Festschrift zur Gründung der Sektion "Wiener Lehrer" vor hundert Jahren

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Festschrift zur Gründung der Sektion "Wiener Lehrer" vor hundert Jahren
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                                                                    Die „Wiener Lehrer“ 1874–1911– 2011
                                                                                                               Festschrift zur
                                                                                                                   Gründung
                                                                                                                 der Sektion
                                                                                                             „Wiener Lehrer“
                                                                                                          vor hundert Jahren
Festschrift zur Gründung der Sektion "Wiener Lehrer" vor hundert Jahren
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                                                                                                                    VORWORT

              GrünDunG Der AlPenvereInssektIOn                              teln, die natur zu bewahren und zu schützen und als
              „WIener lehrer“ vOr 100 JAhren – unD heute?                   wertvoll erkannte traditionen weiter zu tragen. Gleich-
              Was mag unsere vorvorgänger bewogen haben, sich um            zeitig war raum für experimente und neue Ideen:
              die Aufnahme eines bereits seit über 30 Jahren beste-         sektionenübergreifende Jugendgruppen, ethik des Berg-
              henden lehrertouristenvereins in den Deutschen und            steigens, erprobung neuer Baumethoden im schutz-
              Österreichischen Alpenverein zu bemühen? noch dazu            hüttenbau und vieles mehr.
              unter der auf den Mitgliederkreis eindeutig hinweisen-        und heute? Ist eine selbständige Alpenvereinssektion,
              den Bezeichnung „Wiener lehrer“! Aber Begeisterung,           deren Mitglieder überwiegend aus lehrerinnen und
              Beharrlichkeit und Zuversicht konnten viel erreichen:         lehrern bestehen, entbehrlich geworden? Offensichtlich
              sektionsgründung, Zuweisung von Arbeitsgebieten, er-          ja, wie die in den letzten Jahren dramatisch gefallenen
              werb, Aus- und neubau von schutzhütten, ein reges ver-        Mitgliederzahlen und das völlige Desinteresse an einer
              einsleben, steigende Mitgliederzahlen und geordnete           übernahme von Funktionen innerhalb der sektion bele-
              finanzielle verhältnisse. Zwei Weltkriege, eine Weltwirt-     gen. Gleichzeitig nehmen aber die Anforderungen, nicht
              schaftskrise samt Massenarbeitslosigkeit, die enteignung      zuletzt finanzieller natur, an die sektion immer weiter
              des hüttenbesitzes – alle diese existenzbedrohenden           zu: strengere vorschriften für den Betrieb der hütten,
              ereignisse hat die sektion überstanden, dank der Bereit-      steigende Weg- und straßenbenützungsgebühren usw.
              schaft ihrer Mitglieder, sich selbst für die Ziele und Auf-   Der einzige vernünftige Ausweg aus diesem Dilemma:
              gaben des Alpenvereins einzusetzen und verantwortung          Die Auflösung der sektion „Wiener lehrer“ als selbstän-
              in der sektion zu übernehmen. Alle zogen an einem seil,       diger verein, das Aufgehen in einer der großen Wiener
              und das in (nur) eine richtung: Den Mitgliedern, vor          Alpenvereinssektionen und nach Möglichkeit das Weiter-
              allem der Jugend, die Freude am Bergsteigen zu vermit-        bestehen als Gruppe „Wiener lehrer“ innerhalb dieser
                                                                            Wiener Alpenvereinssektion. Mit tatkräftiger unterstüt-
              Dipl.-Ing. Otto Pfeifer                                       zung des Gesamtvereins hat uns der „Alpenverein edel-
                                                                            weiss“ diese Möglichkeit eröffnet – es liegt an uns, den
                                                                            Mitgliedern der ehemaligen Alpenvereinssektion „Wiener
                                                                            lehrer“, von den vielfältigen Angeboten des Alpenvereins
                                                                            edelweiss Gebrauch zu machen und unsere Ideen ein-
                                                                            zubringen.

                                                                            Dipl.-Ing. Otto Pfeifer
                                                                            Letzter Erster Vorsitzender und
                                                                            Ehrenvorsitzender der Sektion „Wiener Lehrer“
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        KLEINE CHRONIK UNSERER SEKTION

            1874 Gründung des „lehrer-touristen-klub“ in Wien.
            1911 umbildung in die „Wiener lehrersektion“ des DuÖAv.
         1913/14 erwerbung eines Arbeitsgebietes in der
                 westlichen schobergruppe und des Baugrundes
                 für die hochschoberhütte.
         1921/22 Bau und eröffnung der hochschoberhütte.
            1925 eröffnung der selbstversorgerhütte (schihütte)
                 auf der Grössingeralm bei Johnsbach.
            1926 Pacht einer Jagdschutzhütte in der Asten
                 (sadnighütte).
            1927 Wegbau im Gradental;
                 kauf und Ausbau der hinteralmhütte.
            1928 eröffnung der sadnig- und der hinteralmhütte.
         1929/30 Pachtung und einrichtung des Alpenvereinsheimes
                 in ranzenbach im Wienerwald gemeinsam mit den
                 sektionen Austria und Wien.
         1929/31 Bau und eröffnung der Adolf-noßberger-hütte
                 (Gradenseehütte).
            1932 Festlegung des namens „sektion Wiener lehrer“.
            1933 Beteiligung an der einrichtung des Jugendheims
                 aller Wiener sektionen in Wildegg im Wienerwald.
         1933/34 schaffung des Wiener höhenweges
                 in der schobergruppe.
            1935 Die sektionsfürsorge unterstützt die schüler-
                 suppenanstalten der Orte Johnsbach, Döllach
                 und st. Johann im Iseltal.
         1946/48 neuaufbau der sektion nach dem Zweiten Weltkrieg.
         1949/50 Behebung von kriegsschäden an hütten und Wegen.
            1951 sadnighütte von einer lawine weggerissen.
            1952 Grunderwerb zur errichtung
                 des neuen sadnighauses.
         1953/59 Bau und eröffnung des neuen sadnighauses.
            1958 volkstanzgruppe (besteht seit 1952) wird
                 selbstständige Gruppe in der sektion.

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                   1961 Pachtung der Krippenau-Hütte (Dachsteingebiet)
                        als Winter-Selbstversorgerhütte (bis 1965).
                   1964 Schaffung der Alois-Egger-Stiftung
                        für wohltätige Zwecke.
                   1965 Antrag bei der Steiermärkischen Landesregierung
                        auf Erklärung des Nassköhrs (Hinteralmgebiet) zum
                        Naturschutzgebiet (1970 durchgeführt); ähnlicher
                        Antrag bei der Tiroler Landesregierung betreffend
                        den Osttiroler Anteil der Schobergruppe.
                1965/66 Hilfsaktionen anlässlich der zwei Hochwasser-
                        katastrophen in Kärnten und Osttirol.
                   1966 Gründung einer AV-Jugendgruppe im
                        SOS-Kinderdorf Hinterbrühl (besteht bis 1972).
                   1968 Schaffung der Schobernadel gemeinsam mit
                        den anderen hüttenbesitzenden Sektionen
                        der Schobergruppe;
                        Kauf der Donaulandhütte auf der Hinteralm.
                   1975 Gründung der Gruppe „Wien-Nordwest“
                        (1977 Gruppe „Wienerland“, seit 1988 eigene Sektion).
                   1977 Beginn der Markierung des Zentralalpen-Weit -
                        wanderweges „02“ durch die Gruppe Wienerland.
                   1979 Vorarbeiten für den Ausbau von Hochschober-
                        und Nossbergerhütte.
                   1981 Kärntner Teil der Schobergruppe wird nach
                        10jährigen Bemühungen zum Nationalpark erklärt.
                   1983 Hochschoberhütte brennt völlig ab.
                1985/86 Zubau zum Wiener-Lehrer-Haus auf der Hinteralm.
                1985/87 Bau der neuen Hochschoberhütte.
                   1994 Verkauf des Sadnighauses.
                   2009 Bei der „Außerordentlichen Hauptversammlung“
                        mehrheitlicher Beschluss zur freiwilligen Auflösung
                        der „Sektion Wiener Lehrer“.

