Ferdinandea DIE ZEITUNG DES VEREINS TIROLER L ANDESMUSEUM FERDINANDEUM - ferdinandea Nr 5 4 November 2020 - Jänner 2021 - DIE ZEITUNG DES VEREINS ...
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ferdinandea DIE Z E I T UNG DE S V E R E IN S T IROL E R L A NDE SMUSE UM F E R DIN A NDE UM f er dina nde a Nr 5 4 N o v ember 2 0 2 0 – J ä nner 2021 Franz von Defregger, Porträt Rocky Bear (Ausschnitt), 1890, Öl auf Leinwand, 90 x 70 cm, Privatbesitz. Foto: TLM
2 In t er v ie w f er din a nde a Nr 5 4 November 2020 – Jänner 2021 editorial Editorial Interview mit Peter Assmann Foto: Wolfgang Lackner Foto: Wolfgang Lackner Liebe Mitglieder, liebe Leserinnen und Leser, die Museen sind aus dem Corona-bedingten Stillstand wieder erwacht, aber leider ist es nicht so wie im Märchen, dass dann alles weitergeht wie vorher. Die Rückkehr ist schwierig, die Realität ist Die europaweite Ausschreibung für den Um- und Aus- Haben Sie schon konkrete Pläne für das Publikum wäh- dramatischer. Die Besucher*innenzahlen sind gesunken, es gibt bau des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum läuft auf rend der Bauzeit? Hochtouren. Worauf sich die Vereinsmitglieder wie auch Wir haben ja noch die anderen Häuser, das Volkskunst- kaum Tourist*innen, die unsere Museen aufsuchen, die Einnahmen andere Museumsbesucher*innen während der Bauzeit museum, das Zeughaus, die Hofkirche und das Tirol sinken, Wiedereröffnung von Ausstellungen, Veranstaltungen kön- einstellen müssen, erklärt Museumsdirektor Mag. Dr. Panorama. Ich bemühe mich, die Angel auszuwerfen, nen mit Abstand und Anstand zwar stattfinden, aber die Planungs- Peter Assmann im Gespräch mit der ferdinandea. um unsere Sammlungen auch noch an anderen Orten unsicherheit bleibt groß. Wir müssen Masken tragen. Und dass auch präsentieren zu können – etwa durch Anmietung eines Wird das Ferdinandeum während der Bauarbeiten ge- Ausstellungsraumes. Dies wäre zum Jubiläum ein be- dieses Phänomen nicht als kurzfristig vorübergehendes wahrge- schlossen sein – wenn ja, ab wann kommen die Bagger sonderes Zeichen. Allerdings ist mir bewusst, dass dies nommen wird, sondern sich als neue Realität etabliert, zeigt sich und wie lange? wirtschaftlich sehr schwierig sein wird. mittlerweile an der kreativen Vielfalt des Mund-Nasenschutzes, Da der Umbau sehr umfassend ist und das ganze Haus der durchaus auch modisches Statement ist. betrifft, muss das Ferdinandeum zur Gänze geschlossen 2023 wird der Museumsverein 200 Jahre alt. Bis dahin bleiben. Die Arbeiten beginnen im Frühsommer 2022 werden die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen sein. Es ist daher erfreulich, dass die Besucher*innenzahlen insbe- und werden rund eineinhalb Jahre dauern. Wie wird da wohl gefeiert? sondere im Ferdinandeum in den Sommermonaten erstaunlich Wir werden nicht einmal, sondern in mehreren Stationen gut waren. Die Tiroler*innen haben großes Interesse am Museum Wohin werden die derzeit im Haus befindlichen Kunstge- feiern! Ein Projekt ist der digitale Zugang zu den Samm- und den neuen Ausstellungen gezeigt und wir hoffen, dass das genstände gebracht? lungsinhalten über das historische neue Angebot, wie die Ausstellung Anton Christian im Volkskunst- museum, die Neuaufstellung unserer Sammlungen, besonders Diese kommen ins Sammlungs- und Forschungszentrum nach „Ich appelliere an die Tirol. 2023 ist das Zeughaus als Museum ja auch 50 Jahre in Be- Hall. Das Ferdinandeum muss trieb. Hier sind wir schon dabei, der Grafikkabinette und die Defregger-Ausstellung weiterhin das komplett leer sein. Darüber hin- aus bemühen wir uns, Ausstel- Vereinsmitglieder, sich eine Umstrukturierung und völ- lige Neuaufstellung der musealen Interesse der Menschen aus der Region, die Freude an Begegnung mit Kunst weckt. lungspakete an interessierte Häuser im Ausland zu verkaufen bei der Wiedereröffnung Inhalte anzugehen. Ob es Ende 2023 noch eine große Jubilä- Dass unser Projekt „Umbau des Ferdinandeum“ auch in dieser Krisenzeit weiterentwickelt werden kann, verdanken wir der weit- und dafür Geld zu bekommen. des Ferdinandeums umsausstellung im Ferdinandeum geben wird, hängt hauptsächlich blickenden Unterstützung des Landes Tirol. In enger Zusammen- arbeit mit Direktor Assmann und Vertreter*innen des Landes Tirol Wo arbeiten Sie und Ihr Team während der Schließzeit? stark einzubringen!“ vom Baufortschritt ab. Da der Verwaltungstrakt vom Wenn Sie und Ihre Mitarbei hat der Verein als Bauherr offiziell den Wettbewerb im August Umbau wenig bis gar nicht betroffen ist, arbeiten wir alle ter*innen in das sanierte Ferdinandeum einziehen, wie mit der Ausschreibung eines „EU-weiten zweistufigen anonymen hier weiter – beeinträchtigen wird uns halt der Lärm und soll sich das Haus den Besucher*innen präsentieren? Generalplaner-Wettbewerb mit anschließendem Verhandlungsver- Staub vor den Bürotüren. Im Zuge der schrittweisen Neueröffnung des Hauses im Frühjahr 2024 – vor 200 Jahren traf die „Nichtuntersa- fahren für das Projekt Um- und Ausbau des Tiroler Landesmuseum Wie sind die rund 3.000 Mitglieder des Museumsvereins gungserklärung“ des Kaisers auf die Vereinsgründung in Ferdinandeum zur Modernisierung und Attraktivierung des in die Umbauarbeiten eingebunden? Innsbruck ein – erwartet uns eine harte Arbeit. Denn es Museum“ gestartet. Erfreulich viele Architekturbüros haben sich Sobald die Jury ihre Entscheidungen über die einge geht nicht darum, eine Sonderausstellung zu organisie- beworben und das Preisgericht konnte im Oktober die Sieger reichten Arbeiten des Architekturwettbewerbes freigibt, ren. Vielmehr müssen wir das ganze Haus so „ausstel- gibt es eine permanente Information für alle Interessier- len“, dass es einige Jahre hält. Dies wollen wir auch mit- der ersten Wettbewerbsstufe auswählen. Sie sind eingeladen ten. Parallel zur Bekanntgabe der Siegerprojekte werden tels Diskussionsforen mit dem Publikum begleiten. Hier Vorentwurfs-Konzepte für den Umbau zu erstellen und bis zum diese in einer eigenen Ausstellung der Öffentlichkeit appelliere ich gerade an die Vereinsmitglieder, sich stark Februar einzureichen. Die Jury wird das Siegerprojekt ermitteln, präsentiert. Die Bauarbeiten selbst werden laufend und einzubringen. Es besteht die ungeheure Chance, ein Mu- das die gewünschten architektonischen, funktionalen, städtebau- transparent in einem Container am Museumsvorplatz seum für das 21. Jahrhundert innovativ zu gestalten und und vor allem digital im Internet dargestellt. Wir den- trotzdem auf eine extrem reiche Geschichte zurückgrei- lichen und ökonomischen Qualitäten erfüllt. Ich bin zuversichtlich, ken auch daran, die ersten Schritte des „Auszuges“ als fen zu können. Das ist ein besonderer Moment und eine dass das Ferdinandeum sich im Jubiläumsjahr 2023 zwar nicht zur künstlerische Schritte zu inszenieren. Das wären dann große Verantwortung. Gänze, aber in wesentlichen Bereichen schon neu präsentieren Installationen mit Verfallsdatum – je nachdem, wann die kann. Inzwischen unterstützen auch Sie bitte Ihr Ferdinandeum Behörden grünes Licht zum Baustart geben. Die Fragen stellte Mag. Dr. Bernhard Platzer, Redakteur der ferdinandea im Rahmen all Ihrer Möglichkeiten und – das Museum ist offen, Für den Um- und Ausbau stellt das Land Tirol rund kommen Sie, bringen Sie Familie und Freund*innen mit, ein reiches 36 Millionen Euro bereit. Wird dieses Budget überschrit- Angebot erwartet Sie! ten, haften dann die Vereinsmitglieder? Der aus Zams stammende Kunsthistoriker Mag. Dr. Peter Assmann Eine Überschreitung des Budgets ist in keiner Weise (Jahrgang 1963) ist seit 1. November 2019 Geschäftsführer der Tiroler Ihre möglich. Es wurden – vom aktuellen Stand aus – alle Landesmuseen. Diese umfassen neben dem Ferdinandeum noch das denkbaren Szenarien einkalkuliert und auch entspre- Volkskunstmuseum, die Hofkirche, das Tirol Panorama und das Zeug- Dr.in Barbara Psenner, Vorsitzende des Vereins chende Puffer eingeplant. Das einzelne Vereinsmitglied haus. Von 2000 bis 2013 war Assmann Direktor der Oberösterreichischen hat daher keinesfalls etwas zu befürchten. Landesmuseen. Anschließend leitete er den Palazzo Ducale in Mantua.
