Forschung und Aktivitäten Januar bis März 2022 - Wuppertal Institut
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Inhalt Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Forschungsprojekte und -ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Vollständig erneuerbare Gebäudewärme bis 2035 machbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Wie sieht die Energieversorgung von morgen aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Krankenhäuser nachhaltig modernisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Chemisches Recycling auf dem Prüfstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Zukünftige Generationen handlungsfähig machen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Petrochemie ohne Öl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Menschen im Wuppertaler Stadtteil Mirke sehr zufrieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Energetische Sanierung ökologischer als Neubau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Schulen ermitteln ihren CO2-Fußabdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Events & Forschungstransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Erfolgreiches Engagement für die Energiewende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Halbzeit der Energiewende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Ein klimapolitischer Rück- und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Auftaktveranstaltung: Netzwerk Klimaanpassung & Unternehmen.NRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 8. NRW-Nachhaltigkeitstagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Umsetzung der Klimaschutzziele erfordert mehr Ehrlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Ausgezeichnet: Lebenswerte Straßenräume der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Kunst und Kultur sind Motor für Transformationsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Vorreiter aus der Mitte? Beitrag und Rolle des NRW-Mittelstands in der Klimakrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 16. BilRess-Netzwerkkonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Forschungsprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Den Verkehr auf Klimakurs bringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Auf dem Weg zur Klimaneutralität: Paris-Kompatibilität erreicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Kleinerer CO2-Fußabdruck steigert Website-Performance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Top-Ten-Publikationen 2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Schneller Wandel für eine klimaneutrale Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Ressourcen-Tauschbörse für Unternehmen im Bergischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Klimaschutzverträge für Investitionen in klimafreundliche Industrieanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Vorstellung der Politikdatenbank für Energiesuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Knapp 300 Energiespar-Ideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Personalveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Neue Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Veranstaltungen und Vorträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Impressum Der Quartalsbericht erscheint vierteljährlich mit einer Darstellung von Höhepunkten der Aktivitäten des Wuppertal Instituts in den vorangegangenen drei Monaten. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Quartalsbericht 1/2022 Geschäftsführung: Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Fotos: siehe Bildlegenden, Titelseite: GettyImages, (wissenschaftlicher Geschäftsführer) und Michael Dedek, Editorial: JRF e. V. (kaufmännischer Geschäftsführer) Telefon: +49 202 2492-0, Fax: -108 Redaktion: Christin Hasken, Anna Riesenweber E-Mail: info@wupperinst.org, Döppersberg 19, 42103 Wuppertal Internet: wupperinst.org
Liebe Leser*innen, der kriegerische Angriff Russlands auf die Ukraine domi- ger von importierten fossilen Energieträgern zu machen. niert seit Wochen die politischen Diskussionen und Ent- Die Studie „Heizen ohne Öl und Gas“ des Wuppertal Ins- scheidungen in Deutschland und Europa. Vieles von dem, tituts, die im Auftrag von Greenpeace entstand, stellt he- was vor wenigen Wochen noch als Gewissheit, als unver- raus: Die Wärmeversorgung der Gebäude in Deutschland rückbares Paradigma galt, scheint jetzt obsolet oder steht ließe sich bis 2035 vollständig auf erneuerbare Energien zumindest kritisch auf dem Prüfstand. Auch in der Ener- umstellen. Erforderlich dafür ist ein umfassender Politik- giepolitik werden gefasste Beschlüsse und Ziele infrage mix des ‚Forderns und Förderns‘. Um die Klimaziele nicht gestellt – wie der Atomausstieg, der Kohleausstieg oder zu verfehlen, muss die Politik jetzt die Weichen für eine die Einordnung von Gas als Brückentechnologie zu ei- schnelle Wärmewende stellen. nem erneuerbaren Energiesystem. Mit der Eskalation des Passend dazu können Sie sich auch schon den 24. und Konfliktes und der zum Teil undurchschaubaren Politik 25. Oktober 2022 vormerken: An diesen Tagen findet an- Russlands in Bezug auf die Lieferung von Erdgas, drängt lässlich des 200. Jubiläums der Stadtsparkasse Wupper- sich die Sicherheit der Energieversorgung mit Macht auf tal der zweitägige Nachhaltigkeitskongress in Koopera- die energiepolitische Agenda. Wie der Übergang in einen tion mit dem Wuppertal Institut und der Neuen Effizienz erneuerbaren Energiemix der Zukunft aussieht, ist heute in Wuppertal statt und bietet einen breiten Einblick in offener denn je. In einer aktuellen Einschätzung zu Ener- die Wege zur Klimaneutralität und Versorgungssicher- gieversorgungsrisiken, hohen Energiepreisen und zur heit sowie die Relevanz des globalen Klimawandels für Klimaschutz-Herausforderung erläutern wir daher, was Wuppertal. kurz,- mittel- und langfristig getan werden kann, um die Versorgungssicherheit in Europa zu erhöhen und sich un- Eine spannende Lektüre wünschen abhängig zu machen von der einseitigen Abhängigkeit von Erdgas-, Öl- und Kohleimporten aus Russland – ohne die Klimaschutz-Ziele aus den Augen zu verlieren. Vor diesem Hintergrund diskutierten die Referierenden beim Wuppertal Lunch „Energiepolitik unter dem Ein- druck des Russland-Ukraine-Krieges – Maßnahmen für Manfred Fischedick und Michael Dedek Klimaschutz und Versorgungssicherheit“ darüber, wie (wissenschaftlicher Geschäftsführer die Energie- und speziell die Heizenergieversorgung und kaufmännischer Geschäftsführer) nicht nur in diesem, sondern auch im nächsten Winter sichergestellt werden kann, wie der Ausbau erneuerbarer Energien deutlich beschleunigt werden kann und was die dazu gehörigen Zeithorizonte, Möglichkeiten und Nadelöhre sind. Die Wärmeversorgung im Gebäudebereich und Prozess- wärme- sowie Grundstoffversorgung im Bereich der In- dustrie haben zusammen einen Anteil von etwa 70 Pro- zent am deutschen Erdgasverbrauch. Allein in Deutsch- land verursachen Gebäude durch ihren Energieverbrauch zudem rund ein Viertel der Treibhaus- gas-Emissionen. Daher besteht in puncto Energieeffi- zienz und Umstieg auf erneuerbare Energien schon aus Klimaschutz-Gründen besonderer Handlungsbedarf. Gleichzeitig bietet das auch die Chance, sich unabhängi- Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 3