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        UNSER WERDEGANG
        DIE ANFÄNGE:
        DER „LEHRER-TOURISTEN-KLUB“ VON 1874

                m 17. April 1874 fand auf einladung von Ignaz        wurde bereits 1869 in München der „Deutsche Alpenver-
                Pennersdorfer eine versammlung von etwa 15           ein“ gegründet, der von Anfang an in sektionen geglie-
                lehrern aus Wien im Gasthaus krugerstraße 3          dert war und praktische erschließungstätigkeit in den
       statt. Pennersdorfer regte dort die Gründung eines            Alpen betrieb. Dieser hatte auch sektionen in Österreich,
       touristenklubs an, dessen Mitglieder dem lehrstande           so bereits seit 1869 eine in Wien. schließlich kam es
       angehören sollten. Der vorschlag fand Zustimmung und          1873/74 doch zum Zusammenschluss der beiden vereine
       so konnte sofort mit der Beratung der statuten begon-         zum „Deutschen und Österreichischen Alpenverein“, der
       nen werden. einen ersten entwurf hatte Pennersdorfer          bisherige Österreichische Alpenverein und die sektion
       bereits mitgebracht. Man kam rasch zu einem resultat,         Wien des Deutschen Alpenvereins schlossen sich zur
       und nach Änderung einiger Punkte auf Wunsch der               sektion „Austria“ des neuen vereins zusammen.
       Behörde konnte Oberlehrer Karl Schellenberger als             Inzwischen war aber 1869 auch der „Österreichische
       Proponent am 5. Juni 1874 jenen satzungsentwurf ein-          touristenklub“ entstanden, der ebenfalls eher an der
       reichen, der von der niederösterreichischen statthalterei     praktischen erschließungstätigkeit interessiert war und
       dann am 11. Juni genehmigt wurde (erlass vom 26. Juni         dabei besonders auch die Wiener hausberge rax und
       1874, Zl. 18.609). Bereits am 19. Juni konstituierte sich     schneeberg ins Auge gefasst hatte.
       der verein. Obmann wurde schellenberger, Penners-
       dorfer sein stellvertreter. Am 28. Juni wurde der erste       Als 1874 der „lehrer-touristen-klub“ entstand, konnte
       „Gesamtausflug“ mit 15 teilnehmern und einem Gast             man daher die entwicklung des DÖAv noch gar nicht
       durchgeführt.                                                 abschätzen und es lag nahe, sich am Ötk auszurichten.
       Damit reicht der vorläufer der „Wiener lehrer“ bis in         Der Zweck des neuen vereins war in den statuten folgen-
       jene Zeit zurück, in der sich die alpinen vereine gerade      dermaßen festgelegt:
       erst formierten. erste überlegungen dazu hatte bereits        a) erlangung einer genauen kenntnis der umgebung
       der Geologe eduard suess in den 1850er Jahren ange-              Wiens, als Grundlage des heimatkundlichen unter-
       stellt. Der versuch, 1856 eine alpine geologische Gesell-        richts.
       schaft zu gründen, die „das ganze rückgrat europas von        b) Förderung des touristenwesens durch größere reisen,
       lyon bis Wien“ umfassen sollte, stieß in der Zeit des neo-       in die österreichischen und außerösterreichischen
       absolutismus jedoch auf behördlichen Widerstand.                 länder.
       schließlich wurde 1862, nachdem im Jahr zuvor mit dem         c) Anregung zu sammlungen für schulzwecke.
       „Februarpatent“ eine konstitutionelle entwicklung in
       Gang gekommen war, nach dem 1857 entstandenen                 Die dazu anzuwendenden Mittel sollten sein:
       londoner Alpine Club der erste alpine verein auf dem          a) Monatsversammlungen, gesellige Zusammenkünfte
       europäischen Festland, der „Österreichische Alpenver-            und gemeinschaftliche Ausflüge.
       ein“ ins leben gerufen. Da dieser aber zentralistisch orga-   b) vorträge und Berichte.
       nisiert und eher wissenschaftlich ausgerichtet war,           c) Förderung touristischer Zeitschriften

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              d) Gründung von Bücher-, karten- und anderen samm-            Bände und 99 karten anwuchs. Der niederösterrei-
                 lungen.                                                    chische Amtskalender führte den lehrertouristenklub
              e) Anstrebung ermäßigter Fahrpreise für die Mitglieder.       übrigens unter „vereine für kunst und Wissenschaft“ an.
              f) Anbahnung einer verbindung mit dem Österreichi-            Jedes Jahr wurden zwei bis drei Gemeinschaftswande-
                 schen touristenklub.                                       rungen durchgeführt, selbstverständlich führten einzelne
              g) Anlage eines skizzenbuches über die von den Mitglie-       Mitglieder oder Gruppen von ihnen zahlreiche
                 dern unternommenen Ausflüge und größeren reisen.           weitere unternehmungen durch. In den regelmäßig
              h) Gründungsbeiträge und monatliche spareinlagen.             stattfindenden Monatsabenden wurde darüber
                                                                            berichtet bzw. wurden vorträge gehalten, die teilweise
              Jedes Mitglied sollte einen Gulden Gründungsbeitrag           in den „Freien Pädagogischen Blättern“ ihre veröffent-
              und „zur leichteren Beschaffung der reisekosten“ eine         lichung fanden.
              monatliche spareinlage von 5 Gulden leisten; diese            schon in den 1880er Jahren scheint der verein eine
              wurde zu Beginn der sommerferien nach Abzug der               stärker alpine Ausrichtung erfahren zu haben, bereits
              Zinsen ausgezahlt, die Zinsen sollten der Finanzierung        1883 beteiligte man sich an verhandlungen zur
              der vereinskosten dienen. 1879 wurde dieser Punkt             schaffung eines verbandes der österreichischen alpinen
              fallengelassen und die Finanzierung auf eine andere           vereine, 1886/87 trat man der sektion Austria bei. 1894
              Basis gestellt.                                               fand ein erster vorstoß, den lehrertouristenklub als
              Als Pädagogen wollten die Mitglieder ihren immateriel-        sektion dem DÖAv anzuschließen, nicht die einhellige
              len Gewinn aus der vereinstätigkeit auch dem schul-           Zustimmung der Mitglieder. ein zweiter versuch 1901
              unterricht und damit den ihnen anvertrauten kindern zu        scheiterte am verwaltungsausschuss des Alpenvereins,
              Gute kommen lassen. Dem entsprechend lautete ihr              der damals keine „standessektion“ wünschte.
              Wahlspuch:                                                    1908 trat Adolf noßberger (1881–1946) dem verein bei.
              Der Jugend unser Herz,                                        noch im selben Jahr übernahm er die Funktion des
              die Augen alpenwärts.                                         zweiten (1909 ersten) schriftführers. 1909 hielt er seinen
                                                                            ersten vortrag „Aus der schobergruppe“. er wurde
              noch 1874 trat der verein dem Österreichischen touris-        schließlich zur treibenden kraft für die umwandlung in
              tenklub bei, später auch der sektion Austria des DÖAv         eine sektion: Mit dem dritten Anlauf sollte es klappen.
              (1886/87) sowie dem niederösterreichischen bzw.
              später Österreichischen Gebirgsverein und der krahuletz-
              Gesellschaft. Zweck dieser Mitgliedschaften war neben
              der unterstützung des jeweiligen vereinsziels die erlan-
              gung von vorteilen für die eigenen Mitglieder (z. B.
              Bahnermäßigungen) und der Bezug der jeweiligen Publi-
              kationen für die eigene Bibliothek, die schließlich auf 283

