Schlagzeilen & Einblicke - Diakonie ...

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Schlagzeilen & Einblicke - Diakonie ...
Schlagzeilen & Einblicke

                           Jahresbericht 2019|2020
Schlagzeilen & Einblicke - Diakonie ...
Jahresbericht 2019/2020 | Inhalt

          Man braucht Bilder davon, wie eine heile Welt ausschaut. Das
          beschreibt der Prophet Jesaja in einer überwältigenden Vision:
          In der heilen Welt „gibt es keinen Säugling mehr, der nur wenige
          Tage lebt; keinen Greis, der nicht das volle Alter erreicht. Sie
          werden Häuser bauen und selbst darin wohnen. Sie arbeiten
          nicht mehr vergebens, sie bringen nicht Kinder zur Welt für einen
          jähen Tod.“ Das ist der Friede auf Erden, wie er sein soll – und der
          zu schön ist, um nicht wahr zu sein.
          Heribert Prantl, 2017

              3     Editorial

              4     Das Diakonische Werk|Geschäftsführung

              14 Arbeit & Qualifizierung

              20 Gesundheit & Pflege

              26 Erziehung & Förderung

              32 Wohnen

              38 Diakonische Beratungsdienste

              42 Diakonie in Kürze

              49 Zahlen im Überblick

              50 Organigramm Diakonisches Werk im Kirchenkreis Recklinghausen

              51 Impressum

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Editorial | Jahresbericht 2019/2020

Liebe Leserinnen und Leser,

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge         Mit Bedacht berichten wir in diesem Jahresbericht nicht
und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein              vorrangig, sondern immer mal wieder über die Folgen der
dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“         Pandemie. Corona war nicht unser einziges Thema im Jahr
                                                                2020. Längst begonnene Digitalisierungsprojekte schreiten
In diesem Jahr jährt sich die Abfassung der „Freiheits-         voran – mit ihren technischen und ethischen Herausforde-
schrift“, einer der ersten und wichtigsten reformatorischen     rungen. Die Personalmarketing-Kampagne trägt weitere
Abhandlungen Martin Luthers, zum 500. Mal.                      Früchte im Start eines Betrieblichen Gesundheitsmanage-
                                                                ments oder in der Übernahme des Freiwilligendienstes in
Wie sehr ist die „Freiheitsschrift“ für das Jahr 2020 ge-       Kirche und Diakonie in unsere Trägerschaft.
schaffen! Die Corona-Pandemie hält uns in Atem: Frei
sein – von den Sorgen um anvertraute Menschen und ein           Sie lesen aus den einzelnen Geschäftsfeldern, wie wir ver-
jahrzehntelang gewachsenes Werk, auch von allen per-            suchen, Alltag und Zukunftsfähigkeit gleichermaßen in den
sönlichen Unsicherheiten! Frei sein – von dem einen oder        Blick zu nehmen: Wie ein Klient der Beruflichen Teilhabe
anderen Verschwörungsgedanken, dem eigenen Verstand             im ersten Arbeitsmarkt Tritt fasst, wie eine Mitarbeiterin die
trauend! Das wär’s, oder?                                       Ambulante Pflege sieht und eine Fahrradrikscha alte Men-
                                                                schen mobil hält. Wie die Jugendhilfe in Nachbarschaften
Die paradoxe Formulierung Luthers zielt primär nicht auf        und Stadtteilen Quartier nimmt und Menschen mit Behin-
eine Freiheit von etwas, sondern zu etwas: Der Mensch           derung in einem Altenheim ihre Tagesbetreuung erleben.
gewinnt im Vertrauen auf einen gnädigen Gott seine Frei-        Wie haben wohnungslose Menschen den Lockdown er-
heit von allem, was ihn ängstigt und lähmt. Er behält diese     lebt?
Freiheit aber nicht für sich, sondern ist so frei, sich dem
Nächsten zuzuwenden.                                            Wir wünschen viel Freude beim Lesen – und womöglich
                                                                entdecken Sie, wie wir, die produktive Spannung unserer
Nun ist der diakonische Dienst nicht so paternalistisch         Arbeit: frei zu sein und für den Nächsten da zu sein.
wie zur Zeit Luthers definiert und geschieht als ordentlich
entlohnter Beruf. Wir haben aber in der Corona-Zeit festge-
stellt, wie sehr sich Freiheit und „Dienstbarkeit“ – um die-    Ihre
sen alten Begriff zu benutzen – einander bedingen: Mit oft
großer innerer Überzeugung sind Mitarbeitende nicht von
den ihnen anvertrauten Menschen gewichen und haben
zusätzliche Energie mobilisiert.

