FAMILY BUSINESS - FHWien der WKW

Die Seite wird erstellt Hortensia-Emilia Rudolph
 
WEITER LESEN
FAMILY BUSINESS - FHWien der WKW
DAS MAGAZIN FÜR MANAGEMENT & KOMMUNIKATION DER FHWIEN DER WKW   01|MÄRZ 2019

                FAMILY BUSINESS ...
                 Familienunternehmen wie jenes von Günter Fronius (Bild oben) prägen Österreichs Wirtschaft
                          ganz enorm. studio! widmet sich den vielen Facetten von Family Business.

Verkocht                                               Verknallt
Hans Staud, Marmeladen-Produzent aus                   Paare erzählen, wie sie einander am Arbeits­
Ottakring, im studio!-Interview.                       platz kennen und lieben gelernt haben.
FAMILY BUSINESS - FHWien der WKW
im fokus

                                   ... ERFOLGREICH IN
                                   ZUKUNFT FÜHREN
                                   Familienunternehmen spielen in der österreichischen
                                   Wirtschaft eine tragende Rolle – auch, weil Erfolg für sie oft
                                   eine ganz spezielle Bedeutung hat. Über Tradition, Werte
                                   und unternehmerische Verantwortung.
                                   VON MASCHA K. HORNGACHER
FOTO: FRONIUS INTERNATIONAL GMBH

                             2
FAMILY BUSINESS - FHWien der WKW
DIE

                   Innerhalb weniger Jahrzehnte
                   wurde aus der kleinen »Fach-
                  Reparaturwerkstätte für Radio
                und Elektrotechnik« von Günter
                        Fronius in Rankleiten bei
                 Pettenbach (Oberösterreich) ein
             global agierender Konzern. Fronius
                      bietet heute unter anderem
               individuelle Schweißlösungen an.
                  Hier ist eine Mitarbeiterin am
                           Dachstein im Einsatz.

 MÄRZ 2019                                     3
FAMILY BUSINESS - FHWien der WKW
im fokus

                    W
                                  ie definiert man unter­          Familienunternehmen. Dabei prägen       werden auch nicht-finanzielle Indika­
                                  nehmerischen Erfolg? Die         Betriebe wie die Ölmühle Fandler        toren herangezogen, zum Beispiel die
                                  naheliegendste Antwort           Österreichs Unternehmenslandschaft      Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen
                    ist wohl: über Umsatz und Gewinn.              deutlich: 51 Prozent (ohne Ein-Perso­   und Mitarbeiter und die Verankerung
                    Julia Fandler hat für sich auch noch ein       nen-Unternehmen) der Unternehmen        in der eigenen Region.«
                    anderes Kriterium definiert: »Es nicht         sind hierzulande Familienunterneh­
                    nur die nächsten paar Jahre krachen            men. Laut einer Studie der WKO vom      Verantwortung für Mensch und Umwelt
                    lassen, sondern ein solides Unterneh­          Mai 2018 beschäftigen sie 1,8 Milli­    Ortiz ist stellvertretende Leiterin des
Daniela Ortiz       men führen, das ist motivierend.« Die          onen Menschen – und damit einen         Center for Corporate Governance
ist stv. Leiterin
                    Eigentümerin der Ölmühle Fandler               Großteil der heimischen Arbeitneh­      & Business Ethics der FHWien der
des Center
for Corporate
                    GmbH führt in vierter Generation das           merInnen.                               WKW. Mit ihrem Team untersucht
Covernance &        Erbe der Ölproduktion im steirischen               Die Bandbreite der Familienunter­   sie unter anderem Klein- und Mittel­
Business Ethics     Pöllau fort. Dabei ist der Betrieb             nehmen reicht vom kleinen Hand­         betriebe, die im Bereich verantwor­
der FHWien der      stetig gewachsen, nur der Standort             werksbetrieb bis zum weltweit agie­     tungsvolle Unternehmensführung eine
WKW.                ist seit der Gründung 1926 derselbe.           renden Großkonzern. Kennzeichnend       Vorreiterrolle einnehmen. Soziale und
                    Julia Fandler hat den Betrieb seit 2005        ist dabei die Leitungs- und Eigentü­    umweltrelevante Aspekte prägen de­
                    deutlich vergrößert, ist den zentralen         merstruktur: Oft liegen Eigentümer­     ren Geschäftsprozesse wesentlich. Im
                    Werten der Mühle aber treu geblieben:          schaft und Unternehmensführung in       Rahmen eines von der Stadt Wien ge­
                    kompromisslose Produktqualität sowie           der Hand einer einzigen Person. Ein     förderten Forschungsprojekts arbeitet
                    der Mensch im Mittelpunkt.                     weiteres Unterscheidungsmerkmal         Daniela Ortiz auch mit Julia Fandler
                                                                   nennt Daniela Ortiz von der FHWien      zusammen. Über die Ölmühle Fandler
                    Familienbetrieb: eine Frage der Definition     der WKW: die Definition von Erfolg.     sagt Ortiz: »Sie ist ein gutes Beispiel
                    Die langfristige Ausrichtung des               »Erfolg wird in vielen Familienun­      dafür, dass die Unternehmensleitung
                                                                                                                                                     FOTOS: FANDLER/GERHARD WASSERBAUER, FHWIEN DER WKW

                    Betriebs über Generationen hin­                ternehmen nicht nur an der Gewinn­      nicht in Quartalen denkt, sondern in
                    weg ist ein Markenzeichen von                  maximierung gemessen, sondern es        Generationen. Die Ölmühle ist Sta­
                                                                                                           keholder-orientiert und arbeitet auch
                                                                                                           mit Ressourcen aus der Region.«
» ERFOLG WIRD IN VIELEN FAMILIENUNTERNEHMEN NICHT NUR                                                          Familienunternehmen zeichnen
                                                                                                           sich oft durch ein Verantwortungsbe­
AN DER GEWINNMAXIMIERUNG GEMESSEN. «                             DANIELA ORTIZ                             wusstsein für Gesellschaft und Umwelt
                                                                                                           aus, das stark von der Unternehmens­
                                                                                                           leitung vorgegeben und vorgelebt wird.

4
FAMILY BUSINESS - FHWien der WKW
Buch über unternehmerische Verantwortung
                                                                                                                                                                                                     Ein neuer Sammelband der FHWien der WKW beschreibt,
                                                                                                                                                                                                     wie verantwortungsvolles Wirtschaften im österreichischen
                                                                                                                                                                                                     Mittelstand verstanden und implementiert wird.

