Ersatz Poschiavinobrücke Miralago - Projektwettbewerb - ZUR GENEHMIGUNG - Amazon AWS
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Impressum Rhätische Bahn AG Infrastruktur Bahnhofstrasse 25 7001 Chur Der Übersichtlichkeit halber wird in diesem Bericht für Funktionsbezeichnungen die männliche Form gewählt. Die Aussagen gelten in gleicher Form auch für Funktionsträgerinnen. Fotos Modelle: Nicola Pitaro Fotos Allgemein: Karl Baumann 24.01.2020 2
Inhaltsverzeichnis Die Aufgabe 5 Das Verfahren 11 Der Ablauf der Jurierung 17 Zusammenfassende Gedanken des Preisgerichts 23 Das Siegerprojekt 27 Die zwei folgend rangierten Projekte 33 Die nicht rangierten Projekte 43 Schlussäusserungen 53 3
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Die Aufgabe 5
Die Rhätische Bahn AG (RhB) veranstaltete einen einstufigen, anony- Ausgangslage men Projektwettbewerb im Einladungsverfahren für den Ersatz der Die Poschiavinobrücke Miralago wurde 1908 erstellt und quert den Poschiavinobrücke Miralago auf der Berninalinie von St. Moritz nach Fluss Poschiavino nach der Haltestelle Miralago Richtung Tirano. Man Tirano. Das Ingenieurbüro ewp AG Chur unterstützte die RhB bei der erwog, die historische Brücke zu erhalten. Doch die stählerne Brücke Durchführung des Wettbewerbs. ist am Ende ihrer Lebensdauer angelangt und muss wegen unwirt- schaftlicher Überalterung und technischer Inkompatibilität durch einen Neubau ersetzt werden. 6
Zudem plant das Tiefbauamt Graubünden im Zusammenhang mit der Bauwerkliche Tätigkeiten, die unmittelbar an oder in der Nähe von Erschliessung des Steinbruchs Motta di Miralago einen erweiterten Bahnanlagen auf der Strecke des UNESCO Welterbes stattfinden, Anschluss Miralago Süd mit einer separaten Linksabbiegespur für den müssen in denkmalpflegerischen Fragen durch Spezialisten begleitet Verkehr von Norden in Richtung Motta die Miralago. Die neue Strassen- werden. So ziehen die RhB gemäss behördenverbindlichen Leitüberle- lage tangiert im Bereich der Zufahrt zur Poschiavinobrücke das beste- gungen aus dem kantonalen Richtplan (KRIP) bei Planungen, Projek- hende Bahntrassee. Deshalb muss die Linienführung der Bahn auf tierungen und bei der Ausführung von Neu- und Umbauten sowie einer Länge von ca. 160 m angepasst werden, wodurch sich die Lage Erneuerungen von Bahnanlagen auf der Albula- und Berninalinie der Brücke verschiebt. Die bestehende Steinbogenbrücke, die als Fachexperten bei. Sie unterstützen die RhB bei der Wahrung von Erschliessung des Steinbruches Motta di Miralago dient, ist im IVS Charakter und Erscheinungsbild der Bahn. Entsprechend stellt sich das verzeichnet und bleibt erhalten. Preisgericht dieses Wettbewerbs zusammen. Das Tiefbauamt Graubünden hat ursprünglich ein anderes Konzept Anforderungen an die Planungsteams projektiert. Es war vorgesehen, die bestehende Steinbogenbrücke Brücken prägen die Kulturlandschaft wesentlich. Ingenieure und abzubrechen und durch eine neue Stahlbetonkonstruktion auf der Architekten, die heute Brücken planen und bauen, befinden sich in Südseite zu ersetzen. Die Bahnbrücke wäre beibehalten geblieben. Die einem Spannungsfeld von bautechnischen, statischen und ästheti- Bahnbrücke wies aber neben grundsätzlichen Mängeln bezüglich der schen Ansprüchen. Ebenso gewichtet werden die landschaftliche Ermüdungssicherheit auch Defizite im Bereich des Hochwasserschut- Einpassung und die ökologische Integration. Die regionaltypische zes auf. Deshalb entschied die RhB zusammen mit der Denkmalpflege Vielfalt, Eigenart und Schönheit der gewachsenen Kulturlandschaft Graubünden – im Sinne einer Interessensabwägung –, die Bahnbrü- sind wesentliche Einflussfaktoren für die Planung und Ausführung von cke durch einen Neubau zu ersetzen und dafür die inventarisierte Bauwerken. Gelingt es, diese Punkte bei der Konzeption eines Trag- Steinbogenbrücke zu erhalten. Im Gesamtkontext und in Bezug auf die werks ausgewogen einzubeziehen, wird es nicht als Fremdkörper, Eingliederung aller Bauwerke in die Umgebung ist dies die überzeu- sondern als selbstverständlicher Teil der Landschaft wahrgenommen. gendere Lösung. Dann kann gute Ingenieurbaukunst entstehen. Und aus der Synthese von landschaftsbezogener Gestaltung, ökologischen Belangen und Ziele und Vorgaben des Ingenieurwettbewerbs technischen Standards wird gute Baukultur. – Ein gewichtiger Aspekt Die Berninalinie von St. Moritz nach Tirano ist Bestandteil des UNESCO für den Wettbewerb der Brücke an diesem Ort. Weltkulturerbes Albula-Bernina der RhB. Ziel des vorliegenden Wett- bewerbs war es deshalb, ein Bauwerk von hoher technischer und architektonischer Qualität mit einer sehr guten Einbindung in die Landschaft zu erhalten. Das neue Bauwerk hat dieses bedeutende Umfeld zu berücksichtigen und sich in den Gesamtkontext Miralago Süd in überzeugender Art einzugliedern. 7
Ausserdem sind Ingenieurbauwerke, insbesondere Brücken, ein Die Randbedingungen betreffend das zu überquerende Gewässer wesentlicher Bestandteil unserer Infrastruktur. Sie dokumentieren die wurden ebenfalls in einem Bericht beschrieben. Ein Freibord von 1.0 m Ingenieurbaukunst und Baukultur ihrer Zeit und können das Bild muss für ein Hochwasserereignis HQ100 eingehalten werden, weshalb unserer Städte und unserer Kulturlandschaft positiv prägen und die Unterkante der neuen Brücke die Kote von 962.00 m. ü. M. nicht bereichern. Der Schlüssel für gut gestaltete Brücken liegt auch im unterschreiten darf. Das Bauwerk darf ausserdem keine Zwischenab- interdisziplinären Handeln von Ingenieuren, Architekten und Land- stützungen im Flussbett aufweisen. schaftsplanern. Die am Wettbewerb teilnehmenden Planungsteams sollen daher die Fachdisziplinen Bauingenieurwesen (federführend), Die technisch zu erfüllenden Anforderungen waren in der Nutzungs- Architektur und Landschaftsplanung abdecken. vereinbarung festgehalten. In konstruktiver Hinsicht sollte das Trag- werk folgende Bedingungen genügen: Technische Angaben Die Linienführung der Bahn wird wegen der neuen Strassenlage des - Die neue Gleisgeometrie ist ohne Anpassungen in der Lage und Anschluss Miralago Süd verlegt und damit in diesem Bereich etwas Höhe zu übernehmen. gestreckt. Die Länge der Linienverlegung beträgt 163.35 m. Sie beginnt - Die Brücke ist mit einem Schotterbett zu versehen. ausgangs Miralago bei der Kilometrierung km 51.0 und endet in der - Das Schotterbett soll ≥ 1.60 m ab Gleisachse breit sein. Situation am Weichenanfang W101, etwa 10 m nach dem Übergang - Der Schotter soll von UK Schwelle bis OK Trogplatte mindestens 30 cm Motta