Forschungsprojekte und -ergebnisse Vollständig erneuerbare Gebäudewärme bis 2035 machbar –––––––– Die Wärmeversorgung ist in Deutschland die das Wuppertal Institut im Auftrag heute noch vor der Industrie der größte von Greenpeace erstellt hat. Dr. Stefan Nachfrager nach Erdgas. „Die kurzfristi- Thomas, Leiter der Abteilung Energie-, Heizen ohne Öl und Gas gen Alternativen zu Erdgas bei der Behei- Verkehrs- und Klimapolitik am Wupper- bis 2035 zung der Gebäude sind zwar begrenzt, mit- tal Institut und Hauptautor der Studie, Ein Sofortprogramm für erneuerbare Wärme und effiziente Gebäude telfristig sind die Möglichkeiten der Um- betont: „Hierfür müsste in drei zentralen steuerung aber groß“, sagt Prof. Dr.-Ing. Bereichen jeweils eine ordnungsrechtliche Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Maßnahme mit einer spezifischen, dazu Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, passenden finanziellen Fördermaßnahme und ergänzt: „Mit einer klugen auf Effi- kombiniert werden. Die Vorschriften wür- zienzsteigerung und den Ausbau erneuerba- den Verbindlichkeit schaffen und die Wär- rer Energien ausgerichteten Strategie redu- mewende beschleunigen. Die Förderung zieren sich nicht nur die Versorgungsrisi- macht die Investition für die Verpflichteten ken. Die beschleunigte Wärmewende ist für wirtschaftlich attraktiv.“ Haushalte, Unternehmen und öffentliche Die Studie stellt dafür ein Sofortpro- Einrichtungen auch wirtschaftlich höchst gramm vor, mit dem ein beschleunigter www.greenpeace.de attraktiv.“ Der Ausstieg aus Öl und Gas Umstieg auf erneuerbare Energien in erfordert zunächst jährlich zusätzliche dem Sektor machbar ist. Unter anderem Cover der Studie Investitionen in Höhe von 50 Milliarden zählt dazu ein Ausstiegsgesetz, mit dem „Heizen ohne Öl und Gas bis 2035“. Euro sowie 22 Milliarden Euro staatliche der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen Quelle: Greenpeace Fördergelder. Doch dies ist eine Investi- ab 2024 und der Betrieb bestehender An- tion in die Zukunft und aus heutiger Sicht lagen schrittweise bis 2035 verboten notwendige Vorleistung, um zukünftig Geld werden. Als notwendige Ergänzung dazu Förderprogramm für Betreibende und einzusparen. 2035 könnten durch dieses schlägt die Studie ein Förderprogramm Kommunen zu kombinieren. Die drei Investment jährlich netto 11,5 Milliarden für zwölf Millionen Wärmepumpen und zentralen Maßnahmen-Bereiche benöti- Euro der Kosten eingespart werden. Hin- 70 Millionen Quadratmeter Solarthermie- gen zudem weitere wichtige Instrumente zu kommen erhebliche positive volks- Anlagen vor. zur Flankierung. Dazu gehören die Stär- wirtschaftliche Effekte. Mit den Maßnah- Damit die beschleunigte Wärmewende kung von neuen kostengünstigen Ferti- men könnten eine halbe Million Arbeits- gelingt, muss aber insbesondere auch der gungstechnologien, wie das serielle Sa- plätze geschaffen oder gesichert werden Energiebedarf der bestehenden Gebäude nieren, die praktische Unterstützung bei – davon die Hälfte in der Bauwirtschaft. sinken. Das Sofortprogramm sieht des- der Umsetzung – etwa durch lokale One- Schließlich führt die beschleunigte Wär- halb in Abhängigkeit des Effizienzstan- Stop-Agenturen, die Energieberatung, mewende zur Verringerung von 168 Mil- dards eine schrittweise Pflicht zur Sanie- Baubegleitung und Qualitätskontrolle lionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro rung ineffizienter Gebäude vor, sodass aus einer Hand anbieten –, und eine Jahr. „Um die Klimaziele nicht zu verfehlen, bis 2040 alle Gebäude die Effizienzklasse Qualifizierungsoffensive für mehr Hand- muss die Politik jetzt die Weichen für eine B erreichen. Unterstützt wird dies mit werker*innen und Energieberater*innen. schnelle Wärmewende stellen“, betont einer Weiterentwicklung der Bundesför- Auch eine effizientere Flächennutzung Manfred Fischedick. derung für effiziente Gebäude, die zur sollte gefördert werden, beispielsweise Mit einem ambitionierten Maßnahmen- Sanierung von jährlich mindestens drei durch Wohntauschprogramme und Um- mix könnte der Gebäudesektor in Prozent der Gebäude führt. Darüber hin- bauförderung. Deutschland schon 2035 praktisch treib- aus müssten Nah- und Fernwärmenetze > mehr hausgasneutral sein. Zu diesem Ergebnis stark ausgebaut und bis 2035 auf erneu- kommt die Studie „Heizen ohne Öl und erbare Energien umgestellt werden. Gas bis 2035 – Ein Sofortprogramm für er- Hierfür sind gesetzliche Ziele und Stan- neuerbare Wärme und effiziente Gebäude“, dards zu formulieren und mit einem Quelle: Getty Images 4 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
en t m e St at Wie sieht die Energieversorgung von morgen aus? In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Hinzu kommt nicht zuletzt die Notwendigkeit ei- Welt verändert und vermehrt beherrschen Kri- ner hinreichenden und sicheren Verfügbarkeit sen das Bild. Jahrzehntelange Gewissheiten gel- von Rohstoffen, wie etwa Seltene Erden, für die ten nicht mehr, Risiken und Unsicherheiten neh- Herstellung zentraler Klimaschutztechnologien men zu, die Herausforderungen werden immer oder stabile Bezugsstrukturen für zentrale Kom- komplexer und erfordern gleichzeitig immer ponenten und Produkte. schnelleres und konsequenteres Handeln. Was können und was müssen wir aus den aktu- ellen Krisen lernen? Wir müssen lernen, dass wir ein erhöhtes Maß an Sensibilität gegenüber po- tenziellen Risiken brauchen und da, wo notwen- dig und möglich, Vorsorge treffen müssen und zwar auch dann, wenn dies finanzielle und struk- turelle Vorleistungen erfordert. Nach der Coro- na-Pandemie ist die zugespitzte geopolitische Lage