Abstract-Sammlung - Institut für Sport und Sportwissenschaft
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Abstract-Sammlung Jahrestagung der dvs-Kommissionen Gesundheit sowie Sport und Raum „Bewegung, Raum und Gesundheit – Wechselwirkungen im Spannungsfeld geänderter Lebensbedingungen und Mobilitäten“ 22. & 23. September 2016 |Institut für Sport und Sportwissenschaft
Inhaltsverzeichnis Parallel-Session A 1- 5 A1: Faktoren der physischen Umwelt und Bewegungsverhalten – auch ein Thema für Deutschland!? Jens Bucksch Walkability und körperlich aktives Mobilitätsverhalten in Bielefeld – eine 2 GIS-basierte Analyse Anne Kerstin Reimers Nutzungsverhalten und Aktivitätsniveau von Kindern auf Spielplätzen in 3 Abhängigkeit von der räumlich-materiellen Spielplatzbeschaffenheit Gorden Sudeck Wahrgenommene soziale und physische Umwelt als Determinanten 4 körperlicher Aktivität von Jugendlichen Birgit Wallmann-Sperlich Schreibtischtäter – welche Büroumgebung bringt uns zum Aufstehen? 5 A2: Die Schule als Raum für Bewegung und Gesundheit 6-10 Elke Knisel Bewegungsförderung im Sportunterricht 7 Katharina Heß Handlungsleitende Kognitionen von Sportlehrkräften zur Perspektive 8 Gesundheit– Ergebnisse der Health.edu-Studie Kerstin Ketelhut Einfluss einer täglichen Sportstunde auf die motorische 9 Leistungsfähigkeit und hämodynamische Faktoren bei Schulki ndern Susanne Tittlbach Sportbezogene Gesundheitskompetenz von Schülerinnen und Schülern 10 A3: Theoretisch-konzeptionelle Ansätze zu Bewegung, Raum und Gesundheit 11-14 Elk Franke Selbstvergewisserung – Ein Weg zum positiven Gesundheitsverständnis 12 durch situationsräumliche Reflexivität Jule Kunkel Partizipation bei Interventionen – nicht nur eine Floskel, sondern wahre 13 Integration der Zielgruppe Georg Wydra Von der Fähigkeits- zur Mobilitätsorientierung im Gesundheitssport 14 A4: Urbane Räume der Bewegung und Gesundheit 15 - 19 Rosa Diketmüller AktivE Jugend – Bewegungsaktive Mobilität von Jugendlichen in 16 öffentlichen Räumen in Wien Dieter Pfrommer Wohnumfeld und Gesundheit zur Bedeutung der Gestaltqualität von 17 städtischen Freiräumen Friedhelm Terfrüchte Junge StadtLandschaften: Informelle Bewegungsräume als 18 Vorrausetzung für eine gute psycho-soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen Julian Pröger Innovativer Raum für Leistung und Gesundheit – Das Paulcke Stadion in 19 Karlsruhe I
A5: Körperliche Aktivität in der pädiatrischen Onkologie – Bedarfe und Effekte im stationären 20 - 23 Setting Vivian Kramp Vergleich körperlicher Aktivität von Kindern und Jugendlichen nach einer 21 Krebserkrankung und gesunden Gleichaltrigen Anne Deisenroth Kraftleistungsfähigkeit und Lebensqualität bei krebskranken Kindern und 22 Jugendlichen - Status und Veränderbarkeit während der Akuttherapie Anna Senn-Malashona Bewegungstherapie in der Pädiatrischen Stammzelltransplan tation– 23 Ergebnisse der RCT BISON Parallel-Session B B1: Bewegung und Gesundheit im kommunalen Raum 24-28 Robin Kähler Bewegungsraumbezogene Stadtentwicklung als Gesundheitsprävention 25 Annika Frahsa Veränderung als politische Dimension der Walkability einer Kommune 26 Angelika Jäkel Bewegungsfiguren und Raumgestalten: Strategien der Erhebung und 27 Entwicklung von quartierspezifischer Alltagsmobilität Peter Gelius Internationale Politik und kommunale Sportentwicklungsplanung: Völlig 28 losgelöst oder eng verflochten B2: Pädagogische Räume für Bewegung und Gesundheit 29-33 Rolf Schwarz Das Außengelände von KiTas - Evidenzbasierte Interventionsparameter 30 zur Förderung des Bewegungs- und Sozialverhaltens 3-6-Jähriger Christoph Becker Eine Fallstudie zu den Auswirkungen von praxisnahem und 31 bewegungsreichem Draußenunterricht auf lernmotivationale Aspekte bei Kindern Gundl Rauter Bewegungs- und sportzentrierte Bildungsräume von Grundschulen „als 32 dritte Erzieher“ sportpädagogisch beobachten Mandy Lutz Das Thema Gesundheit in der Sportlehrerbildung – Anspruch und 33 Wirklichkeit B3: Bewegung und Gesundheit Jugendlicher und junger Erwachsener 34-38 Nadine Will Soziale Ungleichheit und Intensitäten der Aktivität im Raum Schule un d 35 Sportverein: Die Motorik-Modul Längsschnittstudie (MoMo) Hagen Wulff Soziodemografisch stratifizierte Analyse des Aktivitäts - und 36 Mediennutzungsverhaltens von juvenilen Adipositastherapieteilnehmer Stefanie Kaiser Verletzungshäufigkeit in der Trendsportart Calisthenics 37 Stephanie Haible Bewegungsbezogene Gesundheitskompetenz im Jugendalter – 38 Validierung eines kurzen Erhebungsverfahrens B4: Aktuelle Entwicklungen aus der Aktivitätsforschung 39-42 Vanessa Rustler Akzelerometrie bei chronisch kranken Kindern – eine Übersicht zu 40 methodischen Verfahren Nicolina Lerchen Reliabilität und Validität des Heidelberger Fragebogens zur Erfassung 41 des Sitzverhaltens von Kindern und Jugendlichen Martin Lange Validität und Reliabilität eines Fragebogens zur Erfassung der 42 körperlichen Aktivität für ältere Erwachsene (PAQ -EG) II
B5: Motorische Leistungsfähigkeit als Gesundheitsressource?! 43-46 Christian Herrmann Das sportliche Selbstkonzept und die motorischen Basiskompetenzen als 44 Mediatoren sportlicher Aktivität Darko Jekauc Mediiert das physisches Selbstkonzept den Zusammenhang zwischen 45 motorischen Fähigkeiten und körperlicher Aktivität bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen? Matthias Wagner Elaboration der Environmental Stress Hypothesis – Ergebnisse einer 46 populationsbasierten Längsschnittstudie B6: Interdisziplinär-konzeptionelle Überlegungen zur Integration der Sportwissenschaft in 47-50 verschiedene patientenbezogene Settings Michaela Weber Entwicklung eines lebensstil-integrierten, körperlichen 48 Trainingsprogramms für junge Ältere: das EU-Projekt PreventIT Eckart Rosenberger Aktuelle Entwicklungen bei der Planung von Altenpflegeheimen – 49 Bewegung aus architektonischer Perspektive Regine Söntgerath Bewegungstherapie für Kinder und Jugendliche mit Krebserkrankungen 50 im stationären Setting – Inhaltliche und systemische Voraussetzungen Parallel-Session C C1: Innovative methodische Ansätze um die Beziehung zwischen Umgebungsfaktoren und 51-54 körperlicher Aktivität zu untersuchen Daniela Kahlert Fußgängerfreundlichkeit und Verkehrssicherheit im Wohnumfeld: ein 52 randomisiertes Experiment mittels Computersimulation Niklas Erhardt Soziale Teilhabe und außerhäusliche Mobilität im ländlichen Raum: 53 qualitative Untersuchung von Umweltfaktoren mittels fotobasiertem, ambulantem Ansatz Claudia Klostermann Zur Bedeutung struktureller Bedingungen im kommunalen Kontext