Forschung & Perspektiven - FACHGRUPPE NUKLEARCHEMIE IN DER GESELLSCHAFT DEUTSCHER CHEMIKER

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Forschung & Perspektiven - FACHGRUPPE NUKLEARCHEMIE IN DER GESELLSCHAFT DEUTSCHER CHEMIKER
FACHGRUPPE NUKLEARCHEMIE
IN DER GESELLSCHAFT DEUTSCHER CHEMIKER

   Forschung & Perspektiven

          Frankfurt am Main, Januar 2018
Forschung & Perspektiven - FACHGRUPPE NUKLEARCHEMIE IN DER GESELLSCHAFT DEUTSCHER CHEMIKER
IMPRESSUM

Herausgeber / Redaktion
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (GDCh)
Fachgruppe Nuklearchemie
Varrentrappstraße 40-42
60486 Frankfurt am Main
fg@gdch.de
www.gdch.de/nuklearchemie

Grafik
PM-GrafikDesign
Peter Mück, Wächtersbach

Druck
Seltersdruck Vertriebs- und Service GmbH & Co KG,
Selters

* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir im Text nur die männliche Form der Personenbezeichnung verwendet.
  Mit den gewählten Formulierungen sind immer beide Geschlechter angesprochen.

Bildnachweis Titelseite v.l.o.: © HZDR/Frank Bierstedt; © Karl Heinz Iwannek; v.l.u.: © Bernhard Ludewig; © Rolf Michel
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FA C H G R U P P E N U K L E A R C H E M I E I N D E R G E S E L L S C H A F T D E U T S C H E R C H E M I K E R

                                                                                                                     EINLEITUNG

 I . EI NL EI TUNG

Die Fachgruppe Nuklearchemie in der Gesellschaft Deut-                      Entsprechend der vielfältigen Möglichkeiten und der Fort-
scher Chemiker repräsentiert die Wissenschaftler* und                       entwicklung von Wissenschaft und Technik haben sich
Ingenieure, die bei ihren Arbeiten mit radioaktiven Stoffen                 parallel verschiedene Schwerpunkte herausgebildet, die
und ionisierender Strahlung umgehen und diese für Zwe-                      ebenfalls von großer grundlegender, gesellschaftlicher,
cke der Forschung, Industrie, Medizin und Lehre nutzen.                     ökologischer und ökonomischer Relevanz sind. Nukle-
Die Tätigkeiten ihrer Mitglieder reichen von den rein grund-                archemische Therapie- und Diagnoseverfahren sind
lagenwissenschaftlichen Gebieten der Chemie radioak-                        beispielsweise aus den Lebenswissenschaften und der
tiver Stoffe, wie den schwersten synthetischen Elementen                    Medizin nicht mehr wegzudenken. Nuklearchemiker un-
über nuklearchemische Aspekte der Kernenergienutzung                        tersuchen die Elementsynthese in Sternen, sie erforschen
bis hin zur Verwendung von Radionukliden in den Lebens-                     die Struktur von Atomkernen, erzeugen die schwersten
und Umweltwissenschaften. Die Nuklear­chemie umfasst                        Elemente jenseits des Urans, die alle radioaktiv sind, und
die Bereiche der Kern-, Radio- und Strahlenchemie.                          untersuchen deren chemische und physikalische Eigen-
                                                                            schaften. Sie treibt unter anderem die Suche nach dem
In ihrer mehr als 100-jährigen Geschichte, die mit der                      Verständnis an, was die Materie im Innersten zusammen-
Entdeckung der Radioaktivität und der Radioelemente                         hält. Das breite Spektrum nuklearchemischer Methoden
begann, hat die Nuklearchemie mit bahnbrechenden                            macht deren Einsatz auch für ganz andere Sparten inte-
Entdeckungen, mit der Einführung bedeutender neuer                          ressant: Auch in der Geologie, der Hydrologie, der Um-
Arbeitsmethoden und mit einer Vielzahl von innovativen                      weltforschung, dem Strahlenschutz oder der nuklearen
wissenschaftlichen und technischen Anwendungen die                          Forensik kommt man nicht ohne das Handwerkszeug der
Entwicklung der modernen Industriegesellschaft mitge-                       Nuklearchemie aus.
staltet. In der öffentlichen Wahrnehmung werden jedoch
nuklearchemische Arbeiten überwiegend der nuklearen                         Die vorliegende Broschüre soll einen Einblick in die viel-
Energiegewinnung und dem nuklearen Brennstoffkreis-                         fältigen Themen und Arbeitsfelder nuklearchemischer
lauf zugeordnet – Themen, die in der Öffentlichkeit sehr                    Forschung und Anwendung geben, die in den folgenden
kontrovers diskutiert werden. Diese Bereiche stellen nach                   Schwerpunkten zusammengefasst werden können:
wie vor bedeutende Themen für die Nuklearchemie dar.

 Grundlagenforschung                                                                                                               2
          Chemie der schwersten Elemente                                                                                           2
          Actinidenchemie                                                                                                          4
          Kosmochemie                                                                                                              5
          Radioanalytik                                                                                                            6

 Gesundheit und Umwelt                                                                                                             8
          Nuklearchemie in den Lebenswissenschaften (Radiopharmazie)                                                               9
          Isotopengeochemie                                                                                                       10
          Strahlenschutz und Radioökologie                                                                                        11
          Nukleare Forensik                                                                                                       12

 Energie                                                                                                                          13
          Actinidenrecycling                                                                                                      15
          Endlagerforschung                                                                                                       16
          Reaktorchemie                                                                                                           17
          Tritiumchemie                                                                                                           18

 Lehre, Ausbildung und Kompetenzerhalt                                                                                            19

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NUKLEARCHEMIE
                             FORSCHUNG & PERSPEKTIVEN
GRUNDLAGENFORSCHUNG

    I I . A R B EI TS SCHW ERPUNKT E

GRUNDLAGENFORSCHUNG
Chemie der schwersten Elemente
Alle Elemente mit Ordnungszahlen Z bis 118 sind offiziell      Elemente mit Z ≥ 104 folgen den Actiniden und werden
als entdeckt anerkannt und benannt. Die Suche nach             entsprechend als Transactiniden bezeichnet. Sie kön-
neuen Elementen jenseits 118 ist ein spannendes aktu-          nen in Kernfusionsreaktionen an Beschleunigerzentren
elles Forschungsgebiet. Die Abbildung zeigt das aktuelle       hergestellt werden, allerdings nur in Raten von einzelnen
Periodensystem der Elemente.                                   Atomen pro Minute, Stunde, oder Tag. Alle ihre Isotope

Das Periodensystem der Elemente. Die superschweren Elemente, mit Z ≥ 104, sind hervorgehoben.

sind kurzlebig mit typischen Halbwertszeiten von Minu-         (z.B. s-Elektronen) auf sehr hohe Geschwindigkeiten
ten, Sekunden oder noch weniger. Nur in ganz wenigen           beschleunigt und unterliegen einem relativistischen Mas-
Fällen liegen diese über einer Stunde. Trotz der kurzen        sezuwachs. Der Einfluss solcher relativistischen Effekte
Lebensdauern und geringen Produktionsraten wurden              auf chemische Eigenschaften lässt sich ideal an den al-
die Transactinide Rutherfordium (Rf, Element 104), Dubni-      lerschwersten chemischen Elementen untersuchen, da
um (Db, 105), Seaborgium (Sg, 106), Bohrium (Bh, 107),         diese die höchste Kernladung aufweisen und die Effekte
Hassium (Hs, 108), Copernicium (Cn, 112) und Flerovium         besonders groß sind.
(Fl, 114) chemisch untersucht und ihre Eigenschaften mit
denjenigen ihrer leichteren Homologen verglichen.              In Experimenten in der flüssigen Phase mit miniaturisierten
                                                               und automatisierten Hochleistungsflüssigchromatogra-
Durch die hohe Kernladung werden Elektronen mit ho-            phie-Apparaturen wurde beispielsweise die Komplexbil-
her Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte nahe am Kern          dung der Elemente Rf, Db und Sg in Mineralsäuren oder im

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GRUNDLAGENFORSCHUNG

Fluoridsystem untersucht. Auch wurden Extraktionsstudi-
en durchgeführt. In der Gasphase wurden alle Transacti-
nide bis zum Hassium sowie Copernicium und Flerovium
untersucht. Während die d-Elemente in Form von (Oxy)
haliden (z.B. RfCl4, RfBr4, DbOCl3, SgO2Cl2, BhO3Cl), Oxi-
den (HsO4) oder Oxid-Hydroxiden (SgO2(OH)2) bei relativ
tiefen Temperaturen flüchtig sind, können die p-Elemen-
te im elementaren Zustand untersucht werden, da dieser
eine hohe Flüchtigkeit aufweist. In den Experimenten wird
die Flüchtigkeit und auch die Reaktivität der flüchtigen
Spezies mit dem Chromatographiekolonnenmaterial (z.B.
Quarz oder Au) untersucht und mit dem Verhalten der
leichteren Homologen verglichen.