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        UNSER WERDEGANG
        DIE „WIENER LEHRERSEKTION“ DES
        DEUTSCHEN UND ÖSTERREICHISCHEN ALPENVEREINS

          n der Ausschusssitzung vom 22. november 1910 be-         noch zu einigen Änderungen in der satzung, die dann am
          antragte Adolf noßberger die umbildung des lehrer-       26. Juni mit dem Genehmigungsvermerk des DÖAv
          touristenklubs in eine Alpenvereinssektion. nachdem      zurückgeschickt wurden. Bereits am 5. Juli wurde der offi-
       dieses vorhaben auch in der 363. Monatsversammlung          zielle Antrag an die vereinsbehörde gerichtet, am 22. Juli
       am 19. Jänner 1911 Zustimmung gefunden hatte, fasste        erfolgte die Genehmigung durch die nö. statthalterei.
       die außerordentliche Jahresversammlung am 16. Februar       Am 21. Dezember 1911 hielt der lehrer-touristenklub in
       1911 einhellig einen entsprechenden Beschluss.              der Gastwirtschaft des lehrerhauses seine 370. Monats-
       Mit Datum vom 27. März 1911 richtete der lehrer-tou-        versammlung und zugleich seine letzte Jahresversamm-
       ristenklub ein schreiben an den hauptausschuss des          lung ab, in der einhellig die Auflösung beschlossen wurde.
       DÖAv, in dem er um Aufnahme und die Zustimmung zur          unmittelbar darauf fand die gründende hauptversamm-
       umbildung in die „lehrersektion des Deutschen und           lung der „Wiener Lehrersektion des Deutschen und
       Österreichischen Alpenvereines in Wien“ ersuchte.           Österreichischen Alpenvereins“, wie der name nun offi-
       Warum die Mitglieder des vereins nicht einfach einer        ziell lautete, statt – damit hatte der Alpenverein damals
       bereits bestehenden sektion beiträten, wurde mit            387 sektionen. es wurden folgende herren in den ersten
       pädagogischen Gründen erklärt:                              Ausschuss gewählt: vorstand hans kaspar, vorstandstell-
       „Während aber die Angehörigen anderer Berufe diese          vertreter Wilhelm lang, 1. schriftführer Adolf noßberger,
       Freuden nur für sich genießen, nehmen am Genusse des        2. schriftführer karl Cemernjak, säckelwart Alois lhotka,
       lehrers hundert andere teil. Jeder Augenblick der Freude,   tourenwart Julius hentschel, sowie die Beiräte karl
       jede Zeit der erholung, jede Anregung, die er in den        Walter, Josef Brustmann, rudolf riegerl und hans stadler.
       Bergen findet, wird zu einem reichlich sprudelnden Quell,   Mit 1. Jänner 1912 wurde die vereinstätigkeit aufge-
       der das schulleben erquickend durchdringt und die           nommen. nach 20 Jahren als „Wiener lehrersektion“
       jugendlichen Geister und herzen speist. nichts behält       nannte sich diese ab 1932 „Sektion Wiener Lehrer des
       der lehrer für sich; er empfängt, um wiederzugeben. so      Deutschen und Österreichischen Alpenvereines“.
       werden alle herrlichen eindrücke, die der lehrer auf        Der erste vorstand, Hans Kaspar (1865–1932), war
       reisen gewinnt, zu einem kapital, angelegt und ver-         bereits von 1901 bis 1904 und wieder von 1906 bis 1911
       wertet zum Besten der kommenden Generationen. und           Obmann des lehrer-touristenklubs gewesen. er leitete
       wer vermöchte besser zu schildern und wiederzugeben         die junge sektion bis ende 1919, verzichtete dann aus
       als der, der selbst geschaut und mit Begeisterung aufge-    gesundheitlichen Gründen auf eine Wiederwahl und
       nommen hat.“                                                wurde zum ersten ehrenmitglied der sektion gewählt.
       Das sei schon 1874 die Motivation für die Gründung des      sein nachfolger wurde Adolf Noßberger, der bereits als
       lehrer-touristenklubs – der „somit zu den ältesten          1. schriftführer und ab 1916 als vorstandstellvertreter
       alpinen vereinigungen zählt“ – gewesen und dieser päda-     maßgeblichen einfluss auf die entwicklung der sektion
       gogische Zweck würde sonst fallen. Der hauptausschuss       genommen hatte, und der nunmehr die Geschicke der
       genehmigte die Aufnahme am 27. Mai, doch kam es             sektion von 1920 bis 1938 lenkte. noßberger muss ein

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                ungemein ambitionierter, hartnäckiger und tatkräftiger        Den erfolg der zahlreichen Aktivitäten spiegelten auch
                Mann gewesen sein, es gibt kaum einen Bereich des             die Mitgliederzahlen wider. 1912 traten von den zuletzt
                sektionslebens, in dem nicht sein name maßgeblich auf-        50 Mitgliedern des lehrer-touristenklubs (übrigens nur
                scheint. Auch nach seinem rücktritt war er noch weiter        Männer – das war in der Alpenvereinssektion dann nicht
                für die sektion tätig, er prägte sie wie kein zweiter. 1934   mehr so) 26 als voll- und 17 als fördernde Mitglieder in
                wurde er zum ehrenvorstand ernannt.                           die sektion über. Bereits im ersten vereinsjahr erreichte
                Die junge sektion führte zunächst die Aktivitäten des         man die Zahl von 100 Mitgliedern, bis 1914 stieg sie auf
                lehrer-touristenklubs weiter. es gab Monatsabende mit         mehr als 200. Der erste Weltkrieg brachte eine stagna-
                vorträgen, lichtbildervorträge, kunst- und kulturge-          tion bzw. teilweisen rückgang, ab 1919 war ein enormer
                schichtliche Führungen (1926–1930, Fritz Zoder), geselli-     Mitgliederzuwachs zu verzeichnen. ein erster höhepunkt
                ge treffen und kränzchen – letztere dienten vor allem         wurde 1922 mit 1767 Mitgliedern erreicht, dann gab es
                dem Auffüllen des „hüttenbausäckels“. Doch naturge-           einen deutlichen rückgang und danach ein langsames,
                mäß traten die alpinen Betätigungsfelder in den vorder-       aber kontinuierliches Ansteigen. 1931 wurde mit 2087
                grund. Gemeinschaftswanderungen und geführte Berg-            Mitgliedern der absolute höhepunkt erreicht, die Wiener
                fahrten fanden in wesentlich erweitertem umfang statt,        lehrer waren damals die zweitstärkste Alpenvereinssek-
                an so manchem tag gab es mehrere Parallelveranstaltun-        tion in Wien. Danach setzte allerdings wieder ein ebenso
                gen. von Anfang an wurde auch ein intensives Ausbil-          anhaltender rückgang ein, 1939 stand man bei rund
                dungswesen aufgebaut, kletter-, sommerbergsteiger-,           1600 Mitgliedern. Jugendgruppe und Jungmannschaft
                schilehr- und schibergfahrtenkurse fanden in großer Zahl      wurden bei diesen Zahlen nicht mitgezählt.
                statt. Besonders stolz war man auf die von Fritz Bauer        Wurden die Sektionsnachrichten anfänglich noch hand-
                durchgeführten eiskurse, die ein novum darstellten.           schriftlich verschickt, gab es 1913 bereits drei gedruckte

        links: hans kaspar, rechts: Adolf noßberger, Faksimile

                                                                                                                                      7
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                                                                                Deutschen und Österreichischen Alpenvereins