für 54 das Sport- und Bewegungsverhalten junger Erwachsener C2: Bewegung und Gesundheit im mittleren und späten Erwachsenenalter 55-59 Sandra Trautwein Veränderungen der Aktivitäten des täglichen Lebens bei Personen mit 56 Demenz durch ein multimodales Bewegungsprogramm Christian Kaczmarek Testgüte und Diagnostische Güte eines neuen Mobilität sscreenings 57 Rita Wittelsberger Stabilität der sportlichen Aktivität im mittleren und späten 58 Erwachsenenalter: kommunale Längsschnittstudie „Gesundheit zum Mitmachen“ Petra Wagner Körperliche Aktivität älterer Erwachsener in Parks: eine systematisch e 59 Beobachtung im Rahmen der Hong Kong – Leipzig Studie C3: Bewegungsbezogene Therapie und Rehabilitation 60-63 Judith Deprins Konzepte der Bewegungstherapie in der Rehabilitationspraxis: 61 Wahrgenommene Problemlagen und ihre Beeinflussbarkeit aus S icht bewegungstherapeutischer Akteure Wolfgang Geidl Bewegungstherapie in der medizinischen Rehabilitation: inhaltliche 62 Ausrichtung und Standardisierungsgrad. Ergebnisse einer bundesweiten Bestandaufnahme Daniel Niederer Bewegungsparcours in der Therapie klinischer Depression – eine 63 randomisiert-kontrollierte Äquivalenzstudie III
C4: Psychologische Aspekte von Bewegung, Raum und Gesundheit 64-68 Christina Niermann Der Zusammenhang von Affekt und körperlicher Aktivität im Alltag – 65 Eine elektronische Tagebuchstudie Matthias Rabel The longitudinal association between patterns in change in physical 66 activity/weight change and health-related quality of life Bettina Wollesen Unterschiede zwischen Frauen und Männern in der Teilnahmemotivation 67 für Präventionskurse mit Bewegung Phillip Laemmert Sportliche Aktivität als Bewältigungsverhalten arbeitsbedingter 68 Anforderungen im Setting Hochschule Poster-Einreichungen 69-86 Andre Berwinkel Positive Effekte einer einmaligen Intervention au f das psychische 70 Wohlbefinden: Kein Unterschied zwischen Qigong und Joggen Laura Bischoff Instrumente zur Ermittlung von Stress am Arbeitsplatz – eine 71 systematische Literaturanalyse Andrea Dincher Zusammenhang von posturaler Instabilität und Mobilität bei 72 Parkinsonpatienten Alina Kirch Gültigkeit und Einsetzbarkeit eines Lehrerkodex zur positiven 73 Beeinflussung der Schülermotivation im Sportunterricht Melanie Kopp Zusammenhänge zwischen Konstitution und der 74 Standweitsprungleistung von Kindern und Jugendlichen Lena Kroll Gesundheitsförderung an der Universität, Yoga als Option? 75 Jule Kunkel Weg vom Reduktionismus und hin zu einem ganzheitlichen Ansatz der 76 Gesundheitsförderung Finja Rohkohl SpaceMark – Wie partizipatives Erforschen von Raumqualitäten gelingen 77 kann Steffen Schmidt Entwicklung der Aktivzellmasse (BIA) in der Lebensspanne 78 Melina Schnitzius MAKE THEM GO – Erstellung eines Lehrerkodex zur positiven 79 Beeinflussung der Schülermotivation im Sportunterricht Helmut Strobl Motivationale Voraussetzungen für körperlich-sportliche Aktivität von 80 Männern 50+ im Erwerbsleben und im Ruhestand Nadja Tabari PASTA (Physical Activity through Sustainable Transport Approches) – ein 81 EU-Projekt zur Förderung der aktiven Mobilität Rita Wittelsberger Drop-Out und Ergebnisevaluation von „AOKardio“ in Kooperation mit der 82 AOK NORDWEST Hagen Wulff Körperliche Aktivität und Mediennutzung bei Grundschulkindern in 83 Abhängigkeit soziodemografischer Faktoren Georg Wydra Screeningtests in Gesundheits- und Rehasport 84 Autorenverzeichnis 85-86 IV
dvs-Jahrestagung Bewegung, Raum und Gesundheit| 22. & 23. September 2016| Institut für Sport und Sportwissenschaft A1: Faktoren der physischen Umwelt und Bewegungsverhalten – auch ein Thema für Deutschland!? 1
Faktoren der physischen Umwelt und Bewegungsverhalten – auch ein Thema für Deutschland!? Walkability und körperlich aktives Mobilitätsverhalten in Bielefeld – eine GIS- basierte Analyse Jens Bucksch1, Emily Finne1 & Malte Bödeker2 1Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG Prävention und Gesundheitsförderung Hintergrund Ein nach baulich-technischen und infrastrukturellen Aspekten angelegtes bewegungsförderliches Wohnumfeld, auch als Walkability bezeichnet, erhöht das aktive Mobilitätsverhalten. Diese Evidenz stammt zumeist aus nicht-europäischen Studien. Deshalb sind europäische Walkability-Studien gefordert, um wohnortnahe bewegungsförderliche Konzepte auch hierzulande auf ihre städteplanerische Eignung zu prüfen. Dieser Beitrag stellt des- halb den Zusammenhang zwischen wohnortnaher Walkability und dem körperlich aktiven Mobilitätsverhalten (zu Fuß, mit dem Fahrrad) für die Stadt Bielefeld vor. Methodisches Vorgehen Aktiv zurückgelegte Wegestrecken wurden über eine Mobilitätsbefragung bei 2.796 Ein- wohnerinnen (51,5%) und Einwohner der Stadt Bielefeld erhoben. Zusätzlich wurde auf statistischer Bezirksebene die Walkability objektiv anhand von geographischen Informatio- nen zur Haushaltsdichte, der Flächennutzungsmischung, dem Verhältnis der tatsächlichen Verkaufsfläche zur gesamten Gewerbefläche („floor-area-ratio“) und der Straßenkonnekti- vität basierend auf administrativen Karten und OpenStreetMap berechnet. Mit logistischen Regressionen im Mehrebenenmodell wurde der Zusammenhang wohnortnaher Walkability mit dem aktiven Mobilitätsverhalten unter Adjustierung von Variablen auf der Individual- (Alter, Geschlecht, Führerschein), Haushalts- (Vorhandensein von Fahrrad und Auto) und statistischer Bezirksebene (Transferleistungsquote, Migrationsanteil) untersucht. Ergebnisse Der Anteil von Personen mit aktiver Mobilität lag bei 35,8%. Dieses Mobilitätsverhalten hing signifikant mit kleinerer Haushaltsgröße, geringer Verfügbarkeit von motorisierten Transportmitteln sowie mit einer höheren Walkability, einer höheren Transferleistungsquote sowie einem geringeren Migrationsanteil zusammen. Der Walkability-Score lag zwischen - 5.90 und 13.23 für die verschiedenen statistischen Bezirke. Unter Adjustierung al- ler Variablen auf Individual-, Haushalts und statistischer Bezirksebene stieg die Chance ein aktives Mobilitätsverhalten zu zeigen mit jeder positiven Veränderung des Walkability- Scores um eine Einheit statistisch signifikant um 9% [Odds Ratio = 1.09 (95% CI: 1.06 to 1.13)]. Diskussion Es wurde ein positiver Zusammenhang zwischen wohnortnaher Walkability und aktivem Mobilitätsverhalten für den deutschen Kontext empirisch belegt. Damit werden vor allem Studien außerhalb Europas bestätigt, auf dessen Basis bislang die Evidenz beruhte. Die Ergebnisse zeigen, dass die Art und Weise wie Städte geplant und gebaut werden, die Förderung körperlicher Aktivität zumindest in Bezug auf alltägliche Bewegungen unterstützen können. Eine engere Verzahnung von Stadt- und Verkehrsplanung mit dem Public Health-Sektor werden damit zwingend benötigt. 2