Die gewonnenen Daten können nur verstanden werden,
wenn in theoretischen Rechnungen der Einfluss der Rela-
tivität korrekt berücksichtigt wird. Damit unterstützen die
experimentellen Daten die Weiterentwicklung voll-relati-
vistischer quantenmechanischer theoretischer Ansätze.

Aktuelle experimentelle Entwicklungen haben zum Ziel,
bisher nicht zugängliche Elemente (z.B. Meitnerium (Mt,
109) oder Nihonium (Nh, 113)) und Verbindungsklassen
(z.B. organometallische Verbindungen) zu untersuchen.
Daraus werden vertiefte Erkenntnisse über den Einfluss
relativistischer Effekte auf die Chemie erwartet.

Chemische Experimente sind elementspezifisch und
erlauben dadurch die Präparation reiner Proben der
schwersten Elemente, um so auch ihre Synthese und ihre
nuklearen Eigenschaften in untergrundfreier Umgebung
untersuchen zu können. Ein Ziel ist dabei die Synthese
sehr langlebiger Nuklide, wie sie im Bereich der ‚Insel der
Stabilität‘, die in theoretischen Modellen im Bereich neu-
tronenreicher Isotope der Elemente mit Z ~ 114-126 vor-
hergesagt wird, erwartet werden.

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NUKLEARCHEMIE
                            FORSCHUNG & PERSPEKTIVEN
GRUNDLAGENFORSCHUNG

Actinidenchemie
Die dem Actinium folgenden 14 Elemente im Perioden-          grundlegende Erkenntnisse über die Zusammenhänge
system werden als Actiniden bezeichnet. Charakteri-          zwischen Molekülsymmetrie und Ladungsverteilung.
stisch für sie ist ihre besondere elektronische Struktur,    Neuerdings werden metallorganische Uranverbindungen
hervorgerufen durch das Auffüllen der 5f-Schale. Die         auf ihre katalytischen Eigenschaften hin untersucht und
Actiniden nehmen daher innerhalb des Periodensystems         die Anwendung kurzlebiger Uranisotope gebunden an
eine Sonderstellung ein, wodurch sich ein grundlegendes      biologisch relevante Moleküle in der medizinischen The-
Interesse an ihrem chemischen Verhalten, der Koordi-         rapie diskutiert. Im Zusammenhang mit der Suche nach
nationschemie sowie der Bindungsverhältnisse und der         alternativen Entsorgungswegen für langlebige radioaktive
elektronischen Struktur ihrer Verbindungen ergibt. Wichtig   Abfallstoffe ergibt sich in jüngster Zeit wieder ein verstär-
ist ihr chemisches Verhalten für die Herstellung von Kern-   ktes Interesse an der Actinidenseparationschemie als
brennstoffen, die Wiederaufarbeitung von abgebrannten        vorgeschalteten Prozess für die Transmutation. Darüber
Kernbrennstoffen und für ihre Abtrennung von Spaltpro-       hinaus finden Separationsmethoden verstärkt Anwen-
dukten, um sie dann einer Kernumwandlung mit Hilfe von       dung im Bereich der Umweltanalytik zur quantitativen Er-
neuartigen Transmutationstechnologien zu unterziehen.        fassung der Actiniden im sub-nanomolaren Bereich.
In der Erdkruste kommen die dem Uran folgenden, auch
als Transurane bezeichneten Actiniden nicht in wägbaren      Die Chemie der Actiniden in wässriger Lösung ist ge-
Mengen vor. Direkte Kenntnisse zum geochemischen             prägt durch die hohe Ladung der Metallionen, die aus-
Verhalten der Actiniden in geologischen Zeiträumen sind      geprägte Tendenz zur Wechselwirkung mit harten Pear-
daher nicht zugänglich. Hieraus leitet sich ein weiterer     son-Basen sowie durch das komplexe Redoxverhalten
Schwerpunkt der Actinidenchemie ab, das Studium des          der leichteren Actiniden. Neuere Untersuchungen weisen
geochemischen Verhaltens der Actiniden in Hinblick auf       allerdings auch auf einen ausgeprägten kovalenten Bin-
die Bewertung der Langzeitsicherheit von Endlagern           dungscharakter in Komplexen mit weichen Donoratomen
hochradioaktiver Abfälle.                                    z.B. Stickstoffatomen hin. Schwerpunkt der aquatischen
                                                             Chemie der Actiniden sind Untersuchungen zum grundle-
In der präparativen Chemie der Actiniden werden me-          genden Verständnis der thermodynamischen Eigenschaf-
tallische und intermetallische Verbindungen synthetisiert    ten der Actiniden in der wässrigen Phase sowie deren
und deren physikalischen Eigenschaften, wie das Auf-         Wechselwirkungen an der fest-flüssig Grenzfläche. Hier-
treten komplexer magnetischer Ordnungsphänomene,             für werden vorrangig leistungsfähige und hochsensitive
Supraleitung und die Existenz schwerer Fermionen-Ver-        spektroskopische Methoden, insbesondere basierend auf
bindungen, studiert. Die gezielte Synthese von metallor-     der Anwendung von Laser- und Synchrotronstrahlung,
ganischen Verbindungen und deren Untersuchung liefern        eingesetzt.

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GRUNDLAGENFORSCHUNG

Kosmochemie
Kosmochemie als interdisziplinäres Gebiet befasst sich          Weitergehende Informationen zur stellaren Nukleosynthe-
mit dem Studium extraterrestrischer Materie. Untersu-           se erhält man aus der Analyse überlebender präsolarer
chungsobjekte sind Meteorite (möglicherweise auch vom           Materie (Sternenstaub), die in geringen Mengen in den
Mars), Mondgestein, sowie interplanetare Staubteilchen.         ursprünglichsten Meteoriten zu finden ist. Die Interpre-
Viele der heutzutage in der Isotopengeochemie (s. unten)        tation der gemessenen Isotopenverteilungen hängt ganz
eingesetzten Methoden hatten ihre ersten Anwendungen            wesentlich von der Kenntnis der Wirkungsquerschnitte
in der Kosmochemie und haben den Weg aus der Grund-             für die ablaufenden Kernreaktionen ab. Da diese bei den
lagenforschung in die mehr angewandte Forschung ge-             durch die Temperatur im Sterninneren definierten Teilchen-
funden.                                                         energien oft extrem gering sind, bedarf dies besonderer
                                                                Anstrengungen, z.B. Messungen in Untergrundlabors.
Als Methode zur chemischen Analyse ist vor allem die            Für neutroneninduzierte Reaktionen, wie sie eine Rolle für
instrumentelle Neutronenaktivierungsanalyse zu nennen,          die Bildung der Kerne im Massenbereich oberhalb von
die zerstörungsfrei arbeitet und somit weitere Untersu-         Fe spielen, wird inzwischen, sofern die Halbwertszeit der
chungen des seltenen Materials mit anderen Methoden             Reaktionsprodukte dies zulässt, oft die Aktivierungsme-
erlaubt. Das Bildungsalter der Meteorite wird mit ver-          thode in Kombination mit Beschleunigermassenspektro-
schiedenen Datierungsmethoden bestimmt, die auf dem             metrie angewandt. Ein Extremfall ist die Bestimmung der
Zerfall langlebiger radioaktiver Nuklide basieren. Kurzle-      Eigenschaften extrem kurzlebiger und extrem neutronen-
bigere Radionuklide mit Halbwertszeiten im Bereich von          reicher Kerne auf dem Reaktionspfad des schnellen Neut-
etwa 0.1 bis 10 Millionen Jahren (z.B. 10Be, 26Al, 36Cl), die   roneneinfangs (r-Prozess; Prozessdauer etwa 1 Sekunde,
durch die kosmische Strahlung produziert werden, setzt          wahrscheinlich während der Explosion einer Supernova).
man (oft in Kombination mit seltenen stabilen Nukliden,
etwa 21Ne) ein, um die Zeitdauer zu bestimmen, die die
Meteorite für die Reise von ihrem “Mutterkörper“ zur Erde
benötigten. Hier wurden Zählmethoden aufgrund der kür-
zeren Messzeit und des geringeren Materialverbrauchs
weitgehend durch die Beschleunigermassenspektrome-
trie (AMS = accelerator mass spectrometry) ersetzt.

