Faktenpapier Geothermie - Mit Erdwärme die Wärmewende gestalten - Redaktions Netzwerk Hessen ...

 
WEITER LESEN
Faktenpapier Geothermie - Mit Erdwärme die Wärmewende gestalten - Redaktions Netzwerk Hessen ...
Faktenpapier Geothermie
Mit Erdwärme die Wärmewende gestalten
Faktenpapier Geothermie - Mit Erdwärme die Wärmewende gestalten - Redaktions Netzwerk Hessen ...
INHALTSVERZEICHNIS

11   VORWORT                                                                  4

12   CHANCEN DER GEOTHERMIE IN HESSEN                                         5

13   ENTWICKLUNG DER GEOTHERMIE IN HESSEN                                      8
     3.1 Die Entwicklung bis 2020                                             8
     3.2 Einschränkung Grundwasserschutz                                      9
     3.3 Einschränkung Bergrecht                                              10

14   MAßNAHMEN ZUR VERBESSERUNG DER PLANUNGSGRUNDLAGEN                        11
     4.1 Daten zur Wärmeleitfähigkeit und zum Wärmetransport im Grundwasser   11
     4.2 Bereitstellung ausgewählter Temperaturdaten                          11
     4.3 Steckbriefe Oberflächennahe Geothermie                               12

15   WEITERE INFORMATIONEN AUS DEM „GEOTHERMIE VIEWER HESSEN“                 13
     5.1 Wärmeleitfähigkeit im oberflächennahen Untergrund                    13
     5.2 Tiefengeothermie                                                     13
     5.3 Hessen ganz tief – Forschung zur Tiefengeothermie in Hessen          14

2    Faktenpapier Geothermie
Faktenpapier Geothermie - Mit Erdwärme die Wärmewende gestalten - Redaktions Netzwerk Hessen ...
16   DIE WÄRMEPUMPE ALS SCHLÜSSELTECHNOLOGIE FÜR DEN KLIMASCHUTZ                                   16
     6.1 Beispiel: Erzhausen – Plus-Energie-Standard im Neubauquartier                             19
     6.2 Beispiel: Bad Nauheim – Kalte Nahwärme im Neubauquartier                                  21
     6.3 Beispiel: Frankfurt – Quartier am Henninger Turm                                          22

17   NUTZUNG VON GEOTHERMIE IM BESTAND                                                             24
     7.1 Erfahrungen am eigenen Haus – Familie mitnehmen                                           27
     7.2 Beispiel: Wärmepumpe im Altbau – Auf die Details kommt es an                              29

18   HESSEN BAUT AUF GEOTHERMIE                                                                    31

19   WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN                                                                  34

10   BILDNACHWEISE                                                                                 35

                                                                         Faktenpapier Geothermie    3
Faktenpapier Geothermie - Mit Erdwärme die Wärmewende gestalten - Redaktions Netzwerk Hessen ...
1. VORWORT

Sehr geehrte Bürger*innen,                                Entwicklungen auf diesem Gebiet, dessen Planungs-
                                                          grundlagen und Datenlagen sich enorm verbessert
Hessen ist auf dem Weg zu einem klimafreundlichen         haben. Erfahren Sie in Praxisbeispielen, wie wir die in
und nachhaltigen Energiesystem. Unsere Stromerzeu-        der Erdkruste gespeicherte Wärme in unsere Wohn-
gung stammt bereits zu mehr als der Hälfte aus erneu-     und Arbeitsräume bringen können. Lernen Sie den
erbaren Quellen. Doch es ist noch ein weiter Weg bis      Geothermie Viewer Hessen kennen, unseren Online-
zur Unabhängigkeit von Kohle, Öl und Gas. Dies gilt       Führer zu den thermischen Schätzen in Hessens Unter-
besonders für den Wärmesektor.                            grund.
Geothermie kann hier einen beträchtlichen Beitrag leis-   Diese Schätze gilt es zu heben, um unser Bundesland
ten. Diese Technologie ist gut erforscht, bewährt sich    bis zur Mitte dieses Jahrhunderts vollständig mit erneu-
seit Jahrzehnten am Markt und wird immer weiter ver-      erbaren Energien versorgen zu können. Dafür brauchen
feinert. Dennoch wird ihr Potenzial noch nicht aus-       wir die Unterstützung aller Bürger*innen, denn dieses
geschöpft. Mit diesem Faktenpapier, das die Ergeb-        Ziel können wir nur gemeinsam erreichen. In diesem
nisse der Fachforen des Faktenchecks Geothermie vom       Sinne wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre.
Herbst 2020 zusammenfasst, möchten wir dazu beitra-
gen, dass sich das ändert.                                Jens Deutschendorf,
                                                          Staatssekretär,
Die LandesEnergieAgentur Hessen bietet Ihnen auf den      Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie,
folgenden Seiten einen Überblick über die neuesten        Verkehr und Wohnen

4     Faktenpapier Geothermie
Faktenpapier Geothermie - Mit Erdwärme die Wärmewende gestalten - Redaktions Netzwerk Hessen ...
2. CHANCEN DER GEOTHERMIE IN HESSEN

Die Möglichkeiten zur Nutzung der Erdoberfläche zur
Energiegewinnung sind vielfältig. Sie reichen von der
oberflächennahen Nutzung bis hin zur Erschließung von
                                                                                                           Dr. André Deinhardt
Wärmevorkommen in einigen tausend Metern Tiefe.
Grundsätzlich wird die Geothermie-Nutzung unterteilt
                                                                                                           Geschäftsführer
in:

                                                                                                           Bundesverband
1. Oberflächennahe Geothermie
                                                                                                           Geothermie e.V.
   (bis zu 400 Meter Tiefe)

2. Tiefe Geothermie (ab 400 Meter Tiefe)

                                                                                                           www.geothermie.de
3. Sondernutzungsformen (bspw. Saisonale
   Wärmespeicher)

Die folgende Abbildung zeigt die verschiedenen Mög-
lichkeiten auf einen Blick:

                                                             Quelle: Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG), verändert

Abbildung 1: Schematische Darstellung verschiedener Technologien zur Erschließung von Geothermie

                                                                                                   Faktenpapier Geothermie         5
Faktenpapier Geothermie - Mit Erdwärme die Wärmewende gestalten - Redaktions Netzwerk Hessen ...
In Hessen kommen ausgewählte Regionen für eine wirt-        VORTEILE DER GEOTHERMIE
schaftliche Nutzung von Tiefengeothermie in Frage.
Beispielsweise tritt im Oberrheingraben ab einer Tiefe      Die Nutzung des Erdreichs zur Bereitstellung von
von über 2000 Metern Thermalwasser mit einer                Energie (Geothermie), leistet einen wichtigen Bei-
Temperatur von über 100 Grad auf. Dieses kann zur           trag zum Gelingen der Wärmewende, denn:
Wärmeversorgung von Gebäuden und ggf. zur Strom-
gewinnung genutzt werden. (Beispiel Geothermiekraft-        u Geothermie ist die einzige vom Wetter unabhän-
werk Landau).                                                  gige, erneuerbare Energieform, die immer zur
                                                               Verfügung steht.
In Hessen kann oberflächennahe Geothermie überall
genutzt werden. Vor diesem Hintergrund konzentriert         u Geothermie ist eine lokale Energiequelle und ist
sich dieses Faktenpapier auf die Beschreibung und              in lokale Wirtschaftskreisläufe eingebunden.
Funktionsweise von oberflächennaher Geothermie. Die
meisten dieser Anlagen arbeiten mit geschlossenen           u Geothermie ist aktiver Klimaschutz, da kein Koh-
Wärmetauschern wie Erdwärmesonden, Flächenkollek-              lenstoff verbrannt wird, wenn der Strom
toren oder Erdkörben. Darin zirkuliert eine Flüssigkeit        für Wärmepumpen aus Erneuerbarer Energie
als Wärmeträgermedium, welche dem Erdreich ther-               stammt.
mische Energie entzieht und diese ins Gebäude trans-
portiert.                                                   u Geothermie erlaubt die höchsten CO2-Einspa-
                                                               rungen je kWh bei geringstem Flächenver-
Darüber hinaus ist auch die direkte Nutzung von Grund-         brauch.
wasser als Wärmequelle möglich. Die Temperaturen bei
100 Meter unter der Geländeoberkante betragen in            u Es wird kein Feinstaub emittiert.
Deutschland zwischen 10 und 20 Grad. Die Temperatur
der Wärmequelle wird durch eine Wärmepumpe (siehe           u Geothermie bietet die effizienteste Form der
Kapitel 6) auf die gewünschte Temperatur zur Raumhei-          Sektorenkopplung. Aus einer kWh Strom können
zung und Warmwasserbereitung angehoben. Die Anla-              bei Oberflächennaher Geothermie 5 kWh
gen sind in allen Größenordnungen skalierbar, für das          Wärme erzeugt werden. Bei Tiefer Geothermie
Einfamilienhaus bis hin zum Großprojekt.                       beträgt die Jahresarbeitszahl sogar bis zu 30.

                                                            u Mit Geothermie kann die Heizung und Kühlung
                                                               von Gebäuden erfolgen.

