Familienfreundliches Graubünden 2.0 - Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in der Praxis kleinerer und mittlerer Unternehmen - Fachstelle UND
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Stabsstelle für Chancengleichheit von Frau und Mann des Kantons Graubünden Familienfreundliches Graubünden 2.0 Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in der Praxis kleinerer und mittlerer Unternehmen Aktionsprogramm KMU in Aktion: Familienfreundlichkeit als Erfolgsfaktor, 2010 – 2021
2 Familienfreundliches Graubünden 2.0 3 Chur, im Juni 2021 Inhalt Sehr geehrte Damen und Herren Die Frauen sind heute in der Ausbildung den Männern gleichgestellt oder haben sie zum Teil sogar über- holt. Trotzdem bleibt der grosse Teil der unbezahlten Familienarbeit, sei dies für die Betreuung von Kin- dern, älteren oder kranken Angehörigen, weiterhin in ihrer Verantwortung. Die Folge: Frauen steigen nicht 5 Das Projekt 18 Beteiligte KMU: 44 Fachstelle UND selten ganz oder teilweise aus der bezahlten Erwerbsarbeit aus. Auch Väter, die ihren Teil zur Familienar- KMU aus dem Engadin (2018 – 2021) Erfahrungsbericht Vorwort beit beitragen wollen, stossen bei ihren Arbeitgebenden teils auf Widerstände. Auf der anderen Seite gibt Bildergalerie Arbeitsmodell es Unternehmen, die kaum Fachkräfte finden oder Mühe haben, diese bei einem Weggang zu ersetzen. KMU aus dem Bündner Rheintal Vereinbarkeitsfreundlichkeits-Test und den Regionen Albula, Surselva und Viamala Mit dem Aktionsprogramm KMU in Aktion: Familienfreundlichkeit als Erfolgsfaktor wurden diese Bedürf- (2011 – 2017) nisse zusammengeführt. Die Unternehmen gewinnen und halten begehrte Fachkräfte, indem sie Arbeits- bedingungen anbieten, die auch in Zeiten grösserer familiärer Belastungen einen Verbleib im Erwerbsle- ben ermöglichen. Damit wurde für beide Seiten eine Win-win-Situation geschaffen. Zum Gelingen des Aktionsprogramms massgeblich beigetragen hat der Beirat mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Regionalentwicklungsstellen sowie regionalen Boschaftern und Bot- schafterinnen. Sie haben das Vorhaben während elf Jahren mitgetragen und begleitet. Das Aktionspro- 6 Fünf Erfolgsfaktoren 24 Gute Beispiele 49 «Auswirkungen der Covid-19 gramm wurde durch den Bund mit Finanzhilfen nach dem Gleichstellungsgesetz namhaft unterstützt. 1. Förderung der Selbstbestimmung Bus und Service AG, Chur Krise für die Vereinbarkeit von Beruf 2. Offene Kultur und zeitgemässes WENZEL Metromec AG, Chur und Privatleben» Unser Dank gilt den 26 kleineren und mittleren Unternehmen in den Regionen Albula, Bündner Rheintal, Führungsverständnis 5 Thesen Stiftung Scalottas, Scharans Engadin, Surselva und Viamala, die diesen Weg zusammen mit den Projektverantwortlichen beschritten 3. Transparente und fortschrittliche Anstel- und so eine Pionier- und Vorbildrolle in Graubünden eingenommen haben. lungs- und Rahmenbedingungen Spitex Foppa, Ilanz 4. Flexible Arbeitspensen Dr. Jon Domenic Parolini | Regierungsrat 5. Förderung der Vielfalt und Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement weitsichtige Karriereplanung
4 Familienfreundliches Graubünden 2.0 5 2010 hat die Stabsstelle für Chancengleichheit von Frau und Mann ein Aktionsprogramm ins Leben gerufen, um die Familienfreundlichkeit in den Bündner KMU zu fördern. Rund zehn Jahre später haben Das Projekt 26 Unternehmen aus 19 verschiedenen Branchen mit mehr als 2'000 Mitarbeitenden diesen Weg erfolg- reich begangen und Graubünden damit familienfreundlicher gemacht. Die KMU wurden auf ihrem Weg zur besseren Vereinbarkeit von der Fachstelle UND, dem Kompetenzzentrum für die Umsetzung der Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit in der Schweiz, begleitet und beraten, u.a. mit einer Ana- 26 Bündner Unternehmen lyse ihrer Vereinbarungsfreundlichkeit, massgeschneiderten Umsetzungsmassnahmen, der Vernetzung an Runden Tischen und einer Nachkontrolle und Evaluation der umgesetzten Massnahmen. über 2'000 Mitarbeitende aus 19 verschiedenen Branchen Projektteam Stabsstelle für Chancengleichheit von Frau und Mann Graubünden: Susanna Mazzetta, Projektleitung Fachstelle UND: IN 7 REGIONEN Landquart, Plessur /Albula, Surselva, Viamala / Tobias Oberli (Projektleitung 2015-2021), Daniel Huber (Projektleitung 2011-2015), Sandra Zurbuchen, Désirée Aebersold Maloja, Unterengadin 6 Runde Tische mit den KMU – Vernetzung und Austausch Pilotprojekt Bündner Rheintal Anzahl Betriebe: 9 | Mitarbeitende: rund 700 7 öffentliche Veranstaltungen mit Fachreferaten – Diskussionsrunden – Erfahrungsberichte (2011 – 2014) Branchen: IT, Gastgewerbe, Personentransport, Pflege/Betreuung, Bäckerei/Konditorei, Baunebengewerbe, Detailhandel, Kultur/Sprache, Energie/Wasser über 100 umgesetzte Einzelmassnahmen in den KMU KMU Regio Albula, Surselva und Viamala Anzahl Betriebe: 9 | Mitarbeitende: rund 600 (2014–2017) Branchen: Transport/Recycling, Personentransport, Ingenieurwesen, Holzbau, Detailhandel/Produktion, Gesundheit, Pflege/Betreuung, Textilreinigung KMU Engiadina Anzahl Betriebe: 8 | Mitarbeitende: rund 750 (2018–2021) Branchen: Tourismus, Gesundheitswesen, Pflege/Betreuung, Schulwesen, Stromversorgung
6 Familienfreundliches Graubünden 2.0 7 Was braucht es auf diesem Weg? Fünf Erfolgsfaktoren für Bündner KMU Die Erfahrung zeigt, dass bei kleineren und mittleren Unternehmen Massnahmen zur Verbesserung der Fünf Erfolgsfaktoren Vereinbarkeit von Beruf und anderen Lebensbereichen massgeschneidert sein müssen. Denn nur wenn sie zu den betrieblichen Verhältnissen und den Bedürfnissen der Mitarbeitenden passen, entstehen ech- te, nachhaltige Win-win-Lösungen. Möglichkeiten, die Vereinbarkeit von Beruf und den anderen Lebensbereichen zu fördern, gibt es viele. Folgende fünf Erfolgsfaktoren zeigen auf, worauf besonders geachtet werden soll. Erster Runder Tisch KMU Rheintal, 2011
8 Familienfreundliches Graubünden 2.0 9 ” 1 Förderung der Selbstbestimmung Eine grosse Selbstbestimmung über Zeit und Ort der Arbeitsleistung gilt als eine der effektivs- ten Massnahmen zur Optimierung der Vereinbarkeit. Mit Home-Office-Lösungen, Möglichkeiten, die Ar- beit unterwegs zu erledigen, Gleitzeit- oder Teilzeitmodellen sowie vielen weiteren flexiblen Arbeitsmo- ”Wir haben eine Weisung für das Arbeiten im Home-Office erarbeitet. Während des Covid19-Lockdowns hat sich diese bestens bewährt. Auch nach dem Lockdown arbeiten vereinzelte Mitarbeitende, abgestimmt auf ihre private Situation, weiterhin im Home-Office. Die Mitarbeitenden sind zufriedener und motivierter.” Fünf Erfolgsfaktoren dellen können KMU Rahmenbedingungen schaffen, die sowohl die betrieblichen Bedürfnisse als auch Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair AG, Scuol diejenigen der Angestellten abdecken. ”Als Detailhandelsunternehmen mit langen Ladenöffnungszeiten sind wir auf eine fixe Personaleinsatzplanung angewiesen. Trotzdem haben Mitarbei- tende Freiheiten wie z.B. Ruhetage oder Mittagspausen untereinander abzutauschen. Weiter werden Überstunden nur in Ausnahmefällen und auf Wunsch ausbezahlt; in erster Priorität werden die Stunden kompensiert.” «do it» AG, Bau und Garten-Center, Chur, Zernez, Punt Müragl und Küblis ”Im KMU-Projekt im Jahre 2017 haben wir das Arbeiten im Home-Office geregelt und eingeführt. Deshalb waren wir bestens auf den Lockdown vorberei- tet. Im Weiteren arbeiten wir mit einem Jahresarbeitszeitmodell, was eine grosse Selbstbestimmung in der Arbeitsgestaltung mit sich bringt.” CSD Ingenieure AG, Thusis Flexible Arbeitszeiten Home-Office ”Wir arbeiten in Schicht mit einer mittelfristigen Einsatzplanung. Einerseits versuchen wir, stets Freiwünsche bei der Planung zu berücksichtigen, und andererseits können die Mitarbeitenden selbständig Einsätze mit anderen aus dem Team abtauschen. So können die privaten Bedürfnisse der Mitarbeiten- Mobil flexibles Arbeiten Mitgestaltung den gut berücksichtigt werden.” Klinik Gut, St. Moritz und Fläsch GLEITZEIT Jahresarbeitszeit Einsatzplanung
