Forschung und Aktivitäten Januar bis März 2022 - Wuppertal Institut

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Forschung und Aktivitäten Januar bis März 2022 - Wuppertal Institut
1|2022

Forschung und
Aktivitäten
Januar bis März 2022
––––––––
Forschung und Aktivitäten Januar bis März 2022 - Wuppertal Institut
Inhalt

Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Forschungsprojekte und -ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
  Vollständig erneuerbare Gebäudewärme bis 2035 machbar  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
  Wie sieht die Energieversorgung von morgen aus?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5
  Krankenhäuser nachhaltig modernisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
  Chemisches Recycling auf dem Prüfstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  7
  Zukünftige Generationen handlungsfähig machen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  8
  Petrochemie ohne Öl  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
  Menschen im Wuppertaler Stadtteil Mirke sehr zufrieden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
  Energetische Sanierung ökologischer als Neubau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
  Schulen ermitteln ihren CO2-Fußabdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Events & Forschungstransfer  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  12
  Erfolgreiches Engagement für die Energiewende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  12
  Halbzeit der Energiewende  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  13
  Ein klimapolitischer Rück- und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  13
  Auftaktveranstaltung: Netzwerk Klimaanpassung & Unternehmen.NRW  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
  8. NRW-Nachhaltigkeitstagung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
  Umsetzung der Klimaschutzziele erfordert mehr Ehrlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  15
  Ausgezeichnet: Lebenswerte Straßenräume der Zukunft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  16
  Kunst und Kultur sind Motor für Transformationsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  17
  Vorreiter aus der Mitte? Beitrag und Rolle des NRW-Mittelstands in der Klimakrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  18
  16. BilRess-Netzwerkkonferenz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  18
Forschungsprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
  Den Verkehr auf Klimakurs bringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  19
  Auf dem Weg zur Klimaneutralität: Paris-Kompatibilität erreicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
  Kleinerer CO2-Fußabdruck steigert Website-Performance  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
  Top-Ten-Publikationen 2021  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
  Schneller Wandel für eine klimaneutrale Industrie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
  Ressourcen-Tauschbörse für Unternehmen im Bergischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
  Klimaschutzverträge für Investitionen in klimafreundliche Industrieanlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
  Vorstellung der Politikdatenbank für Energiesuffizienz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
  Knapp 300 Energiespar-Ideen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
  Personalveränderungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
  Neue Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
  Veranstaltungen und Vorträge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
  Publikationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Impressum
Der Quartalsbericht erscheint vierteljährlich mit einer Darstellung von Höhepunkten der Aktivitäten des
Wuppertal Instituts in den vorangegangenen drei Monaten.

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
Quartalsbericht 1/2022

Geschäftsführung: Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick,                                             Fotos: siehe Bildlegenden, Titelseite: GettyImages,
(wissenschaftlicher Geschäftsführer) und Michael Dedek,                                          Editorial: JRF e. V.
(kaufmännischer Geschäftsführer)                                                                 Telefon: +49 202 2492-0, Fax: -108
Redaktion: Christin Hasken, Anna Riesenweber                                                     E-Mail: info@wupperinst.org,
Döppersberg 19, 42103 Wuppertal                                                                  Internet: wupperinst.org
Forschung und Aktivitäten Januar bis März 2022 - Wuppertal Institut
Liebe Leser*innen,

der kriegerische Angriff Russlands auf die Ukraine domi-     ger von importierten fossilen Energieträgern zu machen.
niert seit Wochen die politischen Diskussionen und Ent-      Die Studie „Heizen ohne Öl und Gas“ des Wuppertal Ins-
scheidungen in Deutschland und Europa. Vieles von dem,       tituts, die im Auftrag von Greenpeace entstand, stellt he-
was vor wenigen Wochen noch als Gewissheit, als unver-       raus: Die Wärmeversorgung der Gebäude in Deutschland
rückbares Paradigma galt, scheint jetzt obsolet oder steht   ließe sich bis 2035 vollständig auf erneuerbare Energien
zumindest kritisch auf dem Prüfstand. Auch in der Ener-      umstellen. Erforderlich dafür ist ein umfassender Politik-
giepolitik werden gefasste Beschlüsse und Ziele infrage      mix des ‚Forderns und Förderns‘. Um die Klimaziele nicht
gestellt – wie der Atomausstieg, der Kohleausstieg oder      zu verfehlen, muss die Politik jetzt die Weichen für eine
die Einordnung von Gas als Brückentechnologie zu ei-         schnelle Wärmewende stellen.
nem erneuerbaren Energiesystem. Mit der Eskalation des       Passend dazu können Sie sich auch schon den 24. und
Konfliktes und der zum Teil undurchschaubaren Politik        25. Oktober 2022 vormerken: An diesen Tagen findet an-
Russlands in Bezug auf die Lieferung von Erdgas, drängt      lässlich des 200. Jubiläums der Stadtsparkasse Wupper-
sich die Sicherheit der Energieversorgung mit Macht auf      tal der zweitägige Nachhaltigkeitskongress in Koopera-
die energiepolitische Agenda. Wie der Übergang in einen      tion mit dem Wuppertal Institut und der Neuen Effizienz
erneuerbaren Energiemix der Zukunft aussieht, ist heute      in Wuppertal statt und bietet einen breiten Einblick in
offener denn je. In einer aktuellen Einschätzung zu Ener-    die Wege zur Klimaneutralität und Versorgungssicher-
gieversorgungsrisiken, hohen Energiepreisen und zur          heit sowie die Relevanz des globalen Klimawandels für
Klimaschutz-Herausforderung erläutern wir daher, was         Wuppertal.
kurz,- mittel- und langfristig getan werden kann, um die
Versorgungssicherheit in Europa zu erhöhen und sich un-      Eine spannende Lektüre wünschen
abhängig zu machen von der einseitigen Abhängigkeit
von Erdgas-, Öl- und Kohleimporten aus Russland – ohne
die Klimaschutz-Ziele aus den Augen zu verlieren.
Vor diesem Hintergrund diskutierten die Referierenden
beim Wuppertal Lunch „Energiepolitik unter dem Ein-
druck des Russland-Ukraine-Krieges – Maßnahmen für           Manfred Fischedick und Michael Dedek
Klimaschutz und Versorgungssicherheit“ darüber, wie          (wissenschaftlicher Geschäftsführer
die Energie- und speziell die Heizenergieversorgung          und kaufmännischer Geschäftsführer)
nicht nur in diesem, sondern auch im nächsten Winter
sichergestellt werden kann, wie der Ausbau erneuerbarer
Energien deutlich beschleunigt werden kann und was
die dazu gehörigen Zeithorizonte, Möglichkeiten und
Nadelöhre sind.
Die Wärmeversorgung im Gebäudebereich und Prozess-
wärme- sowie Grundstoffversorgung im Bereich der In-
dustrie haben zusammen einen Anteil von etwa 70 Pro-
zent am deutschen Erdgasverbrauch. Allein in Deutsch-
land verursachen Gebäude durch ihren
Energieverbrauch zudem rund ein Viertel der Treibhaus-
gas-Emissionen. Daher besteht in puncto Energieeffi-
zienz und Umstieg auf erneuerbare Energien schon aus
Klimaschutz-Gründen besonderer Handlungsbedarf.
Gleichzeitig bietet das auch die Chance, sich unabhängi-