Faktoren der physischen Umwelt und Bewegungsverhalten – auch ein Thema für Deutschland!? Nutzungsverhalten und Aktivitätsniveau von Kindern auf Spielplätzen in Abhängigkeit von der räumlich-materiellen Spielplatzbeschaffenheit Anne Kerstin Reimers1 & Guido Knapp2 1Technische Universität Chemnitz, 2Technische Universität Dortmund Einleitung Kinder sind nachweislich körperlich aktiver, wenn sie sich „an der frischen Luft“ und nicht in geschlossenen Räumen aufhalten. Spielplätze sind öffentliche Räume, die auch in städtischen Gebieten insbesondere Kindern vielfältige Bewegungsmöglichkeiten eröffnen. Bezugnehmend auf sozial-ökologische Verhaltensmodelle ist anzunehmen, dass die räumlich-materielle Bewegungsumwelt das Bewegungsverhalten begünstigen oder hemmen kann, indem sie auf die Nachfrage und den Zugang von Bewegungsräumen Einfluss nimmt. Das vorliegende Forschungsprojekt hatte zum Ziel, den Einfluss der räumlich- materiellen Beschaffenheit von Spielplätzen auf das Spielplatznutzungsverhalten von Kindern sowie auf das Aktivitätsniveau von Kindern auf den Spielplätzen zu untersuchen. Methoden Eine Beobachtungsstudie wurde von März bis September 2015 auf zehn Spielplätzen eines Stadtteils der Stadt Konstanz durchgeführt. Die Beschaffenheit der Spielplätze wurde mittels Auditverfahren (zwei unabhängige Beobachter) und verfügbaren Daten aus dem Spielplatzbericht der Stadt Konstanz gemessen. Die Spielplatznutzung sowie das Aktivitätsniveau der Kinder, die die Spielplätze besuchten, wurden durch eine modifizierte Version des strukturierten Beobachtungsverfahrens „System for Observing Play and Leisure Activity in Youth“ (McKenzie, Marshall, Sallis, & Conway, 2000) erfasst. Bei der statistischen Auswertung wurden verallgemeinerte Schätzgleichungen zur Berücksichtigung der Clusterung der Beobachtungen auf den Spielplätzen angewandt. Ergebnisse Auf Spielplätzen mit mehr unterschiedlichen Spielgeräten und auf Spielplätzen, deren Spielflächen nicht natürlich gestaltet waren (bepflanzt, naturnahe Spielgeräte), hielten sich mehr Kinder auf und spielten mehr Kinder mit einer moderaten oder hohen körperlichen Aktivität. Stratifiziert nach Geschlecht zeigte sich zudem, dass auf Spielplätzen mit Freiflächen (Flächen ohne vorgegebene Nutzung) weniger Mädchen mit einer moderaten oder hohen Intensität spielten als auf Spielplätzen ohne Freiflächen. Die Ästhetik, die Sauberkeit, der Zustand der Spielgeräte und die Spielplatzfläche hatten keinen Einfluss weder auf die Spielplatznutzung noch auf die Anzahl an aktiven Kindern, die den Spielplatz nutzen. Schlussfolgerung Insbesondere die Bereitstellung verschiedener Spielgeräte auf Spielplätzen fördert die Spielplatznutzung und das Aktivitätsniveau von Kindern auf Spielplätzen. Literatur McKenzie, T.L., Marshall, S.J., Sallis, J.F., & Conway, T.L. (2000). Leisure-Time Physical Activity in School Environments: An Observational Study Using SOPLAY. Preventive Medicine, 30(1), 70-77. 3
Faktoren der physischen Umwelt und Bewegungsverhalten – auch ein Thema für Deutschland!? Wahrgenommene soziale und physische Umwelt als Determinanten körperlicher Aktivität von Jugendlichen Gorden Sudeck1, Jens Bucksch2 & Birgit Wallmann-Sperlich3 1Universität Tübingen, 2Universität Bielefeld, 3Universität Würzburg Hintergrund Sozial-ökologische Faktoren für die Erklärung des Bewegungsverhaltens gewinnen theoretisch wie empirisch zunehmend an Bedeutung. Für das Jugendalter liefern empirische Studien zu Determinanten der sozialen und physischen Umwelt allerdings inkonsistente Befunde, wobei es bisher an national repräsentativen Studien mangelt. Das Ziel der Studie ist es, den Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen sozialen und physischen Umwelt und der körperlichen Aktivität bei Jugendlichen in Deutschland zu untersuchen. Methoden Die Daten stammen aus dem nationalen Arm der internationalen Health Behaviour in School-aged Children (HBSC)-Studie 2013/14. Die Analysen beziehen 5.961 11- bis 15- jährige Mädchen (49.1%) und Jungen ein. Die abhängige Variable ist das Erreichen der WHO-Bewegungsempfehlung (täglich mindestens 60 Minuten moderate bis anstrengende körperliche Aktivität). Als unabhängige Variablen dienen sieben Items zur wahrgenommenen Umwelt (Sicherheit im Wohnumfeld [1 Item], soziale Umwelt [2], physische Umwelt [2], elterliche Regeln [2]), die im Rahmen der European Youth Heart Study validiert wurden. Die Hauptanalysen wurden anhand geschlechtsspezifischer logistischer Regressionsmodelle für jede unabhängige Variable durchgeführt, die für das Alter und den familiären Wohlstand kontrolliert wurden. Ergebnisse 19,1% der Jungen und 12,0% der Mädchen erreichen die WHO-Bewegungsempfehlung. Die soziale Umwelt in Bezug auf die Möglichkeit mit anderen Jugendlichen im Haus oder im Wohnumfeld zu spielen sind mit dem Erreichen der Bewegungsempfehlung statistisch signifikant assoziiert (Jungen: OR=1,46 [95%-CI: 1,18-1,80]; Mädchen: OR=1,47 [1,14- 1,83]). Bei der physischen Umwelt hängt das Vorhandensein von Spielplätzen/Parks signifikant mit dem Bewegungsverhalten nur bei Jungen zusammen (Jungen: OR=1,27 [1,02- 1,58]; Mädchen: OR=1,12 [0,89-1,44]). Die wahrgenommene Sicherheit im Wohnumfeld oder familiäre Regeln, um sich draußen bewegen zu dürfen, sind nicht mit der Bewe- gungsempfehlung assoziiert. Diskussion Sowohl Aspekte der sozialen wie der baulich-technischen Umwelt sind mit dem Erreichen der WHO-Bewegungsempfehlung im Jugendalter verbunden. Die physische Umwelt scheint eine größere Rolle für Jungen zu spielen. Die Ergebnisse sprechen für sozial- ökologische Ansätze in der Bewegungsförderung, wobei geschlechtsspezifische Besonderheiten des umweltbedingten Aktivitätsverhaltens zu berücksichtigen sind. Entsprechende Interventionsansätze z. B. zur Gestaltung von Nachbarschaften und deren Wahrnehmung werden bekräftigt. 4