Abbildung 2: Geothermie zur Versorgung von                Abbildung 3: Nutzung von Geothermie im Großprojekt Quartier
Mehrfamilienhäusern in Frankfurt Riederwald               Kaiserlei in Offenbach

6     Faktenpapier Geothermie
Faktenpapier Geothermie - Mit Erdwärme die Wärmewende gestalten - Redaktions Netzwerk Hessen ...
DIE WÄRMEWENDE MUSS DEUTLICH AN                           Derzeit gibt es ca. 440.000 oberflächennahe Geother-
GESCHWINDIGKEIT GEWINNEN –                                mie-Anlagen in Deutschland mit einer Gesamtleistung
DREI FRAGEN AN ANDRÉ DEINHARDT:                           von 6.300 MW. Ich möchte in diesem Zusammenhang
                                                          betonen, dass für die qualitativ hochwertige Ausfüh-
                                                          rung von Geothermie-Bohrungen qualifiziertes Personal
Herr Deinhardt, welche Rolle wird Geothermie in der       zur Verfügung stehen muss. Geothermie kann ein Job-
zukünftigen Energieversorgung der Bundesrepublik          motor auch für Hessen werden. Derzeit arbeiten 25.000
Deutschland und des Landes Hessen spielen?                Menschen in der Branche (DESTATIS). Bei in Zukunft
                                                          mehr Ausbau braucht es auch einen Nachwuchs an
„2020 hatten Erneuerbare Energien nur einen Anteil        qualifizierten Mitarbeitern bei den Genehmigungs-
von etwa 14 Prozent an der Wärmeversorgung Deutsch-       behörden.”
lands. Aber gut 46 Prozent des Stroms wurden durch
Erneuerbare Energien bereitgestellt. Wenn es uns ge-
lingen soll, bis zum Jahr 2050 eine CO2-neutrale Wär-     Was wünschen Sie sich für die Entwicklung in den
meversorgung zu verwirklichen, dann muss auch die         nächsten Jahren?
Geothermie einen guten Beitrag dazu leisten.
                                                          „Wir benötigen eine Kampagne, um die Möglichkeiten
Wärme und Kälte aus geothermischen Anlagen sind un-       der Geothermie stärker ins Bewusstsein von Planer*-
abhängig von Wetterbedingungen und unter Einhal-          innen und Gebäudeverantwortlichen zu bringen. Dazu
tung der technischen Vorschriften und Regeln sehr         gehören Informationsformate wie dieses, die einen
sicher und umweltfreundlich zu nutzen. Sicher ist, dass   guten Überblick und Zugang zum Thema verschaffen.
weite Teile des Landes für mitteltiefe und oberflächen-   Aber eben auch flankierende Maßnahmen von Bund
nahe Geothermie genutzt werden können. In Hessen          und Land Hessen durch Kampagnen und Fördermittel.
muss das Potential für tiefengeothermische Anwendun-      Die Nutzung des Untergrunds zur Wärmegewinnung
gen stärker erforscht werden.                             und Kälteversorgung ist in vielen Fällen eine wirtschaft-
                                                          lich gute Alternative.
Ich kann nicht abschätzen, welchen Anteil Geothermie-
Anlagen in Hessen bis zum Jahr 2050 an der Wärme-         Den, im Vergleich zu einer Gas- oder Ölheizung, höhe-
und Kälteversorgung haben werden, aber es sollten alle    ren Investitionskosten stehen langfristige, sehr niedrige
Anstrengungen unternommen werden, um beim Neu-            Betriebs- und Wartungskosten gegenüber. Weiterhin
bau von Gebäuden und in der Sanierung von Bestand,        bietet Geothermie die Möglichkeit, das Erdreich auch
Geothermie als sichere und langlebige Versorgungs-        im Sommer zur Kühlung zu nutzen. Gerade für Quar-
variante in die Überlegungen mit einzubeziehen.”          tiere haben sich in den vergangenen Jahren einige in-
                                                          teressante Lösungen (z.B. Kalte Nahwärme oder
                                                          Geothermie zum Wärmen und Kühlen) entwickelt.”
Warum ist denn das bisher nicht passiert?
                                                          Herr Deinhardt, wir danken Ihnen für dieses Ge-
„Dass in den letzten Jahren nichts passiert ist, stimmt   spräch.
so nicht. Aber in der Tat hat sich die Anzahl der Geo-
thermie-Anlagen, die jährlich installiert wurden, auf
einem niedrigen Niveau von bundesweit ca. 20.000 be-
wegt. Dies lag vor allem an den ungünstigen Rahmen-
bedingungen. Der Bundesverband Geothermie und
der Gesetzgeber arbeiten hier aber aktuell an umfang-
reichen Verbesserungen für die Nutzer von Geother-
mie. Dazu zählen eine Senkung der EEG-Umlage für
Wärmepumpenstrom, die Belastung von fossilen Ener-
gieträgern im Wärmemarkt, die Austauschpflicht für alte
Öl-Heizungen, neue Förderschemata und Verbesserun-
gen bei der Genehmigung der Geothermie-Anlagen.

                                                                                       Faktenpapier Geothermie   7
Faktenpapier Geothermie - Mit Erdwärme die Wärmewende gestalten - Redaktions Netzwerk Hessen ...
3. ENTWICKLUNG DER GEOTHERMIE IN HESSEN

                                                       Während es für die Installation von Erdwärmekollekto-
                                                       ren (bis zu einer Tiefe von ca. 3 Metern) in den meisten
                                                       Fällen keiner Genehmigung bedarf, sind Erdwärmeson-
Dr. Sven Rumohr
                                                       den generell genehmigungspflichtig. Das durch die
                                                       hessischen „Anforderungen des Gewässerschutzes an
Hessisches Landesamt
                                                       Erdwärmesonden“ geregelte Genehmigungsverfahren
für Naturschutz,
                                                       wird detailliert im Leitfaden zur Nutzung von oberflä-
Umwelt und Geologie
                                                       chennaher Geothermie des HLNUG beschrieben.

                                                       Während es infolge des für Erdwärmesonden und geo-
                                                       thermische Brunnenanlagen erforderlichen Genehmi-
Themenfeld:
                                                       gungsverfahrens eine sehr gute Datenbasis bzgl. deren
Oberflächennahe
                                                       Anzahl, Heizleistung und weitere Parameter gibt, fehlen
Geothermie
                                                       entsprechende Daten für Erdwärmekollektoren.

                                                       Die Abbildung 6 auf Seite 10 zeigt, wie groß im Falle
                                                       von Erdwärmesonden-Anlagen die Anteile verschiede-
                                                       ner Wärmepumpen-Heizleistungen in Hessen sind.
3.1 DIE ENTWICKLUNG BIS 2020                           Heizleistungen von bis zu 15 kW, die überwiegend im
                                                       privaten Wohngebäudebau benötigt werden, machen
Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und    demnach ca. 3/4 aller Erdwärmesonden-Anlagen aus.
Geologie (HLNUG) im Geschäftsbereich des Hessischen
Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft   Aber nicht nur Wohngebäude, sondern auch Schulen,
und Verbraucherschutz (HMUKLV) berät als technisch-    KiTas, Verwaltungs- und Funktionsgebäude sowie Un-
wissenschaftliche Behörde unter anderem zu Fragen      ternehmen werden durch Geothermie-Anlagen ver-
des Grundwasserschutzes. Da Erdwärmenutzungen in       sorgt.
der Regel mit einem Eingriff oder einer potenziellen
Auswirkung auf das Grundwasser verbunden sind, berät   Neben den ca. 9.100 Erdwärmesonden-Anlagen, im
das HLNUG auch zu allen Fragen der Geothermie.         Schnitt mit zwei Erdwärmesonden und einer unbekann-

Abbildung 4: Soleverteiler eines Erdsondenfelds        Abbildung 5: Blick auf die Steuerinstrumente eines
                                                       Geothermie-Bohrgeräts

8     Faktenpapier Geothermie
Faktenpapier Geothermie - Mit Erdwärme die Wärmewende gestalten - Redaktions Netzwerk Hessen ...
ten Zahl an Erdwärmekollektoren, sind in Hessen ca.                    zur Kühlung genutzt werden. In Wasserschutzgebieten
280 geothermische Brunnenanlagen installiert, die Was-                 dürfen Erdwärmesonden nur in der äußeren Schutzzone
ser als Wärmequelle nutzen.                                            IIIB errichtet werden. Die Schutzzonen I bis III bzw. IIIA
                                                                       werden dementsprechend als „wasserwirtschaftlich un-
In Hessen werden aktuell etwa 200 bis 250 Erdwärme-                    zulässig“ für Erdwärmesonden bezeichnet.
sonde-Anlagen pro Jahr installiert. Ein Blick in die Ver-
gangenheit zeigt, dass sich die Anzahl der pro Jahr                    Ist aufgrund bestimmter hydrogeologischer Situationen
installierten Anlagen, nach einem starken Anstieg in den               zu vermuten, dass sich Bohrungen nachteilig auf das
2000ern, auf dem heutigen Niveau eingependelt hat                      Grundwasser auswirken können, werden diese Bereiche
(vgl. Abb. 7).                                                         als „hydrogeologisch ungünstig“ im Hinblick auf die Er-
                                                                       richtung von Erdwärmesonden eingestuft. In diesen Be-
                                                                       reichen werden Vorhaben vor der Erteilung einer
3.2 EINSCHRÄNKUNG GRUNDWASSERSCHUTZ                                    Genehmigung gesondert durch das HLNUG geprüft.
                                                                       Welche Schritte für die Genehmigung erforderlich sind,
Das Grundwasser ist ein sehr hohes Gut. Daher darf die                 kann dem Leitfaden Erdwärmenutzung des HLNUG
Qualität des Grundwassers durch die Installation von                   entnommen werden.
Erdwärmesonden nicht beeinträchtigt werden. Mögli-
che Gefahren liegen im Eintrag von Verschmutzungen,                    Außerhalb der wasserwirtschaftlich unzulässigen Ge-
der Verbindung verschiedener Grundwasserleiter (sog.                   biete wurden bisher nahezu alle beantragten Anlagen
„hydraulischer Kurzschluss“) oder auch in der Erwär-                   genehmigt, ggf. mit entsprechenden Planänderungen
mung des Grundwassers, wenn die Erdwärmesonden                         und Auflagen.

