines Systems für die rechtlich weiterhin selbständigen Gewerbe-   steigern die Qualität, erzielen günstigere Preise und erreichen
betriebe. Seine Hauptaufgabe besteht darin, langfristige           bessere Konditionen für den Einkauf.
Rahmenvereinbarungen zu treffen, die die gegenseitig
erbrachten Leistungen regeln.                                      Markterschliessung, Akquisition, Kundenpflege:
                                                                   Das Modell «Distributor»
Grosshandelsbetriebe, die das Geschäftsmodell «Systemkopf»         Das Geschäftsmodell «Distributor» knüpft im Zeitalter der Inter-
verfolgen, sind bestrebt, ihre Kunden vielfältig zu entlasten,     nationalisierung an die klassische Grosshandelsfunktion
zum Beispiel bei der Beschaffung der Ware, der individuellen       des Maklers oder Mittlers zwischen Hersteller und Abnehmer an.
Einteilung des Sortiments und damit möglicherweise verbun-
dener Dienstleistungen für den Endkunden. Das erprobte Know-       Den Detaillisten oder Industrie- und Handelsunternehmen
how in Werbung und Verkauf fliesst in ein gemeinsames Marke-       versorgt der Grosshandelsbetrieb mit Erzeugnissen aus dem
tingkonzept sowie in Aufbau und Pflege einer einheitlichen         von ihm gebildeten Sortiment. Gleichzeitig profiliert er sich
Marke ein, die Eigentum des Grosshandelsunternehmens bleibt.       gegenüber Lieferanten nicht allein als zuverlässiger Waren-
                                                                   verteiler, sondern als jemand, der die Markterschliessung strate-
Ihre Leistungen erbringen die Grosshandelsfirmen nicht allein      gisch betreibt, Kunden systematisch akquiriert und pflegt.
gegenüber den angeschlossenen Gewerbebetrieben, sondern,
zumindest teilweise, im Namen der Gemeinschaft auch gegen-         Genau darin, in der Akquisition, liegt der Kern des Modells.
über dem Endverbraucher.
                                                                   Vermag sich das Grosshandelsunternehmen diesbezüglich nicht
Brücke zwischen Inlands- und Auslandsmärkten:                      zu bewähren, droht ihm die Gefahr, seine Aufgaben an
Das Modell «Global Sourcer»                                        die Konkurrenz, an reine Logistiker oder an den Hersteller selbst
Die Bezeichnung des Geschäftsmodells «Global Sourcer» lässt        zu verlieren. Umgekehrt resultiert im Erfolgsfall häufig eine
auf die fortschreitende Internationalisierung der Wirtschaft       langfristige Zusammenarbeit insbesondere mit ausländischen
schliessen, die wir im vorausgehenden Kapitel beschrieben haben    Herstellern, die Vermarktungsrechte für bestimmte Gebiete
(ab Seite 12). Die Leistungen kommen in erster Linie kleineren     über einen langen Zeitraum exklusiv vergeben. Eine lohnende
Unternehmen des Gewerbes zugute, aber auch der Industrie,          Aufgabe, deren Erfüllung allerdings auch erhebliche Investitionen
der Gastronomie oder des Handels – grundsätzlich Betrieben,        voraussetzt – in Sachkapital sowie in die kontinuierliche Aus-
die regional oder lokal etabliert sind. Wegen ihrer geringen       und Weiterbildung der Beschäftigten.
Grösse, oft knapper Ressourcen oder fehlenden Know-hows
sind sie aber auf den Grosshandel angewiesen, um an das            Eine Sonderform dieses Geschäftsmodells wird als «After-Sales
attraktive Warenangebot nationaler und internationaler Märkte      Service Provider» bezeichnet. Für in- und ausländische Hersteller-
heranzukommen.                                                     firmen übernimmt der Grosshandelsbetrieb Aufgaben der Markt-
                                                                   bearbeitung, spezialisiert sich mit seinen Dienstleistungen aber
Güterquellen zu erschliessen, das ist das geeignete Geschäfts-     auf den Zeitpunkt nach dem Kauf («after sales»). Er übernimmt
modell für Grosshandelsunternehmen, die die Basisfunktion          Wartung, Inspektion und Reparatur an den gehandelten Erzeug-
der Beschaffung zur Vollendung führen. Sie agieren als Pioniere    nissen, hält ihre Funktionstüchtigkeit aufrecht, stellt Ersatzteile
auf den Weltmärkten mit dem Ziel, unbekannte Produkte für den      bereit und regelt Garantieansprüche. Kunden verlangen haupt-
inländischen Bedarf zu entdecken. Sie greifen internationale       sächlich Tempo beim Ersatzteilservice und Sorgfalt bei Repara-
Trends auf, machen sie ihren Kunden auf den Heimmärkten            turen. Eine hohe Distributionsdichte und die damit verbundenen
zugänglich, sie stellen die gewünschten Sortimente zusammen        logistischen Vorteile erleichtern es, die Aufgabe zu erfüllen.
und halten sie instand.
                                                                   Kerngeschäft Logistik:
Übergeordnet verfolgen sie das Ziel, Sortimente fortwährend        Das Modell «Branchenspezialist»
zu erneuern und zu verbessern. Sie erzeugen Mehrwert –             Mit dem «Branchenspezialisten» begegnen wir einem weiteren
zum Beispiel durch innovative Produkte und bis dato unbeach-       Geschäftsmodell, in dem sich eine originäre Funktion des Gross-
tete Lieferanten. Durch die regionale Aufteilung ihrer Beschaf-    handels widerspiegelt, der Logistik. Als zentrales Kennzeichen
fungsquellen vermeiden oder verringern sie Lieferengpässe,         kommt das Angebot eines vollständigen Sortiments hinzu.
sie gleichen saisonale Schwankungen in Wert und Menge aus,         Wirtschaftliche Disposition, rasche Verfügbarkeit der Ware,