Die Diakonie war immer bei den Menschen!

Klienten und Angehörige haben uns vertraut, dass wir un-
ter den schwierigen Umständen das Richtige tun. Es mag
jeder selbst für sich entscheiden, wir haben bemerkt: Bei
vielen rückte die Verantwortung für den Nächsten vor die
eigene Angst vor dem Virus!

Auch an dieser Stelle: Einen herzlichen Dank allen, die in
diesen Monaten ihren Dienst getan haben!

Applaus reicht nicht! – Was seit Jahren bekannt ist, wird
durch Corona jetzt endlich breiter debattiert: Wir benötigen
in fast allen sozialen Bereichen, vor allem aber in der         Dr. Dietmar Kehlbreier                 Christa Stüve
Pflege, strukturelle Verbesserungen! Wir brauchen vor           Geschäftsführung                       Geschäftsführung
allem eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz sozialer
Berufe, die die Bereitschaft zu einer verlässlichen Finanzie-
rung der ordentlichen kirchlichen Tarife einschließt!

                                                                                                                             3
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Jahresbericht 2019/2020 | Geschäftsführung

          Corona. Eine Krise
          Lockdown in den Werkstätten: 1.800 Beschäf-              und der Schulbegleitung blieben die Kinder aus, als
          tigte mussten von einem Tag auf den anderen zu           Kindergärten und Schulen schlossen. Hier blieb uns
          Hause bleiben, trotzdem systemrelevant:                  nichts Anderes übrig, als erstmals in unserer Unter-
          Produktionsaufträge mussten erfüllt werden,              nehmensgeschichte – gemeinsam mit der Mitarbei-
          andere Aufträge blieben liegen.                          tervertretung ausgearbeitet – auf Kurzarbeit zurück-
                                                                   zugreifen. So konnten Arbeitsverhältnisse gesichert
          Dagegen Vollbetrieb in Altenheimen, in den beson-        werden.
          deren Wohnformen, der Ev. Jugendhilfe – dort lief        Eine Fülle von Verordnungen und behördliche Vorga-
          mit Corona alles weiter, aber unter ganz neuen Be-       ben erreichten uns, oft nicht trennscharf und sinnvoll
          dingungen und mit drastischen Einschränkungen für        umsetzbar. Der Leitungskreis – ohnehin wöchentlich
          Bewohner*innen und Klienten. Ambulante Dienste           zusammen – wurde zum Krisenstab, der sich zentral
          waren mit sorgenvollen Klienten konfrontiert, die lie-   um die Beschaffung von Schutzmaterial bemühte
          ber keinen Kontakt wünschten.                            und Rettungsschirme prüfte. Bei Leistungsträgern
                                                                   wie dem Landschaftsverband, den Kommunen oder
          Mitarbeitende waren „24/7“ für die anvertrauten          den Sozialversicherern musste die Finanzierung ab-
          Menschen da. Anfänglich ohne ausreichend Schutz-         gesichert werden.
          ausrüstung und der Sorge um die eigene Gesund-
          heit. Werkstatt-Mitarbeitende wechselten für viele       Vor Ort entstanden in Windeseile Hygiene- und
          Wochen den Arbeitsplatz und halfen in Wohneinrich-       Schutzmaßnahmen. Mit Glück und Professionalität
          tungen aus, auch in Einrichtungen anderer Träger.        haben wir die vereinzelten Infektionsfälle einkreisen
          Die Umweltwerkstatt schloss, als Läden und Ge-           und Schlimmeres vermeiden können.
          schäfte zugemacht wurden. Der Frühförderstelle           An vielen Stellen sind bemerkenswerte kreative Ak-

          Die Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen ist in vielen Bereichen von der Corona Pandemie betroffen.