Die gleichen (inzwischen “ausgestorbenen“) Radionuklide
waren auch in der Frühphase des Sonnensystems “le-
bend“ und sind Zeugen der Entstehung der chemischen
Elemente durch stellare Nukleosynthese, mit Beiträgen
bis zum Zeitraum kurz vor der Bildung unseres Sonnensy-
stems. Dies wird belegt durch massenspektrometrische
Untersuchungen der Tochterelemente, die relative Über-
schüsse der Tochternuklide (etwa 10B, 26Mg, 36Ar/36S) zei-
gen und deren relative Häufigkeiten eine zeitliche Feinauf-
lösung der Bildungsprozesse unseres Sonnensystems               Sternenstaub von Roten Riesen – Siliziumkarbid-Korn aus dem
ermöglichen.                                                    Meteoriten Murchison. (© J. Huth, S. Merchel, MPI Mainz)

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NUKLEARCHEMIE
                              FORSCHUNG & PERSPEKTIVEN
GRUNDLAGENFORSCHUNG

Radioanalytik
Grundlegend für die Radioanalytik sind radiometrische           oder physikalische Probenvorbereitung hat zum Ziel,
Messverfahren, bei denen der Zerfall eines Radionuklids         eine möglichst aufkonzentrierte, homogene Probe defi-
in seine Tochternuklide qualitativ und/oder quantitativ         nierter Geometrie herzustellen. Die Gammaspektrometrie
nachgewiesen wird. Wesentlich hierfür sind die Zerfallsart,     kommt im Gegensatz zur Alphaspektrometrie in vielen
die emittierte Strahlungsart, die Halbwertzeit und die Pro-     Fällen ohne chemischen Aufschluss aus. Eventuell ist eine
benmatrix. Sofern die jeweiligen Tochternuklide auch            einfache Aufkonzentrierung nötig, z. B. bei organischen
radioaktiv sind, können diese ebenfalls zur Bestimmung          Proben durch Veraschen oder bei Wasserproben durch
herangezogen werden.                                            Eindampfen.

Die Auswahl eines geeigneten Messverfahrens hängt von           Viele Nuklide wie 137Cs und 60Co sowie zahlreiche Nukli-
den Zerfallseigenschaften ab. Alpha- und Gammaspektro-          de der natürlichen Zerfallsreihen eignen sich gut für eine
metrie sind häufig eingesetzte Methoden. Eine chemische         gammaspektrometrische Analyse. Für den Nachweis z.B.

Das Foto zeigt im Vordergrund die Laserapparatur für die Resonanzionisations-Massenspektrometrie (RIMS), die am Institut für
Kernchemie der Universität Mainz zum Ultraspurennachweis von Plutonium, Neptunium und Technetium eingesetzt wird. Mit dem
von einem Nd:YAG-Laser erzeugten grünen Laserlicht werden drei Ti:Saphir-Laser gepumpt. Das blaue Laserlicht entsteht durch
Frequenzverdopplung des von einem der Ti:Saphir-Laser abgegebenen fundamentalen Laserlichtes. Im Hintergrund ist das Flug-
zeit-Massenspektrometer (TOF-MS) zum Nachweis der durch die Laserstrahlung selektiv ionisierten Radioisotope zu sehen.
(© Nils Stöbener, Institut für Kernchemie, Universität Mainz)

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Forschung & Perspektiven - FACHGRUPPE NUKLEARCHEMIE IN DER GESELLSCHAFT DEUTSCHER CHEMIKER
GRUNDLAGENFORSCHUNG

von 210Po, 239Pu oder 234U wird die Alphaspektrometrie
eingesetzt. Eine Reihe wichtiger Nuklide sind jedoch prak-
tisch reine β--Strahler (z. B. 3H, 14C, 90Sr und 90Y). Diese
Nuklide können mittels Flüssigszintillation (LSC) analysiert
werden. Radiometrische Messverfahren können auch
zur Bestimmung von inaktiven Nukliden genutzt werden,
wenn diese – wie bei der Neutronenaktivierungsanalyse
(NAA) – zuvor durch Aktivierung in Radionuklide umge-
wandelt wurden.

Die Radioanalytik findet in vielfältigen Gebieten Anwen-
dung: In Umweltanalytik und Radioökologie wie beispiels-
weise für die Untersuchung von Boden-, Bewuchs- und
Nahrungsmittelproben nach nuklearen Unfällen (z.B. die
Analyse von Wildfleisch und wildwachsenden Pilzen im
Hinblick auf Tschernobyl-Folgen), für Dosimetrie in Strah-
lenschutz und Medizin, Überwachung von kerntech-
nischen und anderen industriellen Anlagen, in der Geo-
logie zur Altersbestimmung, für die nuklearmedizinische
Diagnostik, zur Spurenelementbestimmung mittels Neu­
tronenaktivierungsanalyse und in zahlreichen weiteren
Anwendungsfeldern.

Neuerdings werden verstärkt moderne massenspektro-
metrische Methoden zur Bestimmung von Radionukliden
eingesetzt. Zur Spurenanalytik langlebiger Radionuklide
wie z.B. der Actiniden Pu und U in Umweltproben findet
die Massenspektrometrie mit einem induktiv gekoppelten
Plasma (ICP-MS) bereits weitverbreitet Anwendung. Die
Bestimmung von 14C mittels Beschleunigermassenspek-
trometrie zur Altersdatierung ist ebenfalls schon weitge-
hend Routine. Neben der ICP-MS und AMS wird insbe-
sondere die Resonanzionisations-Massenspektrometrie
(RIMS) weiterentwickelt und zur Radionuklidultraspuren-
analytik eingesetzt.

                                                                                 7
Forschung & Perspektiven - FACHGRUPPE NUKLEARCHEMIE IN DER GESELLSCHAFT DEUTSCHER CHEMIKER
NUKLEARCHEMIE
                            FORSCHUNG & PERSPEKTIVEN
G E S U N D H E I T U N D U M W E LT

GESUNDHEIT UND UMWELT

Nuklearchemische Methoden zur Erforschung und Be-           Im Zuge jahrzehntelanger Entwicklungen hat sich eine
kämpfung von Krankheiten, zur Aufklärung von bioche-        Fülle besonderer Arbeitstechniken herausgebildet, die
mischen Mechanismen, zur Altersbestimmung über lange        das Untersuchen funktioneller Vorgänge von der Pflanze
bis extrem lange Zeiträume, zur Lösung geowissenschaft-     bis zum Menschen, das Verfolgen von Substanzspuren im
licher Fragestellungen oder für Beiträge zur Beherrschung   ultra-niedrigen Konzentrationsbereich bis hin zur Aufklä-
von Problemen im Bereich der Sicherheit des Umgangs         rung des Herstellungs- und Transportweges, der Hand-
mit Radionukliden im Allgemeinen und mit Kernbrenn-         habung und des Einsatzes von Kernmaterial ermöglichen.
stoffen im Besonderen gehören zum unverzichtbaren
Repertoire der Naturwissenschaft.                           Die Nutzung radioaktiver Substanzen, die Notwendigkeit
                                                            ihrer Handhabung und der sichere Umgang mit ihnen ist
Beginnend mit der Entdeckung des Radiotracerprin-           aus dem täglichen Leben nicht wegzudenken: Wer denkt
zips durch Georg K. v. Hevesy und Friedrich A. Paneth       schon daran, dass durch Nutzung von geothermischen
im Jahr 1913 unter Einsatz kleinster Stoffmengen sowie      Energiequellen oder bei der Förderung von Erdgas erheb-
deren erste zielgerichtete Anwendungen in den 20er und      liche Mengen radioaktiver Substanzen in die Umwelt be-
30er Jahren des 20. Jahrhunderts (Georg K. v. Hevesy,       fördert werden? Wer denkt daran, dass die Bekämpfung
Rudolf Schönheimer; Einführung der Isotopenmarkie-          von Krebserkrankungen ganz wesentlich durch Einsatz
rung) hat sich daraus eine neue medizinische Diszi-         ionisierender Strahlung und damit verbundener Radio-
plin entwickelt, die Nuklearmedizin. Speziell die mittels   nuklidhandhabung vonstattengeht? Wer kennt die Me-
Radiotracertechniken möglich gewordene Aufklärung           thoden, um die Proliferation (Weiterverbreitung) von Kern-
metabolischer Vorgänge hat der Biochemie entscheidend       material zu kontrollieren bzw. zu verhindern? Wer kennt
zum Durchbruch verholfen.                                   die Methoden, um Epochen der Erdgeschichte zeitlich
                                                            exakt zu skalieren?
Die Besonderheiten der Energiegewinnung, der Herstel-
lung künstlicher Radionuklide auf hohem Aktivitätsniveau    Im Folgenden wollen wir darauf für die Thematiken
bis hin zum Umgang mit offenen radioaktiven Substan-
zen niedriger und hoher Aktivität in Technik und Medizin,       Nuklearchemie in den Lebenswissenschaften
aber auch die Freisetzung radioaktiver Substanzen durch         (Radiopharmazie)
die Tätigkeit des Menschen hat die Frage der Verteilung
                                                                Isotopengeochemie
radioaktiver Substanzen in der Biosphäre und damit ver-
bundener möglicher gesundheitlicher Implikationen in das        Strahlenschutz und Radioökologie
Zentrum des wissenschaftlichen und öffentlichen Inte-           Nukleare Forensik
resses gerückt und damit zur Entwicklung des Strahlen-
schutzes als einer bedeutenden Disziplin beigetragen.       einige Antworten geben.

