Familienmobilität im Alltag - Herausforderungen und Handlungsempfehlungen - Quartier 2030

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Familienmobilität im Alltag - Herausforderungen und Handlungsempfehlungen - Quartier 2030
Familienmobilität im Alltag

Herausforderungen und Handlungsempfehlungen

                                              Familienmobilität   1
Familienmobilität im Alltag - Herausforderungen und Handlungsempfehlungen - Quartier 2030
2   Familienmobilität
Familienmobilität im Alltag - Herausforderungen und Handlungsempfehlungen - Quartier 2030
Inhalt

1. Familienmobilität – eine tägliche Herausforderung
Zur politischen Relevanz von Familien und ihrer Mobilität ................................................................. 5

2. Vielfältige Familien – vielfältige Aufgaben
Wissenswertes zur Alltagsmobilität von Familien in Deutschland .................................................... 9

Familien unterwegs: wer, wie oft, mit wem, wozu? ................................................................................. 11

Was Familien heute bewegt ............................................................................................................................. 17

Familien-Portraits ............................................................................................................................................... 19

3. Handlungsoptionen und Empfehlungen
Wie die Mobilität von Familien erleichtert werden kann ..................................................................... 23

Strategische Handlungsempfehlungen ....................................................................................................... 25

Praxisbeispiele ...................................................................................................................................................... 29

Handlungsempfehlungen nach Akteursgruppen .................................................................................... 35

Zum Weiterlesen .................................................................................................................................................. 36

Zusammenfassung .............................................................................................................................................. 37

Impressum ............................................................................................................................................................. 38

                                                                                                                                                                             Familienmobilität   3
Familienmobilität im Alltag - Herausforderungen und Handlungsempfehlungen - Quartier 2030
4   Familienmobilität
Familienmobilität im Alltag - Herausforderungen und Handlungsempfehlungen - Quartier 2030
1. Familienmobilität –
		 eine tägliche Herausforderung
		 Zur politischen Relevanz von Familien und ihrer Mobilität

                                                               Familienmobilität   5
Familienmobilität im Alltag - Herausforderungen und Handlungsempfehlungen - Quartier 2030
Einleitung

­ amilienpolitik ist heute wichtiger denn je. Denn einer-
F                                                                                  Aktivitäts- und Mobilitätsmuster aus. Die daraus entste-
seits geht die Anzahl der Fa­m ilien zurück – unsere Gesell-                       henden Anforderungen im Alltag nehmen trotz viel-
schaft altert, die Haushalte werden kleiner. Andererseits                          fältiger technischer Erleichterungen zu: Immer mehr
sind Familien die Keimzelle der Gesellschaft: im Sinne                             Mütter sind erwerbstätig, die Erwerbsbiografien werden
der biologischen Reproduktion, im Sinne von wirtschaft-                            lückenhafter und unbeständiger, Schulstandorte werden
licher und sozialer Innovation, die vor allem von jungen                           geschlossen, Einzelhandel und Dienstleister werden zen-
Menschen ausgeht, und im Sinne der Sozialisation von                               tralisiert, Kinder haben immer ausgefeiltere Tages- und
Kindern, der Gestaltung gesellschaftlicher Werte und                               Wochenpläne voller Aktivitäten.
Normen.
                                                                                   Doch nicht nur das Familienleben hat sich verändert. In
Der Begriff Familie ist dabei weniger fassbar denn je. Das                         den letzten Jahren sind in vielen deutschen Großstädten
alte Bild der Kernfamilie – verheiratetes Paar mit Kindern                         neue Verkehrsangebote und neue Verkehrsanbieter
und einer klaren Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau                             auf den Markt getreten, die z. B. stationsunabhängiges
– ist abgelöst worden von großer Vielfalt. „Familie ist, wo                        Carsharing, Leihfahrräder und Leih-Pedelecs, inner-
Kinder sind“: Patchworkfamilien, Alleinerziehende, von                             städtischen Fahrradgütertransport oder Mobilitätskarten
ihren Kindern getrennt lebende Elternteile, multilokale                            zur integrierten Nutzung verschiedener Verkehrsange-
Familien, Regenbogenfamilien, … Auch in der (scheinba-                             bote bieten. In mehreren ländlichen Räumen Deutsch-
ren) Normalfamilie alten Typs haben sich Geschlechterar-                           lands wird hingegen derzeit neben der Ausweitung von
rangements und Arbeitsteilung geändert.                                            flexiblen ÖPNV-Angeboten die Verknüpfung von privaten
                                                                                   Mitfahrten oder Pedelecs als Zubringer zu gut vertakteten
In diesem Zusammenhang spielen Mobilität, alltägliche                              Schnellbuslinien getestet. Noch ist allerdings unklar, wie
Aktivitäten und Zeitbudgets eine wichtige Rolle. Familien                          diese neuen Angebote in Stadt und Land gestaltet sein
zeichnen sich durch besonders komplexe, zeitlich, räum-                            könnten und müssten, um auch Familien gezielt anzu-
lich und personell auf vielfache Weise verflochtene                                sprechen und zu entlasten.

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                                                Familienmobilität
                                                                                     eich
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                                                            Zei

Familien im Spannungsfeld der verschiedenen Anforderungen

6    Familienmobilität
Familienmobilität im Alltag - Herausforderungen und Handlungsempfehlungen - Quartier 2030
Die politische Bedeutung der Familie zeigt sich in der       Mit dieser Broschüre möchten wir die Kernergebnisse des
Demografiestrategie der Bundesregierung (BMI 2013) und       Projekts einer breiten Fachleserschaft zugängig machen
in den regelmäßigen Familienberichten, in denen aktuell      und insbesondere regionale Entscheidungsträger und
das Thema Familienzeit zum Kerngegenstand gemacht            Entscheidungsträgerinnen ermutigen, gemeinsam mit
wird (BMFSFJ 2012). Dennoch werden Familien sowohl in        den Familien vor Ort zukünftige Mobilitätsoptionen zu
der Mobilitätsforschung als auch in der Verkehrspolitik      entwickeln.
und Verkehrsplanung häufig übersehen. Auch Verkehrs-
unternehmen und Carsharing-Anbieter gehen meist nicht        Wir danken herzlich allen Mitwirkenden, insbesondere
auf Familien als eigene Zielgruppe ein. Vor diesem Hinter-   den Familien, die uns im Rahmen von Interviews einen
grund hat das BMVI ein Forschungsprojekt zur Mobilität       Einblick in ihren Alltag gewährten und den Expertin-
von Familien durchgeführt (Dezember 2013-Juli 2015).         nen und Experten, die uns mit Ihrer Expertise wertvolle
Die Ziele des Projekts waren:                                Anregungen mit auf den Weg gegeben haben. Und wir
                                                             wünschen allen, die in diesem vielfältigen Themengebiet
1. eine breite quantitative und qualitative Informations-    tätig sind, weiterhin viel Erfolg!
   basis darüber zu schaffen, wie Familien im Alltag
   unterwegs sind, um
2. ein Bewusstsein über die Bedeutung von Mobilität im
   Alltag von Familien zu schaffen und
3. Handlungsempfehlungen zu entwickeln, wie Familien
   von Mobilitätszwängen und zeitlichen Zwängen
   entlastet werden können.

                                                                                                Familienmobilität      7
Familienmobilität im Alltag - Herausforderungen und Handlungsempfehlungen - Quartier 2030
Schon gewusst …?

    Fast 70% der Arbeitswege von        25% der Wege zur Schule bzw.                           39% der Mädchen werden in der
     Eltern werden mit dem Pkw          Ausbildungsstätte werden von                       Grundschulzeit von Vater und/oder Mutter
            zurückgelegt.                Kindern und Jugendlichen als                         begleitet, aber nur 32% der Jungen.
                                        Mitfahrer im Auto zurückgelegt.

                                                                                       97,7% aller Paarhaushalte mit Kindern verfügen
                                                                                      mindestens über einen Pkw im Haushalt, aber nur
                                                                                                75,9% der Alleinerziehenden.

Ein Drittel der in Großstädten leben-
 den Eltern nutzt im Alltag Pkw, ÖV
 und Fahrrad im multimodalen Mix.

                                                      Mütter führen mehr als doppelt so
                                                      viele Begleitwege durch wie Väter.

                                          5 km
                                          4 km
                                          3 km
                                          2 km
                                          1 km
                                          0 km

                                                     Alleinerziehende unternehmen durchschnittlich
                                                     4,2 Wege pro Tag, Eltern in Paarhaushalten 3,7
                                                     Wege pro Tag, Paare (im Elternalter) ohne Kinder
                                                     3,2 Wege pro Tag.