                                                                                                 UBS outlook – Grosshandel           19
Wertschöpfung

hohes Tempo bei der Lieferung und unbedingte Termintreue           Brennpunkt Netzwerksteuerung und -verwaltung:
zeichnen das Grosshandelsunternehmen aus, das sich für dieses      Das integrierte Modell «Value Net Integrator»
Modell entscheidet. Vornehmlich bedient es Kunden aus Handel       Ob Angebot oder Nachfrage, ob Eigenleistung oder Fremd-
und Gewerbe, deren Warenbedarf stark schwankt und über             leistung, ob vertikal oder horizontal, ob Grosshandel oder Einzel-
automatisierte Abläufe, beispielsweise Kanbansysteme*, kaum        handel, ob Dienstleister oder Hersteller: Von Zeit zu Zeit müssen
abgewickelt werden kann.                                           Rollen überdacht und Funktionen überprüft werden – in anderen
                                                                   Zusammenhängen, auf anderen Ebenen.
Im Gegensatz zu den übrigen Geschäftsmodellen konzentriert
sich der «Branchenspezialist» nicht auf bestimmte Kompetenzen      Kurier- oder Paketdienste, wie UPS oder DHL, treten, indem sie
oder Tätigkeiten. Er profiliert sich, indem er branchenrelevante   eine Dienstleistung erbringen, einerseits als Hersteller auf,
Leistungen erbringt und Lösungen professionell herbeiführt.        andererseits als Direktverkäufer, denn sie beliefern Endkunden.
Bezogen auf die Fülle denkbarer Funktionen des Grosshandels        Richten sie über Konzessionen Annahme- und Abholstellen
zeigt sich der «Branchenspezialist» als Multispezialist.           ein, öffnen sie zusätzlich einen Absatzkanal.