di Miralago. Die Nivellette wird im Brückenbereich um stark sein. 60 – 70 cm angehoben. Die Anpassung in der Höhe erfolgt bis zu - Der Achsabstand Gleisachse bis Geländer beträgt e ≥ 2.50 m. km 51.450. Die Anpassung der Höhenlage zwischen dem Weichenan- - Der volle Dienstweg soll beidseitig auf der ganzen Bauwerkslänge fang W101 und km 51.450 ist nicht Projektbestandteil. Die neue Linien- 40 cm breit sein. führung (Achse Bahntrassee) darf nicht verändert werden. - Oberhalb der Fahrbahn liegende Haupttragwerks(teile) sind durch massive seitliche Randborde vor direktem Anprall zu schützen (der Die geologischen und hydrologischen Verhältnisse wurden – soweit sie Abstand a vom inneren Rand der Tragkonstruktion zur Gleichachse heute bekannt sind – in einem geologischen Gutachten beschrieben. soll ≥ 2.50 m sein). Die Talstufe bei Miralago wurde spätglazial durch den Niedergang - Die Brückenuntersicht muss aus Hochwasserschutzgründen glatt eines Bergsturzes, vermutlich aus der rechten Talseite, gebildet. Die ausgebildet werden. Untersuchungen zeigen, dass die Bergsturzablagerungen wahrschein- lich mehreren Ereignissen zugeordnet werden müssen. Der Unter- Weitere Details zu Quer-/Längsgefälle, Schottertrog, Brückenabschlüs- grund besteht aus einer Wechsellagerung von Bergsturz- und Bach- se und -entwässerung sind detailliert in der Nutzungsvereinbarung schuttmaterial, welches in einer Tiefe von 20 bis 25 m von einer Moräne erläutert, und die bewährten Grundsätze der baulichen Durchbildung, unterlagert wird. Die Felsoberfläche wurde in den durchgeführten eine effiziente Kraftübertragung, die Ausführbarkeit in guter Qualität, Sondierbohrungen nicht erbohrt. die Wirtschaftlichkeit, Unterhaltsfreundlichkeit und Dauerhaftigkeit waren zu berücksichtigen. 8
Das neue Bauwerk kann ausserhalb des Betriebsgleises hergestellt werden. Unter Umständen müssen einzelne Arbeitsschritte aus Sicher- heits- und oder Zeitgründen in die Nachtbetriebspause verlegt wer- den. Die Nachtbetriebspause dauert von 20.15 – 06.45 Uhr. Es ist vorgesehen, das Brückenbauwerk in der Periode Juli 2021 – Mitte März 2022 zu erstellen. Der Gleisbau erfolgt Ende März 2022 anlässlich einer sechswöchigen Totalsperrung der Strecke Poschiavo – Tirano (21. Februar – 01. April 2022). 9
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Das Verfahren 11
Es handelt sich um einen einstufigen, anonymen Projektwettbewerb Der Beizug von Fachleuten aus Architektur und / oder Landschaftsge- im Einladungsverfahren. Massgebende Grundlagen für die Durchfüh- staltung war ausdrücklich erwünscht. Bei Planergemeinschaften rung des Wettbewerbs waren: musste die Federführung allerdings bei einem Bauingenieur liegen. Eine Teilnahme der Fachleute (Ingenieure / Architekten / Landschafts- - Submissionsgesetz (SubG) des Kantons Graubünden vom architekten) in mehreren Teams war nicht zulässig. 10.02.2004 - Submissionsverordnung (SubV) des Kantons Graubünden vom Preisgericht 25.05.2004 Das Preisgericht setzt sich aus nachfolgenden Personen zusammen: - die Ordnung 142 des SIA (Ordnung für Architektur- und Ingenieur- wettbewerbe, Ausgabe 2009) Vertretung Bauherrschaft (mit Stimmrecht): - das Wettbewerbsprogramm Karl Baumann Leiter Kunstbauten RhB (Vorsitz) - die Änderungen und Ergänzungen aufgrund der Fragenbeant- wortung Fachpreisrichter (mit Stimmrecht): Johannes Florin UNESCO Fachausschuss Bahn, Im Rahmen des Wettbewerbs erklärte der Veranstalter diese Grundla- Denkmalpflege GR gen für sich und die Teilnehmenden als rechtsverbindlich. Die Teilneh- Toni Häfliger UNESCO Fachausschuss Bahn, menden anerkannten insbesondere den Entscheid des Preisgerichts in Fachexperte Eisenbahn- den fachlichen Belangen. denkmalpflege Clementine Hegner - van Rooden Bauingenieurin, Oberägeri Der Projektwettbewerb wurde in deutscher Sprache durchgeführt. Ebenso waren die Wettbewerbsbeiträge in deutscher Sprache abzuge- Fachpreisrichter (ohne Stimmrecht): ben. Christof Messner UNESCO Fachausschuss Bahn, Bundesamt für Kultur BAK, Teilnehmer Sektion Heimatschutz und Für die Teilnahme am Wettbewerb wurden die folgenden Ingenieur- Denkmalpflege büros eingeladen: Ersatzpreisrichter: - ACS-Partner AG, Zürich Angelo Berweger Projektleiter Kunstbauten RhB - Bänziger Partner AG, Chur - Chitvanni + Wille GmbH, Chur Die allfällige Vertretung eines verhinderten stimmberechtigten Mit- - Conzett Bronzini Partner AG, Chur glieds des Preisgerichts erfolgte durch einen Ersatzpreisrichter. Nach - Flückiger + Bosshard AG, Chur Bedarf wären weitere Experten beigezogen worden. 12
Die wertungsfreie Vorprüfung der Wettbewerbsbeiträge erfolgte durch Termine das Ingenieurbüro ewp AG Chur, Kasernenstrasse 36, 7000 Chur. Die Wettbewerbsunterlagen wurden im August 2019 den Wettbewerbs- teilnehmern zur Verfügung gestellt. Dem Preisgericht stand eine Gesamtpreissumme von CHF 50'000.- (exkl. MwSt.) zur Verfügung. Unter sämtlichen Teilnehmenden wurden Eingabetermin für die Wettbewerbsbeiträge war der 8. November CHF 30'000.- gleichmässig als Festentschädigung verteilt. Für Preise 2019, für die Modelle der 22. November 2019. Die Jurierung erfolgte am und Ankäufe standen CHF 20'000.- zur Verfügung. Es war vorgesehen 3. und am 11. Dezember 2019. drei Preise zu vergeben. Die Festlegung der Preissummen erfolgte im Rahmen der Beurteilung. Die Gesamtpreissumme wurde voll ausge- Vorgesehen ist, die Projektierung mit Plangenehmigungsverfahren bis richtet. September 2020 durchzuführen und das Bauwerk von Juli 2021 bis März 2022 zu erstellen. Die RhB beabsichtigt, den Empfehlungen des Preisgerichts zu folgen und das siegreiche Team mit der Projektierung und technischen Wettbewerbsunterlagen Bauleitung für den Bau der Brücke zu beauftragen. Nicht Bestandteil Das Wettbewerbsdossier umfasste neben dem Wettbewerbsprogramm des Auftrags ist der bahntechnische Teil (Gleisbau, Beschotterung, die Nutzungsvereinbarung für die Brücke, einen Situationsplan 1:200 Fahrleitungen, Verkabelung). mit dem Wettbewerbsperimeter, Linienführungen und Höhenlinien, ein digitales Geländemodell, eine Situation 1:250 mit der Grundlagen- Die Weiterbearbeitung erfolgt unter Vorbehalt der Projektgenehmi- vermessung, eine Situation 1:1'500 mit der Gleisgeometrie, ein geolo- gung durch die zuständigen Instanzen und der Kreditfreigabe durch gisches Gutachten für die Brücke, ein Dokument zum Hochwasser- den Verwaltungsrat der RhB. Die Weiterbearbeitung und die Auftrags- schutz, Fotos der Brücke und ihre Umgebung, den UNESCO Beschrieb für erteilung können in verschiedenen Phasen erfolgen. Notwendige