         Private Wohngebäude (≥ 7.200)

               35                                                                                                     100

                    29,4          29,7                                                                                 90
               30
                                                                                                                       80
               25                                                                                                      70
                                                                                                                              Summenkurve (%)

                                                                                                                       60
               20
  Anteil (%)

                           17,1                                                                                        50
               15
                                                                                                                       40
                                         11,4
               10                                                                                                      30

                                                                                                                       20
                                                3,9
                5
                                                      2,9 2,3                                                          10
                                                              1,7
                                                                    0,8 0,3
                                                                            0,1 0,1 0,1 0,0 0,0 0,0 0,0
                0                                                                                                       0
                     8     10     15     20     25    30   50 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
                                                             Heizleistung (kW)                   auswertbare Datensätze: 6.500

Abbildung 6: Verteilung der Geothermieanlagen nach Leistung in Hessen (Stand 2020)

                                                                                                    Faktenpapier Geothermie                     9
Faktenpapier Geothermie - Mit Erdwärme die Wärmewende gestalten - Redaktions Netzwerk Hessen ...
1400                                                                                          10000
                                                                 Gesamtzahl der genehmigten EWS-Anlagen ca. 9.100
                                                                 (soweit HNLUG bekannt, Stand: 15.10.2020)
                                                                                                                                     9000
                                       1200
                                                                                                                                     8000
     Genehmigte EWS-Anlagen pro Jahr

                                       1000                                                                                          7000

                                                                                                                                             Gesamtzahl EWS-Anlagen
                                                                                                                                     6000
                                        800

                                                                                                                                     5000
                                        600
                                                                                                                                     4000

                                        400                                                                                          3000

                                                                                                                                     2000
                                        200
                                                                                                                                     1000

                                          0                                                                                          0
                1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
      Vorhaben 18 50 118 109 161 192 274 536 1391 972 951 788 510 532 419 373 254 224 269 222 214 216 260
     Gesamtzahl 52 102 220 329 490 682 956 1492 2883 3885 4806 5594 6104 6636 7055 7428 7682 7906 8175 8397 8611 8827 9087
                                                                                                                             200 EWS bis 09/2020

Abbildung 7: Entwicklung der errichteten EWS-Anlagen von 1998 bis 2020 in Hessen

3.3 EINSCHRÄNKUNG BERGRECHT                                                 bargrundstück mindestens 5 Meter beträgt. Wird eine
                                                                            Bohrtiefe von über 100 Metern angestrebt, prüft die
Nach Bundesberggesetz (BBergG) ist für die Erdwärme-                        Bergbehörde, ob von der Bohrfirma ergänzend ein Be-
gewinnung mit Heizleistungen bis 30 kW auf dem eige-                        triebsplan vorzulegen ist. Dieser regelt den Arbeits-
nen Grundstück keine bergrechtliche Genehmigung                             schutz während der Baumaßnahme.
notwendig, wenn der Abstand der Sonde zum Nach-

Abbildung 8: Kartenausschnitt der Standortbeurteilung von Erdwärme im Raum Frankfurt (Quelle: Geoviewer HLNUG – Stand 07/2021)

10                                     Faktenpapier Geothermie
4. MASSNAHMEN ZUR VERBESSERUNG DER
   PLANUNGSGRUNDLAGEN

Um Unsicherheiten bei der Planung von Erdwärme-                   4.2 BEREITSTELLUNG AUSGEWÄHLTER
gewinnungsanlagen durch mangelnde Kenntnis des                        TEMPERATURDATEN
Untergrunds zu minimieren, wurden und werden seitens
des HLNUG verschiedene Projekte und Maßnahmen                     Ergänzt werden diese Informationen durch die Bereit-
durchgeführt.                                                     stellung ausgewählter Untergrund-Temperaturdaten.

                                                                  Abbildung 9 zeigt zum Beispiel die Temperaturen im
4.1 DATEN ZUR WÄRMELEITFÄHIGKEIT                                  Frankfurter Stadtgebiet in 100 Metern Tiefe, welche
    UND ZUM WÄRMETRANSPORT IM                                     deutlich von den mittleren Temperaturen des weiteren
    GRUNDWASSER                                                   Rhein-Main-Gebiets abweichen.

Über ein grafisches Informationssystem (GIS) werden In-
formationen aus durchgeführten Bohrungen so auf-
bereitet, dass sie als Planungsgrundlage für weitere
Projekte verwendet werden können.

Weiterhin werden über das Grundwasserinformations-
system des HLNUG auch Informationen über den Wär-
metransport durch die Strömung des Grundwassers
bereitgestellt.

                                 Abbildung 9: „Geothermische
                                         Anomalie Frankfurt“

                                                                  4.3 STECKBRIEFE OBERFLÄCHENNAHE

Abbildung 10: Kartenausschnitt der mittleren Wärmeleitfähigkeit bis 40 Meter Bohrtiefe im Raum Marburg (Quelle: Geoviewer
HLNUG - Stand 07/2021)

                                                                                                 Faktenpapier Geothermie    11
4.3 STECKBRIEFE OBERFLÄCHENNAHE                                   Weitere Sondierungsbohrungen sind in Vorbereitung,
    GEOTHERMIE                                                    so dass in ausgewählten Neubaugebieten zukünftig
                                                                  exakte Planungsgrundlagen zur Verfügung stehen.
Um die Grundlage für die Planung von Geothermie-
anlagen in konkreten Baugebieten deutlich zu verbes-              Der nachfolgende QR-Code führt Sie beispielhaft zum
sern, wurde der Untergrund mithilfe von Erkundungs-               Steckbrief „Oberflächennahe Geothermie” (EWS) für
bohrungen wärmetechnisch exakt vermessen. Diese                   das Baugebiet „Die vier Morgen“ in Erzhausen.
Bohrungen – mit einer Tiefe von bis zu 100 Metern –
können später auch für den Betrieb als Erdwärmesonde
genutzt werden. Die Erkundungsbohrungen liefern kon-
krete Daten über die Temperatur, die Wärmeleitfähig-
keit sowie die Ergiebigkeit des Untergrunds. Sie tragen
entscheidend zur exakten Auslegung der Erdwärme-
gewinnungsanlage im Untersuchungsgebiet bei.

Abbildung 11: Schematische Darstellung eines Erdwärmekollektors

12    Faktenpapier Geothermie
5. WEITERE INFORMATIONEN AUS DEM
   „GEOTHERMIE-VIEWER HESSEN“

Die im vorigen Kapitel dargestellten Daten aus dem In-
formationssystem „Geothermie-Viewer Hessen“ sind
nur ein Auszug aus dem über diesen Fachdatenviewer
                                                                                           Dr. Johann-
abrufbaren Informationsangebot.
                                                                                           Gerhard Fritsche

Link und QR-Code zum
                                                                                           Rohstoffgeologie
Online-Angebot:
                                                                                           und Geoenergien
http://geologie.hessen.de/

Für den Bereich der oberflächennahen Geothermie ste-
                                                                                           Hessisches Landesamt
hen noch folgende weitere Informationsebenen (Layer)
                                                                                           für Naturschutz,
zur Verfügung, die entweder einzeln oder auch in Kom-
                                                                                           Umwelt und Geologie
bination abgerufen werden können (vgl. Abb. 7).

                                                                                           www.hlnug.de

5.1 WÄRMELEITFÄHIGKEIT IM
    OBERFLÄCHENNAHEN UNTERGRUND

Durch eigene Messungen des HLNUG und Werte aus           5.2 TIEFENGEOTHERMIE
der Literatur wurden den bekannten Gesteinsformatio-
nen spezifische Wärmeleitfähigkeiten zugeordnet. Auf     Im Geothermie-Viewer Hessen sind auch vielfältige In-
Grundlage der hessischen Bohrdatenbank (Auswertung       formationen zur mitteltiefen und tiefen Geothermie hin-
von Gesteinsproben aus durchgeführten Bohrungen)         terlegt. Die Kartendarstellungen beruhen auf dem
wird die Wärmeleitfähigkeit für das trockene Gestein     „3D-Modell der geothermischen Tiefenpotentiale in
mit luftgefüllten Hohlräumen für verschiedene Tiefen     Hessen” (Hessen 3D 1.0). Gefördert vom Hessischen
dargestellt. Die tatsächliche Wärmeleitfähigkeit kann    Ministeriums für Umwelt Klimaschutz, Landwirtschaft
bei Berücksichtigung des jeweiligen Wassergehalts des    und Verbraucherschutz (HMUKLV) wurde dies in Zusam-
Gesteins errechnet werden.                               menarbeit von HMUKLV und der TU Darmstadt (Institut
                                                         für Angewandte Geowissenschaften) erstellt. Künftig
Erweiterung der Informationen oberflächennaher           werden weitere Daten aus dem Folge-Projekt „Hessen
Erdwärmenutzung                                          3D 2.0” hinzukommen.