8
G E S U N D H E I T U N D U M W E LT

Nuklearchemie in den Lebenswissenschaften
(Radiopharmazie)
Der Einsatz von Radionukliden in den Lebenswissen-                  sierten Synthesen zur radioaktiven Markierung von Sub-
schaften hat im letzten Jahrzehnt eine deutliche Verschie-          stanzen genutzt. Die PET hat sich während der letzten 15
bung erfahren. Durch die Einzigartigkeit und Universali-            Jahre von einem vorrangig auf wenige Standorte konzen-
tät der Möglichkeiten, mit spezifischen internen Sonden             trierten Forschungsinstrument zu einer in vielen Universi-
(Radiotracer) funktionelle Prozesse „von außen“ verfolgen           täten und Forschungseinrichtungen etablierten Methode
zu können, diese zu quantifizieren und darüber hinaus               der Hochleistungsmedizin entwickelt.
auch zielgerichtete interne therapeutische Interventionen
durchführen zu können, hat sich diese Anwendung kon-                Für den Einsatz von Radiotracern und Radiotherapeu-
tinuierlich weiterentwickelt.                                       tika ist die Entwicklung radioaktiv markierter Moleküle
                                                                    eine besondere Herausforderung. Die Entwicklungen der
Die mit Abstand wichtigste Anwendung radioaktiver Sub-              letzten Jahre zeigen, dass der wechselseitige Einsatz
stanzen in den Lebenswissenschaften dient der bildge-               eines diagnostisch-therapeutischen Isotopenpaares im
benden Diagnostik, zunehmend auch der Therapie, unter               gleichen Radiopharmakon die Anwendung im Sinne der
Nutzung von Radiopharmaka. Die Anwendung am Men-                    Theranostik ermöglicht. Diese interdisziplinäre Aufgabe
schen erfolgt in der Nuklearmedizin, die ihrerseits mit un-         wird im Zusammenwirken zwischen Spezialisten vorrangig
terschiedlichen medizinischen Fächern kooperiert.                   aus der (Radio-)Chemie und den Biowissenschaften, aber
                                                                    auch von Spezialisten zur Gewinnung von funktionellen
Radiopharmaka für die „klassische“ SPECT (Single Pho-               Bildern (Molekulare Bildgebung) in Mensch, Tier und
ton Emission Computed Tomography) bzw. ihre Aus-                    Pflanze bearbeitet. Mit der zunehmenden Anwendung in
gangsprodukte (Radionuklidgeneratoren und Markie-                   der Medizin dominieren zunehmend Aspekte der Arznei-
rungs-KITs) und Radiotherapeutika werden vorwiegend                 mittelherstellung (GMP – Good Manufacturing Practice –
von industriellen Lieferanten bereitgestellt, während Ra-           Gute Herstellungspraxis) die Planung und Durchführung
diopharmaka für die PET (Positron Emission Tomogra-                 dieser Arbeiten.
phy) vorrangig von PET-Zentren produziert werden. In
Deutschland werden etwa 125 PET-Tomographen be-                     Durch Kombination von Radiotracertechniken mit weiteren
trieben (Stand 2015). Dazu werden täglich Positronen-­              Methoden der Bildgebung, wie der Röntgen-Computer­
emittierende Radionuklide auf hohem Aktivitäts­     niveau          tomographie (CT) oder der Magnetresonanz-Tomographie
(bis in den 400 GBq-Bereich) hergestellt und in automati-           (MRT) wird die diagnostische Aussage wesentlich erhöht.

Multimodale Bildgebung mittels PET/MRT: Patient mit Verdacht auf Rezidiv eines Prostatakarzinoms nach radikaler Prostatektomie.
Die PET-Aufnahme unter Verwendung von [11C]Acetat (links) zeigt eine umschriebene Tracer-Mehranreicherung (Pfeil), die für ein
Tumorrezidiv spricht. Die MRT (Mitte) zeigt eine Raumforderung in der linken Hälfte der früheren Prostataloge. Mit Hilfe der PET/MR
(rechts) kann das Tumorrezidiv eindeutig lokalisiert werden. (© Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf/ PET-Zentrum)
                                                                                                                                      9
NUKLEARCHEMIE
                            FORSCHUNG & PERSPEKTIVEN
G E S U N D H E I T U N D U M W E LT

Isotopengeochemie
Geowissenschaftliche Fragestellungen werden heute mit       Muscheln, Sedimenten und Gestein zum Einsatz. Mes-
einer Vielzahl nuklearchemischer Techniken bearbeitet. Es   sungen kurzlebiger, anthropogen freigesetzter oder in der
ist dabei den wenigsten Menschen bewusst, dass diese        Atmosphäre produzierter Radionuklide wie 134Cs, 137Cs,
Methoden auf radioaktivem Zerfall, Strahlung oder Radio­    210
                                                               Pb und 32Si, die meist mittels Zerfallsmessung quanti-
nukliden beruhen.                                           fiziert werden, werden durch langlebige Radionuklide wie
                                                            36
                                                              Cl und 129I für Untersuchungen z.B. in der Ozeanogra-
Als eine der empfindlichsten Methoden wird die Neutronen-   phie und Hydrogeologie ergänzt. In der Geomorphologie
aktivierungsanalyse als Standardverfahren für die Bulk­     kann die Analyse sog. kosmogener Nuklide wie 10Be,
analyse geologischer Proben eingesetzt. Für die ortsauf-    26
                                                              Al und 36Cl zur Datierung von Vulkanausbrüchen, Berg­
gelöste Analyse stehen beschleunigerbasierte Methoden       stürzen, Tsunamis, Meteoriteneinschlägen, Erdbeben und
wie die teilchen-induzierte Röntgen- und Gammaemission      Gletscherbewegungen eingesetzt werden. Zudem werden
(PIXE bzw. PIGE) zur Verfügung. Diese haben gegenüber       Klimaveränderungen durch Eisbohrkernuntersuchungen
den Verfahren mittels Elektronen- und Röntgenanregung       rekonstruiert. Die Detektion von 60Fe in Meeressedimenten
(EDX, RFA) den Vorteil des besseren Signal-zu-Unter-        und Mangankrusten und die indirekte Analyse über die
grund-Verhältnisses und können als primäre Methoden         Anreicherung des Tochternuklides in Meteoriten, lässt
zur Zertifizierung von Referenzmaterialien durchgeführt     Rückschlüsse auf Bedingungen in Sternenexplosionen
werden.                                                     und während der Bildung unseres Sonnensystems zu.
                                                            Geochronologische Altersbestimmungen basieren eben-
Ultimative Nachweisgrenzen für langlebige Radionuklide      falls auf dem radioaktiven Zerfall: Mittels K-Ar- bzw.
wie 14C oder 129I liefert die Beschleunigermassenspektro-   Ar-Ar-Datierung (Zerfall von 40K), oder der Messung von
metrie (AMS – accelerator mass spectrometry). Die sog.      Pb-Isotopen (Zerfall von U und Th), können die Entste-
Radiokarbondatierung kommt, neben der Datierung und         hungszeit und der Ursprung von Gesteinen und Mineralen
Falsifizierung archäologischer Objekte, zunehmend auch      bestimmt werden.
für geowissenschaftliche Untersuchungen an Böden,