Kunstbauten der RhB, eine Wegleitung für das qualitätsvolle Planen Anpassungen vor, während oder nach der Realisierung sind in gegen- und Bauen im UNESCO Perimeter, eine Vorlage für die Kostenschätzung seitigem Einvernehmen zwischen Projektverfasser und Bauherrschaft für die Teilnehmer, ein «Offertformular Ingenieur», die Weisungen für möglich. Auch ist eine Begleitung der Weiterbearbeitung durch eine die Projektierung von Kunstbauten der RhB und Modelldaten. Delegation des Preisgerichts möglich. Den Teilnehmern wurde eine 44 × 68 cm grosse Modellunterlage im Massstab 1:200 für den Einbau des Entwurfs abgegeben. Bis zum 19. September 2019 konnten Fragen zum Wettbewerb gestellt werden. Die eingegangenen Fragen wurden vom Preisgericht schriftlich beant- wortet und bis am 27. November 2019 allen Teilnehmern zugestellt. Ausser der Beantwortung der schriftlich an die RhB gestellten Fragen wurden keine weiteren Auskünfte erteilt. Es fand keine Begehung und Erläuterung der Wettbewerbsaufgabe durch den Veranstalter statt. 13
Projekteingabe Die Auflösung der Anonymität (Öffnung des Verfassercouverts) wurde Das einzureichende Projekt entsprach einem reduzierten Vorprojekt. nach erfolgter Jurierung durchgeführt. Das bedeutete, dass sich die Arbeiten auf die für die Beurteilung massgebenden Kriterien beschränken sollten. Das Wettbewerbsdos- Beurteilungskriterien sier umfasste den Projektplan mit der Situation, dem Längsschnitt, der Das Brückenbauwerk soll im Sinn der Zielsetzung des Wettbewerbs Ansicht von Süden 1:100 und Querschnitten 1:50. Im Plan waren zudem eine umfassend überzeugende Lösung der Aufgabe darstellen, in der wichtige weitere Informationen wie Details und Erläuterungen in frei technische, wirtschaftliche und architektonische Überlegungen in wählbarem Massstab anzuordnen. Skizzen, etwa zur Erläuterung des durchdacht abgewogener Gewichtung einfliessen. Entsprechend landschaftlichen Eingriffs, wurden hier oder im Erläuterungsbericht diesem Grundsatz wurde das Projekt auf der Basis der nachstehenden entgegengenommen, auf Renderings war jedoch zu verzichten. Weiter Beurteilungskriterien bewertet, wobei die Reihenfolge weder einer abzugeben waren ein Erläuterungsbericht mit Gedanken zum Projekt, Hierarchie noch einer Gewichtung in der Bewertung entsprach: Bemerkungen zum landschaftlichen Eingriff, die Begründung der Wahl des Tragwerkskonzepts und der Materialwahl, Erläuterungen zum - Gestaltung, Einbindung in die Landschaft Bauvorgang, eine nachvollziehbare Kostenschätzung ohne Honorare - Baukosten, Wirtschaftlichkeit sowie statische Nachweise, wobei die Machbarkeit und die gewählten - Robustheit, Dauerhaftigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Nachhal- Hauptabmessungen in möglichst knapper, aber nachvollziehbarer tigkeit Form nachzuweisen waren. Sämtliche Unterlagen mussten anonym - Realisierbarkeit, Bauverfahren, Bauzeit und mit einem Kennwort versehen sein. - Statisch-konstruktive Konzeption - Innovation Im verschlossenen Verfassercouvert waren das Kennwort des Projekts, der Name der Projektverfasser und der am Projekt beteiligten Mitar- Aufgrund der Gesamtbewertung hat das Preisgericht die Projekte beiter aufzuführen. Dazu kam eine Honorarofferte für Bauingenieure rangiert, die Preissummen festgesetzt und eine Empfehlung zuhanden oder Arbeitsgemeinschaften als Gesamtleiter, basierend auf der der Auftraggeberin ausgesprochen. Ordnung SIA 103, für alle Teilleistungen, zuzüglich Nebenkosten und Reisespesen, gemäss dem abgegebenen Offertformular. Die Bauherr- schaft erklärte einen Schwierigkeitsgrad n = 1 und h = 135.- CHF/h als Verhandlungsgrundlage. Zur Illustration des Berichts des Preisgerichts verlangte die Veranstalterin einen Datenträger mit allen Unterlagen im Format PDF im verschlossenen Verfassercouvert. Jeder Teilnehmer hatte auch das Modell im Massstab 1:200 abzugeben. Die verlangten Unterlagen waren vollständig, zeitgerecht und in der notwendigen Anzahl Exemplaren einzureichen. Varianten waren nicht erlaubt. 14
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Der Ablauf der Jurierung 17
Am 3. Dezember 2019 traf das Preisgericht zum ersten Mal für die Die Vorprüfer haben die Fakten aller Eingaben geprüft und nahmen Jurierung des Wettbewerbs «Ersatz Poschiavinobrücke Miralago» Stellung zur formellen und inhaltlichen Vorprüfung. Sie präsentierten zusammen. Nach einer freien Besichtigung der vorab nach Zufallsprin- den wertungsfreien Vorprüfungsbericht und gingen projektweise auf zip ausgestellten Wettbewerbsbeiträge und Modelle begrüsste Karl die technischen Details ein. Baumann die Mitglieder des Preisgerichts, die Ersatzjuroren und die Vorprüfer. Vier Wettbewerbsbeiträge schlagen Stahltragwerke vor; ein Wettbe- werbsbeitrag eine vorgespannte Stahlbetonbrücke. Die Baukosten Die Jurierung beginnend, riefen sich die Mitglieder des Preisgerichts wurden von den Projektverfassern von 0.98 Mio. CHF bis 2.28 Mio. CHF nochmals die ausformulierten Kriterien in Erinnerung. Das vordring- geschätzt. Für das Offertformular hatte man die Kosten im Vorfeld des lichste Ziel eines Wettbewerbs besteht darin ein überzeugendes Wettbewerbs auf 2.2 Mio. CHF geschätzt. Anlässlich der ersten Jurysit- Projekt zu finden. Doch in einem Wettbewerb geht es allgemein nicht zung wurde entschieden die Kostenschätzungen sowie die statischen nur darum, ein Siegerprojekt zu küren, sondern in einer Runde ver- Nachweise durch das Wettbewerbssekretariat genauer untersuchen zu schiedener Berufsgattungen über alle Projekte zu diskutieren – auch lassen. Weiter wurde entschieden, zu Beginn der Jurierung die Wirt- nachfolgende «Sieger» sollen eruiert und an das Nachrückerprinzip schaftlichkeit noch nicht stark zu gewichten, dieses Kriterium dann gedacht werden. aber im weiteren Verlauf genauer zu betrachten. Eingereichte Projekte (alphabetisch): Gemäss Nutzungsvereinbarung ist ein minimales Längsgefälle von 1.5 % einzuhalten. Diese Vorgabe ist bei den Beiträgen «LIVERA» und - «acciaio e pietra» «MIRA» eingehalten. Bei den Beiträgen «acciaio e pietra», «origine» - «LIVERA» und «Punt dal Meschin» ist das Längsgefälle nicht vollständig gelöst. - «MIRA» - «origine» Beim Projekt «Punt dal Meschin» ist die vorgegebene Kote der Unter- - «Punt dal Meschin» kante von 962.00 m ü. M. nicht über die gesamte Länge eingehalten. Das Protokoll wurde von Tino Tschenett, ewp AG Chur geschrieben. Ein nicht vollständig gelöstes Längsgefälle sowie das nicht ganz Befangenheiten lagen keine vor. eingehaltene Freibord wurden vom Preisgericht als nicht gravierend eingestuft. Das Preisgericht beschloss einstimmig alle fünf Beiträge zur Vorprüfung Jurierung zuzulassen. Die kritischen Punkte sollten jedoch in die Die wertungsfreie Vorprüfung der Wettbewerbsbeiträge erfolgte durch Beurteilung einfliessen. die ewp AG Chur. Der Vorprüfungsbericht mit einer kurzen, wertungs- freien Zusammenfassung der Projekte wurde im Vorfeld dem Preisge- richt zur Verfügung gestellt. 18