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Geschäftsführung | Jahresbericht 2019/2020

tionen entstanden: „Turbokisten“ mit Lebensmitteln
wurden für Wohnungslose gepackt, finanziert aus
Spenden der Bevölkerung. Open-Air-Kino in den
besonderen Wohnformen wurde gegen die Isolation
initiiert. Die Beratungsdienste stellten auf telefoni-
sche Beratung um und blieben so erreichbar. Der
Berufsbildungsbereich entwickelte digitale Lern-
mittel. Durch mobiles Arbeiten konnte, vorrangig in
den Verwaltungen, das Ansteckungsrisiko reduziert
werden. Verbliebene Kräfte in den Werkstätten näh-
ten tausendfach für Mitarbeitende und Klienten den
Mund-Nasen-Schutz.

Corona. Noch lange nicht aus der Welt.

Und heute, zum Jahresende? Die unmittelbare
Gefahrenphase ist nicht überwunden. Wir werden
langfristig mit dem Risiko von Ansteckungen und
(lokalen) Ausbrüchen leben müssen. Unsere Arbeit
verändert sich: Vorsichtsmaßnahmen bleiben hoch,
Zugangsbeschränkungen in Einrichtungen blei-
ben bestehen. An ein von Passanten durchflutetes
Matthias-Claudius-Zentrum mit Restaurant, Friseur
und verschiedenen Beratungsdiensten – so unser
Konzept für unser größtes Umbauprojekt – ist der-
zeit noch nicht zu denken. Teilhabe von Menschen
mit Behinderung ist weiterhin eingeschränkt, und die
Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes stockt auf
allen Ebenen.

Corona. Mit dem Virus leben.
                                                         Die Mund-Nasen-Bedeckung ist zur Standardausstat-
Wir dürfen nicht dauerhaft zurückfallen im Bemühen,      tung geworden..
selbstbestimmtes Leben im Alltag zu unterstützen:
Die Belange von Menschen mit Behinderung sind in
dieser Krise kaum in der Öffentlichkeit wahrgenom-
men worden!
Im Krisenmodus wachsen besondere Kräfte zu,
selbst wenn Mitarbeitende auch mit ihren privaten        Wir dürfen nicht dauerhaft zurückfallen im
Sorgen und Unsicherheiten an ihren Arbeitsplatz          Bemühen, selbstbestimmtes Leben im Alltag zu
kommen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf –            unterstützen: Die Belange von Menschen mit
in Zeiten geschlossener Bildungseinrichtungen
schwierig! Psychische Belastungsfaktoren – sicher
                                                         Behinderung sind in dieser Krise kaum in der
einige mehr! Und doch war die Gesundheitsquote im        Öffentlichkeit wahrgenommen worden!
Werk so hoch wie lange nicht. Aber wie lange geht        Christa Stüve, Geschäftsführerin
das gut? Natürlich haben wir unsere Jahresziele, die
sich verschoben haben, überprüft. Wir haben übli-
che Prozesse gelassen oder ausgedünnt. Wir haben
fieberhaft an digitalen Strukturen gearbeitet, die
wir aber noch nicht alle im gleichen Maße erreichen
konnten. Wir sind in diesen Wochen dabei, ein Be-        Wir sind weiterhin in einer Risikophase: Wir werden
triebliches Gesundheitsmanagement zu entwickeln,
                                                         mit dem Risiko von Ansteckungen und (lokalen)
um auch krisenspezifischen Gefährdungen entge-
genzuwirken.                                             Ausbrüchen noch eine längere Zeit leben müssen.
Letztlich geht es aber wohl darum, sich gedanklich       Unsere Arbeit verändert sich: Vorsichtsmaß-
darauf einzustellen und Prozesse so abzustimmen,
                                                         nahmen bleiben hoch, Zugangsbeschränkungen in
dass das Risiko noch eine unbestimmte Zeit mitge-
hen wird. Unter diesen Vorzeichen sollte möglichst       Einrichtungen bleiben bestehen.
viel Normalität nötig und möglich sein. dk/cs            Dr. Dietmar Kehlbreier, Geschäftsführer, Diakoniepfarrer

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Jahresbericht 2019/2020 | Geschäftsführung

          Kommunikation in der Krise
          Offen, transparent und innovativ
          Schon vor Corona ist die Öffentlichkeitsarbeit
          der Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen
          einem Grundsatz gefolgt: Wir kommunizieren
          offen und transparent.