                                                                       Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 3
Forschung und Aktivitäten Januar bis März 2022 - Wuppertal Institut
Forschungsprojekte
      und -ergebnisse
Vollständig erneuerbare
Gebäudewärme bis 2035
machbar
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 Die Wärmeversorgung ist in Deutschland         die das Wuppertal Institut im Auftrag
 heute noch vor der Industrie der größte        von Greenpeace erstellt hat. Dr. Stefan
 Nachfrager nach Erdgas. „Die kurzfristi-       Thomas, Leiter der Abteilung Energie-,          Heizen ohne Öl und Gas
 gen Alternativen zu Erdgas bei der Behei-      Verkehrs- und Klimapolitik am Wupper-           bis 2035
 zung der Gebäude sind zwar begrenzt, mit-      tal Institut und Hauptautor der Studie,         Ein Sofortprogramm für erneuerbare
                                                                                                Wärme und effiziente Gebäude
 telfristig sind die Möglichkeiten der Um-      betont: „Hierfür müsste in drei zentralen
 steuerung aber groß“, sagt Prof. Dr.-Ing.      Bereichen jeweils eine ordnungsrechtliche
 Manfred Fischedick, wissenschaftlicher         Maßnahme mit einer spezifischen, dazu
 Geschäftsführer des Wuppertal Instituts,       passenden finanziellen Fördermaßnahme
 und ergänzt: „Mit einer klugen auf Effi-       kombiniert werden. Die Vorschriften wür-
 zienzsteigerung und den Ausbau erneuerba-      den Verbindlichkeit schaffen und die Wär-
 rer Energien ausgerichteten Strategie redu-    mewende beschleunigen. Die Förderung
 zieren sich nicht nur die Versorgungsrisi-     macht die Investition für die Verpflichteten
 ken. Die beschleunigte Wärmewende ist für      wirtschaftlich attraktiv.“
 Haushalte, Unternehmen und öffentliche         Die Studie stellt dafür ein Sofortpro-
 Einrichtungen auch wirtschaftlich höchst       gramm vor, mit dem ein beschleunigter         www.greenpeace.de

 attraktiv.“ Der Ausstieg aus Öl und Gas        Umstieg auf erneuerbare Energien in
 erfordert zunächst jährlich zusätzliche        dem Sektor machbar ist. Unter anderem         Cover der Studie
 Investitionen in Höhe von 50 Milliarden        zählt dazu ein Ausstiegsgesetz, mit dem      „Heizen ohne Öl und Gas bis 2035“.
 Euro sowie 22 Milliarden Euro staatliche       der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen         Quelle: Greenpeace
 Fördergelder. Doch dies ist eine Investi-      ab 2024 und der Betrieb bestehender An-
 tion in die Zukunft und aus heutiger Sicht     lagen schrittweise bis 2035 verboten
 notwendige Vorleistung, um zukünftig Geld      werden. Als notwendige Ergänzung dazu Förderprogramm für Betreibende und
 einzusparen. 2035 könnten durch dieses         schlägt die Studie ein Förderprogramm         Kommunen zu kombinieren. Die drei
 Investment jährlich netto 11,5 Milliarden      für zwölf Millionen Wärmepumpen und           zentralen Maßnahmen-Bereiche benöti-
 Euro der Kosten eingespart werden. Hin-        70 Millionen Quadratmeter Solarthermie- gen zudem weitere wichtige Instrumente
 zu kommen erhebliche positive volks-           Anlagen vor.                                  zur Flankierung. Dazu gehören die Stär-
 wirtschaftliche Effekte. Mit den Maßnah-       Damit die beschleunigte Wärmewende            kung von neuen kostengünstigen Ferti-
 men könnten eine halbe Million Arbeits-        gelingt, muss aber insbesondere auch der gungstechnologien, wie das serielle Sa-
 plätze geschaffen oder gesichert werden        Energiebedarf der bestehenden Gebäude nieren, die praktische Unterstützung bei
– davon die Hälfte in der Bauwirtschaft.        sinken. Das Sofortprogramm sieht des-         der Umsetzung – etwa durch lokale One-
 Schließlich führt die beschleunigte Wär-       halb in Abhängigkeit des Effizienzstan-       Stop-Agenturen, die Energieberatung,
 mewende zur Verringerung von 168 Mil-          dards eine schrittweise Pflicht zur Sanie-    Baubegleitung und Qualitätskontrolle
 lionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro             rung ineffizienter Gebäude vor, sodass        aus einer Hand anbieten –, und eine
 Jahr. „Um die Klimaziele nicht zu verfehlen,   bis 2040 alle Gebäude die Effizienzklasse Qualifizierungsoffensive für mehr Hand-
 muss die Politik jetzt die Weichen für eine    B erreichen. Unterstützt wird dies mit        werker*innen und Energieberater*innen.
 schnelle Wärmewende stellen“, betont           einer Weiterentwicklung der Bundesför-        Auch eine effizientere Flächennutzung
 Manfred Fischedick.                            derung für effiziente Gebäude, die zur        sollte gefördert werden, beispielsweise
 Mit einem ambitionierten Maßnahmen-            Sanierung von jährlich mindestens drei        durch Wohntauschprogramme und Um-
 mix könnte der Gebäudesektor in                Prozent der Gebäude führt. Darüber hin-       bauförderung.
 Deutschland schon 2035 praktisch treib-        aus müssten Nah- und Fernwärmenetze           > mehr
 hausgasneutral sein. Zu diesem Ergebnis        stark ausgebaut und bis 2035 auf erneu-
 kommt die Studie „Heizen ohne Öl und           erbare Energien umgestellt werden.
 Gas bis 2035 – Ein Sofortprogramm für er-      Hierfür sind gesetzliche Ziele und Stan-
 neuerbare Wärme und effiziente Gebäude“,       dards zu formulieren und mit einem

                                                         Quelle: Getty Images

4 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
Forschung und Aktivitäten Januar bis März 2022 - Wuppertal Institut
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                                                                        m

                                                                  e
                                                                St at
Wie sieht die Energieversorgung
von morgen aus?
In den vergangenen zwei Jahren hat sich die         Hinzu kommt nicht zuletzt die Notwendigkeit ei-
Welt verändert und vermehrt beherrschen Kri-        ner hinreichenden und sicheren Verfügbarkeit
sen das Bild. Jahrzehntelange Gewissheiten gel-     von Rohstoffen, wie etwa Seltene Erden, für die
ten nicht mehr, Risiken und Unsicherheiten neh-     Herstellung zentraler Klimaschutztechnologien
men zu, die Herausforderungen werden immer          oder stabile Bezugsstrukturen für zentrale Kom-
komplexer und erfordern gleichzeitig immer          ponenten und Produkte.
schnelleres und konsequenteres Handeln.
Was können und was müssen wir aus den aktu-
ellen Krisen lernen? Wir müssen lernen, dass wir
ein erhöhtes Maß an Sensibilität gegenüber po-
tenziellen Risiken brauchen und da, wo notwen-
dig und möglich, Vorsorge treffen müssen und
zwar auch dann, wenn dies finanzielle und struk-
turelle Vorleistungen erfordert. Nach der Coro-
na-Pandemie ist die zugespitzte geopolitische
Lage in Bezug auf die Erdgasversorgung über-
raschend aber mit großer Macht auf die Agenda         Quelle: GettyImages
gekommen, das heißt ohne, dass die Entschei-
dungsträger*innen in Politik und Wirtschaft so-
wie die Verbraucher*innen darauf wirklich vor-      In diesem Sinne gilt es beispielsweise zu überle-
bereitet gewesen sind – nicht zuletzt vor dem       gen, ob die weitgehende Abhängigkeit vom Im-
Hintergrund jahrzehntelanger zuverlässiger Lie-     port von Photovoltaik-Modulen aus China den
ferungen (auch zu Zeiten des Kalten Krieges).       Anforderungen gerecht wird oder im stärkeren
Was im letzten Quartal des Jahres 2021 mit ei-      Maße wieder auf eine heimische Produktion ge-
nem auf verschiedene Effekte zurückzuführen-        setzt werden sollte. Dabei geht es nicht darum,
den, drastischen Anstieg der Energiepreise an-      vollständig autarke Strukturen aufzubauen, son-
fing, kumulierte mit dem Krieg Russlands gegen      dern Verletzlichkeiten und Risiken zu reduzieren
die Ukraine in Bezug auf die Energieversorgung      oder sich diesen in jedem Fall bewusst zu sein.
in eine Situation, in der geopolitische Risiken     Neben der Diversifikation von Bezugsstrukturen
das Bild bestimmen. Hiermit verbunden waren         und einer verstärkten heimischen Produktion
weitere drastische Preisaufschläge beim Energie-    kann auch der Übergang der heute nach wie vor
träger Gas.                                         stark linear geprägten Produktionsstrukturen auf
Für den Umgang mit der Energieversorgungs-          zirkuläre Strukturen (Circular Economy) einen
und Energiepreis-Krise sind Lösungen und ein        wesentlichen Beitrag zur Risikominderung leisten.
dauerhaft tragfähiger Ausweg notwendig. Die         Die Energieversorgungs- und Energiepreis-Krise
nun anstehenden Entscheidungen müssen ent-          kann durchaus beschleunigend auf die Umsetzung
sprechend aus einer ganzheitlichen Perspektive      der Energiewende und insbesondere der Klima-
getroffen werden, Lock-in-Situationen und Pfad-     schutzziele wirken – gleichsam als „Booster“. Dies
abhängigkeiten sind zu vermeiden, die für das       gilt vor allem auch dann, wenn die Botschaft ver-
Klima in eine Sackgasse führen.                     standen wird, dass Krisenprävention aufgrund der
Umgekehrt ist für die Zukunft vor diesem Hinter-    gemachten Erfahrungen einen deutlich höheren
grund aber auch klar: Es bedarf eines generellen    Stellenwert bekommen muss. Dies schließt die Be-
Risiko-Checks für die zentralen Energiewende-       grenzung der Folgen des Klimawandels explizit
und Klimaschutz-Strategien sowie -Pfade. Dies       mit ein.
gilt insbesondere in Bezug auf die Sicherheit der   Die komplette EInschätzung des wissenschaftli-
Bereitstellung von Energieträgern, aber für ein     chen Geschäftsführers des Wuppertal Instituts,
Industrieland wie Deutschland sowie in ganz         Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, ist im nachfol-
entscheidender Weise für die Versorgung mit         genden Link zu finden.
Grundstoffen für die Industrie.                     > mehr

