EUROPA UND NORDAMERIKA - Klimareport 2014 ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
15 Lettland Russische Föderation Großbritannien Polen Tschechische Republik Frankreich Ungarn Kroatien Bulgarien Italien Spanien Vereinigte Georgien Serbien Staaten von Armenien Amerika Kosovo Griechenland Aserbaidschan Mazedonien E U R O PA U N D N ORDAMERIKA
16 EUROPÄISCHE UNION Eva Majewski bezüglich der Festsetzung der Ziele: Wie viele seien notwendig, welche Prioritäten müssen bestehen? Eine Die europäische Klimapolitik hat in den vergangenen häufig aus Beobachterkreisen vorgebrachte Argumen- Jahren immens an Bedeutung gewonnen. Zahlreiche tation: Wenn der Klimaschutz oberstes Ziel sei, ist Regulierungsaktivitäten werden dabei vor allem mit es dann sinnvoll, genaue Ziele für den (wirtschaftli- den besorgniserregenden Erkenntnissen der Klima- chen) Ausbau erneuerbarer Energien festzulegen? Wo forschung begründet. Hierbei bilden vor allem die können zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der Umweltschäden als Folge der Erderwärmung eine zen- EU mitunter unbeabsichtigte und gegenläufige Effekte trale Rolle. Es werden weiterhin genannt: Erwärmung entstehen? der Ozeane, Schmelzen der Eisschilder in Grönland und in der Antarktis, Abnahme der Ausdehnung des Die Ukraine-Krise stellt einmal mehr die Notwendig- arktisches Meereises und der Schneebedeckung in keit einer verminderten Energieabhängigkeit der EU der Nordhemisphäre. Die Ozeane würden versauern. und ihrer Nachbarn heraus; die Staats- und Regie- Dies ist Anlass für die Europäische Union, sich mit der rungschefs erteilen zunehmend klare und genaue Zukunft des Klimas zu befassen. Klima- und energie- Arbeitsaufträge an die Kommission. Das Thema politische Rahmenbedingungen für 2030 werden ent- nimmt eine immer wichtigere Position auf der Agenda scheidend sein, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas des Europäischen Rates an; ein Energiebinnenmarkt zu bewahren und weiterzuentwickeln. Bedeutend dafür müsse geschaffen werden. Ein Bericht des Brüsseler ist es, Europa aus der Business-as-usual-Haltung her- Thinktanks, European Policy Centre unterstreicht diese auszuführen und die gegenwärtige Abhängigkeit von Notwendigkeit. Hier wird jedoch Energieeffizienz als importierten fossilen Brennstoffen zu mindern. Parallel bedeutendes Ziel für alle Mitgliedstaaten betont. Die dazu muss Europa emissionsärmer zu wirtschaften entstehenden Kosten sollen dabei aus langfristiger lernen. Dieses wird für viele Branchen und Regionen und damit vorteilsbringender Perspektive betrachtet erhebliche Veränderungen mit sich bringen. werden. Gesundheit der Bürger und Erderwärmung werden als Hauptargumente genannt. Die Schaffung Laut einer Übersicht im Handlungsrahmen für die des Energiebinnenmarktes scheitert jedoch bislang zukünftige Energie- und Klimapolitik Europas sollen vor allem an den nicht existenten Stromnetzen, CO2-Emissionen nicht nur um 20 Prozent, sondern deren Ausbau zu langsam – und seltenst grenzüber- um 40 Prozent reduziert werden. Diese Zielsetzung schreitend – stattfindet. Viele Mitgliedstaaten der EU hat Befürworter, nach deren Einschätzung in der beziehen nur zehn Prozent ihrer Energie von benach- Vergangenheit mit zu wenig Motivation der Mitglieds- barten Energieproduzenten. länder der Europäischen Union auf die Erreichung hingearbeitet wurde. Dieses Ziel soll zukünftig für alle Sicherheit ist ein weiterer Punkt nicht nur der Energie- EU-Mitgliedstaaten bindend sein, wenn es nach der versorgung, sondern auch der Energiegewinnung. Am Europäischen Kommission geht. Für die Energie- und Beispiel der Schiefergasförderung wird dies deutlich. Klimapolitik 2030 wurden bislang keine bindenden Während einige Mitgliedsländer der EU wie Polen diese Regularien verabschiedet. Doch sollte es langfristig nutzen wollen, um die angestrebten Klimaziele zu eine klare gemeinsame Vision sowie abgesicherte erreichen, betrachten andere Mitgliedstaaten die För- Handlungsmaßnahmen geben. Darüber hinaus ist derung von Schiefergas als zu riskant und die poten- es für die Verminderung der Treibhausgasemissi- ziellen Umweltschäden als zu hoch. Nachgedacht wird onen nötig, den Anteil an erneuerbaren Energien am über die möglichen Lösungen intensiv: so bekennt der Gesamtverbrauch europaweit zu steigern. Hier wird polnische Europaabgeordnete Jerzy Buzek beispiels- eine Steigerung von 2020 bis 2030 um 27 Prozent weise, dass die Gewinnung von Schiefergas auf der vorgegeben. Dieses Vorhaben soll ebenso für die einen Seite als Mehrwert zum Energie-Mix gesehen gesamte EU gelten, doch nationale Vorgaben werden werden müsse, auf der anderen Seite sei dies aber dafür nicht gemacht werden. keine langfristige Lösung. Strittig sind die ‚Wege zum Ziel‛ zwischen der Euro- Das Werben für die Notwendigkeit der gemeinsamen päischen Kommission, dem Europäischen Parlament Ziele darf unterdes nicht als beendet erklärt werden. und den Staats- und Regierungschefs der EU-28. Volkswirtschaften, die noch stark von Kohle abhängig Während zwar Konsens besteht, dass Ziele notwendig sind – neben Polen vor allem Bulgarien und Rumä- seien, so liegen die einzelnen Parteien in Zwietracht nien –, sträuben sich gegen jegliche klimapolitische
17 sich in wenigen Punkten zusammenfassen: Effizienz- steigerungen in bestehenden Verfahren, Wechsel von Brennstoffen, als auch der Einsatz so genannter Emis- sionssenken und die Veränderung eigener Produkti- onsverfahren. Zwischenzeitlich gibt es in der EU zwar verbindliche Vorgaben, etwa Effizienzstandards für Produkte, die Der Windpark Schneebergerhof in Rheinland-Pfalz ist bereits zu erfüllen sind. Doch verbleiben manche marktba- seit 1996 am Netz. Seitdem wurde auch Fotovoltaikkapazität sierte Instrumente nach wie vor verfügbar. Neben mit Dünnschichtsolarzellen ergänzt. dem bereits genannten Emissionshandel trifft dies so auf Förderansätze für benötigte Innovationen zu. Zu beobachten bleibt, dass multinationale, natio- Veränderungen und wünschen eine größere und nale und lokale Anforderungen zunehmen und sehr gerechtere Lastenverteilung. unterschiedlich innerhalb der EU ausgeprägt sind. Der Regulationsmechanismus als solcher verändert sich Das EU-Parlament fordert derweil eine sichere Ver- beständig. sorgung, bei gleichzeitiger Identifizierung der tat- sächlichen Nachfrage und möglicher Stimulierung aus entfernter Produktion und Nachfrage. Beim Klimagipfel LITERATUR sahen die Teilnehmer die Stellung Europas im globalen Wettbewerb um Energieressourcen als künftige Kern- QQ Annika Ahtonen, The 2030 framework on climate aufgabe. Erneut wurde über den Energiebinnenmarkt and energy – Getting Europe on the right track?, diskutiert, dieser könne die Effizienz steigern. Wegen http://epc.eu/pub_details.php?cat_id=4&pub_ des steigenden Bedarfs müssten sich die EU-Staaten id=4117 [28.07.2014]. besonders für mehr Energieeffizienz einsetzen, so QQ Mike Scott, Cami Geert: „Europe’s energy o utlook: der EU-Kommissar für Energie, Günther Oettinger. Heading in the right direction?