Formeller Beschluss über Ausschüsse - «origine» Stahltrogrücke mit konstanter Höhe 1.60 m Alle Wettbewerbsbeiträge wurden fristgerecht eingereicht. Es lag bei Spannweite 38.00 m keiner Eingabe eine wesentliche Abweichung von Programmbestim- Stahlgewicht 205 t mungen vor, auch kein allfälliger Verstoss gegen das Anonymitätsge- Betonvolumen 215 m3 bot und auch keine administrativen Ausschlussgründe. Kein Projekt Baukosten exkl. MwSt. 2.28 Mio. CHF wurde vom Wettbewerb ausgeschlossen. - «Punt dal Meschin» Spannbetonbrücke mit gevoutetem Erste Beurteilungsrunde – 1. Jurierungstag Überbau In der ersten Beurteilungsrunde wurden alle Wettbewerbsbeiträge von Spannweite 34.00 m der Jury vorerst eingehend analysiert, diskutiert und beurteilt. Betonvolumen 380 m3 Baukosten exkl. MwSt. 0.98 Mio. CHF Die wichtigsten Kenngrössen1) der Projekte sind: 1) gemäss Angaben der Projektverfasser, unbereinigt - «acciaio e pietra» Stahltrogrücke mit konstanter Höhe 1.96 m Spannweite 36.67 m In der ersten Beurteilungsrunde kristallisiert sich für das Preisgericht Stahlgewicht 78 t die Einschätzung heraus, dass obenliegende Tragwerke hier als nicht Betonvolumen 225 m3 ganz nachvollziehbare Lösungen eingestuft werden. Das Preisgericht Baukosten exkl. MwSt. 1.21 Mio. CHF hat sich entschieden, vorerst keine Projekte aus dem Wettbewerb ausscheiden zu lassen und die Diskussion in der zweiten Beurteilungs- - «LIVERA» Stahltrogrücke mit konstanter Höhe 1.50 m runde weiterzuführen. Spannweite 33.00 m Stahlgewicht 114 t Zweite Beurteilungsrunde – 1. Jurierungstag Betonvolumen 184 m3 In der zweiten Beurteilungsrunde wurden alle Beiträge nochmals Baukosten exkl. MwSt. 1.45 Mio. CHF diskutiert und beurteilt. Ein obenliegendes Tragwerk sieht das Preis- gericht als für die Situation nicht adäquat. Es erscheint nicht sinnig, - «MIRA» Stahlhohlkastenbrücke mit konstanter das Lichtraumprofil des Gewässers auf Kosten des «obenliegenden» Höhe 1.55 m Landschaftsraums freizustellen. Nach eingehender Diskussion ent- Spannweite 37.00 m schied sich das Preisgericht einstimmig, folgende Projekte aus dem Stahlgewicht 175 t Wettbewerb ausscheiden zu lassen: Betonvolumen 190 m3 Baukosten exkl. MwSt. 1.90 Mio. CHF - «acciaio e pietra» - «origine» 19
Es verblieben: Folgende drei Projekte gingen definitiv in die Schlussbeurteilung: - «LIVERA» - «LIVERA» - «MIRA» - «MIRA» - «Punt dal Meschin» - «Punt dal Meschin» Dritte Beurteilungsrunde – 2. Jurierungstag Schlussbeurteilung und Preiszuteilung Am 11. Dezember 2019 trat das Preisgericht zum zweiten Mal zusam- Nach weiteren vertieften Besprechungen der drei Projekte, kürt das men. Preisgericht das Projekt «MIRA» einstimmig zum Siegerprojekt. Es überzeugt sowohl in gestalterischer wie auch in technischer Hinsicht. Die auf diesen Tag abzuklärenden Informationen bezüglich der stati- Das Bauwerk nimmt die leicht S-förmigen Linienführung des Gleises schen Nachweise und Kostenschätzungen wurden vom Wettbewerbs- auf und fügt sich aus Sicht des Preisgerichts am besten in die Umge- sekretariat erläutert: bung ein. Es handelt sich um eine moderne Konstruktion und imple- Die statischen Nachweise wurden durch das Wettbewerbssekretariat mentiert den bautechnischen Fortschritt. auf Nachvollziehbarkeit und Plausibilität geprüft. Der Umfang der statischen Nachweise variierte teilweise stark. Die Nachvollziehbarkeit Das zweitplatzierte Projekt «LIVERA» beurteilt das Preisgericht als war nicht bei allen Projekten vollständig gegeben. Das Wettbewerbs- sorgfältig gestaltetes Bauwerk mit Bezug zur Historie. Im Projekt ist sekretariat hat jedoch keine gravierenden Mängel festgestellt. Die eine technische Weiterentwicklung sichtbar, aber die Einfügung in die Kostenschätzungen wurden ebenfalls auf Nachvollziehbarkeit, Plausi- Umgebung konnte aufgrund des geraden Überbaus (bei geschwunge- bilität und Vergleichbarkeit geprüft. Sowohl das Wettbewerbssekreta- ner Linienführung) nicht vollends überzeugen. riat wie auch die Vertreter der RhB sind der Meinung, dass die Kosten des kostengünstigsten Projekts zu tief geschätzt wurden. Die Baukos- Den dritten Rang wurde dem Projekt «Punt dal Meschin» vergeben. ten werden tatsächlich auf ca. 1.5 Mio. CHF geschätzt. Das Preisgericht würdigt das Projekt als sorgfältig gestaltete, schlanke und überzeugend schwungvoll in die Topografie eingebettete Brücke. Vor dem zweiten Jurierungstag wurden den Mitgliedern des Preisge- Das Preisgericht war allerdings der Ansicht, dass in dieser Umgebung richts alle digitalen Unteralgen der Wettbewerbsbeiträge zur Verfü- eine Stahlbrücke eine adäquatere Lösung für eine Bahnanlage ist. Aus gung gestellt. Rückkommensanträge wurden keine formuliert. Sicht aller Mitglieder des Preisgerichts war «Punt dal Meschin» für die Entscheidungsfindung und Diskussion ein äusserst wertvolles Projekt. Die im Wettbewerb verbleibenden drei Projekte wurden in der dritten Beurteilungsrunde nochmals diskutiert und beurteilt. «MIRA» und «Punt dal Meschin» vermochten das Preisgericht durch die Übernahme der S-förmigen Linienführung zu überzeugen. «LIVERA» als gerade Brücke überzeugt das Preisgericht mit ihrem Bezug zur Historie. 20
Das Preisgericht rangierte daraufhin die drei Projekte eindeutig. Die Ingenieurarbeiten für die Projektierung der Poschiavinobrücke Miralago werden somit an das Ingenieurbüro Bänziger Partner AG, 1. Rang «MIRA» Chur vergeben. 2. Rang «LIVERA» 3. Rang «Punt dal Meschin» Die weiteren Teilnehmer waren (alphabetisch nach Projektname geordnet): Das Preisgeld von 20'000 CHF (exkl. MwSt.) teilte das Preisgericht wie folgt zu: «acciaio e pietra» ACS-Partner AG, Zürich «MIRA» CHF 10'000.- «origine» Flückiger + Bosshard AG, Chur «LIVERA» CHF 7'000.- Architekturbüro Rolf Mühlethaler, Bern «Punt dal Meschin» CHF 3'000.- w+s Landschaftsarchitekten AG, Solothurn Alle Entscheidungen dieses Tages erfolgten einstimmig. Der Sieger wurde von der RhB telefonisch informiert, die anderen Teilnehmer per Post. Allen Beteiligten wird der Bericht des Preisge- Im Anschluss an die Beurteilung und die Prämierung der Arbeiten richts zugestellt sowie Ort und Zeit der Ausstellung mitgeteilt. öffnete das Preisgericht die Verfassercouverts und stellte die Namen der Verfasser aller eingereichten Projekte fest. Die prämierten Wettbewerbsbeiträge gehen in das Eigentum der Auftraggeberin über. Das Urheberrecht verbleibt bei den Teilnehmern. Die Preisträger sind: Das Plangenehmigungsprojekt wird bis September 2020 ausgearbeitet, und die Ausführung ist von Juli 2021 bis März 2022 vorgesehen. «MIRA» Bänziger Partner AG, Chur Ritter Schumacher AG, Chur Die Ausstellung sämtlicher Wettbewerbsbeiträge wird am 10. Februar 2020 um 18 Uhr in der Aula der Fachhochschule Graubünden eröffnet. «LIVERA» Chitvanni + Wille GmbH, Chur Sie wird bis am 21. Februar täglich von 8:00 bis 19:00 Uhr geöffnet sein. Gredig Walser Architekten AG, Bad Ragaz Kohler Landschaftsarchitektur GmbH, Bad Karl Baumann bedankt sich bei den Teilnehmern und schliesst die Ragaz Sitzung. «Punt dal Meschin» Conzett Bronzini Partner AG, Chur Cangemi Architekten, Chur Müller Illien Landschaftsarchitekten GmbH, Zürich 21