10
G E S U N D H E I T U N D U M W E LT

Strahlenschutz und Radioökologie
Radioökologie ist die Wissenschaft von Entstehung, Vor-         und therapeutischen Verfahren (z.B. 99mTc, 131I). Unter-
kommen und Verbreitung der Radionuklide in der Um-              suchungen der Ausbreitungspfade bis hin zur Strahlen­
welt. Sie befasst sich mit dem Phänomen Radioaktivität          exposition des Menschen erfolgen heute mit modernsten
von der Entstehung der Elemente bis zum Zerfall, von            analytischen Methoden zum Teil auf mikroskopischer
den Quellen bis zu den Senken oder von der Erzeugung            Ebene, um von der chemischen Speziation bis hin zum
künstlicher Radioaktivität bis zur Endlagerung radioaktiver     Wirken von Mikroorganismen ein umfassendes Verständ-
Abfälle und beschreibt die Pfade der Radionuklide durch         nis der zugrundeliegenden Prozesse zu erzielen. Dies ist
die Umwelt zu Pflanzen, Tieren und Menschen sowie ihre          von großer Wichtigkeit für ein realistische Expositionsmo-
Wechselwirkung mit der unbelebten und belebten Natur            dellierung bei Ableitungen, Freisetzungen, aber auch für
bis hin zur resultierenden Strahlenexposition der Lebewesen.    den Langzeitsicherheitsnachweis potentieller Endlager für
                                                                radioaktive Abfälle, wie sie der Gesetzgeber fordert.
Die Radioökologie entstand in der Folge der Kontami-
nation der Umwelt mit Radionukliden aus dem globalen            Ein weiteres Arbeitsfeld ist die Strahlenbelastung durch
Fallout der oberirdischen Kernwaffenexplosionen. Auf-           natürlich vorkommendes Uran und Thorium sowie de-
grund des starken Rückgangs der Exposition nach Ein-            ren Zerfallsprodukte, insbesondere des Radons, das mit
stellung der Tests fokussiert die Radioökologie heute auf       seinen Folgeprodukten den größten Teil zur natürlichen
andere Themen. Schwerpunkte deutscher Forschung in              Strahlenexposition beiträgt. In diesem Kontext erfolgen
der Radioökologie sind Ausbreitung der Emissionen von           Untersuchungen von Wohnraum in Gebieten mit erhöhter
kerntechnischen Anlagen (zum Beispiel Wiederaufarbei-           Radonaktivität sowie Gebäude mit Th/U-haltigen Lehm-
tungsanlagen Sellafield, GB, und La Hague, F) sowie von         wänden.
ehemaligen Uran Bergbaugebieten, z.B. in Sachsen aber
auch die Folgen der Reaktorunglücke in Tschernobyl und          Erhöhte Strahlenexpositionen durch technologisch er-
Fukushima. Erhebliche Einträge zumeist kurzlebiger Ra-          höhte Vorkommen natürlicher Radionuklide (NORM =
dionuklide entstehen bei medizinischen diagnostischen           naturally occuring radioactive materials) sind ebenfalls
                                                                                     ein Thema der Radioökologie. Auf-
                                                                                     grund des hohen Anteils dieser
                                                                                     Nuklide an der weltweiten Strahle-
                                                                                     nexposition des Menschen hat die
                                                                                     Bedeutung dieser Nuklide in den
                                                                                     letzten Jahren stark zugenommen.
                                                                                     Ein aktuelles Beispiel ist hier die
                                                                                     Anreicherung natürlicher Radioak-
                                                                                     tivität bei der Nutzung von Erdwär-
                                                                                     me in Geothermieanlagen.

Roter Wald, Chernobyl Exclusion Zone, Ukraine. (© C. Walther)

                                                                                                                       11
NUKLEARCHEMIE
                              FORSCHUNG & PERSPEKTIVEN
G E S U N D H E I T U N D U M W E LT

Nukleare Forensik
Der Umgang und der Handel mit Nuklearmaterial un-               Aus der Vielzahl der Parameter müssen die jeweils cha-
terliegen weltweit strengen Kontrollen. Nuklearmaterial         rakteristischen Größen identifiziert und gemessen wer-
unbekannter Herkunft, das oft auch im Zusammenhang              den. Dazu werden radiochemische, aber auch mikroana-
mit einer kriminellen Handlung stehen kann, muss daher          lytische und materialkundliche Messtechniken eingesetzt,
umfassend charakterisiert werden. Die Bestimmung che-           die speziell für die Analyse von radioaktiven Materialien
mischer und physikalischer Eigenschaften trägt entschei-        adaptiert sind.
dend dazu bei, Fragen nach der beabsichtigten Verwen-
dung und dem Ursprung des Materials zu beantworten.             Die Interpretation der Messdaten liefert Hinweise auf Ort
                                                                und Zeitpunkt der Materialherstellung; zum Teil können
Die Verarbeitung von Kernbrennstoffen erstreckt sich von        auch Transportwege rekonstruiert werden. Dazu müssen
der Erzaufbereitung über die Brennstoffherstellung, die         in vielen Fällen Vergleichsinformationen zur Verfügung
Bestrahlung im Reaktor, bis hin zur Wiederaufarbeitung          stehen, um eine Zuordnung des Materials vornehmen zu
von bestrahltem Brennstoff. Wie bei jedem industriellen         können. Die nukleare Forensik kombiniert somit radioana-
Prozess hinterlassen auch hier die einzelnen Schritte cha-      lytische und materialkundliche Methoden mit Kenntnissen
rakteristische Spuren im Material. Hierzu zählen die Mor-       des Kernbrennstoffkreislaufs sowie vergleichenden statis-
phologie des Nuklearmaterials im Nano- bis Mikrometer-          tischen Techniken.
bereich, dessen Geometrie auf makroskopischer Skala,
der Gehalt an Spurenelementen, wie etwa Seltenerdele-
menten, oder auch die Isotopenzusammensetzung.

Elektronenmikroskopische Aufnahme von MOX (Mischoxid) Brennstoff, der 1994 auf dem
Flughafen München beschlagnahmt wurde. Die Plättchen (1) und das zylindrische Partikel (2)
bestehen aus PuO2, das größere sechseckige Partikel (3) aus U3O8 (© European Communities).

12
ENERGIE

ENERGIE

Die Spaltung liefert wegen der hohen Energiedichte des           Darunter befinden sich neue Reaktortypen der Generation
Urankerns etwa sechs Größenordnungen mehr Energie                III, die bereits heute in der Lage sind, Auswirkungen einer
zur Stromerzeugung, als dies durch die Nutzung fossiler          Kernschmelze auf die Umgebung, wie in Fukushima pas-
Brennstoffe möglich ist. Weltweit produzieren 448 Kern-          siert, auszuschließen.
kraftwerksblöcke (Stand: Dezember 2016) ca. 10-11%
des elektrischen Stroms. Nach dem Reaktorunfall in Fu-           Intensiv wird die Forschung zu Kernfusion vorangetrie-
kushima wurde in Deutschland entschieden, sich von die-          ben. Das erklärte Ziel ist, eine neue Energiequelle mit
ser Technologie innerhalb weniger Jahre endgültig zu ver-        günstigen Sicherheitseigenschaften, großen Brennstoff-
abschieden: 8 von 17 Reaktoren wurden sofort stillgelegt,        reserven und einer geringen Umweltbelastung zu er-
die verbleibenden werden bis 2022 vom Netz genommen              schließen. Die technisch auf der Erde am einfachsten zu
werden. Die sehr negative Bewertung der Energiegewin-            realisierende Fusionsreaktion ist die DT-Reaktion, bei der
nung durch Kernspaltung in Deutschland wird internati-           Deuterium- und Tritiumkerne zu Heliumkernen fusioniert
onal in diesem Maße nicht geteilt. International befinden        werden. Die Hauptvorteile der Kernfusion sind die großen
sich 60 Blöcke in der Errichtung (Stand: Dezember 2016).         verfügbaren Vorräte an Deuterium und Lithium (aus dem

Schnitt durch den Aufbau des im Bau befindlichen EPR Reaktors in Olkiluoto, Finnland. Dabei handelt es sich um einen Kernspal-
tungsreaktor der III. Generation. (© Framatome GmbH)