Das System wird kontinuierlich erweitert und um fol-     Auch für den geothermischen Laien finden sich hier in-
gende Bereiche ergänzt:                                  teressante Informationen, zum Beispiel eine Darstellung
                                                         der Untergrundtemperatur und des geothermischen
u Darstellung der geothermischen Steckbriefe, die aus    Potenzials für verschiedene Nutzungsarten in unter-
  den Erkundungsbohrungen entstehen.                     schiedlichen Tiefen (Horizontalschnitte).

u Informationen darüber, welche Voraussetzung für
  Erdwärmesonden in der Nähe zu erbringen sind
  (Stellungnahmen des HLNUG für wasserrechtliche
  Genehmigungen in der Nähe können dann auf das
  eigene Vorhaben übertragen werden).

                                                                                     Faktenpapier Geothermie   13
Abbildung 12:
                                                                                              Kartenausschnitt
                                                                                              der Temperatur in
                                                                                              einer Tiefe von
                                                                                              2.000 Metern im
                                                                                              Raum Darmstadt
                                                                                              (Quelle: Geoviewer
                                                                                              HLNUG – Stand
                                                                                              03/2021)

                                                       Folgende Aufgaben wurden umgesetzt:

Dr. Kristian Bär                                       u Berechnung flächendeckender Angaben zu den
                                                          geothermischen Potenzialen in großen Tiefen (2.000
Technische Universität                                    - 6.000 Metern) und mitteltiefen Bereichen (400 -
Darmstadt                                                 2.000 Metern) in Hessen

                                                       u Bereitstellen von Grundlagen für eine bessere Ein-
                                                          schätzung des Fündigkeitsrisikos für geothermische
Fachgebiet:                                               Bohrungen, um eine Versicherung dieses Risikos zu
Angewandte                                                ermöglichen
Geothermie
                                                       u Erweiterung der Datenbanken zu verschiedenen
www.geo.tu-                                               geothermischen Eigenschaften der hessischen Geo-
darmstadt.de                                              logie

                                                       u Erstellung von detaillierten Untergrund- und Tem-
                                                          peraturmodellen für Hessen
5.3 HESSEN GANZ TIEF – FORSCHUNG ZUR
    TIEFENGEOTHERMIE IN HESSEN                         Die entwickelten Modelle liefern wichtige und anschau-
                                                       liche Informationen zum tiefengeothermischen Poten-
Die durch die genannten Forschungsvorhaben entstan-    zial und zur Ausbildung des tieferen Untergrundes von
denen Modelle und Karten sind über den Geotherie-      Hessen. Sie liefern Informationen für die Öffentlichkeit,
Viewer Hessen verfügbar und Bestandteil des            für politische Entscheidungsträger*innen, für Investor*
geothermischen Informationssystems für Deutschland     innen aus der Wirtschaft und stellen – insbesondere in
(GeotIS). In dem Folgevorhaben wurden von einem For-   der Frühphase der Planung tiefengeothermischer Pro-
scher*innenteam die vorhandenen Informationen für      jekte – erste Daten für Fachplaner*innen bereit. Sie kön-
ausgewählte Regionen detailiert und erweitert. Unter   nen und sollen aber nicht die detaillierten Untersu-
Beteiligung des Helmholtz GeoForschungsZentrums        chungen im Rahmen konkreter Projekte ersetzen.
Potsdam (GFZ) und des HLNUG, gefördert durch das
Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi).                  Im Folgenden einige ausgewählte Ergebnisse aus dem
                                                       Projekt „Hessen 3D”:

14    Faktenpapier Geothermie
ERGEBNISSE:

                                                               u In „Hessen 3D 2.0” wurden neue geologisch-
                                                                  geothermische 3D Modelle für den Oberrhein-
                                                                  graben, Nordosthessen und das kristalline und
                                                                  metamorphe Grundgebirge erstellt.

                                                               u Für jedes dieser Gebiete wurde das geother-
                                                                  mische Potenzial berechnet. Dies kann zukünftig
                                                                  im Geothermie-Viewer des HLNUG und im geo-
                                                                  thermischen Informationssystem von Deutsch-
                                                                  land „GeotIS” abgerufen werden.

                                                               u Im Oberrheingraben sind gute Potenziale für
                                                                  eine geothermische Wärmegewinnung und sai-
                                                                  sonale Wärmespeicherung vorhanden.

Abbildung 13: Geologisches 3D-Modell des nördlichen Ober-      u In Nordosthessen wurden gute Potenziale für hy-
rheingrabens                                                      drothermale Dubletten und für Aquifer-Wärme-
                                                                  speicher identifiziert.

                                                               u Das Grundgebirge weist insbesondere in Süd-
                                                                  hessen hohe geothermische Potenziale auf.

                                                               u Projekte sollten transparent geplant und unter
                                                                  intensiver Einbindung der Forschungseinrichtun-
                                                                  gen, Fachbehörden und der Öffentlichkeit ent-
                                                                  wickelt und realisiert werden.

                                                               u Für die Entwicklung geothermischer Projekte zur
                                                                  Wärmeversorgung und Stromgewinnung sind
                                                                  lokal weitere Erkundungsmaßnahmen durch die
                                                                  Projektentwickler nötig.

                                                               u Genehmigungsrechtliche Belange sind von An-
Abbildung 14: Gewinnbare Wärmemengen aus der Reservoir-           fang an in die Planung miteinzubeziehen.
einheit ‚Pechelbronn-Gruppe‘ im nördlichen Oberrheingraben

Abbildung 15: Geologisches 3D-Modell Nordosthessens          Abbildung 16: Geothermisches 3D-Modell Nordosthessens
„Region Kassel“                                              „Region Kassel” mit Untergrundtemperatur und Wärme-
                                                             kapazität des Buntsandsteins

                                                                                          Faktenpapier Geothermie    15
6. DIE WÄRMEPUMPE ALS SCHLÜSSEL -
   TECHNOLOGIE FÜR DEN KLIMASCHUTZ

                                                          den Antrieb und die Pumpe. Das Funktionsprinzip einer
                                                          Wärmepumpe ist schematisch in Abbildung 17 dar-
                                                          gestellt.
Dr. Martin Sabel

                                                                 Schritt 1: Gewinnung
Geschäftsführer

                                                          In der Wärmequellenanlage zirkuliert eine Flüssigkeit,
                                                          häufig ein Wasser-Glykol-Gemisch, welche die Umwelt-
                                                          wärme aus dem Erdreich bzw. dem Grundwasser auf-
Bundesverband
                                                          nimmt und zur Wärmepumpe transportiert. Bei
Wärmepumpe (BWP)
                                                          Luft-Wärmepumpen wird die Zufuhr der Umgebungs-
                                                          wärme durch Außenluft gewährleistet.

                                                                 Schritt 2: Nutzbarmachung
www.waermepumpe.de

                                                          In einem weiteren Kreislauf zirkuliert ein Kältemittel. Im
                                                          Verdampfer wird die Umweltenergie vom ersten Kreis-
                                                          lauf auf das Kältemittel übertragen, das dadurch ver-
Die Wärmepumpe kann bei hoher Effizienz und unter         dampft. Der Kältemitteldampf wird anschließend zum
Nutzung von zunehmenden Anteilen erneuerbaren             Verdichter weitergeleitet. Hierbei steigt die Temperatur
Stroms einen entscheidenden Beitrag zur Wärmewende        des Kältemittels an. Im sogenannten Verflüssiger wird
leisten. Wärmepumpen beziehen einen Großteil der          das heiße, unter hohem Druck stehende Kältemittel nun
benötigten Energie zum Heizen aus der Umwelt. Als         kondensiert, wobei es seine Wärme wieder abgibt. An-
Wärmequellen dienen hierbei üblicherweise Luft, Erd-      schließend wird das verflüssigte Kältemittel zu einer
reich, Grundwasser oder Außenluft. Um die frei zur Ver-   Drossel geleitet, in der der Druck des Kältemittels wie-
fügung stehende Umweltwärme zu nutzen, benötigen          der verringert wird. Das flüssige, entspannte Kältemittel
Wärmepumpen lediglich einen kleinen Anteil Strom für      wird schließlich wieder zum Verdampfer zurückgeführt.