          So war es selbstverständlich, dass die Diakonie im
          Kirchenkreis schon ganz früh eine Corona-Informati-
          onsseite im Internet eingerichtet hat. Mitarbeitende,
          Angehörige, Klienten sowie die interessierte Öffent-
          lichkeit hatten so die Möglichkeit, sich aktuell und
          schnell über die Corona-Schutzmaßnahmen und ih-
          re Auswirkungen auf die Arbeit in den Einrichtungen
          zu informieren.

          In der Presse und in sozialen Medien wurde und
          wird fortlaufend berichtet. Über Einschränkungen
          und Lockerungen, über Verdachtsfälle und Quaran-
          tänemaßnahmen. Und über Menschen, die mit den
          nie da gewesenen Herausforderungen der Krise
          umgehen müssen. Hier ein Gottesdienst vor dem Al-
          tenheim, da eine tolle Aktion mit Bewohner*innen in
          einer Wohneinrichtung und dort die Mitarbeiterin, die
          sich engagiert um die Kinder in einer Gruppe der Ev.
          Jugendhilfe kümmert. Auch von den Turbo-Tüten“ –
          das sind Lebensmittelpakete für Menschen, die

          Wir erzählen. Wer wir sind, was wir tun und warum wir es tun. Täglich auf verschiedene Weise, aber immer
          offen und transparent.

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Geschäftsführung | Jahresbericht 2019/2020

durch Corona in große Not geraten sind – muss er-       Die Rückmeldungen sind positiv. Mitarbeitende be-
zählt werden.                                           teiligen sich aktiv, posten Meldungen und Nachrich-
                                                        ten und lesen, was im Werk los ist.
Die App für Mitarbeitende
                                                        Das Vest Magazin
Zwei innovative Projekte sind im Frühjahr 2020 ent-
standen: die Einführung einer Mitarbeitenden-App        Eine weitere Innovation in der Corona Krise: Wir
und die Beteiligung an einem kreisweiten Magazin.       erzählen ganz vielen Menschen im Kreis Reckling-
                                                        hausen von Menschen in der Diakonie. In einem
Schon vor Corona war klar: Wir wollen unsere inter-     attraktiv gestalteten Magazin. Das findet man im hei-
ne Kommunikation weiter entwickeln. Als Plattform       mischen Briefkasten, in den Filialen der Sparkasse
haben wir uns bereits 2019 für Beekeeper entschie-      Vest und an vielen anderen öffentlichen Orten.
den. Eine App mit genau den Möglichkeiten, die eine     Herausgegeben wird die Magazin-Familie „Vest erle-
gute interne Kommunikation braucht. Information         ben“, die mit vier Ausgaben im Jahr in einer Auflage
und Beteiligung der Diakonie-Mitarbeitenden. Im         von 125.000 Exemplaren, jeweils lokal ausgerichtet
Frühjahr 2020 war klar: Corona erfordert auch nach      in den Städten des Kreises Recklinghausen er-
innen eine schnelle und transparente Kommunika-         scheint, von drei in der Region engagierten Partnern:
tion. Anpacken war die Devise. Die Diakonie-App,        Sparkasse Vest, Hertener Stadtwerke und Diakoni-
die ausschließlich von Mitarbeitenden der Diakonie      sches Werk im Kirchenkreis Recklinghausen. Auch
genutzt werden kann, bekannt machen, Zugänge            dieses Projekt ist eine große Investition in die Kom-
kommunizieren, Kanäle einrichten, Inhalte einstellen.   munikation. Ganz besonders unter Corona-Krisen-
Finanziell eine mutige Investition, kommunikativ ge-    Bedingungen.
nau der richtige Schritt. Das zeigt sich daran, dass    Es lohnt sich, wie eine erste Leserbefragung zeigt.
bereits über 700 Mitarbeitende die App nutzen. Ten-     Die Diakonie zeigt sich in der ganzen Breite ihrer
denz steigend.                                          sozialen Angebote. Sympathisch, offen und in den
Sie lesen über „Aktuelles“ im Werk, kommunizieren       Geschichten der Menschen, die dort arbeiten oder
miteinander auf dem „Marktplatz“ und nutzen die         mit einem Dienst der Diakonie zu tun haben. mw
Möglichkeit von Einzel- oder/und Gruppenchats.
Über „Offizielles“ informieren Mitarbeitende sich
schnell über Neuerungen bei Verfahren und Inst-
                                                        Informationen zur Diakonie-App sowie zum Magazin
rumenten im Werk. Und schauen sich die Video-
                                                        erhalten Sie jederzeit und gerne:
Botschaft der Geschäftsführung zur Situation des
                                                        oeffentlichkeitsarbeit@diakonie-kreis-re.de
Werkes in der Corona-Krise an.