                                                                                                                             13
NUKLEARCHEMIE
                             FORSCHUNG & PERSPEKTIVEN
ENERGIE

das benötigte Tritium erbrütet wird) und die sehr hohe En-    Kernenergie, sowohl aus Kernspaltung als auch durch
ergieausbeute (1 g Brennstoff entspricht 10.000 l Heizöl).    Fusion, ist aber auch unvermeidlich mit dem Umgang mit
Die Entwicklung einer Technologie, die durch eine kon-        bzw. der Bildung von Radionukliden verbunden, deren
trollierte Fusionsreaktion Energie erzeugt, stellt nach wie   unkontrollierte Freisetzung eine Gefährdung sowohl der
vor eine Herausforderung dar. Eine Reihe von experimen-       in den Anlagen Beschäftigten wie auch der Bevölkerung
tellen Fusionsanlagen wird betrieben, um grundlegende         außerhalb der Anlagen bedeuten würde. Des Weiteren
Daten und Parameter zu erarbeiten. Diese Erkenntnisse         fallen radioaktive Reststoffe an, die so sicher behandelt
werden derzeit in dem internationalen Großprojekt ITER        bzw. gelagert werden müssen, dass keine unzulässigen
in Südfrankreich angewandt, um erstmals eine große ex-        radiologischen Belastungen für Mensch und Umwelt zu
perimentelle Anordnung mit Leistungsreaktoreigenschaf-        erwarten sind.
ten zu bauen.
                                                              Ungeachtet des deutschen Ausstiegs aus der Energie-
Sowohl Kernspaltung als auch Kernfusion stellen               nutzung durch Kernspaltung wird das Fachgebiet der
CO2-emissionsarme Energietechnologien dar und kön-            Reaktorchemie auch in Zukunft eine wichtige Rolle im
nen einen wesentlichen Beitrag zur Ablösung fossiler En-      Hinblick auf einen sicheren und optimierten Betrieb deut-
ergieträger und zum Klimaschutz leisten. Die Nutzung von      scher Anlagen sowie den Kompetenzerhalt spielen.

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ENERGIE

Actinidenrecycling
Anstelle der direkten Endlagerung abgebrannter Kern-        Selbstverständlich spielen solche Technologien im „Aus-
brennstoffe wird in einigen Ländern ein „Actinidenrecy-     steigerland“ Deutschland keine Rolle. In Staaten, die
cling“ verfolgt. Dabei werden Uran und Plutonium im         langfristig auf die Nutzung der Kernenergie setzen, kann
PUREX-Prozess abgetrennt und wieder als MOx-Brenn-          das „Actinidenrecycling“ einerseits die Reichweite des
stoff eingesetzt. Neben der besseren Nutzung des Ener-      Rohstoffs Uran signifikant erhöhen und andererseits die
gierohstoffs Uran lässt sich das Volumen und – nach einer   Menge der anfallenden wärmeentwickelnden Abfälle und
Abklingzeit von rund 100 Jahren – die Wärmeleistung der     damit den „footprint“ eines Endlagers deutlich verringern.
endzulagernden wärmeentwickelnden Abfälle reduzieren.
Eine weitergehende Reduktion könnte erfolgen, wenn
auch die sogenannten minoren Actiniden (Americium,
Neptunium, und Curium) rezykliert würden, wobei der
Beitrag von Americium maßgeblich ist. Auf diese Weise
könnte das Endlagervolumen wesentlich effizienter ge-
nutzt werden.

Dieses Konzept erfordert die Entwicklung von Prozessen
zur Abtrennung minorer Actiniden. Als eine besondere
Herausforderung gilt hierbei die Trennung der in Lösung
dreiwertig vorliegenden Actinidionen (Americium(III), Cu-
rium(III)) von den chemisch ähnlichen (Spalt)lanthani-
dionen. Auf dem Prinzip der auch im PUREX-Prozess
angewandten flüssig-flüssig-Extraktion basierende Trenn-
prozesse benötigen dazu hochselektive Liganden. Sol-
che wurden und werden insbesondere im Rahmen von
EU-Forschungsprogrammen entwickelt und kontinuierlich
optimiert. In diesem Zusammenhang sind grundlegende
radiochemische Forschungs- und Entwicklungsarbeiten
im Bereich der Actinidenkoordinationschemie dringend
erforderlich.

Als Alternative zu diesen „wässrigen“ Verfahren werden
sogenannte „trockene“ Verfahren entwickelt. Dabei han-
delt es sich meist um elektrochemische Trennverfahren,
bei denen aufgrund unterschiedlicher Redoxpotentiale        Komplex des dreiwertigen Americiumions mit drei Bis-Triazinyl-
                                                            Pyridin-Molekülen. Dabei handelt es sich um ein hochselektives
Actiniden von Spaltprodukten durch Abscheidung an ge-       Extraktionsreagenz für die Actiniden-Lanthanidentrennung.
eignete Elektrodenmaterialien getrennt werden.              (© KIT)

                                                                                                                        15
NUKLEARCHEMIE
                             FORSCHUNG & PERSPEKTIVEN
ENERGIE

Endlagerforschung
Die Frage wie und wo radioaktive Abfälle endzulagern sind      Die Forschungsarbeiten der letzten Jahrzehnte haben
wird in Deutschland seit langer Zeit kontrovers diskutiert.    maßgeblich dazu beigetragen, das Verhalten von Radio-
In einigen europäischen Ländern sind Endlagerprojekte          nukliden aus den Abfällen in Endlagersystemen wesent-
dagegen bereits weit fortgeschritten. Die Isolation radio-     lich besser verstehen und vorhersagen zu können. Ein
toxischer Reststoffe von der Biosphäre soll durch tech-        vertieftes Verständnis der aquatischen Chemie betref-
nische Barrieren (Abfallformen, Behälter), geotechnische       fender Problemelemente ergibt sich aus Untersuchungen
Barrieren (Versatzmaterial) und geologische Barrieren          zur Thermodynamik der Radionuklidreaktionen in wäss-
(Deckgebirge) gewährleistet werden. Der Nachweis der           rigen und festen Phasen, zur Kolloidchemie und zur
Sicherheit eines Endlagerkonzepts erfordert ein funda-         Radionuklidspeziation. Nuklearchemische Endlagerfor-
mentales Wissen um die nuklearchemischen Eigenschaf-           schung erfordert wegen ihrer Komplexität eine intensive
ten radioaktiver Reststoffe und des Langzeitverhaltens         Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Diszipli-
von Radionukliden im Endlager und seiner Umgebung.             nen wie der Materialforschung, Geochemie, Hydrologie,
Darüber hinaus stellen sich Aufgaben und Fragen im Be-         Mikrobiologie etc.. Neben klassischen radiochemischen
reich der Materialforschung, die sich u.a. mit dem Kor-        Methoden kommen hier moderne physikalische und
rosionsverhalten der jeweiligen Abfallformen beschäftigt.      theoretische Verfahren wie z.B. die synchrotronbasierte
Dies können verbrauchte Brennelemente bei der direkten         Röntgenspektroskopie, leistungsfähige laserspektrosko-
Endlagerung sowie verglaste oder zementierte Abfälle           pische Techniken sowie die Quantenchemie zum Einsatz.
aus der Wiederaufarbeitung sein. Die Forschung schließt        Nur mit ihrer Hilfe werden Einblicke in ablaufende che-
auch die Entwicklung neuer keramischer Abfallmatrizes          mische und geochemische Prozesse und ihre Aufklärung
für Actiniden und Spaltprodukte mit ein, die als extrem        auf einer fundamentalen molekularen Ebene möglich.
langzeitstabile Endlagerformen diskutiert werden.

Links: Aufbau zur Aufklärung der chemischen Form gelöster Actinidionen mittels Laserspektroskopie (© KIT, Coerten);
rechts: Experimente zur Radionuklidmigration im Grimsel Felslabor, Schweiz (© COMET, Photoshopping, GmbH, Weisslingen)

16
ENERGIE

Reaktorchemie
Reaktorchemische Dienstleistungen sind eine unabding-          Untersuchungen zum Radionuklidverhalten bei
bare Voraussetzung für den sicheren Betrieb von Kern-          möglichen Störfällen zur Optimierung von Unfall-
kraftwerken weltweit und umfasst die Entwicklung und           ­beherrschungsmaßnahmen und einer verbesserten
Anwendung eines vielseitigen Spektrums von radioche-            Auslegung bzw. Nachrüstung gegen die Aus­wir­
mischen Untersuchungsmethoden. In Deutschland fo-               kungen von Störfällen.
kussieren sich die Arbeiten auf den Restbetrieb und den
ordnungsgemäßen Rückbau kerntechnischer Anlagen.           In Deutschland sind Fragen der Stilllegung kerntechnischer
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten liefern wichtige      Anlagen (Kernkraftwerke, Produktionsanlagen des Brenn-
Beiträge auf folgenden Gebieten:                           stoffkreislaufs) außerordentlich aktuell. Vielfältige Randbe-
                                                           dingungen erfordern ein breites Spektrum radiochemischer
    Überwachung und Unterstützung des Betriebs von         Untersuchungsmethoden, letztlich zur Optimierung des
    Kernkraftwerken durch radiochemische Analytik          Strahlenschutzes. Stetige Optimierungen und Weiterent-
    von Proben der Betriebsverfolgung, der Reini­­         wicklungen auf dem Gebiet der Reaktorchemie sind da-
    gungs- und der Rückhalteanlagen                        her in Deutschland nach wie vor erforderlich. Die entspre-
                                                           chenden Kompetenzen werden in der Industrie, bei den
    Charakterisierung der Betriebsabfälle für die an­      Kernkraftwerksbetreibern und in Ministerien, Behörden
    schließende Endlagerung                                und Forschungszentren auch in Zukunft benötigt.