10 Familienfreundliches Graubünden 2.0 11 ” 2 Offene Kultur und zeitgemässes Führungsverständnis Ein Betrieb, der die verschiedenen Werte und Lebensentwürfe aller Mitarbeitenden gleicher- massen respektiert und Hilfestellung für eine gute Vereinbarkeit von Beruf und anderen Lebensberei- chen anbietet, profitiert von loyalen Mitarbeitenden. Sie identifizieren sich eher mit ihrem Arbeitgeber. ”Die Förderung der Vereinbarkeit funktioniert nur als ganzheitliches Paket von vielen unterschiedlichen Massnahmen, die in der Kultur, im Leitbild und im Personalreglement der Familienunternehmung verankert sind. Zentral ist dabei das proaktive Handeln der Vorgesetzten und der Personalabteilung: Sie müssen auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen und nach individuellen Lösungen suchen und auf sich verändernde Fünf Erfolgsfaktoren Dies erfordert einen Führungsstil, der auf Vertrauen basiert, den Mitarbeitenden die angemessene Ei- Bedürfnissen je nach Lebensphase achten (z.B. Ausbildungszeit, Familiengründung, Vorruhestand).” genverantwortung gibt und eine gegenseitig wertschätzende Kommunikation fördert. Die Zusammen- Josias Gasser Baumaterialien AG, Chur arbeit in den Teams ist geprägt von einem toleranten Miteinander und einem ausgewogenen Geben und Nehmen. ”Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die noch bessere Lösungen für Mitarbeitende im Stundenlohn erarbeitet. Die Gespräche mit werdenden Müttern, mit Infos und früher Abklärung über eine Weiterbeschäftigung wurden institutionalisiert. Weiter wurde ein Mitarbeiterausschuss gegründet und es wurden jährliche Informationsveranstaltungen für Mitarbeitende eingeführt. Dem Wunsch nach mehr Dokumentation von Regelungen kommen wir in einem ausgebauten Personalreglement nach.” Spital Thusis ”Zur Förderung der Betriebskultur haben wir einen zusätzlichen Betriebsanlass pro Jahr eingeführt. Die Resonanz ist sehr positiv und wir freuen uns schon auf den nächsten Anlass!” Kommunikation Eigenverantwortung Bühler AG Transporte + Recycling, Thusis Arbeiten 4.0 Geben und Nehmen ”Die Wertschätzung der unterschiedlichen Lebensformen unserer Angestellten ist uns wichtig. Wir pflegen eine tolerante und offene Betriebskultur. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben ist für uns eine Herzensangelegenheit. Entsprechend versuchen wir stets gute Lösungen für VERTRAUEN eine gute Vereinbarkeit zu finden.” NEW WORK TOLERANZ Stiftung KiBE Kinderbetreuung Oberengadin, Samedan, St. Moritz und Zuoz Wertschätzung Ergebnisorientierung ”Wir haben das Thema Vereinbarkeit und Gleichstellung im Rahmen eines internen Führungsworkshops unter Anleitung der Fachstelle UND breit diskutiert. Im Zuge dessen haben wir auch unser Leitbild sowie unsere Führungsgrundsätze kritisch hinterfragt und entsprechend ergänzt. Uns ist es wichtig, eine offene, vereinbarkeitsfreundliche und zukunftsgerichtete Betriebs- und Führungskultur zu pflegen und weiter zu entwickeln.” Engadiner Kraftwerke, Zernez
12 Familienfreundliches Graubünden 2.0 13 ” 3 Transparente und fortschrittliche Anstellungs- und Rahmenbedingungen Das Fundament einer vereinbarkeitsfreundlichen und gleichstellungsorientierten Personal- politik bilden transparente und fortschrittliche Anstellungsbedingungen sowie gleiche Sozialleistungen für alle Angestellten, unabhängig von Pensum, Geschlecht oder Dienstalter. ”Wir haben die Regelung des bezahlten Pflegeurlaubs mit der Angehörigenpflege ergänzt sowie eine Regelung für einen unbezahlten Urlaub im Personalreglement aufgenommen.” Puracenter AG, Lenzerheide, Savognin, Lain, Valbella und Vilters Fünf Erfolgsfaktoren Wichtige Eckpfeiler hierfür sind u.a. ein klar geregelter und bezahlter Pflegeurlaub im Notfall von kran- ken Kindern und Angehörigen, ein überobligatorischer Mutter- und Vaterschaftsurlaub mit Wiederbe- ”Wir haben unsere Lohnpolitik überarbeitet und sichergestellt, dass die Anforderungen der Lohngleichheit erfüllt sind.” schäftigungsgarantie, der Schutz vor Mobbing und sexueller Belästigung sowie die Kommunikation der Academia Engiadina, Samedan Anstellungsbedingungen, um die Vereinbarkeitsfreundlichkeit im Betrieb zu fördern und sicherzustellen. ”Wir haben unser Personalreglement ergänzt und mit Hilfe der Fachstelle UND in gendergerechter Sprache abgefasst. Durch das Ausarbeiten des Personalreglements sind für „beide Seiten“ klarere Regeln bzw. Verhaltensweisen entstanden.” Bossi Hemmi AG, Tiefencastel ”Neben der grösstmöglichen Flexibilität der Mitarbeitenden in Bezug auf Ziel und Ort, einer guten Einsatz- und Ferienplanung sowie flexiblen Arbeitspensen sind Mutterschaft- und Vaterschaftsurlaub mit unbezahltem Urlaub verlängerbar. Hier wurde die Kommunikation forciert. Ein Systemwechsel in der Lohneinreihung steht noch an.” Mutterschaftsurlaub Transparenz Lohnsystem Lia Rumantscha, Cuira Pflegeurlaub im Notfall Vaterschaftsurlaub ”Wir haben in den Bereichen Lohnpolitik und Organisationsstrukturen und Rahmenbedingungen einige Massnahmen umgesetzt und sind damit sehr zufrieden. Die Mitarbeitenden profitieren nun von fünf Wochen Ferien und einem überobligatorischen Vaterschafts- und Mutterschaftsurlaub. Lohngleichheit ANGEHÖRIGENPFLEGE Im Weiteren haben wir auch ein neues Lohnsystem mit Lohnbandbreiten eingeführt.” Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair AG, Scuol Schutz vor Mobbing und sexueller Belästigung ”Wir haben unsere interne Kommunikation mittels eines digitalen Tools verbessert. Damit ist der Informationsfluss zu allen Mitarbeitenden, insbesondere auch zu den Teilzeitmitarbeitenden, sichergestellt und verbessert worden. Teilzeitmitarbeitende sind dadurch viel besser in unser Team integriert. Mit dem Tool können sich die Mitarbeitenden untereinander sehr gut absprechen. Dadurch hat sich auch der Teamgeist stark verbessert.” Hotel Waldhaus, Sils Maria