‟, http://bit.ly/1pAk Darüber hinaus betont dieser die Bedeutung einer Fo3 [28.07.2014]. übergreifenden Versorgungssicherheit. QQ Christian Egenhofer, Lorna Schrefler, Fabio Genoese, Julian Wieczorkiewicz, Lorenzo Colantoni, Wijnand Weiter scheitert der Energiebinnenmarkt durch Hin- Stoefs und Jacopo Timini, Composition and Drivers dernisse beim Emissionshandel. Damit zukünftig ein of Energy Prices and Costs in Energy-Intensive nachhaltiges funktionierendes System auf suprana- Industries: The Case of the Ceramics Industry – tionaler Ebene im Bereich Energie generiert werden Bricks and Roof Tiles, 30.01.2014, http://ceps.be/ kann, bedarf es nach der Auffassung vieler Stake- book/composition-and-drivers-energy-prices-and- holder der Reform des EU-ETS. Es müsse reformiert costs-energy-intensive-industries-case-ceramics- und weiter implementiert werden. Denn dieses indus [28.07.2014]. steigere nicht nur die Effizienz des Marktes für ener- QQ IPCC, 2014: „Der Fünfte IPCC-Sachstandsbericht‟, gieintensive Unternehmen sowie die Transparenz und http://de-ipcc.de/de/200.php [28.07.2014]. Informationsdichte, sondern trage auch die monetären QQ WWF Deutschland und Carbon Disclosure Project Ressourcen für weitere Klimainitiativen bei. (CDP), 02 / 2014: Grundlagen für ein einheitliches Emissions- und Klimastrategieberichtswesen, In einer weiteren Studie zur Energiepreisentwicklung http://klimareporting.de/wp-content/uploads/ wurden Energiepreis-Niveaus (Auswirkungen auf 2014/02/Klimareporting_Vom_Emissionsbericht_ Produktionskosten der Industrie) und Energieeffizienz zur_Klimastrategie_2014_02_20.pdf [28.07.2014]. gegenübergestellt. Treibhausgasemissionen sollten möglichst umfassend verringert werden. Aufgrund einer engen Verflechtung weltweiter Wertschöpfungs- ketten wirkten sich die steigenden Emissionen auch auf Bereiche aus, deren direkte Treibhausgasemis- sionen sehr gering seien. Daher solle verstärkt ein Augenmerk auch auf indirekte Emissionen gelegt werden. Ferner ist der Flugverkehr ein wichtiges Thema innerhalb der EU. Die unternehmerischen Möglichkeiten zur Reduzierung der Emissionen lassen
18 BULGARIEN Ruslan Stefanov | Marco Arndt verabschiedet.1 Er sieht vor, dass Bulgarien die verbindlichen EU-Klimaziele durch aktive Maßnahmen D E R K L I M AWA N D E L W I R D I N D E R B U L G A R I - im Wert von über fünf Milliarden Euro im Zeitraum von S C H E N Ö F F E N T L I C H K E I T K A U M D I S K U T I E RT 2013 bis 2020 erreicht. Der Plan wurde mit norwe- gischer Unterstützung erarbeitet und beinhaltet eine Der Klimawandel und seine Folgen werden in Bul- detaillierte Analyse der Situation in Bulgarien sowie garien nur sehr eingeschränkt wahrgenommen und Maßnahmen zur Erreichung der Klimawandelziele. Er rezipiert. Die Diskussionen finden meistens in kleinen basiert allerdings nicht auf einer umfassenden Mach- Zirkeln statt. Die Medien berichten wenig und selten barkeitsstudie und einer Evaluation von bereits getrof- über das Thema. Detaillierte Aufsätze erscheinen nur fenen Maßnahmen, aus denen die im Plan vorgeschla- in spezialisierten Fachmedien. In der Politik hat keine genen Maßnahmen abgeleitet wurden. So besteht ernsthafte Debatte stattgefunden, weder über die das Risiko, dass die geplanten Maßnahmen schwer Position Bulgariens zum Klimawandel, noch über den umsetzbar sind und so auf dem Papier bleiben. Das Einfluss der Klimapolitik auf das Land. Dokument kann aber als Teil des wichtigen Lernpro- zesses, den die Regierung und ihre zivilgesellschaftli- Die zwei klimawandelbezogenen Themen, die die chen Partner durchmachen, interpretiert werden. jeweilige Regierung in den letzten zehn Jahren in den Mittelpunkt stellte, waren: Das Ministerium für Umwelt und Wasser führt die Klimapolitik Bulgariens durch, indem es die inter- 1. Der Beitrag der europäischen CO2-Preise hinsicht- nationalen Positionen berücksichtigt. Im Grunde lich ihrer Auswirkungen auf die Steigerung der genommen hat Bulgarien keine besondere Klimapolitik Kohlenpreise. Dieses Argument wurde genutzt, und / oder Positionen im Bereich Klimaschutz, die von um den Bau eines zweiten Kernkraftwerks zu be- der Position der EU abweichen, d. h. Bulgarien ist bis gründen. Die Atomenergie sollte die Energiepreise jetzt immer den EU-Vorgaben gefolgt. niedrig halten. Vor kurzem gab es allerdings Widerstände gegen die 2. Die Möglichkeit, dass Bulgarien mehr seiner Emis- Durchsetzung ambitionierter Klimaschutzziele. Höchst- sionsrechte verkauft, um die Defizite im Energie- wahrscheinlich wird Bulgarien sowohl in der EU- als sektor zu decken. So hat die bulgarische Regie- auch in der VN-Debatte die Seite der kohleintensiven rung im Zuge der Haushaltskonsolidierung 2013 osteuropäischen Mitgliedstaaten einnehmen. Es ist versprochen, doppelt so viele Emissionsrechte wie kaum zu erwarten, dass Bulgarien eigene Initiativen bisher zu verkaufen. entwickelt. Die bulgarischen Behörden werden wohl eine abwartende Strategie verfolgen. Außerhalb dieser zwei Themen wurde die Debatte in einem kleinen, sich aber ständig erweiternden Kreis DIE EUROPÄISCHE KLIMAPOLITIK UND von Umwelt-NGOs geführt, die versuchen, Bulgarien DIE DEUTSCHE ENERGIEWENDE SIND KAUM zu bewegen, mit der internationalen Debatte schritt- B E K A N N T zuhalten. Diese Diskussionen konzentrieren sich auf Initiativen im Bereich der EU-Umweltpolitik und auf Das Bewusstsein von und die Kenntnis über die Euro- die Verwendung der EU-Fördergelder für Umwelt- päische Energiepolitik und insbesondere die deutsche schutzmaßnahmen. Energiewende sind begrenzt. Die öffentliche Debatte fokussiert sich auf den stufenweisen Ausbau der BULGARIEN IST AN EINEM ANSCHLUSS AN DIE erneuerbaren Energiequellen und dessen Auswirkung I N T E R N AT I O N A L E D E B ATT E I N T E R E S S I E RT auf die Strompreise. Der Großteil der Bevölkerung und viele Medien sehen im Klimawandel einen Vorwand Obwohl keine öffentliche Debatte zum Klimawandel zur Subventionierung ausländischer Unternehmen im stattfindet, hat Bulgarien seine Arbeit an der Entwick- bulgarischen Markt. Diese Überlegungen scheinen in lung einer diesbezüglichen Politik verstärkt. Diese wurde im Rahmen der EU-Politik erarbeitet. Nach fünf Jahren ohne politisches Leitdokument hat die bulgari- 1| Republik Bulgarien, „3. Nationaler Aktionsplan zur Be- kämpfung der Klimawandelkonsequenzen‟, http://www3. sche Regierung 2012 den dritten nationalen Aktions- moew.government.bg/files/file/Press/aktualno/2012/ plan zur Bekämpfung der Klimawandelkonsequenzen mart/NAPCC_20_03_2012.pdf [28.07.2014].