A k t uel l e A u s s t el l ungen 3 Defregger: Mythos – Missbrauch – Moderne Peter Scholz Im 100. Todesjahr widmen die Tiroler Landesmuseen Franz von Defregger eine spektakuläre Retrospektive. Diese erste große Ausstellung zum berühmten Tiroler Maler seit Jahrzehnten verbindet zeitgemäße Fragestellungen mit der Neuentdeckung bisher unbekannter Werke und einer Gegenüberstellung mit herausragenden Künstlern der Moderne. Franz von Defregger, Die Kraftprobe (Ausschnitt), 1898, Öl auf Leinwand, 131,5 x 174 cm, Belvedere, Wien. Foto: ©Belvedere Franz von Defregger (1835–1921) gehörte als einer der und sogar den USA zusammen. Gerade durch die erstma- auf sein künstlerisches Schaffen hatte, auch wenn sich „Münchner Malerfürsten“ zu den erfolgreichsten Kunst- lige Einbindung von kulturwissenschaftlichen Fragestel- dies in seinem öffentlichen, für den Verkauf bestimm- schaffenden um 1900. Doch fällt seine heutige Stellung lungen zu Identität und Geschlechterrollen, der Ökono- ten Œuvre kaum widerspiegelt, umso stärker hingegen in und Rezeption in der öffentlichen Wahrnehmung voll- misierung der Kunst durch die Reproduktionsindustrie, seinen privaten Bildern. Anders als die in akademischer kommen unterschiedlich aus: Während seine Kunst in der bildmagischen Wirkung von Defreggers Werken als Malweise ausgeführten Kassenschlager überraschen die- Österreich, Bayern und vor allem Tirol durchaus populär Heilmittel gegen die Rasereien der Jahrhundertwende, se durch einen freien, offenen Pinselstrich, der eine in- ist und immer noch identitätsstiftend wirkt, ist er interna- der politischen Aufladung seiner Historiengemälde und tensive Rezeption der Schule von Barbizon voraussetzt. tional einem breiten Publikum kaum mehr bekannt und posthumen missbräuchlichen Rezeption seiner Kunst Gegenüberstellungen mit herausragenden Werken der wird vom Kunstgeschichtsbetrieb – jenseits von Aukti- durch die Nationalsozialisten, des Blicks des Städters wichtigsten Vertreter der Kunstströmung wie Gustave onen, bei denen seine Werke noch immer hohe Preise auf Lebensweise, Tracht und Architektur der ländlichen Courbet oder Jean-François Millet, von akademiekri- erzielen – seit Jahrzehnten nahezu ignoriert. Bevölkerung und des beginnenden Tourismus sowie des tischen Malern wie Wilhelm Leibl und Mathias Schmid Fortlebens Defregger’scher Motivik im Heimatfilm der sowie von einigen der bedeutendsten Künstlern der Mo- Zeitgemäße Fragen an bekannte Hauptwerke Nachkriegszeit, wird jedoch deutlich, wie innovativ De- derne wie Vincent van Gogh, dem Defregger-Schüler In den 1870er- und 1880er-Jahren war Defregger einer freggers Werke teilweise sind und wie sehr sie sich in ei- Lovis Corinth, Ernst Ludwig Kirchner oder Heinrich der Superstars unter den deutschsprachigen Künstlern. nige wichtige Phänomene der Moderne einbinden lassen. Campendonk ergeben spannende Einblicke. Wurden seine akademisch „feingemalten“ Szenen aus dem Tiroler Freiheitskampf, die seinen Ruhm begrün- Image und Irritation: der „unbekannte Defregger“ Zur Ausstellung, von Peter Scholz als Kurator sowie deten, und seine Porträts von mythenhaften Heroen wie Eine Neubewertung seines Gesamtwerks ermöglichen von den Co-Kuratoren Angelika Irgens-Defregger und Andreas Hofer oder von kantigen Burschen und alten ebenso die nun erstmals raumgreifend ausgestellten Helmut Hess entwickelt, erscheint bei Hirmer ein Kata- Charakterköpfen sowie lieblichen „Dirndl“ und stolzen Werke des „unbekannten Defregger“, die sich größten- log mit Beiträgen von Simone Egger, Helmut Hess, Gitta Bauersfrauen zunächst als auf der Höhe der Zeit wahrge- teils noch immer in Familienbesitz befinden. Dieser of- Ho, Christoph Hölz, Joseph Imorde, Angelika Irgens- nommen, so erschien seine Kunst bereits in den Jahren fenbart sich einerseits in Motiven, die man gemeinhin Defregger, Sigrid Ruby, Georg Seeßlen, Peter Scholz und nach 1900 zunehmend als zu akademisch-konservativ nicht mit ihm verbindet: Aktdarstellungen, die in ihrer Birgit Schwarz. und bieder-reaktionär. Die ewig gleichen Motive aus Freizügigkeit und Erotik verblüffen; Innenraumszenen, Retrospektive und Publikation werden realisiert durch die dem bäuerlich-alpinen Milieu führten dazu, dass seine die mit ihrer Menschenleere zu Experimentierfeldern von großzügige Unterstützung von UNIQA, Forchhammer- Werke noch vor dem Ersten Weltkrieg wieder aus dem Räumlichkeit werden; oder Bildnisse von Menschen aus Stiftung Grünwald und Tiroler Sparkasse Stiftung. Kunstkanon zu verschwinden begannen und Defregger anderen Kulturen, die mit großer Detailgenauigkeit und anschließend mehr und mehr als gefälliger „Bauernma- hoher Sensibilität gemalt sind. Andererseits zeigen die ler“ verschrien war – eine Auffassung, die sich bis heu- vielen nun durch die Restaurierungsabteilung der Tiroler Defregger: Mythos – Missbrauch – Moderne te in der Kunstgeschichtsschreibung fortsetzt, die seine Landesmuseen gereinigten Arbeiten, welch ein brillanter Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Werke jedoch nicht minder beliebt bei einem breiteren Kolorist und technisch versierter Maler er doch war. 11. Dezember 2020 bis 11. April 2021 Publikum macht. Die Präsentation führt erstmals seit Entscheidend war hierbei ein Paris-Aufenthalt in den Eröffnung & Open House: 10. Dezember, 18–21 Uhr Jahrzehnten viele der bekannten Hauptwerke aus Europa Jahren 1863 bis 1865, der einen lebenslangen Einfluss
4 A k t ue l l e A us s t el l ungen f er din a nde a Nr 5 4 November 2020 – Jänner 2021 Solace of Lovers/Trost der Liebenden Tarlan Rafiee, Yashar Samimi Mofakham Weder für Iraner*innen noch für Nicht-Iraner*innen ist Die begleitende Publikation und verschiedene Texte in der es leicht, die Geschichte des Iran aus einem neutralen Ausstellung selbst komplettieren die Schau. Ohne sie wäre Blickwinkel zu betrachten. Jede Erzählung über die – vor die Ausstellung nur eine Ansammlung von hübsch anzu- allem moderne und zeitgenössische – Geschichte dieses sehenden Werken, die aber keine speziellen Informationen Landes ist durchdrungen von Politisierung, Exotisierung vermitteln können, da viele der Symbole in diesen Werken (und Vorurteilen) und dem persischen Stolz. für ein des Persischen nicht mächtigen Publikums schwer Menschen verfolgen die Geschehnisse im Iran mit groß- zu dechiffrieren sind. em Interesse, ebenso ist es für sie spannend, ein exo- Ausgangspunkt für die Geschichte, die wir in dieser tisches Bild davon zu betrachten oder von der glorreichen Ausstellung erzählen möchten, waren folgenden Fragen: Vergangenheit eines Landes zu erfahren, das einst die Was ist im letzten Jahrhundert passiert, dass die Welt heu- Perle des Ostens genannt wurde und heute in komplexe te so ein konträres Bild vom Iran hat? Mithilfe der Ar- politische Konflikte involviert ist. beiten von Denker*innen und Künstler*innen soll in der Als Kurator*innen der Ausstellung „Solace of Lovers/ Schau ein eigenständiges Bild des Iran präsentiert werden. Trost der Liebenden“ und als Erzähler*innen dieser Ge- „Solace of Lovers/Trost der Liebenden“ ermöglicht nicht schichte haben wir versucht, diese Aspekte auszuklam- nur dem österreichischen Publikum, mehr über den Iran zu mern, aber gleichzeitig sie auch anzusprechen. Vor allem erfahren, sondern hat auch uns die Gelegenheit gegeben, in den vergangenen zwei turbulenten Jahrhunderten hat- die Geschichte unseres Landes erneut durchzudenken, un- te alles mit Politik zu tun. Daher ist die Schau auch eine ser Verhältnis zur Welt und zu anderen Kulturen neu zu sozial-politische. deuten und darüber nachzudenken, welche Geschichte wir Sowohl