14 Familienfreundliches Graubünden 2.0 15 ” 4 Flexible Arbeitspensen Arbeitspensen flexibel der aktuellen Lebensphase und Lebenssituation anpassen zu können, ist eine wichtige Massnahme, um private Verpflichtungen mit dem Erwerbsleben zu vereinbaren. Dank Teilzeit können die Mitarbeitenden aus einer Vielfalt von Familienmodellen und Lebensmodellen wäh- ”Wir sind offener gegenüber flexiblen Arbeitsmodellen geworden. Mittlerweile ist Teilzeit bei den männlichen Mitarbeitenden kein Tabu mehr und auch in Führungspositionen hat sich Teilzeit etabliert. Wir machen durchwegs gute Erfahrungen mit flexibleren Arbeitsmodellen.” Engadiner Kraftwerke, Zernez Fünf Erfolgsfaktoren len. Betriebe profitieren oft von einer grösseren Flexibilität der Mitarbeitenden. Dies ermöglicht etwa, betriebliche Arbeitsspitzen zu überbrücken. Werden Teilzeitmodelle (u.a. Jobsharing) auch in Führungs- ”Wir gewähren unseren Mitarbeitenden bedürfnisgerechte Arbeitspensen, die wir mit ihnen periodisch überprüfen und der aktuellen Situation anpassen. positionen unterstützt und gefördert, gewinnt der Betrieb vielfältiges und dadurch innovativeres Kader. Damit gelingt es uns, qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu halten.” Spitex Oberengadin, ein Betrieb der Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin, Samedan ”In der Geschäftsstelle Thusis arbeiten sieben Frauen und sieben Männer, davon fünf Frauen und sechs Männer in Teilzeit. Die Familienfreundlichkeit sehen wir als Chance, gut ausgebildeten Berufsleuten in einer Randregion attraktive Arbeitsplätze anbieten zu können.” CSD Ingenieure AG, Thusis ”Einige Angestellte haben Wünsche für 60-bis 80%-Anstellungen geäussert. Da ich diese Angestellten nicht verlieren möchte, wurde ihnen dies zugesichert. Das bedeutet wahrscheinlich einen Mehraufwand für die Einteilung der Arbeiten.” Temporäre Arbeitszeitreduktion Bedürfnisorientierte Pensen Teilzeit Poltera Holzbau AG, Tinizong ”Stellen werden gezielt mit Teilzeitoptionen ausgeschrieben. Dadurch beschäftigen wir heute mehr Teilzeitmitarbeitende, darunter auch TOPSHARING junge Mütter. Durch die Anpassung der Pensen ist die Fluktuation deutlich tiefer.” JOBSHARING «do it» AG, Bau und Garten-Center, Chur, Zernez, Punt Müragl und Küblis Flexible Pensenwahl ”Allen unseren Mitarbeiterinnen, die nach der Schwangerschaft wieder zurück an den Arbeitsplatz kommen möchten, werden stets verschiedene Teilzeitmodelle vorgestellt. Dasselbe gilt natürlich auch für Väter.” Merz AG, Chur
16 Familienfreundliches Graubünden 2.0 17 ” 5 Förderung der Vielfalt und weitsichtige Karriereplanung Die Förderung der Vielfalt – Frau-Mann, Vollzeit-Teilzeit, Jung-Alt etc. – auf allen Funktions- stufen in der Personalrekrutierung und Personalentwicklung fördern die Innovation und Kreativität und damit die Konkurrenzfähigkeit des Betriebs. ”Wir setzen uns bewusster und klarer für eine gelebte Vielfalt ein – Frauen in atypischen Berufsfeldern, junge Mütter im Betrieb – und kommunizieren die- sen Wert nach innen und aussen. Dies verschafft uns einen Imagevorteil gegenüber der stärker werdenden Konkurrenz in der Branche.” «do it» AG, Bau und Garten-Center, Chur, Zernez, Punt Müragl und Küblis Fünf Erfolgsfaktoren Mit einer offenen und geschlechtergerecht formulierten Stellenausschreibung kann die Anzahl qualifi- zierter Bewerbungen erhöht werden. Durch eine systematische Förderung der Aus- und Weiterbildung ”Ich habe zwei neue Mitarbeiterinnen eingestellt. Damit möchte ich gegen Aussen zeigen, dass der Schreinerberuf nicht nur „Macher“ von Mitarbeitenden, auch von Teilzeitmitarbeitenden, profitiert der Betrieb von motivierten, langjährigen sondern auch „Macherinnen“ hat.” und qualifizierten Fachkräften. Poltera Holzbau AG, Tinizong ”Wir haben nach der Standortbestimmung gezielt zwei Frauen als Chauffeurinnen ins Team rekrutiert und Teilzeit für zwei Mitarbeiter ermöglicht.” Bossi Hemmi AG, Tiefencastel ”Wir fördern Teilzeit im Kader mit der Absicht, auch Teilzeitmitarbeitenden eine berufliche Perspektive, wie die Übernahme von Kaderfunktionen, zu bieten. Wir unterstützen entsprechend erforderliche Weiterbildungen bei Teilzeitmitarbeitenden.” Teilzeit & Karriere Puracenter AG, Lenzerheide, Savognin, Lain, Valbella und Vilters ”Wir zeichnen uns durch ein international zusammengesetztes Team aus – mit gleichen Anteilen an Frauen und Männern sowie Vollzeit- und vorurteilsfreie Personalselektion Teilzeitmitarbeitenden. Unser Erfolg basiert wesentlich auf dem "Spirit of Zuoz", den wir mit einer Kultur von Offenheit, Toleranz und bedarfsgerechte Weiterbildung Wertschätzung gegenüber unseren Mitarbeitenden pflegen.” Lyceum Alpinum Zuoz VIELFALT Frauen in Führungspositionen ”Unsere Stelleninserate werden neu geschlechtergerecht ausgeschrieben und es werden darin explizit auch Teilzeitmöglichkeiten erwähnt. So konnten wir die Anzahl qualitativ guter Bewerbungen stark erhöhen. Dies hat auch dazu geführt, dass wir eine ausgeschriebene Position durch zwei gut qualifizierte Teilzeitmitarbeitende besetzt haben.” Klinik Gut, St. Moritz und Fläsch
18 Familienfreundliches Graubünden 2.0 19 KMU aus dem Engadin (2018 – 2021) Beteiligte KMU Stiftung Die Stiftung KiBE führt vier Kindertagesstätten im Oberengadin; zwei in Samedan, eine in St. Moritz und Hotel Waldhaus Sils Das Hotel Waldhaus Sils ist ein historisches 5-Sternehotel, das in 5. Generation durch die Gebrüder Clau- KIBE Kinderbetreuung eine in Zuoz. Zudem bietet sie im ganzen Oberengadin Betreuungsplätze in Tagesfamilien an. www.waldhaus-sils.ch dio und Patrick Dietrich in Sils Maria, Oberengadin geführt wird. www.kibe.org 49 Mitarbeitende, 46 Frauen und 3 Männer. 137 Mitarbeitende, 53 Frauen und 84 Männer. Spitex Oberengadin Die Spitex Oberengadin/Engiadin'Ota ist ein privater, politisch und konfessionell neutraler, nichtgewinnori- Academia Engiadina Die Academia Engiadina ist eine Ausbildungsstätte in Samedan im Oberengadin. Das Campus Angebot spitex-oberengadin.ch entierter Verein mit einem öffentlichen Auftrag des Kantons Graubünden sowie der Oberengadiner Kreis- www.academia-engiadina.ch der Academia Engiadina umfasst die Mittelschule, die Höhere Fachschule für Tourismus Graubünden, das gemeinden. Sie betreut im Oberengadin hilfe- und pflegebedürftige Menschen in ihren Privathaushalten. Europäische Tourismus Institut, die Musikschule Oberengadin und das regionale Weiterbildungsprogramm. 36 Mitarbeitende, 34 Frauen und 2 Männer. 95 Mitarbeitende, 47 Frauen und 48 Männer. Klinik Gut Die Klinik Gut ist eine unabhängige, private Klinik mit Sitz in St. Moritz und Fläsch. Sie ist hauptsächlich Lyceum Alpinum Zuoz Das Lyceum Alpinum Zuoz ist eine Schweizer Internatsschule in Zuoz im Oberengadin. Die Schule führt zu www.klinik-gut.ch auf Dienstleistungen in der Orthopädie und Traumatologie ausgerichtet und bietet in diesen Fachgebieten www.lyceum-alpinum.ch internationalen Abschlüssen der Hochschulreife. Angeboten werden die Schweizer Matura, das deutsche professionelle Behandlungs- und Therapieformen an. Abitur und der internationale, in Englisch gehaltene International Baccalaureate. 224 Mitarbeitende, 159 Frauen und 65 Männer. 130 Mitarbeitende, 79 Frauen und 51 Männer. Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair Die Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair AG (TESSVM) ist die touristische Marketing Organi- Engadiner Kraftwerke AG Die Engadiner Kraftwerke AG ist eine 1954 gegründete Kraftwerkgesellschaft und Verteilerin für Elektrizi- www.engadin.com sation für das Unterengadin, Samnaun und Val Müstair. Sie fördert primär national sowie international www.ekwstrom.ch tät. Sie hat ihren Sitz in Zernez im Unterengadin. die Nachfrage nach touristischen Angeboten und Leistungen. Vor Ort ist die TESSVM zudem auch für die 56 Mitarbeitende, 15 Frauen und 41 Männer. Angebotsentwicklung und Gästebetreuung zuständig. 38 Mitarbeitende, 26 Frauen und 12 Männer.