                          Funktionsprinzip Wärmepumpe

                                                                                                 Abbildung 17:
                                                                                                 Funktionsprinzip
                                                                                                 Wärmepumpe

16    Faktenpapier Geothermie
Schritt 3: Beheizung                                                                Die Jahresarbeitszahl (JAZ) von Erdreichwärmepumpen
                                                                                                  beträgt ca. 4. Das bedeutet, dass sich aus einer kWh
Im zu beheizenden Gebäude befindet sich das Wärme-                                                Strom auf diese Weise ca. vier kWh Wärme erzeugen
verteil- und Speichersystem. Darin zirkuliert das Heiz-                                           lassen.
medium, in der Regel Wasser. Dieses Wasser nimmt die
Wärme auf, die das Kältemittel im Verflüssiger abgibt                                             Die Wärmepumpe wird aufgrund des stetig wachsen-
und verteilt, bzw. speichert es im Gebäude. Um die                                                den Anteils erneuerbarer Energien am Stromverbrauch
Wärmepumpe als zentrales Heizsystem effizient nutzen                                              (Stand 2020 ≈ 46%) ihren Beitrag am Klimaschutz kon-
zu können, sollte das Gebäude mit Vorlauftemperaturen                                             tinuierlich steigern (vgl. Abb. 18).
von bis zu 55 °C beheizt werden können. Um dies zu
erreichen, spielt ein geeignetes Verteilsystem eine wich-                                         Bei Betrachtung jährlicher Absatzzahlen von Heizungs-
tige Rolle. Zum Beispiel sind Niedertemperaturheizkör-                                            wärmepumpen in Deutschland wird deutlich, dass die
per geeignet, um mit niedrigen Vorlauftemperaturen                                                Nachfrage kontinuierlich über die Jahre steigt. Im Jahr
arbeiten zu können.                                                                               2020 wurden rund 120.000 Heizungswärmepumpen

                   THG-Emissionsintensität verschiedener Heizungen
                       400

                       350                       Heizöl

                       300
                                                                            Erdgas
      [gCO2e/ kWhth]

                       250                                                                                                                   Abbildung 18:
                                                                                                                                             Spezifische
                       200                                                                                                                   THG-Emissionen
                                                                                                    Strom
                                                                                                                                             verschiedener
                       150                                                                                                        2018       Heizungs-
                       100                                                                                                                   technologien
                                                                                                                                  2020
                       50                                                                                                         2030
                        0
                                                                                                                                  2050
                             1,5            2               2,5        3      3,5                       4      4,5           5
                                                                  JAZ der Wärmepumpe
    Quellen: BDEW (2017), IINAS (2019)

                              Marktwachstum im Neubau, zu wenig im Bestand
   45%                                                                                                                             60.000
                              Quelle: Eigene Berechnungen aus BWP/BDH - Absatzzahlen und Neubauzahlen
                              (Baufertigstellung ) des Statistischen Bundesamtes.
   40%

                                                                                                                                   50.000

   35%

   30%                                                                                                                             40.000

   25%                                                                                                                                       Abbildung 19:
                                                                                                                                   30.000
                                                                                                                                             Entwicklung der
                                                                                                                                             jährlichen Markt-
   20%
                                                                                                                                             anteile von Wärme-
                                                                                                                                             pumpen im Neubau
   15%                                                                                                                             20.000
                                                                                                                                             und im Bestand

   10%

                                                                                                                                   10.000

    5%

    0%                                                                                                                             0
                         2010           2011         2012         2013        2014        2015          2016   2017        2018

                                               Absatz Wärmepumpen                            Absatz Wärmepumpen
                                               Neubau                                        Bestand
                                               Anteil WP an Wärmeerzeugern                   Anteil WP an Wärmeerzeugern
                                               Neubau                                        Bestand

                                                                                                                                   Faktenpapier Geothermie    17
verkauft. Im Neubau kommt die klimaschonende Tech-              men (BEG EM) mit einem Zuschuss von bis zu 50 Pro-
nik mit Abstand am meisten zum Einsatz. Im Bestand              zent unterstützt, wenn dieses an Stelle fossiler Energie
hingegen stagniert der Anteil von Wärmepumpen. Seit             (wie z. B. Heizöl) die Geothermie nutzt. (vgl. Abb. 20)
mehreren Jahren liegt dieser bei etwa 5 Prozent in
Bezug auf die Summe aller Wärmeerzeuger (vgl. Abb.              Die CO2-Bepreisung wird in den kommenden Jahren
19).                                                            dazu führen, dass die Kosten für fossile Energieträger
                                                                kontinuierlich steigen. Durch die Nutzung von Geother-
Dies hat zur Folge, dass im Wärmesektor der erneuer-            mie in Kombination mit Öko-Strom führt die CO2-
bare Anteil am Endenergieverbrauch über Jahre hin-              Bepreisung jedoch nicht zu erhöhten Stromkosten.
weg bei 14 Prozent stagniert. Das liegt zum einen an
den höheren Investitionskosten für Wärmepumpensys-              Luftwärmepumpen sind am günstigsten in der Anschaf-
teme gegenüber einer Heizung, die zum Beispiel mit              fung und lassen sich deutlich leichter installieren. Es
Erdgas betrieben wird und an den relativ niedrigen              wird weder ein Genehmigungsverfahren noch eine Boh-
Brennstoffkosten von Öl und Gas in den vergangenen              rung benötigt. Erdgekoppelte Wärmepumpen hin-
Jahren.                                                         gegen besitzen eine deutlich höhere Effizienz,
                                                                verursachen keinerlei störende Geräuschentwicklung
Langfristig ist die Nutzung von oberflächennaher Geo-           durch Luftströmungen und können im Sommer auch zur
thermie über Wärmepumpen ökonomisch von Vorteil.                passiven Kühlung eingesetzt werden.
Der Austausch eines Heizsystems wird aktuell über die
Bundesförderung effiziente Gebäude – Einzelmaßnah-

                                                                               Standard-          Austauschprämie
     Art der Heizungsanlage
                                                                               fördersatz            Ölheizung

                          Wärmepumpe                                              35 %                    45 %

                          EE-Hybridheizungen
                          (z.B. Wärmepumpe +                                      35 %                    45 %
                          Solarthermie)

                          Solarthermie                                            30 %                    30 %

                                            mind. 25 % EE-Wärme                   30 %                    40 %

                          Gas-Hybrid-
                          heizung          Nachrüstung EE-Wärme
                                           (mind. 25 %) nach 2 Jahren             20 %                      –
                                           (Renewable Ready)

Abbildung 20: Anteilszuschuss durch die BEG EM beim Heizungstausch                iSFP-Bonus: 5 Prozentpunkte bei Maßnahmen
                                                                                  aus individ. Sanierungsverfahren

18     Faktenpapier Geothermie
6.1 BEISPIEL: ERZHAUSEN – PLUS-ENERGIE-STANDARD IM NEUBAUQUARTIER

In der Gemeinde Erzhausen, nördlich von Darmstadt,
soll eine innovative Neubausiedlung im „Plus-Energie-
Standard“ entstehen. Als eine von insgesamt acht Mo-
                                                                                            Dipl.-Ing.
dellkommunen in Hessen steht ihnen für dieses
                                                                                            Christof Kattenbeck
Vorhaben die Hessische Landgesellschaft (HLG) mit lan-
ger Erfahrung in der Baulandentwicklung zur Seite.
                                                                                            Energielenker
Auf einer Fläche von 6,7 ha sollen insgesamt 99 Ge-
                                                                                            Projects GmbH
bäude verschiedener Wohnbautypen (EFH, RH, DH &
MH) für ca. 665 Einwohner*innen entstehen.
Die Energielenker Projects GmbH mit Sitz in Greven,
Nordrhein-Westfalen, hat für das Neubaugebiet „Die
vier Morgen“ ein kommunales Energiekonzept erstellt.
Mithilfe von innovativen Technikkonzepten und der Ge-
                                                                                            www.energielenker.de
genüberstellung verschiedener Varianten, sollte die
Frage beantwortet werden, ob der Plus-Energie-Stan-
dard im Plangebiet wirtschaftlich realisiert werden kann.

                                                                                                Abbildung 21:
                                                                                                Plangebiet
                                                                                                „Vier Morgen“ in
                                                                                                der Gemeinde
                                                                                                Erzhausen

  VORGEHEN:

      1. Schritt: Energie-Bedarfsermittlung                       2. Schritt: Potenziale Erneuerbarer Energien

Zu Beginn wurden Wärmebedarfsberechnungen für Ein-          Im Anschluss wurden die Potenziale zur Energiegewin-
und Mehrfamilienhäuser mit unterschiedlichen Dämm-          nung im Untersuchungsgebiet ermittelt. Ein Schwer-
standards vorgenommen. Der Strombedarf wurde mit-           punkt lag hierbei auf Photovoltaik und Geothermie.
hilfe von Durchschnittsverbräuchen der geplanten            Durch Informationen des HLNUG sowie den Ergebnis-
Wohneinheiten berechnet.                                    sen einer Probebohrung im Plangebiet, ließ sich das
                                                            Potenzial der oberflächennahen Erdwärme gut abschät-
                                                            zen.