                                                                                                                                                                                                     Zahlreiche kleine und mittlere                In diesem Sammelband werden
                                                                                                                                                                                                     Unternehmen (KMU) sowie Fami­             mithilfe von theoretischen Überlegun­
                                                                                                                                                                                                     lienbetriebe übernehmen im Bereich        gen und konkreten Praxisbeispielen
                                                                                                                                                                                                     verantwortungsvolle Unternehmens­         die Hintergründe und Anwendungen
                                                                                                                                                                                                     führung eine Vorreiterrolle: Soziale      von verantwortungsvoller Unterneh­
                                                                                                                                                                                                     und umweltrelevante Aspekte sind als      mensführung beschrieben: Neben
                                                                                                                                                                                                     zentrale Faktoren in ihren Geschäfts­     der unternehmerischen Perspektive
                                                                                                                                                                                                     prozessen und im Management               werden auch die wissenschaftliche und
 »Es nicht nur die nächsten paar Jahre kra­
                                                                                                                                                                                                     integriert.                               die politische Sicht beleuchtet – im
chen lassen, sondern ein solides Unterneh­                                                                                                                                                               Mittelständische Unternehmen          Sinne der Stärkung der notwendigen
  men führen.« – So definiert Julia Fandler,                                                                                                                                                         sind häufig besonders stark in der je­    Rahmenbedingungen. Ziel dieses
Chefin der gleichnamigen Ölmühle in der                                                                                                                                                              weiligen Region verankert und pflegen     Buchprojekts ist es darzustellen, wie
                Steiermark, für sich Erfolg.                                                                                                                                                         enge Beziehungen zu ihren internen        verantwortungsvolles Wirtschaften
                                                                                                                                                                                                     und externen Stakeholdern. Die Ver­       ausgehend von den konkreten Gege­
                                                                                                                                                                                                     bundenheit mit den unterschiedlichen      benheiten im österreichischen Mittel­
                                                                                                                                                                                                     Anspruchsgruppen führt oft zu einer       stand verstanden wird, insbesondere
                                                                                                                                                                                                     starken Adressierung gesellschaftlich     wie entsprechende Maßnahmen vom
»Unternehmerische Verantwortung                                                                                                                                                                      relevanter Themen. Beispiele dafür        Führungsverständnis der Unterneh­
wird zunehmend gesellschaftlich er­                                                                                                                                                                  sind u.a. die langfristige Ausrichtung    mensleitung geprägt sind und erfolg­
wartet. Werteorientierte Unternehmen                                                                                                                                                                 des Unternehmens, eine hohe regiona­      reich in der gesamten Organisation
haben somit eine große Chance, sich                                                                                                                                                                  le Zugehörigkeit, familienfreundliche     implementiert werden.
dadurch am Markt zu positionieren«,                                                                                                                                                                  interne Strukturen und partnerschaft­         Bei den GastautorInnen handelt
sagt Ortiz. Verantwortungsvolles Wirt­                                                                                                                                                               liche Beziehungen zu Zulieferbe­          es sich in erster Linie um Eigentü­
schaften ist hier Selbstverständlichkeit                                                                                                                                                             trieben und Kundschaft. Gleichwohl        merInnen österreichischer Unter­
– und nicht reine Marketingstrategie.                                                                                                                                                                wird die Berücksichtigung gesell­         nehmen sowie deren Führungskräfte.
Ortiz’ Empfehlung lautet daher: »Tue                                                                                                                                                                 schaftlicher und ökologischer Aspekte     Des Weiteren berichten international
Gutes und rede darüber.«                                                                                                                                                                             nicht ausschließlich als karitativ oder   führende WissenschaftlerInnen und
    Typisch für Familienunternehmen                                                                                                                                                                  philanthropisch, sondern vielmehr als     VertreterInnen von Regierungsbehör­
sei auch, dass sie nicht jedem Trend                                                                                                                                                                 instrumentell für die Erreichung der      den und Interessensvertretungen von
hinterherlaufen. Sie verstehen sich oft                                                                                                                                                              langfristigen Unternehmensziele er­       ihren Erfahrungen.
als Träger einer Tradition. Was jedoch                                                                                                                                                               achtet. Zu diesen Zielen zählen bspw.         LeserInnen finden in diesem Buch
nicht bedeute, dass Familienbetriebe                                                                                                                                                                 die Sicherung oder Steigerung der         eine Fülle von Informationen, Erfah­
nicht innovationsfreudig sein können,                                                                                                                                                                persönlichen und unternehmerischen        rungen und Anregungen sowie einen
betont Ortiz. Wenn neue Wege einge­                                                                                                                                                                  Reputation sowie die Aufrechterhal­       umfassenden Überblick über Prinzipi­
schlagen werden sollen, hat ein kleiner                                                                                                                                                              tung einer gesunden Rentabilität.         en einer nachhaltigen und verantwor­
Familienbetrieb eindeutig einen                                                                                                                                                                                                                tungsvollen Unternehmensführung.
Vorteil gegenüber anderen Unterneh­
mensformen: Kürzere Wege ermögli­                                                                                                                                                                                                              Das Buchprojekt entstand im Rahmen
chen eine schnelle Umstellung.Verantwortungsvolle Unternehmensführung                                                                                             Forschung und Praxis an der FHWien der WKW
                                                                                                                                                                                                                                               des von der Stadt Wien geförderten
                                                                                                                                 Ortiz · Czuray · Scholz Hrsg.

                              im österreichischen Mittelstand
                              Dieser Sammelband stellt dar, wie verantwortungsvolles Wirtschaften ausgehend von
                              den konkreten Gegebenheiten im österreichischen Mittelstand formuliert und imple-
                              mentiert wird. Zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Familienbe-
                                                                                                                                                                                                                                               »Kompetenzteams für nachhaltiges,
                                                                                                                                                                                                                                               strategisches und chancenorien­
                              triebe übernehmen in diesem Bereich eine Vorreiterrolle: Soziale und umweltrelevante
                              Aspekte sind als zentrale Faktoren in ihren Geschäftsprozessen und im Management

Verwandlung von »Deinem« zu »Meinem«
                              integriert. Neben der unternehmerischen Perspektive werden in diesem Buch auch
                              die wissenschaftliche und die politische Sicht beleuchtet – im Sinne der Stärkung

                                                                                                                                                                                                                                               tiertes Management von KMU« am
                              der notwendigen Rahmenbedingungen. Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft
                              und Praxis analysieren anhand theoretischer Überlegungen und konkreter Unter-
                              nehmensbeispiele die Hintergründe und Anwendungen eines verantwortungsvollen

Für Julia Fandler hat sich bald nach                                                                                                                                                                            Daniela Ortiz, Marie
                              Managements in mittelständischen Unternehmen. Praktiker finden in diesem Buch
                              eine Fülle von Informationen, Erfahrungen und Anregungen, Studierende erhalten

                                                                                                                                                                                                                                               Competence Center for Corporate
                              einen umfassenden Überblick über die Prinzipien einer nachhaltigen und verantwor-
                              tungsvollen Unternehmensführung.

                                                                                                                              1                                   Daniela Ortiz · Marie Czuray
ihrer Betriebsübernahme die Notwen­                                                                                                                                                                             Czuray, Markus
                              Der Inhalt
                              • Ethical Leadership im Mittelstand

                                                                                                                                                                  Markus Scholz Hrsg.
                                                                                                                                                                                                                                               Governance & Business Ethics (CGBE)
                              • Politischer Rahmen: Weichenstellungen
                              • Verantwortungsvolle Unternehmensführung
                                                                                                                        Verantwortungsvolle Unternehmensführung
                                                                                                                        im österreichischen Mittelstand

                                                                                                                                                                  Verantwortungsvolle                           Scholz (Hrsg.):
                              Die Herausgeber

digkeit eines Relaunches der Marke
                              Dr. Daniela Ortiz (Leitung) und Marie Czuray, MA (wissenschaftliche Mitarbeiterin) sind

                                                                                                                                                                                                                                               des Research Cluster SMEs & Family
                              Teil des von der Stadt Wien geförderten „Kompetenzteams für nachhaltiges, strategisches
                              und chancenorientiertes Management von KMU“ der FHWien der WKW.
                              FH-Prof. Dr. Markus Scholz leitet das Center für Corporate Governance & Business Ethics
                              sowie das Center for Strategy and Competitiveness der FHWien der WKW.                                                               Unternehmensführung im                        Verantwortungsvolle
ergeben. Bio-Produkte wurden im                                                                                                                                   österreichischen Mittelstand                                                 Businesses der FHWien der WKW.
                                                                                                                                                                                                                Unternehmensführung
Lebensmitteleinzelhandel immer wich­                                                                                                                              Vision und Praxis
                                                                                                                                                                                                                im österreichischen
tiger. Auch wenn Fandler-Öle bereits
                               ISBN 978-3-658-25327-1                                                                                                                                                           Mittelstand – Vision
in Bio-Qualität erhältlich waren, war
                               9   783658 253271
                                                                                                                                                                                                                und Praxis, Springer
das am Etikett nicht ausreichend                                                                                                                                                                                Gabler

      MÄRZ 2019                                                                                                                                                                                                                                                                      5
FAMILY BUSINESS - FHWien der WKW
im fokus