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22 Familienfreundliches Graubünden 2.0 23 KMU aus dem Bündner Rheintal und den Regionen Albula, Surselva und Viamala (2011 – 2017) Bernadette Jörimann, Geschäftsleiterin Spitex Chur, Pflege/Betreuung/Hauswirtschaft – 105 Mitarbeitende (100 Frauen und 5 Männer) Martin Reisinger, Geschäftsleiter Wäscheria Textil Service AG, Textilreinigungsunternehmen in Ilanz, Samedan und Bad Ragaz – 43 Mitarbei- www.spitex-chur.ch ”Familienfreundlichkeit als Voraussetzung, um Fachkräfte in der Organisation zu sichern.” Ilanz, Samedan, Bad Ragaz tende (31 Frauen 12 Männer) www.waescheria.ch ”Wir engagieren uns, damit Frauen sich nicht zwischen Beruf und Familie entscheiden müssen.” Marcel Lenherr, Geschäftsführer Wenzel Metromec AG, Chur, IT-Unternehmen, - 29 Mitarbeitende (4 Frauen und 25 Männer) www.wenzel-metromec.ch ”Bessere Positionierung auf dem Arbeitsmarkt dank Familienfreundlichkeit.” Marcel Bühler, Geschäftsführer Bühler AG, Thusis, Transport & Recycling- 25 Mitarbeitende (3 Frauen, 22 Männer) www.buehler-transport.ch ”Familienfreundlichkeit auf dem Prüfstand und im Vergleich.” Reto Keller, Spitaldirektor Spital Thusis, Gesundheit - 181 Mitarbeitende (140 Frauen und 41 Männer) www.spitalthusis.ch ”Hier stimmt die Work-Life-Balance.” Roni Merz, Geschäftsführer Merz AG, Chur, Bäckerei, Confiserie, Gastro, - 160 Mitarbeitende (Frauen 104, Männer 56) www.merzchur.ch ”Die gelebte Familienfreundlichkeit auf dem Prüfstand.” Benno Bossi, Geschäftsführer Bossi Hemmi AG, Tiefencastel, Transportbranche - 22 Mitarbeitende (4 Frauen und 18 Männer) www.bossi-ag.ch ”Zufriedene Mitarbeitende, die genug Zeit für ihre Familie haben, kommen gerne zur Arbeit, Bruno Zenklusen, Geschäftsführer Puracenter AG Lenzerheide, Detailhandels-und Produktionsunternehmen – 59 Mitarbeitende sind motivierter, leisten mehr.” www.puracenter.ch (47 Frauen, 12 Männer) ”Erfahrungsaustausch über die Branche hinaus.” Corina Schnoz, Geschäftsführerin Spitex Foppa, Ilanz, Pflege/Betreuung/Hauswirtschaft- 33 Mitarbeitende (32 Frauen und 1 Mann) www.spitexfoppa.ch ”Austausch mit verschiedenen Branchen als Chance.” Andrea Simeon, Geschäftsleiterin Stiftung Scalottas, Scharans, Kompetenzzentrum für Menschen mit Behinderung – 201 Mitarbeitende www.scalottas.ch (Frauen 156, Männer 45) Lilo Uber, Assistentin der GF „do it“ AG, Bau- und Garten-Center, Chur, Detailhandel – 46 Mitarbeitende (27 Frauen und 19 Männer) ”Mehr Lebensqualität – das ist unser Motto.” www.doitbaumarkt.ch ”Gelebte Vielfalt.” Lia Rumantscha Lia Rumantscha, Cuira, rätoromanischer Dachverband, – 21 Mitarbeitende (15 Frauen, 6 Männer) Meinrad Poltera, Geschäftsführer Poltera Holzbau AG, Tinizong, Schreinerei/Zimmerei/Holzbau, - 12 Mitarbeitende (2 Frauen, 10 Männer) www.liarumantscha.ch ”Auf dem Prüfstand – eine Analyse durch Aussenstehende.” www.poltera-holzbau.ch ”Macher und Macherinnen im Schreinerberuf.” Manuela Seeli, Leiterin Finanzen & Personal Bus und Service AG, Chur, Mobilitätsdienstleistung im öffentlichen Personenverkehr – 174 Mitarbeitende Stefan Schneider, Geschäftsführer CSD Ingenieure AG, Thusis, Ingenieur- und Beratungsunternehmen, - 12 Mitarbeitende (5 Frauen, 7 Männer) www.churbus.ch (Frauen 31, Männer 143) www.csd.ch ”Work-Life-Balance für den Unternehmenserfolg.” ”Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigern.” Josias F. Gasser, Geschäftsführer Josias Gasser Baumaterialien AG, Chur, Anbieter von Baumaterialien und Holzwerkstoffen, - 124 Mitarbei- www.gasserbaumaterialien.ch tende (26 Frauen und 98 Männer) ”Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Unternehmenskultur.”