in Bezug auf die Erdgasversorgung über- raschend aber mit großer Macht auf die Agenda Quelle: GettyImages gekommen, das heißt ohne, dass die Entschei- dungsträger*innen in Politik und Wirtschaft so- wie die Verbraucher*innen darauf wirklich vor- In diesem Sinne gilt es beispielsweise zu überle- bereitet gewesen sind – nicht zuletzt vor dem gen, ob die weitgehende Abhängigkeit vom Im- Hintergrund jahrzehntelanger zuverlässiger Lie- port von Photovoltaik-Modulen aus China den ferungen (auch zu Zeiten des Kalten Krieges). Anforderungen gerecht wird oder im stärkeren Was im letzten Quartal des Jahres 2021 mit ei- Maße wieder auf eine heimische Produktion ge- nem auf verschiedene Effekte zurückzuführen- setzt werden sollte. Dabei geht es nicht darum, den, drastischen Anstieg der Energiepreise an- vollständig autarke Strukturen aufzubauen, son- fing, kumulierte mit dem Krieg Russlands gegen dern Verletzlichkeiten und Risiken zu reduzieren die Ukraine in Bezug auf die Energieversorgung oder sich diesen in jedem Fall bewusst zu sein. in eine Situation, in der geopolitische Risiken Neben der Diversifikation von Bezugsstrukturen das Bild bestimmen. Hiermit verbunden waren und einer verstärkten heimischen Produktion weitere drastische Preisaufschläge beim Energie- kann auch der Übergang der heute nach wie vor träger Gas. stark linear geprägten Produktionsstrukturen auf Für den Umgang mit der Energieversorgungs- zirkuläre Strukturen (Circular Economy) einen und Energiepreis-Krise sind Lösungen und ein wesentlichen Beitrag zur Risikominderung leisten. dauerhaft tragfähiger Ausweg notwendig. Die Die Energieversorgungs- und Energiepreis-Krise nun anstehenden Entscheidungen müssen ent- kann durchaus beschleunigend auf die Umsetzung sprechend aus einer ganzheitlichen Perspektive der Energiewende und insbesondere der Klima- getroffen werden, Lock-in-Situationen und Pfad- schutzziele wirken – gleichsam als „Booster“. Dies abhängigkeiten sind zu vermeiden, die für das gilt vor allem auch dann, wenn die Botschaft ver- Klima in eine Sackgasse führen. standen wird, dass Krisenprävention aufgrund der Umgekehrt ist für die Zukunft vor diesem Hinter- gemachten Erfahrungen einen deutlich höheren grund aber auch klar: Es bedarf eines generellen Stellenwert bekommen muss. Dies schließt die Be- Risiko-Checks für die zentralen Energiewende- grenzung der Folgen des Klimawandels explizit und Klimaschutz-Strategien sowie -Pfade. Dies mit ein. gilt insbesondere in Bezug auf die Sicherheit der Die komplette EInschätzung des wissenschaftli- Bereitstellung von Energieträgern, aber für ein chen Geschäftsführers des Wuppertal Instituts, Industrieland wie Deutschland sowie in ganz Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, ist im nachfol- entscheidender Weise für die Versorgung mit genden Link zu finden. Grundstoffen für die Industrie. > mehr Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 5
Krankenhäuser nachhaltig modernisieren –––––––– Die Klimaschutzziele der Bundesregierung „Um in allen Bereichen klimaneutral zu cher, Fassaden und Fenster. stellen Krankenhäuser in Nordrhein- werden, müssen die Krankenhäuser den Weitere Felder sind die Wärme- und Käl- Westfalen (NRW) vor enorme Herausfor- Prozess in die Hände von hauptamtlichen teerzeugung, der Einsatz von Photovol- derungen. Sie haben einen hohen Energie- Klimaschutzmanager*innen legen“, nennt taik, die Umstellung auf LED-Beleuchtung, verbrauch und sind nicht immer mit der Oliver Wagner, Co-Leiter des Forschungs- der Austausch von Lüftungsanlagen, der modernsten Gebäude-Technik ausgestat- bereichs Energiepolitik am Wuppertal Tausch von Heizungspumpen, die Um- tet. Das belastet den Klimaschutz, bietet Institut und Hauptautor des Gutachtens, stellung auf möglichst autofreie Mobili- aber auch Chancen. Doch wie lassen sich eine zentrale Voraussetzung, die als erste tät aber auch Elektromobilität sowie Krankenhäuser energetisch und nachhal- von zehn Maßnahmen durch die Kran- Substitution von Narkosegasen durch an- tig modernisieren und die Strom- und kenhäuser umgesetzt werden sollte. „Ent- dere Anästhesieverfahren, wie Spinalan- Wärmeversorgung auf erneuerbare Quel- scheidend für den Erfolg ist, dass es eine ästhesie bzw. intravenöse Anästhesie, len umstellen? Das Gutachten „Zielbild: Person gibt, die sich als Motor und Promo- oder dem Recycling von Narkosegasen Klimaneutrales Krankenhaus“ des Wup- ter*in des Klimaschutz-Prozesses um die mittels Narkosegasfilter. pertal Instituts im Auftrag der Kranken- Umsetzung kümmert“, ergänzt Wagner. Werden die Maßnahmen konsequent um- hausgesellschaft Nordrhein-Westfalen Den größten Investitionsaufwand und gesetzt und gelingt es, die dafür notwen- schlägt für die 337 nordrhein-westfäli- zugleich größten Effekt erzielen die digen Investitionsvolumina zu generieren, schen Krankenhäuser ein „Zielbild: Kli- Krankenhäuser nach Ansicht der Wissen- kann den Analysen des Wuppertal Insti- maneutrales Krankenhaus” vor, das zehn schaftler*innen bei der energetischen tuts folgend ein adäquater Beitrag zu den konkrete Maßnahmen und ihre Effekte Sanierung der Gebäudehüllen – also Dä- Klimaschutzzielen geleistet werden. Zu- auf das Klima darstellt. Die Forschenden dem ist es wichtig, dass große Mengen benennen dafür drei Handlungsfelder Verbrauchsmaterial reduziert werden. Vor – auch Scopes genannt – für die NRW- allem die Möglichkeiten zur Reduzierung Krankenhäuser: Das erste adressiert die des Kunststoffabfalls werden in vielen Abschlussbericht | März 2022 direkt von den Einrichtungen ausgehen- Krankenhäusern diskutiert. Mit einem Zielbild: den Emissionen, etwa von ihren Hei- "Klimaneutrales Krankenhaus" nachhaltigen Beschaffungswesen ließen zungsanlagen, Fuhrparks oder Narkose- Fachliche Begleitung und sich beim Einkauf und bei der Nutzung gasen. Das zweite zielt auf die indirekten Erstellung eines Gutachtens von Produkten die Treibhausgas-Emissio- Emissionen aus bezogenen Energiequel- nen in Scope 3 signifikant reduzieren. len für Strom oder Fernwärme ab. Der > mehr dritte Bereich umfasst die Mobilität von Mitarbeitenden, Patient*innen sowie Be- sucher*innen und betrifft ebenso alle Warenketten inklusive der Arzneimittel- und der Speisenversorgung. Cover des Gutachtens „Zielbild: ‚Klimaneutrales Krankenhaus‘. Quel- le: Wuppertal Institut mit freundli- cher Genehmigung von ecf architekten gmbH 6 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