19 Teilen gerechtfertigt, denn Bulgarien ist das Land mit den höchsten Strompreisen in Europa, wenn man sie mit der Kaufkraft der Bevölkerung vergleicht. Dieser Umstand wird verschärft durch die Tatsache, dass die meisten Haushalte mit Strom heizen. Diese direkte finanzielle Folge hat die komplexere Debatte über den Klimawandel und die europäische Politik zur Bekämp- fung des Klimawandels überschattet, verstärkt durch populistische Politiker. Möglicherweise ist die in letzter Zeit sinkende Popularität Europas in Bulgarien auf die ununterbrochene Ausbeutung des Preisthemas durch jene zurückzuführen. B U L G A R I E N S E T Z T A U F K O H L E U N D ATO M K R A F T 2012, das letzte vollständige Jahr, für das Daten verfügbar sind, hat Bulgarien 47.000 Gigawatt Strom Das Kohlekraftwerk in Galabovo in der Oberthrakischen produziert. Fast die Hälfte davon – 48 Prozent – wurde Tiefebene ist Teil des Maritza Iztok-Komplexes, dem größten Kraftwerksverbund Südosteuropas. Die Braunkohle stammt in Kohlekraftwerken hergestellt, 33,4 Prozent im ein- aus dem nahen Tagebaurevier im Sakar-Gebirge. zigen Kernkraftwerk des Landes, Kosloduji. Der Rest wurde in Gaskraftwerken (fünf Prozent), mit Wasser energie (8,4 Prozent), Windenergie (2,6 Prozent), Fotovoltaik (1,7 Prozent) und Biomasse (0,1 Prozent) zu politischen Verwerfungen im Land und zu einer produziert. Als Folge des reduzierten Energiever- Schadenersatzklage des russischen Ausrüstungsher- brauchs nach der Erhöhung der Strompreise 2012 stellers vor dem Internationalen Schiedsgerichtshof in und der andauernden Wirtschaftskrise berichtete das Paris im Wert von über einer Milliarde Euro, die in den Nationale Statistische Institut, dass der Anteil der Sommermonaten 2014 entschieden werden soll. erneuerbaren Energien (einschl. Wasser) im Gesamt- energieverbrauch 16,3 Prozent beträgt – damit wurde POLITIKUM STROMPREIS das durch die EU für Bulgarien bis 2020 festgelegte Ziel übererfüllt. Nach der Einführung der 20 Prozent- Parallel zu den dramatischen Entwicklungen in Zusam- Gebühr für neue erneuerbare Energien (Wind und menhang mit Belene entwickelte sich im Zeitraum Fotovoltaik) 2013 / 2014 ist nicht klar, ob Bulgarien von 2008 bis 2012 eine andere Krise – die Einführung dieses Ziel erreichen kann, wenn der Stromverbrauch erneuerbarer Energien (Windkraft und Fotovoltaik). mit der Erholung der Wirtschaft wieder steigen sollte. Der EU-Regelung entsprechend führte Bulgarien großzügige Einspeisetarife ein, was zu einem explosi- Überzogene Prognosen der Nationalen Elektrizitätsge- onsartigen Wachstum des Investoreninteresses führte. sellschaft aus den frühen 2000er Jahren gingen von 2011 erreichten die Investitionsvorhaben für den Bau einer bedeutenden Erhöhung des Stromverbrauchs neuer Anlagen 18 Gigawatt, was bei der bulgarischen aus. Grundlage für diese Annahme war die vorzeitige Regierung starke Bedenken wegen der möglichen Stilllegung kleinerer Blöcke des Kernkraftwerks in Konsequenzen steigender Energiepreise hervorrief. Kosloduji unter dem Druck der EU im Jahr 2006 und Obwohl die Regulierungsbehörde 2011 administrative sehr günstige Prognosen zum Wirtschaftswachstum. Einschränkungen für die neuen erneuerbaren Ener- So entschied sich Bulgarien, ein zweites Kernkraftwerk gien einführte, ist es ihr nicht gelungen, die Preise zu in Belene mit zwei (russischen) Blöcken zu bauen. Die beeinflussen. So hat Bulgarien im Jahr 2012 bereits Arbeiten an diesem Kernkraftwerk wurden 2006 nach eine Fotovoltaikkapazität von mehr als einem Giga- einem unfairen Vergabeverfahren, das nur Hersteller watt installiert – etwa das Dreifache der für das Jahr russischer Technologien in Betracht zog, in Auftrag 2020 unter früheren Regierungen geplanten Kapazität. gegeben. Die Wirtschaftskrise von 2008 führte aber zu Die Regulierungsbehörde hatte die Preise um mehr einer Senkung des Stromverbrauchs, sowohl in Bulga- als 13 Prozent im Jahr 2012 erhöht, damit sie, unter rien als auch in der Region, so dass das neue Kern- anderem, für die Subventionen der neuen Produ- kraftwerk immer weniger attraktiv wurde. Darüber zenten erneuerbarer Energie aufkommen konnte. Vor hinaus kam es zu Enthüllungen über weitverbreitete dem Hintergrund der sinkenden Kaufkraft, insbeson- Misswirtschaft und Korruption im Kernkraftwerkpro- dere unter den Ärmsten der Bevölkerung, verursachte jekt. Diese Entwicklung zwang die bulgarische Regie- die Preiserhöhung Anfang 2013 allgemeine Proteste, rung, im Jahr 2012 Belene aufzugeben. Das führte die schließlich zum vorzeitigen Rücktritt der bürger-
20 lichen Regierung führten. Den populistischen Reakti- Haushalte mehr Strom als Gas. Ein Teil der Gründe onen vieler Politiker folgend, richteten die Bulgaren liegt in den sehr hohen Erdgaspreisen, die für die ihre Wut wegen steigender Preise auf die erneuer- Haushalte unerschwinglich sind und die sie veran- baren Energien. Dies veranlasste die neue sozialisti- lassen, mit Strom, Kohle oder Holz zu heizen. Der sche Regierung, die Transparenz in der Strompreisge- Erdgaspreis in Bulgarien gehört zu den fünf höchsten staltung zu verringern und die Ziele für Grüne Energie in Europa, weil Bulgarien von den russischen Importen von der Stromrechnung verschwinden zu lassen. 