für Iraner*innen als auch für Nicht-Iraner*innen einem nicht-persischen Publikum erzählen wollen. ist der Iran oder Persien ein exotisches und faszinierendes Land, das bekannt ist für Scheherazade und „Tausend- undeine Nacht“. Iraner*innen erinnert die Geschichte Solace of Lovers/Trost der Liebenden ihres Landes aufgrund der raschen und vielzähligen Ver- Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum änderungen über die Jahrhunderte hinweg manchmal so- noch bis 31. Jänner 2021 gar an Mythen und Fabeln. Parviz Tanavoli, Farangi-Frau (aus: Farangi-Frauen-Teppiche), 2019, handgewebter Teppich (bidscharische Webart) und Neon, 123 x 93 cm. Foto: Parviz Tanavoli, Parviz Tanavoli Museum and KA:V Editions. Image courtesy of KA:V Editions. Anton Christian Günther Dankl Dass die Ausstellung zum 80. Geburtstag von A nton Ausgehend von einem „Selbstbildnis mit Familie“ von Christian im Tiroler Volkskunstmuseum stattfindet, A nton K irchmayr, dem Vater von A nton Christian, aus ist mehr als passend. Denn damit bespielt der bekannte dem Jahre 1915 und dem Bildnis seiner Mutter von 1961, Tiroler Künstler nicht nur einfach einen weiteren Aus- reicht der Bogen der im Volkskunstmuseum gezeigten stellungsort der Tiroler Landesmuseen, sondern zugleich Werke von den frühen konzeptuellen Arbeiten bis zu auch einen Ort, dessen Sammlung ihm nahezu von Beginn seinem aktuellen Schaffen. Dabei ist es dem Künstler seines künstlerischen Schaffens an wichtige Bezugs- und wichtig, neben den Gemälden auch seine Skulpturen und Inspirationsquelle gewesen ist. A nton C hristians Gemäl- Installationen zu präsentieren. Den Abschluss bildet ein de, Skulpturen und Objekte, die um die zentralen Themen Gemälde seines Sohnes Jakob von 2019. Es steht am Ende Sexualität, Schmerz, Angst und Einsamkeit kreisen, sind einer Ausstellung über das umfangreiche Werk eines damit eingebettet in das Konzept einer Schausammlung, Künstlers. die uns in zahlreichen Facetten das Nachleben traditio- Parallel zu seinem malerischen, zeichnerischen und neller volkskundlicher Kulturformen und ihre emotionale skulpturalen Schaffen hat sich A nton Christian auch stets Bedeutung für die Gegenwart in Tirol vor Augen führt. fotografisch betätigt. Vor allem auf seinen Reisen nach Als gemeinsame Schau angelegt, wurden bis Ende Okto- G riechenland, in den Vorderen Orient, nach Spanien und ber in der Villa Schindler in T elfs Zeichnungen und Skiz- Portugal sowie F rankreich hat er sich bei seinen Aufnah- zenbücher und im Rabalderhaus Schwaz Fotografien und men auf jene Motive und Gegenstände konzentriert, die Fotocollagen präsentiert. seiner Neugierde und Faszination oder selbst gestellten Themenbereichen entsprachen. Zugleich hat der Künstler seine Fotos auch direkt malend bearbeitet oder als Collage in die Gemälde integriert. Die Fotografie wird damit Be- standteil des Gemäldes. Ähnlich den ins Bild aufgenom- menen Wörtern und Texten ist bei A nton Christian auch die Fotografie bildprägend. In den ab den 1970er-Jahren entstandenen Zeichnungen, die in der Villa S chindler in Telfs ausgestellt waren, erweist sich der Künstler als ge- nauer Beobachter der Welt. Mit zeichnerischem Können und geballter Energie vereint er in ihnen „Mikro- und Anton Christian, Notizen, 2020, Gips beschriftet, 29,5 x 16 x 8 cm. Makrokosmos, Mythologie und Metapher, Natur und © Anton Christian, Foto: Martin Vandory, Innsbruck Illusion, Wasser und Luft, Leben und Tod“. (Ruth Haas) Zur Ausstellung erschien ein Katalog mit Beiträgen und Texten von H. C. A rtmann, Karl C. Berger, Bazon Brock, Anton Christian Günther Dankl, Ruth Haas und Christa Hauser und einem Tiroler Volkskunstmuseum Anton Christian, Im Garten, 2015, Foto-Collage, Mischtechnik, 63 x 91 cm. Vorwort von P eter Assmann sowie Abbildungen der aus- noch bis 7. Februar 2021 © Anton Christian, Foto: Martin Vandory, Innsbruck gestellten Werke, 220 S., ISBN 978-90000083-886.
A u s dem Fer dina ndeum 5 FRITZ BERGER faces | nudes Ralf Bormann Anlässlich des Erwerbes von zehn Zeichnungen des Büh- rechten Armes auf den gesunden linken übertrug, brachte nenbildners, Illustrators und Malers Fritz Berger aus Mit- Berger sich selbst das Zeichnen mit der linken Hand bei. teln des Vereins Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum für Viele der in der Folge entstandenen, hier präsentierten die Grafische Sammlung zeigen wir die Sammlungsprä- Bildnisse und Akte zeigen mutmaßlich Schülerinnen sentation FRITZ BERGER faces | nudes. Eine Auswahl Emmi Bergers, der Ehefrau des Künstlers und Pionierin aus einer hochherzigen Dauerleihgabe aus dem Nachlass der modernen Bewegungslehre in Tirol. Diese Lehre zielt des 2002 gestorbenen Künstlers ergänzt die Schau. Der nicht so sehr auf die rein motorischen Funktionen des 1916 in Innsbruck geborene Berger wandte sich nach dem menschlichen Körpers, sondern strebt nach den tiefer ge- Krieg dem abstrakten Expressionismus etwa des US- legenen, abstrakteren Gründen der Bewegung, die insbe- amerikanischen Künstlers Franz Kline (1910 –1962) zu; sondere im bewegungsfordenden Element des Rhythmus auch der Fauvismus ist an der Stilbildung Bergers nicht in Erscheinung treten und auch den expressiven Zeichen- unbeteiligt. Die Schwelle zur Gegenstandslosigkeit über- duktus Fritz Bergers anleiten. schreitet er indessen nicht. Bergers künstlerischem Werdegang standen beträchtliche Hindernisse entgegen: Eine schwere, wie durch ein Wun- FRITZ BERGER faces | nudes der überlebte Kriegsverletzung raubte ihm 1941 gleich- Ferdinandeum, Grafische Sammlung, Grafik-Kabinette im 2. OG wohl das rechte Auge und die rechte Hand. Mittels einer noch bis 10. Jänner 2021 Fritz Berger, Stehender weiblicher Akt mit hinter den Körper geführten eigens ersonnenen Konstruktion von Stricken, die einer tiroler-landesmuseen.at/ausstellung/fritz-berger-faces-nudes/ Armen und angewinkeltem linken Bein, 1950er Jahre, Pinsel in Schwarz Marionette gleich die Bewegungen des verstümmelten (Tusche) auf Papier, max. 635 x 488 mm. Foto: TLM Grüß Göttin und Aura von Ursula Beiler Rosanna Dematté Am Dach des Tirol Panoramas präsentiert die Künstlerin ausgehend von den Gedanken um „Grüß Göttin“ auf das Ursula Beiler ab November 2020 eine neue Edition ihrer Göttliche in jedem Mensch verweist. Die Künstlerin fo- Arbeit „Grüß Göttin“. Von 2009 bis 2016 empfing das tografiert dafür Personen in unterschiedlichem Alter vor Schild an der Autobahn bei Kufstein alle Fahrer*innen, einem Heiligenschein und baut die so entstandenen Aura- die Tirol über die A12 erreichten. Es wurde dann von der Porträts in ikonostasenähnliche Ikonenwände ein, die sich Stadt Innsbruck übernommen und ist seit 2019 auf der als großflächige Projektion oder Ummantelung für eine Insel des Kreisverkehrs der Ausfahrt Innsbruck Mitte zu Rekontextualisierung traditionsverbundener Orte eignen. sehen. Durch die temporäre Aufstellung der Schrift am Ein Rahmenprogramm mit öffentlichen Gesprächen im historischen Schlachtort Bergisel, wo das Tirol Panorama Jänner und Februar 2021 wird die von Beilers Werk her- mit dem Kaiserjägermuseum ein männlich konnotiertes vorgerufenen aktuellen Spannungsfelder vertiefen. Heldentum zelebriert, wird die Irritation der Verweibli- chung Gottes gestärkt. Ursula Beiler, Aura, 2010 bis 2020 Die Intervention entfaltet sich im Innenraum des Tirol Panoramas mit einer Dokumentation der anonymen Um- gestaltungen des Schildes, Leser*innenbriefen oder an Grüß Göttin und Aura von Ursula Beiler Beiler gerichtete Rückmeldungen, die seit 2009 von der TIROL PANORAMA mit Kaiserjägermuseum Künstlerin archiviert werden und wird mit einer