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Zusammenfassende Gedanken des Preisgerichts 23
Die Bahnlinien der RhB sind subtil in die vielfältige Kulturlandschaft Eine Bahnlinie erschliesst nicht nur, sie wird gleichwohl auch Teil der hineingelegt und mit der Zeit hineingewachsen. Sie bilden mit der Landschaft, stellt für die Passagiere die Aussicht in den Mittelpunkt besonderen Topographie eine Einheit und wirken als deren Akzentuie- und lässt die Fahrgäste durch die Landschaft gleiten. Auch diesen rung. Als UNESCO Welterbe stellen sie ein hervorragendes Beispiel eines Aspekt veranschaulicht das Kandidaturdossier: «Wie die frühen technischen Ensembles dar, das den Höhepunkt der Glanzzeit der Touristenplakate um 1880 zeigen, ging es anfänglich vor allem darum, Hochgebirgsbahnen illustriert. Die Gebirgsbahn der RhB in der Kultur- den Betrachtern mit Hilfe von Fahrplänen und anhand der Abbildung landschaft Bernina (und Albula) ist ein Meisterwerk kreativen Schaf- von Verkehrsmitteln in rauschender Fahrt zu beweisen, dass die fens, entstanden aus einem einzigartigen Zusammenspiel von ästhe- Erschliessung ihres Reiseziels sichergestellt sei. Als diese Erschliessung tischem Anspruch, ingenieurspezifischer Höchstleistung, technischer jedoch tatsächlich geleistet ist und die Albulabahn im Engadin ein- Innovation und perfektem Handwerk zu einem Gesamtkunstwerk. fährt, verschiebt sich die Gewichtung. Die Plakate wollen nun nicht mehr informieren, die Bahn als ein selbstverständlich gewordenes Die Berninastrecke aus dem Jahr 1910 von St. Moritz nach Tirano ist Objekt muss nicht länger visualisiert werden, vielmehr setzen die Bestandteil des UNESCO Weltkulturerbes RhB. Im Kandidaturdossier Illustratoren auf Atmosphäre und rücken Landschaft und Aussicht in wird beschrieben, dass «der Abschnitt beim Lago di Poschiavo anders den Mittelpunkt.» Das Gleiten durch die Landschaft gleichsam auf der als die Strecke in Passnähe nicht als spektakulär, sondern vielmehr als «idealen Linie» ist typisch für Bahnanlagen und wird auf der Bernina- malerisch wahrgenommen wird.» Verläuft die Bahn am Seeufer des linie - als Teil des UNESCO Welterbes – in besonderer Weise inszeniert. Lago di Poschiavo noch im Felsanschnitt, führt sie bei Miralago an den Dieses Gleiten wird durch zahlreiche Kunstbauten – wie Tunnels, Einrichtungen zum Aufstau des Sees vorbei und zwischen einer Häu- Bahndämme und -einschnitte, Tunnels und Brücken – ermöglicht. sergruppe durch. Danach zieht sie sich in fast ununterbrochenem 70 ‰-Gefälle vom Ausfluss des Lago di Poschiavo bis zum Talboden Mit dem Ersatz einer Brücke auf diesem Abschnitt in der Kernzone des des Veltlins. Die Überquerung des Flusses Poschiavino erfolgt schief- UNESCO Welterbes sollte deshalb und natürlich wiederum ein Bauwerk winklig mit einer Stahlfachwerkbrücke. Auch wird im Kandidaturdos- von aktuell hoher technischer und architektonischer Qualität mit einer sier erläutert, dass «schon zur Zeit des Bahnbaus die zu durchfahrende sehr guten Einbindung in die Landschaft entstehen. Landschaft als von aussergewöhnlicher, schutzwürdiger Qualität qualifiziert wurde. Die adäquate Einpassung der Bahninfrastruktur Die RhB baute – wenn immer angebracht und möglich – überzeugt mit wurde denn auch stark gewichtet, gleichzeitig war die Streckenfüh- neuen Technologien und den zu der Zeit der Ausführung umsetzbaren rung selbst – vor allem im Falle der Berninabahn – darauf angelegt, baulichen Möglichkeiten. Ausserdem ist ein wichtiges Merkmal der die Landschaft dem Reisenden möglichst in ihrer ganzen Grossartigkeit Beninalinie, dass die Kunstbauten konstruktiv auf das notwendige zu präsentieren und ihm so ein Landschaftserlebnis zu bieten. Die Minimum ausgelegt sind. Kleinere Stahlbrücke entsprechen im Aus- wichtigen Sichtbezüge in die umgebende Kulturlandschaft sind eine baustandard fast nur einer Hilfsbrücke. Die beiden grösseren, bereits Qualität des Objekts.» beim Bahnbau erstellten Poschiavonobrücken bei Miralago und in Tirano wurden baugleich und in einem höheren Standard ausgebildet. Jene in Tirano wurde 2007 durch eine Stahlbrücke aus Vollwandträgern 24
ersetzt. Die Widerlager konnten in der Grundsubstanz erhalten bleiben wicklung, die sich grundlegend von den ursprünglichen Prinzipien und mussten lediglich auf die neue Geometrie angepasst werden. Dem beim Bahnbau unterscheidet, widerspiegeln darf. Preisgericht war es daher nach eingehenden Diskussionen und Ausei- nandersetzung mit dem Spektrum an eingegangenen Lösungsvor- Alle eingereichten Projekte sind sorgfältig ausgearbeitet und teilweise schlägen wichtig, dass sich dieser Ansatz im Siegerprojekt widerspie- sehr ausführlich beschrieben. Basierend auf den gegebenen Rahmen- geln würde – ohne dass der Neubau dabei zu einer Antithese zur bedingungen haben die Planerteams unterschiedliche Überquerun- bestehenden Brücke oder gar zur Berninalinie mit ihren Kunstbauten gen entworfen – ein Beweis, dass Wettbewerbe eine wertvolle und aus vor allem Stahl- und Natursteinbrücken werden würde. Im Sieger- qualitätsvolle Bandbreite an Lösungen aufzeigen können. Keine projekt sollte das zeitgenössische Verständnis einer bautechnischen ikonischen Landmarken – das wäre von der RhB auch nicht gewünscht und sensiblen Weiterentwicklung sichtbar sein, gezeigt in techni- gewesen –, mit typologisch dennoch ganz eigen ausgeprägten Kon- schen, statischen, gestalterischen und konstruktiven Ausführungen. struktionen, mit charakteristischer und dennoch zurückhaltender Genauso veranschaulicht aber auch im Umgang bzw. in der Auseinan- Formgebung. Das