Faktoren der physischen Umwelt und Bewegungsverhalten – auch ein Thema für Deutschland!? Schreibtischtäter – welche Büroumgebung bringt uns zum Aufstehen? Birgit Wallmann-Sperlich1,2, Ingo Froböse2 1Institut für Sportwissenschaften, Julius-Maximilians Universität Würzburg, 2Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation Einleitung Forschungsergebnisse konstatieren, dass lange Sitzzeiten als ein von moderater und höher intensiver körperlicher Aktivität unabhängiger gesundheitlicher Risikofaktor angesehen werden muss (de Rezende et al., 2014). Dabei scheinen häufige Unterbrechungen des Sitzen zu positiven metabolischen gesundheitlichen Auswirkungen unabhängig von der Gesamtsitzzeit zu führen (Chastin et al., 2015). Lange Sitzzeiten sind vor allem in der westlichen Arbeitswelt durch eine deutliche Verschiebung von körperlicher hin zur kognitiven Schreibtischarbeit ausgeprägt und deuten auf eine große Public Health Relevanz hin. Hierbei kann die räumliche Büroumgebung durch geeignete Büroausstattung und – Anordnung entscheidend dazu beitragen, Sitzzeiten zu reduzieren sowie diese zu unterbrechen (Löffler et al., 2015). Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Bürositzzeiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu quantifizieren und den Einfluss von räumlichen Büroausstattungsmerkmalen wie z.B. höhenverstellbare Schreibtische, zentrale Drucker- und Kopierräume etc. auf die Sitzzeiten und das Unterbrechen zu untersuchen. Methode Mit Hilfe einer repräsentativen deutschlandweiten Telefonbefragung (Befragungszeitraum: März – Anfang April 2016) werden insgesamt ca. 3000 Einwohner bezüglich ihres Gesundheitsverhaltens befragt. Eine Substichprobe der arbeitenden Befragten, die vornehmlich am Schreibtisch arbeiten, werden nach dem prozentualen Anteil ihrer Arbeitszeit, die sie mit Sitzen, Gehen, Stehen oder körperlicher Arbeit verbringen befragt sowie nach der Anzahl der typischen Sitzunterbrechungen pro Stunde (Dunstan et al., 2013). Des Weiteren werden Sie zu Büroausstattungsmerkmalen an Ihrem Arbeitsplatz befragt, die sie dabei unterstützen, bei der Arbeit häufiger aufzustehen und weniger zu sitzen. Die geplanten statistischen Analysen umfassen die Analyse der Bürositzzeiten und den Unterbrechungen des Sitzens sowie multiple lineare Regressionen, die den Einfluss räumlicher Faktoren auf die abhängige Variable Bürositzzeit sowie Unterbrechung der Bürositzzeit untersucht. Literatur Chastin, S. F., Egerton, T., Leask, C. & Stamatakis, E. (2015). Meta-analysis of the relationship between breaks in sedentary behavior and cardiometabolic health. Obesity (Silver Spring), 23 (9), 1800-1810. de Rezende, L. F., Rodrigues Lopes, M., Rey-Lopez, J. P., Matsudo, V. K. & Luiz Odo, C. (2014). Sedentary behavior and health outcomes: an overview of systematic reviews. PLoS One, 9 (8), e105620. Dunstan, D. W., Wiesner, G., Eakin, E. G., Neuhaus, M., Owen, N., Lamontagne, A. D., et al. (2013). Reducing office workers' sitting time: rationale and study design for the Stand Up Victoria cluster randomized trial. BMC Public Health, 13 (1), 1057. Löffler, D., Wallmann-Sperlich, B., Wan, J., Knött, J., Vogel, A. & Hurtienne, J. (2015). Office Ergonomics Driven by Contextual Design. Ergonomics in Design: The Quarterly of Human Factors Applications, 23 (3), 31- 35. 5
dvs-Jahrestagung Bewegung, Raum und Gesundheit| 22. & 23. September 2016| Institut für Sport und Sportwissenschaft A2: Die Schule als Raum für Bewegung und Gesundheit 6
Die Schule als Raum für Bewegung und Gesundheit Bewegungsförderung im Sportunterricht Elke Knisel, Ronny Raue, Benjamin Langer & Helge Rupprich Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Einleitung Gesunde Lebensstile bilden sich im Kindes- und Jugendalter aus und Bewegungsaktivität spielt dabei eine bedeutende Rolle. Die WHO empfiehlt täglich mindestens 60 Minuten moderate Bewegungsaktivität zur Gesundheitsförderung. Weltweit ist zu beobachten, dass viele Kinder und Jugendliche dies nicht erfüllen (Guthold et al., 2010). Der Sportunterricht bietet ein hervorragendes Setting, um Bewegungsaktivität zu fördern (Fairclough & Stratton, 2005). Allerdings zeigen Studien, dass auch die Bewegungsaktivität innerhalb des Sportunterrichts häufig viel zu gering ist (Aelterman et al., 2012). Methode Ziel der Interventionsstudie war es, durch das Fördern von Selbstregulationsfähigkeit die Bewegungsaktivität im Sportunterricht zu verbessern. Eine gute Selbstregulationsfähigkeit bedeutet, Selbstbestimmungs- und Selbstkontrollstrategien adäquat einzusetzen und damit das Bewegungsverhalten zu steuern. Die Intervention beinhaltete u.a. das Anbieten von Wahlmöglichkeiten und freien Bewegungszeiten oder Kompetenzerwerb im Umgang mit Misserfolgen und negativen Emotionen. Hierzu wurde im Vorfeld eine Lehrerschulung durchgeführt. Über drei Monate wurde die Bewegungsaktivität von 150 Schüler (w=78, m=72) im Alter von 10-16 Jahren (M=12.71; SD=.47) mittels Akzerlometer gemessen. Ergebnisse Die Ergebnisse zeigen, dass sich in den 45 Minuten umfassenden Unterrichtseinheiten (UE) keine signifikanten Unterschiede in der Bewegungsaktivität der Interventionsgruppe und der Kontrollgruppe ergeben. In den 90 Minuten UE finden sich die erwarteten Ergeb- nisse. Die Schüler der Interventionsgruppe bewegen sich signifikant mehr als diejenigen der Kontrollgruppe. Diskussion Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass eine UE von 45 Minuten, die höchstens ein Drittel effektive Unterrichtszeit umfasst, nicht ausreichend ist, um selbstregulierende Strategien in der Form zu fördern, dass sie zu mehr Bewegungsaktivität im Sportunterricht führen und damit einen Beitrag zum Aufbau eines gesunden Lebensstils leisten. Literatur Aelterman, N., Vansteenkiste, M., van Keer, H., van den Berghe, L., Meyer, J. de & Haerens, L. (2012). Stu- dents' objectively measured physical activity levels and engagement as a function of between-class and between-student differences in motivation toward physical education. Journal of Sport & Exer- cise Psychology, 34(4), 457–480. Fairclough, S.J. & Stratton, G. (2005) Physical Activity Levels in Middle and High School Physical Education: A Review. Pediatric Exercise Science, 17, 217-218. Guthold, R., Cowan, M.J., Autenrieth, C.S., Kann, L. & Riley, L.M. (2010). Physical inactivity and sedentary behaviour among schoolchildren: A 34-country comparison. Journal of Pediatrics, 157(1), 43-49. 7