    Optimierung der Brennstoffausnutzung und Mini­
    mierung der Strahlenexposition Beschäftigter
    durch optimierte chemische Fahrweise des Reak­
    tors im Hinblick auf möglichst geringe Korrosion
    und Ablagerungen

Reaktorchemie: Probenahme, radiochemische Probenaufarbeitung und Strahlungsmessung. (© Framatome GmbH)

                                                                                                                     17
NUKLEARCHEMIE
                               FORSCHUNG & PERSPEKTIVEN
ENERGIE

Tritiumchemie
Ein wesentlicher Bereich der Entwicklung der Fusions-               stoffliches Verhalten spielen dabei eine wichtige Rolle und
technologie betrifft die Bildung und das Verhalten von              sind oft von spezifisch nuklearchemischen Problemstel-
Radionukliden. Auch hier spielen nuklearchemische Fra-              lungen geprägt. Von entscheidender Bedeutung für die
gen eine wichtige Rolle. Sie betreffen z.B. den Brennstoff-         Effizienz und Zuverlässigkeit von Verfahren im Fusions-
kreislauf einer Fusionsanlage, der den Umgang mit Triti-            brennstoffkreislauf ist der Einsatz geeigneter Prozessana-
umgas und die Behandlung der Brutmedien einschließt,                lytik. Vorgesehen sind Inline- und Online-Techniken auf
die Chemie von Flüssigmetall- und Feststoff-Blankets, die           der Basis von Massenspektrometrie, Radiogaschromat-
Chemie und die Radionuklidbildung in der ersten Wand,               ographie, Ion-Zyklotron-Resonanz-Massenspektrometrie
die Reinigung der Plasmaabgase einschließlich der Tri-              und Laser-Raman-Spektrometrie, d.h. Messmethoden,
tiumrückgewinnung und die Tritiumentfernung aus dem                 die sich besonders für die quantitative und qualitative Be-
Kühlmittel Wasser.                                                  stimmung kleiner Mengen von deuterierten/tritiierten Ver-
                                                                    unreinigungen eignen.
Weitere Themen ergeben sich aus der notwendigen Mini-
mierung einer Tritiumabgabe nach außen, z.B. während des            Die Handhabung von Tritium ist nicht nur vor dem Hinter-
Fusionsreaktorbetriebes. Dazu müssen entsprechende                  grund der Entwicklung von Fusionstechnologien wichtig.
Rückhalteinrichtungen entwickelt werden. Darüber hinaus             Für das KArlsruher TRItium Neutrino (KATRIN) Experiment
stellen sich Fragen zur Dekontamination tritiumkontami-             wird eine hochpräzise Tritiumquelle entwickelt, um eine
nierter Oberflächen und der geeigneten Behandlung triti-            äußerst empfindliche Massenmessung des beim ß--Zer-
umhaltiger Abfälle. Der zufriedenstellenden Lösung dieser           fall des Tritiums entstehenden Antineutrinos in einem
Fragen wird bei der Entwicklung dieser Technologie zu ei-           supraleitenden Spektrometer durchzuführen. Damit er-
ner kommerziell nutzbaren Energietechnik eine entschei-             hofft man sich die Beantwortung offener Fragen zum
dende Bedeutung zukommen, vor allem im Hinblick auf                 Standardmodell der Teilchenphysik, aber auch Aufschluss
die Begrenzung von Radionuklidfreisetzungen auf extrem              darüber, welche Rolle Neutrinos für die ‚dunkle Materie‘ in
niedrige Werte, sowohl im bestimmungsgemäßen Betrieb                unserem Universum spielen.
wie auch in Unfallsituationen. Chemische Reaktionen und

Blick in das Tritiumlabor des KIT (© KIT 2002, Martin Lober, Markus Breig)

18
L E H R E , A U S B I L D U N G U N D K O M P E T E N Z E R H A LT

LEHRE, AUSBILDUNG, KOMPETENZ­
ERHALT UND KOMPETENZAUSBAU
Wie diese Broschüre zeigt, ist das Fachgebiet der Nukle-      Die Fachgruppe Nuklearchemie sieht ihre Ziele und
archemie für eine Vielzahl wissenschaftlicher Fragestel-      Aufgaben daher explizit in der Sicherung einer ausrei-
lungen und wichtiger gesellschaftlicher Themen relevant       chenden Forschungs-, Lehr- und Ausbildungskapazität in
und erforderlich. Klassische Techniken der Kernstrah-         den Fächern Kern-, Radio- und Strahlenchemie und in
lenspektroskopie werden heute durch moderne röntgen-,         der Gewährleistung des Kompetenzerhalts in all diesen
laser- und massenspektrometrische Methoden ergänzt.           Bereichen. Dazu nutzen wir z.B.:
Ähnliches gilt für die vielfältigen Anwendungsbereiche,
die nahezu alle chemischen Disziplinen, von Anorganik,            Konferenzen, Arbeitskreise, Mitwirkung am wissen-
Organik, Physikochemie, technischer Chemie über die               schaftlichen Programm der GDCh, Publikationen und
Geochemie hin zur Biochemie umfassen. In vielen nukle-            Monographien auf dem Gebiet der Kern-, Radio- und
archemischen Bereichen wurden in den letzten Jahren               Strahlenchemie
signifikante Fortschritte erzielt und damit z.B. die An-
wendungen in der Medizin deutlich ausgeweitet und die             Kurse zur Vermittlung des sicheren Umgangs mit ra-
Grenzen des Periodensystems signifikant ausgedehnt.               dioaktiven Stoffen und zum Strahlenschutz
Daraus ergibt sich ein wachsender Bedarf an entspre-
chenden Lehr- und Ausbildungsmöglichleiten im Fach                Aktive Interaktion mit in- und ausländischen Aus-
Nuklearchemie aber auch in den für die Praxis relevanten          schüssen, Verbänden und Organisationen fachver-
Themen des Strahlenschutzes und der Radioanalytik.                wandter Gebiete.
Auch in der Kerntechnik besteht nach wie vor Bedarf an
nuklearchemischer Kompetenz in Deutschland. Sicherer          Des Weiteren engagieren sich Fachgruppenmitglieder
Betrieb von Kernkraftwerken bis zur Abschaltung, Rück-        in der Lehre an Hochschulen und Universitäten in Form
bau kerntechnischer Anlagen und die sichere Entsorgung        von Vorlesungen und Praktika. In den folgenden Tabellen
radioaktiver Reststoffe stellen einen wichtigen Aspekt der    findet sich eine Aufstellung von Hochschulen sowie For-
„Energiewende“ dar und benötigen noch für Jahrzehnte          schungseinrichtungen in Deutschland und im deutsch-
nuklearchemisches Know-how. Im Gegensatz dazu hat             sprachigen Ausland, an denen zu nuklearchemischen
sich allerdings in den vergangenen Jahrzehnten die An-        Themen gelehrt und geforscht wird.
zahl der Hochschulen und Universitäten in Deutschland,
an denen das Fachgebiet Nuklearchemie gelehrt wird,
signifikant verringert.