2013 abhängig ist. Die bulgarischen Politiker behalten aber wurde eine Netz-Konnektivitäts-Gebühr in Höhe von bisher den Status quo trotz der steigenden Risiken für 20 Prozent für die erneuerbaren Energien eingeführt. die Energiesicherheit des Landes bei, in der Hoffnung, dass neues Wirtschaftswachstum die Empfindlichkeit Die Regierungen haben wenig getan, um in Bulgarien der Menschen gegenüber höheren Strompreisen senkt den Stromverbrauch zu senken. Im Gegensatz zu den und den Bau neuer und großer Produktionskapazitäten europäischen Haushalten verwenden die bulgarischen erlauben wird. FRANKREICH Norbert Wagner Schon vor dem Kyoto-Protokoll hatte Frankreich Maßnahmen ergriffen, um den Ausstoß von Treibh- ausgasen zu reduzieren. Mit der Unterzeichnung des Protokolls und der darin enthaltenen Verpflichtungen wurden neue und zusätzliche Maßnahmen ergriffen, um den Treibhausgasausstoß im Jahr 2010 auf dem Niveau des Jahres 1990 zu stabilisieren. Im Jahr 2000 hat Frankreich deshalb den Natio- nalen Plan des Kampfs gegen den Klimawandel (Plan Das Kernkraftwerk Superphénix an der Rhône: Der S chnelle National de Lutte contre le Changement Climatique, Brüter war knapp 13 Jahre am Netz. Nach zahlreichen Unregelmäßigkeiten wurde das Experiment 1998 beendet. PNLCC) in Kraft gesetzt. Dieser Plan wurde im Jahr 2004 durch den „Plan Climat‟ ersetzt, der die zahl- reichen Maßnahmen in allen Wirtschaftssektoren mit dem Ziel zusammenfasste, den Treibhausgasausstoß im Jahr 2010 auf dem Niveau des Jahres 1990 zu bewegen werden, nachhaltig und tiefgreifend ändern stabilisieren. wird. Diese Wende geht weit über die nationalen Grenzen hinaus, denn sie hat zum Ziel, gegen den Langfristig hat sich Frankreich zum Ziel gesetzt, die weltweiten Klimawandel anzukämpfen. Emissionen bis zum Jahr 2050 auf ein Viertel ihres heutigen Niveaus zu reduzieren. Um dieses ambitiöse Im Kern geht es aber bei diesem Ansatz der fran- Ziel zu erreichen, sind drastische Maßnahmen und zösischen Klimapolitik vor allem auch um das Wohl große Anstrengungen zu ihrer Umsetzung erforderlich. der Franzosen, die Wettbewerbsfähigkeit der franzö- sischen Unternehmen und die Souveränität Frank- Motto der französischen Klimapolitik ist: Frankreich reichs – heute und in Zukunft. zu einem Land der „Excellence Environnementale‟ (Umwelt-Exzellenz) zu machen. Im September 2012 Frankreich war immer ein Vorreiter der Politik der hat Präsident Hollande auf der ersten Umweltkonfe- Energieeffizienz und des Kampfes gegen den Kli- renz Ziel und Richtung vorgegeben. Innerhalb eines mawandel: Schon im Jahr 1982 wurde die Agence Jahres hat daraufhin die französische Regierung eine française pour la maitrise de l’énergie eingerichtet. ambitiöse ökologische Wende auf den Weg gebracht, Und bereits im Jahr 2001 wurde der Kampf gegen den welche die Art und Weise, in welcher die Franzosen Klimawandel per Gesetz zu einer nationalen Priorität zukünftig produzieren, konsumieren, wohnen und sich erklärt.
21 Im Jahr 2003 hat sich Frankreich verpflichtet, bis zum Energiewende. Im Rahmen dieses Gesetzes wird Jahre 2050 den Ausstoß der Treibhausgase auf ein die Reorganisation des „Energiemixes‟ in Frankreich Viertel ihres Niveaus des Jahres 1990 zu reduzieren. geplant werden. Im Rahmen dieses Energiemixes Frankreich ging mit dieser Zielsetzung über die Ver- soll den erneuerbaren Energien Vorrang eingeräumt pflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll hinaus. und der Anteil an Kernkraft an der Energieproduktion reduziert werden. Die französische Regierung verteidigt diese ambitiösen Zielsetzungen auch gegenüber ihren europäischen Wenn diese Ziele und Vorhaben auch umgesetzt Partnern, damit auch die Europäische Union an der werden können, könnte Frankreich zu einem vorbild- Spitze des Kampfs gegen den Klimawandel bleibt. Aus lichen Land, was den Klimaschutz und die Energie- diesem Grund hat der französische Präsident vorge- wende betrifft, werden. schlagen, dass die Europäische Union sich das Ziel setzen möge, von heute bis zum Jahr 2030 den Aus- Vor dem Hintergrund dieser Prinzipien und selbst stoß von Treibhausgasen um 40 Prozent zu reduzieren auferlegten Verpflichtungen hat der französische und gar um 60 Prozent bis zum Jahr 2040. Präsident vorgeschlagen, dass Frankreich den inter- nationalen Klimagipfel im Jahre 2015 in Frankreich Die Regierung hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen, ausrichtet. Anlässlich dieses Gipfels müssen neue die dazu beitragen sollen, diese ambitiösen Zielset- Verpflichtungen zur Reduzierung des Ausstoßes von zungen auch zu erreichen: Treibhausgasen nach 2020 eingegangen werden. QQ 500.000 Wohnungen sollen jährlich energetisch sa- Die französische Regierung ist fest davon über- niert werden mit dem Ziel, im Wohnungssektor den zeugt, dass die ökologische Wende ein gemeinsames Energieverbrauch von heute bis zum Jahr 2020 um Zukunftsprojekt ist, nicht nur für Frankreich alleine, 38 Prozent zu reduzieren und damit auch gleich- sondern auch für den europäischen Kontinent, ja für zeitig die Energierechnungen für die französischen den ganzen Planeten. Mit seinen eigenen Anstren- Haushalte zu reduzieren; gungen auf diesem Felde und mit der Abhaltung des QQ in Einklang mit den Verpflichtungen, welche der Klimagipfels 2015 möchte Frankreich seine Vorreiter- französische Präsident erklärt hat, ist der Abbau rolle aufs Neue unter Beweis stellen. von Schiefergas in Frankreich seit September 2012 untersagt; Die französische Debatte zur Klimapolitik und Ener- QQ Kampf gegen die Klimaerwärmung bedeutet auch giewende wird natürlich durch den beschlossenen Aus- Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brenn- stieg aus der Nuklearenergie und die Energiewende in stoffen. Deshalb wurden die Entwicklung und der Deutschland beeinflusst. Anfänglich waren die Reak- Einsatz erneuerbarer Energien verstärkt, beispiels- tionen in Frankreich vor allem durch Unverständnis weise indem die Vorschriften für die Errichtung von geprägt. Kritisiert wurde auch, dass der Beschluss Windkrafträdern vereinfacht wurden; ohne vorherige Konsultation mit Frankreich gefasst QQ generelles Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 den Anteil wurde. In einer zweiten Phase waren die Reaktionen erneuerbarer Energien auf 23 Prozent des Ver- in Frankreich eher durch Unverständnis geprägt. brauchs zu