                          erkenntlich. Durch den Relaunch-Pro­                lernen.« Gelungen sei ihr das durch
                          zess wurde das geschafft und noch viel              den Rückhalt in der Belegschaft sowie
                          mehr: »Es war eine richtiggehende                   deren Anteilnahme am Schicksal der
                          Metamorphose«, erinnert sich Fandler.               Familie Fandler.
                          »Der Betrieb meines Vaters wurde
                          zunehmend zu meinem.«                               Masterplan für die Zukunft
                             Der Relaunch war eine sehr be­                   Ganz anders verlief die Nachfolge bei
                          wusste Entscheidung – dass sie ihrem                Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß.
Claudia Rosen­
                          Vater in der Unternehmensleitung                    Als Enkelin des Firmengründers
berger berät
                          nachgefolgt ist, jedoch nicht: »Das                 leitet sie seit 2012 gemeinsam mit
(angehende)
UnternehmerIn­            war kein Entschluss, ich bin reinge­                drei Nicht-Familienmitgliedern die
nen in der                wachsen.« Seit ihrem 20. Lebensjahr                 Fronius International GmbH. Der
Nachfolgebörse            war sie im Betrieb tätig, lernte die                oberösterreichische Industriebetrieb
der WKW.                  Ölmühle von der Pike auf kennen und                 ist spezialisiert auf Schweißtechnik,
                          war, wie sie sagt, eine normale Mit­                Photovoltaik und Batterieladetechnik
                          arbeiterin in sämtlichen Unterneh­                  und hat weltweit über 4.500 Mitarbei­
                                                                                                                                   Der Verkaufsraum
                          mensbereichen. Erst später hatte sie                terInnen. Eigentlich wollte sie beruf­
                                                                                                                                 der Firma H*S*C in
                          sich mit der Verwaltung einen eigenen               lich ihren eigenen Weg gehen, doch                 Döbling, die sich auf
                          Aufgabenbereich geschaffen. Sehr zur                2001 folgte sie dem Angebot ihrer                  Verkauf und Service
                          Freude ihres Vaters, der sich vermehrt              Mutter, den Finanzbereich von ihr zu              von Kaffeemaschinen
                                                                              übernehmen. »Dass ich heute an der                     spezialisiert hat.
                                                                              Spitze des Unternehmens stehe, hat
» WIR DENKEN SCHON JETZT ÜBER DIE                                             sich erst über die Jahre entwickelt«,
                                                                              schildert Engelbrechtsmüller-Strauß.
REGELN FÜR DIE ZUKUNFT NACH. «                                                    Ab ihrem Einstieg bei Fronius
ELISABETH ENGELBRECHTSMÜLLER-STRAUSS
                                                                              hat sich die Familie intensiv damit               müssen. Es ist ein fortlaufender
                                                                              beschäftigt, wie die Übergabe an die              Prozess, der aus meiner Sicht nie auf­
                                                                              nächste Generation gestaltet und                  hören wird«, so die Fronius-CEO.
                          um den Außendienst kümmern konn­                    geschafft werden kann. Dabei ist es
                          te. Es blieb schließlich aber nicht viel            nicht nur um die Geschäftsführung                 Keine 08/15-Übergabe
                          Zeit für eine Übergabe: Julia Fandlers              an sich gegangen, denn auch Engel­                Geht es nach Claudia Rosenberger
                          Vater erkrankte und starb früh. Eine                brechtsmüller-Strauß’ Schwester Petra             von der Nachfolgebörse der Wirt­
                          belastende, aber auch lehrreiche Phase              Strauß sowie ihr Cousin Peter Fronius             schaftskammer Wien, ist das der
                          für die Unternehmerin. »Ich musste                  arbeiten im Unternehmen. »Wir den­                ideale Prozess. Ein Jahr Planung sei
                          aus einer homogenen Gruppe von                      ken auch jetzt darüber nach, welche               zur Vorbereitung der Nachfolge das
                          Mitarbeitern als Führungskraft her­                 Regeln wir für die Zukunft und somit              Minimum, zwei bis drei Jahre wären
                          austreten, delegieren und Kritik geben              für die vierte Generation aufstellen              optimal. In manchen Fällen können
                                                                                                                                aber auch fünf bis zehn Jahre sinnvoll
                                                                                                                                sein, um die Nachfolge gut vorzu­
                                                                                                                                bereiten. Es komme auf die Größe
Bedeutung der Familienunternehmen in Österreich                                            Quelle: KMU Forschung Austria 2107
                                                                                                                                und Struktur eines Betriebs an, meint
Laut einer Erhebung der Wirtschaftskammer Österreich handelt es sich bei einem Großteil der österreichischen Unternehmen um     Rosenberger. »Eine Betriebsübergabe
Familienunternehmen. Die Bandbreite reicht dabei vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum großen Industriekonzern.                  ist immer ein Einzelfall. Aus diesem
                                                                                                                                Grund ist eine individuelle Beratung
       Familienunternehmen               andere Unternehmen                                                                     empfehlenswert.« Die Nachfolgebörse
       Ein-Personen-Unternehmen                                                                                                 ist eine kostenfreie Serviceleistung der
                                                                                                                                                                           FOTOS: HSC/CHRISTOPH DOPPLINGER, FRONIUS INTERNATIONAL GMBH

                                                                                                                                WKW und richtet sich an alle Un­
                                                                                                                                ternehmen, die in den nächsten fünf
12 %                                          31 %                                      39 %                                    Jahren eine/n NachfolgerIn suchen.
                                                                                                                                Gleichzeitig werden über die Inserate
                                  51 %                                      65 %                                        57 %    auf der Online-Plattform Interessent­
                                                                                                                                Innen an einer Betriebsübernahme
                                                                                                                                angesprochen.
                                                                                                     Umsatz                         Aktuell sind österreichweit knapp
            Unternehmen                                Mitarbeiter                                 in Mio. EUR
                                         4%                                                                                     1.300 Betriebe auf der Plattform
37 %                                                                                  4%                                        registriert – 455 davon allein in Wien.
                                                                                                                                Abhängig von der Attraktivität der

6
FAMILY BUSINESS - FHWien der WKW
Fronius hat den
                                                                                                                          Weg von der
                                                                                                                          kleinen Werkstatt in
                                                                                                                          Oberösterreich zum
                                                                                                                          weltweiten Industrie­
                                                                                                                          konzern binnen
                                                                                                                          drei Generationen
                                                                                                                          zurückgelegt.

Branche, der Aktualität oder dem
Preis kann die Vermittlung bei man­
chen Betrieben nur wenige Wochen
dauern, bei anderen wiederum Jahre.
Familienbetriebe regeln die Nachfolge
zwar meist innerfamiliär, suchen aber
dennoch die Beratung im Übergabe­
prozess durch die Wirtschaftskammer.

Anders als geplant                                            gehen und einiges zu beachten. Doch       nicht nur Mutter, Tochter, Nichte,
Wie zum Beispiel Barbara Vrba. Vor                            über die Nachfolgebörse habe ich          Schwester und Cousine, sondern auch
zwei Jahren übernahm sie das H*S*C                            erfahren, worauf ich aufpassen und        Geschäftsführerin. In der Firma gelten
– HaushaltsServiceCenter in Wien-­                            in welcher Reihenfolge ich vorgehen       andere Regeln als im System Familie.
Döbling von ihrer Mutter, im Betrieb                          muss, um dorthin zu kommen, wohin         Dessen muss man sich bewusst sein.
tätig ist sie schon seit 2005. Gegründet                      ich wollte.« Für diesen Input ist die     Außerdem soll berücksichtigt werden,
wurde die Firma 2000 von ihrem                                heute 34-jährige sehr dankbar und         dass Familienmitglieder, die nicht
Vater, der jedoch 2009 unerwartet                             erinnert sich: »Der Übernahmeprozess      im Unternehmen tätig sind, sich
verstarb. Die Mutter führte bis zu         Elisabeth          hat sich schwieriger angehört, als er     nicht ausgeschlossen fühlen«, erklärt
                                           Engelbrechts­
ihrer Pensionierung Ende 2016 den                             schlussendlich war.«                      Engelbrechtsmüller-Strauß. Und man
                                           müller-Strauß,
Betrieb weiter. »Die Nachfolge meines      CEO von Fronius,
                                                                 Für Fronius-CEO Elisabeth              habe vereinbart, sich bei klassischen
Vaters hatte ich mir anders vorge­         ist die Enkelin    Engelbrechtsmüller-Strauß ist klar:       Familientreffen nicht über die Firma
stellt«, schildert Vrba. Ein paralleles    von Unterneh­      »Niemand soll sich verpflichtet fühlen,   zu unterhalten: »Familie bleibt Familie
Arbeiten, Seite an Seite mit ihm, nicht    mensgründer        den Familienbetrieb zu übernehmen,        und Firma bleibt Firma.«
nur in der Reparaturwerkstatt. Denn        Günter Fronius.    sondern es nur machen, wenn er               Fest steht: Wer die Nachfolge eines
über betriebswirtschaftliche The­                             oder sie wirklich will. Es muss Spaß      Familienbetriebs übernimmt, beweist
men hatte ihr Vater nie gesprochen.                           machen. Nur dann findet man auch          Mut. Werte erhalten und, wenn
Dieses Wissen musste erst erarbeitet                          seinen eigenen Weg.« Gewisse Regeln       sinnvoll und notwendig, neue Wege zu
werden – mit Unterstützung von                                machen die Zusammenarbeit im              gehen, das zeugt von unternehmeri­
Vrbas Lebensgefährten, der damals                             Familienunternehmen dann ebenfalls        scher Verantwortung – ein guter Weg
BWL studierte. Heute führt sie mit                            einfacher: eine bewusste Unterschei­      zur langfristigen Unternehmensent­
ihm gemeinsam den Betrieb. »Bei                               dung zwischen Firma und Familie           wicklung. 
der Übernahme waren viele Wege zu                             etwa sowie Rollenklarheit. »Ich bin

       MÄRZ 2019                                                                                                                              7
FAMILY BUSINESS - FHWien der WKW
geradeheraus