Verarbeitung und Veredelung:                                   Ähnliches gilt für Verbundgruppen. Ein Beispiel aus der Schweiz:
Das Modell «Modul-Lieferant»                                   Zunächst vier, später fünf kleinere mittelständische Betriebe
Durch die (Rück-)Besinnung der Kunden des Grosshandels         des Metall- und Stahlhandels haben sich in der «metal4you AG»
auf ihre Kernkompetenzen ergeben sich Wachstumschancen         zusammengeschlossen – alle landesweit tätige Familienbetriebe
für Grosshandelsbetriebe. Beispielsweise übernehmen sie        vergleichbarer Grösse und Kultur, aber mit unterschiedlichem
von Zulieferern oder Kunden die Aufgabe, Produkte zu bear-     Warenangebot. Die Partner verfolgen gemeinsame Interessen
beiten oder zu veredeln.                                       in Logistik und Verkauf sowie im Austausch von Know-how.
                                                               Sie sind aber selbständig geblieben und wickeln nur einen Teil
Das Geschäftsmodell «Modul-Lieferant» unterscheidet zwei       ihres Umsatzes über die Verbundgruppe ab, die von einem
Varianten – entweder wird die Leistung «autonom» erbracht,     Geschäftsführer mit zwei Assistenten gesteuert wird und mehr
ausgerichtet auf die zu erwartenden Bedürfnisse eines ano-     als zwanzigtausend Artikel verfügbar hält. Die für den Kunden
nymen Marktes, oder sie erfolgt «individuell», exakt nach den  wichtige technische Beratung verbleibt in den Partnerunter-
Wünschen eines bestimmten Kunden. Vor allem in dieser zweiten nehmen.
Variante wird die Kundenbindung gestärkt und das eigene Profil
gegenüber der Konkurrenz geschärft.                            Ausgangspunkt des Zusammengehens war, Geld zu sparen –
                                                               nicht durch Personalabbau, sondern durch frische Ideen.
Nicht zwangsläufig führt das Grosshandelsunternehmen           Wegen zu geringer Volumina lassen sich im Metall- und Stahl-
die Leistungen selbst durch, die es anbietet. Es prüft, was es handel in der Schweiz über die Menge keine Kostenvorteile
aufgrund der vorhandenen Kompetenz selbst zu leisten           erzielen. Blieb, das Angebot an Dienstleistungen zu verbessern
vermag oder was es anderswo erwerben muss.                     und Betriebsabläufe zu straffen. Die damit verbundenen Inves-
                                                               titionen in Infrastruktur und Informationstechnologie hätten
Das grösste Plus dieses Modells liegt für den «Modul-Liefe-    jeden einzelnen Partner allerdings überfordert. Die ursprüngliche
ranten» darin, die gesamte Wertschöpfungskette aktiv           Idee der Gründer begann sich auszuzahlen: Einzeln sind wir
zu beeinflussen, die Leistungen der Be- und Verarbeitung       stark, gemeinsam sind wir stärker, lautete das Motto – ein Modell,
unter sämtlichen Partnern abzustimmen und unter ihnen          das sowohl national als auch kontinental oder weltweit
letztlich den Ton anzugeben.                                   funktionieren kann.

                                                                   Abb. 8: Geschäftsaufbau eines «Herstellers ohne Produktion»
                                                                   (schematische Darstellung)

                                                                                                                    Auftrags-
                                                                                                                  produzenten

Unsere These
Wertschöpfungsketten werden künftig
                                                                                                             «Markenhersteller»
als flexible Netzwerke von mächtigen
Unternehmen gesteuert – mit Vorteilen
für den Grosshandel, der, historisch
gesehen, bereits eine Netzwerkfunktion
innehat.                                                                                  selb-              gebun-            Fabrik-              Elek-
                                                                                       ständiger           dener Fach-         verkauf           tronischer
                                                                                      Fachhandel             handel                                Handel

                                                                    Fachgeschäfte                 Fachgeschäfte
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                                                                       Marken                         Marke

                                                                   Quelle: Institut für Handel und Internationales Marketing der Universität des Saarlandes

20        UBS outlook – Grosshandel
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