                                                               Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 5
Forschung und Aktivitäten Januar bis März 2022 - Wuppertal Institut
Krankenhäuser nachhaltig
modernisieren
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 Die Klimaschutzziele der Bundesregierung     „Um in allen Bereichen klimaneutral zu                  cher, Fassaden und Fenster.
 stellen Krankenhäuser in Nordrhein-           werden, müssen die Krankenhäuser den                   Weitere Felder sind die Wärme- und Käl-
 Westfalen (NRW) vor enorme Herausfor-         Prozess in die Hände von hauptamtlichen                teerzeugung, der Einsatz von Photovol-
 derungen. Sie haben einen hohen Energie-      Klimaschutzmanager*innen legen“, nennt                 taik, die Umstellung auf LED-Beleuchtung,
 verbrauch und sind nicht immer mit der        Oliver Wagner, Co-Leiter des Forschungs-               der Austausch von Lüftungsanlagen, der
 modernsten Gebäude-Technik ausgestat-         bereichs Energiepolitik am Wuppertal                   Tausch von Heizungspumpen, die Um-
 tet. Das belastet den Klimaschutz, bietet     Institut und Hauptautor des Gutachtens,                stellung auf möglichst autofreie Mobili-
 aber auch Chancen. Doch wie lassen sich       eine zentrale Voraussetzung, die als erste             tät aber auch Elektromobilität sowie
 Krankenhäuser energetisch und nachhal-        von zehn Maßnahmen durch die Kran-                     Substitution von Narkosegasen durch an-
 tig modernisieren und die Strom- und          kenhäuser umgesetzt werden sollte. „Ent-               dere Anästhesieverfahren, wie Spinalan-
 Wärmeversorgung auf erneuerbare Quel-         scheidend für den Erfolg ist, dass es eine             ästhesie bzw. intravenöse Anästhesie,
 len umstellen? Das Gutachten „Zielbild:       Person gibt, die sich als Motor und Promo-             oder dem Recycling von Narkosegasen
 Klimaneutrales Krankenhaus“ des Wup-          ter*in des Klimaschutz-Prozesses um die                mittels Narkosegasfilter.
 pertal Instituts im Auftrag der Kranken-      Umsetzung kümmert“, ergänzt Wagner.                    Werden die Maßnahmen konsequent um-
 hausgesellschaft Nordrhein-Westfalen          Den größten Investitionsaufwand und                    gesetzt und gelingt es, die dafür notwen-
 schlägt für die 337 nordrhein-westfäli-       zugleich größten Effekt erzielen die                   digen Investitionsvolumina zu generieren,
 schen Krankenhäuser ein „Zielbild: Kli-       Krankenhäuser nach Ansicht der Wissen-                 kann den Analysen des Wuppertal Insti-
 maneutrales Krankenhaus” vor, das zehn        schaftler*innen bei der energetischen                  tuts folgend ein adäquater Beitrag zu den
 konkrete Maßnahmen und ihre Effekte           Sanierung der Gebäudehüllen – also Dä-                 Klimaschutzzielen geleistet werden. Zu-
 auf das Klima darstellt. Die Forschenden                                                             dem ist es wichtig, dass große Mengen
 benennen dafür drei Handlungsfelder                                                                  Verbrauchsmaterial reduziert werden. Vor
– auch Scopes genannt – für die NRW-                                                                  allem die Möglichkeiten zur Reduzierung
 Krankenhäuser: Das erste adressiert die                                                              des Kunststoffabfalls werden in vielen
                                                 Abschlussbericht | März 2022
 direkt von den Einrichtungen ausgehen-                                                               Krankenhäusern diskutiert. Mit einem
                                                 Zielbild:
 den Emissionen, etwa von ihren Hei-             "Klimaneutrales Krankenhaus"                         nachhaltigen Beschaffungswesen ließen
 zungsanlagen, Fuhrparks oder Narkose-                                  Fachliche Begleitung und
                                                                                                      sich beim Einkauf und bei der Nutzung
 gasen. Das zweite zielt auf die indirekten                             Erstellung eines Gutachtens
                                                                                                      von Produkten die Treibhausgas-Emissio-
 Emissionen aus bezogenen Energiequel-                                                                nen in Scope 3 signifikant reduzieren.
 len für Strom oder Fernwärme ab. Der                                                                 > mehr
 dritte Bereich umfasst die Mobilität von
 Mitarbeitenden, Patient*innen sowie Be-
 sucher*innen und betrifft ebenso alle
 Warenketten inklusive der Arzneimittel-
 und der Speisenversorgung.

                                               Cover des Gutachtens „Zielbild:
                                              ‚Klimaneutrales Krankenhaus‘. Quel-
                                               le: Wuppertal Institut mit freundli-
                                               cher Genehmigung von
                                               ecf architekten gmbH