                           FAMILY BUSINESS VON
                           MARMELADE BIS BLASMUSIK
                           51 Prozent der Unternehmen in Österreich sind Familienunternehmen.
                           Das ist eine Zahl, die man durchaus sickern lassen muss: Jedes
                           zweite Unternehmen hierzulande wird maßgeblich durch Personen
                           bestimmt, die verwandtschaftlich miteinander verbunden sind. Die
        Michael Heritsch
        CEO der FHWien
                           Bandbreite reicht dabei vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum
        der WKW            Industriekonzern. Grund genug für studio!, einen genaueren Blick auf
                           diese Betriebe zu werfen, zumal es an der FHWien der WKW einen
                           großen Forschungsschwerpunkt zum Thema Familienunternehmen
                           gibt. Entsprechend viele dieser Unternehmen sind mit uns als
                           Fachhochschule verbunden, sei es als »Forschungsobjekt« (s. Cover­
                           story Seiten 2 – 7) oder weil diejenigen Personen aus der Familie, die das
                           Unternehmen prägen, an unserer FH studiert haben (S. 14 – 15).
                               Selbstverständlich haben wir auch über den Tellerrand geblickt
                           – etwa von Währing nach Ottakring, wo wir eine beeindruckende
                           Begegnung mit Hans Staud hatten. In unserem großen Interview mit
                           dem legendären Delikatessen-Produzenten (S. 16 – 19) erfahren Sie,
                           warum er als junger Mann heimlich Marmelade einkochen musste und
                           wie er der Multikulturalität in seinem Wiener Traditionsunternehmen,
                           das seit rund 150 Jahren in Ottakring beheimatet ist, Rechnung trägt.
                           Es war übrigens eine in mehrerlei Hinsicht nachhaltige Begegnung:
                           studio!-Redakteurin und -Fotograf gingen reich beschenkt mit
                           Marmeladen, Essiggurkerln und Co heim.
                               Nicht nur in Familienunternehmen werden aus KollegInnen oft
                           Personen, mit denen einen mehr verbindet als nur berufliche Projekte.
                           Viele Firmen fördern gezielt den sozialen Zusammenhalt und setzen
                           dabei auf Angebote, die vom Blasmusik- bis zum Sportverein reichen
                           (S. 22 – 23). Manchmal entsteht Nähe aber ganz ungeplant, dann
                           nämlich, wenn Amor seine Pfeile am Arbeitsplatz abschießt. Die Vor-
                           und Nachteile dieser besonders engen Verbindung von Beruflichem und
                           Privatem kennen jene Paare nur zu gut, die wir auf den Seiten 10 – 13
                           vorstellen.
                               Sie merken es schon: Sie halten ein prall gefülltes Heft in Händen.
                           Viel Spaß beim Lesen!

                           Michael Heritsch
                                                                                                        FOTO: FEELIMAGE/MATERN

8
FAMILY BUSINESS - FHWien der WKW
Open House:
   Must see
   Maybe
Infos & Anmeldung:                    22. März 2019
www.fh-wien.ac.at                       10–19 Uhr

Währinger Gürtel 97, 1180 Wien
• Bachelor- und Master-Studiengänge
• Infoveranstaltungen
• Campus(er)Leben
• offene Lehrveranstaltungen

 MÄRZ 2019                                            9
FAMILY BUSINESS - FHWien der WKW
wienERleben

       WENN AMORS
     PFEILE DURCHS
      BÜRO FLIEGEN
              Immer wieder finden
                                                    W
                                                                 ann werden aus einem         Niederösterreich. Aufgrund der
                                                                 Flirt echte, dauerhafte      13 Jahre Altersunterschied zwischen
        Liebende am Arbeitsplatz                                 Gefühle? Was unter­          ihnen hatten sie keinen gemeinsamen
             zueinander. Umfragen                   scheidet ein gelegentliches Gspusi        Freundeskreis, es waren vielmehr
              zufolge entsteht dort                 von einer ernsthaften Beziehung?          Claras Eltern, die Florian kennen­
                                                    Höchstpersönliche Fragen, die keinen      lernten, als sie zusammen bei einem
               jede vierte bis fünfte               Chef und keine Chefin der Welt etwas      Flüchtlingsprojekt mithalfen. Für
              Beziehung. Wenn die                   angehen, sollte man meinen. Es sei        seine Firma floatwork_, die sich auf
       Gefühle Achterbahn fahren,                   denn, jene zwei Personen, die sich die­   das Programmieren von Websites und
                                                    se Fragen stellen, sind Arbeitskolleg­    Apps spezialisiert hat, suchte Florian
          ist das freilich nicht nur                Innen. Die Komplexität des Themas         eine/n MitarbeiterIn für diverse
           für die Paare selbst eine                Liebe am Arbeitsplatz beginnt schon       organisatorische und buchhalterische
        Herausforderung, sondern                    bei dessen Definition. »Selten kommt      Aufgaben. Clara war zu dieser Zeit
                                                    ein Paar zur Unternehmensleitung          auf der Suche nach einem Teilzeitjob
        auch für deren ChefInnen                    und sagt: ›Wir sind ab jetzt zusam­       neben dem Studium, so wurden die
                  und KollegInnen.                  men, bitte das zu berücksichtigen‹ «,     beiden 2016 zu KollegInnen. »Dann
                                                    sagt Manfred Schieber, Head of            haben wir uns ineinander verliebt«,
                VON ANDREA HEIGL UND LISA WIEDNER   Management & Entrepreneurship             erzählt Florian.
                                                    Study Programs der FHWien der
                                                    WKW. Und eines vorweg: Es gibt            Zuerst auf Nummer sicher gehen
                                                    keine Patentlösung für Unternehmen,       Das hängten die beiden zunächst je­
                                                    deren MitarbeiterInnen mehr als           doch nicht an die große Glocke. »Man
                                                    nur das Büro miteinander teilen. Die      sollte sich sicher sein, dass das, was im
                                                                                                                                          FOTOS: CHRISTOPH LIEBENTRITT

                                                    Lösungen sind vielmehr so individuell     Entstehen ist, zu etwas Ernstem führt,
                                                    wie die Liebesgeschichten selbst.         bevor man es am Arbeitsplatz ver­
                                                       So wie jene von Florian Rohr­          kündet«, meinen die beiden. Als das
                                                    beck und Clara Weber. Die beiden          Paar seine Beziehung publik machte,
                                                    stammen aus demselben Dorf in             reagierten die KollegInnen sehr

10
Florian Rohrbeck und Clara Weber
                                                      stammen zwar aus demselben Dorf,
                                                      gefunkt hat es aber erst, als sie
                                                      KollegInnen wurden.

            unterschiedlich. »Viele offenbarten        miteinander verbringen, sind wir         Möglichst getrennte Aufgaben
            uns, dass sie es bereits geahnt hatten,    gezwungen, Probleme gleich zu klären     Gleiche Regeln für alle – dafür
            andere waren sehr überrascht. Wieder       und aus der Welt zu schaffen. Wir        plädiert auch Manfred Schieber, der
            andere dachten gar, wir machen nur         können uns nicht so leicht aus dem       Unternehmensführung nicht nur
            einen Scherz.«                             Weg gehen, aber vielleicht liegt genau   unterrichtet, sondern auch selbst
                Florian und Clara verbringen sehr      darin auch ein Vorteil.«                 viel Erfahrung als Chef hat: »Eine
            viel Zeit miteinander, zumal Clara             Das familiäre Verhältnis zwischen    Partnerschaft in der Belegschaft mit
            auch im Büro für Prüfungen lernt.          allen KollegInnen bei floatwork_         Versetzung oder Kündigung sankti­
            »Da sehen wir uns dann wirklich            bewirkt auch, dass Florian und Clara     onieren und selbst für die Lebensge­
            24 Stunden, rund um die Uhr«,              ihre Gefühlswelt nicht verstecken        fährtin einen von Aufgaben befreiten
            sagt sie. Dabei ist es dem Paar sehr       müssen: »Es hat jeder einmal einen       Assistenz-Job einrichten – das geht
            wichtig, berufliche Themen nicht mit       schlechten Tag und das muss bei uns      natürlich gar nicht.« Ideal sei, wenn
            nach Hause zu nehmen. Das gelingt,         niemand verheimlichen, das ist auch      man die Aufgabengebiete möglichst
            räumen die beiden ein, mal besser,         nur menschlich.« Man sollte es aus ih­   trennen könne, besonders ungünstig
            mal schlechter. Umgekehrt läuft man        rer Sicht aber als Paar am Arbeitspatz   (für Unternehmen und Beziehung)
            natürlich auch Gefahr, das Private in      nicht übertreiben. Besonders viel Nähe   seien Abhängigkeitsverhältnisse.
            die Arbeit zu bringen, meint Flori­        und Zuneigung hätten dort nichts         Zumal, wenn die Beziehung aus­
            an: »Dadurch, dass wir so viel Zeit        verloren, finden sie.                    einandergeht: »Gerade in kleinen
                                                                                                Unternehmen kann eine private
                                                                                                Trennung schnell zu umfassenden
            » DADURCH, DASS WIR SO VIEL ZEIT MITEINANDER                                        Problemen führen. Der Kontakt mit
                                                                                                den Kolleginnen und Kollegen ist dort
            VERBRINGEN, SIND WIR GEZWUNGEN, PROBLEME GLEICH                                     meist enger und kann durchaus zur
                                                                                                Spaltung in zwei Lager führen. Aus
            AUS DER WELT ZU SCHAFFEN. «               FLORIAN ROHRBECK                          dem Rosenkrieg wird dann schnell
                                                                                                eine Unternehmenskrise.« In größeren
                                                                                                Firmen droht etwa Gefahr, dass
                                                                                                insbesondere im ersten Ärger nach

