Falcon als Schwarzer Captain America - Diskussionen über Repräsentation und (Cyber-)Rassismus im Marvel-Universum
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Falcon als Schwarzer Captain America – Diskussionen über Repräsentation und (Cyber-)Rassismus im Marvel-Universum Falcon as Black Captain America – Discussions about Representation and (cyber-)racism in the Marvel Universe Julian Biskamp Abstract (Deutsch) hat seinen Bachelor in Trans- lations-, Sprach- und Kultur- Diskussionen über die Repräsentation von People of Color in TV-Serien und anderen wissenschaft mit den Sprachen medialen Erzeugnissen sind präsent und stellen die Gesellschaft aktuell vor eine Heraus- Niederländisch und Französisch forderung. Wenig überraschend sind auch Superhelden-Geschichten wie die des Marvel- am Campus Germersheim der Universums davon betroffen. Die Serie The Falcon and The Winter Soldier (2021) Johannes Gutenberg-Universität thematisiert Rassismus in einer zuvor ungekannt expliziten Weise. Mit der Figur des Mainz absolviert und studiert Falcon wird erstmals ein Afroamerikaner für die emblematische Rolle des Captain derzeit ebenfalls in Germersheim America berufen. Derartige Entwicklungen, die eine Kontinuität mindestens seit dem Translation im Master. Civil Rights Movement der 1960er-Jahre zeigen, lösen harsche Diskussionen innerhalb des Fandom aus. Verbale Auseinandersetzungen finden gegenwärtig in erster Linie Email: jbiskamp@students.uni- online statt. Der vorliegende Artikel bettet diese Diskurse in die Critical Race Theory, mainz.de insbesondere innerhalb der Medienrezeption, ein, erklärt die besonderen Bedingungen des Fandoms und illustriert Entwicklungen und aktuelle Diskussionen über Repräsen- Roman Lietz tation und (Cyber-)Rassismus im Marvel-Universum. Dr., hat Romanistik, Interkultu- Schlagwörter: Comic, Cyberrassismus, Fandom, Repräsentation, White Normativity relle Wirtschaftskommunikation und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Jena studiert Abstract (English) und wurde ebendort promoviert. Er leitete sieben Jahre Integrati- Discussions regarding the representation of people of colour in TV series and other onsprojekte in Berlin und ist seit media products are present, relevant and very much active, and currently pose a chal- 2020 Wissenschaftlicher Mitar- lenge to society. Unsurprisingly, superhero stories such as those in the Marvel Universe beiter im Fachgebiet Interkul- have been also affected. The series The Falcon and The Winter Soldier (2021) addresses turelle Kommunikation an der racism in an unprecedentedly explicit manner. With the character of Falcon, for the Johannes Gutenberg-Universität first time a Black American is appointed to the emblematic role of Captain America. Mainz. Such developments, which show a continuity at least since the Civil Rights Movement of the 1960s, have triggered harsh discussions within fandom. Verbal disputes are Abteilung: Arbeitsbereich Inter- currently taking place primarily online. This article embeds these discourses in the kulturelle Kommunikation Critical Race Theory concerning media reception. It explains the special conditions of Institution: Johannes Gutenberg- fandom and illustrates developments and current discussions regarding representation Universität Mainz and (cyber-)racism in the Marvel Universe. Email: rlietz@uni-mainz.de Web: https://ikk.fb06.uni-mainz. Keywords: comic, cyberracism, fandom, representation, White Normativity de/dr-roman-lietz/ 85
1. Einleitung weniger disruptiv als das Civil Rights Movement der späten 1960er-Jahre, Als sich 1969 mit dem Falcon der erste jedoch wieder an einem Zeitpunkt für afroamerikanische Comic-Superheld neue Perspektiven, neue Mythen und mit seinen Metallflügeln in den Marvel- neue Held*innen. Auch die mediale Himmel aufschwang, waren die USA Repräsentation von PoC und spezifi- ein von sozialen Unruhen gebeuteltes schen Themen ihrer Alltagserfahrun- und verunsichertes Land: Die Nati- gen ist und bleibt davon betroffen. on war gerade dabei, erstmalig einen Insofern verwundert es nicht, dass ein Krieg (Vietnam) zu verlieren, die eine Unterhaltungskonzern wie Marvel ge- Dekade zuvor begonnene Aufhebung rade jetzt das zeitgemäße Thema der der Rassentrennung war noch lange im rassistischen Diskriminierungen in den Prozess (Reardon / Owens 2014:202), USA aufgreift und verarbeitet. Mit der die Ikonen der Black Community, im Jahr 2021 auf dem Streamingdienst Malcom X (1965) und Martin Luther Disney+ veröffentlichten Serie The Fal- King (1968), waren kurz zuvor er- con and The Winter Soldier greifen die mordet worden. Insbesondere letzterer Showrunner ausgerechnet die Figur des hatte mit dem Civil Rights Move- ersten afroamerikanischen Superhelden ment eine Bewegung losgetreten. Alte Falcon auf und erzählen ausgerechnet Selbstverständlichkeiten schienen im die Geschichte, in der dieser Ex-Soldat „Land of the free” – wie es in der US- zur emblematischen Figur des Captain Nationalhymne heißt – nicht mehr zu America hervorgehoben wird. Die gelten, und es entstand Raum für neue Diskurse rund um diesen Plot und zu- Perspektiven (z. B. eine neue (Second- sätzliche Narrative um Repräsentation Wave) feministische Perspektive) (s. und (Cyber-)Rassismus in Comic- Harnois 2008:120ff.), Raum für neue Geschichten illustrieren eine aktuelle Mythen (z. B. der Mythos Woodstock, gesellschaftliche Debatte. Hiervon er- bei dem ausgerechnet die Interpreta- zählt der vorliegende Artikel. tion des afroamerikanischen Musikers Jimi Hendrix im Gedächtnis bleiben Nach einer Einbettung des Themas in sollte, s. Bennett 2004:xvii) und nicht die (vor allem analoge) Rassismusfor- zuletzt Raum für neue Held*innen. Die schung, die insbesondere durch den Schöpfung des Falcon war also kein Postkolonialismus und die Critical Zufall, sondern bettet sich konsequent Race Theory geprägt wurde, lenken wir in eine soziokulturelle Entwicklung ein. den Blick auf Rassismus-Theorien und Weitere Narrative tauchten auf und Diskurse in der Medienkultur. Für Kul- speisten das kollektive Gedächtnis der tur- und Sozialwissenschaftler*innen Schwarzen1 Identität in den USA. Im von besonderer Bedeutung sind dabei Kampf um Anerkennung und gegen die Dynamiken, die sich in (Online-) Diskriminierung entstand im Jahr 2013 Fandoms abspielen. Dieses theoretische aus einem Twitter-Hashtag die Bewe- Kapitel mündet in einer Auseinander- gung Black Lives Matter. Zuvor hatte es setzung mit einem Anwendungsfeld, einen Freispruch im Todesfall Trayvon welches den verdienten Critical Race- Martin gegeben (Lebron 2017:x-xi). Theoretiker*innen der 1980er- und Spätestens im Zusammenhang mit dem frühen 1990er-Jahren wie eine ferne Todesfall des Afroamerikaners George Utopie (oder eher Dystopie) vorge- Floyd 2020 gewann diese Bewegung an kommen sein mag: dem Web-2.0 bzw. Bekanntheit, weitete sich auf Europa dort stattfindendem Cyberrassismus aus und erhielt breiten Einzug in die und Counter Speech. Im vierten Ka- Diskurse über Diskriminierung von pitel illustrieren wir, wie sich vor dem People of Color (PoC) (Milman et al. Hintergrund der Critical Race Theory 2021). Wir befinden uns also auch die Repräsentation von Schwarzen jetzt an einem neuen Punkt der Erzäh- Protagonist*innen in Superhelden- lung, in mancherlei Hinsicht vielleicht Geschichten entwickelt hat. Der 86 interculture j our na l 21/36 (2022 )