6 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
Forschung und Aktivitäten Januar bis März 2022 - Wuppertal Institut
„         In der zurzeit sehr ideologischen Debatte
                                                         versuchen wir konkrete Grundlagen zum
                                                         chemischen Recycling zu entwickeln – auch
                                                         mit Blick auf dafür notwendige Rahmenbedin-
                                                         gungen.“
                                                         Dr. Henning Wilts, Koordinator des NRW.Zirkulär-Projekts seitens des
Chemisches Recycling auf dem                             Wuppertal Instituts und Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft
Prüfstand
––––––––
Die Arbeitsgruppe „Circular Economy“        zu entwickeln – auch mit Blick auf da-      auch mit Blick auf Investitionen in not-
von IN4climate.NRW beschäftigte sich        für notwendige Rahmenbedingungen“,          wendige Infrastrukturen bewerten.
2020 in einem Diskussionspapier einge-      sagt Dr. Henning Wilts, Koordinator des     Gefördert wird das Projekt vom Ministe-
hend mit dem aktuellen Entwicklungs-        NRW.Zirkulär-Projekts seitens des           rium für Wirtschaft, Innovation, Digitali-
stand und den Möglichkeiten des chemi-      Wuppertal Instituts und Leiter der Ab-      sierung und Energie des Landes Nord-
schen Recyclings. Dabei zeigte sich: Das    teilung Kreislaufwirtschaft. Außerdem       rhein-Westfalen, das NRW.Zirkulär in
Verfahren hat das Potenzial, eine wichti-   entwerfen die Wissenschaftler*innen         seiner Ende 2021 veröffentlichten Car-
ge Rolle in einer Kreislaufwirtschaft zu    Szenarien für zukünftige Kunststoff-Ab-     bon-Management-Strategie als eines der
spielen, sofern es sinnvoll eingesetzt      fallströme in NRW. Damit lässt sich die     Vorreiterprojekte in Nordrhein-Westfalen
wird. Denn mit ihm lassen sich nicht me-    künftige Anwendung der Pyrolyse als ei-     anführt.
chanisch recycelbare Kunststoff-Abfälle     ner Form des chemischen Recyclings in       > mehr
so aufschließen, dass ein Rohstoff ent-     NRW ganzheitlich sowohl ökologisch als
steht, der zur Produktion von neuen
Kunststoffen verwendet werden kann.
Bis zu einer flächendeckenden Anwen-
dung ist jedoch noch weitere Forschung
nötig.
Daher startete Anfang Januar 2022 das
Projekt „NRW.Zirkulär“. Ziel des elfmo-
natigen Projektes ist es, die Bedingungen
für eine Transformation zu zirkulären
Kunststoffen durch Pyrolyse-Verfahren
in Nordrhein-Westfalen (NRW) mittels
einer Umsetzungsstudie systematisch zu
prüfen. Die NRW.Zirkulär-Studie, die
vom Wuppertal Institut und den beiden
SCI4climate.NRW-Partnern Fraunhofer
UMSICHT und Carbons Minds (Projekt-
leitung) durchgeführt wird, befasst sich
schwerpunktmäßig mit der Bestimmung
und Analyse eines konkreten Pyrolyse-
prozesses. „In der zurzeit sehr ideologi-
schen Debatte versuchen wir konkrete
Grundlagen zum chemischen Recycling

                                                   Quelle: GettyImages

                                                                                    Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 7
Forschung und Aktivitäten Januar bis März 2022 - Wuppertal Institut
„        Um zukunftsfähig zu sein, müssen wir die
                                                      zukünftige Generation handlungsfähig
Zukünftige Generationen
handlungsfähig machen                                 machen! Denn nur, wenn die Gestalterinnen
––––––––                                              und Gestalter von morgen schon heute lernen,
                                                      technologische und gesellschaftliche
Die Wissensfabrik – Unternehmen für
Deutschland e. V. und das Wuppertal Ins-              Herausforderungen zu lösen und ihre Ideen
titut haben gemeinsam das Projekt „City-
4Future“ gelauncht. In einer Online-Ver-
                                                      einzubringen, können wir nachhaltig und
anstaltung stellten sie das Bildungspro-              klimafreundlich leben.“
jekt, das sie gemeinsam inhaltlich und
didaktisch entwickelt haben, vor. Die                 Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des
Westenergie AG wird City4Future als ers-              Wuppertal Instituts
tes Unternehmen gemeinsam mit mehre-
ren Schulen umsetzen. Es gibt Schüler*in-
nen der weiterführenden Schulen die
Möglichkeit, ihre klimaneutrale Stadt der
Zukunft zu entwickeln. Dabei schlüpfen      Instituts, Dr. Markus Riefling, Cathrin       viel mehr als reine Versorgungsgemein-
sie in die Rolle von Forschenden und ent-   Gronenberg (BNE-Agentur NRW), Katha-          schaften, sie sind Orte des guten Zusam-
wickeln nachhaltige und innovative Lö-      rina Killmann (Lehrerin für Geografie und menlebens und Kreativitätszentren. Um
sungen. In einer Stadtratssitzung lernen    Französisch), Lara-Franziska Rogowski         zukunftsfähig zu sein, müssen wir die zu-
sie, demokratisch zu handeln und Kom-       (Senior Sales Manager, Westenergie Mete- künftige Generation handlungsfähig ma-
promisse zu finden.                         ring GmbH) diskutierten: Wie kann eine        chen! Denn nur, wenn die Gestalter*innen
Wie „City4Future“ im Unterricht von         zukunftsfähige Stadt aussehen? Welche         von morgen schon heute lernen, technolo-
Lehrkräften und Schüler*innen umge-         gesellschaftliche Verantwortung kommt         gische und gesellschaftliche Herausforde-
setzt werden kann und welche Inhalte be-    auf Unternehmen zu? Wie wurde das The- rungen zu lösen und ihre Ideen einzubrin-
handelt werden, das lernten die Teilneh-    ma Nachhaltigkeit bisher und wie soll es      gen, können wir nachhaltig und klima-
menden des Launch-Termins dank Dr.          in Zukunft in den Schulen thematisiert        freundlich leben“, ergänzt Manfred
Markus Riefling, Projektleiter Wissensfab- werden?                                        Fischedick.
rik, und Oliver Wagner, Co-Leiter des For- „Uns hat die Idee der Wissensfabrik sofort     Der Energiedienstleister Westenergie un-
schungsbereichs Energiepolitik am Wup-      angesprochen, denn eines ist sicher: In den   terstützt das Bildungsprojekt als wichtiger
pertal Institut, kennen. Höhepunkt der      Städten entscheidet sich die Zukunftsfähig- Akteur für die Entwicklung zukunftsfähi-
Veranstaltung war die Podiumsdiskussion. keit unseres Planeten. Strom, Wärme, Mo-         ger und klimaneutraler Städte. „Wir wol-
Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wissen- bilität, Digitalisierung: Nichts geht ohne     len spürbare Erleichterungen für den All-
schaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal sie in den Städten. Aber Städte sind noch      tag der Menschen im öffentlichen Raum
                                                                                          schaffen. Damit die Lösungen, die wir um-
                                                                                          setzen für einen echten Mehrwert sorgen,
                                                                                          treten wir in den Austausch mit denjenigen,
                                                                                          die die Anwendungen nachher auch nutzen.
                                                                                          Themen wie Mobilität, Digitalisierung und
                                                                                          Nachhaltigkeit stehen dabei für uns an
                                                                                          vorderster Stelle“, sagt Lara-Franziska
                                                                                          Rogowski, Senior Sales Manager West-
                                                                                          energie Metering GmbH.
                                                                                          Weitere Unternehmer*innen sollten mit
                                                                                          dem Launch-Termin gezielt angesprochen
                                                                                          werden, um mit Schulen Bildungspartner-
                                                                                          schaften einzugehen. Die Unternehmen
                                                                                          werden Mitglied in der Wissensfabrik und
                                                                                          unterstützen die Projektumsetzung an
                                                                                          Schulen. Sie kommen für die Projektkos-
                                                                                          ten auf und unterstützen die Lehrkräfte im
                                                                                          Rahmen der Kooperation mit Fachwissen.
                                                            Quelle: GettyImages
                                                                                          > mehr