MÄRZ 2019                                                                                                                          11
wienERleben

             dem Beziehungsende Informationen            als beide dann gemeinsam das Unter­     Probe gestellt. Bernhard bekam
             blockiert oder gar falsch weiterge­         nehmen verlassen haben, stellte sich    eine fixe Anstellung beim Bruckner
             geben werden. »Dienstliche Abhän­           heraus, dass es Unregelmäßigkeiten      ­Orchester Linz, Andrea nahm zu­
             gigkeitsverhältnisse sind da definitiv      bei Abrechnungen gab, die zwischen       nächst einen Job in Graz an.
             ungünstig«, sagt der Experte.               den beiden abgesprochen waren. Das           Vier Jahre Fernbeziehung folgten,
                Manfred Schieber selbst hat              hat dem Unternehmen schon einen –        in denen Andrea unter anderem in
             eine Zeit lang mit seiner früheren          wenn auch überschaubaren – Schaden       Graz, Wien und Stuttgart lebte und
             Partnerin zusammengearbeitet; mit           zugefügt.«                               arbeitete. »Unsere Branche ist anders
             der privaten Trennung erfolgte aber                                                  als die meisten. Hat man erst mal eine
             auch das berufliche Aus. »Uns war           Im Gleichklang                           Anstellung in einem Orchester, gibt
             beiden klar, dass es keine gute Idee        Manchmal werden aus KollegInnen          man die nicht mehr so schnell auf«, so
             wäre, weiter zusammenzuarbeiten.«           Liebende, manchmal läuft es aber         Bernhard. Als im Bruckner Orches­
             Er hat auch eine unliebsame Über­           auch umgekehrt. Wie bei Andrea           ter eine Stelle frei war, bewarb sich
             raschung mit einem Paar im eigenen          Dusleag und Bernhard Krabatsch,          Andrea – und setzte sich schließlich
             Unternehmen erlebt. »Einer meiner           die sich 2012 auf einem Studentenfest    gegen mehrere hundert Mitbewerber­
             Mitarbeiter hat seine Ehefrau mit an        in Graz kennenlernten. Sie studierte     Innen durch.
             Bord geholt. Da die Aufgabengebiete         Querflöte, er spielte Fagott an der          Statt einer Fernbeziehung teilen
             klar abgesteckt waren, hat es aber          Grazer Oper. Schon zu Beginn wurde       die beiden nun Wohnung und Ar­
             einige Jahre lang gut funktioniert. Erst    die Beziehung auf eine räumliche         beitsplatz. Eine Umstellung, die ihnen
                                                                                                  leicht fiel. »Wir waren unglaublich
                                                                                                  froh, endlich in derselben Stadt leben
» ÜBT MAN KRITIK BEIM MUSIZIEREN, DANN MUSS                                                       und arbeiten zu können. Außerdem
                                                                                                  können wir uns jetzt die gemeinsamen
MAN DIESE DEM PARTNER GEGENÜBER TATSÄCHLICH                                                       Urlaube einteilen«, erzählt das Paar im
                                                                                                                                            FOTOS: REINHARD WINKLER

                                                                                                  studio!-Gespräch.
VORSICHTIGER FORMULIEREN. «         BERNHARD KRABATSCH                                                Rund um die Uhr zusammen sind
                                                                                                  die beiden dennoch nicht – und nach
                                                                                                  ihrer Meinung ist das auch gut so.

12
LIEBE UND LUST
                                                                                                                IM BÜRO
                                                                                                                Wo fangen Beziehungen an?
                                          Andrea Dusleag und
                                          Bernhard Krabatsch                                                    42 % außerhalb der Arbeitszeit
                                          lebten lange in
                                          verschiedenen Städten,
                                          bis sich die Möglichkeit
                                                                                                                20 % im Büro
                                          ergab, gemeinsam im
                                          Bruckner Orchester                                                    11 % auf einer Firmenfeier
                                          Linz zu spielen.

                                                                                                                3 von 10 Männern haben ein Problem damit,
                                                                                                                Berufliches von Privatem zu trennen, wenn sie eine
»Es gibt durchaus Wochen, in denen         dem Orchester gemeinsam auf Reisen                                   Beziehung mit einer Arbeitskollegin führen.
die Proben getrennt stattfinden, da        zu gehen und zusammen auf der
haben wir dann schon verschiedene          Bühne zu stehen«, sagen Andrea und
Tagesabläufe. Ansonsten sehen wir          Bernhard.                                                            Die größten Herausforderungen
uns verhältnismäßig oft. Deshalb
ist es uns beiden besonders wichtig,       Fingerspitzengefühl ist gefragt                                              Die Beziehung
eigenen Hobbys nachzugehen und             Auch Unternehmensführungs-Ex­                                              geheim zu halten
                                                                                                                                                         39 %
eigene Freundeskreise zu pflegen«,         perte Manfred Schieber betont den
erklärt Andrea. Bei MusikerInnen sei       positiven »Drive«, der sich entwickeln                                 Berufliches & Privates
                                                                                                                voneinander zu trennen
                                                                                                                                                       35 %
die Grenze zwischen Beruflichem und        kann, wenn sich KollegInnen nicht
Privatem fließend, meint sie: »Seit ich    nur durch die Arbeit verbunden
                                                                                                                  Reaktionen & Tratsch
zehn Jahre alt bin, spiele und übe ich     fühlen. So oder so seien Unterneh­                                                                       32 %
                                                                                                                       der KollegInnen
Flöte, das prägt mein Leben ohnehin        men damit viel öfter konfrontiert als
stark. Zudem ist Musik etwas sehr          früher – »das ist ganz logisch, weil die
Emotionales.«                              Fluktuation ja sowohl in beruflichen
                                                                                                                                 Hatten schon einmal eine
    Im großen Orchesterbetrieb bleibt
ohnehin keine Zeit für persönliche
Konflikte; heikler wird es schon bei
                                           als auch in privaten Beziehungen
                                           zugenommen hat«. Sein Rat für
                                           ChefInnen von (frisch) verliebten
                                                                                                                58 %             sexuelle Fantasie über einen
                                                                                                                                 Kollegen/eine Kollegin
der Kammermusik im kleineren               MitarbeiterInnen: »Man sollte das
Rahmen. »Übt man dabei Kritik, dann        als Führungskraft mit einer Kombi­                                   Was wird aus Beziehungen am
muss man diese dem Partner gegen­          nation aus Fingerspitzengefühl und                                   Arbeitsplatz?
über tatsächlich vorsichtiger­formulie­    transparenten Regeln angehen. Wie
ren. Das nimmt man unter Partnern          im Übrigen auch ganz viele andere
                                                                                      Quelle: Viking, n = 500

schnell persönlich.« Gleichzeitig          Situationen im Berufsleben.« 
erhöht das gemeinsame Musizieren                                                                                  5 von 10 Paaren            1 von 10 Paaren
durchaus ihre berufliche Zufrieden­                                                                              haben sich getrennt          hat geheiratet
heit: »Wir genießen es sehr, unsere
Leidenschaft teilen zu können, mit

      MÄRZ 2019                                                                                                                                                      13
alumni&co

                   WAS MACHT
                EIGENTLICH ...?
                     Viele Studierende – insbesondere aus dem Bereich Tourismus und
                     Gastronomie – zieht es nach ihrer Ausbildung an der FHWien der
                    WKW zurück in den Familienbetrieb. studio! hat mit zwei von ihnen
                        über Chancen und Tücken der Betriebsübernahme gesprochen.
                                                                           VON SVENJA MOREL

 Weinerzeugung als
    Family Business:                                                          FAMILIÄRE LEIDENSCHAFT
   Christoph Artner
                                                                              FÜR DEN WEIN

                                                                             »
     (links) leitet das
gleichnamige Wein­
  gut in Carnuntum.                                                                 Zusammen mit seinen drei Ge­
                                                                                    schwistern widmet sich Chris­
                                                                              toph Artner mit Leidenschaft dem
                                                                              von seinem Vater gegründeten Betrieb.
                                                                              Am Anfang war dieser eine Mischung
                                                                              aus Weingut und Landwirtschaft. Sein
                                                                              ältester Bruder Hannes übernahm da­
                                                                              mals den noch relativ kleinen Betrieb.
                                                                              Für Christoph Artner gab es zu dieser
                                                                              Zeit im Unternehmen noch keine pas­
                                                                              sende Aufgabe. Für den Absolventen
                                                                              des Bachelor-Studiengangs Touris­
                                                                              mus-Management der FHWien der
                                                                              WKW war aber, wie er heute sagt,
                                                                                                                       FOTOS: KATHARINA ROSSBOTH, MARIA RITSCH

                                                                              eines immer klar: »Irgendwann möch­
                                                                              te ich meine Ideen im Familienbetrieb
                                                                              einbringen.«
                                                                                  Nach einem Job in der Pharma­
                                                                              branche fand Christoph Artner
                                                                              schließlich im Familienunterneh­
                                                                              men seinen Platz. Seit 2004 leitet