erhöhen; Wieso Deutschland eine sichere und kostengünstige QQ um die ökologische Wende auch zu realisieren, soll Art der Energieproduktion aufgebe. Darunter mischte bis zum Jahr 2016 ein neuer Plan mit Zukunftsin- sich auch Kritik an der deutschen Entscheidung, denn vestitionen auf den Weg gebracht werden. Geplant man befürchtete, dass der Atomausstieg in Deutsch- ist, 2,3 Milliarden Euro speziell in Projekte zur Beför- land auch eine entsprechende Debatte in Frankreich derung der Energiewende zu investieren. lostreten könnte. Die französische Regierung hat darüber hinaus eine Seit geraumer Zeit interessiert man sich in Frankreich nationale Debatte über die Energiewende in Gang aber zunehmend für die Entwicklung der Energie- gesetzt. Diese Debatte, die bereits im Jahr 2013 lan- wende in Deutschland. Denn es könnte sich dabei ja ciert wurde, umfasst Vertreter der Unternehmen, der auch ein Bereich für eine intensivere bilaterale Zusam- Gewerkschaften, der privaten Vereine sowie Parla- menarbeit eröffnen. mentarier und Vertreter der Gebietskörperschaften. Zum ersten Mal wurde in Frankreich ein solcher Dialog So waren viele Beobachter überrascht, als Frankreichs zwischen verschiedenen Interessengruppen zu diesem Präsident François Hollande bei seiner Neujahrspres- Thema organisiert. Die Ergebnisse dieser Debatte sekonferenz nicht nur für eine engere Kooperation in werden einfließen in das geplante Gesetz über die verteidigungspolitischen Fragen und für eine steu-
22 erpolitische Annäherung zwischen Deutschland und rung von Energie und Energienetzen können wir Frankreich warb, sondern auch für ein deutsch-franzö- zeigen, dass wir zur Avantgarde gehören.‟ sisches Unternehmen nach dem Vorbild von Airbus zur Vorbereitung der energiepolitischen Wende. Die Reaktion aus Deutschland zu diesem Vorstoß war verhalten. Die deutsch-französische Debatte über die „Deutschland hat einen Vorsprung bei der Entwicklung zukünftige Klimapolitik und die Energiewende könnte erneuerbarer Energien‟, sagte er. „Bei der Speiche- dadurch aber belebt werden. GRIECHENLAND Susanna Vogt | Maria Kottari | Iakovos D imitriou schuldungs- und Wirtschafskrise im Land – eher auf die Themen Energiesicherheit und strategische Ener- Im letzten Jahrzehnt haben sich in Griechenland die giepolitik konzentriert. Dabei ist vor allem die mög- politischen und medialen Diskurse in zunehmend sys- liche Partnerschaft mit Israel und Zypern von großem tematischer und kohärenter Weise mit den Einflüssen Interesse für Griechenland. des Klimawandels auf Wirtschaft und Gesellschaft sowie der Frage eines angemessenen Klimaschutzes In Griechenland finden sich zahlreiche Umweltschutz- auseinandergesetzt. vereine und zivilgesellschaftliche Bewegungen, die sich national und lokal für eine Erhaltung der Flora Die Regierung Papandreou (2009 bis 2011) gab dabei und Fauna sowie der maritimen Lebensräume enga- mit ihrem Modell einer „Grünen Entwicklung‟ einen gieren. Das Ausmaß und die globale Bedeutung der wichtigen Anstoß für die Diskussion über Klimaein- Klimaveränderungen gaben außerdem Anlass zu einer flüsse. Zwei ehrgeizige Projekte namens „Zukunft Reihe wichtiger Studien (WWF Hellas, Bank of Greece, gestalten‟ und „Sparen im Haushalt‟ hatten das Ziel, Nationales Observatorium Athen, Institut für Umwelt- durch eine energieeffiziente Gebäudesanierung den forschung und Nachhaltige Entwicklung), in denen die EU-weit unübertroffenen Energieverbrauch der grie- Einflüsse des Klimawandels auf Umwelt und Gesell- chischen Haushalte und damit auch die Energiekosten schaft analysiert wurden. Griechische Internetseiten für Geringverdiener zu reduzieren. Außerdem stellt die zum Thema Energie (www.energia.gr, www.energyp- Gründung eines Ministeriums für Energie, Umwelt und ress.gr, www.econews.gr) nehmen sich vermehrt der Klimawandel einen wichtigen Meilenstein dar. Damit Klimaproblematik an, wodurch sie den öffentlichen sollte ein integrierter Ansatz ermöglicht werden, der Dialog bereichern und die Allgemeinheit für Kli- Energiepolitik, Umweltschutz und Klimawandel als mafragen sensibilisieren wollen. Die Hellenic Foun miteinander verflochtene Problematiken ansah und dation for European and Foreign Policy rief in Koope- mit einem holistischen Ansatz behandeln wollte. ration mit dem European Centre for Environmental Der Klimaschutz sollte dabei zu einem wesentlichen Training and Research an der Panteion-Universität Bestandteil der griechischen Energiepolitik werden. Athen und der Griechischen Gesellschaft für Umwelt Seit dem Auftreten der Verschuldungskrise Griechen- und Kulturerbe eine Initiative mit dem Titel „Über- lands 2010 leiden jedoch auch die Themen Umwelt- gang zu einem Grünen Griechenland 2010 – 2020‟ ins und Energiepolitik an der mangelnden politischen Leben, die durch einen offenen, internetgestützten Gestaltungsfähigkeit und -kapazität, da alle Kräfte Dialog zwischen Akademikern, Kommunalpolitikern, von der Krisenbewältigung absorbiert wurden und bis NGOs und Wirtschaftsvertretern Vorschläge für ein heute werden. Grünes Wachstum hervorbringen soll.1 Zusammen mit der zuständigen Ministerin wollte Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Griechen- Papandreou den Umweltschutz mit einem neuen land bereits sichtbar. Der voraussichtliche Tempera- Wachstumsmodell verbinden, das Treibhausgasmin- turanstieg wird die bereits jetzt schwierigen Lebens- derung, nachhaltige Ressourcennutzung, die Schaf- bedingungen vieler Bewohner von Städten noch fung von Arbeitsplätzen und eine Verbesserung der Lebensqualität vereinte. Damit wurde zumindest das 1| Initiative „Übergang zu einem Grünen G riechenland Thema politisch auf die Agenda gehoben, auch wenn 2010 – 2020‟, http://diavouleusi.eliamep.gr sich die Debatte seitdem – auch im Kontext der Ver- [28.07.2014].