8 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
Forschung und Aktivitäten Januar bis März 2022 - Wuppertal Institut
Petrochemie
ohne Öl
––––––––
Kunststoffe sind ein zentrales Massen-
produkt der chemischen Industrie. Sie
stecken nicht nur in Verpackungsmate-
rialien, sondern beispielsweise auch in            Quelle: GettyImages
Textilien, Wärmeisolierungen, Rohren,
Bodenbelägen, Lacken und Klebstoffen.
Die hierfür benötigten Basischemikalien
werden gegenwärtig auf Mineralölbasis     kurz GreenFeed. Darin wollen die For-          Neben themenspezifischen Workshops
in der petrochemischen Industrie herge-   schenden aufzeigen, wie zentrale Wert-         begleitet außerdem eine kleinere Grup-
stellt und weiterverarbeitet. Dieser Pro- schöpfungsketten der chemischen                pe relevanter Praxispartner*innen aus
zess benötigt neben dem fossilen Roh-     Industrie treibhausgasneutral gestaltet        der Petrochemie, Abfallwirtschaft, Bio-
stoff, dem „Feedstock“, ebenfalls viel    und dabei langfristig am Standort              ökonomie und aus regionalen Netzwer-
Energie. Über die gesamte Wertschöp-      Deutschland und Europa gesichert wer-          ken der chemischen Industrie das For-
fungskette entstehen alleine in Deutsch-  den können. Doch wie kann eine Trans-          schungsprojekt in Form eines Industrie-
land CO2-Emissionen in Höhe von 49        formation der heutigen fossil dominier-        beirats.
Millionen Tonnen jährlich. Da jedoch      ten Industrie hin zu einem auf erneuer-        Das Wuppertal Institut leitet das dreijäh-
auch in einer treibhausgasneutralen       baren Rohstoffen basierenden                   rige Projekt und arbeitet mit dem Karls-
Welt weiterhin Kohlenstoff für Kunststof- zirkulären und klimaneutralen System           ruher Institut für Technologie und dem
fe und andere Kohlenwasserstoff-Verbin- – auch „Grüner Feedstock“ genannt – ge-          Deutschen Biomasseforschungszentrum
dungen benötigt werden, ist ein Schlie-   lingen? Dafür untersuchen und bewer-           in Leipzig zusammen. Gefördert wird
ßen der Kohlenstoff-Kreisläufe von zent-  ten die Wissenschaftler*innen zunächst         das Forschungsvorhaben vom Bundesmi-
raler Bedeutung, um die Klimaziele zu     die Rolle verschiedener technologischer        nisterium für Wirtschaft und Klima-
erreichen.                                Bausteine, wie dem Einsatz von Bio-Po-         schutz (BMWK) und knüpft an das 7.
Um hierfür Lösungsansätze zu entwickeln, lymeren, chemischem Recycling und               Energieforschungsprogramm und den
startete das Forschungsprojekt „Green     grünem Wasserstoff. Auf dieser Basis lei-      Schwerpunkt „Ressourceneffizienz im
Feedstock for a Sustainable Chemistry –   ten sie verschiedene Langfrist-Szenarien       Kontext der Energiewende“ an.
Energiewende und Ressourceneffizienz      für eine klimaneutrale Kunststoffindustrie     > mehr
im Kontext der dritten Feedstock-Trans-   ab und konkretisieren diese gemeinsam
formation der chemischen Industrie“ –     mit Stakeholdern zu Roadmaps.

Menschen im Wuppertaler
Stadtteil Mirke sehr zufrieden
––––––––
Wie leben und wohnen die Menschen          Sie ist Teil des Forschungsprojekts Solar     kontaktiert. Für alle anderen Bewoh-
im Mirker Quartier? Was finden sie am      Decathlon Europe 21/22 (SDE). Hierbei         ner*innen der Mirke über 16 Jahren ist
Wuppertaler Stadtteil gut und was opti-    dreht sich alles um das nachhaltige Bau-      die Anmeldung ab sofort offen. Die de-
mierungswürdig? Um das herauszufin-        en und Wohnen in der Stadt. Ziel ist es,      taillierten Zwischenergebnisse sind im
den, haben die Bergische Universität       das Leben in der Stadt zu verbessern –        nachfolgenden Link abrufbar.
Wuppertal und das Wuppertal Institut       und zwar nicht nur in der Theorie, son-       > mehr
in Kooperation mit der Stadt Wuppertal     dern mit echten Lösungen. „Wir möchten
eine Umfrage gestartet, an der inzwi-      dem Quartier eine Stimme geben. Deshalb
schen über 500 Personen teilgenommen       laden wir alle Bewohner*innen der Mirke
haben. Nun liegen die ersten Zwischen-     herzlich ein mitzumachen“, sagt Dr. Fran-
ergebnisse vor, die zeigen: Die Zufrie-    ziska Stelzer, die die SDE-Aktivitäten sei-
denheit mit dem Stadtteil ist hoch. Vor    tens des Wuppertal Instituts koordiniert
allem beim Thema Parken und Sauber-        und Senior Researcher im Forschungsbe-
keit sehen die Bewohner*innen aber         reich Innovationslabore am Wuppertal
noch Verbesserungsbedarf.                  Institut ist.
Insgesamt gibt es drei Befragungsrun-      Die Teilnehmenden der ersten Runde
den, die zweite Runde der Mirker Quar-     müssen sich nicht erneut anmelden. Sie
tiersbefragung startete im März 2022.      werden automatisch vom Forschungsteam

                                                                                    Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 9
Forschung und Aktivitäten Januar bis März 2022 - Wuppertal Institut
„       Die Daten der Nutzungsphase zeigen aber
                                                      ebenso den notwendigen Umstieg der Wärme-
                                                      und Warmwasserbereitstellung von fossilen
                                                      Quellen hin zu Fern- und Nahwärme sowie
                                                      effizienten Wärmepumpen und Ökostrom.“
                                                      Sören Steger, Senior Researcher im Forschungsbereich Stoffkreisläufe und
                                                      Projektleiter der Studie am Wuppertal Institut

Energetische Sanierung
ökologischer als Neubau
––––––––
Die Bauindustrie und die Immobilien-          Nutzungsphase sowie die gespeicherte        Um das Ziel zu erreichen, müsse der Weg
wirtschaft gehören zu den ressourcenin-       Graue Energie der Gebäude und den           zur Elektrifizierung von Heizsystemen
tensivsten Sektoren der heutigen Zeit.        hiermit Quelle:
                                                        verbundenen   Treibhausgas-
                                                              GettyImages                 noch beschleunigt und damit die Abhän-
Jährlich werden Millionen Tonnen mine-        Emissionen. Die Studienergebnisse zeigen:   gigkeit von fossilen Energieträgern ver-
ralischer Rohstoffe, Metalle, Holz, Kunst-    Wird der gesamte Lebenszyklus berück-       ringert werden. Zwar gleicht der Neubau
stoff, Glas und anderen Materialien für       sichtigt, verursacht die energetische Sa-   das Ungleichgewicht zwischen Angebot
die Erstellung und Sanierung von Wohn-        nierung nur die Hälfte der CO2-Fußab-       und Nachfrage aus und hat damit einen
gebäuden genutzt. Auch die Herstellung        drücke eines Neubaus. „Die Daten der        sozialen Wert, eine Alternative zur Sa-
von Zement ist als ein Hauptbestandteil       Nutzungsphase zeigen aber ebenso den        nierung in Beständen ist er aus ökologi-
von Beton mit enormen Treibhausgas-           notwendigen Umstieg der Wärme- und          scher Sicht allerdings nicht.
Emissionen verbunden. Der Neubau, die         Warmwasserbereitstellung von fossilen       > mehr
Sanierung und der Abriss von Gebäuden         Quellen hin zu Fern- und Nahwärme sowie
sorgt zudem für große Mengen Bau- und         effizienten Wärmepumpen und Ökostrom“,
Abbruchabfälle. Für die Immobilienwirt-       sagt Sören Steger, Senior Researcher im
schaft stellt sich daher die Frage, wie sie   Forschungsbereich Stoffkreisläufe und
ihren Gebäudebestand ökologisch opti-         Projektleiter der Studie am Wuppertal
mieren kann. Doch was wiegt ökologisch        Institut.
stärker: der Mehrbedarf an Rohstoffen
und die anfallenden Abfallmengen bei
Abriss und Neubau oder die ressourcen-
intensivere Nutzungsphase von sanierten
Bestandsgebäuden, wenn deren energe-
tische Qualität niedriger ist als bei Neu-
bauten?
Vor diesem Hintergrund hat das Woh-
nungsunternehmen LEG das Wuppertal
Institut beauftragt, anhand von drei ex-
emplarischen LEG-Gebäuden die energe-
tische Gebäudesanierungen im Ver-
gleich zur Alternative eines Abrisses und
Neubaus ökologisch zu bewerten. Im Fo-
kus der Untersuchung standen dabei der
Primärenergieverbrauch, die damit ver-
bundenen Treibhausgas-Emissionen der