Installa- 4. November 2020 bis 28. März 2021 tion aus der Werkgruppe „Aura“ erweitert, womit Beiler Ein in Persien tätiger Tiroler Roland Sila In der aktuellen Ausstellung „Solace of Lovers“, die künst- In den Sammlungen des Ferdinandeums finden sich zwar lerische Positionen aus dem Iran vorstellt, finden sich auch keine Scalpe oder Strohköpfe, doch Gasteiger hat dem Objekte aus den Sammlungen des Albert Gasteiger Khan, Tiroler Landesmuseum bereits vor seiner Rückkehr nach der über viele Jahre am Hof des Schahs von Persien diente. Tirol über seinen Bruder zahlreiche Schenkungen zukom- Gasteiger war sehr mit seiner Heimat verbunden und über- men lassen. Neben den persischen Miniaturen, die auch in sandte regelmäßig Reisebriefe, die in Tiroler Zeitungen der Ausstellung zu sehen sind, wurden 1882 altpersische abgedruckt wurden. So findet sich etwa ein Bericht über Waffen an das Ferdinandeum gebracht, ein Helm, eine einen Besuch in der südiranischen Stadt Bam im Jahre Streitaxt, zwei Schwerter, ein Handschar, fünf persische 1881, wo er in einem Quartier einen grausigen Fund mach Dolche und ein afghanischer Dolch. Diese Stücke, die für te: „Eine Anzahl von circa 30 Scalpen, abgezogene, mit das damals noch existierende ethnographische Cabinet Stroh ausgestopfte Kopfhäute von Menschenschädeln, im Ausstellungsbereich des Ferdinandeums bestimmt wa- waren auf einem Gestelle aneinandergereiht aufgesteckt ren und dort auch ausgestellt waren, wurden allerdings und grinsten mir mit ihren hohlen Augen fürchterlich später wieder an die Familie zurückgegeben. entgegen.“ Einige Tage später kam er hier wieder vorbei und suchte den Ort wieder auf: „Ich zählte die Häupter Der Tiroler Ingenieur Albert Gasteiger Khan (1823–1890) erhielt meiner Lieben, und siehe da, es waren, wie ehedem, ihrer für seine mehr als zwei Jahrzehnte umfassenden Verdienste im 30 Stücke. Bart und Haupthaar haftete noch an den mei- Iran den Rang eines „Mir-Panj“ (General) sowie die Titel „Khan“ sten dieser Strohköpfe; ich werde mir aus ihrer Mitte ein (persischer Adelstitel) und „Mohandes Bashi“ (Chef der Ingenieure). Stück für das Ferdinandeum beilegen.“ Fotografie von Albert Gasteiger Khan, 1878. Foto: TLM
6 Ver ein f er din a nde a Nr 5 4 November 2020 – Jänner 2021 Klavierspielen ohne Klavierspielen zu können… Meinhard Neuner Die ersten Pianolas waren Vorsetzer, also Vorsatzgeräte, wurde. Bei der Phonola werden durch Lochstreifen aus die keinerlei Klaviertechnik enthielten. Diese spiel - Papier, die sogenannten Klavierrollen, vorgefertigte ten mit gepolsterten Holzfingern auf einem vorhandenen Musikstücke auf den Instrumenten wiedergegeben. Die Klavier oder Flügel, vor das sie gestellt bzw. gesetzt wur- Saugluft wurde anfangs mittels zweier Pedale am Vor- den. Später gab es auch Pianolas, bei denen die Mecha- setzer erzeugt, ähnlich denen des Harmoniums, später nik in ein normales Klavier oder einen Flügel eingebaut durch einen elektrischen Motor. In diesem Fall spricht wurde. Vor dem Pianola hatte nun ein „Pianolist“ Platz, man vom elektrischen Klavier, englisch Pianola Piano. der die Betonung, die Lautstärke und die Geschwindig- Die Lochstreifen-Notenrollen umfassen unzählige ver- keit der Musik beim Abspielen gestaltend beeinflussen schiedene Titel und bilden heute ein wertvolles Archiv konnte. pianistischer Kunst. Dabei kommen den sogenannten Ursprünglich aus den USA stammend, fertigte die Fir- Künstlerrollen, die von namhaften Komponisten und Pi- ma Hupfeld in Leipzig seit 1902 ein ähnliches, bereits anisten, z. B. Edvard Grieg, Claude Debussy und Sergei weiter entwickeltes System, die sogenannte Phonola, Rachmaninow selbst aufgenommen wurden, große Be- welche in Deutschland und Europa zum Marktführer deutung für die Interpretationsforschung zu, welche von führenden Universitäten, etwa Stanford/USA, zu- Phonala, um 1905. Foto: TLM nehmend betrieben wird. Umbaupläne und Statutenänderung Mitgliederversammlung vom 17. September 2020 Renate Telser In der Mitgliederversammlung am 17. September infor- Anschließend schilderte Direktor Dr. Peter Assmann, wie wie folgt lautet: „Der Ausschluss wird vom Vorstand be- mierte die Vorsitzende Dr.in Barbara Psenner die anwe- Homeoffice sowie diverse Arbeiten in den Museen im Hin- schlossen; dieser Beschluss bedarf der einfachen Mehrheit senden Mitglieder über den Fortschritt der Umbaupläne tergrund der Ausgangssperre es ermöglichten, die Museen der Stimmen aller Vorstandsmitglieder. Das solchermaßen des Ferdinandeums, die trotz Corona termingerecht in ei- im Mai stufenweise wieder öffnen zu können und der Öf- ausgeschlossene Mitglied kann die Entscheidung der Mit- nen anonymen EU-weiten zweistufigen Wettbewerb mün- fentlichkeit neue Präsentationen zu zeigen. Mag. Wilfried gliederversammlung verlangen; die diesbezügliche Ent- deten. Am 20./21. Oktober wählte eine zehnköpfige Jury Stauders Ausführungen zum Jahresabschluss bestätigten scheidung der Mitgliederversammlung ist – vorbehaltlich 20–25 Einreichungen für die nächste Runde aus. Nach einem ein solides wirtschaftliches Ergebnis. Die Versammlung § 6 Abs (5) – abschließend, wobei das Mitglied bei dieser Hearing am 23. November und einer vertiefenden Vorpro- stimmte anschließend einer Statutenänderung zur Been- Beschlussfassung kein Stimmrecht hat.“ (ferdinandeum.at/ jektphase wird das Siegerprojekt im März 2021 gekürt. digung der Mitgliedschaft zu, dessen neuer § 6 Abs (3) info/ueber-uns). Ein würdiger Träger der Franz-von-Wieser-Medaille Univ.-Prof. Dr. Josef Riedmann zum 80. Geburtstag Renate Telser Seit seiner Gründung 1823 versteht sich das Ferdinandeum als Gedächtnis des Landes Tirol. Dieses besteht nicht nur aus der Summe der gesammelten Museumsobjekte, son- dern auch aus deren wissenschaftlicher Aufarbeitung. Die 1959 eingeführte Franz-von-Wieser-Medaille sollte daher an jene Persönlichkeiten verliehen werden, „die sich um die Kunst und Wissenschaft, insbesondere um die Erforschung Tirols, besonders verdient gemacht haben.“ Bei Einführung dieser Medaille ahnte niemand, so die Laudatorin ao. Univ.- Prof.in Dr.in Julia Hörmann, dass zehn Jahre später der junge Historiker Josef Riedmann Vereinsmitglied und Vorstands- vorsitzender wird, der das Gedächtnis Tirols maßgeblich prägen sollte. Er war wesentlich an der Gründung des (Ge- samt-)Tiroler Geschichtsvereins im Zeughaus oder der er- sten Gesamttiroler Landesausstellung 1995 beteiligt, setzte sich stark für die Restitutionsforschung am F erdinandeum ein und fungierte als Herausgeber diverser Publikationen (Veröffentlichungen des Ferdinandeums, Schlern-Schrif- ten, Tiroler Heimat, Tiroler Urkundenbuch etc.). Ein Blick in seine Publikationsliste weist ihn als profunden Kenner, Wissenschaftler und Experten in der Erforschung Tirols aus. Seit dem 17. September 2020 reiht sich Univ.-Prof. Dr. Josef Riedmann würdig in die Liste der Wieser-Medaillen- Träger ein. Dafür gebühren ihm an dieser Stelle die höchste Anerkennung und unser herzlichster Dank. V. l. n. r.: Franz Pegger, Medaillen-Träger Josef Riedmann, Barbara Psenner, Laudatorin Julia Hörmann und Bernhard Platzer. Foto: TLMF/Maria Wanker