        Folgen des Mitteilungsblattes. Ab 1914 erschien dieses     sommertouristik ausgedehnt worden war. Die rennteil-
        mit einem typographisch gestalteten kopf und systema-      nahme stand ja nicht im Fokus der vereinigung, und so
        tischer Zählung unter dem titel „nachrichten der Wiener    war die Mitgliederzahl, die 1921/22 mit rund 200 ihren
        lehrersektion des Deutschen und Österr. Alpenvereins“      Zenit erreicht hatte, bereits rückläufig. Daher wurde die
        viermal jährlich, jeweils zum 1. Jänner, März, Mai und     Gruppe am 5. november 1925 aufgelöst. Die „Schiriege“,
        Oktober. 1923–1925 gab es fünf Folgen, danach sechs,       die ihr nachfolgte, bestand bis 1933. Das schifahren und
        1938 sogar sieben. 1926–1938 erschienen die nachrich-      die Abhaltung von schikursen stand aber weiter – und
        ten sogar im Großformat.                                   bis zuletzt – im Zentrum der sektionsaktivitäten. Aus der
                                                                   alten Wintersportvereinigung war jedenfalls eine stattli-
        GruPPenleBen                                               che Anzahl von schilehrern hervorgegangen, sie „hat
        kaum war die sektion entstanden, wurde die „Winter-        durch ihre Arbeit, besonders durch Abhaltung von
        sportvereinigung“ als eigene Gruppe unter der Führung      schneeschuhkursen für die verbreitung und vertiefung
        noßbergers gegründet (24. Jänner 1912), die ihrerseits     des schneeschuhlaufes unter den Mitgliedern der sek-
        wieder dem Wintersportausschuss des landesverbands         tion segensreich gewirkt; insbesondere vielen lehrerin-
        für Fremdenverkehr und 1919 auch dem Österr. schiver-      nen und lehrern Gelegenheit zur erlernung des schnee-
        band beitrat, um in den Genuss vor allem der Fahrtbe-      schuhlaufes geboten,“ wie die sektionsnachrichten 1926
        günstigungen zu kommen. von Anfang an wurden               schrieben.
        schitouren und schikurse (der erste bereits Weihnachten    nach dem ersten Weltkrieg begann der Alpenverein
        1912!) abgehalten. Der erste Weltkrieg brachte natürlich   generell, die Jugendarbeit zu forcieren, auch um den
        starke einschränkungen mit sich, nach dessen ende          eigenen „nachwuchs“ zu sichern. Dass eine lehrersek-
        wurde das Programm im rahmen der schlechten wirt-          tion dabei nicht abseits stehen konnte, lag auf der hand.
        schaftlichen verhältnisse wieder ausgebaut. Ab Jänner      Am 1. Jänner 1919 trat daher die „Jugendwander-
        1919 wurden zeitweilig vereinbarungen mit Gasthäusern      gruppe“ unter der Führung von karl Cemernjak und tat-
        im Wienerwald geschlossen, die als schidepot dienen        kräftiger Mithilfe von Wilhelm lang (1858–1932) ins
        sollten, wo man gegen eine kleine Gebühr die schier bis    leben. 1924 bis 1927 übernahm karl Wawerka, danach
        zur nächsten tour einstellen konnte. Obwohl das Winter-    Franz Gritzner die leitung, ab 1933 war konrad tilscher
        bergsteigen im vordergrund stand, wurden auch drei         („Wodosch“) „auf dem besten Wege, die Jugendgruppe
        Abfahrtsläufe organisiert (1921, 1923, 1924). Der große    einer neuen Blütezeit entgegenzuführen!“, wie es 1936
        Wunsch nach einer eigenen schihütte ging erst 1925 mit     in der Jubiläumsfestschrift der sektion hieß. vor allem in
        der Pacht der Grössingeralm-hütte in erfüllung, zu einem   den wirtschaftlich schwierigen Jahren nach dem ersten
        Zeitpunkt, als die Wintersportgruppe offiziell aufgelöst   Weltkrieg waren oft großzügige Geld- und lebensmittel-
        wurde. Inzwischen war der hauptvorteil der bisherigen      spenden der vereinsmitglieder nötig, um größere Fahr-
        konstruktion, die Fahrtermäßigung auf den eisenbahnen,     ten durchführen zu können. später erfolgte die
        verloren gegangen, da diese nun auch auf die gesamte       Förderung durch Beihilfen des verwaltungsausschusses

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              des Gesamtvereins. 1920 zählte die Gruppe rund 300           Auffangbecken für die der Jugendwandergruppe ent-
              Mitglieder, nach einem rückschlag stand sie 1936 immer-      wachsenen Burschen und Mädchen dienen. Doch auch
              hin bei 160 Gruppenangehörigen.                              ihre Mitglieder (1936 immerhin rund 120!) konnten auf
              ende 1929 wurde die einrichtung einer „Jungmann-             eine stattliche reihe schwieriger touren verweisen. 1940
              schaft“ beschlossen, an deren spitze noßberger trat. um      wurde eine eigene „Mädel-Jungmannschaftsgruppe“
              aufgenommen zu werden, waren Bergfahrtenberichte             unter hedi Fehringer eingerichtet.
              vorzulegen, die auch „scharfe kletter- oder eisfahrten“      Die 1928 geschaffene „Lichtbildnergruppe“ (mit eigener
              enthalten mussten. Auch in der Folge waren jährlich          Dunkelkammer, leitung hans kertel) sowie die „Faltboot-
              derartige Berichte abzugeben. Die durchschnittlich           fahrergruppe“ (leitung hans student) dürften als eigene
              15 Mitglieder bildeten auch den kern der alpinen             Gruppen keinen langen Bestand gehabt haben.
              rettungsmannschaft der sektion und bewährten sich in
              der Führerschaft.                                            ArBeItsGeBIet – hütten unD WeGe
              Am 16. März 1934 wurde diese Gruppe in eine „Bergstei-       von Anfang an war die sektion bestrebt, ein eigenes
              gergruppe“ überführt, die nunmehr unter der leitung          Arbeitsgebiet zu betreuen. es gab mehrere vorschläge,
              von Alois egger und seinem stellvertreter August Gazar       doch noßberger, der seit 1899 zahlreiche Bergfahrten in
              stand. Im Prinzip führte sie die bisherige tätigkeit unter   der schobergruppe unternommen und sich dort große
              dem neuen namen fort.                                        kenntnisse erworben hatte, setzte sich sehr dafür ein,
              Bereits am 4. April 1934 wurde eine neue „Jungmann-          dort ein Gebiet zugesprochen zu erhalten. tatsächlich
              schaft 2“ unter Fritz Bauer ins leben gerufen, dem 1936      erhielt die sektion schon 1913 einen Bereich im südwest-
              ludwig tandinger nachfolgte. sie war weniger streng aus-     lichen teil der schobergruppe, der den hochschober mit
              gerichtet, als ihre vorgängerin, und wollte vor allem als    umfasste, als Arbeitsgebiet zugesprochen.

              Wiener lehrer, Bergfahrten und Gästebuch, Faksimile

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                                                                                               Die „Wiener lehrersektion“ des
                                                                                  Deutschen und Österreichischen Alpenvereins