Schwerpunkt liegt dabei auf der ak- zug bzw. Vergleich zur Weißen Norm tuellen (2021) und sich explizit mit gesetzt, während die Vorteile (White Rassismus beschäftigenden, einführend Privilege), die Weiße genießen, unhin- bereits genannten Serie The Falcon and terfragt als gegeben gesehen werden the Winter Soldier. Um Diskurse rund (Morris 2016:952ff.). Zu den Vorteilen um die Thematisierung des Rassismus gehören nicht etwa nur bessere Zugän- und zugehörige Counter Speech zu il- ge zu symbolischem, kulturellem oder lustrieren, wurden dabei rund 2.000 ak- ökonomischem Kapital, etwa zu Kre- tuelle Kommentare von Marvel-Comic- diten (Martinez / Kirchner 2021), son- Fans aus Reddit-Foren berücksichtigt. dern auch Fragen der Repräsentation, z. B. das Privileg, eine größere Anzahl an 2. Critical Race Theory in Kinderbuch-Held*innen als Identifika- der Medienkultur tionsprojektion zur Auswahl zu haben 2.1 Grundzüge der Critical (Cooperative Children’s Book Center Race Theory 2020). Zur Unterrepräsentation gehö- ren Forderungen nach einer besseren Dass sich Definitionen und Anwen- Sichtbarkeit von Minderheiten. Bilder dungsfelder der Rassismusforschung – und ihre Rezeption, so Castro Varela auch in den Medienstudien – im Laufe (2015:326), sind „Bestandteil der glo- der Entwicklungen neuer Erkenntnisse balen kulturellen Ordnung” geworden. und vor allem gesellschaftlicher Dis- Entsprechend sei das Sichtbarmachen kurse und regionaler Schwerpunkte von Repräsentationslücken erforderlich verändern, ist vermutlich gerade bei (ebd.), so zum Beispiel in Gestalt von einem fundamentalen Konzept wie Ras- in der Gesellschaft sichtbaren People sismus keine Überraschung. Es besteht of Color als Akademiker*innen, Füh- ein weitestgehender Konsens, dass es rungspersönlichkeiten, Vorbildern sich bei Rassismus um Vorstellungen, – oder in einem narrativeren Sinne: Haltungen, (institutionalisierte) Ver- „Held*innen”. einbarungen und Handlungen handelt, die Individuen und Gruppen aufgrund Wer sich mit der Critical Race Theory phänotypischer Charakteristika und/ befasst, wird feststellen, dass diese häu- oder ethnischer Zugehörigkeit herab- fig USA-bezogen ist, was angesichts der setzen und verunglimpfen (Clark et al. von Ausbeutung und Unterdrückung 1999:805). Indigener und Schwarzer Menschen Die ursprünglich aus einer kritischen geprägten US-amerikanischen Ge- Betrachtung der Rechtswissenschaften schichte natürlich nicht verwundert in den USA der 1970er abgeleitete (Morris 2016:954). Entsprechend fand Critical Race Theory beleuchtet sozio- die Critical Race Theory zumindest in kulturelle Implikationen von strukturel- den Kultur- und Medienwissenschaf- lem und institutionellem Rassismus in ten in Deutschland laut Drüeke lange unterschiedlichen Domänen der Gesell- wenig Beachtung (Drüeke 2015:308). schaft, vor allem weiterhin in den USA Das liegt auch daran, dass die deutsch- (George 2021). Im Rahmen der Critical sprachigen Diskurse lange Zeit die post- Race Theory wird unter anderem das koloniale Theorie nicht auf sich selbst Bewusstsein für die White Normativity bezogen, aufgrund der eigenen ver- gestärkt, also für die unhinterfragte meintlich geringen Beteiligung an „im- (normative) Vorstellung, dass die Le- perialistischen Beherrschungen”. Castro bensrealität von Weißen (also nicht Varela (2015:325) moniert jedoch die- People of Color) das „Normale” zu sein sen blinden Fleck, da auch Deutschland scheint. Auf dieser Grundlage wird zum einen rücksichtslos kolonisierte, alles, was der White Normativity nicht zum anderen von den rassistischen entspricht, unsichtbar. Falls nicht- Deutungs- und Wirkungsmechanismen Weiße Lebensentwürfe doch sichtbar („Europa auf der einen Seite, die Ande- sind, werden sie immer in einen Be- ren auf der anderen Seite”) strukturell 87
profitierte, sogar ohne den schmerzhaf- Differenzen erfolgen; sofern die nicht- ten Weg der Dekolonialisierung und weißen Minderheiten überhaupt reprä- damit verbundenen Aufarbeitung gehen sentiert werden. In den vergangenen zu müssen. Auch im englischsprachigen Jahren wiederholten sich beispielsweise Diskurs hat sich wohlgemerkt der Race- Diskussionen über das so genannte Begriff gewandelt und erhielt spätestens Whitewashing, bei dem im Zuge der im Zusammenhang mit den postkolo- Besetzung von Filmfiguren Weiße Per- nialen Studien und der Critical Race sonen bevorzugt werden, weil man die- Theory (z. B. durch Stuart Hall und se für fähiger oder vor allem für besser Paul Gilroy) eine zunehmend politische vermarktbar hält, obwohl von der Anla- Dimension (Drüeke 2015:307). ge des Filmplots eine Besetzung durch eine Person of Color geeigneter wäre 2.2 Rassismustheorie und (Starling 2020:4) Als Beispiele werden (kritische) Medienrezeption hier die Neuverfilmungen japanischer Geschichten für die US-Kinos genannt, Als ein Teil der Cultural Studies be- wie Ghost in the Shell (2018) oder Kill schäftigen sich die US-amerikanischen Bill (2003); ein Film, in dem die Weiße und britischen Media Studies bereits Protagonistin sich außergewöhnlichste seit den 1980er-Jahren mit kultureller ostasiatische Kampfkünste aneignet und Diversität und Rassismus in den Me- allen (asiatischen) Gegner*innen weit dien. Dieses ist vor allem ein großes überlegen ist (ebd.). In der Folge dieser Verdienst des Kulturwissenschaftlers Diskussion hat der wissenschaftlich und Theoretikers des Postkolonialismus bisher allerdings nicht etablierte Begriff Stuart Hall und seiner Kolleg*innen des Racebending seinen Einzug in die am Forschungszentrum CCCS in Bir- (Fandom-)Diskurse erhalten. Dieser be- mingham (Hepp 2015:301, Castro schreibt generell Filmrollen, bei denen Varela 2015:323). Als eines der vor- der Phänotyp oder die ethnische Zuge- herrschenden Verbreitungsmittel für hörigkeit der Figur von der Vorlage (v. Meinungen und Ideologien werden die a. in Comic-Verfilmungen) abweicht (u. Medien dabei als ein Apparat angese- a. Fu 2014, Reid 2012:7). hen, der