                                                                                                                           Quelle: GettyImages

10 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
Schulen ermitteln ihren
CO2-Fußabdruck
––––––––
 In Deutschland gibt es über 32.000 Schu-
 len mit insgesamt 8,83 Millionen Schü-
                                                        Quelle: GettyImages
 ler*innen und über 790.000 Lehrkräften
– hinzu kommen Hausmeister*innen und
 weiteres Personal. An Orten, an denen
 sich viele Menschen aufhalten, wird
 dementsprechend auch viel Energie ver-        Die Schüler*innen der Realschule am            Verkehrsmittel Schüler*innen, Lehr-
 braucht und es werden Ressourcen benö-        Giersberg Kirchzarten, der Freien Wal-         kräfte und weiteres Personal nutzen.
 tigt, die einen Einfluss auf den Klima-       dorfschule St. Georgen Freiburg, der Er-       Auch Klassenfahrten, Ausflüge und
 wandel haben. Wie groß der CO2-Fußab-         ich-Fried Gesamtschule Wuppertal-Rons-         Schüler*innen-Austausche wurden da-
 druck (Carbon Footprint) von                  dorf und der Else-Lasker-Schüler Ge-           bei berücksichtigt. „Die Erkenntnisse
 Bildungseinrichtungen ist, variiert stark.    samtschule Wuppertal-Elberfeld wurden          aus den Analysen der Schüler*innen tra-
 Das haben Forscher*innen des Wupper-          direkt in den Erhebungsprozess einbezo-        gen nicht nur dazu bei, sie für den Klima-
 tal Instituts innerhalb des Projekts          gen, um den CO2-Fußabdruck ihrer               schutz zu sensibilisieren, sondern sie
„Schools for Future“ mit Unterstützung         Schule herauszufinden. Im Rahmen des           auch zu motivieren, sich klimaschonen-
 von Schüler*innen an vier Pilotschulen        Projekts Quelle:
                                                         erfassten  sie dafür die CO2-
                                                                GettyImages                   der zu verhalten“, zieht Wagner als posi-
 herausgefunden.                               Emissionen, die durch Mobilität, Hei-          tive Bilanz.
„Wenn es darum geht die Klimaschutzziele       zung und Stromverbrauch sowie für              > mehr
 zu erreichen, spielen Schulen eine wichtige   Mahlzeiten in der Schulkantine und für
 Rolle, denn hier können junge Menschen        Verbrauchsmaterialien (Papier) entste-
 lernen, wie sie sich möglichst sparsam ver-   hen. Die notwendigen Daten haben sie
 halten“, erklärt Oliver Wagner, Co-Leiter     recheriert und forderten beispielsweise
 des Forschungsbereichs Energiepolitik         Informationen von der Schulverwaltung
 am Wuppertal Institut. Er hat gemein-         an. Um eine Bilanz hinsichtlich der Mobi-
 sam mit den beiden wissenschaftlichen         lität zu erstellen, haben sie eine Befragung
 Mitarbeiterinnen Lotte Nawothnig und          gemacht, um herauszufinden, welche
 Lena Tholen aus dem Forschungsbereich
 Energiepolitik am Wuppertal Institut so-

                                                  „
 wie Sebastian Albert-Seifried vom Büro
 Ö-quadrat den Artikel „Making school-
 based GHG-emissions tangible by stu-
 dent-led carbon footprint assessment
 program“ dazu verfasst. Darin veran-
                                                            Wenn es darum geht die Klimaschutzziele zu
 schaulichen sie, wie sich mithilfe eines                   erreichen, spielen Schulen eine wichtige Rolle,
 eigens entwickelten CO2-Bilanzierungs-
 tools der CO2-Fußabdruck ermitteln und                     denn hier können junge Menschen lernen, wie
 berechnen lässt.
                                                            sie sich möglichst sparsam verhalten.“
                                                            Oliver Wagner, Co-Leiter des Forschungsbereichs Energiepolitik am
                                                            Wuppertal Institut

                                                                                         Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 11
Events &
 Forschungstransfer
Erfolgreiches Engagement für
die Energiewende
––––––––
Bewegende Energie – das charakterisiert
den beruflichen und akademischen Le-
bensweg von Prof. Dr. Peter Hennicke. Er
ist Senior Advisor am Wuppertal Institut
und war bis 2008 dessen Präsident. Sei-
ne bis heute andauernde Forschungsar-
beit zur Energiewende bringt noch im-
mer vieles in Bewegung. Anlässlich sei-
nes 80. Geburtstages wurde ihm die
Festschrift „Bewegende Energie – Die
Energiewende als Treiber der Großen
Transformation“ gewidmet und feierlich
überreicht. Peter Hennicke hat den Ener-
giewende-Begriff zwar nicht erfunden,
                                                 Die Festschrift „Bewegende Energie“ wurde Prof. Dr. Peter Hennicke, Senior Advisor
aber in seiner Arbeit maßgeblich mitge-          und ehemaliger Präsident des Wuppertal Instituts, anlässlich seines 80. Geburtstages
prägt.                                           am 18. Januar 2022 überreicht. Sie ist im Oekom-Verlag erschienen.
Die Festschrift greift die wesentlichen          Quelle: Wuppertal Institut/L. Schenk
Ideen und wissenschaftlichen Konzepte
Hennickes entlang seiner beruflichen
und wissenschaftlichen Aktivitäten auf      Sie geben mit ihren Beiträgen sowohl              auch immer sehr umsetzungsorientier-
und zeichnet damit zugleich vierzig Jah-    spannende Einblicke in wichtige Ideen,            tes Handeln bis heute an. Dr. Stefan Tho-
re Energiewende und Transformation          die die Energiewende vorangetrieben ha-           mas, ebenfalls Mitherausgeber der Fest-
zur Nachhaltigkeit nach. Die Autor*in-      ben, aber sie ziehen daraus zugleich              schrift und Leiter der Abteilung Energie-,
nen des Buches haben alle eine enge Be-     auch wichtige Schlussfolgerungen für              Verkehrs- und Klimapolitik am Wupper-
ziehung zu Peter Hennicke als (ehemali-     die bereits angebrochene „zweite Halb-            tal Institut, betont: „Peter Hennicke erin-
ge) Kolleg*innen, Mitstreiter*innen oder    zeit“ der Energiewende.                           nert uns vor allem immer wieder daran,
auch Schüler*innen und viele sind          „Vielleicht weil ihn dieses Ziel so erfüllt und    dass die Energie, die wir durch Energieeffi-
freundschaftlich mit ihm verbunden.         sein Engagement immer so voller positiver,        zienz nicht bräuchten, meist die kosten-
                                            aber nicht aufdringlicher Energie ist, be-        günstigste und umweltfreundlichste ist. Er
                                            geistert und bewegt er die Menschen, die          gehört zu den ganz Wenigen in den Wirt-
                                            mit ihm zusammenwirken – und häufig               schaftswissenschaften, die sich für diese
                                            auch jene, welche seinen Ideen zunächst          ‚Ökonomie des Vermeidens‘ einsetzen.“
                                            skeptisch oder kritisch gegenüberstehen“,         Nach wie vor unterstützt der 80-Jährige
                                            sagt Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer, Lei-         das Institut mit seiner wissenschaftli-
                                            ter der Abteilung Zukünftige Energie-             chen Arbeit, insbesondere im Bereich
                                            und Industriesysteme am Wuppertal Ins-            Energie- und Ressourceneffizienz natio-
                                            titut und Mitherausgeber von „Bewegen-            nal wie international – etwa im German-
                                            de Energie“, das im Oekom-Verlag                  Japanese Energy Transition Council
                                            erschienen und als E-Book und Printex-           (GJETC), dessen deutschen Co-Vorsitz er
                                            emplar erhältlich ist.                            auch innehat. Auch die Förderung des
                                            Das Ziel, Utopien zu ermöglichen und              wissenschaftlichen Nachwuchses im Ge-
                                            mit der ‚Effizienzrevolution‘ nicht nur           biet von Energiewende und Klimaschutz
                                            einen Beitrag zum Klimaschutz zu leis-            liegt ihm immer am Herzen.
                                            ten, sondern auch darüber hinaus positiv          > mehr
                                            zu wirken, treibt Peter Hennicke und sein
                                            sowohl theoretisches, konzeptionelles als