24 Familienfreundliches Graubünden 2.0 25 Gelebte Vereinbarkeit ist ein Prozess, der, einmal angestossen, immer weiterentwickelt werden muss. Vier KMU aus der ersten und zweiten Projektgeneration geben Einblicke, wie die Vereinbarkeit bei ihnen Gute Beispiele weiter gelebt und entwickelt wird und wurde. Bus und Service AG, Chur WENZEL Metromec AG, Chur Stiftung Scalottas, Scharans Spitex Foppa, Ilanz
26 Familienfreundliches Graubünden 2.0 27 Welche positiven Resultate konnten Sie aufgrund der damals getroffenen Massnahmen und Ihrer Teilnahme am Projekt feststellen? Wir haben die Massnahmen, die aus der Analyse der Familienfreundlichkeit entwickelt wurden, weitgehend umgesetzt. Bestehende Jahresarbeitszeit Transparenz Lohnsystem Strukturen konnten gefestigt und institutionalisiert werden. So wurde zum Beispiel ein Firmenarbeitsvertrag eingeführt, der den Mit- Frauen in Führungspositionen arbeitenden viele Vorteile bringt, unter anderem eine übersichtliche und abschliessende Zusammenstellung über die Anstellungs- bedingungen. Zudem haben wir unser Lohnsystem in der Zwischenzeit noch transparenter und zeitgemässer gestaltet und direkt mit dem Mitarbeitenden-Gespräch verknüpft. Die Einführung der Jahresdienstplanung lässt die bessere Planung des Privatlebens, (ALTERS)-TEILZEIT BEI PENSIONIERTEN auch mit Schichtarbeitszeiten, zu. Gab es Hürden, welche die geplante Umsetzung von Massnahmen verhindert oder verzögert haben? Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist bei Mitarbeitenden im Schichtdienst noch immer eine Herausforderung. Dank dem Jah- resdienstplan sind die Arbeitstage jedoch bereits anfangs Jahr für die nächsten zwölf Monate bekannt, was die Planung z.B. der Kinderbetreuung sicherlich vereinfacht. Mitarbeitende können kurzfristig auch eine definierte Anzahl Dienste tauschen, etwa wenn unvorhersehbare Arzt-, Familien- oder andere Termine anfallen. Die ehemalige Stadtbus Chur betreibt nebst PostAuto als grösstes Busunter- Welche der damaligen Empfehlungen aus dem KMU-Projekt haben Sie nicht umgesetzt und weshalb? nehmen im Kanton 16 Buslinien, ver- Da Busse rund um die Uhr und an 365 Tagen fahren, konnte die Arbeitszeitflexibilität mit Jahresarbeitszeit nicht umgesetzt werden. schiedene Nachtbuskurse und Bahner- Die Bus AG bietet jedoch andere Möglichkeiten, wie Reduktion des Pensums, Bezug von unbezahltem Urlaub etc., so dass die Mitar- satzfahrten; seit 1995 in und um Chur, beitenden auf Wunsch flexible Arbeitszeiten haben. seit 1999 auch im Oberengadin. Das Unternehmen beschäftigt 174 Mit- Familienfreundlichkeit als Chance, Hat das Projekt Ihrem Betrieb nebst der Auseinandersetzung mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben noch weiteren Nutzen arbeitende, davon 31 Frauen und 143 Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten. gebracht? Für uns war der Austausch mit anderen Firmen, die am Projekt mitgemacht haben, sehr spannend. So konnten gemeinsame The- Männer. 119 Mitarbeitende arbeiten men und Lösungen branchenübergreifend diskutiert werden. Vollzeit, 55 Teilzeit. ”Gemäss unserer Strategie wollen wir uns zu einer professionellen und mo- dernen Mobilitätsdienstleisterin weiterentwickeln. Dies erfordert auch mo- Teilnahme am Projekt Bündner Rheintal derne Arbeitszeitmodelle, die dem heutigen Anspruch an Lebensqualität 2010-2014 gerecht werden und mit dem Privat- und Familienleben kompatibel sind.” Manuela Seeli, Leiterin Finanzen und Personal
28 Familienfreundliches Graubünden 2.0 29 Welche Stärken im Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben haben Sie in Ihrem Betrieb ausgebaut oder durch das Projekt gewonnen? In der Administration arbeiten noch immer zahlreiche Mitarbeitende mit einem Teilzeitpensum und sehr flexiblen Arbeitszeitmo- dellen. Wir freuen uns, dass wir die Teilzeitarbeit auch in anderen Organisationseinheiten etablieren konnten; sie wird auch von Familienvätern mit kleinen Kindern sowie Mitarbeitenden mit zeitintensiven Hobbies gerne in Anspruch genommen. In saisonalen Bereichen unserer Unternehmung, hauptsächlich im Engadin, ist es möglich die Arbeitszeit der Saison anzupassen. Die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit ist so besser gewährleistet und hat sich für beide Parteien bewährt. ” Die Arbeitstage und Arbeitszeiten werden in unserem Team sehr flexibel gehandhabt. Davon profitiere ich enorm. Grundsätzlich arbeite ich an den vereinbarten Wochentagen, hauptsächlich dann, wenn mein Sohn in der Schule ist. Während der Schulferien kann ich das Pensum auf volle Arbeitstage aufteilen. Das erleichtert nicht nur die Betreuung, sondern auch meine Work-Life-Balance ist damit gewährleistet. Im Ge- genzug bin ich ebenfalls flexibel, wenn es das Arbeitsvolumen erfordert. Mir ist wichtig, dass das Geben und Nehmen am Ende des Jahres ausgeglichen ist.” Gewisse vereinbarkeitsfreundliche Massnahmen erfordern eine längere Zeitperiode, bis sie Ihre Wirksamkeit voll entfalten. Haben Sie ” auch solche Massnahmen getroffen? DORIS CLAVADETSCHER Sachbearbeiterin Finanzen | 60%-Pensum Wir haben alle möglichen Massnahmen schon sehr früh im Projekt umgesetzt. Heute – nach fast zehn Jahren – freuen wir uns sehr, alleinerziehend | 1 Kind | 2020 dass zum Beispiel die Teilzeitarbeit in den meisten Unternehmensbereichen möglich ist und auch rege genutzt wird. Sie streben das Prädikat UND der Fachstelle UND mittelfristig an. Was motiviert Sie dazu und welchen Vorteil erhoffen Sie sich davon? Wir können uns die Erlangung des Prädikates UND durchaus vorstellen, wenn uns dadurch in der Wahrnehmung als attraktive Ar- Durch meine Arbeit in der Nachtgruppe ist es mir möglich, mehr Zeit mit beitgeberin Vorteile entstehen. Wir sagen nicht nur, dass die Mitarbeitende unser wertvollstes Gut sind, wir versuchen dies durch meinen zwei kleinen Kindern (6- und 4-jährig) zu verbringen. So kann – neben meinem Vertrauen und offene Kommunikation auch aktiv zu leben und echt gute Anstellungsbedingungen zu bieten. Vielleicht kann uns das 100%-Pensum – auch meine Frau Teilzeit arbeiten.” Prädikat UND hierzu – nebst anderen Bestrebungen – helfen. TEO GIRISKEN FAHRDIENST-MITARBEITER CHUR BUS | 100%-Pensum | verheiratet | 2 Kinder | 2020