entscheidend zur Definition des Begriffs Race (im anglophonen Auch die mediale Konstruktion einer Kontext) beiträgt (Hall 1989:155). In White Normativity, also einer Darstel- diesem Kontext werden im Besonderen lung der Identität des Weißen Men- mediale Diskurse, die Rassismus und schen als Norm, kann sich bestärkend Repräsentation betreffen, sowie Zu- auf rassistisch geprägte Denkmuster sammenhänge mit gesellschaftlichen auswirken, wie Bristor et al. (1995:48f.) und politischen Strukturen untersucht erläutern. Die Repräsentation und (Castro Varela 2015:326). Im Rahmen damit einhergehende Sichtbarkeit von der Medienanalyse liegt dabei der Fo- Minderheiten wird auf diese Weise ver- kus auf Wechselwirkungen zwischen nachlässigt oder marginalisierte Grup- der wahrgenommenen Ethnizität und pen, werden sie doch medial dargestellt, der Identität, wobei den Medien auch spiegeln den Autoren zufolge in ihrem hierbei eine entscheidende Rolle zuge- Auftreten vorurteilsbasierte Vorstellun- sprochen wird, da diese sowohl für ei- gen der von dieser White Normativity nen Austausch zwischen verschiedenen geprägten Medien wider, was gegen- gesellschaftlichen Gruppierungen sor- wärtigen Rassismus weiter befeuert. gen als auch Stereotype und Vorurteile Als einen entscheidenden Aspekt, der reproduzieren und damit verstärken zu diesen von Vorurteilen gezeich- können. Laut Drüeke (2015:307) kann neten Charakterisierungen beiträgt, dies beispielsweise durch die Darstel- beschreibt Wilson (2020:25f.), dass lung von Minderheiten als homogene Weiße Menschen Rassismus aufgrund Gruppen unter Vernachlässigung real des angeborenen Privilegs ihrer hellen existierender gruppenimmanenter Hautfarbe nie in dessen vollem Ausmaß 88 interculture j our na l 21/36 (2022 )
wahrnehmen und daher keine Vorstel- seine rassistischen Denkmuster hinter- lungskraft dafür entwickeln konnten. fragte und ablegen konnte. Theoretisch Wie McDuffie (2009, zitiert nach Fac- lässt sich diese Entwicklung durch den ciani et al. 2015:218) erläutert, geht das bekannten Ansatz von Gordon Allports Auftreten von People of Color in den Kontakthypothese stützen, derzufol- Medien häufig mit der Konnotation ge die Begegnung mit Personen, die einher, dass diese als Stellvertreter für zunächst als „anders” (Castro Varela / alle Angehörigen ihrer (mitunter konst- Mecheril 2016:7f.) empfunden werden, ruierten) Ethnie stehen, während dieses zu einem Abbau von Vorurteilen führt. Phänomen bei Weißen Figuren nicht zu (Amichai-Hamburger / McKenna beobachten ist, da diese im Kontext der 2006:826ff.). Sicherlich trägt in diesem White Normativity standardisiert als Fall auch der Umstand bei, dass Fans individuell auftretende Persönlichkeiten im Allgemeinen eine intensive und gesehen werden. emotionale Bindung und damit Affek- Den beobachtbaren großen Einfluss tivität zum Gegenstand ihres Interesses der Medien auf die Wahrnehmung von aufweisen, sich also umso mehr mit den Rassismus und der eigenen Identität Inhalten identifizieren können (Mauler der Rezipient*innen bestätigen auch 2014). Martins und Harrison (2012) und er- 2.3 Die „Imagined Commu- läutern, wie dieser sich positiv äußern nity” des Fandoms kann. So wirkt sich beispielsweise eine Darstellung Schwarzer Hauptcharaktere Medien besitzen die Eigenschaft, po- in Filmen bestärkend auf das Selbst- tentiell von so gut wie allen Mitgliedern wertgefühl Schwarzer Teenager aus, wie der Gesellschaft konsumiert und sogar auch González-Velázquez et al. (2020) produziert (im Falle von Social Media) und Griffin und Rossing (2020:214f.) zu werden. Von daher haben sie eine anhand von Beobachtungen im Rah- Mittlerrolle zwischen verschiedenen men der Verfilmung der Marvel-Figur gesellschaftlichen Gruppen. Auf diese Black Panther im Jahr 2018 mit einem Weise erzeugen die Nutzer*innen Kon- aktuellen Fallbeispiel untermauern. struktionen gemeinsamer Identitäten Auch Brown beschreibt, dass Schwar- und Vorstellungen von Zugehörigkeit ze Fans sich im Besonderen Schwarze und Zusammengehörigkeit (Drüeke Held*innen und Idole wünschen, um 2015:309). Dieses Phänomen lässt sich sich mit diesen identifizieren zu können auch auf Fandom-Ebene erkennen, (Brown 2000:41). wie Reid (2012:5) berichtet. Fandoms Gerade auf junge Menschen ist die- verdienen insofern eine große Auf- ser Einfluss nicht zu vernachlässigen, merksamkeit, da die Fans nicht einfach da deren Einstellungen gegenüber den Gegenstand ihres Interesses passiv Minderheiten in einem großen Maße rezipieren, sondern ihn in einem dia- davon beeinflusst werden, auf welche logischen Austauschprozess innerhalb Weise diese medial dargestellt werden. ihrer Community wieder und wieder Ein in den und durch die Medien ver- reflektieren, diskutieren, analysieren, zerrtes Abbild der Realität bis hin zu mit Emotionen beladen und selbst latentem Rassismus verstärkt damit neue kulturelle (z. B. Fanfictions) vorherrschende Stereotype und Ableh- oder soziale (z. B. Conventions, Sub- nungshaltungen, während die positive gruppen-Foren) Erzeugnisse kreieren Darstellung von Minderheiten zu deren (Jenkins 1992, zitiert nach Richardson sukzessivem Abbau beiträgt (Facciani 2017:12). All dies ist mit einer für die et al. 2015:218). So berichtet Brown Akteure hohen „Reziprozitätsinten- (2000:166) sogar vom Fall eines Teen- sität” (Bolten 2013:7ff.) verbunden, agers, der nach eigenem Bekunden also einem hohen Grad an kollektiver durch die Identifikation mit einem Zugehörigkeit, einer großen Bedeu- Schwarzen Superhelden letztendlich tung für die eigene Identifikation und 89
mit emotionalem Investment bis hin Weißen Männern zusammen und auch zum „Ownership”-Habitus (Richard- heute sind diese noch häufig von einer son 2017:32). In übertragenem Sinne White Normativity geprägt, wie Co- lässt sich hier sogar die von Anderson ker und Pande (2018:108) mahnen: projizierte „Imagined Community” Ein sogenanntes Weißes Privileg liegt erkennen, bei der sich Menschen durch darin, dass Fragen der Repräsentation den gemeinsamen Medienkonsum der für Angehörige der (Weißen) Mehrheit gemeinsamen Zugehörigkeit zu ein keine Rolle spielen und, sollten sie und derselben Kultur (bei Anderson von Angehörigen unterrepräsentierter „Nation”) vergewissern, ohne jemals Gruppen aufgeworfen werden, als über- in direktem Kontakt mit den weiteren flüssig empfunden werden („Why are Kulturangehörigen (bei Anderson „Na- you bringing race into this?”, Coker / tionenangehörigen”) zu sein (Anderson Pande 2018:108). Ein zunehmendes 1983). Richardson (2017:14) folgt die- Bewusstsein für Diversität und erleich- ser Logik der Comic-Fandoms als „Ima- terte Zugangsmöglichkeiten durch das gined