        noch 1914 erwarb die sektion den Bauplatz für die Hoch-      Adolf-Noßberger-Weg). Der erwerb des Bauplatzes stieß
        schoberhütte und begann mit dem Wegbau von Ober-             auf unerwartet große schwierigkeiten und gelang
        leibnig aus dorthin, doch durch den Ausbruch des ersten      schließlich 1927/28 nur unter Anwendung eines kärntner
        Weltkriegs kamen alle diesbezüglichen Aktivitäten zum        landesgesetzes betreffs enteignung. 1929 wurde mit
        erliegen. erst 1920 konnte der Wegbau unter wesentlich       dem Bau der hütte begonnen, am 2. August 1931 konnte
        schlechteren wirtschaftlichen verhältnissen wieder auf-      sie eröffnet werden, wobei der bekannte „Bergsteiger-
        genommen und 1925 abgeschlossen werden (1930 nach            prälat“ Alois Wildenauer die Feldmesse zelebrierte. Auf
        dem Mitbegründer des lehrer-touristenklubs Eduard-           einstimmigen Beschluss des Ausschusses wurde das
        Jordan-Weg benannt, 1933/34 verbreitert). Dank               haus anlässlich der eröffnung zu ehren des vorstandes
        zahlreicher spenden konnte 1921 mit der Bautätigkeit         Adolf-Noßberger-Hütte benannt, es besaß 14 Betten
        für die schutzhütte begonnen werden, wobei neben den         und 26 Matratzenlager.
        Professionisten viele sektionsmitglieder und die Jugend-     In Absprache und Arbeits-(kosten-)teilung mit dem
        gruppe mit hand anlegten, vor allem beim Auftransport        Deutschen Alpenverein Moravia als eigner der Wange-
        der Ausstattung. Bereits am 30. Juli des Folgejahres         nitzseehütte wurde 1933 der Weg von dieser zur hohen
        konnte die hütte – allerdings kleiner als ursprünglich       und weiter zur niederen Gradenscharte errichtet und
        beabsichtigt – eröffnet werden. In der Folge wurden ver-     nach dem vorstand der Moravia Ferdinand-Koza-Weg
        schiedene Adaptierungen und Ausbauten vorgenommen.           benannt. Im selben Jahr wurde auch die verbindung von
        1934/35 erhielt die hütte „einen stattlichen Zubau und       der Adolf-noßberger-hütte über die hornscharte zur
        auch der Altbau erfuhr, um die einheitlichkeit des ganzen    elberfelder hütte geschaffen (bis zur hornscharte Wiener
        Baues zu erhalten, einen umbau.“ Die hütte wies nun          lehrer, danach sektion elberfeld) und Rudl-Eller-Weg
        eine kapazität von 16 Betten und 26 Matratzenlagern auf.     benannt (nach dem Obmann der „Alpinen Gesellschaft
        1925 wurde der Franz-Keil-Weg als verbindung von der         Alpenraute“ und Miterschließer der lienzer Dolomiten
        hochschoberhütte über das leibnitztörl zur lienzer           und der schobergruppe rudl eller, 1882–1978). Beide
        hütte errichtet (ein kurzes letztes teilstück erst 1929      Wegstücke wurden 1934 offiziell eröffnet. Da auch die
        fertiggestellt; benannt nach Franz keil, + 1876, Geograph,   sektionen Wien und klagenfurt fehlende teilstücke
        kartograph und schöpfer von reliefs, erst-ersteiger des      bauten, war so auf Initiative der Wiener lehrersektion
        hochschobers 1852).                                          eine durchgehende verbindung vom Iselsberg bis zum
        1924 erhielt die sektion das Gradental in der östlichen      Glocknerhaus entstanden, für die nach mühevollen
        schobergruppe als weiteres Arbeitsgebiet zugesprochen        Absprachen mit den beteiligten sektionen der name
        und begann mit den vorarbeiten zum Bau einer schutz-         Wiener Höhenweg erreicht werden konnte – ein
        hütte am Großen Gradensee. Auch hier musste zunächst         Weitwanderweg, lange bevor es die Weitwanderwege-
        ein Weg errichtet werden (1927–1931 Putschall –              bewegung gab und erst 2006 durch eine ansprechende
        Gradensee – niedere Gradenscharte – lienzer hütte;           Broschüre der sektion Großkirchheim-heiligenblut

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               wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerufen.           Hinteralmgebiet zu errichten. Anfang 1926 konnte die
               Der dringende Wunsch der Wintersportgruppe nach              Almhütte des Johann schneeberger aus neuhaus gekauft
               einer schihütte war lange Zeit unerfüllt geblieben. 1925     werden, doch da es sich dabei um eine „luftkeusche“
               konnte auf der unteren Brunnfürteralm im hintersten          handelte – was den sektionsvertretern anfänglich nicht
               Johnsbachtal in den ennstaler Alpen eine geeignete Alm-      mitgeteilt worden war –, dauerte es noch fast zwei Jahre,
               hütte gepachtet werden, die nach dem hofnamen des            bis alle rechtlichen Fragen geklärt waren und die Zustim-
               eigentümers Grössingeralm-Hütte benannt wurde. nach          mung der Bundesforste vorlag. nach grundlegenden
               einigen erforderlichen Adaptierungen wurde sie am            umbauten konnte die hütte am 8. Jänner 1928 offiziell
               8. november 1925 als unbewirtschaftete schihütte eröffnet.   eröffnet werden. noch im selben Jahr wurde eine einge-
               Ab 1928 wurde sie mit hilfe der sennerin auch im             schränkte Gasthauskonzession erworben. Der große
               sommer betrieben.                                            Zuspruch ließ die hütte bald als zu klein erscheinen. Der
               1926 wurde eine aufgelassene Jagdschutzhütte in der          ende 1930 gefasste Beschluss zur errichtung eines
               „Asten“ in der sadniggruppe (Goldberggruppe) gepachtet.      schutzhauses musste aus wirtschaftlichen Gründen
               Dabei kam es zu einer fünfjährigen harten Auseinander-       zurückgestellt werden. 1934 begann man mit dem
               setzung mit der sektion klagenfurt, in deren Arbeitsge-      umbau und der erweiterung der bestehenden hütte und
               biet sie lag. nach einem umfangreichen um- und Ausbau        beteiligte sich auch finanziell am Ausbau der straße
               wurde die Sadnig-Hütte am 1. Dezember 1927 mit zwei          auf die hinteralm. Anfang 1935 konnte die Weihe und
               Betten und 22 lagern als bewirtschaftete schutzhütte in      eröffnung der in der Folge so genannten Wiener-Lehrer-
               diesem herrlichen schigebiet in Betrieb genommen.            Hütte stattfinden. schon zuvor war aber – um die Platz-
               seit 1922 hatte auch der Wunsch bestanden, eine              not zu lindern – 1933 die Weikerthütte als Jugend-
               schihütte im von Wien aus leichter zu erreichenden           gruppenquartier und 1935 auch die Peter-Paar-Hütte als

        Ausschreibung für 1. schneeschuhkurs 1912 , hinteralmhaus

                                                                                                                                  11
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                                                                                          Deutschen und Österreichischen Alpenvereins

        selbstversorgerhütte in Betrieb genommen worden.                     BesOnDere AktIvItÄten Der sektIOn
        somit verfügte die sektion auf der hinteralm, auf der ein            Die Wiener lehrersektion sah – durchaus in der tradition
        regelrechtes schidorf entstanden war (u. a. hütten des               des Alpenvereins – auch die Anregung oder Förderung
        Österr. Gebirgsvereins und des Alpenvereins Donauland)               wissenschaftlicher Arbeiten, die im Zusammenhang mit
        nun über drei hütten.                                                dem Bergsteigen oder den Arbeitsgebieten standen, als
        Damit nicht genug, beteiligte sich die sektion auch am               Aufgabe an. so entstand etwa schon 1920 ein „Physiolo-
        Alpenvereinsheim Ranzenbach im Wienerwald (an der                    gisches Merkblatt für Bergsteiger“ von univ.-Prof.
        straße von Pressbaum nach klausen-leopoldsdorf), das                 Dr. med. robert stigler (1878–1975), der während des
        ab ende 1929 von den sektionen Austria, Wien und                     ersten Weltkriegs auch eine Gebirgs-, schleif- und trag-
        Wiener lehrer gemeinsam gepachtet und betrieben                      bahre entwickelt hatte, sowie geographische und geo-
        wurde. Für die ende 1933 eröffneten Alpenvereins-                    logische Arbeiten von Dr. roman lucerna (1877–1945)
        Jugendherberge Wildegg leistete die sektion Beiträge                 und Dr. eberhard Clar (1904–1995) über Bereiche der
        zur Innenausstattung.                                                schobergruppe. hervorgehoben werden sollen auch die
        somit hatte die sektion innerhalb von 15 Jahren an fünf              Führerwerke von Josef Borde und Adolf noßberger,
        verschiedenen, weit verstreuten standorten insgesamt                 „Führer für schneeschuhläufer durch die ennstaler Alpen
        sieben hütten geschaffen und sich noch an zwei weiteren              (Gesäuse)“ (1921), und von Otto Böhm und Adolf
        beteiligt. umfangreiche Wegebauten waren erfolgt,                    noßberger, „Führer durch die schobergruppe“ (1925),
        markiert wurde ein noch weit umfangreicheres                         sowie deren „ergänzungen zum schoberführer“ (1935).
        Wegenetz.                                                            Böhm und noßberger waren auch bei der erstellung der
                                                                             Blätter Döllach und stall der neuen Österr. karte 1:25.000
                                                                             (1936) und bei der darauf basierenden Alpenvereins-