WIR/LEBEN/WERTE
Wertschätzung, Vertrauen, Ehrlichkeit, Respekt          mitgebracht wurde. Eine breite Themenpalette und
und Verbindlichkeit. Diese Werte haben Mitar-           ein offenes Gespräch. Das zeichnete die „Wertetour
beitende unseres Diakonischen Werkes in ge-             2019“ aus.
meinsamer Arbeit nach vorne gestellt. Das war
vor zwei Jahren und der Grund war eine neue             Ein Thema war die Auseinandersetzung mit (rechts)
Personalmarketingkampagne.                              populistischen Äußerungen von Klienten und auch
                                                        Mitarbeitenden im Werk. Auf der jährlichen Tagung
Inzwischen ist einiges passiert. Im vorigen Jahr        der leitenden Mitarbeitenden wurde das Thema im
waren Christa Stüve und Dr. Dietmar Kehlbreier, die     Februar 2020 aufgegriffen. „Umgang mit (rechts-)
Geschäftsführung, unterwegs, um mit Mitarbeiten-        Populismus“. Eine intensive Auseinandersetzung mit
den ins Gespräch zu kommen. Über die Werte, die         Begleitung von Christina Wüstefeld von der Diakonie
gelten sollen. Und, um so etwas wie einen Reali-        Deutschland, die sich sehr intensiv mit dem Thema
tätscheck zu machen.                                    auseinandersetzt.

Ohne Tagesordnung kamen an drei verschiedenen           „Wertetour 2020“. Ausgefallen wegen Corona? Nein!
Orten Mitarbeitende und Geschäftsführung zum            Wir bleiben dran, in diesem Jahr nicht mit Dialog-
Diakonie-Dialog-Forum zusammen. Besprochen und          Veranstaltungen, aber mit einer deutlichen Positio-
diskutiert wurde das, was von den Teilnehmenden         nierung.

                                                                                                                7
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Jahresbericht 2019/2020 | Geschäftsführung

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                                                                 matisierung der genannten Dinge zu unterstützen.
                                                                 Wir verpflichten uns als Diakonisches Werk, diese
                                                                 Themen im Rahmen unserer Unternehmenskultur
                                                                 zur Sprache zu bringen und zu bearbeiten.“ mw

          Diakonie-Dialog-Forum. Drei Treffen an drei diako-
          nischen Orten. Immer neue, inhaltsreiche Gespräche.

          „Hier ist ein Ort der Menschenfreundlichkeit“ und
          „Wir leben Werte. Wir werten kein Leben.“
          Position beziehen. Mit Plakaten, die in unseren
          diakonischen Einrichtungen aushängen und einer
          Handreichung zum Thema. Dort heißt es: „Wir ermu-
          tigen die Mitarbeitenden in unserem Diakonischen
          Werk, Themen wie Diskriminierung von Personen
          und Gruppen, Hass auf Minderheiten, Verächt-
          lichmachen demokratischer Institutionen, (rechts-)     Hier ist ein Ort der Menschenfreundlichkeit.
          extreme Äußerungen zur Sprache zu bringen. Wir er-     Position beziehen. Werte kommunizieren.