30 Familienfreundliches Graubünden 2.0 31 Welche positiven Resultate konnten Sie aufgrund der damals getroffenen Massnahmen und Ihrer Teilnahme am Projekt feststellen? Home-Office Vaterschaftsurlaub Wir stellten eine verbesserte Wahrnehmung der Firma fest. Bewerbende wurden aufgrund der explizit erwähnten und optimierten Arbeitsbedingungen auf uns aufmerksam. Mitarbeitende profitierten von Verbesserungen, weil wir die Arbeitsbedingungen auf die Flexible Arbeitszeiten sich über die Jahre veränderten Bedürfnisse angepasst haben. Mitarbeitende sind zufriedener, was sich in besserer Arbeitsleistung, guter Arbeitsatmosphäre, wenig Fluktuation und entsprechend langjährigen Arbeitsverhältnissen niederschlägt. Lebensarbeitszeit FLEXIBILITÄT PENSUM Gab es Hürden, welche die geplante Umsetzung von Massnahmen verhindert oder verzögert haben? Typische Hürden sind eingefahrene Abläufe oder Denkschemen, die nicht immer einfach zu verändern sind. In der Regel findet man einen Weg, wenn der Wille dazu da ist. Oftmals kommen Bedenken betreffend Kosten der Massnahmen. Dazu gibt es drei Ausprägungen. – Viele wirksame Massnahmen sind mit sehr wenig Aufwand und praktisch ohne Kosten zu realisieren, z.B. unsere Vorteile betreffend Vereinbarkeit ohne Zusatzaufwand und Kosten in Stelleninseraten aufführen. – Verbesserte Leistungen bei Vaterschaft und Mutterschaft oder bei Pflegenotfällen kosten etwas und belasten temporär andere Mitarbeitende. – Eine Verbesserung der Pensionskassenleistungen kann tatsächlich viel kosten. Geplante Verbesserungen können durch wirtschaft- Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein Standortvorteil, liche Probleme oder Krisen verzögert oder verunmöglicht werden. Die WENZEL Metromec AG ist ein Soft- der durch uns selber gestaltet werden kann. warehaus im Bereich der Koordinaten- Welche der damaligen Empfehlungen aus dem KMU-Projekt haben Sie nicht umgesetzt und weshalb? messtechnik und Informatik und ge- ”Als Unternehmung im Bereich der Koordinatenmesstechnik und Informatik Eine Überarbeitung des Vergütungssystems haben wir noch nicht an die Hand genommen. Wir erwarten, dass dies eine grössere hört der deutschen Wenzel Group an. am Standort Chur ist die WENZEL Metromec in ständigem Wettbewerb um Aufgabe ist, deren Umsetzung und Einführung sich über eine längere Zeit erstreckt. Das Unternehmen beschäftigt 29 Mit- gute Mitarbeitende. Wir erkannten, dass Vereinbarkeit von Beruf und arbeitende, vier Frauen und 25 Männer. Familie/Privatleben ein Erfolgsfaktor ist, der uns massgeblich dabei hilft, Wie wurde das Projekt inner- und ausserhalb Ihrer Organisation aufgenommen? die gesuchten Personen zu finden und länger in unserer Firma zu halten. Mitarbeitende haben das Projekt nach anfänglicher Skepsis gut aufgenommen. Sie haben schnell gemerkt, dass es um die Verbesse- Teilnahme am Projekt Bündner Rhein- Und: Anders als gewisse Standortfaktoren, kann die Vereinbarkeit weitge- rung ihrer Arbeitsbedingungen geht. Auch die Führungskräfte haben nach anfänglichem Zögern gut mitgearbeitet. Die professionel- tal 2011-2014 hend durch uns selber gestaltet werden.” le, praxis- und lösungsorientierte Betreuung durch die Fachstelle UND hat dabei mitgeholfen. Wir konnten mehrere Mitarbeitende Marcel Lenherr, Geschäftsführer und Entwicklungsleiter anstellen, die die Vereinbarkeit bei uns als wichtiges Kriterium gewertet haben. Durch die Teilnahme am Projekt sind auch Exponen- tinnen und Exponenten aus der lokalen Politik auf unsere Firma aufmerksam geworden.
32 Familienfreundliches Graubünden 2.0 33 Hat das Projekt Ihrem Betrieb nebst der Auseinandersetzung mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben noch weiteren Nutzen gebracht? Das Projekt hat sicherlich bewirkt, dass gewisse Regelungen und Abläufe kritisch betrachtet und überdacht wurden, die sich im Tagesgeschäft über die Jahre zementiert haben und so nicht mehr zeitgemäss waren. Ein interessanter Nebennutzen war, in der Projektgruppe Vertreter aus völlig anderen Branchen kennen zu lernen und durch den Austausch neue oder andere Lösungsansätze zu erfahren, wobei sich einige Idee auf unseren Betrieb übertragen liessen. ” Es herrscht ein sehr gutes Betriebsklima intern, was eine hervorragende Basis ist für ein ausgeglichenes Berufs- und Privatleben. Viele der Kollegen sind sportlich unterwegs, und durch flexible Arbeitszeit und das Verständnis untereinander ist es kein Problem, sich auch kurzfristig für Frei- zeitaktivitäten ein paar Stunden oder mehr frei zu nehmen. Diese Spontanität erlaubt es auch, mal eben ins Homeoffice zu wechseln, weil sich z.B. ein Handwerker Gewisse vereinbarkeitsfreundliche Massnahmen erfordern eine längere Zeitperiode, bis sie Ihre Wirksamkeit voll entfalten. Haben Sie angemeldet hat oder das Kind auch solche Massnahmen getroffen? krank wurde.” ” Auf Wunsch der Mitarbeitenden haben wir das Arbeitszeitmodell in Richtung höhere Sollarbeitszeit mit mehr Ferien verändert. Durch ein neues Anerkennungssystem für Dienstjahre mit zusätzlichen Ferientagen profitieren Mitarbeitende bereits ab fünf Jahren CHRISTINA SCHNEEBAUER | Softwareentwicklerin Betriebszugehörigkeit. Die Identifikation mit der Firma und die Zufriedenheit ist damit gestiegen, ebenso die Dauer der Betriebszuge- hörigkeit. Aktuell liegt sie im Mittel bei 14,6 Jahren, obwohl das Team laufend durch neue Mitarbeitende ergänzt wird. Sie streben das Prädikat UND der Fachstelle UND mittelfristig an? Was motiviert Sie dazu und welchen Vorteil erhoffen Sie sich davon? Bei meiner Bewerbung war es mir sehr wichtig, Wir streben mittelfristig das Prädikat UND an, um einige Jahre nach dem Projekt «Familienfreundlichkeit als Erfolgsfaktor» wieder dass die künftige Arbeitgeberin Wert auf eine gute Vereinbarkeit von Beruf und einen Schritt vorwärts zu kommen und uns weiter zu entwickeln. Wir sind überzeugt, dass wir uns damit noch besser als zukunfts- Privatleben legt. Dadurch, dass man in dieser Firma bereits seit über 20 Jahren orientierte, Top-Arbeitgeberin positionieren können. Unseren Mitarbeitenden wollen wir Arbeitsplätze bieten, in denen sie sich gut Home-Office machen konnte, war es für mich klar,dass die Firma WENZEL Metromec entwickeln können, sich in verschiedenen Lebensphasen wohlfühlen, motiviert die bestmögliche Leistung bringen, sich mit der AG die erste Wahl war, da diese Firma sehr viel für dieses Thema macht und den Firma identifizieren und ihr lange treu bleiben. Mitarbeitenden viele Freiheiten lässt, wie diese den Arbeitstag gestalten.” MARIO SCHÜTZ | Softwareentwickler
34 Familienfreundliches Graubünden 2.0 35 Topsharing Teilzeit in Führung Teilzeit bei Männern Was hat Sie dazu bewogen, sich am Projekt «Familienfreundlichkeit als Erfolgsfaktor» des Kantons Graubünden zu beteiligen? Frauen in Führungspositionen Neugierde, vertiefter Blick, Sensibilisierung auf die Thematik, Austausch mit anderen Betrieben und der Umstand, dass die Stiftung Scalottas als familienfreundlicher Betrieb wahrgenommen wird. Wir wollten eine fachliche Einschätzung von aussen erhalten. PRÄDIKAT UND Welche positiven Resultate konnten Sie aufgrund der damals getroffenen Massnahmen und Ihrer Teilnahme am Projekt feststellen? Unbezahlte Urlaube werde auch in kürzeren Zeiteinheiten beantragt und bewilligt. Diese sind bis zu einem Jahr möglich. Der Mut- terschaftsurlaub wird mit unbezahltem Urlaub verlängert. Erfahrungsjahre, insbesondere in der Familienarbeit, werden bei der Lohnberechnung einbezogen. Die Stiftung Scalottas ist ein Mit werdenden Müttern und Vätern werden Mitarbeitende-Gespräche geführt und Wiederbeschäftigungsvereinbarungen getroffen. Kompetenzzentrum