                                                                                      Faktenpapier Geothermie      19
Energiebedarf „Die Vier Morgen”
                             2,43 Mio.
        2.500.000

                                                              2,13 Mio.
        2.000.000
                                                                                                1,85 Mio.
                                                                                                                           Abbildung 22:
                                                                                                                           Gegenüberstellung
        1.500.000
                                                                                                                           des ermittelten
                             1.619.702                        1.310.916                         1.037.130                  Endenergiebedarfs
                                                                                                                           für die berücksich-
        1.000.000
                                                                                                                           tigten energeti-
                                                                                                                           schen Standards
         500.000
                             815.912                             815.912                        815.912

               0
                               EnEV                              KfW 55                          KfW 40

                                                           Strom     Wärme

          3. Schritt: Energieversorgungskonzept                                          4. Schritt: Variantenvergleich

In einem weiteren Schritt wurden verschiedene Ener-                             Abschließend wurde der aus verschiedenen Dämmvari-
gieversorgungsvarianten ermittelt und gegenüberge-                              anten resultierende Endenergiebedarf den ermittelten
stellt. Die Kostenschätzung von dezentralen und                                 Potenzialen aus Erneuerbaren Energien gegenüberge-
zentralen Wärmeversorgungskonzepten erfolgte an-                                stellt und eine Handlungsempfehlung ausgesprochen.
hand von Literaturwerten, veröffentlichten Bezugsprei-
sen und eigenen Annahmen.

 Dezentral                                       Zentral                        ERKENNTNISSE:
                                      Nahwärmenetz          „kaltes Netz”
                                                                                Die Machbarkeitsstudie zeigt, dass der Plus-Energie-
 Erdgas-Brennwert-Heizung             Wärmeerzeuger        Erdsondenfeld
     mit Solarthermie                 Biomasse/Holz         Geothermie          Standard im Neubaugebiet „Die vier Morgen“ wirt-
                                                                                schaftlich realisierbar ist. Aufgrund der zum Zeitpunkt
   Luft-/Wasser-Wärme-          Wärmeerzeuger BHKW
 pumpe mit Umweltwärme            mit Spitzenkessel                             der Konzepterstellung geltenden Fördermittelland-
                                     Biomethan                                  schaft wurde empfohlen, alle Gebäude nach KfW-55
      Sole-/Wasser-Wärme-
     pumpe mit Geothermie                                                       Standard zu errichten und die gesamten Dachflächen
                                                                                im Plangebiet mit PV-Modulen zu bestücken.
Abbildung 23: Untersuchte Energieversorgungsvarianten

                    Endenergiebedarf Haushaltsstrom + Strom für Sole-Wasser-Wärmepumpe
        1.400.000

        1.200.000

                                                                                                                Strom PV
        1.000.000

                                  815.912              815.912               815.912              1.160.000
 kWh

         800.000
                                                                                                                           Abbildung 24:
                                                                                                                           Auswertungs-
         600.000
                                                                                                                           ergebnisse der
                                                                                                                           Machbarkeitsstudie
         400.000

         200.000               EnEV                                                              KfW 40
                                  490.818              291.313               230.473

               0
                                 EnV 2016              KfW 55                KfW 40              Potenzial EE

                               Plus-Energie-Siedlung   Wärmepumpenstrom        Haushaltsstrom

20       Faktenpapier Geothermie
Zur Wärmeerzeugung wurde ein zentrales Erdsonden-
feld in Verbindung mit einem Kalten Nahwärmenetz
vorgeschlagen. 145 Sonden, mit einer Tiefe von 100
Metern und einem Abstand von 6 Metern zueinander,
könnten auf einer Fläche von 4.500 Quadratmetern den
gesamten Wärmebedarf des Neubaugebiets abdecken.

                                            Abbildung 25:
                              Energieversorgungsvariante:
                                    Kaltes Nahwärmenetz

6.2 BEISPIEL: BAD NAUHEIM – KALTE NAHWÄRME IM NEUBAUQUARTIER

In der hessischen Kommune Bad Nauheim entsteht ak-
tuell ein Neubaugebiet mit innovativer Wärmeversor-                                              Peter Drausnigg
gung. Die Stadtwerke Bad Nauheim setzen hierbei mit
oberflächennahester Geothermie auf Kalte Nahwärme.                                               Geschäftsführer
Dort entsteht der größte Erdwärmekollektor in Deutsch-
land.                                                                                            Stadtwerke
                                                                                                 Bad Nauheim
Für die Wärmegewinnung wurde auf einer Fläche von
2 x 11.000 Quadratmetern ein doppellagiges Kollektor-
feld in Tiefen von 1,5 und 3 Metern verlegt.                                                     www.stadtwerke-
                                                                                                 bad-nauheim.de
Die technische Anbindung von Kollektorfeld und
Wohngebiet erfolgte durch ein Rohrnetz mit 13 Kilo-
metern Gesamtlänge. In jedem angeschlossenen Ge-
bäude wurden hocheffiziente Wärmepumpen installiert.
Diese erhöhen die Vorlauftemperatur des Wärmeträ-
gers von ca. 10 Grad auf die notwendige Warmwasser-
temperatur für Heizung und Brauchwasser von maximal
55 Grad. Die Größe des Wärmespeichers kann von Bau-
herr*innen individuell gewählt werden. Auf diese Weise
werden über 400 Wohneinheiten klimaneutral mit Wär-
meenergie versorgt. Die Kalte Nahwärme kann optional
auch ohne Mehrkosten zum Kühlen genutzt werden.
Die Raumtemperatur kann so um bis zu 5 Grad unter
die jeweilige Außentemperatur abgekühlt werden.

                                                            Abbildung 26: Das Kollektorfeld von oben

                                                                                           Faktenpapier Geothermie   21
Das Nahwärmenetz verfügt über eine voll digitalisierte
Energiezentrale. In ihr befinden sich die Netzpumpen
und Ausdehnungsgefäße, die das Wasser-Glykol-Ge-
misch in Bewegung halten. Außerdem werden dort
kontinuierlich Messdaten erfasst und ausgewertet, um
das Gesamtsystem zu steuern und zu optimieren.
Das klimaneutrale Versorgungskonzept ermöglicht es
den Bauherr*innen bereits heute, die seit 2020 gelten-
den Vorgaben der Energieeinsparverordnung für Neu-
bauten zu erfüllen.

                                                            Abbildung 27: Blick in die Energiezentrale
GESCHÄFTSMODELL STADTWERKE
BAD NAUHEIM

Im Rahmen eines WärmeContracting bieten die Stadt-            FAZIT
werke den Bauherr*innen ein Rundum-sorglos-Paket
an. Dieses umfasst die Montage, den Betrieb und die           Die Stadtwerke Bad Nauheim bieten mit ihrem Kalten
Wartung sowie eventuelle Reparaturen der Wärmepum-            Nahwärmenetz eine wirtschaftliche und ressour-
pen. Die Kund*innen zahlen nur den reinen Wärmepreis          censchonende Wärmeversorgung inklusive Natur-
(ohne Grundgebühr), während der Vertragslaufzeit ent-         Kühlung an. Das freiwillige Angebot wird mit einer
stehen keinerlei weitere Kosten. Für die abgenommene          Anschlussquote von etwa 90 Prozent sehr gut ange-
Wärme besteht bis Ende 2025 eine Preisgarantie, und           nommen und trägt positiv zum Nachhaltigkeitsimage
im Anschlusspaket ist bereits ein kostenloser Glasfaser-      der Stadtwerke bei. Aufgrund des fehlenden An-
anschluss enthalten. Einen Anschlusszwang für die Bau-        schlusszwangs besteht ein hoher Marketing-, Ver-
herr*innen besteht nicht, was zu Folge hat, dass sich die     triebs- und Beratungsaufwand. Dieser wird jedoch mit
Lösung auf dem Markt gegen andere Beheizungslösun-            hoher Kundenbindung belohnt.
gen im Wettbewerb stehen.

6.3 BEISPIEL: FRANKFURT – QUARTIER AM HENNINGER TURM

                                                            Das Neubauquartier Stadtgärten in Frankfurt befindet
                                                            sich in unmittelbarer Nähe zum Henninger Turm auf
                                                            dem Sachsenhäuser Berg. Insgesamt versorgen 260
Dr. Markus Kübert
                                                            Erdwärmesonden (mit einer Tiefe von jeweils 100 Me-
                                                            tern) die ca. 700 Wohnungen des neuen Wohnquartiers
Geschäftsführer
                                                            mit Wärme und Kälte.

tewag GmbH
                                                            Die energetische Versorgung im Quartier am Henninger
                                                            Turm baut auf einem bivalenten Anlagenkonzept auf.
                                                            Die Heizzentrale verfügt über eine 600 Kilowatt Wär-
                                                            mepumpenkaskade, ein BHKW sowie einen Gasspit-
                                                            zenlastkessel. Zur Verteilung der Wärme kommen ein
                                                            Hoch- und ein Niedertemperaturnetz zum Einsatz. Ers-
www.tewag.de
                                                            teres dient der Warmwasserbereitung. Letzteres verteilt
                                                            im Winter Wärme und ermöglicht im Sommer eine pas-
                                                            sive Klimatisierung der Gebäude.

22    Faktenpapier Geothermie
INTERVIEW MIT DR. MARKUS KÜBERT:

                                                               Die Geothermie-Anlage am Henninger-Turm ist
                                                               jetzt seit einem Jahr in Betrieb. Hat alles nach Plan
                                                               funktioniert?

                                                               „Grundsätzlich ja. Selbstverständlich sind immer noch
                                                               Feinabstimmungen in der Regelung und Betriebsfüh-
                                                               rung notwendig. Das ist hier gut möglich, da in der
                                                               gesamten Anlage eine Messtechnik installiert ist, die
                                                               uns gute Daten über alle Betriebszustände liefert.”