Preisgericht schätzt die Bemühungen der Teilneh- dersetzung mit geographischen und geologischen Bedingungen, menden und begrüsst vor allem auch die Auseinandersetzung mit den welche sich in der vorgegebenen Linienführung resp. dem Trassee Projekten nicht nur auf der vorauszusetzenden technischen, sondern zeigen. Die neue Brücke sollte kein historisierendes Teilstück der auch auf der wichtigen gestalterischen Ebene. Die Teilnehmenden Strecke sein, sondern den technischen Fortschritt in qualitätsvoller stellten die Technologie und Systematik der Bahn ins Zentrum, blickten und zurückhaltender Weise dokumentieren. aber auch von aussen auf das neue Bauwerk und berücksichtigen die bestehende Strassenbrücke als Teil des Kontextes. Entsprechend lobt Moderne Brücken können sich mit ihrer Lage und Formgebung gegen- und würdigt das Preisgericht dieses ausnahmslose Engagement bei wärtig von der detaillierten Topografie lösen. Sie können sich als allen Teilnehmern – hoffend übrigens, dass die historische Strassen- Teilstück eines ganzen Trassees schwungvoll und selbstverständlich in brücke künftig weiterhin einspurig befahrbar bleiben wird, da Strasse die Landschaft einbetten. Womit auch die Linienführung als formbe- und Bahn in diesem Abschnitt seit jeher ein enges Geflecht bilden, das stimmendes Kriterium und bautechnische Rahmenbedingung an es in dieser Form zu erhalten würdig wäre. Trotz der überschaubaren Bedeutung gewonnen hat. Damit kann die Brückenkonstruktion Anzahl an Eingaben hat sich mit den fünf Projekten also eine ein- innerhalb eines gewissen Rahmens direkt auf die Trasseeführung drückliche Vielfalt ergeben, die es innerhalb des Preisgerichts intensiv reagieren (wie es in grösserem Massstab auch bei Viadukten in Erschei- zu diskutieren, verstehen, vergleichen und beurteilen galt. nung tritt). Eine solche Lösung befindet sich somit in gewisser Weise innerhalb der baukulturellen Bautradition und Historie der RhB, was zur eingehend durch das Preisgericht diskutierten Frage führte, ob sich das Bauwerk dem leichten Schwung der Linienführung anpassen oder doch eher gerade gebaut werden solle. Das Preisgericht ist der Mei- nung, dass der gegenwärtig mögliche Ansatz einer S-förmig geschwungenen Trassierung sich im Brückenkonzept als Weiterent- 25
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Das Siegerprojekt 27
1. Rang «MIRA» Projektverfasser Bänziger Partner AG, Chur; Ritter Schumacher AG, Chur Beurteilung des Preisgerichts Projektbeschrieb welcher der S-förmigen horizontalen Linienführung folgt und somit im Die beim Projekt «MIRA» vorgeschlagene Brücke besteht aus einem Grundriss gekrümmt ist. Die 40 mm dicken Stege des Hohlkastenträ- unter der Bahnlinie angeordneten Stahltragwerk mit einer Spannwei- gers sind schräg angeordnet, womit ein trapezförmiger Querschnitt te von 37 m. Die Widerlager und angrenzenden Flügelmauern in mit einer Breite auf der Oberseite von 5.40 m und auf der Unterseite Massivbau sind mit Natursteinen verkleidet. Die Kronen der Flügel- von 2.80 m resultiert. Die Oberflansche sind 1.10 m breit, weisen eine mauern sind zudem mit Granitplatten abgedeckt. Der Überbau ist als Dicke von 70 mm auf und werden gleichzeitig als Dienstwege genutzt. Stahlhohlkastenträger mit konstanter Höhe von 1.55 m ausgebildet, 28
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Der Stahlhohlkastenträger ist in regelmässigen Abständen mittels verschweisst, so dass auf einen Korrosionsschutz auf der Innenseite Querschotten mit variabler Höhe ausgesteift. Die auf die Querschotten des Hohlkastenträgers verzichtet werden kann. Auf der Aussenseite ist aufgelegte Fahrbahnplatte wird von einem 40 mm dicken Blech der Stahlhohlkastenträger mit einem Korrosionsschutzanstrich verse- gebildet. Unten ist der Hohlkasten mittels eines 40 mm dicken Blechs hen. abgeschlossen. Die Entwässerung in Längsrichtung erfolgt über das Dachgefälle von 1.5 %. Die Tropfnase an den Aussenseiten der Ober- Der Überbau ist über vier Topflager gehalten, wobei in Brückenlängs- flansche weist die gleiche Höhe wie die Granitabdeckplatten der richtung auf der Seite Miralago zwei feste Lager den horizontalen Flügelmauern auf, wobei dadurch in der Ansicht ein durchgehendes Fixpunkt bilden. Auf der Seite Brusio sind zwei in Längsrichtung Band entsteht. Als Absturzsicherung schlägt der Projektverfasser nach verschiebliche Lager vorgesehen. Innen geneigte Geländer vor. Der Stahlhohlkastenträger ist luftdicht 30
Die Widerlager bestehen aus Stahlbeton und sind jeweils über zwei unter der beidseitig auskragenden Fahrbahn versteckt. Das Projekt Schächte mit einem Durchmesser von 3.5 m fundiert. Die Widerlager- überzeugt in gestalterischer und in technischer Hinsicht. Einzig die wände und Flügelmauern sind vertikal ausgebildet und in Anlehnung Geländer mit der äusseren Neigung nach Innen vermögen nicht zu an den Bestand vollflächig mit Natursteinen verkleidet. Der Überbau überzeugen, da sie wenig selbstverständlich und im Kontext der Bahn wird ohne sichtbaren Endquerträger auf die Widerlagerkonstruktionen «übermotiviert» wirken. Letztlich entsteht aber ein spannender abgesetzt. Die Entwässerung des Überbaus wird sichergestellt indem Kontrast zur bestehenden, in unmittelbarer Nachbarschaft stehenden der Trog mit einer zum Widerlager überstehenden Schürze ausgebildet Bogenbrücke und eine bemerkenswerte relative Filigranität des neuen wird. Es sind keine Fahrbahnübergänge notwendig. Brückenträgers im Vergleich zur Massivität der Bogenbrücke. Der Brückenneubau erfolgt unter Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs Die Brücke folgt dynamisch der leichten Biegung des Trassees. Dabei vorwiegend in Tagarbeit. Der Projektverfasser sieht vor, die 175 t bedingen sich Doppelkrümmung und Brückenquerschnitt statisch – schwere Stahlkonstruktion des Überbaus in vier Teile im Werk vorzu- der Hohlkasten nimmt die im Träger resultierende Torsionsbeanspru- fertigen, per Sondertransport anzuliefern und vor Ort mittels Baustel- chung auf. Das statische System ist effizient. Ebenso aber lebt das lenschweissungen in lokalen Einhausungen zusammenzusetzen. Der Projekt von der äusserlich kaum sichtbaren Krümmung des Stahlträ- Überbau wird anschliessend mittels Verschub resp. Montagegerüst auf gers. Sie verweist auf den heutigen Stand der Bautechnik. Dank ihr die vorgängig erstellten Widerlagerkonstruktionen verschoben. Der kann die Brücke fliessend die S-Kurve der Linienführung übernehmen, Gleisbau, die Demontage der bestehenden Brücke und der Rückbau womit sie sich