14
HOTELIER IM HEIMATDORF
                                                                                                             »     2017 übernahm Peter Fetz die
                                                                                                                   Geschäftsführung des »Hotel
                                                                                                             Gasthof Hirschen« von seinem
                                                                                                             Vater. Der in Schwarzenberg im
                                                                                                             Bregenzerwald gelegene Betrieb wird
                                                                                                             damit in zehnter Generation von der
                                                                                                             Familie Fetz geführt. Sein Weg an
                                                                                                             die Unternehmensspitze führte Peter
                                                                                                             Fetz erst einmal nach Wien, wo er
                                                                                                             das Bachelor-Studium »Tourismus-
                                                                                                             Management« an der FHWien der
                                                                                                             WKW absolvierte. Geld verdiente
                                                                                                             er damals mit Aushilfsjobs in der
                                                                                                             Gastronomie. Neben seinem Master-
                                                                                                             Studium »Leadership im Tourismus«,
                                                                                                             ebenfalls an der FHWien der WKW,
                                                                                                             arbeitete der Vorarlberger bereits
                                                                                                             in der Gastronomie und Hotellerie.
                                                                                                             Die damals entfachte Leidenschaft
                                                                                                             für seine Arbeit er sich bis heute
                                                                                                             bewahrt.
                                                                                                                Von Wien aus ging es für eine
                                                                                                             kulinarische Reise um die Welt – von
                                                                                                             Spanien über Ecuador bis nach Ko­
                                                           Bereits in zehnter Generation wird das »Hotel
                                                                                                             penhagen. Nach dieser siebenmona­
                                                    Gasthof Hirschen« im Bregenzerwald von der Familie
                                                    Fetz geführt. Peter Fetz hat vor seiner Rückkehr nach    tigen Reise war Peter Fetz schließlich
                                                                              Vorarlberg die Welt bereist.   2017 bereit für die Übernahme des
                                                                                                             Postens seines Vaters. Als 27-Jähriger
                                                                                                             wurde er Chef des seit 1755 bestehen­
                                                                                                             den Traditionsbetriebs.
                                                                                                                Wie man als Geschäftsleiter
                                                                                                             handelt und sich »am besten um das
                                                                                                             Geld kümmert«, hat Peter Fetz in
                                                                                                             seinen Nebenjobs und im Master-
er mit seinem Bruder Hannes und          und den Betrieb zu trennen«, sagt der                               Studium gelernt. »Vor allem erinnere
seinem Neffen Peter das Weingut in       Unternehmer. Der Familienbetrieb                                    ich mich immer wieder an das
Carnuntum. Für alle drei war klar,       funktioniert für ihn gut, »wenn jeder                               systemische Denken, das ich aus dem
dass sie das Familienunternehmen         weiß, was er zu tun hat, damit man                                  Studium mitgenommen habe. Denn
vergrößern möchten. Mittlerweile         sich gegenseitig nicht auf die Nerven                               ein Hotel funktioniert schlussendlich
besteht es aus dem Weingut mit ange­     geht«. Von Vorteil für ihn und seinen                               in Systemen«, erklärt der Alumnus.
schlossenem Heurigen, zwei Restau­       Bruder sei, dass sie verschiedene                                   Die gesammelten Fähigkeiten setzt
rants sowie einem Café in Parndorf.      Persönlichkeiten seien und sich somit                               er nun mit Freude im Hotel Gasthof
Christoph Artners Schwester und sein     optimal ergänzten. Am Ende zähle                                    Hirschen in Schwarzenberg ein und
zweiter Bruder führen die Gastrono­      jedoch das Ziel des Familienbetriebes,                              umsorgt mit seinem jungen Team
miebetriebe.                             »gemeinsam ein Konzept zu ver­                                      Menschen aus aller Welt.
   Auf seiner Weltreise, die ihn unter   folgen« – und dafür schlummern in                                      Die größte Herausforderung in
anderem nach Australien, Neusee­         Christoph Artner schon einige neue                                  einem Familienbetrieb ist für Peter
land und Kalifornien führte, lernte      Ideen.                                                              Fetz, »offen miteinander zu sprechen«.
Christoph Artner die internationale                                                                          Schon vor der Übernahme hat er
Weinszene kennen. Das gesammel­                                                                              mit seinem Vater seine Prioritäten
te Wissen kann er nun gemeinsam                                                                              abgeklärt. Bis heute halten sich beide
mit seinen Geschwistern optimal                                                                              an die Abmachungen. Was ihm als
einsetzen.                                                                                                   Hotelier wichtig ist? »Menschen zu
   Die Schwierigkeit in einem                                                                                inspirieren und den Blick in die Welt
Familienbetrieb sei, »das Familiäre                                                                          gerichtet zu haben.«

      MÄRZ 2019                                                                                                                                  15
dialog

                 »ICH HABE NIE
                MARMELADEBROTE
                   GEGESSEN«
            Seine Marmeladen sind Wiener Tradition, sein Unternehmen ist seit rund
          150 Jahren in Ottakring beheimatet: Der Delikatessen-Produzent Hans Staud
            erzählt im studio!-Interview, wie ihn die Schulzeit kulinarisch geprägt hat,
              was er sich von der Stadtpolitik wünscht und warum er Mozart hasst.
                                                      VON KRISTINA SCHUBERT-ZSILAVECZ

             Sie haben das Unternehmen Staud              Wie hat Ihre Familie diese Idee              ich Cellist geworden. Aber ich habe
             1971 von Ihrem Vater übernommen.             aufgenommen?                                 Mozart, Händel und Bach gehasst, das
             Damals war es ein Großhandel für Obst        Staud: Mein Vater war sehr skeptisch.        ist keine Musik für einen 17-Jährigen.
             und Gemüse. Wie kamen Sie darauf,            Er wollte, dass ich nach Deutschland         Ich wollte die Beatles und die Rolling
             Delikatessen zu erzeugen?                    gehe und dort Geld verdiene. Ich             Stones hören, die damals gerade groß
             Staud: Die Idee dazu ist mir während         habe deshalb heimlich zwischen den           geworden sind. In meiner Freizeit mu­
             meines Studiums an der Hochschule            Obstkisten im Lager Marillenkom­             siziere ich aber bis heute gerne, immer
             für Welthandel gekommen. Unsere              pott gekocht und Gurken eingelegt.           wieder auch samstags auf der Orgel
             Lehrer hatten uns ermuntert, Produk­         Meine Mutter hat mich gedeckt. Die           hier im Pavillon.
             te nicht nur zu handeln, sondern auch        ganze Sache ist allerdings aufgeflogen,
             zu veredeln. Und das habe ich wörtlich       als wir Rechnungen für die verkauften        Wie geht es mit dem Unternehmen
             genommen.                                    Produkte schreiben mussten und mein          weiter, an wen übergeben Sie?
                                                          Vater das Rechnungsbuch überprüft            Staud: Da ich keine eigenen Kinder
                                                          hat.                                         habe, sind zwei meiner langjährigen
» ICH MUSSTE MIR DIE HÖRNER ABSTOSSEN.                    Hat Ihr Vater noch erlebt, wie erfolgreich
                                                                                                       Mitarbeiter mittlerweile Teil der
                                                                                                       Geschäftsführung und wollen das Un­
DAS IST, DENKE ICH, GANZ GESUND FÜR                       Sie das Unternehmen weitergeführt
                                                          haben?
                                                                                                       ternehmen in meinem Sinne weiter­
                                                                                                       führen. Das ist ein schönes Gefühl.
EINEN JUNGEN MENSCHEN. «                                  Staud: Ja, kurz vor seinem Tod war er
                                                          stolz auf mich. Davor nicht. Das war         Was sind aus Ihrer Sicht die Besonderhei­
                                                          die gekränkte Eitelkeit, wie das halt oft    ten – in positiver und negativer Hinsicht
                                                          so ist zwischen Vätern und Söhnen.           – eines Familienbetriebs?
                                                                                                       Staud: Wesentlich war, dass ich alleine
                                                                                                                                                   FOTO: CHRISTOPH LIEBENTRITT

                                                          Wollten Sie nie irgendetwas anderes          durch dick und dünn gehen und mir
                                                          machen?                                      die Hörner abstoßen musste. Das
                                                          Staud: Wäre es nach dem Wunsch mei­          ist, denke ich, ganz gesund für einen
                                                          nes Musiklehrers gegangen, dann wäre         jungen Menschen.

16
Für Hans Staud war immer
klar, dass er den elterlichen
Betrieb übernehmen würde.
Gegen den Willen seines Vaters
entwickelte er den einstigen
Obst- und Gemüsehandel zum
Delikatessen-Spezialisten weiter.
       MÄRZ 2019                    17
dialog

Was braucht es, um dabei erfolgreich zu
sein?
Staud: Am wichtigsten sind das konse­
quente Denken, die Disziplin und das
Durchhaltevermögen. Es ist außerdem
entscheidend, nicht gleich beim ersten
Gegenwind aufzugeben. Denn natür­
lich gab es auch Schwierigkeiten, am
meisten mit der Bürokratie, die mit
den Jahren gekommen ist. Früher hat
jeder quasi einfach drauflos gearbeitet.
Das wäre heute nicht mehr möglich.