Cover der Festschrift „Bewegende
Energie“. Quelle: oekom

12 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
Halbzeit der Energiewende
Die Energiewende startete in den 1980er Jahren.
Mittlerweile liegt mehr als die Hälfte des Weges
zu einer vollständig nachhaltigen Energieerzeu-
gung bis 2050 hinter uns. Was können Deutsch-
land und die Welt tun, um die gewünschte klima-
neutrale Zukunft zu erreichen? Antworten darauf
hat Prof. Dr. Peter Hennicke, Senior Advisor am
Wuppertal Institut, und spricht darüber in der
22. Episode „Halbzeit der Energiewende“ des                   bei der Energiewende gut gelaufen ist und was
Instituts-Podcasts Zukunftswissen.fm. Seit ihrem              sich aus den Fehlern lernen lässt. Gemeinsam
Beginn beschäftigt er sich intensiv auf deutscher             überlegen sie, wie die nationale und internatio-
und internationaler Ebene mit der Energiewende.               nale Zukunft der Energiewende aussehen kann
Im Jahr 2021 erhielt er Japans höchste Auszeich-              und bewerten die Weiterentwicklung der Atom-
nung, den „Orden der Aufgehenden Sonne“, für                  energie kritisch. Sie sprechen außerdem darü-
sein Engagement im Deutsch-Japanischen Koope-                 ber, wie politische, gesellschaftliche und ökolo-
rationsrat zur Energiewende (GJETC).                          gische Ziele zusammengebracht werden kön-
Anlässlich seines 80. Geburtstags im Januar                   nen, um eine „Just Transition“ zu erreichen und
2022, unterhielt sich Annika Tönjes, Researcher               einer Spaltung der Gesellschaft vorzubeugen.
im Forschungsbereich Strukturwandel und Inno-                 Es wird spannend! Reinhören und informiert
vation am Wuppertal Institut, mit Hennicke dar-               bleiben: #ZukunftswissenFM
über, was in den vergangenen rund 40 Jahren                   > mehr

Ein klimapolitischer Rück-
und Ausblick                                                                                                 en t
                                                                                                         m
                                                                                                   e

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                                                                                                 St at

 Das Jahr 2021 war zweifelsohne ein             Kurzum: Es ist noch eine Menge zu tun,
 wichtiges Jahr für den Klimaschutz. Un-        wie seine wenigen Beispiel zeigen.
 abhängig von der weltweit alles bestim-        Deutschland übernahm im Januar 2022
 menden Frage nach der Überwindung              die G7-Präsidentschaft und wird versu-
 der Corona-Pandemie blieb Klimaschutz          chen diese zu nutzen, um das Klima-
 oben auf der Agenda. Dies gilt für die         schutztempo auf globaler Ebene anzuzie-     wird damit Signalwirkung für Kreditver-
 Fortsetzung der Demonstrationen von            hen. Ein Instrument dafür könnten und       gabe und Anlageverhalten haben. Für
 Fridays for Future und anderen zivilge-        sollten die im Koalitionsvertrag genann-    die neue Bundesregierung geht es jetzt
 sellschaftlichen Institutionen für einen       ten Klimaclubs sein. Sie sollen die Basis   vor allem um die Umsetzung. Was zu tun
 verstärkten Klimaschutz genauso wie für        dafür schaffen, dass sich Vorreiterländer   ist, ist im Laufe des Jahres 2021 in vier
 die politische Auseinandersetzung über         für den Klimaschutz vernetzen und unter     großen Transformationsstudien beschrie-
 den besten Weg, die für den Klimawan-          einheitlichen Bedingungen schneller als     ben worden. Bei aller Unterschiedlichkeit
 del verantwortlichen Treibhausgas-Emis-        der Rest der Welt vorangehen. Auf euro-     der Auftraggeber für die Studien, sind sie
 sionen zu reduzieren und perspektivisch        päischer Ebene geht es um die Umset-        sich in dem Handlungsrahmen und den
 treibhausgasneutral zu werden.                 zung des „Fit for 55“-Programms, dem        robusten Strategie-Elementen sowie not-
 Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wissen-     klimapolitischen Kern des European          wendigen Ausbaudynamiken – von zum
 schaftlicher Geschäftsführer des Wupper-       Green Deals. Hier steht die Überarbei-      Beispiel erneuerbaren Energien und
 tal Instituts, hat in einer Kurzeinschätzung   tung und teilweise Neufassung von zahl-     Wasserstoff – sehr einig.
 Highlights aus 2021 – wie etwa das Urteil      reichen europäischen Richtlinien auf der    > mehr
 des Bundesverfassungsgerichts, die Extrem-     Tagesordnung.
 wetterereignisse, die Bundestagswahl so-       Die Verabschiedung der EU-Taxonomie
 wie die Weltklimakonferenz in Glasgow          soll schließlich einen Orientierungsrah-
– klimapolitisch eingeordnet und gab            men dafür schaffen, was nachhaltige In-
 auch einen Ausblick für 2022.                  vestitionen und Geschäftsfelder sind und

                                                                                      Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 13
Auftaktveranstaltung:
Netzwerk Klimaanpassung &
Unternehmen.NRW
––––––––
Am 2. Februar 2022 fand die Auftaktver-
anstaltung des „Netzwerk Klimaanpas-
sung & Unternehmen.NRW“ statt. Im An-                Quelle: GettyImages
schluss hielt Prof. Dr.-Ing. Manfred
Fischedick, wissenschaftlicher Geschäfts-
führer des Wuppertal Instituts, eine Key-
note zum Thema „Der Klimawandel ist
da – auch in NRW!“. Darin ging er auf
den Klimawandel und seine Folgen sowie      8. NRW-Nachhaltigkeitstagung
auf die Relevanz von Klimaanpassungs-
maßnahmen für die Wirtschaft ein. An-       ––––––––
schließend fand ein Fachdialog mit Man-
fred Fischedick statt, bei dem er unter     Während der 8. NRW-Nachhaltigkeitsta-         Mobilität, Industrie/Kreislaufwirtschaft,
anderem mit Dr. Fritz Jaeckel, Hauptge-     gung am 23. Februar 2022 diskutierten         Stadt und Ernährung – vor. Anhand die-
schäftsführer der Industrie- und Han-       Menschen aus Zivilgesellschaft, Kommu-        ser erklärte er, welche zentralen Klima-
delskammer Nord Westfalen über die ak-      nen, Wirtschaft und Wissenschaft über         schutzstrategien es bereits gibt, an wel-
tuelle Klimaanpassung von nordrhein-        Zukunftsfragen. Die Veranstaltung stand       chen Stellen neue Innovationen helfen
westfälischen Unternehmen diskutierte.      unter dem Motto „Gemeinsam. Nachhal-          können und welche Ziele sich das Land
Daneben beleuchteten sie den Umgang         tig. Handeln.“ Das Zusammenspiel von          bereits gesetzt hat. Parallel hielt Anja
mit Klimarisiken und die Klimaanpas-        Umwelt, Wirtschaft und Finanzen bildete       Bierwirth, Leiterin des Forschungsbe-
sungswirtschaft in Nordrhein-Westfalen      den übergeordneten inhaltlichen The-          reichs Stadtwandel am Wuppertal Insti-
aus Sicht von Politik, Wirtschaft und       menkomplex der Nachhaltigkeitstagung.         tut, einen Impulsvortrag während des
Wissenschaft. Daneben gab es Impuls-        „Sustainable Finance“ ist ein Kernele-        Workshops „Nachhaltigkeitsarchitektur
vorträge aus der Praxis in Form von Er-     ment des European Green Deal, mit dem         NRW – wer macht mit?“. Sie thematisier-
fahrungsberichten von NRW-Unterneh-         die EU-Kommission unter anderem Maß-          te, wie Akteur*innen aus Wirtschaft,
men und sowie eine Podiumsdiskussion.       nahmen für das Zusammenspiel von öf-          Wissenschaft, Politik und der Gesell-
> mehr                                      fentlichen und privaten Investitionen in      schaft sich an nachhaltigen Entwick-
                                            Transformationsprozesse auf dem Weg           lungsprozessen beteiligen können, wel-
                                            zu einer klimaneutralen europäischen          che Organisation dafür notwendig ist
                                            Wirtschaft und Gesellschaft bis 2050 auf      und wie ein Beirat zu Nachhaltigkeitsfra-
                                            den Weg bringen wird. Vor dem Hinter-         gen besetzt werden sollte.
                                            grund sich verändernder Rahmenbedin-          > mehr
                                            gungen auf allen politischen Ebenen, ins-
                                            besondere auf EU-Ebene, soll die Trans-
                                            formation von Unternehmen und
                                            Finanzmärkten im Sinne einer stärkeren
                                            Ausrichtung an ökologischen und sozia-
                                            len Kriterien im Rahmen der Tagung ge-
                                            nauer betrachtet werden.
                                            Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wis-
                                            senschaftlicher Geschäftsführer des
                                            Wuppertal Instituts, hielt vormittags ei-
                                            nen Impulsvortrag im Rahmen des Work-
                                            shops „umwelt.nrw: nach(haltig) ge-
                                            dacht – wo wollen wir hin?“. Er stellte die
                                            wichtigsten Transformationsarenen für
                                            Nordrhein-Westfalen (NRW) – Energie,