für Menschen Die Vorgehensweise wurde mit einem Formular klar strukturiert. mit Behinderungen. Auf zwei Kinder- wohngruppen werden zwölf Kinder Teilzeit in Führungsfunktionen wurde ermöglicht und wird gelebt. Dadurch konnten wir fachlich gut qualifizierte Mitarbeitende und auf zehn Wohngruppen werden Karriere für Männer und Frauen in Teilzeit möglich. halten, insbesondere Mütter. Zurzeit gibt es zwei Beispiele von Jobsharing: 50 und 70 Prozent in der Gruppenleitung mit Personal- rund 75 Erwachsene betreut. Die führungsaufgaben und eine Leitungsstelle mit zwei 70-Prozent-Pensen. Personen erhalten Pflege, Therapie ”Teilzeit wird mittlerweile auch vermehrt von Männern genutzt. Da Teilzeit sowie Schulung und Beschäftigung. bei uns sehr etabliert und akzeptiert ist, können Männer bei uns ohne Gab es Hürden, welche die geplante Umsetzung von Massnahmen verhindert oder verzögert haben? Wenn ja: aus welchen Gründen? allfällige Stigmatisierung oder Karriereängste nach ihrem Wunschpensum Die Massnahmen sind zeitweise durch den Todesfall des früheren Geschäftsleiters zum Stillstand gekommen und hatten zeitweise Die Stiftung Scalottas beschäftigt arbeiten. 21 der 49 Männer bei der Stiftung Scalottas arbeiten Teilzeit. Da- keine Priorität. 214 Mitarbeitende, 49 Männer und mit liegt der Teilzeitanteil bei den Männern mit 43 Prozent deutlich über dem 165 Frauen. schweizweiten Durchschnitt von 18 Prozent. Die Stiftung Scalottas fördert Teilnahme am Projekt Regio Surselva, Teilzeit auf allen Funktionsstufen. So ist bei der Stiftung Scalottas auch eine Mittelbünden, Viamala 2015-2017 Karriere mit Teilzeit möglich.” Andrea Simeon, Geschäftsleiterin
36 Familienfreundliches Graubünden 2.0 37 Welche Stärken im Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben haben Sie in Ihrem Betrieb ausgebaut oder durch das Projekt gewonnen? Teilzeitmodelle wurden weiter gefördert. Insbesondere wird Teilzeit auch von Männern wahrgenommen. Wir haben gute Erfahrun- gen mit Jobsharing gemacht. Diese Modelle ermöglichen auch Teilzeit in Führungspositionen wahrzunehmen. Damit konnten wir gut qualifizierte Fachpersonen im Betrieb halten. Die Vertretung beider Geschlechter in Führungspositionen konnten wir weiter festigen. Wir haben zurzeit 16 Frauen (80 Prozent) und vier Männer (20 Prozent) im Kader. Dieses Geschlechterverhältnis entspricht auch demjenigen des gesamten Teams. ” Die Arbeitstage, an denen ich im Betrieb präsent bin, habe ich so gewählt, dass ich an den für mich relevanten Sitzungen dabei bin, aber auch dass dies mit der Unterbringung meiner Tochter vereinbar ist. So ist daraus eine Win-Win-Situation für den Betrieb aber auch für mich als Mutter und Führungskraft entstanden.” NATASCHA BALESTRA | Bereichsleiterin Fachdienste ” Die Offenheit für Lösungen, welche die Vereinbarkeit der Mitarbeitenden verbessert, wurde gesteigert. Es fand eine Sensibilisierung in diesem Thema beim Kader statt. Die Kultur des Gebens und Nehmens wird stark gefördert. Für administrative Aufgaben ermöglichen wir auch Home-Office. Die technischen Voraussetzungen dafür wurden geschaffen und konnten in der Corona-Krise vermehrt genutzt werden. Auch wenn es in unserem Bereich nur eingeschränkt möglich ist. Bei meiner Anstellung informierte ich mich, über die Möglichkeit, dass Sie streben das Prädikat UND der Fachstelle UND mittelfristig an? Was motiviert Sie dazu und welchen Vorteil erhoffen Sie sich davon? ich ein Mal wöchentlich meinem Hobby am Abend nachgehen kann, da dies mir als Die Fachstelle UND hat im 2019/2020 ihr Arbeitsmodell und den Prädikatsprozess überarbeitet. Wir haben uns dazu entschieden, guter Ausgleich dient und ich es beibehalten wollte. Zudem kann ich bei der als Pilotbetrieb den neuen Prädikatsprozess zu durchlaufen und unsere Erfahrungen einzubringen. Wir möchten mit dem Erwerb Stiftung Scalottas meine Zeit mit der Familie optimal gestalten.” des Prädikats UND unsere Vereinbarkeitsfreundlichkeit sowohl nach innen wie auch nach aussen besser zeigen können. MICHAEL SGIER | Gruppenleiter
38 Familienfreundliches Graubünden 2.0 39 Bedürfnisgerechte Arbeitszeitmodelle Transparenz Lohnsystem KOMMUNIKATION Was hat Sie 2014 dazu bewogen, sich am Projekt «Familienfreundlichkeit als Erfolgsfaktor» des Kantons Graubünden zu beteiligen? Einsatzplanung mitgestalten Wir sahen noch Verbesserungspotential, weil in unserer Branche von den Mitarbeitenden eine hohe Flexibilität gefordert wird. ARBEITEN 4.0 Geben und Nehmen Welche positiven Resultate konnten Sie aufgrund der damals getroffenen Massnahmen und Ihrer Teilnahme am Projekt feststellen? Als grundsätzlichen Erfolg konnten wir aufzeigen, dass trotz der in der Branche geforderten hohen Flexibilität Beruf und Familie/ Privatleben mit den umgesetzten Massnahmen gelebt werden können. Mit fixen Arbeitstagen konnten wir eine Mitarbeiterin halten, die bereits gekündigt hatte, weil wir eine Lösung für die Verein- barkeit mit einer Teilzeit-Ausbildung aufzeigten. Wichtig ist dabei, dass die Mitarbeiterin flexibel einspringen kann und dass das Team akzeptiert, dass fixe Arbeitstage nicht für alle möglich sind. Als Kompensation für eine mehr gearbeitete Stunde pro Woche Die Spitex Foppa ist eine ambulante können die Mitarbeitenden eine zusätzliche Ferienwoche nehmen. Fallen doch Minusstunden an, kann die bereits eingegebene Leistungserbringerin im Gesundheits- Zusatzwoche als unbezahlter Urlaub genommen werden. Das gibt für beide Seiten Sicherheit bei der Ferienplanung. Wir haben bereich in der unteren Region derSur- unsere Werte und Haltungen in einem Code of Conduct verschriftlicht und zwei externe Ansprechpersonen für die Mitarbeitenden selva. Sie ist ein nicht gewinnorien- bei betrieblichen und persönlichen Problemen eingerichtet, für letztere ohne Auskunftspflicht gegenüber der Geschäftsleitung. tierter Verein. Die Trägerschaft setzt Die Beratungskosten werden von uns übernommen. Wir unterstützen die Mitarbeitenden proaktiv, die Ruhezeiten einzuhalten und sich aus den umliegenden Gemein- Selbstsorge zu tragen. Bei Übergriffen durch betreute Personen steht der Schutz unserer Mitarbeitenden an erster Stelle. Diese den zusammen. klare Haltung wird geschätzt und trägt zu einer positiven Langzeit-Wirkung bei. 33 Mitarbeitende, davon 32 Frauen und 1 Mann ”Als grundsätzlichen Erfolg konnten wir aufzeigen, dass trotz der in der Branche geforderten hohen Flexibilität Beruf und Familie/Privatleben mit Gab es Hürden, welche die geplante Umsetzung von Massnahmen verhindert oder verzögert haben? Teilnahme am Projekt Regio Surselva, den umgesetzten Massnahmen gelebt werden können.” Gutes Tun und darüber reden steckt noch etwas in den Kinderschuhen. Aber wir haben den Effekt gespürt, dass wir seit der Projekt- Mittelbünden, Viamala 2015-2017 Corina Schnoz, Geschäftsleiterin teilnahme mehr Blindbewerbungen erhalten, was angesichts des Fachkräftemangels in unserer Branche sehr positiv ist.