8     Familienmobilität
Familienmobilität im Alltag - Herausforderungen und Handlungsempfehlungen - Quartier 2030
2. Vielfältige Familien –
   vielfältige Aufgaben
  Wissenswertes zur Familienmobilität im Alltag
Familienmobilität im Alltag - Herausforderungen und Handlungsempfehlungen - Quartier 2030
Um die Alltagsmobilität von Familien differenziert zu                  Die häufigste Herausforderung im Familienalltag ist der
betrachten, wurde eine Typisierung gewählt, die den                    hohe Betreuungsaufwand. In knapp der Hälfte der Fami-
besonderen Herausforderungen von Familien Rechnung                     lien lebt mindestens ein Kind, das jünger ist als 10 Jahre
trägt. Hierzu wurden vier Situationen bestimmt, die für                und demzufolge intensiv betreut werden muss (Typen 4,
die Alltagsgestaltung und Mobilität der Familien eine                  6, 8, 9, 10, 11). Bei etwa der Hälfte dieser Familien treten
besondere Herausforderung darstellen. Diese sind:                      keine weiteren Herausforderungen auf (Typ 4).
   Umfangreiche Erwerbstätigkeit der Eltern (beide
   Elternteile Vollzeit erwerbstätig bzw. alleinerziehend              Wichtige Ziele zur Gestaltung des alltäglichen Lebens
   und Vollzeit erwerbstätig)                                          sind für immerhin 26% der Familien schwer erreichbar
   Geringes Haushaltseinkommen (Unterschreiten von                     (Typen 3, 5, 7, 9, 10 und 11). In 21 % der Familienhaushalte
   60% des Medians des Netto-Äquivalenzeinkommens)                     sind die Zeitbudgets durch umfangreiche Erwerbstätig-
   Schlechte Erreichbarkeit wichtiger Ziele vom Wohn-		                keit der Eltern geprägt (Typen 1, 5, 6 und 10). Knapp 11%
   standort aus (gewichtete fußläufige Erreichbarkeit von              aller Familien verfügen über ein geringes Einkommen
   Einkaufs- und Freizeitgelegenheiten sowie ÖPNV)                     (Typen 2, 7, 8 und 11). Bei einem Viertel der Familien (27%)
   Hoher Betreuungsbedarf (mindestens ein Kind unter                   überlagern sich zwei oder mehrere der vier definierten
   10 Jahren im Haushalt).                                             Herausforderungen. So findet sich die am häufigsten
                                                                       auftretende Kombination (schlechte Erreichbarkeit und
Die folgenden Auswertungen beziehen sich schwer-                       hoher Betreuungsbedarf) bei 9% der Familienhaushalte.
punktmäßig auf die Studie „Mobilität in Deutschland“
(MiD) von 2008. Einige Grundauswertungen wurden                        Während etwa jeder Vierte der Paarhaushalte mit
parallel auch mit dem Deutschen Mobilitätspanel (MOP;                  Kind(ern) keine der hier betrachteten Herausforderungen
2002–2012) unternommen. Bei den Analysen wurden nur                    aufweist, trifft dies nur für ein Fünftel der Alleinerziehen-
diejenigen Haushalte als Familien betrachtet, in denen                 den zu. Alleinerziehende sind deutlich häufiger in um-
mindestens ein minderjähriges Kind lebt (denn Haushalte                fangreichem Maße erwerbstätig als Eltern in Paarfamilien
mit ausschließlich erwachsenen Kindern lassen sich in                  (35% gegenüber 19%). Zudem verfügen 25% der Alleinerzie-
den Datensätzen nicht von Wohngemeinschaften oder                      henden über ein niedriges Einkommen, während dies bei
anderen Erwachsenenhaushalten unterscheiden).                          Paarhaushalten mit Kind(ern) nur für 10% zutrifft.

           Familien mit ...                                       Anteil an den Haushalten in %
           umfang-
           reicher                    schlechter   hohem                                                  Paare
           Erwerbs-      geringem     Erreich­     Betreuungs­-   Allein­        Paar­       Alle         ohne
     Typ   tätigkeit     Ein­kommen   barkeit      bedarf         erziehend      familie     Familien     Kind(er)         Singles
       1   x                                                            16,8          8,4           9,1          19,4            52,7
       2                 x                                              11,2          3,4           4,1              8,3         13,0
       3                              x                                  6,1          9,1           8,8          14,6                2,7
       4                                           x                    11,7         26,8          25,5
       5   x                          x                                  4,4          2,9           3,0              6,0         14,7
       6   x                                       x                    10,2          5,9           6,2
       7                 x            x                                  3,6          1,6           1,8              3,1             3,0
       8                 x                         x                     8,0          3,0           3,4
       9                              x            x                     2,7          9,4           8,8
     10    x                          x            x                     3,6          2,0           2,2
     11                  x            x            x                     1,9          1,4           1,5
     12                                                                 19,7         26,1          25,6          48,7            13,9
                                                                       100,0        100,0         100,0         100,0           100,0

Häufigkeit und Kombination von Familiensituationen mit besonderen Herausforderungen
Anteil an den jeweiligen Haushalten. Quelle: eigene Analysen. Daten: MiD 2008.

10    Familienmobilität
Familien unterwegs:
Wer, wie oft, mit wem, wozu?
Eltern sind hochmobil: Im Vergleich zu Singles und Paa-              legen etwa die gleichen Distanzen zurück und wenden
ren der gleichen Altersgruppe sind sie häufiger unterwegs,           dafür täglich ebenso viel Zeit auf wie Paare und Singles.
d. h., sie unternehmen mehr Wege. Vor allem die häufigen
Begleitwege führen bei den Eltern zu einer hohen Mobi-               Etwa 80% der Eltern geben an, jederzeit über einen Pkw
lität. Familienmobilität ist von einer großen Spannbreite            verfügen zu können. Nur 4% der Familien haben kein
außerhäuslicher Pflicht- und Arbeitsaktivitäten geprägt,             Auto. Knapp 90% der Eltern und 80 % der Kinder verfü-
die etwa zwei Drittel aller Wege einnehmen. Dazu gehören             gen über ein eigenes Fahrrad, 12% der Eltern und 57% der
die Erwerbsarbeit, Ausbildung, aber auch Familien- und               Kinder über eine ÖPNV-Zeitkarte.
Haushaltsarbeit wie Einkaufen, Erledigungen und eben die
Begleitung von Kindern und anderen Angehörigen.                      Trotz der hohen Pkw-Verfügbarkeit legen Eltern ein Drittel
                                                                     ihrer Wege mit einem anderen Verkehrsmittel als dem Pkw
Diese Vielfalt der Wegezwecke zeigt sich auch bei der Be-            zurück – 20% zu Fuß, 9 % mit dem Fahrrad, 5 % mit öffentli-
trachtung der außerhäuslichen Aktivitäten am Werktag.                chen Verkehrsmitteln. Die Mobilität der Kinder ist geprägt
Während bei Paaren und Singles ohne Kinder „einfache“                durch das Mitfahren im Pkw (41%), das Gehen zu Fuß (29%),
Aktivitätsmuster (also nur Erwerbstätigkeit/Ausbildung/              das Fahrrad und den öffentlichen Verkehr (je 14%).
Dienst/Geschäft oder nur Einkauf/Erledigung, kurz:
Versorgungswege) sowie die Kombination aus Erwerbs-
tätigkeit und Versorgung weiter verbreitet sind, kommen
in Familien alle Aktivitäten in Verbindung mit Begleit-
wegen häufiger vor. Dennoch zeigen andere Belastungs-
indikatoren der Mobilität, etwa die täglich aufgewendete
Wegedauer oder die dabei zurückgelegte Distanz keine
überdurchschnittliche Belastung der Familien. Eltern

            4,5                                                                                      Wegezwecke

                                                                                                            Freizeit
            4,0
                                                                                                            Begleitung
                                                                                                            Erledigung
            3,5                                                                                             Einkauf
 Wege/Tag

                                                                                                            Ausbildung
            3,0                                                                                             Dienst/Geschäft
                                                                                                            Erwerbstätigkeit

            2,5

            2,0

            1,5

            1,0

            0,5

            0,0
                  Eltern         Kinder      Eltern         Kinder        Paar ohne      Single
                     Alleinerziehend              Paarfamilie              Kinder

Wegehäufigkeiten nach Wegezweck und Rolle in der Familie
Quelle: eigene Analysen. Daten: MiD 2008