Die Schule als Raum für Bewegung und Gesundheit Handlungsleitende Kognitionen von Sportlehrkräften zur Perspektive Gesundheit– Ergebnisse der Health.edu-Studie Katharina Heß & Susanne Tittlbach Universität Bayreuth Einleitung Erziehender Sportunterricht und das Prinzip der Mehrperspektivität haben sich für die Ausgestaltung eines modernen Sportunterrichts etabliert. Schulsportforschung macht je- doch deutlich, dass die Realität von Sportunterricht vielfach von den in Curricula festgeleg- ten Aspekten abweicht (Krick, 2010) – so auch beim Thema Gesundheit. Ein zentraler Grund für Differenzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird in den handlungsleitenden Kognitionen der Lehrkräfte (Groeben & Schelle, 2010) gesehen. Dieser Beitrag stellt Er- gebnisse zu handlungsleitenden Kognitionen von Sportlehrkräften zum Thema Gesundheit vor, die im Projekt Health.edu (BMBF-Förderkennzeichen: 01EL1421D) erfasst wurden. Methode Die handlungsleitenden Kognitionen von 16 Sportlehrkräften (9 weiblich, 7 männlich) wurden mittels Problemzentrierten Interviews erfasst. Die Transkription der Interviews stellt die Basis für die computergestützte qualitative Inhaltsanalyse dar, die anhand der deduktiven Kategorien „Gesundheitsverständnis“, „Ziele“, „Inhalte“ und „Methoden“ erfolgt. Ergebnisse Es zeigt sich, dass das Gesundheitsverständnis mehrheitlich salutogenetisch geprägt ist. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der objektivierenden Position, z.B. Fitness. Die subjektivierende Position, z.B. Wohlbefinden, wird meist ergänzend genannt. Zentrale Ziele der Lehrkräfte sind es, lebenslanges, freudvolles Sporttreiben außerhalb der Schule anzure- gen bzw. Körperbewusstsein und -sensibilität zu vermitteln. Konkreter zielen Lehrkräfte z.B. darauf ab, „Handwerkszeug für gesundes Bewegen mit auf den Weg zu geben“. Inhalte der objektivierenden Position werden von den Lehrkräften als zentrales Thema genannt (Kondition und Koordination). Die subjektivierende Position wird ausschließlich von weiblichen Lehrkräften als wichtig erachtet. Hinsichtlich der Methoden im Sportunterricht lassen sich nur sehr oberflächliche Ergebnisse erkennen. Einzelfälle berichten von lehrerzentriertem Unterricht, der ab der Mittelstufe sporadisch geöffnet wird. Diskussion Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse bei der Mehrheit der Sportlehrkräfte ein eher traditionelles Verständnis des Sportunterrichts im Sinne des Sportartenkonzeptes – insbesondere im Hinblick auf Inhalte und Methoden. Hinsichtlich der Ziele zeigt sich jedoch, dass einige Lehrkräfte bereits die Herausbildung eines Gesundheitsbewusstseins sowie von gesundheitsbezogener Handlungsfähigkeit bei ihren Schülern anstreben. Literatur Groeben, N. & Scheele, B. (2010). Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien. In G. Mey & K. Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie (S. 151-165). Wiesbaden: VS. Krick, F. (2010). Lehrplankonzepte. In N. Fessler, A. Hummel, G. Stibbe & I. Bähr (Hrsg.), Handbuch Schul- sport (S. 180-191). Schorndorf: Hofmann. 8
Die Schule als Raum für Bewegung und Gesundheit Einfluss einer täglichen Sportstunde auf die motorische Leistungsfähigkeit und hämodynamische Faktoren bei Schulkindern KETELHUT, Kerstin1, KETELHUT, Reinhard2, HACKE, Claudia,4, KETELHUT, Sascha2,3 1SRH Hochschule für Gesundheit, Gera 2Charité - Universitätsmedizin Berlin, 3Department Sportwissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 4Universitätsklinikum Eppendorf, Hamburg Einleitung: Bereits im Kindesalter zeigt regelmäßige körperliche Aktivität nicht nur einen positiven Einfluss auf die motorische Leistungsfähigkeit (ML), sondern auch auf den peripheren Blutdruck (BD) (Ketelhut et al. 2010). Welche Auswirkungen eine regelmäßige Bewegungsintervention auf Parametern der Gefäßelastizität wie den zentralen BD und die Pulswellengeschwindigkeit (PWV), denen ein höherer prognostischer Wert hinsichtlich zukünftiger kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität zugesprochen wird (Roman et al., 2007) hat, war Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Methode: 46 Schüler (Alter 7±0.7, BMI 16±3) wurden mittels Cluster-Randomisierung in eine Interventions- (IG) (N=24) und eine Kontrollgruppe (KG) (N=22) eingeteilt. Während einer 9-monatigen Interventionsphase (IP) erhielt die IG zum normalen Sportunterricht (3x45 Minuten pro Woche) eine zusätzliche Bewegungsintervention (2x45 Minuten pro Woche). Vor und nach der IP wurde die ML mittels des Deutschen Motoriktests (DMT 6-18) sowie der periphere und zentrale BD und die PWV nicht invasiv mittels Mobil-O-Graph (24 PWA Monitor, IEM) in beiden Gruppen registriert. Ergebnisse: Die IG zeigte eine signifikant (p>0.001) stärkere Verbesserung der ML (z- Gesamtwert) über den Verlauf der IP. Ferner zeigte sich bei der IG eine signifikante Abnahme (p < 0.05) des peripheren systolischen und des zentralen diastolischen BD sowie der PWV (p < 0.05). Bei der KG war nach der IP hingegen ein Anstieg aller gemessener Parameter zu verzeichnen. Somit zeigte die IG bei gleichen Ausgangswerten nach der IP signifikant niedrigere Werte in allen hämodynamischen Parametern im Vergleich zur KG. Diskussion: Schon bei 7-jährigen Kindern zeigt eine tägliche Sportstunde nicht nur positive Effekte hinsichtlich der ML und des peripheren BD sondern auch in Bezug auf den zentralen Druck und der PWV. Ursächlich hierfür könnte eine bewegungsinduzierte Verbesserung der endothelialen Funktion sowie vasoaktiver Substanzen sein (Beck, et al., 2013). Eine Steigerung der Bewegungszeit im Kindesalter scheint somit ratsam. Literatur: Beck DT, Martin JS, Casey D, Braith W. (2013). Exercise Training Reduces Peripheral Arterial Stiffness and Myocardial Oxygen Demand in Youg Prehypertensive Subjects. Am J Hyp., 26 (9), 1094-1102. Ketelhut, K., Mohasseb, I. & Ketelhut, R. (2010). Einfluss eines regelmäßigen Bewegungsprogramms auf die Blutdruckentwicklung in Ruhe und bei Belastung sowie die motorische Entwicklung im Kindergarten- alter. Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin und Sporttraumatologie, 58 (4), 115-119. Roman, M., Devereux, R., Kizer, J., Lee, E., Galloway, J., Ali, T., et al. (2007). Central Pressure more strong- ly relates to vascular disease and outcome than does brachial pressure: the strong heart study. Hypertension, 50 (1), 197-203. 9