14 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
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                                                                             m

                                                                      e
                                                                   St at
Umsetzung der
Klimaschutzziele erfordert
mehr Ehrlichkeit
––––––––
In einer Kurzeinschätzung stellt Prof. Dr.-    nicht widerspiegeln. Die Umsetzung der       Ehrlichkeit betreffe auch und gerade das
Ing. Manfred Fischedick, wissenschaftli-       Klimaschutzziele ist daher kein Selbst-      Aufzeigen der Zeitkonstanten, die heute
cher Geschäftsführer des Wuppertal Ins-        gänger. Setzt sich dieser Eindruck fest,     einer hinreichend schnellen Umsetzung
tituts, heraus, dass eine hinreichend          besteht die Gefahr wertvolle Zeit durch      noch entgegenwirken. Anders ausge-
schnelle Umsetzung der Klimaschutzzie-         Abwarten zu verlieren. Dem Ziel komme        drückt: Es müssen die Prozesse transpa-
le nicht ohne einen ehrlichen und offe-        man nur dann näher, wenn man die mit         rent gemacht werden, die hohe Hürden
nen Umgang mit den Konflikten und den          dem Umsetzungspfad verbundenen               darstellen beziehungsweise so komplex
Zeitkonstanten möglich ist.                    Schwierigkeiten und die vielfältigen Kon-    sind, dass deren Überwindung aus heuti-
Im Verlauf des Jahres 2021 wurden fünf         fliktlagen transparent mache und auf die-    ger Sicht viel Zeit kostet. Dies erfordere
große Transformationsstudien veröffent-        ser Basis nach Lösungen suche. Robert        mutige und teilweise auch ganz neue
licht, die zeigen, wie Deutschland seine       Habeck, Bundesminister für Wirtschaft        Verfahren.
selbst gesteckten Klimaschutzziele, also       und Klimaschutz, habe daher recht, wenn      > mehr
Treibhausgasneutralität 2045, erreichen        er wie Mitte Dezember 2021 kurz nach
kann. Dabei handelt es sich um Studien         seinem Amtsantritt von Zumutungen
von Agora Energiewende, dem Bundes-            spricht, die der Gesellschaft auf dem Weg
verband der Deutschen Industrie (BDI),         zur Treibhausgasneutralität bevorstehen.
dem Bundeswirtschaftsministerium, der
Deutschen Energie-Agentur (dena) und
dem Bundesforschungsministeriums im
Rahmen des Verbundprojektes Ariadne.
Trotz der unterschiedlichen Auftraggeber
sind sie sich in den Ergebnissen und der
Analyse weitgehend einig.
Ganz entscheidend für die Umsetzung sei
aber aus heutiger Sicht mehr Ehrlichkeit
und Transparenz. Denn es zeigt sich eine
zunehmende Diskrepanz zwischen dem
Handlungsdruck, wie er sich aus den
großen Transformationsstudien ableitet,
und den realen Zeitkonstanten. In Stu-
dien werden die notwendigen techni-
schen und ökonomischen Transforma-
tionspfade skizziert, die sich in der Reali-
tät bisher aber an vielen Stellen aufgrund
vielfältiger Restriktionen und Hürden

                                                       Quelle: GettyImages

                                                                                        Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022 15
Die Planungen für den „Neuen Graben“ in Dortmund (im Bild)
                                                    und die „Lothringer Straße“ in Gelsenkirchen wurden beim
                                                    Landeswettbewerb „Zukunft Stadtraum“ ausgezeichnet.
Ausgezeichnet: Lebenswerte                          Quelle: MUST/Klima.Werk/EGLV
Straßenräume der Zukunft
Wie sehen lebenswerte Quartiere und deren           einem lebenswerten Ort umgestalten, an dem
Straßen aus? Und wie gelingt der Umbau vor Ort      sich alle gerne aufhalten. Beide Städte haben
konkret? Das haben Forschende des Wuppertal         sich mit den Forschungsergebnissen beim Lan-
Instituts, der Emschergenossenschaft/Lippever-      deswettbewerb „Zukunft Stadtraum“ des Minis-
band sowie des Stadtplanungsbüros MUST              teriums für Heimat, Kommunales, Bau und
Stadtbau GmbH innerhalb des Projekts „Lebens-       Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen
werte Straßen, Orte und Nachbarschaften“ –          beworben. Nun stehen die Gewinner fest. Die Ju-
kurz LesSON I/II untersucht. Gefördert wurde        ry prämierte die des „Neuen Graben“ und der
das Vorhaben vom Ministerium für Umwelt,            „Lothringer Straße“. Beide Städte können in den
Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz        kommenden Monaten auf Grundlage der Prämie-
des Landes Nordrhein-Westfalen. Ziel von Les-       rung einen Städtebauförderantrag stellen. Das
SON war es sowohl ambitionierte wie gesell-         ebnet den Weg dafür, dass die im Sommer 2020
schaftlich tragfähige Planungen zum Straßen-        entstandene Idee einer „Lebenswerte Straße“ in ei-
umbau in den Partnerstädten Gelsenkirchen und       nigen Jahren Wirklichkeit werden kann. Dr. Steven
Dortmund zu entwickeln. Gemeinsam mit den           März, Senior Researcher im Forschungsbereich
beiden Stadtverwaltungen, der Kommunalpolitik       Stadtwandel am Wuppertal Institut und Leiter des
und der Zivilgesellschaft diskutierten und entwi-   Forschungsprojektes LesSON, freut sich sehr über
ckelten die Forschenden seit Sommer 2020 Lö-        den Erfolg: „Die Jury hat mit ihrer Auswahl wahr-
sungen für den „Neuen Graben“ (Dortmund)            lich Mut bewiesen und zwei Entwürfe ausge-
und die „Lothringer Straße“ (Gelsenkirchen). Die    zeichnet, die den Straßenraum konsequent neu
entstandenen Planungen zeigen, wie sich die         aufteilen, indem sie den öffentlich nutzbaren
Straßen verändern müssen, damit sie den Folgen      Raum für den motorisierten Individualverkehr
des Klimawandels gerecht werden, die Verkehrs-      deutlich verkleinern.“
wende voranbringen und die Straßenräume zu          > mehr

                                                                                  Die Jury prämierte insgesamt acht Einrei-
                                                                                  chungen – darunter auch die der „Lothringer
                                                                                  Straße“ in Gelsenkirchen (im Bild).
                                                                                  Quelle: MUST/Klima.Werk/EGLV

16 Wuppertal Institut – Quartal 1 | 2022
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