                                                                                                                       19
NUKLEARCHEMIE
                          FORSCHUNG & PERSPEKTIVEN
LEHRE UND AUSBILDUNG IN DEUTSCHSPRACHIGEN LÄNDERN

Lehre und Ausbildung in deutschsprachigen Ländern
DEUTSCHLAND

Institut                              Themen                            Kontakt

Universitäten und Hochschulen

RWTH Aachen                            Kernchemie, Endlagerung          Prof. Dirk Bosbach
Lehrstuhl für Entsorgung               radioaktiver Abfälle,            Tel.:    +49 2461 61 5299
nuklearer Abfälle                      Brennstoffkreislauf              Fax:     +49 2461 61 2450
in Kooperation mit dem Forschungs­                                      E-Mail: d.bosbach@fz-juelich.de
zentrum Jülich – Institut für Energie-
und Klimaforschung
                                                             www.fz-juelich.de/iek/iek-6/DE/home/_node.html

Universität Mainz,                 Radiopharmazeutische Chemie,         Prof. Michael Block
Institut für Kernchemie            Kern- und Radiochemie,               Prof. Christoph E. Düllmann
                                   Superschwere Elemente,               Prof. Tobias Reich
Kooperation mit dem GSI Helmholtz­ Actinidenchemie,                     Prof. Dieter Ries
zentrum für Schwerionenforschung, Radioanalytik,                        Prof. Frank Rösch
Darmstadt                          Ultrakalte Neutronen                 Tel.:    +49 6131 39 25879
                                                                        Fax:     +49 6131 39 25253
                                                                        E-Mail: block@uni-mainz.de
                                                                                 duellmann@uni-mainz.de
                                                                                 tobias.reich@uni-mainz.de
                                                                                 d.ries@uni-mainz.de
                                                                                 frank.roesch@uni-mainz.de
                                                                              www.kernchemie.uni-mainz.de

Technische Universität München,       Radiopharmazie,                   Prof. Hans-Jürgen Wester,
Radiochemie und Pharmazeutische       Radioanalytik                     Dr. Christoph Lierse v. Gostomski
Radiochemie                                                             Tel.:    +49 89 289 12203
                                                                        Fax.: +49 89 289 12204
                                                                        E-Mail: h.j.wester@tum.de
                                                                                 christoph.lierse@tum.de
                                                                                          www.prc.ch.tum.de

Universität des Saarlandes,           Umweltchemie                      PD Dr. Ralf Kautenburger
Anorganische Chemie                   Radiochemie                       Tel.:   +49 681 302 2171
Elementanalytik – AG WASTe            Radionuklidmigration              Fax.: +49 681 302 70655
                                      Speziationsanalytik               E-Mail: r.kautenburger@mx.uni-
                                                                                saarland.de
                            www.uni-saarland.de/lehrstuhl/kickelbick/speziations-und-elementanalytik.html

Universität Hannover, Institut für    Radioökologie,                    Prof. Clemens Walther
Radioökologie und Strahlenschutz      Radioanalytik,                    Prof. Georg Steinhauser
                                      Strahlenschutz                    Tel.:    +49 511 762 5112
                                                                        Fax:     +49 511 762 3008
                                                                        E-Mail: walther@irs.uni-hannover.de
                                                                                 steinhauser@irs.uni-hannover.de
                                                                                     www.irs.uni-hannover.de

20
LEHRE UND AUSBILDUNG IN DEUTSCHSPRACHIGEN LÄNDERN

DEUTSCHLAND

Institut                               Themen                           Kontakt

Universitäten und Hochschulen

Freie Universität Berlin,              Koordinationschemie              Prof. Ulrich Abram
Institut für Chemie und Biochemie –    (Tc, U, Th)                      Tel.:     +49 30 838 54002
Anorganische Chemie                                                     Fax:      +49 30 838 52676
                                                                        E-Mail: ulrich.abram@fu-berlin.de
                                      www.bcp.fu-berlin.de/chemie/chemie/forschung/InorgChem/index.html

Technische Universität Dresden,        Radioökologie,                   Institut für Ressourcenökologie
Professur Radiochemie                  Actinidenchemie,                 Prof. Dr. Thorsten Stumpf
                                       Strahlenschutz                   Tel.:     +49 351 260-3210
in Kooperation mit dem Helmholtz-                                       Fax:      +49 351 260-3553
Zentrum Dresden Rossendorf (HZDR)                                       E-Mail: t.stumpf@hzdr.de
– Institut für Ressourcenökologie
                                                www.chm.tu-dresden.de / www.hzdr.de/db/Cms?pNid=142

Technische Universität Dresden         Radiopharmazie                   Institut für Radiopharmazeutische
Professur Bioanorganische und          Pathobiochemie                   Krebsforschung
Radiopharmazeutische Chemie            Bioanorganische Chemie           Prof. Jörg Steinbach
                                                                        Tel.:     +49 351 260 3170
in Kooperation mit dem Helmholtz-                                       Fax:      +49 351 260-3232
Zentrum Dresden Rossendorf (HZDR)                                       E-Mail: j.steinbach@hzdr.de
- Institut für Radiopharmazeutische
Krebsforschung
                                                                             www.hzdr.de/db/Cms?pNid=130

Universität Leipzig,                   Radiopharmazie,                  Institut für Ressourcenökologie
Forschungsstelle Leipzig des           Reaktiver Radionuklidtransport   Prof. Dr. Thorsten Stumpf
Helmholtz-Zentrums Dresden-            Strahlenschutz                   Tel.:     +49 351 260-3233
Rossendorf                                                              Fax:      +49 351 260-3553
                                                                        E-Mail: t.stumpf@hzdr.de
in Kooperation mit dem Helmholtz-
                                                                            www.hzdr.de/db/Cms?pNid=142
Zentrum Dresden Rossendorf (HZDR)
- Institut für Ressourcenökologie
- Institut für Radiopharmazeutische                                     Institut für Radiopharmazeutische
Krebsforschung                                                          Krebsforschung
                                                                        Prof. Jörg Steinbach
                                                                        Tel.:     +49 351 260 3170
                                                                        Fax:      +49 351 260-3232
                                                                        E-Mail: j.steinbach@hzdr.de
                                                                            www.hzdr.de/db/Cms?pNid=130

                                                                                                            21
NUKLEARCHEMIE
                          FORSCHUNG & PERSPEKTIVEN
LEHRE UND AUSBILDUNG IN DEUTSCHSPRACHIGEN LÄNDERN

DEUTSCHLAND

Institut                                Themen                           Kontakt

Universitäten und Hochschulen

Universität zu Köln,                    Radioanalytik,                 Prof. Dr. Bernd Neumaier
Abteilung Nuklearchemie                 Umweltchemie der Radionuklide, Tel.:    +49-2461 61-4141
                                        Radiopharmazie                 Fax:     +49 2461 61-2535
                                                                       E-Mail: b.neumaier@fz-juelich.de
                                                                         und
in Kooperation mit dem Forschungs­-
zentrum Jülich – Institut für Neuro­                                     PD Dr. Erik Strub
wissenschaften und Medizin (INM)                                         Tel.:   +49 221-478-86807/86806
                                                                         Fax:    +49 221-478-86851
                                                                         E-Mail: erik.strub@uni-koeln.de
                                                                   http://radiochemie.uk-koeln.de/das-institut

Universität Heidelberg,                 Actinidenchemie,                 Prof. Thomas Fanghänel
Physikalisch-Chemisches Institut        Radiogeochemie                   Tel.:   +49 7247 951 351
                                                                                 +32 229 53696
in Kooperation mit dem                                                   E-Mail: thomas.fanghaenel @ec.europa.eu
Joint Research Centre – Institute for
                                                                                     http://itu.jrc.ec.europa.eu
Transuranium Elements (JRC-ITU),
Karlsruhe
                                                                         Prof. Petra Panak
Karlsruher Institut für Technologie
                                                                         Tel.:   +49 721 608 24469
– Institut für Nukleare Entsorgung
                                                                         Fax:    +49 721 608 23927
(KIT-INE)
                                                                         E-Mail: petra.panak@kit.edu
                                                                               www.radiochemie-heidelberg.de

Karlsruher Institut für Technologie     Actinidenchemie,                 Prof. Horst Geckeis
(KIT), Institut für anorganische        Radiogeochemie                   Tel.:   +49 721 608 22231
Chemie (AOC), Institut für Nukleare                                      Fax:    +49 721 608 24308
Entsorgung (INE)                                                         E-Mail: horst.geckeis@kit.edu
                                                                                               www.ine.kit.edu

Friedrich-Alexander-Universität         Uran-Koordinationschemie         Prof. Karsten Meyer
Erlangen-Nürnberg (FAU),                                                 Tel.:   +49 9131 8527360
Anorganische und Allgemeine                                              E-Mail: karsten.meyer@fau
Chemie
                                                                                  www.inorganic-chemistry.net

FH Aachen – University of Applied                                        Prof. Elisabeth Oehlke
Sciences (Campus Jülich)
                                                                         Tel.:   +49 0241 6009 53894
                                                                         E-Mail: oehlke@fh-aachen.de
                                                                                            www.fh-aachen.de

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