„ In der zurzeit sehr ideologischen Debatte versuchen wir konkrete Grundlagen zum chemischen Recycling zu entwickeln – auch mit Blick auf dafür notwendige Rahmenbedin- gungen.“ Dr. Henning Wilts, Koordinator des NRW.Zirkulär-Projekts seitens des Chemisches Recycling auf dem Wuppertal Instituts und Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft Prüfstand –––––––– Die Arbeitsgruppe „Circular Economy“ zu entwickeln – auch mit Blick auf da- auch mit Blick auf Investitionen in not- von IN4climate.NRW beschäftigte sich für notwendige Rahmenbedingungen“, wendige Infrastrukturen bewerten. 2020 in einem Diskussionspapier einge- sagt Dr. Henning Wilts, Koordinator des Gefördert wird das Projekt vom Ministe- hend mit dem aktuellen Entwicklungs- NRW.Zirkulär-Projekts seitens des rium für Wirtschaft, Innovation, Digitali- stand und den Möglichkeiten des chemi- Wuppertal Instituts und Leiter der Ab- sierung und Energie des Landes Nord- schen Recyclings. Dabei zeigte sich: Das teilung Kreislaufwirtschaft. Außerdem rhein-Westfalen, das NRW.Zirkulär in Verfahren hat das Potenzial, eine wichti- entwerfen die Wissenschaftler*innen seiner Ende 2021 veröffentlichten Car- ge Rolle in einer Kreislaufwirtschaft zu Szenarien für zukünftige Kunststoff-Ab- bon-Management-Strategie als eines der spielen, sofern es sinnvoll eingesetzt fallströme in NRW. Damit lässt sich die Vorreiterprojekte in Nordrhein-Westfalen wird. Denn mit ihm lassen sich nicht me- künftige Anwendung der Pyrolyse als ei- anführt. chanisch recycelbare Kunststoff-Abfälle ner Form des chemischen Recyclings in > mehr so aufschließen, dass ein Rohstoff ent- NRW ganzheitlich sowohl ökologisch als steht, der zur Produktion von neuen Kunststoffen verwendet werden kann. Bis zu einer flächendeckenden Anwen- dung ist jedoch noch weitere Forschung nötig. Daher startete Anfang Januar 2022 das Projekt „NRW.Zirkulär“. Ziel des elfmo- natigen Projektes ist es, die Bedingungen für eine Transformation zu zirkulären Kunststoffen durch Pyrolyse-Verfahren in Nordrhein-Westfalen (NRW) mittels einer Umsetzungsstudie systematisch zu prüfen. Die NRW.Zirkulär-Studie, die vom Wuppertal Institut und den beiden SCI4climate.NRW-Partnern Fraunhofer UMSICHT und Carbons Minds (Projekt- leitung) durchgeführt wird, befasst sich schwerpunktmäßig mit der Bestimmung und Analyse eines konkreten Pyrolyse- prozesses. „In der zurzeit sehr ideologi- schen Debatte versuchen wir konkrete Grundlagen zum chemischen Recycling Quelle: GettyImages Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 7
„ Um zukunftsfähig zu sein, müssen wir die zukünftige Generation handlungsfähig Zukünftige Generationen handlungsfähig machen machen! Denn nur, wenn die Gestalterinnen –––––––– und Gestalter von morgen schon heute lernen, technologische und gesellschaftliche Die Wissensfabrik – Unternehmen für Deutschland e. V. und das Wuppertal Ins- Herausforderungen zu lösen und ihre Ideen titut haben gemeinsam das Projekt „City- 4Future“ gelauncht. In einer Online-Ver- einzubringen, können wir nachhaltig und anstaltung stellten sie das Bildungspro- klimafreundlich leben.“ jekt, das sie gemeinsam inhaltlich und didaktisch entwickelt haben, vor. Die Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Westenergie AG wird City4Future als ers- Wuppertal Instituts tes Unternehmen gemeinsam mit mehre- ren Schulen umsetzen. Es gibt Schüler*in- nen der weiterführenden Schulen die Möglichkeit, ihre klimaneutrale Stadt der Zukunft zu entwickeln. Dabei schlüpfen Instituts, Dr. Markus Riefling, Cathrin viel mehr als reine Versorgungsgemein- sie in die Rolle von Forschenden und ent- Gronenberg (BNE-Agentur NRW), Katha- schaften, sie sind Orte des guten Zusam- wickeln nachhaltige und innovative Lö- rina Killmann (Lehrerin für Geografie und menlebens und Kreativitätszentren. Um sungen. In einer Stadtratssitzung lernen Französisch), Lara-Franziska Rogowski zukunftsfähig zu sein, müssen wir die zu- sie, demokratisch zu handeln und Kom- (Senior Sales Manager, Westenergie Mete- künftige Generation handlungsfähig ma- promisse zu finden. ring GmbH) diskutierten: Wie kann eine chen! Denn nur, wenn die Gestalter*innen Wie „City4Future“ im Unterricht von zukunftsfähige Stadt aussehen? Welche von morgen schon heute lernen, technolo- Lehrkräften und Schüler*innen umge- gesellschaftliche Verantwortung kommt gische und gesellschaftliche Herausforde- setzt werden kann und welche Inhalte be- auf Unternehmen zu? Wie wurde das The- rungen zu lösen und ihre Ideen einzubrin- handelt werden, das lernten die Teilneh- ma Nachhaltigkeit bisher und wie soll es gen, können wir nachhaltig und klima- menden des Launch-Termins dank Dr. in Zukunft in den Schulen thematisiert freundlich leben“, ergänzt Manfred Markus Riefling, Projektleiter Wissensfab- werden? Fischedick. rik, und Oliver Wagner, Co-Leiter des For- „Uns hat die Idee der Wissensfabrik sofort Der Energiedienstleister Westenergie un- schungsbereichs Energiepolitik am Wup- angesprochen, denn eines ist sicher: In den terstützt das Bildungsprojekt als wichtiger pertal Institut, kennen. Höhepunkt der Städten entscheidet sich die Zukunftsfähig- Akteur für die Entwicklung zukunftsfähi- Veranstaltung war die Podiumsdiskussion. keit unseres Planeten. Strom, Wärme, Mo- ger und klimaneutraler Städte. „Wir wol- Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wissen- bilität, Digitalisierung: Nichts geht ohne len spürbare Erleichterungen für den All- schaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal sie in den Städten. Aber Städte sind noch tag der Menschen im öffentlichen Raum schaffen. Damit die Lösungen, die wir um- setzen für einen echten Mehrwert sorgen, treten wir in den Austausch mit denjenigen, die die Anwendungen nachher auch nutzen. Themen wie Mobilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit stehen dabei für uns an vorderster Stelle“, sagt Lara-Franziska Rogowski, Senior Sales Manager West- energie Metering GmbH. Weitere Unternehmer*innen sollten mit dem Launch-Termin gezielt angesprochen werden, um mit Schulen Bildungspartner- schaften einzugehen. Die Unternehmen werden Mitglied in der Wissensfabrik und unterstützen die Projektumsetzung an Schulen. Sie kommen für die Projektkos- ten auf und unterstützen die Lehrkräfte im Rahmen der Kooperation mit Fachwissen. Quelle: GettyImages > mehr 8 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