                                                                                                          Familienmobilität      11
Unterschiedliche Familientypen:                                     Demnach suchen Kinder einkommensschwacher Familien
vielfältige Herausforderungen                                       auch bei Kontrolle weiterer soziodemografischer Rahmen-
Nicht alle Familien sind gleich. Bei den untersuchten               bedingungen (z. B. Alter) seltener Schule beziehungsweise
unterschiedlichen Familientypen stehen im Alltag unter-             Ausbildungsort auf.
schiedliche Herausforderungen im Mittelpunkt. Zwischen
diesen Typen bestehen teils deutliche Unterschiede der              Auch in Familien mit umfangreicher Erwerbstätigkeit
Mobilität, die vor allem sozioökonomisch (Einkommen)                (beide Eltern Vollzeit erwerbstätig) ist die Wegeanzahl
und durch Betreuungsnotwendigkeiten (Alter der Kinder)              leicht unterdurchschnittlich. Dies betrifft insbesondere
bedingt sind, in geringerem Maße auch durch Zeitbud-                Einkäufe und Erledigungen, Begleitwege und Freizeit.
gets und das räumliche Umfeld, in dem eine Familie lebt.            Darin spiegelt sich der Zeitmangel und der Versuch einer
Weitere soziodemografische Strukturen (Bildungsniveau,              effizienten Organisation des Alltags und der Mobilität
Alter, Geschlechterverhältnis) spielen ebenfalls eine               wider.
wichtige Rolle.
                                                                    Umgekehrt ist die Wegehäufigkeit von Eltern mit Kindern
Im Vergleich fallen immer wieder Familien mit geringem              unter 10 Jahren besonders hoch und zeigt die vielfältigen
Einkommen auf. Sowohl die Eltern als auch die Kinder                Verpflichtungen dieser Eltern, insbesondere angesichts
dieser Familien unternehmen auffallend wenige Wege                  der extrem hohen Anzahl Begleitwege.
und damit außerhäusliche Aktivitäten, sie legen geringere
Distanzen zurück und wenden dafür weniger Reisezeit
auf als andere Familien. Auffallend viele (20 % der ein-
kommensschwachen Familienhaushalte) besitzen keinen
Pkw. Alarmierend erscheint, dass bei den Kindern dieser
Familien auch die Häufigkeit der Schul- und Ausbildungs-
wege signifikant geringer ist als in Familien mit norma-
lem oder hohem Einkommen.

           Begleitung        ja, 25,5%       Erwerbstätigkeit       ja, 12,4%     Versorgung       ja
                                                                                                                12,4%

                                                                                                  nein
                                                                                                                 6,9%

                                                                  nein, 13,1%
                                                                                  Versorgung        ja
                                                                                                                 8,4%

                                                                                                  nein
                                                                                                                 4,7%

                           nein, 74,5%                              ja, 40,5%                      ja
                                            Erwerbstätigkeit                      Versorgung
                                                                                                                14,6%

                                                                                                  nein
                                                                                                                25,9%

                                                                  nein, 34,0%
                                                                                  Versorgung        ja
                                                                                                                17,6%

                                                                                                  nein
                                                                                                                16,4%

Typologie von außerhäuslichen Aktivitäten von Eltern an einem Werktag
Quelle: eigener Entwurf. Daten: MiD 2008.

12   Familienmobilität
Alleinerziehende weisen deutlich höhere Wegehäufigkei-              Einfluss von Wohnlage und Erreichbarkeiten
ten auf als gemeinsam lebende Eltern. Dies geht vor allem           In Wohnlagen mit schlechter Erreichbarkeit – dies sind
auf häufigere Einkäufe, Erledigungen und Begleitwege                suburbane und ländliche Räume, aber auch Wohnlagen
zurück, in geringerem Maße aber auch auf häufigere                  in städtischer Randlage mit weniger dichten ÖPNV-Net-
Freizeitwege. Während sich diese Wege in Paarhaushalten             zen – ist die Mobilität der Familien stärker durch das
in der Regel auf zwei Personen verteilen, müssen viele              Auto geprägt als in urban-großstädtischen Wohnlagen.
Alleinerziehende derartige Wege alle selbst durchführen.            Allerdings ist der Alltag auch von Familien in der Stadt
Bemerkenswert ist, dass auch Kinder von Alleinerzie-                stark durch den Pkw geprägt: 54% aller Wege werden hier
henden häufiger einkaufen als Kinder in Paarfamilien.               noch mit dem Pkw zurückgelegt, gegenüber 70% der Wege
Trotz der hohen Mobilitätsbelastung besitzt ein Viertel             in Wohnlagen schlechter Erreichbarkeit. Nichtmotorisier-
der Alleinerziehenden keinen Pkw. Sie legen ihre Wege               te Verkehrsmittel (Fahrrad, zu Fuß) werden im urbanen
häufiger als Eltern in Paarfamilien zu Fuß zurück.                  Raum leicht überdurchschnittlich häufig genutzt. Hier
Zudem haben Alleinerziehende seltener als Eltern in                 leben nur 36% aller Eltern in Haushalten mit mindes-
Paarfamilien „sonstige Tage“ – d. h. Tage ohne Wege oder            tens zwei Pkw (kein Pkw: 13%); in Wohnlagen schlechter
zumindest ohne verpflichtende Wege mit Erwerbs- oder                Erreichbarkeit sind dies 59% (kein Pkw: 3%).
Haushaltsarbeit. Tage, an denen unterschiedliche Arten
von Verpflichtungen kombiniert werden, sind bei Allein-             Bei Kindern und Jugendlichen sind die räumlichen
erziehenden ebenfalls häufiger als in Paarfamilien. Dies            Unterschiede weniger ausgeprägt. Selbst in Wohnlagen
zeigt einmal mehr den komplexen Alltag und die höhere               mit schlechter Erreichbarkeit liegt deren ÖPNV-Nutzung
Alltagsbelastung von Alleinerziehenden.                             nahezu auf durchschnittlichem Niveau. In der Großstadt
                                                                    bietet sich der ÖPNV aufgrund seiner hohen Qualität zur
Insgesamt überwiegt aber im Vergleich von Familien-                 Nutzung an, im Umland und im ländlichen Raum sind
typen eher das Bild großer Gemeinsamkeiten als ausge-               Bus und Bahn auch bei weniger dichtem Netz häufig die
prägter Unterschiede. Allerdings sind die Gruppen intern            einzige Möglichkeit, zur Schule zu kommen.
keineswegs homogen. Mit anderen Worten: Jede Familie
ist anders.

                 100%                                                                               Familien mit …

                                                                                                        … hohem Betreuungsbedarf
                 80%                                                                                    … geringem Einkommen
                                                                                                        … umfangreicher
                                                                                                          Erwerbstätigkeit
  Personen (%)

                 60%                                                                                    … schlechter Erreichbarkeit
                                                                                                        Alleinerziehend
                                                                                                        Single
                 40%                                                                                    Paarfamilie
                                                                                                        Paar ohne Kinder

                 20%

                  0%
                        Eltern      Kinder     Eltern     Kinder     Eltern     Eltern     Kinder
                        Am Stichtag mobil       ÖPNV-Zeitkarte     Pkw-Besitz     Fahrradbesitz

Mobilität in unterschiedlichen Familientypen
Quelle: eigene Analysen. Daten: MiD 2008.

                                                                                                       Familienmobilität      13
Geschlechterrollen sind in Familien deutlich                           Begleitwege konzentrieren sich in starkem Maße auf
ausgeprägt                                                             die Mütter. Besonders auffallend ist dies in Familien mit
Aktivitäten und Mobilität unterscheiden sich stark zwi-                kleinen Kindern. Doch selbst in Familien mit umfang-
schen den Familienmitgliedern, v. a. zwischen Eltern und               reicher Erwerbstätigkeit ist das Bringen der Kinder weit
Kindern, aber auch zwischen Müttern und Vätern sowie                   überwiegend eine Aufgabe der Mütter – insbesondere
zwischen Mädchen und Jungen.                                           nachmittags, wenn etwa die Teilzeit erwerbstätige Mutter
                                                                       die Kinder aus der Schule abholt, während der Vater noch
In Familien zeigt die Mobilität stärkere geschlechts-                  am Arbeitsplatz ist. Dennoch übernehmen die Mütter
spezifische Muster als in anderen Haushaltstypen. So                   absolut betrachtet die Rückwege nicht häufiger als die
legen Frauen in Familienhaushalten deutlich geringere                  Hinwege zur Betreuung oder zur Schule. Eher sind auf
Distanzen zurück als die entsprechenden Männer und                     dem Rückweg des Kindes andere Personen als Begleitung
wenden dafür weniger Zeit auf. Besonders ausgeprägt                    dabei (Schulfreunde, andere Eltern, Großeltern usw.).
sind die Geschlechterdifferenzen zwischen Vätern und
Müttern mit kleineren Kindern im Haushalt. Eher gering
sind sie dagegen bei Eltern mit geringem Einkommen, in
Familien mit zwei Vollzeit erwerbstätigen Eltern sowie in
großstädtischen Wohnlagen.

                100%
     Wege (%)

                                                                                                           Begleitung durch …

                90%                                                                                           Andere Personen
                                                                                                              Geschwister
                                                                                                              Vater und Mutter
                80%                                                                                           Mutter
                                                                                                              Vater
                70%                                                                                           Unbegleitet

                60%

                50%

                40%

                30%

                20%

                10%

                 0%
                       0-5      6-9       10-13      14-17       0-5         6-9      10-13        14-17
                             Hinweg – Altersgruppe                       Rückweg – Altersgruppe

Begleitung von Kindern und Jugendlichen auf dem Schul- und Ausbildungsweg.
Geschwister: Minderjährige aus dem gleichen Haushalt (ggf. auch mehrere), aber keine Erwachsenen
Eltern: Erwachsene aus dem gleichen Haushalt, z.T. unter Begleitung weiterer Minderjähriger
Quelle: eigene Analysen. Daten: MiD 2008.