Die Schule als Raum für Bewegung und Gesundheit Sportbezogene Gesundheitskompetenz von Schülerinnen und Schülern Susanne Tittlbach1, Helmut Strobl1, Katharina Heß1, Clemens Töpfer2 & Ralf Sygusch2 1Universität Bayreuth, 2Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Einleitung Im Rahmen des fachdidaktischen Konzepts der Handlungsfähigkeit mit dem Prinzip der Mehrperspektivität sollen Schülerinnen und Schüler unter der Perspektive Gesundheit befähigt werden, Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen und die eigene Gesundheit selbstständig zu erhalten bzw. immer wieder neu herzustellen (Kurz, 2004). Töpfer und Sygusch (2014) entwickelten angelehnt an diesen Ansatz im Rahmen der Kompetenzorientierung sowohl das Modell zur sportbezogenen Gesundheitskompetenz als auch einen Fragebogen zur Erfassung dieser bei Schülerinnen und Schülern. Der Fragebogen wird in der Health.edu Studie (BMBF-Förderkennzeichen: 01EL1421D) zur Entwicklung der sportbezogenen Gesundheitskompetenz eingesetzt. Methode Der Paper-Pencil-Fragebogen zur sportbezogenen Gesundheitskompetenz besteht aus 37 Items, die verschiedene Kompetenzbereiche (Erkunden & Erschließen, Ordnen & Beurteilen, Entscheiden & Planen), Anforderungsniveaus (Alltagswissen, Fakten, Prozesse, Kausalität, multivariate Interdependenz) und gesundheitsbezogene Themenfelder (objektivierend, subjektivierend, integrierend, erweiternd) abdecken. Die Erfassung erfolgt sowohl quantitativ (Single-/Multiple-Choice-Aufgaben) als auch qualitativ (offene Aufgaben). Für die Bestandsaufnahme (t0) in der Health.edu Studie wurden n=300 Schülerinnen (57%) und Schüler der Klassenstufen 7-10 an 4 Realschulen und 4 Gymnasien befragt. Ergebnisse Erste Ergebnisse zur Analyse von Kompetenzbereichen und gesundheitsbezogenen The- menfeldern zeigen Unterschiede zwischen Klassenstufen, Geschlecht und Schulformen. Schülerinnen und Schüler höherer Klassenstufen, Mädchen sowie Gymnasiasten schnei- den signifikant besser ab als Schülerinnen und Schüler niedriger Klassenstufen, Jungen sowie Realschüler. Diese Ergebnisse gelten sowohl für die Analysen zu den Kompetenzbereichen (in erster Linie Erkunden & Erschließen sowie Ordnen & Beurteilen) als auch zu den gesundheitsbezogenen Themenfeldern (objektivierend vs. subjektivierend). Diskussion Die ersten Ergebnisse machen deutlich, dass aufgrund der Bedeutung der sportbezogenen Gesundheitskompetenz für einen gesundheitsorientierten Lebensstil deren Förderung insbesondere in der Realschule als auch bei Jungen vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Literatur Töpfer, C. & Sygusch, R. (2014). Gesundheitskompetenz im Sportunterricht. In S. Becker (Hrsg.), Aktiv und Gesund? Interdisziplinäre Perspektiven auf den Zusammenhang zwischen Sport und Gesundheit (S. 153- 179). Wiesbaden: Springer VS. Kurz, D. (2004). Von der Vielfalt sportlichen Sinns zu den pädagogischen Perspektiven im Schulsport. In P. Neumann & E. Balz (Hrsg.), Mehrperspektivischer Sportunterricht (S. 57-70). Schorndorf: Hofmann. 10
dvs-Jahrestagung Bewegung, Raum und Gesundheit| 22. & 23. September 2016| Institut für Sport und Sportwissenschaft A3: Theoretisch-konzeptionelle Ansätze zu Bewegung, Raum und Gesundheit 11
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze zu Bewegung, Raum und Gesundheit Selbstvergewisserung – Ein Weg zum positiven Gesundheitsverständnis durch situationsräumliche Reflexivität Das Verhältnis von „Gesundheit und Raum“ ist im populären Alltagsdiskurs meistens durch zwei nicht weiter ausgeführte Vorannahmen bestimmt. Die „Gesundheitserfahrung“ wird als „physisch-psychische Befindlichkeit“ expliziert und „Raum“ wird im Sinne von „Räumlichkeit“ als Container-Raum verstanden. Ergänzt durch die zunehmende Ästhetisierung des Alltags ergibt sich daraus im Bemühen um ein positives Gesundheitsverständnis u.a. das Bild der verschiedene Wellness-Angebote. Im Beitrag soll gezeigt werden, dass diese eingängigen Bilder emotionaler Erholungsvorstellungen letztlich nur wirksam werden können, wenn tiefer liegende Voraussetzungen und deren Dialektik beachtet werden: - (Container)Räumlichkeit – (Beziehungs) Raum - Negative (nicht-krank) Gesundheitsvorstellung – positive Gesundheitsannahmen - Leiblichkeits-Identität – Körperlichkeits-Wissen Ein wesentlicher Bereich, in dem diese wechselseitigen Bedingungen nicht nur analytisch unterstellt, sondern auch reflexiv verarbeitet werden, sind körperliche Bewegungen. D.h. unabhängig von den meist physisch begründeten Appellen hinsichtlich der körperlichen Bewegung im Gesundheitsdiskurs gibt es eine prinzipielle Bedeutung körperlicher Bewegungen zur identitätssichernden „Selbstvergewisserung“ des Menschen in der Welt. Dies bedeutet: Wenn wir über die menschlichen Bewegungsbedingungen im Raum sprechen, dann ist das nicht ein Reden über einen bewegten Körper im Raum, sondern immer eine „sich selbst bewegende leiblich/körperliche Person“, die von sich sagen kann, „ich bewege mich“. Diese explizite Selbstreflexivität ist eine gattungsspezifische Besonderheit des zur Intentionalität fähigen, aufrecht gehenden Menschen, der damit seine, wie Plessner es nennt, “Exzentrische Positionalität“ zum Ausdruck bringt. Körperliche Bewegung ist damit nicht nur Ausdruck territorialer Mobilität, sondern in Bezug auf die Sicherstellung von Rhythmus und Gleichgewicht immer auch Ausdruck einer situationsräumlichen Reflexivität. Sie ist der Sprachlichkeit zwar vorgelagert und präverbal aber nicht präreflexiv. Daraus folgt: Der sich bewegende Körper ist nicht nur eine notwendige, sondern auch hinreichende Bedingung menschlicher Selbstvergewisserung – eine der Grundkategorien des nicht nur Krankheit vermeidenden, sondern Gesundheit auch aktiv anstrebenden Menschen 12
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze zu Bewegung, Raum und Gesundheit Partizipation bei Interventionen – nicht nur eine Floskel, sondern wahre Integration der Zielgruppe Jule Kunkel1 1Karlsruhe Institut für Technologie Einleitung Partizipation und damit verwandte Begriffe tauchen häufig im Zusammenhang mit Inter- ventionen oder Forschungsprojekten im Bereich Bewegung und Gesundheit auf – häufig mit der Bedeutung, dass die Zielgruppe bei Methoden wie Interviews, Fokusgruppen oder Fragebögen einbezogen werden sollte. Das Forschungsprojekt selbst bleibt allerdings in einem positivistischen, forscher-zentrierten Kontext. Alternative Ontologien, Epistemologien oder Paradigmen werden indes nicht berücksichtigt und die Zielgruppe hat nicht die Gelegenheit, die Forschungsprojekte mitzugestalten. Inhalt der Präsentation Anhand eines PhD-Forschungsprojektes zur Gesundheitsförderung mit und für Jugendliche (“A healthy lifestyle campaign by-youth-for-youth: the challenge of empowerment and the potential of collaboration”) soll eine praktische Umsetzung von Partizipation sowie eine Alternative zum Positivismus vorgestellt werden. Action Research als übergeordnete Methodik ist partizipatorisch und demokratisch, während sie positiven Wandel voraussetzt. Statt realitätsfern zu sein, ermöglicht sie die Forschung in der echten Welt. Aus der Wahl dieser Methodik ergab sich in diesem Fallbeispiel eine relativistische Ontologie und subjektivistische Epistemologie. Die Kontrolle verteilt sich auf die Forscher sowie die Teilnehmer (Denzin & Lincoln, 2000). Weiterhin können anhand dieser Ansätze auch andere Normen infrage gestellt werden, wie beispielsweise die distanzierte dritte Person der wissenschaftlichen Literatur, von der sich selbst die American Psychological Association (2010) distanziert. Während der Fokus der Präsentation das Potenzial von Partizipation der Zielgruppe im Forschungsbereich Bewegung, Raum und Gesundheit ist, sollen auch die Möglichkeiten der damit zusammenhängenden alternativen Ansätze ausgeleuchtet und bezüglich ihres Nutzens für die Forschungspraxis diskutiert werden. Literatur Denzin, N. K., & Lincoln, Y. S. (Eds.). (2000b). The handbook of qualitative research (2nd ed.). Thousand Oaks, CA: Sage. American Psychological Association. (2010). Publication manual of the American Psychological Association (6th ed.). Washington, DC: American Psychological Association. 13