Ver a n s t a l t ungen 7 A U S S T E L L UNG S - UND V E R A N S TA LT UNG S K A L E NDE R November bis Jänner EUROPA SCHAUEN – DER BRENNER BASISTUNNEL ANTON CHRISTIAN DEKADENZ UND DUNKLE TRÄUME Erklärungen, Exponate, Infotafeln, Modelle Kuratorenführung mit Günther Dankl Der belgische Symbolismus TIROLER LANDESMUSEEN in Kooperation mit BBT Volkskunstmuseum, 22.11. und 17.1., 11 Uhr Alte Nationalgalerie, Berlin TIROL PANORAMA mit Kaiserjägermuseum Noch bis 17.1.2021 SOLACE OF LOVERS 14.12., 14–15 Uhr, Eintritt frei GOLNAR SHAHYAR www.smb.museum Kurator*innenführung in Englisch Konzert im Rahmen von „Solace of Lovers“ mit Tarlan Rafiee und Yashar Samimi Mofakham CI VEDIAMO AL MUSEO! Ferdinandeum, 12.1., 20 Uhr CHRISTIAN ROHLFS: AUGENMENSCH! im Rahmen der Premierentage Führung auf Italienisch (ab Sprachniveau A2) Kunstmuseum Ahlen Ferdinandeum, Online-Stream in der Aula Volkskunstmuseum, 17.12., 16 Uhr. Anmeldung unter: ANDERSWO 29.11.2020–21.2.2021 6.11., 14 Uhr, Eintritt frei besucherservice@tiroler-landesmuseen.at www.kunstmuseum-ahlen.de THE BLUE PLANET KARL AMADEUS HARTMANN RUNDUM WEIHNACHT Zentrum für Gegenwartskunst HERBERT BRANDL. MORGEN Klaviersonate „27. April 1945“ und Gespräch. Warten auf das Christkind, mit Spezialprogramm, Glaspalast Kunstsammlungen und Kunsthaus Graz Mahnmal an den Todesmarsch der Häftlinge Apfelbraten und der Sonderausstellung Museen Augsburg Noch bis 7.3.2021 bei der Auflösung des KZ Dachau „Vom kleinen Saurier zum Ritter Rost“ Noch bis 31.12.2020 www.museum-joanneum.at/kunsthaus-graz Ferdinandeum, 9.11., 19 Uhr Zeughaus, 24.12., 14 –17 Uhr www.kunstsammlungen-museen.augsburg.de Fotos: Wolfgang Lackner, Martin Gamper, Bogentheater, Jacopo Salvi , TLM Eröffnung der Sammlungspräsentation „FRITZ BERGER faces | nudes“ Eröffnung der ersten virtuellen Ausstellung „Sichtweisen“ am 24.9. Ehrung von 17 langjährigen Mitarbeiter*innen und Ehrenamtlichen am 7.9. im Zeughaus. am 1.10. im Ferdinandeum. (tiroler-landesmuseen.at/online-ausstellungen). Eröffnung der Schau „Anton Christian. Gemälde und Skulpturen“ am 3.9. im Volkskunstmuseum. Der Kultursommer lockte zahlreiche Besucher*innen zu Museum, Ein abwechslungsreiches „Fest für Goethe“ im Ferdinandeum am 28.8. Theater, Konzerten und Kino ins Zeughaus. WERBEN ODER WERDEN SIE JETZT EIN MITGLIED MITGLIEDSCHAFT und GENIESSEN SIE folgende Vorteile: Mitgliedsbeitrag 2021: • freien Eintritt in die Tiroler Landesmuseen Einzelperson: 35 Euro • freien Eintritt in alle österreichischen Landesmuseen sowie Studierende: 12 Euro ermäßigten Eintritt in Partnermuseen Familie/Lebensgemeinschaft: 55 Euro • Ermäßigungen bei Konzerten und Vereinsfahrten Gemeinde/Institution: 110 Euro • Rabatte auf TLM-Publikationen und -CDs im Museumsshop • kostenlose Zusendung der ferdinandea und von Einladungen zu VEREIN Veranstaltungen und Eröffnungen • kostenlose Begutachtungen TIROLER LANDESMUSEUM FERDINANDEUM Impressum: Medieninhaber, Herausgeber, Verleger und Hersteller: Verein Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum: Museumstraße 15 · 6020 Innsbruck · verein@tiroler-landesmuseum.at · T +43 512 59 489-105; Redaktion: Barbara Psenner, Bernhard Platzer, Isabelle Brandauer, Astrid Flögel, Josefine Justic, Clara Maier, Maria Mayrl, Birgit Schönegger, Renate Telser, Michael Zechmann. Die ferdinandea erscheint 4 x im Jahr; Vereinszweck: Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft in Tirol; Blattlinie: Informationsorgan der Mitglieder. Organe: Vorstand (B. Psenner, B. Platzer, F. Pegger); Aufsichtsrat (J. Hörmann-Thurn und Taxis, V. Zingerle, S. Höller, L. Madersbacher); Grafik: büro54; Druck: Athesia-Tyrolia Druck · Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder. Im Sinne der besseren Lesbarkeit wird fallweise auf eine geschlechtergerechte Formulierung verzichtet. Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigung nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autor*innen.
8 Ver a ns t a l t ungen f er din a nde a Nr 5 4 November 2020 – Jänner 2021 Ohrenschmaus vom Feinsten Benötigen Sie noch ein Weihnachtsgeschenk? Vom 29. November 2020 bis 6. Jänner 2021 erhalten Sie im Museumsshop viele CDs zum halben Preis sowie 10 % Rabatt auf Über fünfzig musikalische Schätze unter dem Label „musikmuseum“ alle TLM-Publikationen. Auch einzigartige Geschenke mit Museumsmotiven können Sie dort finden: Tiroler Kulturbeutel, Franz Gratl Maximiliantücher, Upcyclingtaschen, Regenschirme, Magnete usw. 47 O mirandum mysterium 50 Tiroler Weihnachtskonzert 2019 Sakralwerke von Giovanni Legrenzi aus Stille Nacht revisited dem Musikarchiv des Benediktinerklosters Werke von Franz Baur, Elias Praxmarer Marienberg in Südtirol und Arnold Schönberg CHORrekt ∙ Orchester der Akademie St. Blasius 48 Michael F. P. Huber – Klavierkonzert op. 61, Karlheinz Siessl Symphonie Nr. 4 op. 64 Michael Schöch, Maria Ladurner 51 Apparatus Musico-Organisticus Orchester der Akademie St. Blasius Barocke Orgelwerke aus Tiroler Quellen Karlheinz Siessl Peter Waldner an den historischen Orgeln von Ramosch und Taufers im Münstertal 49 Junge Solist*innen am Podium 2 Zeitgenössische musikalische Grenzgänge von Manu 52 Tiroler Gröstl 1710 D elago, Johanna Doderer, Eric Ewazen, Martin R ainer, Händel in Innsbruck Andrea Oberparleiter, Tiroler Kammerorchester eine literarisch-musikalische Spurensuche InnStrumenti (Leitung Gerhard Sammer) Ensemble rosarum flores Ein kleiner Saurier zu Besuch im Zeughaus Roland Sila Die heurige Winterausstellung im Museum im Zeughaus Klein und Groß zu werden. Je nach den aktuellen Mög- ist dem Zeichner Jörg Hilbert gewidmet, der mit seiner lichkeiten ist auch ein breites Rahmenprogramm geplant. Kinderbuchfigur „Ritter Rost“ seit über 25 Jahren Kin- Neben Führungen und Lesungen wird bereits für eine derherzen höher schlagen lässt (immerhin hat er bereits Aufführung des Theaterstückes von Jörg Hilbert „Der knapp zwei Millionen Kinderbücher und andere Medien Schweinachtsmann“ geprobt. Und in Kooperation mit der verkauft). Und gerade dieser Ritter Rost ist mit seinen en- Innsbrucker Abendmusik findet ein Kinderkonzert statt. gen Freunden, dem Burgfräulein Bö und dem Drachen Koks, zu Besuch im Zeughaus und erlebt in Innsbruck seine Abenteuer. Vom kleinen Saurier zum Ritter Rost. Der Zeichner Jörg Hilbert Im Mittelpunkt der Ausstellung steht ein nie publiziertes Museum im Zeughaus Kinderbuch mit dem Titel „Der kleine Saurier“, das ein 28. November 2020 bis 1. April 2021 Frühwerk des Zeichners darstellt. Eigentlich nicht für die Eröffnung & Open House: 27. November, 15–19 Uhr Öffentlichkeit bestimmt, fand es über die Familie von Paul Flora, dem großen zeichnerischen Vorbild von H ilbert, Jörg Hilbert liest Ringelnatz & Co den Weg ins Ferdinandeum und nun ins Z eughaus. Im Ein vergnüglicher Abend Mittelpunkt der Geschichte steht mit dem kleinen Sau- Bibliothek des Ferdinandeums rier eine Figur, die als Vorbild für den D rachen Koks in 13. Jänner 2021, 19 Uhr, Eintritt frei den Ritter Rost-Büchern gelten kann. Er ist auf der Suche nach seiner Identität, ist er doch farblos und ohne Familie Ritter Rost trifft den letzten Ritter auf die Welt gekommen. Konzert in Kooperation mit der Innsbrucker Abendmusik Das Zeughaus wird, neben dem kleinen Saurier, von zahl- Museum im Zeughaus reichen Figuren aus Jörg Hilberts Kinderbüchern bevöl- 15. Jänner 2021, 15 Uhr Auch das Burgfräulein Bö trifft auf den Saurier. ©Jörg Hilbert kert und die Ausstellung verspricht, ein großer Spaß für O weih, o weih, o Weihnachtszeit... Musiktheater und Märchen im Museum Katharina Walter Was tun, wenn sich kurz vor Heiligabend ein Weihnachts- Der Schweinachtsmann von Jörg Hilbert mann beim Nüsse knacken verletzt und für den Rest des mit Antonia Neussl, Julia Hell, Marinus Kreidt Jahres arbeitsunfähig ist? Das Schwein beim Weihnachts- Museum im Zeughaus mann im Stall ist bereit, den Job als Aushilfsweihnachts- 5. und 19. Dezember 2020, jeweils 14 Uhr mann zu übernehmen. Und hier beginnt die wunderbar ver- Der Schweinachtsmann von Jörg Hilbert. © 2001 by Edition Conbrio. 