14   Familienmobilität
Besonders deutlich werden diese Muster bei der Betrach-      Effiziente Organisation der Mobilität
tung von Tagesabläufen: Die Verbindung von Begleit-          Zeit unterwegs ist häufig verlorene Zeit. Eltern mit ihrem
wegen und anderen Wegezwecken betrifft besonders             eng getakteten Alltag bemühen sich, Mobilität effizient
die Mütter. Während Väter an 30% aller Tage nur der          abzuwickeln. Das Koppeln verschiedener Aktivitäten zu
Erwerbstätigkeit nachgehen, aber keine außerhäusliche        (Wege-) Ketten gilt als Maß der Effizienz von Mobilitäts-
haushalts- oder familienbezogene Arbeit übernehmen,          mustern. Eltern organisieren jedoch ihre Mobilität nicht
gilt dies für Mütter nur an 12% aller Tage.                  nur nach Effizienz:
                                                             Sie koppeln nicht generell häufiger ihre Aktivitäten als
Aber nicht in allen Facetten der Mobilität zeigen Familien   Singles oder Paare. Lediglich in Familien mit kleinen
besonders traditionelle Geschlechterrollen. So nutzen        Kindern sind Wegekopplungen besonders verbreitet,
Frauen in Familienhaushalten häufiger den Pkw für            speziell unter den Müttern, aber auch unter Vätern. Gerade
berufliche Wege als Frauen aus Haushalten ohne Kinder.       bei erwerbstätigen Eltern zeigt sich die Notwendigkeit zu
Ihre Verkehrsmittelnutzung ähnelt damit stärker der der      Effizienz anhand von Aktivitätskopplungen auf dem
Männer. Besonders deutlich zeigen sich Geschlechterun-       Arbeitsweg, insbesondere bei Müttern. In urban-groß-
terschiede dagegen in Knappheitssituationen: Wenn sich       städtischen Umfeldern mit vielfältigen Aktivitätsgelegen-
ein Elternpaar einen Pkw teilt, legen Männer immerhin        heiten werden ebenfalls besonders häufig Wege mit-
51% ihrer Wege als Pkw-Fahrer zurück, Frauen aber nur        einander gekoppelt.
30% (bei mindestens zwei Pkw sind es 66% vs. 57%).

Geschlechtsspezifische Mobilitätsmuster zeigen sich
bereits bei Kindern. Selbst im Vorschulalter werden für
Mädchen mehr Einkaufswege und mehr Begleitwege
berichtet als für Jungen. Darüber hinaus werden Mädchen
in jeder Altersgruppe auf dem Schulweg häufiger begleitet
als Jungen.

                                                                                                 Familienmobilität   15
Der Schulweg der Kinder                                      nicht zum Haushalt gehören (Freunde, andere Eltern, ...).
Knapp ein Drittel der Kinder kommt mit dem ÖPNV              Das unbegleitete Zurücklegen der Wege nimmt mit dem
(einschließlich Schulbus) zur Schule oder zur Ausbildungs-   Alter der Kinder stark zu.
stätte (im Folgenden zusammenfassend: Schule), ein Vier-
tel zu Fuß, 15% mit dem Fahrrad, ein weiteres Viertel mit    Gemeinsame Wege als gemeinsame Zeit
dem Pkw als Mitfahrer. In urban-großstädtischen Wohn-        Bei gemeinsamen Wegen ist häufig die ganze Familie
lagen gehen deutlich mehr Kinder zu Fuß zur Schule (31%)     zusammen unterwegs, insbesondere in der Freizeit (18%
als in Wohnlagen mit schlechter Erreichbarkeit (24%).        der Freizeitwege aller Familienmitglieder) und bei Ver-
Entsprechend werden in urbanen Lagen weniger Kinder          sorgungswegen (20%). Noch häufiger ist allerdings nur ein
mit dem Pkw gebracht (21% gegenüber 28%).                    Teil der Familie dabei. In der Freizeit sind in der Regel
                                                             beide Elternteile dabei, bei Begleitwegen oder auf dem
Die Schulwege werden mit zunehmendem Alter immer             Weg zur Arbeit oder zur Ausbildung häufiger nur ein
länger; von der Grundschule zum Jugendalter nehmen           Elternteil.
die Distanzen um den Faktor drei zu. Auch die Verkehrs-
mittelnutzung auf dem Schulweg ändert sich mit dem           Bemerkenswert ist, dass Wege selbst für scheinbar lästige
Alter stark. Im Grundschulalter ist sie stark vom Gehen zu   Pflichtaktivitäten wie dem Einkauf häufig zusammen
Fuß geprägt. In weiterführenden Schulen dominiert der        unternommen werden. Nur vier von zehn Versorgungs-
ÖPNV; auch das Fahrrad gewinnt deutlich an Bedeutung.        wegen werden allein unternommen. Gemeinsame Wege
Das Gehen zu Fuß und das Mitfahren im Pkw nehmen             sind offenbar nicht nur Last, sondern können auch
stark ab.                                                    Gemeinsamkeit herstellen und Freude machen.

Knapp 30% der Schulwege werden unbegleitet zurück-
gelegt. Jeweils knapp ein Drittel werden durch die Eltern
begleitet (zum Teil unter Begleitung weiterer Geschwister
oder anderer Personen) oder durch andere Personen, die

16   Familienmobilität
Was Familien heute bewegt
Um die Alltagsmobilität von Familien auch aus der             gesehen. In den ländlichen und suburbanen Räumen
Innenperspektive zu beleuchten, wurden 32 Interviews          sind hingegen lange und schlecht getaktete Rückwege im
mit Eltern aus unterschiedlichen Familienhaushalten           ÖPNV häufig der Grund, warum bereits auf dem Hinweg
geführt. Weitere 23 Familieninterviews wurden aus einer       lieber das Auto genutzt wird. Des Weiteren ist der Kosten-
Interviewstudie in ländlichen Räumen mit herangezogen         faktor ein entscheidender Grund: Sobald am Nachmittag
(Herget 2013). Bei der Fallauswahl wurde darauf geachtet,     die Streckenfahrkarten zur Schule nicht mehr genutzt
sowohl die am häufigsten jeweils in West- und Ost-            werden können und Einzelfahrscheine für Freizeitaktivi-
deutschland vorkommenden Familientypen zu erfassen            täten gekauft werden müssen, führt dies zur Nicht-Nut-
als auch gezielt einzelne, besonders belastete Familienty-    zung des ÖPNV. Zum Teil werden aus Kostengründen
pen mit einzubeziehen (wie z. B. Doppelvollzeiterwerbs-       auch Teilstrecken mit dem PKW bis zur günstigeren Zone
tätigen-Familien und fernpendelnde Familien), um so das       zurückgelegt. Gerade im räumlich-zeitlichen Geltungsbe-
Spektrum möglichst vollständig abzudecken.                    reich der Schülerfahrkarten gibt es jedoch große Unter-
                                                              schiede in Deutschland.
Stadtfamilien ‑ Landfamilien
Familien im urbanen Raum nutzen den PKW eher als              Für Eltern aus dem suburbanen und dem ländlichen Raum
„Mobilitätsreserve“ für Ausflüge, Urlaube, Notfälle (kranke   ist die beste Alternative zum eigenen Auto im Grunde das
Kinder) und größere Transporte. Im Grunde würde ein           Auto der eigenen (Schwieger-)Eltern oder der direkten
passendes Carsharing-Angebot vielfach ausreichen, um          Nachbarn. Sollte man sich dauerhaft nur noch ein oder
ihre Bedürfnisse abzudecken. Teilweise wird jedoch das        gar kein eigenes Auto mehr leisten können, ist das private
eigene Auto als bequemer, zum Teil auch als günstiger und     Autoteilen für diese Eltern die mit Abstand am leichtesten
mit mehr Stauraum angesehen.                                  vorstellbare Lösung, zusammen mit dem verstärkten
                                                              Bilden von Fahrgemeinschaften. Die in Großstädten le-
Auch bei der Bewertung des ÖPNV gab es deutliche Un-          benden Eltern sehen sich da als deutlich weniger abhängig
terschiede zwischen ländlichen, suburbanen und urbanen        vom Auto. Sie könnten sich ihren Alltag (zur Not) auch mit
Wohnstandorten. In urbanen Lagen wird der ÖPNV sehr           mehr ÖPNV plus Fahrrad vorstellen. Lediglich sehr
oft genutzt, und es wird wenig Verbesserungspotenzial         fahrradaffine und umweltbewusste Familien sowie