Inwiefern trägt das Label Familien­
betrieb zu Ihrem Image bei?
Staud: Ich weiß nicht, ob es vorder­
gründig wichtig ist. Natürlich, vom
Aspekt des Gewohnten, des bereits            wollte, es gab keine Konkurrenz, alles                 Sie setzen sich schon sehr lange aktiv für
Bekannten ist es wichtig, aber nicht         hatte Neuheitscharakter. Ich wüsste                    den Brunnenmarkt und seine Standler
ausschließlich. Ich finde, man sollte        nicht, was ich heute erfinden sollte.                  ein. Das ganze Viertel hat sich in den
mehr in die Zukunft schauen und              Das einzige, was ich hatte, waren                      letzten Jahren sehr positiv entwickelt.
nicht in die Vergangenheit.                  mein guter Geschmackssinn und mein                     Was würden Sie sich denn für den Markt
                                             Sinn für Ästhetik. Das hatte ich von                   noch wünschen?
Wie viel »Familie« ist die Belegschaft von   meinen Eltern. Dafür habe ich auch                     Staud: Die Leute haben gesagt, du
Staud? Was tun Sie als Arbeitgeber für       ständig eine auf den Deckel bekom­                     bist deppert, warum investierst du da
Ihre Mitarbeiter?                            men, weil ich so heikel war. Alle                      und nicht am Naschmarkt? Aber ich
Staud: Zur Zeit des Jugoslawien-Krie­        Dinge, die man in der Volksschule                      gehöre hierher, das ist meine Heimat.
ges hat es viele Streitereien innerhalb      im Halbinternat essen musste, waren                    Wenn alle wegziehen von hier, wäre es
unserer internationalen Belegschaft          ekelhaft für mich.                                     ein Ghetto. Und nach und nach haben
gegeben. Ich habe dann gesagt, hier ist                                                             wir den Yppenplatz zu dem gemacht,
kein Krieg, hier ist Frieden. Wir sind       Ihre Familie ist seit fast 150 Jahren in
in Wien. Und dann habe ich sie auf           Ottakring zu Hause. Was schätzen Sie an
Serbisch geschimpft – so würde ich
das heute nicht mehr sagen – und das
                                             Ihrem Heimatgrätzel?
                                             Staud: Meine Eltern haben mich             » DAS EINZIGE, WAS ICH HATTE,
hat etwas bewirkt. Ich habe Serbisch
gelernt, damit ich mich mit den Mit­
                                             hier hineingesetzt und ich wollte nie
                                             weg, auch wenn wir immer wieder
                                                                                        WAREN MEIN GUTER GESCHMACKSSINN
arbeitern verständigen konnte bzw. ich       Platzprobleme haben. Die engen             UND MEIN SINN FÜR ÄSTHETIK. «
sie verstehen konnte.                        Straßen sind mühsam für LKW und
                                             Sattelschlepper. Aber wir haben keine
                                                                                                                                                 FOTOS: CHRISTOPH LIEBENTRITT

Wenn Sie heute noch mal 20 Jahre alt         Schwierigkeiten mit den Anrainern,                     was er heute ist. Es dauert halt alles
wären: Würden Sie wieder ein Unter­          im Gegenteil: Die reklamieren nur,                     seine Zeit, wie das so ist bei der Stadt­
nehmen gründen und, wenn ja, welches?        dass es zu wenig riecht. Früher haben                  entwicklung. Nicht mal mit viel Geld
Staud: Jein, heute gibt es schon alles.      wir offen gekocht, jetzt, im Vakuum,                   geht das schnell. Ich wünsche mir,
Damals konnte man machen, was man            da riecht man nichts mehr.                             dass der Markt so bleibt, wie er ist.

18
Der Staud-Pavillon,
                                           das Verkaufslokal des
                                           Unternehmens, ist seit vielen
                                           Jahrzehnten am Yppenplatz
                                           in Ottakring beheimatet –
                                           auch schon zu Zeiten, als
                                           dieses Viertel noch nicht hip
                                                                                    FAMILIENDYNASTIE
                                           und trendig war.                         AUS OTTAKRING
                                                                                    1883 in der österreichisch-ungarischen Monarchie
                                                                                    als Obst- und Gemüsegroßhandel gegründet, befindet
                                                                                    sich der Familienbetrieb Johann Staud seit jeher
                                                                                    am selben Standort: inmitten des traditionsreichen
                                                                                    Wiener Brunnenmarkts.

Sie haben immer wieder darüber             in Österreich, den Rest primär im        Mit der Übernahme des väterlichen Betriebs
nachgedacht, mit der Produktion aus        EU-Ausland.                              durch Hans Staud (1948 in Wien geboren) im
                                                                                    Jahr 1971 wurden der Sitz und die Produktion des
Wien abzuwandern. Wie ist der aktuelle
                                                                                    inhabergeführten Unternehmens in die Hubergasse
Stand der Dinge?                           Was ist Ihr Lieblingsprodukt aus Ihrem   in Wien-Ottakring verlegt, um sich dort auf die
Staud: Die Politik ist gefordert, wir      Sortiment?                               Veredelung von Obst und Gemüse zu spezialisieren.
brauchen ein Angebot für einen neuen       Staud: Zwetschkenröster und Maril­       Was mit Marillenkompott und Gurken begann,
Standort. Wenn man Manufactu­              lenkonfitüre.                            etablierte sich zu einer Erfolgsgeschichte mit
ring in der Stadt halten will – und                                                 mittlerweile über 200 Sorten an süßen und sauren
ich finde es wichtig, dass es einen        Das heißt, Sie essen jeden Tag zum       Delikatessen.
ausgewogenen Mix an Unternehmen            Frühstück ein Marmeladebrot mit Ihrer    Das Geschäft am Brunnenmarkt, das von »Mama«
gibt und keine tote Stadt –, braucht es    eigenen Marmelade?                       (Johanna) Staud knapp sechs Jahrzehnte lang mit
politisches Entgegenkommen.                Staud: Nein, pfui, das habe ich nie      Liebe geführt wurde, ist heute als »STAUD'S Pavillon«
                                           gegessen (lacht). Marmelade schon,       bei GenießerInnen aus dem In- und Ausland bekannt.
Wie viel Ihrer Produkte verkaufen Sie im   aber nur in Mehlspeisen wie in Pa­       Staud beschäftigt (mit saisonalen Schwankungen)
Inland und wie viel im Ausland?            latschinken. Der Grund dafür ist die     bis zu 70 MitarbeiterInnen an den beiden Wiener
Staud: Drei Viertel im Inland, den         grausliche Marmelade in der Schule.      Produktionsstandorten. Für die vorbildliche Integrati­
Rest im Ausland. Aber der Aus­             Da wurde mir ins Mitteilungsheft ge­     on seiner MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund
landsanteil ist steigend, das Inland ist   schrieben: Sohn isst Jause nicht. Mein   wurde Hans Staud wiederholt ausgezeichnet.
gesättigt.                                 Vater kam dann in die Schule, hat das    www.stauds.com
                                           Marmeladebrot gekostet und ausge­
Wie biologisch sind Ihre Produkte?         spuckt und gesagt: Recht hat er. 
Staud: Der Bioanteil steigt aufgrund
der massenhaften Nachfrage stark.
Für mich muss das Produkt zuerst gut
schmecken und gut aussehen. Wenn
es dann noch bio ist, umso besser. Ich
kaufe alles, was ich bekommen kann,

      MÄRZ 2019                                                                                                                              19
visionen

                   Der Star der UNO-
                  Vollversammlung im
                  vergangenen Herbst:
                 Neve Te Aroha Ardern
                  Gayford, Tochter der
                      neuseeländischen
                     Premierministerin
                       Jacinda Ardern.

DIE POLIT-PROMINENZ VON
            Während in Österreich die
                                                     Z
                                                             wei müde, aber glückliche           kinderloser Präsident – wie etwa der
                                                             Eltern im Krankenhauszim­           fiktive Staatschef Frank Underwood
           Familien von PolitikerInnen                       mer, ein Baby mit weißem            in »House of Cards« – in der Realität
            eher von der Öffentlichkeit              Strickhäubchen, das nach dem kleinen        nahezu undenkbar ist.
         ferngehalten werden, gehören                Finger seiner Mutter greift. Foto und
                                                     Setting ähneln ungezählten Fotos von        Familie als »Weichzeichner«
                sie in anderen Ländern               Neo-Eltern in den sozialen Medien.          Warum ist das so? Die Historikerin
            ganz selbstverständlich zur              Ungewöhnlich ist die Familie, die           Christine Weiss, die zeitweise für die
              politischen Inszenierung.              gerade dieses Bild auf ihrem Ins­           Ex-First-Lady und Präsidentschafts­
                                                     tagram-Account gepostet hat, aber           kandidatin Hillary Clinton gearbeitet
          Die zentrale Botschaft dabei               allemal. Immerhin ist die Mutter,           hat, beschreibt in ihrem Buch »Der
       lautet: Selbst der US-Präsident               Jacinda Ardern, Premierministerin von       US-Präsident als Inszenierung: Ehe,
              oder die neuseeländische               Neuseeland. Als sie im Juni 2018 ihre       Familie und Privates in der politischen
                                                     Tochter zur Welt bringt, ist sie erst die   Kommunikation« eine Reihe von
          Premierministerin sind ganz                zweite Regierungschefin der Welt, die       verschiedenen Funktionen für die Fa­
              normale Eltern mit ganz                während ihrer Amtszeit Mutter wird;         milie des politischen Frontmannes. So
                  normalen Problemen.                die erste war Benazir Bhutto, die als       fungiert sie etwa als »Weichzeichner«
                                                                                                                                           FOTOS: DON EMMERT, MANUEL BALCE CENETA AFP/PICTUREDESK.COM