24. Dezember 2020, 14–17 Uhr rückte Weihnachtserzählung „Der Schweinachtsmann“, Hug Musikverlage, Zürich. Mit freundlicher Genehmigung. ab 4 Jahren (in Begleitung), mit Anmeldung die weihnachtliche Rituale liebevoll parodiert. Die Ge- www.edition-conbrio.ch schichte des Kinderbuchautors Jörg H ilbert, mit Musik Märchen aus fernen Ländern von Felix Janosa, wird unter der Leitung der Musik- und Volkskunstmuseums tun: Barbara Beinsteiner erzählt ein mit Barbara Beinsteiner, Brigitte Pfurtscheller, Tanzpädägogin Antonia Neussl dramaturgisch inszeniert. persisches Märchen voll orientalischer Poesie, in der die Hassan Ibrahim-Bercenzî Das Musiktheater ist an zwei Samstagen in der Vor- Melodie der Nachtigall die Wahrheit ans Licht bringt und Volkskunstmuseum weihnachtszeit und beim Familiennachmittag „Rund um Eltern und Kinder, die einander verloren glaubten, zuei- 13. und 20. Dezember 2020, jeweils 15 Uhr Weihnacht“ am 24. Dezember im Zeughaus zu sehen und nander finden lässt. Musikalisch begleitet wird die Er- ab 6 Jahren (in Begleitung), mit Anmeldung zu hören. Und wer sich von Märchen aus fernen Ländern zählung von Brigitte Pfurtscheller und Hassan Ibrahim- verzaubern lassen möchte, kann dies in den Stuben des Bercenzî auf der Oud.
W i s s en sc h a f t 9 Die Spanische Grippe in Tirol Isabelle Brandauer Vor 100 Jahren wurden die Menschen weltweit von einer Seuche ungeahnten Ausmaßes heimgesucht. Die Spanische Grippe forderte in drei Wellen zwischen 1918 und 1920 zwischen 25 und 39 Millionen Tote. Die Dunkelziffer liegt wohl noch wesentlich höher. Abb. 1: Sterbebild des Standschützen Alois Rabensteiner, der bei seinem Heimaturlaub in Villanders an der Grippe verstarb. tiroler-landesmuseen.at/forschung/tiroler-ehrenbuch-digital Abb. 3: Die Bevölkerungsentwicklung in Innsbruck 1905–1946, in: Statistisches Handbuch der Stadt I nnsbruck, Innsbruck 1950, S. 58. Eine „neuartige Erkrankung“ Auch Bozen folgte diesem Beispiel nur wenige Tage später. Fazit Es ist zu vermuten, dass sich die Spanische Grippe in Tirol Die große Ansteckungsfähigkeit und Schnelligkeit, mit der Rückblickend kann nicht eindeutig festgestellt werden, von Frankreich über die Schweiz und Vorarlberg ausbrei- sich die Krankheit auch in Tirol zu verbreiten begann, war wie viele Menschen in Tirol an der Spanischen Grippe tete. Zumindest lassen zeitgenössische Zeitungsberichte besorgniserregend. Begünstigt wurde der schwere Verlauf verstorben sind. Vorsichtige Schätzungen gehen in Tirol sowie Forschungsergebnisse auf diesen Verbreitungsweg der Epidemie sicherlich auch durch die Mangelernährung von 1.500 Todesfällen aus. Fehlende Meldepflicht, unsi- schließen. Erschwert werden genaue Angaben aber durch infolge des Krieges. Trotz der sich mehrenden Todesfälle chere Diagnosen und unterschiedliche Angaben bei den den Umstand, dass die Krankheit in Österreich-Ungarn wie wurde noch Anfang Oktober in den Tiroler Zeitungen im- Todesursachen sind nur einige der Faktoren, die eine Er- in vielen anderen Ländern nicht meldepflichtig war. mer wieder der harmlose Verlauf der Krankheit hervorge- fassung bis heute erschweren. Ein Blick in die Totenbe- Bereits Mitte Juni 1918 tauchen Berichte über eine neuar- hoben. Die Meldungen über eine kurze Dauer der Krank- schauscheine der Stadt Innsbruck gibt für den Zeitraum tige, „spanische Krankheit“ in den Tiroler Zeitungen auf. heit und die „gütliche Art“ der Grippe sollten wohl auch zur September 1918 bis Mai 1919 181 Personen an, die an der So meldete der „Tiroler Anzeiger“ bereits am 18. Juni 1918 Beschwichtigung der Bevölkerung dienen. Grippe verstorben waren (Abb. 3). 47 Fälle in Innsbruck. Allerdings wurden zu diesem Zeit- Mitte bis Ende Oktober hatte die Krankheit in Tirol ihren Angesichts der dramatischen Ereignisse in Tirol zum punkt das Ausmaß und die Gefährlichkeit der Pandemie in Zenit erreicht (Abb. 1). Die Sterblichkeit war vor allem in Höhepunkt der Grippewelle im Herbst 1918 verwundert Tirol, trotz der zunehmenden Infektionszahlen im Ausland, Innsbruck recht beängstigend: Allein im Zeitraum vom es, dass sich diese Pandemie so wenig im kollektiven völlig unterschätzt. Die Anfangsphase der Berichterstattung 20. bis 26. Oktober fielen 98 Personen, davon 60 Militär Gedächtnis der Tiroler Bevölkerung eingeprägt hat. in Tirol war, wie auch andernorts, von großer Unsicherheit personen und 38 Zivilisten, der Spanischen Grippe zum Im „Reststaat“ Österreich und vor allem in Tirol ist die geprägt und gipfelte mitunter in kuriosen Falschmeldungen Opfer. Bestimmte Personengruppen waren zudem beson- Spanische Grippe in der zeitgenössischen Wahrnehmung und Spekulationen. ders gefährdet: nämlich Seelsorger und Ärzte, die von Be- und auch in der späteren Rezeption durch die unmittel- rufswegen in einem verstärkten Maße mit Erkrankten zu baren Folgen des Weltkrieges, den Zerfall der Monarchie Der tödliche Höhepunkt tun hatten. Ebenso stark von Infektionen betroffen waren und die Teilung Tirols überschattet worden. Spätestens im Oktober 1918 hatte die Grippe Europa fest in Zeitungsausträger und Eisenbahnbedienstete der Nord- und ihrem tödlichen Griff. Auch die Tiroler Zeitungen berich- Südbahn, was letztendlich auch zu bedeutenden Verkehrs- Dieser Beitrag ist im Wissenschaftlichen Jahrbuch der teten nun täglich über die Seuche. Selbst wenn sie oft noch beschränkungen führen sollte. Tiroler Landesmuseen 2020 erschienen. als „neuartige Erkrankung“ definiert wurde, war nun klar, Bis Mitte November 1918 gab es landesweit kaum ein Dorf dass die Grippe in Verbindung mit Lungenentzündungen ohne Grippekranke. Allmählich änderte sich nun auch die rasch zum Tode führen konnte und vor allem auch junge, Wortwahl hinsichtlich der Krankheit: Bis Mitte Oktober noch kräftige Personen betraf. Die Art der Übertragung war zu- verharmlost und relativiert, wurden mit der steigenden Zahl nächst nicht bekannt, jedoch schrieb der „Tiroler Anzeiger“ an Toten auch neue Begriffe wie „unheimlich“, „bösartig“ bereits am 17. Oktober davon, „daß sie [die Grippe; Anm.] und „heimtückisch“ mit der Grippe in Verbindung gebracht. besonders da auftritt, wo viele Menschen in nahe Berüh- Ab Ende November begann die Epidemie in Tirol allmäh- rung zueinanderkommen“. Da das Verbot von Massenan- lich abzuflauen. Danach wurden in den Zeitungen nur mehr sammlungen das öffentliche Leben lahmzuglegen drohte, vereinzelte Fälle – teilweise bis 1920 – gemeldet. Die Sor- Abb. 2: Inserat für den Verkauf von Desinfektionsmitteln, in: wurde den Einzelnen dazu geraten, in Eigenverantwortung ge, dass dieses punktuelle Aufflackern zu einer ähnlichen Innsbrucker Nachrichten, 28.10.1918, S. 6. mit so wenig Menschen wie möglich in Kontakt zu treten. Situation wie im Oktober 1918 führen konnte, blieb jedoch. Generell gab es über die Art und das Ausmaß der Maßnah- Im gesamten Zeitraum, in dem die Grippe in Tirol wütete, men zur Einschränkung des öffentlichen Lebens keine ein- kam erschwerend der Umstand hinzu, dass es keine gesi- Assmann, Peter (Hg.): Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler heitliche Regelung. Die erste Schulschließung in Innsbruck cherte Behandlungsform gab, die wirksam gegen die Krank- Landesmuseen 2020, Innsbruck Studienverlag, Preis: 34,90 Euro wird bereits am 9. Oktober 1918 gemeldet. Am 15. Oktober heit eingesetzt werden konnte. Einstimmigkeit herrschte Erhältlich unter: shop.tiroler-landesmuseen.at, im Museumsshop wurden auf Anordnung des Tiroler Landesschulrates alle nur darin, dass Selbstschutz und hygienische Maßnahmen oder direkt beim Studienverlag. Innsbrucker Mittelschulen auf drei Wochen geschlossen. vor einer Ansteckung bewahren konnten (Abb. 2).