                                                               Das Erdsondenfeld wird bei Ihrem Energiekonzept
                                                               sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen verwen-
                                                               det. Ist das nicht eine wichtige Anwendung, die in
Abbildung 28: Sondenfelder im Quartier Henninger Turm          Zeiten der Erderwärmung immer mehr an Bedeu-
                                                               tung gewinnen wird?
Im Quartier verfügt jedes Wohngebäude über soge-
nannte Unterzentralen. Dort werden größere Mengen              „Ja, in der Tat. Die Kühlung von Gebäuden wird in
an Wärme mithilfe von Pufferspeichern gesammelt und            Zukunft immer wichtiger werden. Oberflächennahe
schließlich an die einzelnen Wohnungsstationen ver-            Geothermie und deren Nutzung durch Wärmepum-
teilt. Über integrierte Heizkreise werden Wärme, bezie-        pen hat den Vorteil, dass am Ende der Heizperiode
hungsweise Kälte über Fußbodenheizungen in die                 die Temperatur im Sondenfeld deutlich unter der
Wohnungen abgegeben. Die hygienische Trinkwasser-              Temperatur liegt, die sich im ungestörten Erdreich
versorgung wird über Frischwasserstationen in jeder            einstellt. Diese niedrigen Temperaturen werden ge-
Wohnung gewährleistet.                                         nutzt, um den Gebäudekörper zu kühlen.”

                                                               Heißt das, dass damit das Sondenfeld aktiv auf-
                                                               geheizt wird und dann auch im Winter eventuell
                                                               mehr Wärme zur Verfügung steht?

                                                               „Ja, das ist so. Außerdem kann damit die Anzahl der
                                                               Sonden deutlich reduziert werden, da durch die aktive
                                                               Regeneration des Erdreichs im Sommer weniger Son-
                                                               den notwendig sind, um im Winter die benötigte
                                                               Energie zur Verfügung zu stellen..”
Abbildung 29: Anlagenkonzept für das Quartier Henninger Turm
                                                               Aber hat denn das Erwärmen des Erdreichs nicht
                                                               auch Nachteile?
EXKURS PASSIVE UND AKTIVE KÜHLUNG
                                                               “Wir achten im Betrieb darauf, dass nicht mehr
Im Quartier am Henninger Turm wird in den wärmeren             Wärme in den Untergrund eingespeist wird, als auch
Monaten ein Teil der Klimatisierung durch passive Küh-         entnommen wird. Das ist auch eine Auflage bei der
lung realisiert. Das passive Kühlpotenzial des Erdson-         Genehmigung zum Bau des Erdsondenfelds. Das ist
denfeldes steigt im Kühlfall mit der gebäudeseitigen           wichtig, da durch den Wärmeeintrag die langfristige
Vorlauftemperatur an. Umgekehrt sinkt mit abnehmen-            Temperatur des Grundwassers nicht erhöht werden
der Vorlauftemperatur der Anteil passiver Kühlung an           darf. Durch die verwendete Messtechnik wird eine
der Jahreskühlarbeit. Durch die Wärmerückführung im            ausgeglichene Energiebilanz gewährleistet.”
Kühlbetrieb steigt kontinuierlich die Temperatur im
Wärmeträgermedium (Sole) an. Die aktive Kühlung                Herzlichen Dank für das Interview, Herr Dr. Kübert.
durch reversible Wärmepumpen setzt schließlich ein,
sobald die gebäudeseitige Vorlauftemperatur im Wär-
meträgermedium überschritten wird.

                                                                                         Faktenpapier Geothermie   23
7. NUTZUNG VON GEOTHERMIE IM BESTAND

                                                           che und konnten zum Teil die erforderlichen Tempera-
                                                           turen im Heizsystem (Vorlauftemperatur) nicht errei-
                                                           chen.
Danny Günther

                                                           Mittlerweile hat sich die Wärmepumpentechnik weiter-
Fraunhofer ISE
                                                           entwickelt. Und auch das Verständnis dafür, unter wel-
                                                           chen Bedingungen eine Wärmepumpe auch in
                                                           Bestandsgebäuden ökologisch und ökonomisch gut
                                                           eingesetzt werden kann.
Themenfeld:
Wärmepumpen
                                                           Am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in
                                                           Freiburg arbeiten Forscher*innen seit über 15 Jahren
                                                           zum Thema Wärmepumpe. Neben der Verbesserung
                                                           der Wärmepumpentechnik steht die Auswertung
www.ise.fraunhofer.de
                                                           von praktisch realisierten Anlagen im Langzeitbetrieb
                                                           im Mittelpunkt. Im aktuellen Forschungsvorhaben
                                                           „WPsmart im Bestand” wurden von Juli 2018 bis Juni
                                                           2019 56 Wärmepumpen messtechnisch untersucht,
WÄRMEPUMPE UND ALTBAU –                                    wovon 41 Objekte vergleichend ausgewertet werden
DAS VERTRÄGT SICH DOCH GAR NICHT!                          konnten. Von diesen waren 29 Gebäude mit Außenluft-
                                                           Wärmepumpen und 12 mit Erdreich-Wärmepumpen
Das ist gängige Meinung. Sie geht zum Teil noch auf        (Erdwärmesonden) ausgestattet.
Erfahrungen mit Wärmepumpen aus der Zeit der ersten
Ölkrise im Jahr 1973 zurück. Damals wurden in vielen       Die Ergebnisse der Untersuchung werden hier in kom-
Fällen und ohne große Detailplanungen Ölheizungen          pakter Form dargestellt. Der ausführliche Bericht kann
gegen Luft-Wärmepumpen ausgetauscht. In unge-              direkt von der Projektwebsite des Fraunhofer ISE unter
dämmten Gebäuden und bei Heizungssystemen mit              folgender Adresse heruntergeladen werden:
hohen Vorlauftemperaturen arbeiteten diese Systeme
aber ziemlich ineffizient. Sie hatten hohe Stromverbräu-   https://wp-monitoring.ise.fraunhofer.de/

                                                           Pufferspeicher
                                                                                  Radiator

           Arbeitszahl =

                                                                                                Abbildung 30:
                                                                                                Verfahren zur
                                                                                                Bestimmung der
     Erdwärme-          Wärmepumpe                           Warmwas-
                                                                                                Jahresarbeitszahl
       sonde                                                serspeicher
                                                                                                bei den untersuch-
                                                                                Warmwasser      ten Objekten
                                                                                                (Quelle: Fraunhofer
                                                                                                ISE)

24     Faktenpapier Geothermie
VORAB NOCH EINIGE ERLÄUTERUNGEN:                           Eindeutig zu erkennen: die mittlere Jahresarbeitszahl be-
                                                           trägt 3,1 bei Luft-Wärmepumpen und 4,1 bei den unter-
Entscheidend ist bei der Bewertung der Effizienz von       suchten Geothermie-Systemen. Die Bandbreiten pro
Wärmepumpen das Verhältnis von aufgewendeter An-           Wärmequelle spiegeln die vielen Effizienzeinflüsse, wie
triebsenergie (Strom) zur abgegebenen Wärme. Um die        bspw. die Norm-Leistungszahlen der Wärmepumpen, die
verschiedenen Heizsysteme gut vergleichen zu können,       erforderlichen Temperaturen zur Raumheizung oder den
wurde bei dem Feldtest die an den Warmwasserspei-          energetischen Anteil zur Trinkwassererwärmung, wider.
cher und/oder das Heizungssystem abgegebene
Wärme gemessen und ins Verhältnis zum Stromver-
brauch für den Betrieb der Wärmepumpe gesetzt. In          DREI FRAGEN AN DANNY GÜNTHER,
Abbildung 30 wird das Vorgehen schematisch dar-            LEITER DER AKTUELLEN STUDIE:
gestellt.
                                                           Entgegen der Annahme, dass der Einsatz von Wär-
Die erdgekoppelten Wärmepumpenanlagen wurden in            mepumpen in Bestandsgebäuden weder wirtschaft-
drei Fällen durch Solarthermieanlagen zur Trinkwasser-     lich noch ökonomisch interessant sei, zeigen die
erwärmung unterstützt, während etwa 20 Prozent der         Ergebnisse Ihrer Studie auf, dass auch in Bestands-
untersuchten Luft-Wärmepumpenanlagen mit einem             gebäuden Wärmepumpen effektiv arbeiten können.
zusätzlichen Öl- oder Gaskessel zur Raumheizung und        Worauf führen Sie das zurück?
Trinkwassererwärmung ausgestattet waren. Unabhän-
gig vom Wärmequellentyp wurden in einigen Häusern          „Grundsätzlich arbeiten Wärmepumpen dann beson-
auch Öfen betrieben, deren Deckungsbeiträge sehr un-       ders effizient, wenn der Temperaturunterschied zwi-
terschiedlich ausfielen.                                   schen der Wärmequelle (z. B. Erdwärmesonde) und der
                                                           notwendigen Temperatur zur Raumheizung möglichst
Die Gebäude, die vor 1979 gebaut wurden, waren             gering ist. Letztere ist abhängig von der Heizlast des
meist teilsaniert, bspw. wurden neue Fenster eingebaut     Gebäudes und Art sowie Dimensionierung der Wärme-
oder auch einige Teile der Außenhülle gedämmt. Alle        übergabesysteme, also der Heizkörper oder Flächen-
Gebäude, die nach 1979 erbaut wurden, waren in             heizungen. Unsere Untersuchungen haben gezeigt,
einem unsanierten Zustand. Im Mittel lag der durch-        dass die Wärmeübergabesysteme bereits „zu groß“
schnittliche Heizwärmebedarf bei 110 kWh/m²a. Aller-       ausgelegt gewesen sein können oder diese durch nach-
dings schwankte dieser Wert zwischen 48 und 233            trägliche Erweiterung oder Verringerung der Gebäude-
kWh/m²a. Nicht nur dadurch ergibt sich ein relativ brei-   heizlast – bspw. mit neuen Fenstern – mit geringeren
ter Anwendungsbereich, für den die Jahresarbeitszah-       Temperaturen betrieben werden können. Früher wur-
len ermittelt wurden. Abbildung 31 zeigt die Ergebnisse    den zum Teil Temperaturen jenseits der 80 Grad ange-
in Kompakter Form.                                         setzt. Die tatsächlichen Temperaturen können deutlich
                                                           darunter liegen.