        schiausflug im Wienerwald, 1.schilift auf norwegerwiese/Wienerwald

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              karte der schobergruppe (1936) beratend tätig. letztere    Oberleibnig, die damals zum kriegsgebiet zählten, je
              ging ebenfalls auf eine Anregung der sektion zurück.       30 kronen für kriegsfürsorgezwecke zuwendete. Bis 1918
              Im rahmen des 1912 gebildeten Ortsausschusses der          wurden diese Gemeinden jährlich unterstützt. Danach
              Wiener Alpenvereinssektionen – ab 1922 Verband der         gab es eher einzelaktionen, da das sektionsbudget mit
              Wiener und n.-ö. Sektionen – wirkte die Wiener lehrer-     den nun einsetzenden hüttenbauten stark in Anspruch
              sektion von Anfang an mit. Dabei ging es vielfach um       genommen war. Doch mit der Ausweitung des Arbeits-
              Bahnermäßigungen, Bergsteigersonderzüge und die            gebiets wuchs auch der Bereich, den es zu fördern galt,
              schaffung einer unfallversicherung für die Mitglieder.     und ab 1927 betrieb ein eigener Weihnachtsausschuss
              1927 führte die sektion erstmals den vorsitz. In diesem    unter Alois egger die sammlung und verteilung von
              Jahr fand in Wien die 53. hauptversammlung des DÖAv        spenden; zur Weihnachtsbescherung 1927 gingen
              statt, für deren Organisation ein eigener Festausschuss    6 Pakete in die Obere Asten, 4 nach Johnsbach, 2 nach
              gebildet wurde, in dem die sektion durch acht Mitglieder   Putschall und je eines zum Oberfercher und zum unter-
              vertreten war.                                             fleisner. Diese tätigkeit wurde in der Folge weiter
              Ab 1922 war Adolf noßberger auch Obmann des Alpinen        intensiviert. Ab 1934 erhielt die sektion fast zur Gänze
              Rettungs-Ausschusses Wien (A.R.-A.W.), einer schon         die suppenanstalt der schule st. Johann im Iseltal,
              1896 gebildeten selbständigen vereinigung der wesent-      ab 1935 wurden auch jene von Döllach und Johnsbach
              lichen alpinen vereine Wiens zur gemeinsamen Orga-         unterstützt. Als 1935 die Möll insbesondere große teile
              nisation des Bergrettungsdienstes (ab 1934: landes- und    von Döllach, sagritz und Mörtschach verwüstete, wurde
              rettungsstelle Wien). Mitglieder der sektion – insbeson-   seitens der sektion nicht nur der verwaltungsausschuss
              dere der Jungmannschaften bzw. Bergsteigergruppe –         zur hilfeleistung veranlasst, sondern auch intern eine
              wirkten auch hier mit, ab 1933 gab es eine eigene          besondere spendenaktion durchgeführt, sodass namhafte
              Gruppe „Wiener lehrer“ innerhalb der rettungsorgani-       Geld- und sachunterstützung geleistet werden konnte.
              sation. neben der neuorganisation des alpinen rettungs-    Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der sektion wurde
              wesens (rettungs- und Meldestellen) nach dem ersten        am 20. Mai 1937 ein Festabend im Mozartsaal des
              Weltkrieg wurden im Winter zahlreiche schihilfsplätze in   Wiener konzerthauses abgehalten, an dem bedeutende
              der umgebung Wiens und auf der rax betrieben, auch         vertreter des offiziellen Österreich teilnahmen bzw.
              hier beteiligten sich Angehörige der sektion.              Glückwünsche übermittelten. Auch der damalige Wiener
              schließlich sei noch auf das soziale engagement der        Bürgermeister richard schmitz entsandte eine herzliche
              sektion verwiesen. nach anlassbezogenen spenden            Grußadresse als langjähriges sektionsmitglied. eine
              schon in der Zeit des lehrer-touristenklubs gab es erste   höchst detaillierte Festschrift „kurze Geschichte der
              Ansätze zu einer systematischen Fürsorgetätigkeit ab       sektion Wiener lehrer … zu ihrem 25-jährigen Bestand“
              1915, als die sektion zu Weihnachten erstmals im           wurde veröffentlicht, die in der hauptsache von Alfred
              Bereich ihres Arbeitsgebiets den Gemeinden Ainet,          rieker (+1963) – unterstützt durch Adolf noßberger und
              Gwabl, st. Johann im Walde und der Fraktionsgemeinde       mehrere Ausschussmitglieder – verfasst worden war.

                                                                                                                              13
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        UNSER WERDEGANG
        DIE „DUNKLEN JAHRE“

                ie vorliegende Publikation ist eine Festschrift. hier   Bildungsbürgertum, ausgehend vom Idealismus hegels
                sollen die positiven leistungen und errungen-           und den vorstellungen der romantik wie von den
                schaften unserer sektion vorgestellt und ge-            einigungsbestrebungen der Franzosenkriege, sich in
        würdigt werden. Dennoch dürfen wir vor dem Aspekt des           unterschiedlicher Ausprägung eher der deutschnatio-
        nationalismus und Antisemitismus sowie der großen               nalen richtung zuneigte.
        nähe zum nationalsozialismus unseres vereins in den             nach der niederlage gegen Preußen bei königgrätz 1866,
        Jahren bis 1945 nicht die Augen verschließen. Wenn die          die praktisch die endgültige Abtrennung der Monarchie
        Chronik in der Festschrift anlässlich des 50jährigen            vom 1871 mit der Gründung des Deutschen kaiserreichs
        Bestands der sektion 1961 noch lapidar feststellte:             geeinigten Deutschland bedeutete, nach dem 1867
           1936: Weitere Ausgestaltung der Hütten. – Erweite-           folgenden Ausgleich mit ungarn und dem wirtschaft-
           rung des Arbeitsgebietes im Nordwesten der Scho-             lichen Zusammenbruch von 1873 verstärkte sich diese
           bergruppe (Lesachtal).                                       tendenz. Man sah sich von den anderen Deutschen ab-
           In den folgenden Jahren wirtschaftliche Stagnation,          getrennt, es gab plötzlich eine zweite nationalität, die
           Rückgang der Mitgliederzahl. – Während des Krieges           ungarn, die nun große teile der Monarchie dominierten,
           Sorge um Erhaltung des Hüttenbesitzes und des Weg-           und man befürchtete, dass auch die slawen ihren Anteil
           bestandes.                                                   an der Macht nicht nur forderten, sondern auch er-
           1946: Nossbergers Tod.                                       langten (nicht zuletzt an diesen Auseinandersetzungen
           1948: Eine Arbeitsgemeinschaft, deren Mitglieder             ging die Monarchie ja letztlich auch zugrunde). Dazu
           langjährige Angehörige des Sektionsausschusses               kamen zunehmend irrationale rassevorstellungen
           waren, übernimmt den Neuaufbau der Sektion.                  und -lehren, die letztlich unter Ausnützung des seit dem
        so ist das damals aus der zeitlichen nähe zu den ereig-         Mittelalter vorhandenen, eher religiös motivierten
        nissen und der Betroffenheit der zum teil immer noch            Judenhasses in einen nunmehr rassisch begründeten
        handelnden Personen verständlich. heute, rund siebzig           Antisemitismus mündeten. Diese deutschnational-anti-
        Jahre nach den ereignissen, wäre es eine unverzeihliche         semitische haltung griff vor allem an den universitäten
        unterlassung – die nur zu leicht als versuch der ver-           um sich und erfasste den bei weitem überwiegenden teil
        tuschung ausgelegt werden könnte – die damaligen                der deutschsprachigen studentenschaft, die sich ab den
        entwicklungen nicht beim namen zu nennen. nun denn:             1890er Jahren zunehmend radikalisierte.
        In der zweiten hälfte des 19. Jahrhunderts differenzier-        schließlich entstand ab den 1880er Jahren als vertretung
        ten sich die nach 1848 zumeist liberal eingestellten            des kleinbürgertums aus verschiedenen organisato-
        politischen Gruppierungen, die sich als Widerpart gegen         rischen keimzellen teils kirchlicher, teils gewerblicher
        den konservativen Adel und klerus, aber zum teil auch           oder sozialer Ausrichtung die spätere christlichsoziale
        gegen die Dynastie und die Bürokratie verstanden,               Partei, die dann von lueger zu einem höhepunkt geführt
        zunehmend. „liberal“ blieben vielfach die kapitalisten          wurde. Da dem liberalen Großbürgertum, unter dem die
        und Großunternehmer, während das so genannte                    klientel der Christlichsozialen zu leiden meinte, zahl-