23 verschärfen, was auch Konsequenzen im Gesund- heitswesen zeitigen dürfte. Eine verstärkte Klimati- sierung von Gebäuden in städtischen und touristi- schen Gebieten könnte in Zukunft zu Engpässen und Überlastungen im Stromnetz führen. Sichtbar wurde das Szenario im August 2013 als auf Santorini, einem beliebten Reiseziel, nach einem Unfall im örtlichen Elektrizitätswerk vier Tage lang der Strom ausfiel. Unmittelbar betroffen war die Wasserversorgung, da die Entsalzungsanlage den Betrieb einstellen musste. Darüber hinaus wird Griechenland im Sommer immer wieder von großen Waldbränden heimgesucht. Diese sind, in Verbindung mit rückläufigen Niederschlägen und vermehrt auftretenden, extremen Wetterereig- nissen wie Überschwemmungen, eine Belastung für die ländlichen Regionen und schmälern die Erträge der Landwirtschaft. Auch wird der Anstieg des Meeresspie- Die installierte Windkraftleistung hat sich in Griechenland gels nicht ohne Folgen für die ausgedehnten Küsten seit 2008 mehr als verdoppelt. 2006 ging der mit 40 Anlagen größte Windpark des Landes im Panachaiko-Gebirge ans Netz. Griechenlands bleiben. Viele Küstengebiete und Inseln würden überschwemmt, und es wäre mit Küstenero- sion zu rechnen. Beide Phänomene hätten deutliche Konsequenzen für den Lebensunterhalt der lokalen 2008 / 99 / EC) zur Stärkung des Umweltschutzes durch Bevölkerungen und den Küstentourismus, der allein das Strafrecht erweitert die Eingriffsmöglichkeiten des 15 – 18 Prozent des griechischen BIP ausmacht. Staates, indem es effektive Umweltschutzmaßnahmen aufzeigt und implementiert sowie die strafrechtliche Griechenland ist hochgradig abhängig von impor- Ahndung umweltschädlicher Handlungen ermöglicht. tierten Energieträgern, und der massive Einsatz Teile der Bestimmungen des Gesetzes – Rechtsrahmen fossiler Brennstoffe gefährdet die Umwelt. Aufgrund zur Abfallerzeugung und -beseitigung (Umsetzung der der begrenzten bisher erschlossenen Bodenschätze Richtlinie 2008 / 98 / EC) – regeln das Abfallmanage- ist Griechenland sich der großen Bedeutung guter ment zum Schutz der allgemeinen Gesundheit und der Beziehungen zu den Lieferantenländern, allen voran Umwelt und fördern gleichzeitig das Recycling. Neben Russland, bewusst, um einen günstigen Zugang zu der Einführung der ausgedehnten Erzeugerverant- Energieressourcen zu erhalten. Gleichzeitig versucht wortung wurde ein nationaler Abfallmanagementplan Griechenland sein Potenzial als Transitland zu nutzen, beschlossen. Dennoch bleiben sicherlich große Poten- um die Abhängigkeit von Importen fossiler Energie- ziale der Energiegewinnung aus sinnvoll sortiertem träger auszugleichen. Der Bau der Transadriatischen Abfall nicht ausgeschöpft. Pipeline (TAP) gibt Griechenland die Chance, eine der wichtigsten Transitrouten für aserbaidschanisches Entsprechend den verbindlichen Regeln der EU zur Erdgas in europäische Märkte im Land zu verankern, Erreichung der 20-20-20-Ziele fördert Griechenland wodurch Griechenland selbst und auch die EU ihre die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energie- Abhängigkeit von russischem Gas mindern könnten. quellen (Gesetz 4062 / 2012, Umsetzung der Richtlinie Jedoch könnte sich diese Situation ändern: Die 2009 / 28 / EC). Griechenland ist reich an Möglichkeiten jüngsten Entdeckungen großer Erdgaslagerstätten vor zur regenerativen Energiegewinnung in allen drei den Küsten Israels und Zyperns machen den östlichen Bereichen Wasserkraft, Windkraft und Solar, und ein Mittelmeerraum zu einer vielversprechenden Erdgas- Ausbau dieser Sektoren würde der Wirtschaft ebenso förderregion und Griechenland zu einem wichtigen zugutekommen wie Gesellschaft und Umwelt. Den- Bindeglied auf dem Transportweg in die EU-Märkte. noch werden diese Quellen bisher nicht ausreichend Das Potenzial zur Förderung von Gas in der Region genutzt, und trotz staatlicher Investitionsanreize Kreta und im Ionischen Meer hat international Inter- erfreut sich der Sektor der erneuerbaren Energien esse geweckt. bisher fast ausschließlich bei ausländischen Investoren einer ausgeprägten Beliebtheit. Die Nutzung erneuer- Griechenland hat innerhalb der EU-Rahmenpolitik barer Energien brächte dem Land zahlreiche Vorteile – und Strategie für Klima- und Umweltschutz konkrete unter anderem die inländische Erzeugung sauberen Gesetze und Maßnahmen auf den Weg gebracht. Stroms ohne CO2-Emissionen, weniger Abhängig- Das Gesetz 4042 / 2012 (Umsetzung der Richtlinie keit von fossilen Energieträgern, eine Verbesserung
24 der Energiesicherheit der griechischen Inseln, eine bereits in dem genannten Zeitraum beginnenden Wirt- Dezentralisierung der Stromproduktion sowie Mehrein- schaftskrise wider. Betrachtet man die Treibhausgas- nahmen für die Kommunen. emissionen pro BIP-Einheit, so bildet Griechenland das Schlusslicht der EU (0,61 Kilogramm CO2-Äquivalent Zwar konnte der Anteil erneuerbarer Energien am je BIP-Einheit), wenngleich auch gegenüber 1990 eine griechischen Energiemix in den letzten zehn Jahren erhebliche Verbesserung zu verzeichnen ist. erhöht werden. Die weitere Entwicklung dieses Sek- tors steht jedoch vor diversen Hindernissen. Trotz Die Fakten zeigen, dass Griechenland auf dem Weg deutlicher Fortschritte ist das Investitionsumfeld zum Klimaschutz bereits wichtige Schritte zurückge- im Bereich erneuerbarer Energien in Griechenland legt und konkrete Maßnahmen ergriffen hat. Für einen weiterhin instabil. Die steuerlichen und gesetzlichen Großteil der griechischen Bürger ist Klimawandel aber Rahmenbedingungen sind nach wie vor ständiger weiterhin ein vager Begriff. Das wachsende Interesse Veränderung unterworfen. Die seit kurzem rückwir- an Umwelt- und Klimaschutz geht hauptsächlich auf kend erhobene „Solidaritätssteuer‟ auf erneuerbare Akteure des zivilen und privaten Sektors zurück. Der Energien (Windkraft und Fotovoltaik) hat das Investiti- griechische Energiemix weist immer noch eine hohe onsklima weiter beeinträchtigt und bisherige Anstren- Abhängigkeit von importierten fossilen Energieträgern gungen, die bürokratischen Hemmnisse abzubauen, auf, und die Energiepolitik wird vom Gedanken der blieben weitgehend erfolglos. Versorgungssicherheit dominiert. Die Wirtschaftskrise behindert maßgeblich die Förderung erneuerbarer Das über lange Zeit, auch gemeinsam mit Partnern in Energien und erleichtert umweltschädliche Aktivitäten Deutschland, diskutierte ehrgeizige Projekt HELIOS wie z. B. den massiven Einsatz von Kaminheizungen in sollte Griechenland zum EU-weit ersten Großexpor- den Städten im Winter und die daraus resultierende teur erneuerbarer Energien