selbstverständlich in die Umgebung einbettet. Dies der bestehenden Widerlager erfolgen in der geplanten sechswöchigen verdeutlicht den bautechnischen Fortschritt: Historische Brücken über Totalsperre. ein Tal, ein Gewässer oder eine Verwerfung waren als Gerade und mit möglichst kleinen Spannweiten konzipiert. Die Einbettung und Lage Die Baukosten exkl. MwSt. werden vom Projektverfasser auf 1.90 Mio. eines Trassees im Gebirge sind geometrisch und ingenieurtechnisch CHF geschätzt. anspruchsvoll, wozu Brücken als dienende Elemente unverzichtbar waren. Würdigung «MIRA» präsentiert sich als modern ausformulierte und funktionale Das Projekt unterordnet sich der Linienführung der Bahn und unter- Brücke mit einer gestalterisch sehr zurückhaltenden Erscheinung. Alle stützt damit auch die Bedeutung des optimalen Betriebs und Fahr- Bauteile der Brückenkonstruktion mit unten liegendem Tragwerk, der komforts. Es integriert sich in selbstverständlicher Weise in den Fahrbahn und den Widerlagern folgen einem einheitlichen Konzept Gesamtkontext der eisenbahnhistorisch bedeutenden Bahnanlage. und sind aufeinander abgestimmt gestaltet. Ein durchgehendes Band Das bei Eisenbahnen seit jeher verfolgte Konzept, neue Anlagen in das mit Granitplatten zeichnet zusammen mit dem gleich hohen Stahl- System und die Umgebung zu integrieren, jedoch jeweils wieder nach winkel an der Oberkante der Fahrbahn eine feine und durchgehende den aktuellen bautechnischen und betrieblichen Erkenntnissen zu horizontale Linie. Das Brückenbauwerk erscheint zudem optisch bauen, gleichsam «state oft the art», wird mit «MIRA» auf zeitgenössi- leicht, da sich der als Hohlkasten ausgebildete Träger im Schatten sche Weise weitergeführt. 31
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Die zwei folgend rangierten Projekte 33
2. Rang «LIVERA» Projektverfasser Chitvanni + Wille GmbH, Chur; Gredig Walser Architekten AG, Bad Ragaz; Kohler Landschaftsarchitektur GmbH, Bad Ragaz Beurteilung des Preisgerichts Projektbeschrieb 1.80 m angeordnet. Die oberen Flansche werden als Dienstwege «LIVERA» besteht aus einer Stahltrogbrücke mit einer Spannweite von genutzt. Sie ragen aus statischen Gründen (klar definierte Anprallkan- ca. 33 m. Der Stahltrog hat eine Höhe von 1.50 m, was einer Schlankheit te) in den Schottertrog. Die Flanschoberfläche wird mit einer rutsch- von 1/22 entspricht. Im Grundriss ist die Brücke gerade. festen Dickbeschichtung versehen. Die Oberflansche sind leicht gegen den Schottertrog geneigt, so dass kein Regen- oder Schmelzwasser In der Ansicht segmentieren die als Steifen bezeichneten vertikalen stehen bleibt. Die unteren Flansche werden durch die weiter aussen- Bleche das Stegblech. Die Geländerpfosten sind im selben Abstand von liegenden oberen Flansche grösstenteils vor der Witterung geschützt. 34
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Die Vorgabe einer glatten Brückenuntersicht wird mit einem einge- Die in Massivbauweise erstellten Widerlager und die daran anschlies- schweissten Blech zwischen den unteren Flanschen erfüllt. Der Schott- senden Flügelmauern werden mit Natursteinen verkleidet. Die Lager- ertrogboden wird mit einem grösseren Längsgefälle von 1.63 % als die bank wird im Grundriss von den Flügelmauer durch den vertikalen Gleisebene mit 1.05 % projektiert. Dadurch variieren die Schotter- Abschluss und durch die nach Innen versetzte Flucht klar abgesetzt. trogstärke und die Höhe der Querrippen. Die Entwässerung des Schott- Durch den monolithischen Bau der Widerlager mit den Flügelmauern ertrogs erfolgt über eine Sickerleitung, die in einen seitlich platzierten wird ein massiver Endkörper geschaffen, der Reserven für die Ablei- Schlammsammler entwässert und von dort in den Vorfluter eingeleitet tung der Horizontalkräfte beinhaltet. Die Flügelmauern werden wird. analog den auf der Bahnstrecke vorhandenen Trockensteinmauern mit Anzug ausgebildet. 36
Die neuen Widerlager werden hinter den bestehenden Ufermauern notwendige Mass). Allerdings wirkt die Annäherung der Brücke an ein erstellt. Dafür ist ein lokaler Abbruch der Ufermauern mit einem traditionelles Bild etwas zu gewollt und zu «angestrengt». entsprechenden Wiederaufbau nach der Erstellung der Fundation vorgesehen. Für die Brückenunterbauten sind rückverankerte Baugru- Die Gesamterscheinung der Brücke wirkt mit unterschiedlichen bensicherungen notwendig. Neigungen und vielen, rhythmisierenden Elementen formal etwas unruhig. Auch die Aussenrippen können nicht vollständig überzeugen, Der Brückenüberbau wird auf Seite Brusio fest gelagert und auf der zu kräftig erscheinen sie in der Ansicht mit ihrer tiefen Kassettenbil- gegenüberliegenden Seite mit zwei in Längsrichtung verschieblichen dung. Ausserdem erscheinen die einzelnen Brückenelemente wie Lagern ausgestattet. Als Lager sind Stahlkonstruktionen vorgesehen. Widerlager, Träger, Fahrbahnplatte, Geländer als einzelne, aufgeteilte Das Gewicht der Brücke beträgt ca. 114 t. Unter Berücksichtigung Bauteile. Das gestalterische Gesamtkonzept, das dem Prinzip der verschiedener Aspekte (Gewicht, Abmessungen, Statik) resultieren Addition von einzelnen Haupttragelementen zu einem zusammen- sechs Bauteile für den Brückenüberbau, die im Werk komplett vorge- hängenden Ganzen zugrunde zu liegen scheint, wirkt unzureichend fertigt werden können. Diese Teile mit einem Gewicht von ca. 19 t aufeinander abgestimmt und zu wenig ausgereift. Selbst die Widerla- können auf die Baustelle transportiert und mit einem Mobilkran auf ger mit der abgestuften Auflagerbank scheinen zu eigenständig und Lehrgerüste eingehoben werden. Dort werden sie dann zusammenge- letztlich wenig als Teil eines einheitlichen Gestaltungskonzepts. schweisst. Für die beiden Lehrgerüste müssen zwei provisorische Fundamente im Hochwasserbereich des Flussbettes erstellt werden. Es fällt im Modell kaum auf, dass die Brücke innerhalb der geschwun- Zur Ausführung der Stahlbauarbeiten ist ein Gerüst unter den neuen genen Trasseeführung als gerade Konstruktion definiert ist. Die über Brückenbauteilen notwendig, wofür gemäss der Analyse des Projekt- die eigentliche Brücke – über die Widerlager hinaus – führenden verfassers genügend Höhe vorhanden ist. Geländer folgen der Biegung des Trassees und ergeben so eine Annä- herung der polygonalen Linie an die S-Form des Trassees. Gut sichtbar Die Baukosten exkl. MwSt. werden vom Projektverfasser auf 1.56 Mio. ist jedoch die geschwungene Gleisführung auf dem geraden Strecken- CHF geschätzt. Die Bauzeit wird mit 7.5 Monaten angegeben. abschnitt der Brücke und hinterlässt auf der schmalen Brücke – die schmalste der im Wettbewerb eingegebenen geraden Brücken – eine Würdigung gestalterisch, fahrspezifisch und optisch irritierende Unstimmigkeit. «LIVERA» ist ein gestalterisch und konstruktiv schlüssiges Bauwerk. Das durchdachte Gesamtkonzept beeindruckt und die historisierend wirkende Ausformulierung des Stahlbaus verleiht dem Neubau eine gewisse Selbstverständlichkeit. Das ausführlich beschriebene und sorgfältig ausgeführte Projekt weist einen bautechnisch überzeugen- den Stahlbauquerschnitt auf. Die unterschiedliche obere und untere Breite ist sinnvoll und konsequent auf die gegebenen Rahmenbedin- gungen abgestimmt (oben für Lichtraumprofil, unten auf das statisch 37