10 S pe z ia l s a mml ungen / N ac hr u f e f er din a nde a Nr 5 4 November 2020 – Jänner 2021 Die präzise Achtlosigkeit der Natur Rosanna Dematté Die aktuelle Präsentation von fünf Arbeiten Lois Weinbergers im MAG (s. S. 12) ist der Anlass, einen Nachruf für den im vergangenen April unerwartet verstorbenen Künstler nachzuholen und über seine Bedeutung für das Ferdinandeum nachzudenken, die über den wichtigen Sammlungsbestand von Werken zwischen 1977 und 2010 hinausgeht. Lois Weinbergers „Feldarbeit“, wie er seine künstlerische am Kamp in Niederösterreich. Seine aufmerksame Ana- Tätigkeit definierte, begann in den frühen 1970er-Jahren lyse der symbiotischen Beziehungen zwischen Kultur am elterlichen Bauernhof in Stams in Tirol, wo er 1947 und Natur artikulierte er in „ethnopoetische“ Arbeiten geboren wurde. Seit den 1980er-Jahren lebte und arbei- und führte ihn zur metaphorischen Umdeutung des bota- tete er mit Franziska Weinberger auch in Wien und Gars nischen Begriffs des „Ruderals“ (rudis = wild und kunst- los). Daraus entwickelte er ortsspezifische Installationen für internationale Ausstellungen wie der documenta in Kassel (1997, 2017) und der Biennale von Venedig (2009), doch auch viele Arbeiten im öffentlichen Raum. Unter anderem untersuchte er die „präzise Achtlosig- keit“ der Natur als Bereich, der „unserer unsichtbaren Natur“ sehr nahe steht, wie er selbst formulierte. Seine künstlerische Arbeit distanzierte sich von jeglicher vor- geschriebener Ordnung des Mensch-Natur-Verhältnisses. Sie wird mit Statements wie „Der Umgang einer Gesell- schaft mit Pflanzen ist auch ein Spiegelbild ihrer selbst“ jenseits ihrer kunstimmanenten Bedeutung für aktuelle Ansicht der Ausstellung „Schönheit vor Weisheit“ im Ferdinandeum mit gesellschaftspolitische, ökologische, philosophische, Lois Weinbergers Arbeit „Debris Field – Erkundungen im Abgelebten“, aber auch wissenschaftstheoretische Überlegungen äu- 2010/2016. Foto: Günter R. Wett ßerst relevant. Das Ferdinandeum widmete ihm 2013 eine große, von Abgelebten“, bestehend aus Dachbodenfunden aus sie- Günther Dankl kuratierte Einzelausstellung (s. ferdinan- ben Jahrhunderten, die er zwischen 2010 und 2016 im dea 24), doch Weinbergers Arbeit war hier seit 1990 in Elternhaus in Stams ausgegraben und 2017 auf der mehreren Gruppenausstellungen sowie Sammlungs- documenta in Athen gezeigt hatte (s. ferdinandea 49). präsentationen zu sehen. Bis März 2020 präsentierte Unvergessen und vorbildhaft bleiben in seinen Inter- Weinberger in der in Kooperation mit der Universität views und besonders für diejenigen von uns, die ihn ken- Innsbruck entstandenen Ausstellung „Schönheit vor nenlernen durften, seine überzeugte Haltung bezüglich Weisheit“ das Werk „Debris Field – Erkundungen im der Anliegen der Kunst bei gleichzeitiger respektvoller Umgänglichkeit und menschlicher Nähe. Von Juli bis Lois Weinbergers Einzelausstellung im Tiroler Landesmuseum, Oktober 2021 wird im Belvedere 21 in Wien eine Aus- Installation aus Plastikkübeln mit Erde auf dem Balkon des stellung stattfinden, die er teilweise vor seinem Tod kon- Ferdinandeum, 2013. Foto: TLM/Wolfgang Lackner zipierte, auf die wir uns sehr freuen können! Alois Kofler – ein großes Forscherleben ging zu Ende Manfred Kahlen Wenige Tiroler Naturforscher waren jemals von so umfassender Vielseitigkeit wie Alois Kofler. Über sechs Jahrzehnte lang erforschte er unermüdlich die Natur und sammelte naturkundliche Objekte in Tirol und benachbarten Gebieten. Sein Leben und Wirken ist bereits mehrfach gewürdigt Bestimmungen dieses Materials. Über 400 wissenschaft- worden, weshalb sein Lebenslauf hier nur kurz zusam- liche Publikationen sind Ausdruck eines unermüdlichen mengefasst wird: Alois Kofler wurde am 10. Oktober 1932 Lebens für Forschung und Wissenschaft. am Heinfelserberg in Osttirol geboren. Er besuchte das Für sein Wirken mehrfach geehrt (Theodor-Körner- Paulinum in Schwaz, wo sein Onkel Prof. Dr. Franz Josef Preis 1976, Ehrenzeichen der Universität Innsbruck Kofler Biologie unterrichtete und ihm ein umfassendes 1980, Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft für En- Fachwissen wie auch die Naturbegeisterung vermittelte. tomofaunistik 2010, Friedrich-Brauer-Medaille 2011, Das Biologiestudium an der Universität Innsbruck un- Franz-von-Wieser-Medaille 2013) war Alois Kofler ein ter den renommierten Professoren Otto Steinböck und Naturhistoriker im klassischen Sinn, welche es heute Heinz Janetschek (Zoologie) und Helmut Gams und kaum mehr gibt. Seine gesamten naturkundlichen Ob- Arthur Pisek (Botanik) promovierte er 1959 mit der Dis- jekte – weit über eine Viertelmillion – sind in den Besitz sertation „Faunistik, Ökologie und Cönotik Osttiroler des Tiroler Landesmuseums übergegangen und stellen Landschnecken“, an der er bereits ab dem dritten Seme- hier einen fundamentalen Bestand der Naturwissen- ster gearbeitet hatte. 1961 heiratete er und war Vater von schaftlichen Sammlungen dar. Die Aufarbeitung dieser drei Kindern. Schätze wird noch viele Jahre dauern. Auch seine gigan- Nach Lehrtätigkeiten am BRG in Lienz war Alois Kolfer tische Bibliothek ist dem Tiroler Landesmuseum über- von 1972 bis 1992 Direktor des Bundeskonviktes in Lienz. eignet worden. Am 25. Juni 2020 hat Alois Kofler seine Hofrat Direktor i.R. Mag. rer. nat. Dr. phil. Alois K ofler letzte Exkursion angetreten. Das Tiroler Landesmuseum erarbeitete eine unfassbar reichhaltige Dokumentati- Ferdinandeum wird ihm stets ehrend gedenken. on an Pilzen, Pflanzen und Tieren. Schwerpunkt seiner Arbeit war sein Heimatland Osttirol. Kontakte mit den Auf das Sammeln folgt das Bestimmen, Alois Kofler im „Käfer-Zimmer“. besten Spezialisten Europas ermöglichten fachgerechte Foto: Martin Kofler