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              reiche jüdische Bankiers, Großhändler und unternehmer      aber doch mit einschloss. Während bereits vorher so
              angehörten, grassierte unter dem slogan „liberalismus =    manche sektion offensichtlich stillschweigend und ohne
              Judentum“ bzw. „kapitalismus = Judentum“ auch dort         satzungsmäßigen hintergrund keine Juden aufgenom-
              der Antisemitismus.                                        men hatte, wurde 1905 erstmals der „Arierparagraph“ in
              Zuletzt erschienen die Organisationen der Arbeiterschaft   den satzungen einer Wiener sektion verankert. nach
              auf der politischen Bühne, die zwar teilweise auch anti-   dem ersten Weltkrieg verschärfte sich auch hier der ton.
              jüdische klischees benützten, aber zugleich zahlreiche     Anfang 1921 gelang es dem Freund und Mitstreiter
              Juden unter ihren Funktionären hatten, angefangen von      schönerers, eduard Pichl, einem bedeutenden Berg-
              viktor Adler. Das setzte sie wiederum in doppelten         steiger, leider zugleich auch militantem eiferer, den
              Gegensatz zu den Deutschnationalen und den Christlich-     vorsitz in der sektion Austria zu erlangen, die bis dahin
              sozialen, da nun zur sozialen auch die rassistische        durchaus nicht antisemitisch agiert hatte. Mit hilfe des
              Gegnerschaft hinzukam („sozialismus/Bolschewismus =        damaligen Führers der österreichischen nsDAP Walter
              Judentum“).                                                riehl und mit mehr als 3000 „neu geworbenen Mit-
              Als während des ersten Weltkriegs zahlreiche, teils bit-   gliedern“ gelang ihm nach mehreren Anläufen – nicht
              terarme jüdische Flüchtlinge aus den von den russen ein-   ohne Widerstände –, im Oktober 1921 den „Arierpara-
              genommenen östlichen Gebieten der Monarchie nach           graphen“ in der „Austria“ einzuführen (worauf viele der
              Wien kamen, die „fremde“ sitten und Gebräuche hatten,      „neumitglieder“ wieder austraten). Bisherige jüdische
              förderte das den Antisemitismus ebenso wie die             Mitglieder der „Austria“ (und des Ötk) gründeten noch
              umstände, dass der krieg verloren ging, die Monarchie      im April 1921 die DÖAv-sektion Donauland. Mit hilfe der
              zerschlagen und der Anschluss von „restösterreich“ ans     Wiener und zahlreicher österreichischer sektionen
              Deutsche reich verboten wurde und die materielle not       konnte Pichl jedoch 1924 auch den Ausschluss des nach-
              sehr groß war. Immer fand sich eine Begründung, warum      maligen Alpenvereins Donauland aus dem Deutschen
              „die Juden“ schuld daran waren.                            und Österreichischen Alpenverein erzwingen und in der
              Der Alpenverein und seine sektionen waren kinder ihrer     Folge auch sonst in der Frage des „Arierparagraphen“
              Zeit, die tendenzen und strömungen kamen auch dort         den hauptausschuss unter Druck setzen.
              zur Geltung. Der umstand, dass der „Deutsche und           Die „Wiener lehrersektion“ fiel nicht als scharfmacher
              Österreichische Alpenverein“ sowohl im Deutschen reich     oder treibende kraft auf, allerdings stellte sie sich auch
              wie in der österreichischen reichshälfte der Monarchie     nicht dagegen. sie scheint eher so etwas wie ein be-
              wirkte, ließ ihn für manche wohl auch zum geeigneten       flissener Mitläufer in dieser entwicklung gewesen zu sein
              vehikel für „alldeutsche“ Bestrebungen werden. Betonte     und machte alles „mustergültig“ mit.
              man zunächst die treue zum kaiserhaus und zum vater-       so findet sich bereits in den sektionsnachrichten vom
              land, wurde das vaterland schon bald zum „einigen          1. März 1921 – also zu einem Zeitpunkt des heftigsten
              Deutschland“. Man gab sich zunehmend „völkisch“            ringens bei der „Austria“ um die einführung des
              gesinnt, was den Antisemitismus zwar nicht benannte,       „Arierparagraphen“ – der Aufruf: „Wir bitten unsere

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       Mitglieder aus ihrem Bekanntenkreise bergfreudige            kreis etc. lediglich bei den Buchbesprechungen wird eine
       Damen und herren welche sich als Bergsteiger betätigen       tendenz bemerkbar. nur einmal, im herbst 1934 (nach
       wollen und arischer Abkunft sind, als Mitglieder zu          dem „Juliputsch“!), wurde eine stellungnahme der
       werben“ (hervorhebung im Original). Offiziell in der         Wiener und niederösterreichischen sektionen abge-
       satzung verankert wurde eine entsprechende Bestim-           druckt, die sich gegen „ungerechtfertigte Angriffe auf
       mung dann in der ordentlichen Jahresversammlung am           den Alpenverein“ wandte: In der Presse war schon im
       16. Dezember 1921: „Mitglieder der sektion können nur        Juni der vorwurf erhoben worden, dass in Alpenvereins-
       Deutsche (Arier) werden.“ hier war die sektion wahrlich      hütten Gruppen von österreichischen nationalsozialisten
       kein nachzügler.                                             parteipolitische Zusammenkünfte und Aktionen ab-
       Bei der Gründungsfeier des von Pichl ins leben gerufe-       hielten, und die Auflösung des Alpenvereins gefordert
       nen Alpinen Wehrturnvereins „edelweiß“ am 8. Mai             worden. Dem entgegen hatte der landeshauptmann von
       1924 war die sektion gleich mit drei Personen vertreten.     tirol im einvernehmen mit dem sicherheitsdirektor
       und bei der vorbereitung des Ausschlusses der sektion        (wohl noch vor dem Juliputsch) festgestellt:
       Donauland konnte Pichl in einer übersichtstabelle, in der    „Wenn auch in einzelnen Fällen festgestellt wurde, daß
       er die haltung der Wiener sektionen darstellte, über die     nationalsozialisten glaubten, in schutzhütten Gelegen-
       „Wiener lehrer“ aus seiner sicht fast nur „Positives“ ein-   heit zu ungestörten Zusammenkünften zu finden, so
       tragen: Die sektion war Mitglied des 1922 gegründeten        kann daraus dem Alpenverein und seinen sektionen kein
       „Deutschvölkischen Bundes“ (eines u. a. gegen die            vorwurf gemacht werden.“
       sektion Donauland gerichteten kämpferischen                  Die Wiener und niederösterreichischen sektionen fügten
       sektionenzusammenschlusses), bedauerte offiziell die         dem hinzu:
       Anwesenheit von „Donauland“ im Alpenverein, befür-           „Alle sektionen verhielten und verhalten sich unseres
       wortete den Antrag zum Ausschluss und hatte den              Wissens genau gemäß den behördlich genehmigten
       „Arierpunkt in (den) satzungen“. einziger „Minuspunkt“:      satzungen und vermeiden sohin sorgfältig jede politische
       es gab ein jüdisches Mitglied (damals hatte die „Austria“    Betätigung. Ihre Wirksamkeit bezweckt, die liebe zur
       nach der Zählung Pichls nur mehr „etwa 20“, die anderen      Bergwelt der heimat zu erwecken und zu stärken, das
       Wiener sektionen gar keine). Mit dem Ausschluss von          wirtschaftliche Wohl und Gedeihen der alpenländischen
       „Donauland“ aus dem Alpenverein scheinen die verhält-        Bevölkerung durch erschließung und Bereisung der
       nisse geklärt gewesen zu sein, es gibt keine weiteren in     österreichischen Gebirgsländer kräftig zu fördern und
       der Öffentlichkeit auffallenden Aktionen.                    das angestammte volkstum in der österreichischen
       In den „nachrichten“ der sektion findet diese entwick-       heimat zu erhalten …“
       lung kaum niederschlag. sie bieten eine streng sachliche     Allerdings wird in den „nachrichten“ häufiger auf das
       Abfolge von Ankündigungen von bzw. Berichten über ver-       „Ariertum“ Bezug genommen (Mitgliederwerbung, ein-
       anstaltungen, vereinsorganisatorische Angelegenheiten,       kauf möglichst in arischen Geschäften, Inserate in den
       hütten- und Wegebau, nachrichten aus dem Mitglieder-         nachrichten nur von arischen Firmen).