                                                                                                   Familienmobilität   17
Familien mit geringem Einkommen leben bereits einen         Alltagsunterstützung und Betreuungsengpässe
Alltag ohne eigenes Auto und sehen das Fahrrad als beste    Eine regelmäßige Alltagsunterstützung war bei den
Alternative zur Pkw-Nutzung an.                             befragten Familien eher selten. Vor allem die morgendli-
                                                            chen Begleitwege zur Schule oder zur Kita wurden meis-
Große Unterschiede bei der Fahrradnutzung                   tens nur zwischen den Elternteilen aufgeteilt. Sofern die
Die für das Fahrrad noch als angemessen empfundene          (Schwieger-)Eltern am gleichen Ort leben, stellen sie in der
Entfernung variiert sehr stark zwischen den Familien        Regel die zuverlässigste Unterstützung bei der Betreuung
(2–15 km). Die Fahrradnutzung variiert auch stark von       der Kinder dar.
Stadt zu Stadt, von ländlichem Raum zu ländlichem
Raum. So gibt es einerseits ländliche Räume wie das         Besonders problematisch sind kurzfristige, ungeplante
Emsland mit einer jahrzehntelangen Fahrradkultur und        Betreuungsengpässe, da auch die Großeltern, Nachbarn
sehr guter Fahrradinfrastruktur und andererseits Städte,    oder Freunde meistens eine gewisse Vorlaufzeit wün-
die jahrzehntelang eine PKW-orientierte Verkehrspolitik     schen. In Paarhaushalten werden kurzfristige Engpässe
betrieben haben und daher trotz der geringen Höhen-         meist untereinander geregelt, bei Alleinerziehenden fehlt
unterschiede im Stadtbild als wenig fahrradfreundlich       diese Option. Insgesamt fehlen hier Auffanglösungen ex-
geschildert werden.                                         terner Anbieter, wie etwa eine mobile Kurzzeitbetreuung
                                                            oder kurzfristig bestellbare Abholdienste.
Beim Fahrradfahren spielen zudem die persönlichen
Einstellungen eine zentrale Rolle. Dabei ist Gesundheit/    Sowohl im städtischen Umland als auch im ländlichen
Sport ein deutlich häufiger genanntes Argument für die      Raum ist es vor allem ein hinreichend großes und stabiles
Fahrradnutzung als jegliche Umweltvorteile. Grundsätz-      soziales Netz an Verwandten und Freunden in der un-
lich schätzen die Eltern am Fahrradfahren, dass sie damit   mittelbaren Nachbarschaft, das den Familien bei Betreu-
Zeit sparen können und ‑ ähnlich wie mit dem Auto ‑ sehr    ungsengpässen und PKW-Ausfällen hilft. Familien, die
individuell und flexibel von Haustür zu Haustür gelangen.   in der Nachbarschaft gut vernetzt sind, sehen daher auch
Gegen das Fahrradfahren sprach manchmal das geringe         deutlich entspannter steigenden Pkw-Nutzungskosten
Alter der Kinder (zu jung/unsicher zum Fahrradfahren).      entgegen als diejenigen, die sehr auf sich alleine gestellt
Entsprechend sehnten sich Eltern kleiner Kinder oft da-     leben.
nach, dass ihre Kinder alt genug sind, um alleine Fahrrad
zu fahren.

18   Familienmobilität
Familien-Portraits
Um die Komplexität der Familienmobilitätsmuster auf ein
nachvollziehbares Maß zu reduzieren, wurden aus den 32
(+23) Familieninterviews sieben „idealtypische Familien“
abgeleitet und in kurzen Familien-Portraits charakteri-
siert. Dabei wurden gezielt verschiedene Wohnorte,
Erwerbsmodelle und Altersgruppen gewählt. Auch die
nach wie vor feststellbaren Unterschiede zwischen Ost-
und westdeutschen Erwerbsmustern wurden berücksich-
tigt. Die genannten Wohnorte und Familiennamen sind
rein fiktiv.

Die Portraits sollen typische Begründungszusammen-
hänge aus der Perspektive der Familien veranschaulichen
und nachvollziehbar machen. Zudem wurden die Fami-
lien-Portraits für die Ableitung von Handlungsoptionen
und Empfehlungen genutzt (siehe Kap. 3).

D U RC H S C H N I T T S FA M I L I E
Familie Dittrich

Wohnlage            Stadtrand (West)
Wohnform            Einfamilienhaus
Erwerbsmodell       Vollzeit / Teilzeit
Anzahl Kinder       2 (9 und 12 J.)
Anzahl PKW          2
Verkehrsverhalten   Pkw-orientiert

Der Familienmobilitätsalltag                                   Gründe und Alternativen
Familie Dittrich wohnt am Stadtrand von Bonn. Die              für die Verkehrsmittelwahl
Eltern fahren mit den Autos zur Arbeit. Damit es morgens       Herr Dittrich arbeitet 30 km entfernt. Mit öffentlichen
schneller geht, wird der 9-jährige Sohn mit dem Auto           Verkehrsmitteln bräuchte er doppelt so lange. Frau
an der Schule abgesetzt. Zurück kommt er dann zu Fuß,          Dittrich könnte zwar mit dem Fahrrad zur Arbeit, aber
gemeinsam mit den Nachbarskindern. Die 12-jährige              schlechtes Wetter und die Versorgungs- und Begleitwege
Tochter besucht das Gymnasium und fährt dorthin sieben         am Nachmittag sprechen für das Auto. Über die Abschaf-
Stationen mit der Straßenbahn. Am frühen Nachmittag            fung eines Pkw hat Familie Dittrich schon nachgedacht,
kommt Frau Dittrich von der Arbeit und fährt die Kinder        aber solange zwei Autos finanzierbar sind, „gönnen sie
mit dem Auto zu ihren Freizeitterminen. Wenn ihr die           sich den Luxus“. In der Nachbarschaft teilen sich zwei
Warterei vor Ort zu lästig ist, fährt sie zweimal. Gelegent-   Familien ein Auto – dies könnten sie sich prinzipiell auch
lich bildet sie Fahrgemeinschaften.                            vorstellen.

                                                                                                    Familienmobilität   19
D O PPE LVO L L Z E I T E RW E R B S TÄT IG E N - FA M I L I E
Familie Schulz

Wohnlage            Urban / Großstadt (West)
Wohnform            Wohnung
Erwerbsmodell       Vollzeit / Vollzeit
Anzahl Kinder       1 (8 J.)
Anzahl PKW          1
Verkehrsverhalten   Pkw / ÖV

Der Familienmobilitätsalltag                                  Gründe und Alternativen
Familie Schulz lebt in einer großen Altbau-Wohnung in         für die Verkehrsmittelwahl
Dortmund. Beide Eltern arbeiten Vollzeit in leitenden         Für Familie Schulz ist das Auto ein Garant, flexibel den
Funktionen. Der Alltag ist klar geregelt: Wer morgens         Alltag gestalten zu können. Am Wochenende nutzen sie
die Tochter zur Schule bringt, kann nachmittags/abends        es, um zu den Großeltern oder ins Ferienhaus im Müns-
länger arbeiten. Meist bringt Herr Schulz die Tochter mit     terland zu fahren. Frau Schulz schätzt die U-Bahn: „Mor-
dem Auto in die bilinguale Schule der Stadt. Die Tochter      gens ist die Stadt voll, im Stau zu stehen ist verlorene Zeit.
kann dort die Nachmittagsbetreuung nutzen und wird            In der Bahn habe ich dann schon meine E-Mails gelesen.“
anschließend von Frau Schulz abgeholt, mit der U-Bahn.        Generell versuchen alle, möglichst viel Zeit gemeinsam zu
Vieles wird online gekauft, Lebensmitteleinkäufe werden       verbringen.
fast täglich auf dem Weg nach Hause erledigt.

J U N G E FA M I L I E
Familie Hübner/Schmidt

Wohnlage            Stadtrand (Ost)
Wohnform            Wohnung
Erwerbsmodell       Vollzeit / nicht erw.
Anzahl Kinder       2 (4 J., 6 Mon.)
Anzahl PKW          0
Verkehrsverhalten   Fahrrad / ÖV

Der Familienmobilitätsalltag                                  Gründe und Alternativen
Familie Hübner/Schmidt lebt in einer 50er-Jahre-Sied-         für die Verkehrsmittelwahl
lung am Stadtrand von Leipzig. Hier sind die Mieten           Familie Hübner/Schmidt fährt gerne Fahrrad: „Das kostet
noch erschwinglich. Fast alle Wege erledigen sie mit dem      nicht viel und spart Zeit.“ Frau Hübner fährt nicht gerne
Fahrrad, mit Anhänger. Bei schlechtem Wetter fahren           S-Bahn – wenn die Kinder quengeln, erntet sie vorwurfs-
sie Bus oder S-Bahn. Die berufliche Situation der Eltern      volle Blicke, und Aufzüge/Rolltreppen sind oft kaputt. Sie
ist belastend. Herr Schmidt arbeitet auf einer befriste-      denken über einen Pkw nach, denn Besuche bei Freunden
ten Stelle, Frau Hübner ist gerade in Elternzeit. In einem    in anderen Stadtteilen oder Ausflüge am Wochenende
halben Jahr möchte sie wieder einsteigen, jedoch müssen       benötigen viel Planung. Carsharing haben sie getestet,
dafür beim alten Arbeitgeber erst neue Projekte bewilligt     waren jedoch enttäuscht. Sie mussten mühsam zwei
sein. Selbst wenn dies klappt, weiß sie noch nicht, wie sie   Kindersitze und den Kinderwagen rein- und raustragen,
den Anfahrtsweg zur Arbeit (mit ÖV 1 Stunde) mit der          sie mussten hinterher noch eine Reinigung bezahlen, und
Betreuung der Kinder vereinbaren kann.                        für die passende Autogröße mussten sie sich eine Woche
                                                              vorher anmelden.