Petrochemie ohne Öl –––––––– Kunststoffe sind ein zentrales Massen- produkt der chemischen Industrie. Sie stecken nicht nur in Verpackungsmate- rialien, sondern beispielsweise auch in Quelle: GettyImages Textilien, Wärmeisolierungen, Rohren, Bodenbelägen, Lacken und Klebstoffen. Die hierfür benötigten Basischemikalien werden gegenwärtig auf Mineralölbasis kurz GreenFeed. Darin wollen die For- Neben themenspezifischen Workshops in der petrochemischen Industrie herge- schenden aufzeigen, wie zentrale Wert- begleitet außerdem eine kleinere Grup- stellt und weiterverarbeitet. Dieser Pro- schöpfungsketten der chemischen pe relevanter Praxispartner*innen aus zess benötigt neben dem fossilen Roh- Industrie treibhausgasneutral gestaltet der Petrochemie, Abfallwirtschaft, Bio- stoff, dem „Feedstock“, ebenfalls viel und dabei langfristig am Standort ökonomie und aus regionalen Netzwer- Energie. Über die gesamte Wertschöp- Deutschland und Europa gesichert wer- ken der chemischen Industrie das For- fungskette entstehen alleine in Deutsch- den können. Doch wie kann eine Trans- schungsprojekt in Form eines Industrie- land CO2-Emissionen in Höhe von 49 formation der heutigen fossil dominier- beirats. Millionen Tonnen jährlich. Da jedoch ten Industrie hin zu einem auf erneuer- Das Wuppertal Institut leitet das dreijäh- auch in einer treibhausgasneutralen baren Rohstoffen basierenden rige Projekt und arbeitet mit dem Karls- Welt weiterhin Kohlenstoff für Kunststof- zirkulären und klimaneutralen System ruher Institut für Technologie und dem fe und andere Kohlenwasserstoff-Verbin- – auch „Grüner Feedstock“ genannt – ge- Deutschen Biomasseforschungszentrum dungen benötigt werden, ist ein Schlie- lingen? Dafür untersuchen und bewer- in Leipzig zusammen. Gefördert wird ßen der Kohlenstoff-Kreisläufe von zent- ten die Wissenschaftler*innen zunächst das Forschungsvorhaben vom Bundesmi- raler Bedeutung, um die Klimaziele zu die Rolle verschiedener technologischer nisterium für Wirtschaft und Klima- erreichen. Bausteine, wie dem Einsatz von Bio-Po- schutz (BMWK) und knüpft an das 7. Um hierfür Lösungsansätze zu entwickeln, lymeren, chemischem Recycling und Energieforschungsprogramm und den startete das Forschungsprojekt „Green grünem Wasserstoff. Auf dieser Basis lei- Schwerpunkt „Ressourceneffizienz im Feedstock for a Sustainable Chemistry – ten sie verschiedene Langfrist-Szenarien Kontext der Energiewende“ an. Energiewende und Ressourceneffizienz für eine klimaneutrale Kunststoffindustrie > mehr im Kontext der dritten Feedstock-Trans- ab und konkretisieren diese gemeinsam formation der chemischen Industrie“ – mit Stakeholdern zu Roadmaps. Menschen im Wuppertaler Stadtteil Mirke sehr zufrieden –––––––– Wie leben und wohnen die Menschen Sie ist Teil des Forschungsprojekts Solar kontaktiert. Für alle anderen Bewoh- im Mirker Quartier? Was finden sie am Decathlon Europe 21/22 (SDE). Hierbei ner*innen der Mirke über 16 Jahren ist Wuppertaler Stadtteil gut und was opti- dreht sich alles um das nachhaltige Bau- die Anmeldung ab sofort offen. Die de- mierungswürdig? Um das herauszufin- en und Wohnen in der Stadt. Ziel ist es, taillierten Zwischenergebnisse sind im den, haben die Bergische Universität das Leben in der Stadt zu verbessern – nachfolgenden Link abrufbar. Wuppertal und das Wuppertal Institut und zwar nicht nur in der Theorie, son- > mehr in Kooperation mit der Stadt Wuppertal dern mit echten Lösungen. „Wir möchten eine Umfrage gestartet, an der inzwi- dem Quartier eine Stimme geben. Deshalb schen über 500 Personen teilgenommen laden wir alle Bewohner*innen der Mirke haben. Nun liegen die ersten Zwischen- herzlich ein mitzumachen“, sagt Dr. Fran- ergebnisse vor, die zeigen: Die Zufrie- ziska Stelzer, die die SDE-Aktivitäten sei- denheit mit dem Stadtteil ist hoch. Vor tens des Wuppertal Instituts koordiniert allem beim Thema Parken und Sauber- und Senior Researcher im Forschungsbe- keit sehen die Bewohner*innen aber reich Innovationslabore am Wuppertal noch Verbesserungsbedarf. Institut ist. Insgesamt gibt es drei Befragungsrun- Die Teilnehmenden der ersten Runde den, die zweite Runde der Mirker Quar- müssen sich nicht erneut anmelden. Sie tiersbefragung startete im März 2022. werden automatisch vom Forschungsteam Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 9
„ Die Daten der Nutzungsphase zeigen aber ebenso den notwendigen Umstieg der Wärme- und Warmwasserbereitstellung von fossilen Quellen hin zu Fern- und Nahwärme sowie effizienten Wärmepumpen und Ökostrom.“ Sören Steger, Senior Researcher im Forschungsbereich Stoffkreisläufe und Projektleiter der Studie am Wuppertal Institut Energetische Sanierung ökologischer als Neubau –––––––– Die Bauindustrie und die Immobilien- Nutzungsphase sowie die gespeicherte Um das Ziel zu erreichen, müsse der Weg wirtschaft gehören zu den ressourcenin- Graue Energie der Gebäude und den zur Elektrifizierung von Heizsystemen tensivsten Sektoren der heutigen Zeit. hiermit Quelle: verbundenen Treibhausgas- GettyImages noch beschleunigt und damit die Abhän- Jährlich werden Millionen Tonnen mine- Emissionen. Die Studienergebnisse zeigen: gigkeit von fossilen Energieträgern ver- ralischer Rohstoffe, Metalle, Holz, Kunst- Wird der gesamte Lebenszyklus berück- ringert werden. Zwar gleicht der Neubau stoff, Glas und anderen Materialien für sichtigt, verursacht die energetische Sa- das Ungleichgewicht zwischen Angebot die Erstellung und Sanierung von Wohn- nierung nur die Hälfte der CO2-Fußab- und Nachfrage aus und hat damit einen gebäuden genutzt. Auch die Herstellung drücke eines Neubaus. „Die Daten der sozialen Wert, eine Alternative zur Sa- von Zement ist als ein Hauptbestandteil Nutzungsphase zeigen aber ebenso den nierung in Beständen ist er aus ökologi- von Beton mit enormen Treibhausgas- notwendigen Umstieg der Wärme- und scher Sicht allerdings nicht. Emissionen verbunden. Der Neubau, die Warmwasserbereitstellung von fossilen > mehr Sanierung und der Abriss von Gebäuden Quellen hin zu Fern- und Nahwärme sowie sorgt zudem für große Mengen Bau- und effizienten Wärmepumpen und Ökostrom“, Abbruchabfälle. Für die Immobilienwirt- sagt Sören Steger, Senior Researcher im schaft stellt sich daher die Frage, wie sie Forschungsbereich Stoffkreisläufe und ihren Gebäudebestand ökologisch opti- Projektleiter der Studie am Wuppertal mieren kann. Doch was wiegt ökologisch Institut. stärker: der Mehrbedarf an Rohstoffen und die anfallenden Abfallmengen bei Abriss und Neubau oder die ressourcen- intensivere Nutzungsphase von sanierten Bestandsgebäuden, wenn deren energe- tische Qualität niedriger ist als bei Neu- bauten? Vor diesem Hintergrund hat das Woh- nungsunternehmen LEG das Wuppertal Institut beauftragt, anhand von drei ex- emplarischen LEG-Gebäuden die energe- tische Gebäudesanierungen im Ver- gleich zur Alternative eines Abrisses und Neubaus ökologisch zu bewerten. Im Fo- kus der Untersuchung standen dabei der Primärenergieverbrauch, die damit ver- bundenen Treibhausgas-Emissionen der Quelle: GettyImages 10 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