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze zu Bewegung, Raum und Gesundheit Von der Fähigkeits- zur Mobilitätsorientierung im Gesundheitssport Georg Wydra1 & Christian Kaczmarek1 1 Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes Schlüsselwörter: ICF, Motorik, Mobilität, Rehasport Die Stärkung physischer Gesundheitsressourcen stellt ein Kernziel des Gesundheits- und Rehasports dar (Brehm et al., 2006). Die Beschreibung und Differenzierung dieser physischen Gesundheitsressourcen erfolgt zumeist in Anlehnung an das von Bös und Mechling (1976) vorgestellte Motorikmodell, wobei eine Fokussierung auf die motorischen Fähigkeiten erfolgt. Dieses Modell hat sich aufgrund seiner theoretischen Fundierung und empirischen Überprüfung in der Sportwissenschaft etabliert. In jüngster Zeit wurden aber von verschiedenen Autoren alternative Modellvorstellungen vorgelegt. Diese orientieren sich an dem in den Bildungswissenschaften gebräuchlichen Begriff der Kompetenz. Herrmann und Gerlach (2014) sprechen von motorischen Basiskompetenzen und Basisqualifikationen. Hummel und Borchert (2015) verweisen darauf, dass die klassischen Begrifflichkeiten Fähigkeiten und Fertigkeiten theoretisch in der Motorikforschung bzw. Trainingswissen- schaft verankert seien und durch eine Kompetenzorientierung die Anschlussfähigkeit an die Diskussion in den Bildungswissenschaften besser möglich sei. Des Weiteren wird auf die Kontextbezogenheit des Kompetenzmodells verwiesen. Analog hierzu stellt die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) die Basis für eine gemeinsame Sprache im medizinisch- therapeutischen Milieu dar (DIMDI, 2005). Der Domäne Mobilität kommt hierbei als Funktionalitätskriterium und Bindeglied zwischen den ICF-Komponenten Aktivitäten und Partizipation eine besondere Bedeutung zu (Jette, et. al., 2003). So können alle Alltagsfertigkeiten und Aktivitäten, die ein Individuum in seinem Lebensraum vollzieht, unter dem Mobilitätsaspekt zusammengetragen werden. Zur Mobilität gehören Körperposition ändern und aufrechterhalten, Gegenstände tragen, bewegen und handhaben, Gehen und sich fortbewegen und sich mit Transportmitteln fortbewegen. Die Formulierung von Mobilität als Kernziel von Gesundheits- und Rehasport hat eine Reihe von Konsequenzen für die Zielformulierung, die inhaltliche Gestaltung des Gesundheits- und Rehasports und die Diagnostik. Literatur Bös, K., & Mechling, H. (1976). Dimensionen der Motorik. Schorndorf: Hofmann. Brehm, W., Janke, A., Sygusch, R., & Wagner, P. (2006). Gesund durch Gesundheitssport. Weinheim: Ju- venta. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) (2005). Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. Köln: Autor. Herrmann, C., & Gerlach, E. (2014). Motorische Basiskompetenzen in der Grundschule. Sportunterricht, 63, 322 - 328. Hummel, ‚A., & Borchert, T. (2015). Entwicklung motorischer Kompetenzen schließt Förderung motorischer Fähigkeiten ein. Sportunterricht, 64, 138 - 144. Jette, A. M., Haley, S. M. & Koojoomjian, J. T. (2003). Are the ICF Activity and Participation dimensions distinct? Journal of Rehabilitation Medicine, 35, 145 - 149. 14
dvs-Jahrestagung Bewegung, Raum und Gesundheit| 22. & 23. September 2016| Institut für Sport und Sportwissenschaft A4: Urbane Räume der Bewegung und Gesundheit 15
Urbane Räume der Bewegung und Gesundheit AktivE Jugend – bewegungsaktive Mobilität von Jugendlichen in öffentlichen Räumen in Wien Rosa Diketmüller1, Franz Mairinger, Irene Bittner1,2, Michael Kolb1, Thomas Schauppenlehner2, Florian Reinwald2, Verena Beiser2, Doris Damyanovic2 & Martin Niegl3 1Universität Wien, 2Universität für Bodenkultur Wien, 3Komobile – Büro für Verkehrsplanung Wien Einleitung Das Projekt AktivE Jugend untersucht Möglichkeiten und Chancen des Einsatzes mobiler Geräte, um aktive Mobilität und öffentliche Räume, in denen Jugendliche bewegungsaktiv sind, zu erheben. Ein interdisziplinäres Team mit SportwissenschafterInnen, Landschafts- und VerkehrsplanerInnen erhebt und analysiert diese Daten und entwickelt ein Methodenset, das sowohl Analysezwecken dient als auch Jugendliche durch die Verwendung mobiler Geräte und den Einsatz geobasierter Spiele zu vermehrter Aktivität anregt. Methoden Zur Entwicklung eines Methodensets wurden verschiedene Methoden für die Analyse und die Aktivierung Jugendlicher eingesetzt. 35 SchülerInnen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren aus zwei Wiener Schulen (eine innerstädtische, eine in Stadtrandlage) beteiligten sich an der Eingangserhebung. Nach einem Einstiegsworkshop u.a. zu Themen des Datenschutzes wurde das raumbezogene Bewegungsverhalten mittels Akzelerometer (Actigraph GT3X+) und dem Smartphone-App Moves während einer Woche aufgezeichnet. Ergänzende Informationen und Bewertungen der aufgesuchten Orte wurden mit einem Bewegungstagebuch und einem Onlinefragebogen erhoben. In einem Ergebnisworkshop wurden die Ergebnisse mit den SchülerInnen diskutiert. Im interdisziplinären Team wurden die Daten kommunikativ validiert und triangulatorisch ausgewertet. Ergebnisse Die Ergebnisse zeigen, dass Jugendliche beider Schulen an Wochentagen deutlich aktiver waren als an Wochenenden. Während Radfahren trotz verschiedener städtischer Initiativen eher an Wochenenden stattfindet, kommt dem Gehen eine zentrale Bedeutung zu. Die Bewegungsprofile hochaktiver SchülerInnen zeichnen sich durch komplexere Aktivitätsprofile innerhalb der Stadt aus und nützen unterschiedliche Typen öffentlicher Plätze (Straßen, Flächen, Parks). Inaktivere SchülerInnen nutzen für ihre aktive Mobilität vorwiegend Straßen im Rahmen ihrer Alltagswege (Schulweg). Diskussion Zusammenfassend zeigt sich insbesondere in Auswertung und Interpretation der besondere Mehrwert des interdisziplinären Ansatzes, der die Entwicklung neuer Methoden durch die Möglichkeiten der grafischen Darstellung raumbezogener Mobilitätsformen unterstützt und Jugendlichen neue Einblicke in ihr bewegungsbezogenes Mobilitätsverhalten eröffnet. Gerade die Rückmeldungen der SchülerInnen lassen erwarten, dass der Einsatz mobiler Endgeräte eingebunden in verschiedene Aktivierungsformen durchaus als Chance gesehen wird, zu einem höheren Aktivitätslevel und zu erweiterten Mobilitäts- und Bewegungsräumen beizutragen. 16