Communities” und gibt die These Internet und Social Media haben den- wieder, dass, wenn Fandoms quasi im noch in den vergangenen Jahrzehnten übertragenen Sinne „Nationen” seien, zu gesellschaftlichen Veränderungen es auch so etwas wie einen „Nationa- und der Bildung deutlich diverserer lismus” innerhalb der Fandoms geben Fandoms geführt, in denen mittler- müsse, mit Menschen, die „bereit sind weile selbstverständlich auch Frauen, zu töten und zu sterben für Überzeu- People of Color, Menschen queerer gungen” (Anderson 1983:7, zitiert nach Identität und weitere vertreten sind. Richardson 2017:14). In der Metapher Die Tatsache, dass der Fokus dort nicht bleibend wäre das ein konservativer bis auf der eigenen Zugehörigkeit zu einer völkischer Teil der Community, der den marginalisierten Gruppe als vielmehr Status quo zu verteidigen sucht und auf der gemeinsamen Identifikation der sich gegen Veränderung stellt. Somit Nutzer*innen mit der Fanbase liegt, werden teils erbitterte diskursive Kämp- macht das Fandom zu einem attrakti- fe um die Deutungsmacht in Online- ven Ort für Menschen aus Gruppen, Fanforen geführt. Nicht überraschend die ansonsten eher ausgegrenzt werden kristallisieren sich Aushandlungen (Jenkins 2012:289). Auch schafft das zwischen Racist Speech (Cyberrassimus, Fandom eine Plattform, um sich offen siehe nächster Abschnitt) und Coun- über Themen wie Rassismus, Sexismus ter Speech dort heraus. Dabei dürfen oder die Marginalisierung von Minder- die Diskurse innerhalb der Comic- heiten auszutauschen. Fandoms nicht als belanglose Nischen- In der Konsequenz der zunehmenden gespräche zwischen Nerds unterschätzt Diversität in den Fandoms sind ge- werden. Die Fanbasis hat – gerade bei genwärtig auch mehr Debatten und TV-Serien – durchaus die Wirkungs- Aktionen rund um Repräsentation und macht, Serien am Leben zu erhalten Rassismus zu beobachten. Fans nutzen (Richardson 2017:2). Insbesondere das dabei aktiv die Macht von Social Me- Marvel-Comic-Fandom ist dafür be- dia, wie beispielsweise Twitter-Hash- kannt, dass es schon frühzeitig (in den tags, um auf Missstände hinsichtlich 1960ern) dazu eingeladen wurde, am der Repräsentation von Minderheiten Produkt „teilzuhaben”, zum Beispiel, hinzuweisen (Coker / Pande 2018:98), indem es Ideen einbringen, Storylines so z. B. der Hashtag #OscarsSoWhite. kommentieren und sogar Kontakt zu Die größte Diskussion in diesem Kon- den Comic-Autoren aufnehmen konn- text wurde 2009 unter dem Namen te. Fawaz (2016:100) spricht hier von „Racefail 09“ geführt. Sie regte eine einer „Creative Camaraderie”. lebhafte Auseinandersetzung mit As- Ursprünglich setzten sich Comic- pekten der Critical Race Theory im Fandoms in erster Linie aus jungen, Science-Fiction- und Fantasy-Genre 90 interculture j our na l 21/36 (2022 )
an. Fandomübergreifend wurde meh- Offline-Pendant in einem Kontinuum rere Monate diskutiert und auch aus Anti-Pluralismus, Misogynie und bekannte Schriftsteller*innen und allen möglichen Formen gruppenbezo- Journalist*innen beteiligten sich. Die gener Menschenfeindlichkeit steht (Ga- Ursprünge des so genannten Racefail nesh 2018:33ff.). Bliuc et al. (2018:76) sind bis heute nicht vollständig geklärt. bezeichnen Cyberrassismus als einen Es wird vermutet, dass die Diskussion noch nicht final definierten Oberbegriff entweder dadurch startete, dass Fans, („umbrella term”), der sich in „Online die sich generell gegen Rassismus enga- Racism”, „Online Racial Discriminati- gierten, ihre Erfahrungen auch in den on”, „Online Racial Micro-Aggressions” Kommentarsektionen ihres Fandoms und „Racial Cyber-Hate” unterteilen teilten oder dass der Auslöser innerhalb lässt. Sie unterscheiden zudem zwischen des Fandoms als Reaktion auf von Wei- Cyberrassismus, der durch (organisier- ßen Fans stammende rassistische Äuße- te) Gruppen und Netzwerke verbreitet rungen liegt (Reid 2012:6). Eine Kom- wird und jenem, der individuell in einer bination von internen und externen personalisierten Kommunikationsform Auslösern ist natürlich ebenso denkbar, erfolgt (ebd.). Daniels (2012, zitiert insbesondere wegen der gleichzeitigen nach Nolden 2020:353) betont, „dass und unhierarchischen Zugehörigkeit der Rassismus der Gegenwart nicht der Diskutant*innen zu verschiedenen ohne das Internet und umgekehrt das digitalen, analogen und digital-ana- Internet nicht ohne den Rassismus be- logen Lebenswelten. Das Schlagwort trachtet werden” könne. Menschen, die Racefail ist heute noch aktuell; gegen- zu rassistischen Weltanschauungen nei- wärtig wird darunter „die antirassisti- gen, sind zwar einer trügerischen, sim- sche Arbeit in sowohl Offline- als auch plifizierenden Logik aufgesessen, jedoch Online-Fandoms” (Gatson / Reid 2012) mitnichten per se technikfeindliche beschrieben, bestehend aus Debatten Hinterwäldler*innen, sondern, im Ge- über zeitgenössischen und historischen genteil, nicht selten äußerst internetaf- Rassismus sowie über antirassistische fin (Daniels 2009, Strick 2021:15ff.). Strategien und Vorgehensweisen gegen Nachdem in einer frühen Phase des In- rassistische Strukturen (Reid 2012:7). ternets (Wellman 2011) noch die naive 2.4 Cyberrassismus bis utopische Vorstellung geteilt wurde, dass das Internet nicht zuletzt auch Im Rahmen der Untersuchung sozio- Dank seiner Möglichkeiten, spielerisch, kultureller Phänomene beschäftigen selbst-experimentell, anonym und un- sich auch die sogenannten Internet ter alternativen Identitäten unterwegs Studies, insbesondere jener Zweig zu sein (Nakamura 1995), letztendlich der Internet Studies, der die „Usage” alle Schranken über Klassen und Eth- (Dutton 2013:3), also sozial- und nien hinweg verwischen würde, wurde geisteswissenschaftliche Aspekte der recht bald klar, dass Rassismus und Internetnutzung betrachtet, mit Ras- andere Formen der gruppenbezogenen sismus im Netz. Dieser ist auch als Menschenfeindlichkeit im Internet Cyberrassismus bekannt. Nach Nolden alles andere als unsichtbar sein wür- (2020:352) wird „jede Nutzung elekt- den (Nolden 2020:353, Castro Varela ronischer Kommunikationsmittel – also 2015:324), vor allem gerade wegen der auch des Internets – mit dem Ziel, Möglichkeit, anonym und mit einer ethnozentrische, xenophobe, homo- Identität, die man so nicht in der sozi- phobe, antisemitische oder rassistische alen Offline-Welt zeigen würde, zu sch- Informationen und Mitteilungen zu reiben (Bargh / McKenna 2004:584). verbreiten und Ausschlussprozesse zu Eine der ersten Arbeiten zum Cyberras- legitimieren” als Cyberrassismus be- sismus erschien von Les Back (2002) im zeichnet. Es zeigt sich, dass Cyberrassis- Journal Ethnic and Racial Studies. Der mus gemeinsam mit seinem neurechten Autor benennt darin die Zusammen- 91