                                                     Premierministerin von Pakistan 1990         für den harten, toughen Staatsmann,
                                  VON ANDREA HEIGL   ebenfalls eine Tochter gebar. Lange,        aber auch als Ressource, nach dem
                                                     bevor die ganze Welt via Social Media       Motto: Wer nach einem langen Tag
                                                     daran teilhaben konnte.                     voller schwerwiegender politischer
                                                         Eine Regierungschefin als (wer­         Entscheidungen zu einer funktio­
                                                     dende) Mutter ist also ein Novum,           nierenden Familie heimkehrt, der ist
                                                     der »Einsatz« der Familie für die po­       insgesamt ausgeglichener und nicht
                                                     litische Agenda ist es schon weniger.       versucht, beim nächstbesten Konflikt
                                                     Insbesondere in den USA gehört sie          eine Atombombe zu zünden.
                                                     ganz selbstverständlich zur politi­            Gleichzeitig soll das familiäre
                                                     schen Inszenierung. So sehr, dass ein       Umfeld Authentizität vermitteln:

20
Aufwachsen im Licht der Öffentlichkeit: Malia und
                                                                                                Sasha Obama waren zehn und sieben Jahre alt, als ihr
                                                                                                           Vater als US-Präsident vereidigt wurde.

NEBENAN
»Die Familie bietet den Wählern           die frühere First Lady Michel­               Neve Te Aroha Ardern Gayford
einen vermeintlich unverstellten,         le Obama in ihrer Autobiografie           – so heißt die Tochter der neusee­
intimen Blick auf den ›wahren Kan­        »Becoming«. Ihre Kinder Malia und         ländischen Premierministerin – kann
didaten‹«, schreibt Weiss; man erhoffe    Sasha waren gerade einmal zehn und        sich noch nicht aussuchen, wann sie
sich so »privilegierte Insider-Informa­   sieben Jahre alt, als Barack Obama
tionen über seine Persönlichkeit, seine   2009 als US-Präsident vereidigt
Lebensgeschichte und seine Grund­         wurde. Unweigerlich durchlebten           » I'VE SEEN THINGS THAT NOBODY
werte«. Die Autorin untermauert das       sie ihre Schulzeit und Pubertät im
mit einem Zitat der ehemaligen First      Licht der Öffentlichkeit. So wohnten      ELSE HAS SEEN, BECAUSE I'M THE ONE
Lady Laura Bush: »I’ve seen things
that nobody else has seen, because I’m
                                          sie auch Jahr für Jahr dem vielleicht
                                          eigenartigsten aller amerikanischen
                                                                                    WITH HIM UPSTAIRS. «            FIRST LADY LAURA BUSH

the one with him upstairs.«               Polit-Rituale bei: der Begnadigung
    Liebe und Zuneigung innerhalb         des Truthahns zu Thanksgiving. Fünf       wo öffentlich auftauchen will. So
der Familie kann man nicht insze­         Jahre lang schafften sie es, über die     hatte sie etwa im September 2018, als
nieren – zumindest sollen das die         Scherze ihres Vaters zu lachen, aber      dreimonatiges Baby, einen großen
WählerInnen glauben. Gleichzeitig         im sechsten Jahr, so beschreibt es ihre   Auftritt bei der UN-Vollversammlung.
ist natürlich jeder öffentliche Schritt   Mutter, »waren sie zu alt, um so zu       Ihr Vater twitterte nicht nur ein Foto
einer »First Family« ganz und gar         tun, als ob es lustig wäre«. Innerhalb    von Neves Delegierten-Ausweis, er
inszeniert, zumal in Zeiten, in denen     weniger Stunden gingen ihre verstei­      berichtete auch aus erster Hand aus
jeder Schulkollege oder jede Schulkol­    nerten Gesichter um die Welt. »Malia      dem reichlich unglamourösen Alltag
legin, jeder Freund oder jede Freundin    and Sasha Obama are so done with          des First Babys: »Ich wünschte, ich
eines politischen Promi-Kindes jeder­     their Dad’s Turkey Pardon«, schrieb       hätte den Gesichtsausdruck der japa­
zeit ein Handy-Foto durchs Internet       etwa USA Today – eine gute Zusam­         nischen Delegierten festgehalten, die
jagen kann.                               menfassung, wie Michelle Obama            in den Meetingraum gekommen sind,
                                          in ihrem Buch einräumt. Ab diesem         während ich die Windeln gewechselt
Wenn die Inszenierung schiefgeht          Zeitpunkt war jegliche Teilnahme an       habe.« 
Dass diese Inszenierung auch nach         Events im Weißen Haus ganz und gar
hinten losgehen kann, davon erzählt       den Kindern selbst überlassen.

       MÄRZ 2019                                                                                                                                  21
visionen

            VON DER
     WERKBANK IN DEN
         PROBERAUM
     KollegInnen, FreundInnen, Corporate Family: Mit gemeinsamen
                 Aktivitäten soll das Zusammengehörigkeitsgefühl in
            Unternehmen gestärkt werden. studio! hat sich zwei völlig
                         unterschiedliche Beispiele dafür angeschaut.
                                                                                 VON MAGDALENA DÖRLER

                       M
                                   ehr als 50 Freizeitgruppen   Krutz, Head of HR und Marketing.              Durch das Stärken des Zusam­
                                   gibt es bei den so ge­       Die genaue Zahl an Gruppen kann           menhalts zwischen KollegInnen wird
                                   nannten Willhabingern,       sie nicht nennen, da viel in Eigenregie   die Identifikation mit dem Unterneh­
                       den MitarbeiterInnen des österrei­       organisiert wird. Ähnlich ist es beim     men erhöht und MitarbeiterInnen
                       chischen Online-Anzeigenportals          Linzer Stahlkonzern voestalpine: Hier     übernehmen bereitwilliger zusätzliche
                       willhaben. »Von Beachvolleyball über     haben Werkskapellen Tradition, wie        Arbeiten. Untersuchungen zeigen,
                       Bouldern bis zur Fußballgruppe ist       viele es genau gibt, weiß man nicht.      dass in Unternehmen, in denen die
                       viel Sportliches dabei. Es gibt aber     Fix ist aber, dass manche schon lange     KollegInnen regelmäßig miteinander
                       auch Brettspiel-, Film-, Tischfuß­       Bestand haben, so wie beispielsweise      Sport treiben, das Betriebsklima ver­
                       ball-, Kulinarik- und Poker-Abende,      die Werkskapelle voestalpine Tubulars     bessert wird und die Krankenstands­
In der Werks­kapelle
                       Gin-Gruppen, klassisches After Work      aus dem steirischen Kindberg, die es      tage sinken. Auch Fälle von Mobbing
der voestalpine
Kindberg wird          – bunt gemischt«, erzählt Mercedes       seit 1923 gibt.                           treten weniger oft auf.
schon seit fast                                                                                               Bei willhaben sieht man nur
100 Jahren gemein­                                              Wunsch nach sozialer Bindung              Vorteile in den Freizeitgruppen: »Die
sam musiziert.                                                  Die betriebliche Organisation von         gemeinsamen Aktivitäten wirken sich
                                                                Freizeitgruppen hat zumeist zwei          auf sehr vielen Ebenen aus – mit­
                                                                Gründe: Die ArbeitnehmerInnen             einander Erfolge zu teilen, Spaß zu
                                                                sollen enger an das Unternehmen ge­       haben, sich noch besser kennen zu
                                                                bunden und der Zusammenhalt zwi­          lernen, Feedback zu geben – all das
                                                                schen ArbeitskollegInnen soll gestärkt    hat eine positive Wirkung auf das
                                                                                                                                                  FOTOS: ARCHIV WERKSKAPELLE KINDBERG, WILLHABEN

                                                                werden. Ausgangspunkt der Überle­         Arbeitsklima«, so Krutz.
                                                                gungen ist dabei die Maslow’sche Be­
                                                                dürfnispyramide: Die Freizeitgruppen      Spontane Sportgruppen
                                                                sind bei dem Bedürfnis nach sozialer      Viele willhaben-Gruppen entstanden
                                                                Bindung angesiedelt. Der Wunsch           im Rahmen von Teambuilding-Events
                                                                nach Freundschaft, Gesellschaft und       oder spontan in der Küche beim
                                                                Gruppenzugehörigkeit soll auch am         gemeinsamen Kochen. Ganz anders
                                                                Arbeitsplatz befriedigt werden.           ist hingegen die Geschichte der

22
Sie können auch lesen