Urbane Räume der Bewegung und Gesundheit Wohnumfeld und Gesundheit zur Bedeutung der Gestaltqualität von städtischen Freiräumen Dieter Pfrommer Hintergrund Angesichts der heute immer noch weiter um sich greifenden nachteiligen Veränderungen von Lebensbedingungen in Städten sind örtliche wie globale Bemühungen notwendig, um nachteilige Belastungen für den Mensch und die menschliche Gesundheit zu mindern und gesundheitliche Chancengleichheit in allen Bereichen zu schaffen. basics Die Forschung im Bereich der Gesundheits- und Sozialwissenschaften wie auch der Stadtsoziologie und Urbanität widmet sich zunehmend den Wirkungen der Gestaltqualität städtischer Freiräume auf die Gesundheit. Ein Überblick über dabei deutlich gewordene vielschichtige Erkenntnisse (siehe auch Literaturhinweise) soll den Rahmen stecken. Hauptteil Auf Grundlage neuer Erkenntnisse über die Bedeutung von Gestalt- und Umweltqualitäten auf das Wohlbefinden der Bewohner vertieft der Vortrag, wie entsprechende Bemühungen betrieben werden und wie sie Eingang in die Planung städtischer Freiräume finden können. Mit Blick auf diverse Handlungsfelder werden die Werte der Freiräume für die Stadt und deren Bevölkerung erörtert. Damit verbunden ergeben sich neue Argumentationslinien zu Fragestellungen und Herangehensweisen der Planer und Kommunen zum Schutzgut „Mensch und menschliche Gesundheit“. Ziel Stadtentwicklung als Strategie für Urbanität muss weitsichtiger werden. Unwirtlichkeit und devastierte Räume sind als Aufgaben auszumachen und deutlich zu thematisieren. Mit einer Entwicklung durch Nachverdichtung in Innenbereichen werden aber nicht selten falsche Weichen gestellt: eine damit verbundenen Verknappung von Freiräumen ist kontraproduktiv. Angesichts der Vielfalt an gesundheitsrelevanten Potenzialen und Wirkungen muss Gestaltqualität mit ihren dem jeweiligen Ort zukommenden individuellen Wohlfahrtswirkungen erkannt und weiter gestärkt werden. Literatur Abraham, A.; Sommerhalder, K.; Bolliger-Salzmann, H.; Abel, T.; Landschaft und Gesundheit: Das Potential einer Verbindung zweier Konzepte mit umfangreichen Verweisen, Uni Bern – 2007 Blöß, T.: Homöopathie und Stadtentwicklung - Globuli für eine kranke Stadt, Deutsches Ärzteblatt 2007; 104 Antonovsky, A.; Franke, A.; Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit, dgtv-Verlag, Tübingen, 1997 Heiler, A.; Brei, B.; Claßen, T.; Hornberg, C.; Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften: Ressource Stadtgrün - Austausch zwischen Landschaftsarchitektur und Gesundheitswissenschaften wünschenswert mit weiteren Literaturverweisen in: Landschaftsarchitekten Heft 4/2010; bdla Berlin Pfrommer, D.: Vitamin G – Grün und Gesundheit - Neue Sichtweisen für Landschaftsarchitekten in: StadtGrün Hrsg.: A. Jirku, Fraunhofer-IRB-Verlag 2013 17
Urbane Räume der Bewegung und Gesundheit Junge StadtLandschaften Informelle Bewegungsräume als Vorrausetzung für eine gute psycho-soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen Friedhelm Terfrüchte Gesundheit des Menschen ist laut Weltgesundheitsorganisation „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ (Verfassung der Weltgesundheitsorganisation) Der Beitrag befasst sich nicht mit den „körperlichen“ Gesundheitsaspekten (z.B. Bewegung), auch nicht im weitesten Sinne mit ökologischen Voraussetzungen für körperliches Wohlergehen (Klimaschutz, Immissionsschutz etc.). Der Beitrag stellt die informellen Freiräume als Voraussetzungen für eine „gesunde“ psycho-soziale Entwicklung vor allem der jungen Stadtbewohner in den Vordergrund Dieser Aspekt ist Gegenstand von Untersuchungen, Programmen und Projekten auf nationaler und kommunaler Ebene: Vor allem Kinder aber auch Jugendliche sehen die Stadt anders als Erwachsene. Die Veränderungen der Außen- und der Innenwelt für Kinder und Jugendliche ist in den letzten Jahrzehnten mit enormen Konsequenzen vonstattengegangen: Verhäuslichung und Medialisierung sind nur zwei ergebnisbeschreibende Begriffe (Kinder_Sichten – Städtebau und Architektur für und mit Kindern und Jugendlichen, LBS-initiative Junge Familie 2006) Der „Nationale Aktionsplan für ein kindergerechtes Deutschland“ weist auf die entwicklungspsychologische Bedeutung von Freiräumen hin. Die Stadt Wien untersucht die Auswirkungen von Freiraummangel auf Kinder und Jugendlichen und betreibt unter dem Motto „mehr platz!“ Lobbyarbeit für Freiräume. Die Stadt Hannover bietet ein umfassendes Jahresprogramm unter dem Motto „FREIRAUM entdecken – ausprobieren – erfahren“ an und weist dabei auf die Bedeutung insbesondere des Wohnumfelds bei der Entwicklung von Selbstständigkeit hin. Anhand konkreter Beispiele wird die Relevanz von informellen Freiräumen für eine gute psycho-soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aufgezeigt: Freiraum ist Lern- und Erfahrungsfeld. Vor allem Kinder und junge Menschen brauchen die vier R: Raum, Regeln, Rituale und Reviere. Die Unstrukturiertheit und Komplexität der räumlichen Umwelt ist Herausforderung und Inspiration. Freiraum als informeller Raum, als Möglichkeitsraum für Experimente und Grenzerfahrungen (mit) entwicklungsentscheidend. „Herausfordernden“ Freiräume sind nicht immer planbar (schon aus Haftungsgründen), sondern müssen auch ermöglicht, geduldet, zugelassen werden. Es geht auch darum, nicht „Nutzungen“ zu planen, sondern „Orte“ zu schaffen als Bühnen und Visitenkarten für Lebensstile der interkulturellen und interreligiösen Stadtgesellschaft für Junge + Alte. Die Ränder/die Nahtstellen des Quartiers und der Stadt erweisen sicht als die spannenden Orte für Kinder/Jugendliche: Erkundungen, Experimente und Rückzüge sind hier von „sicherem“ Terrain aus möglich. Gleiches gilt für die fast „anarchische“ Umdeutung formalisierter Räume. Kinder und Jugendliche sind Experten in Sachen Ansprüche an den öffentlichen Raum. Über Beteiligungs- und Trägermodelle kann Kindern/Jugendlichen neue Nutzungsoptionen ermöglicht werden. Die Sensibilisierung der Kinder und Jugendlichen für Gestaltqualität und Zusammenhänge der gebauten Umwelt macht sie zu Verantwortlichen und Fürsorgern. 18
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