hänge der damals noch jungen digitalen tionswissenschaften (Information Sci- Medien mit den damaligen im Internet ence) (Bliuc et al. 2018:80). Es finden immanenten Formen von Rassismus sich unter anderem Diskursanalysen, und White Supremacy. Er erkannte soziale Netzwerk-Analysen, Inhaltsana- schon früh (kurz vor dem als Web2.0 lysen oder thematische Analysen nach bekannt gewordenen Zeitalter usergene- Braun und Clarke (ebd.), die sich sehr rierter Webinhalte wie Blogs oder Social häufig qualitativ betätigen. Thematisch Media), dass der neue „technosoziale befassen sie sich mit einer enormen Horizont” (Back 2002:631) des Inter- Bandbreite an Erscheinungsformen, nets, mit den kollaborativen und dezen- wie der Verwendung von Narrativen, tralen Formen des Web2.0, eine neue Argumentationslogiken, Mobilisie- Form rassistischer Kultur hervorbringen rungs- und Normalisierungsdiskursen, würden. Gerade die Kombination aus Identitätskonstruktionen, Motiven und Intimität und Distanz im Cyberspace Motivationen, Humor und Provokatio- erlaube einen neuen Kontext für Hate nen bis zu Tabubrüchen, Hate Speech, Speech und Rassismus (ebd.:633). Regulationsmechanismen und Counter Nolden arbeitet die unterschiedlichen Speech (Nolden 2020:354). Entwicklungen heraus, die sich durch Das Augenmerk vieler Studien liegt die (nahezu unbegrenzten) Möglich- dabei auf (cyber-)rassistischen Netz- keiten der Internetkommunikation werken, sozusagen den Wehrsport- ergeben haben. Zum einen bietet die gruppen des Internets. Diese bauen Internetkommunikation – ganz im sich ihre eigenen „Bubbles“, wie eigene Habermas’schen Sinne der deliberativen Diskussionsforen, Facebookgruppen Demokratie (Nolden 2020:352) – ei- und Wikis, und agitieren und radika- nen Austausch auf Augenhöhe und die lisieren sich letztendlich in ebendiesen potentielle Möglichkeit der Durchset- (Daniels 2009, Bliuc et al. 2015:81, zung des besten rationalen Arguments. Ganesh 2018:32). Cyberrassismus Gleichzeitig tritt ein Phänomen auf, wird dort als Strategie zur Festigung welches Nolden (ebd.) als die „dunkle und Erweiterung der eigenen Ideologie Seite der digitalen Öffentlichkeit” be- verwendet (Bliuc et al. 2015:82). Sich zeichnet: „Fehlinformation, Propagan- jedoch nur auf diese explizite und or- da, Hass und Rassismus” (s. auch Mo- ganisierte Form der nationalistischen, rozov 2012). Cyberrassismus gewinnt identitären und neurechten Vereinnah- gerade in jüngerer Zeit zunehmendes mung des Internets zu konzentrieren, Interesse innerhalb der Rassismusfor- birgt allerdings die Gefahr, die vielen schung, wie ein Review von Bliuc et al. unterschwelligen ausgrenzenden und (2018:75) unter Berücksichtigung von alltagsrassistischen Bemerkungen in 31 Studien zeigt. Die Autoren geben Internetcommunities (etwa in News- darin einen Überblick über die anglo- Channels, Foren, Chaträumen, Sozialen phone Forschungslandschaft zwischen Netzwerken, auf Blogs und YouTube) 2005 und 2015, wobei sie Strategien, (s. Bliuc et al. 2018:81) zu vernachlässi- Kanäle, Ziele und Effekte von Cyber- gen. Diese stellen sozusagen den unter- rassismus sowie die Methodologien er- schwelligen Rassismus „in der Mitte der mitteln, mit denen dieser erforscht und Gesellschaft” dar, der nicht zwingend dekonstruiert wird (ebd.). als Strategie erscheinen mag, das demo- Methodisch greift die noch in den kratische Fundament der Gesellschaft Kinderschuhen steckende Cyberras- aber unterspült. So sehen Bliuc et al. sismus-Forschung auf verschiedene (2018:84) die „Unterwanderung sozia- (inter-)disziplinäre Ansätze zurück. ler Kohäsion” (undermining social co- Diese verorten sich in den Geistes- hesion) als Haupteffekt von Cyberras- wissenschaften (Digital Humanities), sismus. Auch Strick (2020:11ff.) warnt Sozialwissenschaften und Psychologie, davor, dass heutige und digitale Formen bis hin zu Public Health und Informa- des Faschismus als „Lifestyle” daher- 92 interculture j our na l 21/36 (2022 )
kommen und nicht von Ideolog*innen, als nur mäßig erfolgreich und wurden sondern von Influencer*innen vertreten häufig unter Verwendung des Begriffs werden. Strick stellt eine Brücke her Black Comics marginalisiert (Brown zwischen sublimen, fast beiläufigen ras- 2000:41 und 55). Gegenwärtig existiert sistischen Tweets oder YouTube-Videos aber eine Vielzahl ethnisch diverser u. ä. und auf Zersetzung der Demokra- Superhelden-Geschichten, anhand tie angelegten Gruppierungen, die – so derer sich Konzepte und Narrative aus Strick – sogar Einfluss bis ins Weiße den Diskursen um (Cyber-)Rassismus Haus (unter Donald Trump) haben. veranschaulichen lassen. Im Folgenden Neuerdings wird in den Internet werden zur Veranschaulichung und Studies auf einer Metaebene und im Vertiefung einige Superhelden-Charak- Sinne der Critical Whiteness Studies tere (aus dem Marvel-Universum und reflektiert, inwiefern bei der Nutzung, wenn weiterführend auch von anderen Entwicklung und Untersuchung von Comic-Verlagen) und ihr Zusammen- Internettechnologien selbst Weiße hang mit diesbezüglichen relevanten Privilegien ausgeblendet und damit Konzepten und Entwicklungen vorge- Rassismus und die Verstrickung in stellt rassistische Praktiken negiert wird. (Nolden 2020:357). Mittlerweile führt Black Panther: Repräsentation und diese Entwicklung unter anderem auch Stereotype vermehrt zu Diskussionen über einen Trotz der mittlerweile etablierten Plu- in vermeintlich objektiven Algorithmen ralität an Charakteren wird dennoch liegenden Rassismus (ebd.). eine nach wie vor auf die Hautfarbe der Charaktere Bezug nehmende Stilisie- 3. Repräsentations- und rung kritisiert, wie im Falle des Black Rassismusdiskurse im Panther, dessen fiktives im afrikani- Marvel-Universum schen Dschungel gelegenes Heimatland Die Themen Repräsentation und Wakanda einerseits zwar über futuris- Diversität in Comics und anderen tische Technologien verfügt, gleichzei- Superhelden-Geschichten als popkul- tig aber als tribal, archaisch und sehr turelle Erzeugnisse sind nicht neu und körperlich dargestellt wird und damit wurden auch wissenschaftlich bereits Schwarze Stereotype reproduziert (Le- behandelt. So geht aus einer Untersu- ogrande 2020:25ff, Griffin / Rossing chung von Facciani et al. (2015) hervor, 2020:203ff.). Diese 1966 im Kontext dass mit 86 % die große Mehrheit aller des Civil Rights Movement und der Charaktere in zeitgenössischen US- Dekolonisation Afrikas (Pan-African amerikanischen Comics durch Weiße Movement) vom US-amerikanischen Männer verkörpert wird, während Comicverlag Marvel geschaffene Figur weibliche Charaktere und People of stellte den ersten Schwarzen Super- Color deutlich unterrepräsentiert sind. helden in US-amerikanischen Comics Zudem tendiert die Darstellung von dar und wurde im Jahr 2018 auch Frauen und Minderheiten häufig dazu, der erste Schwarze Protagonist eines vereinfachte und überspitzte Sichtwei- Superhelden-Kinofilms (Black Panther, sen auf Geschlechternormen und Race 2018); ein Schritt, der von vielen als Relations widerzuspiegeln. Schwarze ein Meilenstein für die Emanzipation Figuren werden generell eher mit so- von People of Color und als filmische zioökonomisch niedrigerem Status Antwort auf jahrzehntelange rassistische dargestellt (Facciani et al. 2015:216ff.). Ungerechtigkeiten in Hollywood gefei- Zwar ist die Diversität in US-amerika- ert wurde (Facciani et al. 2015:216ff., nischen Comics seit den 1930er-Jahren Singer 2002:107, Burroughs 2018:55, stetig gestiegen, allerdings erwiesen Derkson 2018:3). sich Comics, die Schwarze Charaktere zeigten, gerade in deren Anfangszeit 93