3. Rang «Punt dal Meschin» Projektverfasser Conzett Bronzini Partner AG, Chur; Cangemi Architekten, Chur; Müller Illien Landschaftsarchitekten GmbH, Zürich Beurteilung des Preisgerichts Projektbeschrieb Der zu den Widerlagern hin stark gevoutete Brückenträger weist in «Punt dal Meschin» besteht aus einem auf Bohrpfählen fundierten Flussmitte eine Höhe von 0.80 m und bei den Widerlagern 1.90 m auf. Stahlbetonrahmen mit Randfeldern als Gegengewichte. Sie weist eine Seine Unterkante ragt in einem kurzen Abschnitt im Bereich der Gesamtlänge von 71.0 m auf. Die Spannweite über dem Poschiavino Ufermauern leicht ins Hochwasserprofil ein. Der in Längsrichtung beträgt 34.0 m. Die Länge der Randfelder beträgt 18.5 m und wurde so teilweise vorgespannte Brückenträger besteht in der Hauptspannwei- gewählt, dass an den Brückenenden keine abhebenden Kräfte entste- te aus einer 5.30 m breiten und 0.30 m dicken Fahrbahnplatte sowie hen. Die Brücke folgt in der Situation der S-förmigen Bahnlinie. einer 2.0 m breiten zentralen Rippe. In den Randfeldern ist er auf der 38
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Unterseite mit einer zusätzlichen 3.0 m breiten und 0.40 m dicken Randfelder auf dem glatt abgezogenen Magerbeton und zwei aufei- Platte abgeschlossen. Die Höhe des Brückenträgers in den Randfeldern nander verlegten Kunststoffbahnen gelagert. Die integral ausgebilde- ist variabel. Das 3.20 m breite Schotterbett wird beidseitig mittels te Brücke weist keine Lager und Fahrbahnübergänge auf. Die Entwäs- 0.50 m hohen Brüstungen gehalten. Die Fahrbahnplatte ist beidseitig serung erfolgt in Längsrichtung zum Widerlager auf der Seite Brusio. mittels Geländer abgeschlossen. Dort wird das Wasser gefasst, in einen Schlammsammler gereinigt und zum Vorfluter geleitet. Die Widerlager sind jeweils auf sieben Bohrpfählen mit einem Durch- messer von 508 mm fundiert. Sie tragend die Lasten in den tieferen, Die Brücke wird neben dem bestehenden Bahntrassee weitgehend tragfähigen Baugrund ab. Die Randfelder bzw. die Gegengewichte ohne Behinderung des Bahnbetriebs gebaut. Nachdem die Bohrpfähle sind flach fundiert. Um die Reibung zu minimieren, werden die erstellt sind, wird der Brückenträger in der Hauptspannweite mittels 40
eines an obenliegenden Gerüstträgern aufgehängten Lehrgerüsts Im Modell wird die Problematik anderweitig sichtbar: Die Brücke löst gebaut. Dadurch sind während des Bauzustands keine Abstützungen sich ingenieurtechnisch zwar gekonnt von der Topografie und fügt sich im Flussbett notwendig. Nach Erhärten des Betons wird der Brücken- geschmeidig und elegant in die Umgebung ein. Aber das Freie und träger vorgespannt. Anschliessend werden die Randfelder erstellt, Grosszügige, wie es die Verfasser in den Plänen aufgreifen, und das wobei die Vorspannkabel in den Arbeitsfugen gekoppelt werden. Die Erlebnis, das sie beschreiben, kommt im Modell nicht zur Geltung. unterwasserseitige Konsolplatte Richtung Brusio befindet sich auf Ausserdem erscheinen die Übergänge von Stahlbeton zu Ufermauern einer Länge von ca. 5.0 m im bestehenden Bahntrassee und wird im fraglich; es entstehen ungeklärte Zwischenräume. Die vertikalen Rahmen der sechswöchigen Totalsperre fertig erstellt. Die Umlegung Verformungen am Ende der Konsolen könnten zudem problematisch des Bahntrassees, der Abbruch der bestehenden Brücke inklusive sein. seiner Widerlager sowie die Umgebungsarbeiten erfolgen ebenfalls in der sechswöchigen Totalsperre. Dieses Projekt wirft grundsätzliche, typologische Fragen auf, ob auf der Berninalinie eine Stahlbetonbrücke gebaut werden soll oder nicht. Die Der Projektverfasser schätzt die Baukosten exkl. MwSt. auf 0.98 Mio. Brücke mit ihren technischen und gestalterischen Qualitäten befindet CHF. sich mit der Materialisierung ausserhalb der Systematik im Strecken- abschnitt – und der grundsätzlich schlicht und minimalisiert gebauten Würdigung Berninalinie. Der Vorschlag hat durchaus seinen Reiz, indem das neue «Punt dal Meschin» ist eine sorgfältig gestaltete, schlanke und über- Bauwerk punktuell als moderne Ergänzung, ja fast als punktuelles zeugend schwungvoll in die Topografie eingebettete Brücke. Das Kunstwerk und Antithese zur bestehenden Brücke gelesen werden Projekt folgt elegant der Doppelkrümmung der vorgegebenen Linien- kann. Diesen konzeptionellen Ansatz in Form einer leichten Stahlbe- führung. Die Spannbetonbrücke mit einem 2.0 m breiten Querschnitt tonbrücke erachtet das Preisgericht aber nach ausführlicher Diskussion überzeugt bautechnisch, auch wenn – oder gerade weil – das Trag- als fremd, aber für die Diskussion als wertvoll. In der Streckenbetrach- werk für eine Eisenbahnbrücke optisch überraschend schmal ist. Die tung erscheint der Ansatz als keine nachvollziehbare Lösung. Stahlbe- leichtfüssig wirkende Formensprache erinnert an eine Fussgängerbrü- ton scheint hier die unzutreffende Materialität. cke. Darin erkennt das Preisgericht allerdings ein Problem der Ange- messenheit: Das Brückentragwerk ist architektonisch schlank und Hingegen lobt das Preisgericht den formalen Ansatz der doppeltge- dynamisch, dennoch erscheint das Projekt im Kontext der Bernina- krümmten Brücke, der materialspezifisch adäquat umgesetzt ist. Diese bahn etwas fremdartig. Für die RhB ein solch filigranes Bauwerk zu Ausführungsform wurde allgemein eingehend diskutiert, analysiert bauen, erscheint aus der Geschichte der Bahn heraus weniger schlüs- und bewertet. «Punt dal Meschin» war für diese Auseinandersetzung sig. Das Projekt, dessen geschätzte Baukosten als eher zu tief empfun- «Krümmung versus Gerade» und letztlich auch für die Entscheidungs- den werden, wirkt im Kontext gleichsam als «zu edel». findung im Wettbewerb ein äusserst wertvolles, relevantes und geradezu notwendiges Projekt. 41
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