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              nach dem „Anschluss“, am titelblatt der Ausgabe vom         im kampfe für Großdeutschland.“ Die Jugendwander-
              1. April 1938, findet sich dann eine schwülstige hom-       gruppe betonte, dass die Alpenvereinsjugendgruppen
              mage an Adolf hitler, in der festgestellt wurde, dass der   „der letzte hort der nationalsozialistisch denkenden
              Alpenverein „mit seinen Zweigen schon seit Jahrzehnten      Jugend“ gewesen waren.
              den deutschen raum umspannte, für die Deutschblütig-        Der neu anzulegende Weg vom östlichen leibnitztörl
              keit wirkte und innerhalb seiner gesetzten Ziele den        über das schobertörl und weiter zur lesachhütte wurde
              Boden für den Bau Großdeutschlands auflockerte und          „ludwig-Maitzen-Weg“ benannt, „zur erinnerung an das
              ausgezeichnet vorbereitete!“                                Mitglied unseres Zweiges (früher Jugendwandergruppe)
              nun war die Maske fallen gelassen worden. Man nannte        ludwig Maitzen, das am 13. August 1934 als Opfer der
              sich jetzt „Zweig“, da die Mehrzahl der Mitglieder schon    Julierhebung den heldentod für Großdeutschland erlitt.
              lange gegen das Fremdwort „sektion“ gewettert hätte.        eine diesbezügliche Gedenktafel wird auf dem schober-
              Die „nachrichten“ warben für ein „Ja“ bei der volksab-      törl errichtet“. Der Polizei-Wachmann war nach einem
              stimmung am 10. April. Am 12. April veranstalteten die      Militärgerichtsverfahren als Putschteilnehmer hingerich-
              Wiener „Alpenvereinszweige“ im großen konzerthaus-          tet worden; ob er zum Zeitpunkt des Putsches noch mit
              saal einen Weiheabend „Daheim im reich!“                    der sektion in verbindung stand, ist unklar.
              Die Jungmannschaft intensivierte den kontakt zur            Im september 1938 forderten die „nachrichten“ alle
              Bergsteigergruppe, wo sie „nicht nur ausgezeichnete         „Mischlinge, z. B. halb- oder vierteljuden“ auf, „ihren
              Bergsteiger und kameraden, sondern auch alte, erprobte      Austritt zu melden.“
              kämpfer Adolf hitlers … antreffen“ würde, und stellte       Die Av-Jugendgruppen gingen schließlich formell in der
              gleichzeitig fest: „Die aktiven teilnehmer [der Jungmann-   hitlerjugend auf; sie galten als Bergsportgruppen der hJ,
              schaft] der verflossenen Zeit standen fast ausschließlich   „das leistungssportliche Bergsteigen gilt als hJ.-Dienst“.

              Faksimile, Auszug aus nachrichten 1939

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        1940 wurden die DAv-Zweige je einem Bann (umfasste          1942 gab es überhaupt nur mehr gedruckte „rundschrei-
        mehrere Bezirke) der hJ zugeordnet, die „Wiener lehrer“     ben“, da auf Anordnung der reichspressekammer die
        betreuten den Bann 504 (10., 11. und 23. Bezirk [der        nachrichten der Alpenvereinszweige aus kriegswirt-
        23. Bezirk hieß damals schwechat und reichte bis ein-       schaftlichen Gründen eingestellt worden waren.
        schließlich Fischamend!]), ab März 1941 spielte der         Immerhin gelang es, diese „rundschreiben“ weiter zu
        Wohnort wiederum keine rolle mehr. Die tätigkeit            führen, das letzte erschien „im Jänner 1945“. Die darin
        erfolgte im rahmen der „Wehrertüchtigung“, um den           angekündigte Jahresversammlung am Freitag, den
        Gebirgstruppen den „vorgebildeten nachwuchs“ zu             6. April 1945, um 19 uhr fand nicht mehr statt. Zu diesem
        sichern. „Mitglieder der Jugendabteilungen (hJ-Berg-        Zeitpunkt stand die rote Armee bereits im kampf um
        fahrtengruppen) werden grundsätzlich in alpine Wehrer-      Wien.
        tüchtigungslager des heeres oder der Waffen-ss einbe-       Mit Bescheid des staatsamtes für Inneres der neu erstan-
        rufen, wo sie neben der schieß- und Geländeausbildung       denen republik Österreich vom 9.11.1945, Zl. 45768-
        ihre vormilitärische Ausbildung im Bergsteigen erhalten.“   4/45, wurde der Deutsche Alpenverein mit allen seinen
        tatsächlich sollten gemäß verfügung des Oberkomman-         Zweigvereinen und somit auch der Zweig Wiener lehrer
        dos der Wehrmacht Inhaber von „Bescheinigungen des          behördlich aufgelöst.
        D. A. v.“ auf Wunsch den Gebirgstruppenteilen zugeteilt
        werden.                                                     Faksimile, Auszug aus nachrichten 1938
        Wie weit die erwartungen der maßgeblichen Funk-
        tionäre nach dem „Anschluss“ in erfüllung gingen, ist
        schwer zu beurteilen. Im Juni 1938 gab noßberger die
        übergabe der vereinsführung („kommissarischer leiter“)
        an Alois egger (1890–1964) bekannt. Im Juli wurde dem
        Zweig Wiener lehrer vom verwaltungsausschuss die
        lesachhütte des nunmehr aufgelösten Alpenvereins
        Donauland in der schobergruppe übergeben (die Donau-
        landhütte auf der hinteralm erhielt der ÖGv). Im novem-
        ber 1938 konnte noch eine neue, größere Geschäftsstelle
        eröffnet werden, die bisherige sollte nunmehr vor allem
        der Jungmannschaft und der Jugendgruppe dienen.
        Andererseits erschienen die „nachrichten“, die sich bis
        1938 zu einer stattlichen, großformatigen Zeitschrift
        entwickelt hatten, bereits ab 1939, noch vor Beginn des
        2. Weltkriegs und den damit verbundenen einschränkun-
        gen, in stark reduzierter Form im kleinformat. Ab Jänner

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