20   Familienmobilität
M IG R A N T E N - FA M I L I E
Familie Melek

Wohnlage            Urban / Großstadt
Wohnform            Wohnung
Erwerbsmodell       Vollzeit / Teilzeit
Anzahl Kinder       5 (20, 18, 13, 10, 9 J.)
Anzahl PKW          1
Verkehrsverhalten   ÖV / Pkw

Der Familienmobilitätsalltag                                 Gründe und Alternativen
Familie Melek wohnt in der zweiten Generation in Ber-        für die Verkehrsmittelwahl
lin-Neukölln. Ein Netz aus Verwandten lebt in der Nach-      Für Herrn Melek ist das Auto unverzichtbar. Fahrrad-
barschaft und unterstützt bei Betreuungsengpässen. Die       fahren kommt für ihn nur im Sommer mal infrage, Bus
Kinder bewältigen ihre Wege weitgehend selbstständig         oder Bahn fahren ist ihm grundsätzlich „zu stressig“. Car
zu Fuß und mit U- und S-Bahn. Frau Melek fährt mit dem       to go hat er schon mal probiert und fand es „gar nicht so
Bus zur Arbeitsstelle, Herr Melek kann zu Fuß zur Arbeit.    übel“. Carsharing wäre aber eher „was für Notzeiten“. Frau
Seine Schicht als DHL-Fahrer beginnt sehr früh, daher        Melek hat keinen Führerschein. Ein Fahrrad besitzen nur
ist er häufig mittags zu Hause und kocht für die Kinder.     Vater und Sohn. Familie Melek ist mit der Mobilität im
Eingekauft wird unterwegs, alles ist ja um die Ecke. Zum     Großen und Ganzen zufrieden.
Schwimmtraining begleitet Herr Melek seine 10-Jährige.
Er genießt die Wartezeit als Auszeit. Abends und nachts
holt Herr Melek seine Töchter meist mit dem Auto ab.

ALLEINERZIEHENDE
Frau Walther

Wohnlage            Urban / Großstadt (West)
Wohnform            Wohnung
Erwerbsmodell       Teilzeit
Anzahl Kinder       1 (13 J.)
Anzahl PKW          1
Verkehrsverhalten   Pkw / ÖV

Der Familienmobilitätsalltag                                 Gründe und Alternativen
Frau Walther lebt mit ihrer Tochter zentral in Darmstadt.    für die Verkehrsmittelwahl
Die Wohnung ist klein, deshalb wird das Auto häufig als      Aus finanziellen Gründen fährt Frau Walther nicht in
„Zwischenlager“ für Einkäufe/Getränke genutzt. Frau          den Urlaub. Auch kleinere Ausflüge finden selten statt –
Walthers Arbeitsweg ist kurz, dennoch fährt sie mit          meist ist sie „einfach zu platt“. Das liebste Verkehrsmittel
dem Pkw. Die Tochter hat eine Schülermonatskarte und         ist für Frau Walther der Pkw („Zu Fuß einkaufen? Nein,
nutzt die Straßenbahn. Frau Walther holt ihre Tochter        Tütenschleppen ist asozial“), auch wenn sie sich das Auto
oft abends mit dem Auto bei ihren Freundinnen ab. Sie        eigentlich nicht leisten kann. Jede Autoreparatur ist eine
würde gerne öfter abends zum Sport oder mal ein Bier         Zitterpartie. Die Schülermonatskarte findet sie zu teuer,
trinken gehen, müsste dann aber ihre Tochter allein          denn die gilt für den Großraum, obwohl die Tochter nur
lassen oder eine Betreuung organisieren. Das kann sie sich   den Kernbereich nutzt.
nicht leisten.

                                                                                                   Familienmobilität    21
L A N D FA M I L I E
Familie Mueller

Wohnlage            Dorf (Ost)
Wohnform            Einfamilienhaus
Erwerbsmodell       Vollzeit / Vollzeit
Anzahl Kinder       2 (13 und 9 J.)
Anzahl PKW          2
Verkehrsverhalten   Pkw-orientiert

Der Familienmobilitätsalltag                                  Gründe und Alternativen
Nach der Geburt der Tochter zog Familie Mueller nach          für die Verkehrsmittelwahl
Kletzin zu den Eltern. Die Muellers fahren morgens mit        Herr Mueller arbeitet 30 km, Frau Mueller 40 km ent-
dem PKW in verschiedene Richtungen zur Arbeit. Die            fernt. Beide könnten nur einen Teil des Arbeitswegs mit
Kinder nehmen den Schulbus in die Stadt. Während die          öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Die finanzielle
Tochter dort in die Grundschule geht, muss der Sohn zum       Situation lässt zwei Autos zu, über die Abschaffung eines
Gymnasium noch einen weiteren Bus nehmen. Sonntags            PKW wurde noch nicht nachgedacht. Die 9-jährige Toch-
werden die Nachmittagstermine der kommenden Woche             ter könnte zwar mit dem Fahrrad zur Grundschule, aber
besprochen und geklärt, wer wen bringen kann. Unter           der Schulweg würde über eine stark befahrene Landstraße
der Woche sind Herr und Frau Mueller meist erst gegen 18      ohne Radweg führen. Wenn möglich, werden Fahrdienste
Uhr wieder zu Hause. Einkäufe werden auf dem Rückweg          mit befreundeten Familien organisiert. Der 13-jährige
mit dem Auto erledigt.                                        Sohn denkt über ein Moped nach, um in Zukunft selbst-
                                                              ständiger unterwegs zu sein.

PATC H WO R K FA M I L I E
Familie Richter-König

Wohnlage            Mittelstadt (West)
Wohnform            Wohnung
Erwerbsmodell       Vollzeit / Teilzeit
Anzahl Kinder       3 (1, 6 und 10 J.)
Anzahl PKW          1
Verkehrsverhalten   Fahrrad / zu Fuß

Der Familienmobilitätsalltag                                  Gründe und Alternativen
Familie Richter-König lebt seit drei Jahren in einer          für die Verkehrsmittelwahl
Wohnung in Lüneburg. Jeder brachte ein Kind mit in die        Die Familie legt großen Wert auf einen gesunden
Beziehung, seit einem Jahr haben sie zudem ein gemein-        Lebensstil – dies spiegelt sich auch in der Alltagsmobilität
sames Kind. Die 10-jährige Tochter aus erster Ehe von         wider. Die Kinder könnten zwar auch den Bus nutzen,
Herrn Richter lebt die meiste Zeit bei ihrer Mutter und ist   doch dieser fährt nur alle 20 Minuten – mit dem Rad sind
nur mittwochs und jedes zweite Wochenende bei Familie         sie schneller. Am Auto schätzen die Richter-Königs, dass
Richter-König. Die meisten Wege legt die Familie zu Fuß       man bequem viel transportieren kann und am Wochen-
oder mit dem Fahrrad zurück. Unter der Woche wird mit         ende auch mal günstig zu fünft einen größeren Ausflug
dem Rad eingekauft. Samstags machen sie einen Großein-        machen kann.
kauf mit dem Auto (insb. Getränkekisten und Babywin-
deln).