                                                                                                  Abbildung 31:
                                                                                                  Verteilung der
                                                                                                  Jahresarbeitszahlen
                                                                                                  über alle unter-
                                                                                                  suchten Heiz-
                                                                                                  systeme (Quelle:
                                                                                                  Fraunhofer ISE)

                                                                                        Faktenpapier Geothermie    25
Dadurch können auch im Bestand Wärmepumpen effi-          tiger Faktor auf dem Weg zu einer klimaneutralen Ener-
zient eingesetzt werden.”                                 gieversorgung, auch im Wärmebereich. Wärmepumpen
                                                          können aber auch das Stromnetz entlasten, da sie durch
                                                          die Speichermassen im Gebäude sowie der Anlage
Aber wie sieht es denn mit der CO2-Bilanz durch den       selbst bei knappem Stromangebot im Netz für gewisse
Stromeinsatz aus?                                         Zeiträume abgeschaltet werden können, ohne dass sich
                                                          die Raumtemperatur merklich ändert. Dazu bieten viele
„Zur CO2-Bilanz: Der CO2-Rucksack von 1 kWh Strom         Stromversorger spezielle Wärmepumpentarife an. Der
aus dem bundesdeutschen Kraftwerksmix hat sich            Strompreis ist dann günstiger als der Normaltarif, aller-
in den vergangenen Jahren bundesweit reduziert, von       dings hat der Netzbetreiber dann die Möglichkeit, zum
679 g CO2/kWh (2000) auf ca. 505g CO2/kWh (2018).         Beispiel drei mal zwei Stunden pro Tag, die Versorgung
Wenn bei effizienten Wärmepumpensystemen aus              zu unterbrechen.”
1 kWh Strom 4 kWh Wärme entstehen, beträgt die
CO2-Belastung für diese Wärme circa 125 g CO2/kWh.
Bei einer Wärmeerzeugung aus Erdgas entsteht in etwa      Was sollte aus Ihrer Sicht geschehen, damit der Er-
die doppelte Menge CO2. Dabei ist zu berücksichtigen,     satz von fossilen Heizsystemen durch Wärmepumpen
dass durch den Ausstieg aus der Kohleverstromung die      im Bestand beschleunigt wird?”
CO2-Kennwerte des bundesdeutschen Strommixes wei-
ter sinken werden. Eine noch bessere CO2-Bilanz ergibt    „Zuerst benötigen wir eine breite Beratungsinitiative,
sich, wenn direkt Ökostrom zum Betrieb der Wärme-         bspw. durch großzügig geförderte Beratungen gemäß
pumpe genutzt wird.”                                      des individuellen Sanierungsfahrplanes (iSFP), in der
                                                          Gebäude und Anlage als Einheit betrachtet werden.
                                                          Neben dieser fundierten Bestandsaufnahme sind eine
Ist Strom zum Heizen denn nicht viel zu wertvoll?         sorgfältige Planung und Ausführung des Systems not-
                                                          wendig. Wichtig ist auch, dass nach der Inbetrieb-
„Zur Wertigkeit von elektrischem Strom: Ja, Strom ist     nahme des Systems der ordnungsgemäße Betrieb
eine wertvolle Energie, die für unterschiedliche Zwecke   regelmäßig überprüft wird. Das Thema Qualitätssiche-
eingesetzt werden kann. Er kann aber auch in großem       rung ist das Thema der nächsten Studie WP-QS im Be-
Maßstab durch Erneuerbare Energien aus Sonne und          stand, die wir bis Ende 2022 abschließen wollen.”
Wind ohne Verbrennungsprozesse bei minimalen CO2-
Emissionen erzeugt werden. Daher ist aus meiner Sicht
der Einsatz von Strom zur Nutzbarmachung von Um-          Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für
weltenergie auf jeden Fall gerechtfertigt und ein wich-   Ihre weitere interessante Forschungsarbeit!

26    Faktenpapier Geothermie
7.1   ERFAHRUNGEN AM EIGENEN HAUS – FAMILIE MITNEHMEN

Dr. Erich Mands ist der Inhaber des Planungsbüros
UBeG in der Nähe von Wetzlar. Als Geothermie-Planer
ist es quasi ein „Muss“, auch selbst Geothermie zu nut-
                                                                                                 Dr. Erich Mands
zen. So entstand das Vorhaben, die Gasheizung im
eigenen Haus durch eine Geothermie-Anlage zu erset-
                                                                                                 Geschäftsführer
zen.

                                                                                                 UBeG GbR
Der Ablauf von der Idee bis zur Realisierung wird im
Folgenden skizziert. Angetrieben wurde das Vorhaben
durch folgende Überlegungen:

u deutlich bessere Energieeffizienz und Emissions-
   bilanz

                                                                                                 www.ubeg.de
u keine sichtbaren Anlagenteile im Außenbereich

u keine Geräusche durch außenliegende Wärmetau-
   scher (besonders vorteilhaft bei historischen Gebäu-         DIE UMSETZUNG:
   den)
                                                                Stufe 1: Überzeugungsarbeit in der Familie leisten,
u Kühlung des Gebäudes zum „Nulltarif“ möglich                  dass der Garten neugestaltet werden sollte.

u mittel- bis langfristig wirtschaftlich                        Stufe 2: Andeuten, dass man dann ja auch gleichzei-
                                                                tig Erdwärmebohrungen ausführen kann.

Abbildung 32: Erschließung von Erdwärme im Vorgarten eines Mehrfamilienhauses

                                                                                           Faktenpapier Geothermie    27
Stufe 3: In der kalten Jahreszeit alle Heizkörper auf-      ERFAHRUNG MIT DEM EIGENEN GEBÄUDE:
drehen und die Vorlauftemperatur täglich etwas ab-
senken. Beschwerden der Familie registrieren und            u Die Wärmepumpe ist seit zwölf Jahren in
auswerten.                                                     Betrieb, wurde bislang einmal gewartet und
                                                               hatte noch keinen Defekt.
Stufe 4: Temperatur langsam wieder anheben, bis die
Mehrzahl der Zimmer ausreichend warm ist und die            u Mittlerer Wärmeenergieverbrauch zwischen
Beschwerden enden.                                             2015 und 2020: 30 MWh pro Jahr.

Stufe 5: Heizkörper in den Bädern und zwei weiteren         u Temperaturen in der Erdwärmesonde nie kälter
Räumen von 1-lagig auf 3-lagig austauschen, damit              als 6 Grad.
auch bei niedrigen Vorlauftemperaturen noch genü-
gend Wärme abgegeben wird.                                  u Vorlauftemperatur im Haus nie wärmer als
                                                               50 Grad.
       Ergebnis: Eine Vorlauftemperatur von 45 bis
50 Grad ist ausreichend, um die Behaglichkeit aller         u Die Jahresarbeitszahl (JAZ) beträgt etwa 4,1.
Familienmitglieder zu gewährleisten.
                                                            u Im Zeitraum von 2008 – 2020 wurden circa
Stufe 6: Bestimmung der tatsächlich benötigten Leis-           45 Tonnen CO2 eingespart.
tung: Berechnung des Wärmeverlusts über die Au-
ßenhülle des Gebäudes.                                      u Hohe Zufriedenheit innerhalb der ganzen
                                                               Familie.
      Ergebnis: 14 kW sind ausreichend.

Stufe 7: Ziel bei der Bohrung: möglichst mit einer Boh-
rung, die mit reinem Wasser als Wärmeträger genutzt
werden kann, auszukommen.

      Ergebnis: Eine Bohrung von 300 Metern Tiefe
wird benötigt.

Stufe 8: Beantragung Wasserecht und Bergrecht

      Ergebnis: Genehmigung erhalten und Bohr-
unternehmen bestellt.

Stufe 9: Die Familie moralisch auf die Arbeiten der
kommenden Tage einstellen.

Abbildung 33: Nahaufnahme vom Bohrkopf                    Abb. 34: Geothermie-Bohrgerät im Einsatz

28    Faktenpapier Geothermie
Sie können auch lesen