Schulen ermitteln ihren CO2-Fußabdruck –––––––– In Deutschland gibt es über 32.000 Schu- len mit insgesamt 8,83 Millionen Schü- Quelle: GettyImages ler*innen und über 790.000 Lehrkräften – hinzu kommen Hausmeister*innen und weiteres Personal. An Orten, an denen sich viele Menschen aufhalten, wird dementsprechend auch viel Energie ver- Die Schüler*innen der Realschule am Verkehrsmittel Schüler*innen, Lehr- braucht und es werden Ressourcen benö- Giersberg Kirchzarten, der Freien Wal- kräfte und weiteres Personal nutzen. tigt, die einen Einfluss auf den Klima- dorfschule St. Georgen Freiburg, der Er- Auch Klassenfahrten, Ausflüge und wandel haben. Wie groß der CO2-Fußab- ich-Fried Gesamtschule Wuppertal-Rons- Schüler*innen-Austausche wurden da- druck (Carbon Footprint) von dorf und der Else-Lasker-Schüler Ge- bei berücksichtigt. „Die Erkenntnisse Bildungseinrichtungen ist, variiert stark. samtschule Wuppertal-Elberfeld wurden aus den Analysen der Schüler*innen tra- Das haben Forscher*innen des Wupper- direkt in den Erhebungsprozess einbezo- gen nicht nur dazu bei, sie für den Klima- tal Instituts innerhalb des Projekts gen, um den CO2-Fußabdruck ihrer schutz zu sensibilisieren, sondern sie „Schools for Future“ mit Unterstützung Schule herauszufinden. Im Rahmen des auch zu motivieren, sich klimaschonen- von Schüler*innen an vier Pilotschulen Projekts Quelle: erfassten sie dafür die CO2- GettyImages der zu verhalten“, zieht Wagner als posi- herausgefunden. Emissionen, die durch Mobilität, Hei- tive Bilanz. „Wenn es darum geht die Klimaschutzziele zung und Stromverbrauch sowie für > mehr zu erreichen, spielen Schulen eine wichtige Mahlzeiten in der Schulkantine und für Rolle, denn hier können junge Menschen Verbrauchsmaterialien (Papier) entste- lernen, wie sie sich möglichst sparsam ver- hen. Die notwendigen Daten haben sie halten“, erklärt Oliver Wagner, Co-Leiter recheriert und forderten beispielsweise des Forschungsbereichs Energiepolitik Informationen von der Schulverwaltung am Wuppertal Institut. Er hat gemein- an. Um eine Bilanz hinsichtlich der Mobi- sam mit den beiden wissenschaftlichen lität zu erstellen, haben sie eine Befragung Mitarbeiterinnen Lotte Nawothnig und gemacht, um herauszufinden, welche Lena Tholen aus dem Forschungsbereich Energiepolitik am Wuppertal Institut so- „ wie Sebastian Albert-Seifried vom Büro Ö-quadrat den Artikel „Making school- based GHG-emissions tangible by stu- dent-led carbon footprint assessment program“ dazu verfasst. Darin veran- Wenn es darum geht die Klimaschutzziele zu schaulichen sie, wie sich mithilfe eines erreichen, spielen Schulen eine wichtige Rolle, eigens entwickelten CO2-Bilanzierungs- tools der CO2-Fußabdruck ermitteln und denn hier können junge Menschen lernen, wie berechnen lässt. sie sich möglichst sparsam verhalten.“ Oliver Wagner, Co-Leiter des Forschungsbereichs Energiepolitik am Wuppertal Institut Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 11
Events & Forschungstransfer Erfolgreiches Engagement für die Energiewende –––––––– Bewegende Energie – das charakterisiert den beruflichen und akademischen Le- bensweg von Prof. Dr. Peter Hennicke. Er ist Senior Advisor am Wuppertal Institut und war bis 2008 dessen Präsident. Sei- ne bis heute andauernde Forschungsar- beit zur Energiewende bringt noch im- mer vieles in Bewegung. Anlässlich sei- nes 80. Geburtstages wurde ihm die Festschrift „Bewegende Energie – Die Energiewende als Treiber der Großen Transformation“ gewidmet und feierlich überreicht. Peter Hennicke hat den Ener- giewende-Begriff zwar nicht erfunden, Die Festschrift „Bewegende Energie“ wurde Prof. Dr. Peter Hennicke, Senior Advisor aber in seiner Arbeit maßgeblich mitge- und ehemaliger Präsident des Wuppertal Instituts, anlässlich seines 80. Geburtstages prägt. am 18. Januar 2022 überreicht. Sie ist im Oekom-Verlag erschienen. Die Festschrift greift die wesentlichen Quelle: Wuppertal Institut/L. Schenk Ideen und wissenschaftlichen Konzepte Hennickes entlang seiner beruflichen und wissenschaftlichen Aktivitäten auf Sie geben mit ihren Beiträgen sowohl auch immer sehr umsetzungsorientier- und zeichnet damit zugleich vierzig Jah- spannende Einblicke in wichtige Ideen, tes Handeln bis heute an. Dr. Stefan Tho- re Energiewende und Transformation die die Energiewende vorangetrieben ha- mas, ebenfalls Mitherausgeber der Fest- zur Nachhaltigkeit nach. Die Autor*in- ben, aber sie ziehen daraus zugleich schrift und Leiter der Abteilung Energie-, nen des Buches haben alle eine enge Be- auch wichtige Schlussfolgerungen für Verkehrs- und Klimapolitik am Wupper- ziehung zu Peter Hennicke als (ehemali- die bereits angebrochene „zweite Halb- tal Institut, betont: „Peter Hennicke erin- ge) Kolleg*innen, Mitstreiter*innen oder zeit“ der Energiewende. nert uns vor allem immer wieder daran, auch Schüler*innen und viele sind „Vielleicht weil ihn dieses Ziel so erfüllt und dass die Energie, die wir durch Energieeffi- freundschaftlich mit ihm verbunden. sein Engagement immer so voller positiver, zienz nicht bräuchten, meist die kosten- aber nicht aufdringlicher Energie ist, be- günstigste und umweltfreundlichste ist. Er geistert und bewegt er die Menschen, die gehört zu den ganz Wenigen in den Wirt- mit ihm zusammenwirken – und häufig schaftswissenschaften, die sich für diese auch jene, welche seinen Ideen zunächst ‚Ökonomie des Vermeidens‘ einsetzen.“ skeptisch oder kritisch gegenüberstehen“, Nach wie vor unterstützt der 80-Jährige sagt Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer, Lei- das Institut mit seiner wissenschaftli- ter der Abteilung Zukünftige Energie- chen Arbeit, insbesondere im Bereich und Industriesysteme am Wuppertal Ins- Energie- und Ressourceneffizienz natio- titut und Mitherausgeber von „Bewegen- nal wie international – etwa im German- de Energie“, das im Oekom-Verlag Japanese Energy Transition Council erschienen und als E-Book und Printex- (GJETC), dessen deutschen Co-Vorsitz er emplar erhältlich ist. auch innehat. Auch die Förderung des Das Ziel, Utopien zu ermöglichen und wissenschaftlichen Nachwuchses im Ge- mit der ‚Effizienzrevolution‘ nicht nur biet von Energiewende und Klimaschutz einen Beitrag zum Klimaschutz zu leis- liegt ihm immer am Herzen. ten, sondern auch darüber hinaus positiv > mehr zu wirken, treibt Peter Hennicke und sein sowohl theoretisches, konzeptionelles als Cover der Festschrift „Bewegende Energie“. Quelle: oekom 12 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