Captain America: Heroic Whiteness Heroic Whiteness ihrer Anfangsjahre und White Normativity und wurden diverser hinsichtlich der Auch abseits des Black Panther spiel- Repräsentation von People of Color. ten Schwarze Superheld*innen in den Diese Entwicklung mündete schließlich Geschichten von Marvel im Laufe der in der Schaffung des erwähnten Black Geschichte immer wieder eine Rolle. Panther als erstem Schwarzen und Diskurse rund um Repräsentation gleichzeitig als erstem afrikanischen und Diversität begleiten das Marvel- Marvel-Superhelden überhaupt. Den- Universum seit vielen Jahrzehnten. noch sollte es noch über 20 Jahre dau- Nach der Gründung von Marvel Co- ern, bis 1998 mit Christopher Priest der mics in New York im Jahr 1939 wurden erste afroamerikanische Comiczeichner die ersten Comics während der Zeit des dem Charakter seine Handschrift leihen Zweiten Weltkrieges veröffentlicht und durfte. Zuvor waren alle Black-Panther- bereits 1941 ging daraus der Superheld Comics von weißen Autoren gezeichnet Captain America hervor. Diese Figur, worden (Griffin / Rossing 2020:206, der mithilfe eines speziellen Serums Burroughs 2018:55). zum übermenschlich starken und in- Auch die Captain-America-Reihe telligenten Supersoldaten gewordene emanzipierte sich zunehmend von ihrer Steve Rogers, kämpfte zu Beginn der anfänglichen White Normativity, was Comics in erster Linie gegen die Nazis. sich schließlich 1969, also drei Jahre Dazu trug er einen Anzug und einen nach dem Auftauchen des Black Pan- unzerstörbaren, emblematischen Schild ther, besonders in der Schaffung des in den Nationalfarben der USA. Damit ersten afroamerikanischen Superhelden sollte er den Leser*innen (die damals Sam Wilson alias Falcon äußerte. Dieser noch meistens nur „Leser” waren) als mit mechanischen Flügeln ausgestattete ein Symbol für US-amerikanischen Charakter besaß die Fähigkeit, telepa- Patriotismus dienen und letztendlich thisch mit Vögeln zu kommunizieren auch die Moral der Truppen heben und kämpfte an der Seite Captain Ame- (Dittmer 2013:50), indem er einen ricas. 2015 trat er schließlich sogar die besseren Menschentypus darstellte als Nachfolge von Steve Rogers als Captain die vom nationalsozialistischen Fa- America an. Damit verkörperte erstmals schismus fabulierten Übermenschen. ein Schwarzer Charakter ausgerechnet Gerade in ihrer Anfangszeit waren die jenen Superhelden, der wie vermutlich Captain-America-Geschichten von ei- kein anderer die USA repräsentieren ner fest verankerten White Normativity soll (Coker / Pande 2018:102, Richard- geprägt und schenkten Schwarzen Cha- son 2017:10 f.). Dieser Plot wird auch rakteren kaum Aufmerksamkeit (Heroic als zentraler Handlungsstrang in der Whiteness). Aufgrund der jüdischen aktuellen Marvel-TV-Serie The Falcon Abstammung der Comic-Zeichner and The Winter Soldier (2021) aufge- setzten sich die in diesem Rahmen griffen. erschienenen Titel zwar bereits mit The- men des Antisemitismus auseinander, Luke Cage: Blaxploitation wie Yanes (2009:63) beschreibt, stellten Nur wenige Jahre nach der Einführung jedoch Schwarze und, im Kontext des Sam Wilsons gewann in den Verei- Vietnam-Krieges, später auch asiatische nigten Staaten ein neues Film- und Nebenfiguren oftmals negativ oder ste- Comic-Genre an Popularität: Blaxploi- reotyp dar (Dittmer 2013:50, Richard- tation (als Portmanteau der englischen son 2017:17), wie im Falle des afroame- Begriffe „black“ und „exploitation“). rikanischen Soldaten Whitewash Jones Dieses wurde in den 1970er-Jahren (McWilliams 2009:67). begründet und zeigte explizite Gewalt Im Zuge des Civil Rights Movements und Kriminalität aus afroamerikani- der 1960er-Jahre entfernten sich die scher Perspektive (Brown 2000:20). Marvel-Comics vorsichtig von der In diesem Kontext wurde mit dem 94 interculture j our na l 21/36 (2022 )
Schwarzen Luke Cage ein Charakter sprünglich Weißen Hauptcharaktere in den Marvel-Kosmos eingeführt, der und ohne eigene Vorgeschichten einge- aufgrund wissenschaftlicher Experi- führt zu haben; ein Vorwurf, der auch mente übermenschliche Stärke und schon zuvor beim ersten Auftreten Sam eine kugelsichere Haut erlangte (Brown Wilsons alias Falcon aufgekommen war 2000:23, Coker / Pande 2018:103). (Wilson 2020:12f.). Coker und Pande Mit der 2016 gestarteten Netflix-Serie (2018:98ff.) beschreiben dieses Phäno- Marvel’s Luke Cage wurde diese Figur men als Sidelining und sehen darin eine auch einem breiteren Publikum zugäng- Parallele zur Realität der White Nor- lich. Wie Coker und Pande (2018:103) mativity, in der People of Color auch beschreiben, ist sein Auftreten in der Diskriminierung und Marginalisierung Serie an den erschossenen Afroamerika- erfahren, indem sie ins gesellschaftliche ner Trayvon Martin (2012) angelehnt, Abseits gedrängt werden. womit er zum Symbol für die Black- Zwei prominente und aktuelle Beispiele Lives-Matter-Bewegung wurde, noch für Nachfolger populärer Superhelden dazu, da er ein Afroamerikaner mit sind die Charaktere Miles Morales einer – tragischerweise erstrebenswerten (2011), der nach dem Tod Peter Parkers – kugelsicheren Haut ist. zum neuen, Schwarzen Spider-Man wurde, und Riri Williams (2016), die Icon, Miles Morales und andere: Co- unter dem Alias Ironheart das Erbe des pying und Sidelining legendären Helden Iron Man antrat Ab den 1980er-Jahren wurde der (Wilson 2020:12f., Murphy 2020:31). Wunsch nach Repräsentation und Diversität im Comic auch abseits von Isaiah Bradley: Schwarze Narrative Marvel stärker. Mit dem Ziel, beson- und ihre Sichtbarmachung ders Charakteren aus marginalisierten Ein bemerkenswerter Schritt zur Sicht- Gruppen eine Plattform zu bieten, barmachung afroamerikanischer Nar- wurde daher im Jahr 1993 der von rative wurde mit