machen. HELIOS verband Smogbildung oder auch die intensivierte Nutzung von energiepolitische, umweltpolitische und ökonomische Braunkohle zur kostengünstigen Stromerzeugung Elemente: Dekarbonisierung, Nutzung nationaler Res- durch den staatlichen Energiekonzern. sourcen, Schaffung von Arbeitsplätzen und Teilhabe privater Investoren am griechischen Strommarkt. Diese disparaten Ziele, Fragen der marktkonformen Stromerzeugung und -abnahme sowie die technischen und finanziellen Einschränkungen verhinderten jedoch die Umsetzung des Projektes, in das sicherlich von Beginn an zu hohe Erwartungen gesteckt wurden. Der Reaktorunfall von Fukushima im Jahr 2011 wurde in den griechischen Medien zwar ausführlich the- matisiert, was Umweltzerstörung und Klimawandel kurzzeitig zum allgegenwärtigen Gegenstand der öffentlichen Debatte machte. Allgemein ist Atomkraft in Griechenland kein Thema, das Land hat kein Atom- kraftwerk und verfügt lediglich über einen Forschungs- reaktor nahe Athen. Man ist sich jedoch der umlie- genden Gefahren bewusst – auch im Nachgang der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, von der Grie- chenland betroffen war. Die Möglichkeit eines Unfalls im bulgarischen AKW Kosloduj oder in der geplanten Anlage in der türkischen Provinz Mersin an der südli- chen Mittelmeerküste gibt Grund zur Besorgnis. Auf internationaler Ebene hat Griechenland als Unterzeichnerstaat des Kyoto-Protokolls das verbind- liche Ziel, den Anstieg der Treibhausgasemissionen zwischen dem Vergleichsjahr (1990) und der Periode 2008 bis 2012 auf 25 Prozent zu begrenzen, bereits übertroffen. Im Jahr 2010 waren die Emissionen um 10,6 Prozent gegenüber dem Basisjahr angestiegen und mithin im Zielbereich. Dies spiegelt jedoch auch den Rückgang wirtschaftlicher Aktivität im Zuge der
25 G R O S S B R I TA N N I E N Hans-Hartwig Blomeier | Stephan Brandenburger hilfe bei den jüngsten Überflutungen erneut in die Kritik.5 Der Jahreswechsel 2013 / 14 war in weiten Teilen der Küstenregionen Südwestenglands von rekordartigen Im Zuge der notwendigen Haushaltskonsolidierungen Überflutungen gekennzeichnet. Heftige Regenfälle hatte die britische Regierung die Mittel für den und Stürme führten durch ihre außergewöhnliche Hochwasserschutz seit 2010 um jährlich fünf Prozent Dauer zur niederschlagsreichsten Dezember- und zusammengestrichen. Flüsse und Bäche beispiels- Januarperiode seit Beginn der Wetteraufzeichnungen weise, die das zusätzliche Wasser hätten aufnehmen in Großbritannien.1 In den betroffenen Gebieten – können, wurden nicht mehr ausgebaggert.6 Der vor allem in den Grafschaften Cornwall, Devon und Premierminister allerdings beurteilte sein Verhalten als Somerset – richteten die Unwetter immense Schäden angemessen: „Wir haben von Anfang alles getan, um an Infrastruktur, Landwirtschaft und privaten Haus- den Menschen zu helfen. Als mehr Pumpen benötigt halten an.2 wurden, haben wir mehr Pumpen eingesetzt. Wir haben mehr Mittel bereit gestellt und Soldaten in Die aktuelle Studie des Genfer IPCC vom 31. März Marsch gesetzt.‟7 2014 bestätigte die vielerorts geäußerte Befürchtung, dass Großbritannien in den kommenden Jahren immer In jedem Fall haben die aktuellen Überschwemmungen mehr solcher Stürme und Niederschläge erleben das Thema Klimawandel wieder mehr in den Fokus der werde. Als Ursache hierfür sehen die Autoren des gesellschaftspolitischen Diskussion in Großbritannien Berichts den Klimawandel. Durch die Auswirkungen gerückt. Zwischen Conservatives, Labour und Liberal der Erderwärmung auf die Höhe des Meeresspiegels Democrats herrscht inzwischen Konsens darüber, dass gehören die britischen Inseln ohnehin zu den Län- den Auswirkungen des Klimawandels durch staatliche dern Europas mit der größten Hochwassergefahr. Programme begegnet werden muss. Einigkeit besteht Bis 2080 werden laut der Studie zwischen 250.000 auch darin, dass für einen nachhaltigen Erfolg natio- und 400.000 Menschen in Europa von Überschwem- nale Anstrengungen allein nicht ausreichen, sondern mungen betroffen sein – insbesondere im Norden des internationale Klimaabkommen notwendig sind. Bei Kontinents.3 Professor Samuel Fankhauser von der seinem Amtsantritt im Mai 2010 hatte Premierminister London School of Economics betont die Notwendig- David Cameron noch angekündigt, sein neues Kabinett keit für Großbritannien und Nordeuropa, sich mehr werde die „grünste‟ britische Regierung aller Zeiten mit den wachsenden Bedrohungen der Küsten- und werden. Festlandüberschwemmungen auseinanderzusetzen.4 Doch auch nach dem 2008 erschienenen „Pitt Review‟, Trotz parteiübergreifender Einigkeit über die Förde- der von der britischen Regierung unter Premiermi- rung erneuerbarer Energien scheinen die Prioritäten nister Gordon Brown als Folge des unzureichenden bezüglich On- und Offshore-Windkraftanlagen unter- Katastrophenschutzes nach den letzten verheerenden schiedlich gelagert zu sein. Denn seit April dieses Überflutungen vor sieben Jahren in Auftrag gegeben Jahres sorgt ein Vorstoß des Premierministers und wurde, gerieten das Krisenmanagement der Regierung seines Schatzkanzlers George Osborne über ein Cameron und die zu spät einsetzende Katastrophen- geplantes Moratorium für Onshore-Windkraftanlagen für eine kontroverse Debatte. Es wird darüber speku- liert, dass dies lediglich ein parteitaktisches Manöver Camerons im Zuge der 2015 stattfindenden Unter- hauswahlen sei, um Kritiker seiner Klimapolitik 1| Met Office, Centre for Ecology & Hydrology, „The Recent Storms and Floods in the UK‟, 02 / 2014, http://metoffice.gov.uk/media/pdf/1/2/Recent_Storms_ Briefing_Final_SLR_20140211.pdf [28.07.2014]. 2| „Schwere Stürme in Großbritannien und Frankreich‟, Die Welt, 08.02.2014, 5| Jochen Buchsteiner, „Hochwasser macht Politik‟, http://welt.de/article124659002.html [28.07.2014]. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.02.2014, 3| IPCC, „Summary for policymakers‟, in: C. B. Field et http://faz.net/-gup-7m9wc [28.07.2014]. al., Climate Change 2014: Impacts, Adaptation, and 6| Oliver Bennett, „Flood defence spending in England‟, Vulnerability, 2014, http://ipcc-wg2.gov/AR5/images/ Mitteilung SN/SC/5755, 12.02.2014, uploads/WG2AR5_SPM_FINAL.pdf [28.07.2014]. http://www.parliament.uk/briefing-papers/sn05755.pdf 4| The London School of Economics and Political Science, [28.07.2014]. Grantham Research Institute on Climate Chang and 7| Jens-Peter Marquardt, „Die EU soll schuld sein an der the Environment, http://lse.ac.uk/GranthamInstitute Flut‟, Tagesschau, 11.02.2014, http://tagesschau.de/ [28.07.2014]. ausland/flut-briten100.html [28.07.2014].