Halbzeit der Energiewende Die Energiewende startete in den 1980er Jahren. Mittlerweile liegt mehr als die Hälfte des Weges zu einer vollständig nachhaltigen Energieerzeu- gung bis 2050 hinter uns. Was können Deutsch- land und die Welt tun, um die gewünschte klima- neutrale Zukunft zu erreichen? Antworten darauf hat Prof. Dr. Peter Hennicke, Senior Advisor am Wuppertal Institut, und spricht darüber in der 22. Episode „Halbzeit der Energiewende“ des bei der Energiewende gut gelaufen ist und was Instituts-Podcasts Zukunftswissen.fm. Seit ihrem sich aus den Fehlern lernen lässt. Gemeinsam Beginn beschäftigt er sich intensiv auf deutscher überlegen sie, wie die nationale und internatio- und internationaler Ebene mit der Energiewende. nale Zukunft der Energiewende aussehen kann Im Jahr 2021 erhielt er Japans höchste Auszeich- und bewerten die Weiterentwicklung der Atom- nung, den „Orden der Aufgehenden Sonne“, für energie kritisch. Sie sprechen außerdem darü- sein Engagement im Deutsch-Japanischen Koope- ber, wie politische, gesellschaftliche und ökolo- rationsrat zur Energiewende (GJETC). gische Ziele zusammengebracht werden kön- Anlässlich seines 80. Geburtstags im Januar nen, um eine „Just Transition“ zu erreichen und 2022, unterhielt sich Annika Tönjes, Researcher einer Spaltung der Gesellschaft vorzubeugen. im Forschungsbereich Strukturwandel und Inno- Es wird spannend! Reinhören und informiert vation am Wuppertal Institut, mit Hennicke dar- bleiben: #ZukunftswissenFM über, was in den vergangenen rund 40 Jahren > mehr Ein klimapolitischer Rück- und Ausblick en t m e –––––––– St at Das Jahr 2021 war zweifelsohne ein Kurzum: Es ist noch eine Menge zu tun, wichtiges Jahr für den Klimaschutz. Un- wie seine wenigen Beispiel zeigen. abhängig von der weltweit alles bestim- Deutschland übernahm im Januar 2022 menden Frage nach der Überwindung die G7-Präsidentschaft und wird versu- der Corona-Pandemie blieb Klimaschutz chen diese zu nutzen, um das Klima- oben auf der Agenda. Dies gilt für die schutztempo auf globaler Ebene anzuzie- wird damit Signalwirkung für Kreditver- Fortsetzung der Demonstrationen von hen. Ein Instrument dafür könnten und gabe und Anlageverhalten haben. Für Fridays for Future und anderen zivilge- sollten die im Koalitionsvertrag genann- die neue Bundesregierung geht es jetzt sellschaftlichen Institutionen für einen ten Klimaclubs sein. Sie sollen die Basis vor allem um die Umsetzung. Was zu tun verstärkten Klimaschutz genauso wie für dafür schaffen, dass sich Vorreiterländer ist, ist im Laufe des Jahres 2021 in vier die politische Auseinandersetzung über für den Klimaschutz vernetzen und unter großen Transformationsstudien beschrie- den besten Weg, die für den Klimawan- einheitlichen Bedingungen schneller als ben worden. Bei aller Unterschiedlichkeit del verantwortlichen Treibhausgas-Emis- der Rest der Welt vorangehen. Auf euro- der Auftraggeber für die Studien, sind sie sionen zu reduzieren und perspektivisch päischer Ebene geht es um die Umset- sich in dem Handlungsrahmen und den treibhausgasneutral zu werden. zung des „Fit for 55“-Programms, dem robusten Strategie-Elementen sowie not- Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wissen- klimapolitischen Kern des European wendigen Ausbaudynamiken – von zum schaftlicher Geschäftsführer des Wupper- Green Deals. Hier steht die Überarbei- Beispiel erneuerbaren Energien und tal Instituts, hat in einer Kurzeinschätzung tung und teilweise Neufassung von zahl- Wasserstoff – sehr einig. Highlights aus 2021 – wie etwa das Urteil reichen europäischen Richtlinien auf der > mehr des Bundesverfassungsgerichts, die Extrem- Tagesordnung. wetterereignisse, die Bundestagswahl so- Die Verabschiedung der EU-Taxonomie wie die Weltklimakonferenz in Glasgow soll schließlich einen Orientierungsrah- – klimapolitisch eingeordnet und gab men dafür schaffen, was nachhaltige In- auch einen Ausblick für 2022. vestitionen und Geschäftsfelder sind und Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 13
Auftaktveranstaltung: Netzwerk Klimaanpassung & Unternehmen.NRW –––––––– Am 2. Februar 2022 fand die Auftaktver- anstaltung des „Netzwerk Klimaanpas- sung & Unternehmen.NRW“ statt. Im An- Quelle: GettyImages schluss hielt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäfts- führer des Wuppertal Instituts, eine Key- note zum Thema „Der Klimawandel ist da – auch in NRW!“. Darin ging er auf den Klimawandel und seine Folgen sowie 8. NRW-Nachhaltigkeitstagung auf die Relevanz von Klimaanpassungs- maßnahmen für die Wirtschaft ein. An- –––––––– schließend fand ein Fachdialog mit Man- fred Fischedick statt, bei dem er unter Während der 8. NRW-Nachhaltigkeitsta- Mobilität, Industrie/Kreislaufwirtschaft, anderem mit Dr. Fritz Jaeckel, Hauptge- gung am 23. Februar 2022 diskutierten Stadt und Ernährung – vor. Anhand die- schäftsführer der Industrie- und Han- Menschen aus Zivilgesellschaft, Kommu- ser erklärte er, welche zentralen Klima- delskammer Nord Westfalen über die ak- nen, Wirtschaft und Wissenschaft über schutzstrategien es bereits gibt, an wel- tuelle Klimaanpassung von nordrhein- Zukunftsfragen. Die Veranstaltung stand chen Stellen neue Innovationen helfen westfälischen Unternehmen diskutierte. unter dem Motto „Gemeinsam. Nachhal- können und welche Ziele sich das Land Daneben beleuchteten sie den Umgang tig. Handeln.“ Das Zusammenspiel von bereits gesetzt hat. Parallel hielt Anja mit Klimarisiken und die Klimaanpas- Umwelt, Wirtschaft und Finanzen bildete Bierwirth, Leiterin des Forschungsbe- sungswirtschaft in Nordrhein-Westfalen den übergeordneten inhaltlichen The- reichs Stadtwandel am Wuppertal Insti- aus Sicht von Politik, Wirtschaft und menkomplex der Nachhaltigkeitstagung. tut, einen Impulsvortrag während des Wissenschaft. Daneben gab es Impuls- „Sustainable Finance“ ist ein Kernele- Workshops „Nachhaltigkeitsarchitektur vorträge aus der Praxis in Form von Er- ment des European Green Deal, mit dem NRW – wer macht mit?