Einführung der Figur Afroamerikaner*innen geleitete Medi- Isaiah Bradley durch Marvel im Jahr enkonzern Milestone Media gegründet 2002 vollzogen. Francis (2015:137f.) (Brown 2000:27). Am Konzept der in beschreibt die Schöpfung Isaiah Brad- diesem Rahmen geschaffenen Charakte- leys als eine bewusste Anspielung auf re äußerte sich jedoch vermehrt Kritik, die während des Zweiten Weltkrie- da diese häufig nicht als eigenständige ges bis 1972 in den USA erfolgten Superhelden, sondern lediglich als Ko- Tuskegee-Syphilis-Experimente, bei pie Weißer Helden betrachtet wurden. denen 400 an Syphilis erkrankte afro- So wurde beispielsweise die Figur Icon, amerikanische Menschen trotz vorhan- ein über Unverwundbarkeit, über- dener medizinischer Möglichkeiten zu menschliche Stärke und die Fähigkeit Forschungszwecken nicht behandelt zu fliegen verfügender Außerirdischer wurden. Die daran angelehnten Comics in Gestalt eines Schwarzen Mannes handeln von ebenfalls während des als „Superman in blackface” (ebd.:48) Zweiten Weltkriegs erfolgten Testun- stilisiert, während der geniale Erfinder gen an afroamerikanischen Soldaten Hardware, der einen selbst entworfenen mit dem zu diesem Zeitpunkt noch Metallanzug trug, lediglich als schwar- unausgereiften Supersoldatenserum, zes Abbild des Marvel-Helden Tony das später Steve Rogers zu Captain Stark alias Iron Man angesehen wurde America werden lassen sollte. Die (ebd.:91). Experimente führten zum Tod aller Auch Marvel musste sich bei der Schaf- Testpersonen, mit Ausnahme Isaiah fung weiterer Schwarzer Helden im Bradleys, der überlebte und als erster Laufe der Jahrzehnte immer wieder Supersoldat für die USA in den Krieg vorwerfen lassen, diese lediglich als zog, im Nachhinein allerdings einge- Nachfolger oder Sidekicks der ur- sperrt und verschwiegen wurde. Erst- 95
mals in ihrer Geschichte spiegelten die wie die durch natürliche Mutationspro- Captain-America-Comics damit nicht zesse über Superfähigkeiten verfügende nur die glorreichen Aspekte der ameri- Minderheit der Mutanten von der kanischen Historie wider, sondern auch Mehrheitsgesellschaft gefürchtet und jene, die am liebsten vergessen werden ausgegrenzt wird. Zwei charismatische (ebd.:150). Isaiah Bradley, der eben- Anführer der Mutanten (Professor X falls in mehreren Folgen der Serie The und Magneto, beide allerdings Weiße Falcon and The Winter Soldier auftritt Männer) streiten erbittert um den rich- und dort am Rande der Armut in ei- tigen Umgang mit der dominierenden nem beliebigen Vorort von Baltimore Mehrheitsgesellschaft. Die intellektuel- wohnt, stieg damit zu einer Symbolfi- lere und auf einen Dialog ausgerichtete gur für im Laufe der Geschichte Ameri- Position von Professor X ist hierbei kas marginalisierte Menschen auf. an das Auftreten Martin Luther Kings Die Reaktionen auf diesen Balanceakt, angelehnt, während der aktionistische expliziten Rassismus in Unterhaltungs- und eher militante Magneto Erinnerun- medien darzustellen, fielen jedoch gen an Malcolm X aufruft (Shyminsky sehr gemischt aus. Der dabei häufig 2006:390). vertretenen eskapistischen Meinung, Auch der Plot zwischen dem zuvor dass Comics keine realen, gesellschaft- genannten Isaiah Bradley und Sam lichen Probleme darstellen dürften, Wilson in The Falcon and the Winter da sie nur der Unterhaltung dienten, Soldier reflektiert die Zerrissenheit in- stand die Ansicht vieler Schwarzer Fans nerhalb der afroamerikanischen Com- entgegen, die bereits lange eine höhere munity, die ihren Ursprung im Civil Repräsentation und die Behandlung Rights Movement findet: Isaiah Bradley von Rassismus in Comics gefordert repräsentiert dabei eine unversöhnli- hatten (ebd.:138ff.). Bereits einige Jahre che Position des Schwarzen Amerikas, vorher beschrieb auch Brown (2000:55) das – so wie er sagt – seit 500 Jahren diesen Konflikt zwischen Schwarzen ausgebeutet und diskriminiert wird. Er Aktivist*innen, die für die Themati- erzählt von Soldaten, die ihr Leben im sierung politischer Themen in Comics Krieg für die USA riskierten, um nach plädierten, und den „Mainstream- ihrer Rückkehr brennende Kreuze in ih- Leser*innen”, die mit Skepsis einer ren Vorgärten zu finden, und wirft Sam vermeintlichen „Ideologisierung” der Wilson Blindheit für diesen Rassismus Comics entgegentraten. vor. Dieser Position zufolge dürfe kein „Schwarzer mit Selbstachtung [...] den X-Men u. a.: Civil Rights Movement Schild des Captain America tragen”. in den Comics Sam Wilson bemüht sich gleichzeitig Auch die ab den 2000ern verfilmte X- um Empathie und Wertschätzung für Men-Reihe, die den Grundstein für den diese Position bzw. Generation, die Siegeszug der Comic-Film-Adaptionen Isaiah Bradley repräsentiert, aber auch und damit für die Öffnung für ein um einen Blick nach vorne in ein ver- breites Publikum legte (Richardson söhntes Amerika der Chancengleichheit 2017:30), zeichnet sich durch sichtbare („I have a Dream”), für das es sich zu Diversität aus. So taucht in den Comics kämpfen lohne. bereits seit 1975 die kenianische Prin- zessin Storm auf, welche später in der The Ancient One (Doctor Strange) filmischen Adaption der X-Men-Reihe und andere: Whitewashing und Race- durch die erste afroamerikanische Os- bending car-Preisträgerin Halle Berry verkörpert Mit der Gründung des Marvel Cine- wurde. Die X-Men-Geschichte weist matic Universe-Franchises in den spä- bemerkenswerte Parallelen zum Civil ten 2000ern setzten sich die Debatten Rights Movement auf, zumal auch der über Repräsentation und Rassismus erste X-Men-Comic (1963) ein Produkt im filmischen Rahmen fort. So führte dieser Zeit ist: Die Serie handelt davon, 96 interculture j our na l 21/36 (2022 )
die Verfilmung des Charakters Doctor führung in das Marvel Cinematic Uni- Strange im Jahr 2016 zu Whitewashing- verse führte zu gespaltenen Meinungen. Vorwürfen (Richardson 2017:1ff.). Die Coker und Pande (2018:98ff.) berich- in der zugrunde liegenden Comicvorla- ten in diesem Kontext von offenen ge eigentlich durch einen ostasiatischen Feindseligkeiten einiger Fans gegenüber Mann verkörperte Rolle des Ancient dem afroamerikanischen Charakter und One wurde im Film von einer Weißen sprechen sogar von einem fandomin- Frau (Tilda Swinton) dargestellt, was tern ausgefochtenen Krieg zwischen für eine Empörungswelle sorgte und Befürworter*innen und Gegner*innen weitreichende Diskussionen über Di- der Figur (ebd.:105). Im Rahmen des- versität in Filmen nach sich zog. Dass sen kam es vermehrt zu lauter Kritik sich Marvel im Hinblick auf die ethni- an einem im Fandom herrschenden sche Zugehörigkeit gewisser Charaktere und offen gelebten Rassismus. Wilson von deren Comic-Pendant löst, war (2020:3) beschreibt in diesem Kontext kein neues Phänomen, geschah dies eine zunehmende Forderung nach der doch schon – unter dem Schlagwort des Repräsentation von Diversität in Fil- Racebending – bei der Einführung der men durch die Fans. Charaktere Heimdall (Idris Elba) oder später auch Valkyrie (Tessa Thompson), The Falcon and The Winter Sol- beides Figuren, die ursprünglich an dier: Explizite Repräsentation und die nordische Mythologie angelehnt Rassismus-Kritik und folglich Weiß sind. Die Doctor- In diesen Diskurs reiht sich auch die Strange-Debatte ist insofern bemer- Serie The Falcon and The Winter Sol- kenswert, da es zu einer Spaltung des dier ein, indem sie unterrepräsentierte Marvel-Fandoms kam, bei der sich zwei Gruppen und ihre Narrative expliziter Lager herausbildeten: auf der einen denn je aufgreift. Es werden in dieser Seite argumentierten Fans gegen die Serie explizit Szenen untergebracht, Thematisierung realpolitischer Themen die rassistisch-diskriminierendes Ver- und Probleme in Filmen, während die halten darstellen und bei denen die Gegenseite sich besorgt über mangeln- bewusste Thematisierung von Rassis- de Repräsentation und die Negation mus besonders augenscheinlich wird: ethnischer Minderheiten auf der gro- Dabei handelt es sich zunächst um den ßen Leinwand zeigte. Dabei wurden bereits erläuterten Plot um die Figur auch Boykott-Aufrufe gegen den Film Isaiah Bradley, die Experimente und laut. Auch Marvel Studios, die Pro- anschließende Marginalisierung, die duktionsfirma aller im Marvel-Kosmos er als Schwarzer gegen seinen Willen angesiedelten Filme, schaltete sich in erfahren musste. Dieser Plot ist für die die Diskussion mit ein und sah sich zur Entwicklung der Action-Handlung Erklärung bemüßigt, dass sich das Mar- der Serie vernachlässigbar, stellt also vel Cinematic Universe durch ein hohes quasi einen Bonus-Plot im Rahmen Maß an Diversität auszeichne (ebd.:56). der Thematisierung von Narrativen Erst einige Jahre später räumte der der Schwarzen Community der USA Präsident von Marvel Studios, Kevin dar. Des Weiteren findet sich eine Feige, schließlich ein, beim Casting für Szene, in der Sam Wilson und seiner Doctor Strange Fehler gemacht zu ha- Schwester („Leuten wie uns”, wie die ben, obwohl er das Klischee des „alten, beiden sagen) ein Kredit verweigert weisen, auf einem Berg sitzenden Asia- wird, und schließlich ist eine Szene zu ten” nicht hatte bedienen wollen (Sharf benennen, in der Racial Profiling durch 2020). zwei Weiße Polizisten stattfindet. Im Auch der erste Auftritt Sam Wilsons Übrigen fällt die Serie The Falcon und alias Falcon im Film Captain America: The Winter Soldier durch einen divers The Return of the First Avenger (2014) besetzten Cast auf, bei dem zahlreiche und dessen damit einhergehende Ein- Haupt- und Nebenfiguren (dazu ge- 97
hören z. B. eine Kamerafrau, Colonel Im Anschluss wurde analysiert, ob sich Rhodes alias WarMachine und die Bar- rassistisch motivierte Strukturen oder keeperin Leah) mit PoC besetzt sind. Argumentationsmuster in den Diskus- Auch der eher populärwissenschaftlich sionen erkennen lassen und wie die angewendete und eigentlich für die Gegenrede (Counter Speech) zu diesen Repräsentation von Frauen entworfene Äußerungen ausfällt. Aus dem Corpus sogenannte Bechdel-Test fällt mehrfach ergaben sich 290 relevante Kommenta- positiv aus. Dieser in unterschiedlichen re, in denen qualitative Aussagen kate- Varianten existierende Test stellt sinnge- gorisiert wurden, die Tendenzen für die mäß folgende einfache Fragen: (1) Gibt inhaltliche Ausrichtung des Diskurses es mindestens zwei eigenständige (mit markieren. eigenem Namen) Schwarze Charaktere? (2) Unterhalten die beiden sich mitei- 5. Fandom-Diskurse rund nander? (3) Handelt die Unterhaltung um Falcon nicht von einer Weißen Person bzw. Nach der Analyse der Forenbeiträge dient das ganze Auftreten dieser Figuren wird deutlich, dass sich die zu berück- nicht nur dazu, einen Weißen Helden sichtigenden Kommentare primär auf noch heldenhafter erscheinen zu lassen? die drei oben genannten Szenen in (Latif / Latif 2016) der TV-Serie beziehen, bei denen die Wenn man berücksichtigt, welche Thematisierung von Rassismus beson- Bedeutung (Online-)Fandoms für das ders augenscheinlich wird. In einem Selbstverständnis der Fans und den Großteil der Kommentare werden die Diskurs über das Interessenfeld haben Themen ethnische Diversität oder Ras- und welche Zündkraft in gesellschaftli- sismus nicht behandelt. Dennoch stellt chen Debatten über Rassismus liegen, sich heraus, dass es bei denjenigen, die überrascht es nicht, dass die explizite sich damit befassen, zu einer Herausbil- Auseinandersetzung mit Repräsentation dung von zwei Lagern kommt, die sich und Rassismus in The Falcon and the nahezu diametral entgegenstehen. Winter Soldier auch kontroverse Dis- Dabei begrüßt ein Lager die Behand- kussionen im (Online-)Fandom auslöst. lung dieses Themas, während das 4. Empirische Stichprobe andere dies ablehnt. Die erstgenannte Gruppe argumentiert vor allem damit, Eine empirische Stichprobe im Rah- dass der reale Bezug der Serie notwen- men der Recherche zu diesem Ar- dig sei und nicht ignoriert werden tikel bestätigt diese Konsequenzen. dürfe, da People of Color tagtäglich mit Grundlage des Korpus bilden dabei die Rassismus konfrontiert würden und Diskussionsforen r/marvelstudios2 und dieses Problem auch in Unterhaltungs- r/MarvelStudiosSpoilers3 auf der Platt- medien widergespiegelt werden sollte. form Reddit. Dabei wurden zwischen Viele Fans dieser Gruppe begründen März und April 2021 etwa 2.000 Bei- ihre Meinung mit der Tatsache, dass träge von Nutzer*innen dieser Foren sie selbst Schwarz sind und stützen sich untersucht. Reddit bot sich für diese dabei auf eigene Erfahrungen. Art der empirischen Untersuchung Vielfach lässt sich hingegen das Ar- an, da die berücksichtigten Subreddits gument finden, dass der Rassismus mit insgesamt etwa 2,5 Millionen Mit- in der Serie nicht adäquat dargestellt gliedern eine breite Masse des Marvel- werde und zu gezwungen und damit Fandoms abbilden. Das Augenmerk lächerlich wirke, worauf die Gegenseite der Analyse basierte auf den folgenden allerdings erwidert, dass die Serie „Real- Fragestellungen: Zunächst wurde unter- Life”-Situationen abbilde. Wie bereits sucht, wie das Marvel-Fandom die ex- zuvor verdeutlicht, zeigt sich auch hier plizite Thematisierung von Rassismus in auf der einen Seite eine Strömung, die der Serie rezipiert und wie sich die Fans die Darstellung realer Probleme in Me- in Bezug auf Rassismus positionieren. dien als notwendig erachtet, während 98 interculture j our na l 21/36 (2022 )
Sie können auch lesen