26 aus den eigenen Reihen zu besänftigen.8 Führende Während des London-Besuchs von Bundeskanzlerin Politiker der Liberal Democrats, dem Koalitionspartner Angela Merkel im Februar dieses Jahres zeigte sich, der Konservativen, ließen bereits durchblicken, dass dass sowohl Deutschland als auch Großbritannien sie dieses Vorhaben in einer gemeinsamen Regierung klimapolitisch ähnliche Ziele verfolgen. Angela Merkel nach 2015 nicht unterstützen würden. Derzeit gibt es favorisiert eine Reduktion des CO2-Ausstoßes inner- in Großbritannien rund 4.000 Onshore-Windräder, die halb der EU bis 2030 um 40 Prozent, ihr Amtskollege fünf Prozent des Stroms produzieren. Weitere 3.000 Cameron sogar um 50 Prozent im Rahmen eines Windräder sind in Planung. Laut einer Umfrage, die VN-Abkommens.13 Dieser Vorschlag basiert auf einer der Guardian9 zitiert, unterstützt eine Mehrheit der Anfang 2014 veröffentlichten Analyse des britischen Briten die Förderung erneuerbarer Energien. Maf Umweltministeriums, wonach dieses Vorhaben mit Smith vom Verband Renewable UK zeigt sich deshalb einer Investition von gerade einmal 0,59 Prozent des von Camerons Ideen enttäuscht. Onshore-Windräder BIPs erreicht werden könne und zugleich der Wirt- seien wesentlich günstiger und zuverlässiger als schaft des Landes nütze. Offshore-Windanlagen oder gar Atomkraftwerke und müssten deshalb weiterhin gefördert werden. Durch einen Rückgang des Bedarfs fossiler Brennstoffe Außerdem sorge die Ankündigung eines Morato- aus dem Ausland seien EU-weite Einsparungen von bis riums für Unsicherheit bei potenziellen Investoren, so zu 110 Milliarden Euro möglich.14 Smith. 10 Die deutsche Energiewende, die von der Bundesregie- Mit dem „London Array‟ steht an der Themse-Mün- rung seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima im dung immerhin der weltweit größte Offshore-Wind- März 2011 mit Nachdruck vorangetrieben wird, wurde park. Zudem steuert Großbritannien rund 55 Prozent in den vergangenen beiden Jahren durch den Eco- der europaweiten Offshore-Windenergie bei und ist nomist kontinuierlich beobachtet. Die Ziele Deutsch- damit Spitzenreiter.11 Doch innerhalb der britischen lands, seine Treibhausgasemissionen bis 2050 im Bevölkerung herrscht Unmut über gestiegene Preise Vergleich zu 1990 um 80 Prozent zu reduzieren – und für Strom und Gas. Verantwortlich dafür sollen die das ohne den Beitrag von Atomkraft – hat in Groß- „Big Six‟, die sechs größten Energie-Versorger in britannien zu geteilten Reaktionen geführt: Einerseits Großbritannien, sein: British Gas, EDF Energy, E.ON wird der Ehrgeiz der Deutschen bewundert, anderer- UK, npower, Scottish Power und SSE. Eine Mehr- seits besteht die Annahme, dass die deutsche Wett- heit der Briten meint, dass diese nicht im Sinne der bewerbsfähigkeit durch diesen radikalen Umbruch in Verbraucher handeln und die Preise bewusst auf Mitleidenschaft gezogen werden könnte.15 hohem Niveau halten. In diesem Zusammenhang hat Labour-Chef Ed Miliband für den Fall einer Regierungs- Der Economist verweist dabei auf die komplexen übernahme nach den nächsten Unterhauswahlen eine Herausforderungen hinsichtlich Lagerung und Trans- Strompreisbremse angekündigt. Diesen Vorschlag port, um diesen ambitionierten Plan zu verwirklichen wiesen Regierungsvertreter entschieden zurück. Er sei und sieht einen möglichen Erfolg der deutschen unseriös und zudem rechtlich kaum durchsetzbar. 12 Energiewende durch interne Streitigkeiten zwischen den politischen Lagern und Zuständigkeitsbereichen gefährdet.16 13 | Sophie Yeo, „Merkel: UK and Germany have ‚com- mon ground‛ on climate strategy‟, Responding to Climate Change (RTCC), 28.02.2014, http://rtcc.org/2014/ 02/28/merkel-uk-and-germany-have-common-ground- on-climate-strategy [28.07.2014]. 14 | Department of Energy & Climate Change, P olicy summary of UK analysis on EU 2030 targets, 27.02.2014, https://gov.uk/government/uploads/ 8| Rowena Mason, „Tories plan new attack on windfarms‟, system/uploads/attachment_data/file/285533/ The Guardian, 01.04.2014, http://gu.com/p/3z4aj policy_summary_uk_analysis_eu_2030_targets.pdf [28.07.2014]. [28.07.2014]. 9 | Ebd. 15 | „Germany’s energy transformation. Energiewende‟, 10 | Ebd. The Economist, 28.07.2012, http://economist.com/ 11 | Matthias Thibaut, „London nimmt Klimaziele zurück‟, node/21559667 [28.07.2014]. Der Tagesspiegel, 05.06.2012, http://tagesspiegel.de/ 16 | „Germany’s energy reform. Troubled turn‟, The politik/6710112.html [28.07.2014]. Economist, 07.02.2013, http://economist.com/news/ 12 | Guy Chazan und Jim Pickard, „Political uncertainty europe/21571440-germanys-national-energy-project- becalms wind plans‟, The Financial Times, 07.04.2014. becoming-cause-disunion-troubled-turn [28.07.2014].
27 Im 2013 erschienenen Oxford Energy Comment kritisiert Professor John Rhys den deutschen Atom- Ausstieg von 2011 in aller Deutlichkeit. Deutschland, so Rhys, verfüge über die sichersten und modernsten Atomkraftwerke der Welt und habe sich nach der Fukushima-Katastrophe 2011 im Gegensatz zu Groß- britannien ohne nachvollziehbare Gründe von dieser zuverlässigen, dem Klimaschutz nützlichen Ener- giequelle verabschiedet. Als Konsequenz daraus sei Deutschland mehr denn je auf die Nutzung von Kohle angewiesen – ein Widerspruch gegenüber den eigenen Ansprüchen und den Klimazielen der EU.17 Doch Deutschland ist auch abhängig von russischem Gas. Diese Konstellation birgt in der aktuellen Ukraine-Krise eine besondere Brisanz. Atompolitisch gehen die Briten ganz andere Wege. Im Großbritannien steuert rund 55 Prozent der europaweiten März vergangenen Jahres genehmigte Energieminister Offshore-Leistung bei. Der Windpark „London Array‟ an der Themse-Mündung ist weltweit der größte seiner Art. Ed Davey den Bau eines neuen Kernkraftwerks im südenglischen Somerset. Es soll nach seiner Inbe- triebnahme in etwa zehn Jahren sieben Prozent des britischen Stroms produzieren.18 Seit 2012 versucht die britische Regierung mit dem so genannten Green Deal, private Haushalte zu mehr In seiner EU-Grundsatzrede vom 23. Januar 2013 Energieeffizienz anzuhalten. Dahinter steckt ein erwähnte Premierminister Cameron die Klima- und großangelegtes Anreizprogramm, um 14 Millionen Umweltpolitik als einen Bereich, der nach seinem Hausbesitzer bis zum Jahr 2020 dazu zu bewegen, Willen lieber eine nationale anstelle einer EU-Kompe- Maßnahmen wie isolierte Mauern, moderne Fenster tenz sein solle. Dies würde seinem Land erlauben, ein und effiziente Heizungsanlagen auszuführen. Nicht besseres Gleichgewicht zwischen ökonomischer Wett- die Hausbesitzer, sondern Einzelhändler und Strom- bewerbsfähigkeit und notwendigen Maßnahmen im versorger sind es, die zunächst für die Sanierung Klima- und Umweltschutz vorzunehmen. Im Regent′s zahlen werden. Für Eigentümer erfolgt danach die Report 2013 wird ausgeführt, dass Großbritannien Rückzahlung über die monatliche Stromrechnung. Die seine CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2010 um Einsparungen, die durch die Sanierung erzielt werden, rund 23,5 Prozent gesenkt hat und damit knapp vor dürfen hierbei allerdings nicht durch die monatlichen Deutschland (21,7 Prozent) und deutlich vor Frank- Rückzahlungen überschritten werden.20 reich (8,6 Prozent) und Italien (8,2 Prozent) liegt.19 Seit dem Amtsantritt der Regierung Cameron im Mai 2010 hat sich Großbritannien klima- und energie- politisch also zweifelsohne weiterentwickelt, doch Vorstöße wie das geplante Moratorium für Onshore- Windanlagen erscheinen in diesem Zusammenhang widersprüchlich. 17 | John Rhys, „Current German Energy Policy – the ‚Energiewende‛: A UK and climate change perspective‟, http://oxfordenergy.org/wpcms/wp-content/uploads/ 2013/04/Current-German-Energy-Policy-A-UK-and- climate-concern-perspective.pdf [28.07.2014]. 18 | „Großbritannien will neues Kernkraftwerk bauen‟, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.03.2013, http://faz.net/-h00-77sbk [28.07.2014]. 19 | John Drew und Martyn Bond (Hrsg.), The UK & Europe: 20 | „Ein Green Deal setzt in Großbritannien ganz neue Costs, Benefits, Options. The Regent’s Report 2013, Anreize‟, FAZjob.NET, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Regent’s University London, http://regents.ac.uk/files/ http://fazjob.net/ratgeber-und-service/beruf-und- regentsreport2013.pdf [28.07.2014]. chance/umwelttechnik/120641.html [28.07.2014].
Sie können auch lesen