22   Familienmobilität
3. Handlungsoptionen
		 und Empfehlungen
		 Wie die Mobilität von Familien erleichtert werden kann

                                                            Familienmobilität   23
Handlungsempfehlungen zur Familienmobilität müssen              Um die beschriebene Komplexität auf ein nachvollzieh-
den verschiedenen Lebensbedingungen der Familien                bares Maß zu reduzieren, wurde das folgende Vorgehen
gerecht werden. Je nach Wohnlage, Verkehrsangebot und           gewählt (siehe Abbildung unten):
Erreichbarkeit von Einrichtungen der Daseinsvorsorge
(Kitas, Schulen, Nahversorgung, Freizeitgestaltung) sowie       Die Ergebnisse der quantitativen Analysen und qualitati-
den individuellen Merkmalen eines Familienhaushal-              ven Erhebungen wurden in sieben idealtypischen Famili-
tes (Umfang der Erwerbstätigkeit, Einkommen, Alter              en-Portraits zusammengefasst (s. Kapitel 2). Parallel dazu
und Zahl der Kinder) stehen andere Empfehlungen im              wurden aus den Ergebnissen der ExpertInneninterviews
Vordergrund. Familienfreundliche Carsharingangebo-              und der recherchierten Praxisbeispiele Handlungsopti-
te sind beispielsweise in großen Städten mit einem gut          onen abgeleitet, die in einem vereinfachten „Delphi-Ver-
ausgebauten öffentlichen Nahverkehrssystem durchaus             fahren“ hinsichtlich ihrer potenziellen Wirkungen auf die
ein unterstützendes Angebot. Im ländlichen Raum ist             sieben Familientypen bewertet wurden. Bei der Bewer-
hingegen Carsharing oft nicht wirtschaftlich zu betreiben       tung waren drei Zieldimensionen (zeitliche, finanzielle
und bereits der Weg bis zum Auto ein Problem.                   und ökologische Entlastung) handlungsleitend, wobei
                                                                jedoch Maßnahmen, die Familien zeitlich oder finanziell
Neben unterschiedlichen Angeboten für Familien in Stadt         entlasten können, ein höheres Gewicht haben. Daraus
und Land, gibt es besonders breitenwirksame Maßnah-             wurden übergeordnete strategische Handlungsempfeh-
men und spezifisch auf einzelne Familientypen wirkende          lungen abgeleitet und in einem interdisziplinär zusam-
Maßnahmen. Über alle Familientypen und Wohnlagen                mengesetzten ExpertInnenworkshop diskutiert und
hinweg ist Eltern die Verkehrssicherheit der Kinder zu          gewichtet. Die strategischen Handlungsempfehlungen
Fuß und mit dem Fahrrad ein besonders großes Anliegen.          werden im Folgenden näher beschrieben.
Sichere Rad- und Fußwege fördern daher die eigenstän-
dige Mobilität von allen Kindern und Jugendlichen und
entlasten die Eltern. Barrierefreie Haltestellen und
ÖPNV-Fahrzeuge entlasten hingegen vor allem Familien
mit kleinen Kindern, während Nachtbusangebote vor
allem Familien mit Jugendlichen entgegen kommen.

            Quantitative                   Familien-                   ExpertInnen-               Praxisbeispiele
             Analysen                     Interviews                    Interviews

                                      Auswahl + Ableitung           Auswahl + Ableitung
                                       Familien-Portaits            Handlungsoptionen

                                              Bewertung von Handlungsoptionen
                                           („Delphi-Befragung + Expertenworkshop)

                                             Strategische Handlungsempfehlungen

                                         Handlungsemfehlungen nach Akteursgruppen

Vorgehen zur Ableitung von Handlungsoptionen und Empfehlungen

24   Familienmobilität
Strategische Handlungsempfehlungen

                                                                                 3.
                                                                       Eigenständige Mobilität
                                                                          von Kindern und
                                                                        Jugendlichen fördern

                                                                 o
                                                                n ut
                                                           rd m r

                                                                                                   Fa s t e r ä t s v m a
                                                        fö d e zu

                                                                                                    S e un il it s s t
                                                              er A

                                                                                                      m to r s t ü e r ch
                                                      lt i t e n

                                                                                                       l b
                                                                                                         il i g a t ha en
                                              ge l i t ä r n a 2 .

                                                                                                          4 . in is at n , e n
                                                                                                           M bew
                                                 zie t m t i v

                                                                                                             e n n ze lt
                                                                                                               ob u

                                                                                                                 ih io
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                                                                                                                   re n
                                                                                                                     r
                                              M
                    Flexibilität verbessern

                                                                                                                             Wohnumfeldplanung
                                                                                                                             Standort-, Stadt- und
                                                                                                                              an Familien denken
                       Familien zeitlich

                                                                                                                                Bereits bei der
                        entlasten und
                               1.

                                                                                                                                       5.
                                                                       Familienmobilität

Strategische Handlungsempfehlungen ‑ Übersicht

1_                                                                                  einsetzen, beschränken sich deshalb nicht auf die Umset-

Familien zeitlich entlasten
                                                                                    zung einzelner Maßnahmen, sondern bieten häufig ein
                                                                                    ganzes Paket familienunterstützender Angebote – von der

und Flexibilität verbessern                                                         Telearbeit, Teilzeitarbeit über Homeoffice bis zum Jobsha-
                                                                                    ring und dem Betriebskindergarten. Viele gute Beispiele
                                                                                    zeigen unter anderem die Lokalen Bündnisse für Familien
In der Familienphase kumulieren Zeitengpässe und
                                                                                    und der Unternehmenswettbewerb Erfolgsfaktor Familie
Zeitkonflikte, insbesondere bei doppelerwerbstätigen
                                                                                    (siehe S. 36).
oder berufstätigen alleinziehenden Eltern, die Klein- und
Schulkinder zu versorgen haben. Entlastungen können
                                                                                    Familienbewusste Zeitpolitik der öffentlichen Hand –
hier vor allem in zwei Gebieten erfolgen:
                                                                                    Auch die Kommunen haben Einfluss auf die zeitlichen
                                                                                    Belastungen von Familien. Beispielsweise können sie die
Familiengerechte Arbeitswelt –
                                                                                    Öffnungszeiten von Behörden oder Kinderbetreuungsein-
Die Erwerbstätigkeit ist im Familienalltag neben den
                                                                                    richtungen gestalten, sie können als Aufgabenträger die
Schulen und Kitas der wichtigste externe Taktgeber.
                                                                                    Fahrzeiten des öffentlichen Nahverkehrs mit den Schul-
Voraussetzung für eine familiengerechte Arbeitswelt ist
                                                                                    anfangszeiten oder Ladenöffnungszeiten abstimmen und
insbesondere ein „familienfreundliches Betriebsklima“
                                                                                    Betreuungsangebote für die Ferienzeiten organisieren.
und ein klares Bekenntnis der Leitungsebene zur Verein-
                                                                                    Die Bedeutung und Verbreitung einer Familienzeitpoli-
barkeit von Familie und Beruf. Das bedeutet die Akzep-
                                                                                    tik nimmt derzeit erkennbar zu. An fünf Standorten in
tanz einer souveränen Mitgestaltung der Arbeitszeiten
                                                                                    Deutschland unterstützt daher auch das Bundesfamilien-
und/oder Arbeitsorte, soweit es betriebsintern möglich
                                                                                    ministerium Modellvorhaben zur kommunalen Zeitpoli-
ist, sowie eine Abkehr von der präsenzorientierten hin zu
                                                                                    tik, die das Ziel haben, die Zeiterfordernisse der Familien
einer ergebnisorientierten Arbeitsweise. Arbeitgeber, die
                                                                                    besser zu synchronisieren (siehe BMFSFJ 2014 a).
sich für eine familienfreundliche Unternehmenskultur

                                                                                                                                         Familienmobilität   25
Zu einer familienfreundlichen Zeitpolitik gehören aber        Angeboten für den Freizeitverkehr von Jugendlichen
auch Nutzungsmischung und Verkehrssicherheitsarbeit.          im ländlichen Raum (Discobus) oder einem zielgrup-
Dadurch werden einerseits kurze Wege, andererseits eine       penspezifischen Marketing. Hier fehlen bislang Finan-
selbstständige, sichere Mobilität für Kinder möglich.         zierungsmodelle, die insbesondere ländliche Kommunen
Dies entlastet Eltern vom Zeitaufwand für Mobilität und       unterstützen, Angebote außerhalb des Schülerverkehrs
insbesondere von Begleitwegen. Aufgrund der unter-            zu entwickeln. Der barrierefreie Zugang zu Bahnhöfen,
schiedlichen Rahmenbedingungen im städtischen und             Haltestellen und Fahrzeugen ist dabei eine wichtige
ländlichen Raum erfordert dies lokal angepasste Strategi-     Voraussetzung, damit Familien mit Kinderwagen Busse
en und Lösungen.                                              und Bahnen überhaupt nutzen können. Viele Bahnhöfe,
                                                              Haltestellen und Fahrzeuge wurden bereits in den letzten
2_                                                            Jahren entsprechend umgerüstet, u. a. im Hinblick auf die

Alternativen zur Mobilität                                    im PBefG § 8 Abs. 3 gesetzte Frist bis zum Januar 2022.