Mu s eum s w er k s t ä t t en 11 Blühende Erkenntnisse editorial Zu guter Letzt seit fast 200 Jahren von Peter Assmann Die botanisch-mykologische Sammlung der Tiroler Landesmuseen Nicht nur flatterhaft … Clara Maier der Schmetterling Die interessierten Museumsbesucher*innen, die sich Anfang des 17. Jahrhunderts begann der Tiroler Arzt Hippolyt Guarinoni mit einer in die neu präsentierte Sammlungspräsentation zur Pflanzensammlung in Buchform. Dass sein Herbarium heute wieder in den Fokus Niederländischen Malerei im Ferdinandeum begeben, wissenschaftlichen Interesses rückt und Teil einer vielfältigen Sammlung wurde, ist nicht werden dort nicht nur auf so prominente Künstlerna- men wie Rembrandt stoßen, sondern auch auf einen zuletzt den Expert*innen der botanischen Sammlung zu verdanken. Viele der inzwischen Raum voll mit Stilllebengemälden. Zumeist handelt mehr als 300.000 Objekte – vor allem Blüten- und Farnpflanzen, Pilze, Flechten und Moose – es sich um üppige Blumenbilder, die mit größter De- sind wissenschaftlich weltweit gefragt. tailgenauigkeit, aber auch sehr bewusst mit bunter Farbigkeit gemalt worden sind. Diese niederländische Wenn Michael Thalinger, der für die botanisch-myko- tungen. Neuzugänge und Rückkünfte integriert er fach- Stilllebenmalerei des 17. und frühen 18. Jahrhunderts logische Sammlung verantwortlich ist, am Wildseeloder gerecht in die Sammlung. Um sicherzustellen, dass kei- zählt zu den Höhepunkten europäischer Malkunst. in den Kitzbüheler Alpen wandert, kommt er nur wenige ne Schädlinge eingeschleppt werden, friert er sämtliche Man ist immer wieder fasziniert von der Vielfalt und Meter. Er kniet nieder und greift nach den Blättern ei- Belege oder unterzieht sie einem Sauerstoffentzug. Für der Präzision, die sich hier vor dem Betrachterauge ner kleinen Pflanze mit blassgelben Blüten. „Schau, ein die digitale Erfassung hat Mario ein eigenes Onlinetool ausbreitet. Es sind aber nicht nur die Blumen in vieler- Tiroler Kapuzen-Löwenzahn“, freut er sich und erklärt, programmiert. lei Gestalt, die hier so attraktiv wirken, zwischen den dass die seltene Alpenpflanze in dieser Gegend erst ein Blüten und Stängeln finden sich zudem immer wie- einziges Mal nachgewiesen wurde. Der Moosexperte der einzelne Tiere als besondere Aufmerksamkeits- Viele Entdeckungen, die er und seine vier Kolleg*innen … ist Christian Anich, der auch im Betriebsrat tätig ist. punkte. Auf fast jedem der präsentierten Gemälde ist oft in der Freizeit machen, finden Eingang in die Samm- Er kümmert sich seit 2013 um die Restaurierung und ein Schmetterling zu sehen. lung. Der Dokumentationsauftrag wird, heute wie früher, wissenschaftliche Erschließung der lange vernachlässig Diese Insektenart zählt auch zu den absoluten Samm- mit Hilfe zahlreicher Berufs- und Hobbybotaniker*innen ten Kryptogamensammlung. Eine Gruppe daraus, die lungs- und Forschungsschwerpunkten der Tiroler erfüllt: durch eine gute Zusammenarbeit sowie wertvolle Moose, haben es ihm besonders angetan. Der Austausch Landesmuseen. In den letzten Jahrzehnten ist es ge- Vor- und Nachlässe. Mit der Betreuung der 1,4 Millionen mit Fachkolleg*innen an Universitäten und Museen ist lungen, den diesbezüglichen Sammlungsbestand auf Funde fassenden Datenbank, die laufend aktualisiert und ihm dabei wichtig und liefert wertvolle Anregungen. über eine Million zu erweitern, darunter auch – was erweitert wird, ist die botanisch-mykologische Samm- international ganz besonders wichtig ist, mehrere 100 lung gemeinsam mit der Universität die Anlaufstelle für Die Pflanzendetektivin Exemplare, die einer neu gefundenen Art ihren Na- Fragen zur Flora Tirols. … ist Ines Aster. Sie restauriert zurzeit vor allem Ob- men geben – sogenannte „Holotypen“. Unsere For- jekte der historischen Moossammlung, die 1985 ins scher haben also viele neue Schmetterlingsarten ent- Hochwasser geraten sind. Dadurch wird wichtiges Refe- deckt und damit die Tiroler Landesmuseen zu einem renzmaterial von Wuchsorten, an denen die Arten heute internationalen Zentrum dieser Forschung gemacht. nicht mehr zu finden sind, bis zu Typusbelegen wieder Das Wort „Schmetterling“ hat übrigens nichts mit für die wissenschaftliche Bearbeitung zugänglich. Bei „schmettern“ zu tun, sondern leitet sich von der Be- der digitalen Erfassung wird Ines zur Detektivin. Sie obachtung ab, dass diese Tiere gern am Milchrahm recherchiert Infos zu Sammler*innen sowie Fundorten („Schmand“) naschen, die englische Bezeichnung und ist geschickt darin, damit Informationen einzelner „butterfly“ nimmt auch auf diesen Zusammenhang Objekte zu rekonstruieren. Bezug. Auf Altgriechisch heißen die Schmetterlinge „psyche“ und sind damit gleichsam als fliegende Die Pilzkonservatorin Gedanken gekennzeichnet. In einigen italienischen … ist Regina Kuhnert-Finkernagel, die ehrenamtlich Gemälden der Renaissance wird auf diese Tatsache das Team unterstützt. Bis zu ihrer Pensionierung be- Bezug genommen, wenn die begleitenden Putti kei- treute sie mit großem persönlichen Einsatz die mykolo- ne Engels-, sondern Schmetterlingsflügel haben – gische Sammlung der Universität Innsbruck mit mehr als so etwa in der berühmten „camera degli sposi“ im 600 Typusbelegen, die mittlerweile im Sammlungs- und Palazzo Ducale in Mantua. Auch der Jahresregent der Forschungszentrum ihr neues Zuhause gefunden haben. Hauptausstellung im Ferdinandeum Johann Wolfgang Regina ist „ihrer“ Sammlung treu geblieben. Sie tauscht von Goethe hat dieser Tierart ein Gedicht gewidmet, sich mit internationalen Kolleg*innen aus, verleiht welt- das wie folgt beginnt: „In des Papillons Gestalt weit Belege und nimmt alle getrockneten Pilzbelege, die Flattr‘ ich, nach den letzten Zügen an der Universität Innsbruck für Publikationen gesam- Zu den vielgeliebten Stellen, melt werden, in die Sammlung auf. Zeugen himmlischer Vergnügen, … „ Das Sammlungsteam hält nicht nur bei der Arbeit zu- Mario Baldauf, Christian Anich, Ines Aster und Michael Thalinger (v. l. n. r.), sammen und sucht Kooperationen über die Fachgren- nicht im Bild: Regina Kuhnert-Finkernagel zen hinaus, häufig wird auch gemeinsam gekocht und gegessen. Kulinarisch bleibt man dem Fach dabei gerne Der Farn- und Blütenpflanzenspezialist treu: reichhaltige Salate stehen besonders häufig auf dem … ist Michael Thalinger, der die Sammlung leitet, ko- Speiseplan. ordiniert und für Anfragen zur Verfügung steht. Bei na- tionalen Arbeitstreffen unterstützt er Kolleg*innen der Info: Die Langversion des Artikels finden Sie unter Universitäten Wien und Innsbruck dabei, die Rote Liste tiroler-landesmuseen.at/blog. der gefährdeten Arten in Österreich zu aktualisieren. „Da es praktisch unmöglich ist, eine vollständige Daten- lage zu erheben, sind vereinte Erfahrung und Expertise Wanted: Hobbybotaniker*innen nötig, um der Realität möglichst nahe zu kommen“, so Um die Entwicklung der Tiroler Artenwelt zu dokumentieren, Thalinger. sind interessante Funde und Beobachtungen von Hobby botaniker*innen herzlich willkommen – Fotos oder Belege Der Ordnungshüter erwünscht. Das Team freut sich über Infos und Gespräche mit … und Sammlungswart ist Mario Baldauf. Er kümmert Interessierten unter m.thalinger@tiroler-landesmuseen.at oder Die kürzlich neu entdeckte Schmetterlingsart „Caryocolum sich um die digitale Erfassung der Belege, verwaltet das c.anich@tiroler-landesmuseen.at lamai“, die nach David Lama benannt wurde. Foto: TLM Archiv und sorgt unter anderem für korrekte Beschrif-
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