“. Sie thematisier- fahrungsberichten von NRW-Unterneh- die EU-Kommission unter anderem Maß- te, wie Akteur*innen aus Wirtschaft, men und sowie eine Podiumsdiskussion. nahmen für das Zusammenspiel von öf- Wissenschaft, Politik und der Gesell- > mehr fentlichen und privaten Investitionen in schaft sich an nachhaltigen Entwick- Transformationsprozesse auf dem Weg lungsprozessen beteiligen können, wel- zu einer klimaneutralen europäischen che Organisation dafür notwendig ist Wirtschaft und Gesellschaft bis 2050 auf und wie ein Beirat zu Nachhaltigkeitsfra- den Weg bringen wird. Vor dem Hinter- gen besetzt werden sollte. grund sich verändernder Rahmenbedin- > mehr gungen auf allen politischen Ebenen, ins- besondere auf EU-Ebene, soll die Trans- formation von Unternehmen und Finanzmärkten im Sinne einer stärkeren Ausrichtung an ökologischen und sozia- len Kriterien im Rahmen der Tagung ge- nauer betrachtet werden. Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wis- senschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, hielt vormittags ei- nen Impulsvortrag im Rahmen des Work- shops „umwelt.nrw: nach(haltig) ge- dacht – wo wollen wir hin?“. Er stellte die wichtigsten Transformationsarenen für Nordrhein-Westfalen (NRW) – Energie, 14 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
en t m e St at Umsetzung der Klimaschutzziele erfordert mehr Ehrlichkeit –––––––– In einer Kurzeinschätzung stellt Prof. Dr.- nicht widerspiegeln. Die Umsetzung der Ehrlichkeit betreffe auch und gerade das Ing. Manfred Fischedick, wissenschaftli- Klimaschutzziele ist daher kein Selbst- Aufzeigen der Zeitkonstanten, die heute cher Geschäftsführer des Wuppertal Ins- gänger. Setzt sich dieser Eindruck fest, einer hinreichend schnellen Umsetzung tituts, heraus, dass eine hinreichend besteht die Gefahr wertvolle Zeit durch noch entgegenwirken. Anders ausge- schnelle Umsetzung der Klimaschutzzie- Abwarten zu verlieren. Dem Ziel komme drückt: Es müssen die Prozesse transpa- le nicht ohne einen ehrlichen und offe- man nur dann näher, wenn man die mit rent gemacht werden, die hohe Hürden nen Umgang mit den Konflikten und den dem Umsetzungspfad verbundenen darstellen beziehungsweise so komplex Zeitkonstanten möglich ist. Schwierigkeiten und die vielfältigen Kon- sind, dass deren Überwindung aus heuti- Im Verlauf des Jahres 2021 wurden fünf fliktlagen transparent mache und auf die- ger Sicht viel Zeit kostet. Dies erfordere große Transformationsstudien veröffent- ser Basis nach Lösungen suche. Robert mutige und teilweise auch ganz neue licht, die zeigen, wie Deutschland seine Habeck, Bundesminister für Wirtschaft Verfahren. selbst gesteckten Klimaschutzziele, also und Klimaschutz, habe daher recht, wenn > mehr Treibhausgasneutralität 2045, erreichen er wie Mitte Dezember 2021 kurz nach kann. Dabei handelt es sich um Studien seinem Amtsantritt von Zumutungen von Agora Energiewende, dem Bundes- spricht, die der Gesellschaft auf dem Weg verband der Deutschen Industrie (BDI), zur Treibhausgasneutralität bevorstehen. dem Bundeswirtschaftsministerium, der Deutschen Energie-Agentur (dena) und dem Bundesforschungsministeriums im Rahmen des Verbundprojektes Ariadne. Trotz der unterschiedlichen Auftraggeber sind sie sich in den Ergebnissen und der Analyse weitgehend einig. Ganz entscheidend für die Umsetzung sei aber aus heutiger Sicht mehr Ehrlichkeit und Transparenz. Denn es zeigt sich eine zunehmende Diskrepanz zwischen dem Handlungsdruck, wie er sich aus den großen Transformationsstudien ableitet, und den realen Zeitkonstanten. In Stu- dien werden die notwendigen techni- schen und ökonomischen Transforma- tionspfade skizziert, die sich in der Reali- tät bisher aber an vielen Stellen aufgrund vielfältiger Restriktionen und Hürden Quelle: GettyImages Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 15
Die Planungen für den „Neuen Graben“ in Dortmund (im Bild) und die „Lothringer Straße“ in Gelsenkirchen wurden beim Landeswettbewerb „Zukunft Stadtraum“ ausgezeichnet. Ausgezeichnet: Lebenswerte Quelle: MUST/Klima.Werk/EGLV Straßenräume der Zukunft Wie sehen lebenswerte Quartiere und deren einem lebenswerten Ort umgestalten, an dem Straßen aus? Und wie gelingt der Umbau vor Ort sich alle gerne aufhalten. Beide Städte haben konkret? Das haben Forschende des Wuppertal sich mit den Forschungsergebnissen beim Lan- Instituts, der Emschergenossenschaft/Lippever- deswettbewerb „Zukunft Stadtraum“ des Minis- band sowie des Stadtplanungsbüros MUST teriums für Heimat, Kommunales, Bau und Stadtbau GmbH innerhalb des Projekts „Lebens- Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen werte Straßen, Orte und Nachbarschaften“ – beworben. Nun stehen die Gewinner fest. Die Ju- kurz LesSON I/II untersucht. Gefördert wurde ry prämierte die des „Neuen Graben“ und der das Vorhaben vom Ministerium für Umwelt, „Lothringer Straße“. Beide Städte können in den Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz kommenden Monaten auf Grundlage der Prämie- des Landes Nordrhein-Westfalen. Ziel von Les- rung einen Städtebauförderantrag stellen. Das SON war es sowohl ambitionierte wie gesell- ebnet den Weg dafür, dass die im Sommer 2020 schaftlich tragfähige Planungen zum Straßen- entstandene Idee einer „Lebenswerte Straße“ in ei- umbau in den Partnerstädten Gelsenkirchen und nigen Jahren Wirklichkeit werden kann. Dr. Steven Dortmund zu entwickeln. Gemeinsam mit den März, Senior Researcher im Forschungsbereich beiden Stadtverwaltungen, der Kommunalpolitik Stadtwandel am Wuppertal Institut und Leiter des und der Zivilgesellschaft diskutierten und entwi- Forschungsprojektes LesSON, freut sich sehr über ckelten die Forschenden seit Sommer 2020 Lö- den Erfolg: „Die Jury hat mit ihrer Auswahl wahr- sungen für den „Neuen Graben“ (Dortmund) lich Mut bewiesen und zwei Entwürfe ausge- und die „Lothringer Straße“ (Gelsenkirchen). Die zeichnet, die den Straßenraum konsequent neu entstandenen Planungen zeigen, wie sich die aufteilen, indem sie den öffentlich nutzbaren Straßen verändern müssen, damit sie den Folgen Raum für den motorisierten Individualverkehr des Klimawandels gerecht werden, die Verkehrs- deutlich verkleinern.“ wende voranbringen und die Straßenräume zu > mehr Die Jury prämierte insgesamt acht Einrei- chungen – darunter auch die der „Lothringer Straße“ in Gelsenkirchen (im Bild). Quelle: MUST/Klima.Werk/EGLV 16 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
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