mit dem Auto gezielt                                          Sichere Fortbewegung zu Fuß und mit dem Rad –
                                                              Der Ausbau von kinderfreundlichen, sicheren Fuß- und
fördern                                                       Fahrradwegenetzen sowie Fahrradabstellanlagen ver-
                                                              bessert nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern auch
Auch wenn das Auto viele Mobilitätsprobleme von Fami-         die Aufenthaltsqualität in der Stadt. Lösungsansätze sind
lien lösen kann, sind viele negative Folgen zu bedenken,      dabei möglichst kleinräumig in den Stadtteilen und im
die insbesondere zu Lasten der Kinder und Jugendlichen        Wohnumfeld zu suchen. Dabei bietet die Erarbeitung
gehen. Dazu zählen:                                           von Nahmobilitätskonzepten eine gute Möglichkeit, die
    nachweisbare motorische Defizite bei Kindern und          Interessen verschiedener Zielgruppen einzubinden und
Jugendlichen,                                                 unterschiedliche Verkehrsträger aufeinander abzustim-
    erhöhtes Gefährdungspotenzial durch geringe eigene        men. Voraussetzung ist die systematische Beteiligung von
Erfahrung im Straßenverkehr,                                  Familien. Mütter und Väter sind in der Regel bestens in-
    durch Bewegungsmangel reduzierte Leistungsfähig-          formiert, welche Schwachstellen auf dem Weg zur Schule
keit im Unterricht,                                           oder zum Fußballspielen dringend zu beseitigen sind. In
    tägliches Verkehrschaos insbesondere vor Grund-           weniger dichten Siedlungsräumen fehlen häufig sichere
schulen (Stau, Parken in zweiter Reihe, …)                    straßenunabhängige Radwege oder Schutzstreifen, die
    zusätzliche Belastungen der Umwelt durch Feinstaub-       verschiedene Ortschaften miteinander verbinden und
und Treibhausgasemissionen.                                   Kindern und Jugendlichen damit eine eigenständige und
                                                              sichere Mobilität ermöglichen.
Doch es gibt noch weitere Argumente: Durch eine
eigenständige Mobilität der Kinder mit dem Rad oder zu        Multimodale Verkehrsangebote familienfreundlich gestalten –
Fuß bzw. bei weiten Wegen mit Bus und Bahn werden die         In Großstädten werden derzeit multimodale Verkehrs-
Eltern zeitlich entlastet, die Kinder knüpfen oder festigen   angebote ausgebaut. Dort wird es in Zukunft immer ein-
soziale Kontakte, ihre Selbständigkeit wird gefördert, ihre   facher, an zentralen Haltestellen auf ein Leih-Auto oder
Wahrnehmung der Umwelt geschärft und die Grundlage            ein Leih-Fahrrad umzusteigen. Diese Mobilitätsangebote
für späteres Mobilitätsverhalten im Erwachsenenalter          werden mit einer Mobilitätskarte oder per Handy-App zu
geschaffen. Folgende Maßnahmen werden in diesem               einem transparenten Gesamtpreis zu buchen sein. Um
Zusammenhang vorgeschlagen:                                   diese multimodalen Verkehrsangebote familiengerecht
                                                              zu gestalten, sind neben ausreichend dimensionierten
Öffentlichen Nahverkehr für Familien attraktiver machen –     Fahrradabstellanlagen auch familientaugliche Carsha-
Busse und Bahnen können für Familien noch attraktiver         ring-Angebote (ausreichend große Autos, Kindersitze,
werden. Zum Beispiel mit günstigen Familientarifen, mit       übertragbare Mitgliedschaft für alle Haushaltsmitglieder)
einem auf die Schulanfangs- und Schulendzeiten abge-          sowie der Verleih von Lastenrädern und Anhängern wich-
stimmten Fahrplan, einem besseren Angebot außerhalb           tig. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass sich häufig
der Spitzenzeiten (Teilzeitbeschäftigte!), spezifischen       genutzte Dienstleistungs- und Versorgungsangebote

26   Familienmobilität
(z. B. Post, Bankautomat, Reinigung, Reparaturservice,        Vertrauen in die Angebote vor Ort stärken –
Lebensmittelladen) im direkten Umfeld der „Mobilitäts-        Viele Eltern fühlen sich heute unter Druck, ihre Kinder
stationen“ befinden.                                          optimal zu fördern und für das unsicher gewordene
                                                              Berufsleben vorzubereiten. Die Wahl der besten Schule,
3_                                                            des besten Kinderarztes, des besten Fußballvereins usw.
                                                              hat jedoch meist deutlich weitere Wege zu Folge, die sich
Eigenständige Mobilität                                       dann nur noch mit dem Auto bewältigen lassen. Die

von Kindern und                                               Folge: mehr Begleitwege und höherer Zeitaufwand für die
                                                              Eltern sowie weniger selbst gestaltete Freizeit für die Kin-

Jugendlichen unterstützen                                     der und weniger Kontakte mit Gleichaltrigen im direkten
                                                              Wohnumfeld. Hier braucht es pro-aktive Beratungen und
                                                              Informationen der Kommunen, welche die Bedürfnisse der
Die eigenständige Mobilität von Kindern und Jugend-
                                                              Eltern ernst nehmen und sie über nahräumliche Alterna-
lichen ist eine zentrale Stellschraube der Familien-
                                                              tiven aufklären.
mobilität. Können Kinder und Jugendliche ihre Wege
weitgehend selbstständig zurücklegen, werden nicht nur
                                                              Aufsuchende Elternarbeit zum Thema Verkehrssicherheit –
die Eltern zeitlich entlastet: Die Kinder werden in ihren
                                                              Immer mehr Eltern sind davon überzeugt, dass die Sicher-
Kompetenzen, sich im öffentlichen Raum zu bewegen,
                                                              heit ihrer Kinder im öffentlichen Raum nur mit dem Auto
gefördert, und es wird ihre Leistungsfähigkeit und Ge-
                                                              gewährleistet werden kann. Das tägliche Verkehrschaos
sundheit gestärkt.
                                                              vor vielen Grundschulen und Kitas ist ein Ausdruck
                                                              dieser Entwicklung. Dabei überschätzen viele Eltern die
Die Umsetzung dieser Strategie beinhaltet viele der be-
                                                              Gefahr eines Unfalls beim Radfahren oder zu Fuß und
reits genannten Einzelmaßnahmen. Sie gelingt allerdings
                                                              unterschätzen die Gefährdungen, wenn sie ihr Kind mit
nur mit einem abgestimmten Handeln verschiedener
                                                              dem Auto bringen. Hier helfen gezielte Elternabende und
Akteure. Ein bewegungsförderndes, attraktives Woh-
                                                              Aufklärungskampagnen, die Folgen bestimmter Entschei-
numfeld, eine entsprechende Straßenraumgestaltung,
                                                              dungen aufzuzeigen und Lust auf ein anderes Mobili-
sichere und lückenlose Fuß- und Fahrradwegenetze, ein
                                                              tätsverhalten zu wecken. Kampagnen wie „Mehr Frei-
schulisches Mobilitätsmanagement oder auch Mobilitäts-
                                                              raum für Kinder“ des Landes Nordrhein-Westfalen oder
bildung erfordern, dass Schulen, planende Verwaltung,
                                                              „Osnabrück sattelt auf“ sowie die Aktionstage „Zu Fuß zur
Polizei, Verkehrsunternehmen und Eltern gemeinsam
                                                              Schule“ des VCD vermitteln augenzwinkernd Informatio-
und konkret die eigenständige Mobilität von Kindern und
                                                              nen („Flirten auf dem Schulweg geht nur ohne Mamataxi.
Jugendlichen in den Blick nehmen und gezielt unterstüt-
                                                              Fahr mehr Rad“), sie unterstützen Kommunen, mehr Platz
zen. Ein wichtiges Ziel ist dabei, die Eltern zu unterstüt-
                                                              für Kinder vor ihrer Haustür zu schaffen, und motivieren
zen, auf die Fähigkeiten ihrer Kinder zu vertrauen und
                                                              die Kinder, Fahrrad zu fahren oder zu Fuß zu gehen.
ihnen etwas zuzutrauen.

                                                              Netzwerkbildung zwischen Familien stärken –
4_
                                                              Unterstützung und Entlastung in der Organisation des
Familien in ihrer Selbst-                                     Alltags erfahren Eltern jedoch nicht nur durch Insti-
                                                              tutionen wie Kommunen, Verkehrsdienstleister oder
organisation stärken,                                         Arbeitgeber, sondern auch durch selbst aufgebaute soziale

Mobilitätsverhalten                                           Netzwerke mit Großeltern, Freunden, Nachbarn usw., mit
                                                              denen z. B. Fahrgemeinschaften organisiert werden, Kin-

bewusst machen                                                der gemeinsam zu Fuß begleitet werden („Walking-Bus“)
                                                              oder ein Auto geteilt wird. Familien- und Nachbarschafts-
                                                              zentren mit ihren familientypischen Beratungs- und
Familien beeinflussen ihre Mobilität auch durch eigene
                                                              Freizeitangeboten können hier einen wichtigen Beitrag
Entscheidungen, z. B. bei der Wahl typischer Zielorte
                                                              leisten, damit Eltern wohnortnahe Kontakte knüpfen
für die Kinder (Schule, Hobby) oder dem Wohnstandort.
                                                              können. Dies ist auch ein wichtiges Betätigungsfeld für
Nicht immer werden dabei die Folgen mit bedacht. Hier
                                                              ehrenamtliches Engagement, zum Beispiel in Mehrgene-
ist Folgendes wichtig:
                                                              rationenprojekten.

                                                                                                   Familienmobilität   27
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