40 Familienfreundliches Graubünden 2.0 41 ” Welche Stärken im Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben haben Sie in Ihrem Betrieb ausgebaut oder durch das Projekt gewonnen? Die Vereinbarkeit der Arbeit mit dem Privatleben hat bei der Spitex einen hohen Stellenwert, damit gute Arbeit geleistet werden kann. Durch das Projekt wurden eine vereinbarkeitsfreundliche Kultur und Personalpolitik gefestigt. Der Informationsfluss, insbesondere für Teilzeitmitarbeitende, konnte durch den digitalisierten Arbeitsprozess massiv verbessert werden. Durch die neu digitalisierte Einsatzpla- nung und Abtauschmöglichkeiten können die privaten Bedürfnisse der Mitarbeitenden besser berücksichtigt werden. Jährlich werden Da ich neben meiner Arbeit als Pflegefachfrau künstlerisch die Mitarbeitenden darüber informiert, wie sich der Lohn zusammensetzt, wie er sich entwickelt, ob und weshalb es eine Lohnerhö- tätig bin und neu dazu noch eine Ausbildung in Angriff nehmen wollte, sah ich keine hung gibt oder nicht. Externe Weiterbildungen werden individuell und unabhängig vom Pensum unterstützt. Wir haben transparente Möglichkeit dies mit den unregelmässigen Diensten zu vereinbaren. Als mir und fortschrittliche Anstellungs- und Arbeitsbedingungen vorangetrieben, etwa Regelung für unbezahlten Urlaub, der grundsätzlich meine Vorgesetzte anfangs 2018 in einem Gespräch dann regelmässige Arbeitstage immer möglich ist, für die Gewährung eines bezahlten notfallmässigen Pflegeurlaubes von drei Tagen pro Fall – das gilt auch für nicht vorschlug, öffnete sich mir sozusagen eine Türe. Ich arbeite nun seit 2018 im gleichen Haushalt lebende Angehörige – oder ein Zeitfenster für das Abpumpen oder Stillen, unter Gutschreibung von Arbeitszeit Teilzeit an fixen Tagen und kann so, trotz Ausbildung, den Beruf weiter ausführen, der unabhängig vom Arbeitspensum. Und nicht zuletzt bieten wir Teilzeitmöglichkeiten zwischen 20 bis 90 Prozent an. mir sehr Freude macht. Wenn der Betrieb Not an ‘Frau’ hat, fragen sie mich an für einen Extra-Einsatz. Umgekehrt kann es bei mir auch Besonderheiten geben z.B. mit Seminaren meiner Ausbildung. Also eine Win-win-Situation für beide Seiten. Gewisse vereinbarkeitsfreundliche Massnahmen erfordern eine längere Zeitperiode, bis Sie Ihre Wirksamkeit voll entfalten. Haben Sie auch Daneben habe ich nun ganz viel Spielraum, um Tage für die Kunst, solche Massnahmen getroffen? Ausbildung und Privatleben zu planen und zu leben.” Unsere vereinbarkeitsfreundliche Personalpolitik hat dazu geführt, dass die Fluktuation gesunken ist. Wir konnten die Mitarbei- tenden an den Betrieb binden. Die Krankheitstage sind in den vergangenen drei Jahren gesunken. Dadurch konnten unsere Perso- URSINA STILLI | Pflegefachfrau Spitex, 2018 nalkosten gesenkt werden. Auch die Attraktivität nach aussen scheint gestiegen zu sein. Es gibt vermehrt Blindbewerbungen von qualifizierten Fachpersonen, dies trotz Fachkräftemangel in der Branche.
42 Familienfreundliches Graubünden 2.0 43 Erfahrungsbericht Die langjährige Erfahrung der Fachstelle UND zeigt, dass der Nutzen einer vereinbarkeitsfreundlichen Die Erkenntnisse aus den Checks wurden anschliessend an Runden Tischen mit den anderen Personalpolitik für Betriebe vielfältig ist. Mitarbeitende sind motivierter, können länger gehalten werden teilnehmenden KMU geteilt und erste Erfahrungen ausgetauscht. Über 100 Einzelmassnahmen und kehren öfters wieder zurück. Die Vielfalt im Team – Mann/Frau, Teilzeit/Vollzeit, jung/alt, etc. – kann wurden durch die teilnehmenden Betriebe umgesetzt – stets massgeschneidert auf die Bedürfnis- erhöht und so die betriebliche Produktivität nachweislich positiv beeinflusst werden. Die Personalkosten se und Möglichkeiten der Betriebe. Die Rückmeldungen der KMU zeigen, dass die Förderung der lassen sich langfristig senken und die Attraktivität als Arbeitgeberin kann sowohl nach aussen wie nach Vereinbarkeit ein Erfolgsfaktor für KMU ist. innen gesteigert werden. Betriebe sind einem steten Wandel ausgesetzt. Sei dies gesellschaftlich, wirtschaftlich, gesundheitspo- litisch oder innerbetrieblich verursacht. KMU mit beschränkten finanziellen und personellen Ressour- cen sind in solchen Situationen besonders auf motivierte, zuverlässige und loyale Mitarbeitenden ange- wiesen. Sie sind oft das wichtigste «Gut» in einer KMU. Für KMU ist es deshalb wichtig, die betriebliche Vereinbarkeitsförderung strategisch mit gezielten Massnahmen im Betrieb zu verankern. Dies war das Ziel der drei im Kanton Graubünden durchgeführten KMU-Projekte. In den drei Projekten wurden mit den teilnehmenden Betrieben individuelle Checks durchgeführt. Analyse Betriebsdokumente / Fokusgespräch mit Gespräch mit CEO/HR Erhebung Personalkennzahlen Führungskräften/ Mitarbeitenden Ergebnisbericht Massnahmenplan Ablauf KMU-Check • Analyse Führungskultur • Personalrechtliche • kulturelle Analyse • Situationsanalyse • Beratung • Sensibilisierung Rahmenbedingungen • Stärken / Herausforderungen • Empfehlungen Massnahmen • Unterstützung Umsetzung Massnahmen • prozessuale Analyse • strukturelle Analyse • Wünsche / Ideen zur • Stärken / Herausforderungen Optimierung
44 Familienfreundliches Graubünden 2.0 45 Arbeitsmodell Seit 25 Jahren berät die Fachstelle UND Unternehmen und Organisationen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und den anderen Lebensinhalten sowie der Gleichstellung von Frau und Mann. Wir führen Betriebsanalysen, Mitarbeitendenbefragungen und Workshops durch und präsentieren die Ergebnisse und konkrete Empfehlungen. Mittels Coaching der Entscheidungsträger, Umsetzungs-Workshops sowie Tipps und diversen Hilfsmitteln/Instrumenten erfolgt eine praxisnahe Unterstützung bei der Erarbeitung und Umsetzung von zielführenden Massnahmen. Basis für unserer Analyse- und Beratungstätigkeit ist unser Modell UND. Es gründet auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und unserer langjährigen Praxiserfahrung. Die Kernaussagen: • Vereinbarkeit ist das Mass dessen, wie gut die fünf Lebensinhalte Soziale Beziehungen, Haushalt, Ich, Beruf, Gemeinwohl in Einklang stehen. Sie bemisst sich individuell und ist dynamisch. • Die Förderung der Vereinbarkeit spielt sich auf den drei Handlungsebenen: Individuum, Organisation/Unternehmen und Gesellschaft/Staat ab. • Sechs Einflussfaktoren: Zeit, Geld, Ort, instrumentelle und emotionale Unterstützung, Verankerung wirken limitierend oder unterstützend auf die Vereinbarkeit. • Die Förderung der Vereinbarkeit setzt die Gleichstellung von Frau und Mann voraus und begünstigt diese gleichzeitig. Die Organisationen/Unternehmen gestalten über ihre Strategie, Struktur, Kultur und Prozesse die Verein- Abbildung Arbeitsmodell Fachstelle UND barkeit ihrer Mitarbeitenden.
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