          Digitalität. Weit mehr als ein Handy
          Fraglos hat Corona der Digitalisierung einen Schub     Aktenordner mehr, sondern ein digitales Dokumen-
          gegeben. Aber in wenigen Monaten konnten wir           tenmanagementsystem, mit Zugriff für alle Mitarbei-
          auch nur weiterentwickeln, was wir vorher technisch    tenden. Verschiedene Nutzer können gemeinsam an
          und konzeptionell angelegt hatten. Seit Jahren nut-    Dokumenten arbeiten – ein großer Vorteil, als es bei
          zen wir eine einheitliche Serverstruktur, über alle    Corona-Hygiene-Standards um Schnelligkeit und
          Stadtgrenzen und Einrichtungen hinweg. Dadurch         Ausdifferenzierung ging.
          konnten wir schnell mobiles Arbeiten für über 300
          Mitarbeitende jenseits des „verkabelten Arbeitsplat-   Digitalisierung - verantwortlich
          zes“ ermöglichen – ohne teure Hardwareanschaf-
          fung und mit sicherem Zugriff auf alle Daten.          Aber Digitalisierung in der Diakonie ist weit mehr,
                                                                 weil sie auch im gleichen Maße Bewohner*innen,
          Digital – Instrumente bereit stellen                   Beschäftigte und Klienten in den Blick nimmt. Ethi-
                                                                 sche Leitlinien, schon 2019 verabschiedet (siehe
          Alle Mitarbeitenden können inzwischen ihre Arbeits-    Kasten), sind für unsere digitale Entwicklung maß-
          schutz-Schulungen auch bequem vom eigenen              geblich: Wenn wir Assistenzsysteme in den Werk-
          Handy aus machen. Das Qualitätshandbuch ist kein       stätten einführen, wie etwa im RegHub-Projekt,

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Schlagzeilen & Einblicke - Diakonie ...
Geschäftsführung | Jahresbericht 2019/2020

sollen die Bedarfe und die Beteiligung
der Beschäftigten im Mittelpunkt ste-
hen. Digitale Arbeitsprozesse sollen
Arbeit unterstützen, nicht wegrationa-
lisieren.
Oder in den Altenheimen: Verschie-
dene digitale Hilfsmittel können die
verbliebenen Fähigkeiten alter Men-
schen stärken, dürfen aber nicht die
Selbstbestimmtheit einschränken. Da-
her entscheiden alle über den Einsatz
mit: Nach einem Praxistext mit dem
Sozial-Roboter „Pepper“ beschlossen
Bewohner*innen und Mitarbeitende
gemeinsam: Diese Technik ist (noch)
nicht ausreichend entwickelt und
nützlich!

Menschen mit Behinderung haben in
ihren Wohnangeboten ein Recht auf
Internet – und wir als Träger die Auf-
gabe, das nicht nur baulich zu ermög-
lichen, sondern sie zum Umgang etwa
mit Tablets zu befähigen.
Wie gelingt es, auf Ansprüche auf
digitales Arbeiten bei IT-afinen Mit-
arbeitenden einzugehen (digitale Do-
kumentation, interne Kommunikation,
mobiles Arbeiten), ohne diejenigen          Digitalisierung hat viele Facetten. Von der Sozialrobotik über den digital unter-
zu vernachlässigen, die sich dies erst      stützten Arbeitsplatz bis zur Arbeitssicherheitsschulung am Bildschirm.
durch gute Fortbildungsmaßnahmen
aneignen müssen?
 Schon länger ist klar, dass Digitalisie-   Digitalität. Verantwortung auf allen Ebenen
rung nicht nur eine technische – und
wegen der immensen Kosten eine              Digitalität & Gesellschaft                  sundheit, Wohnen, Arbeit, Mobilität,
wirtschaftliche – Frage ist. Digitali-      Digitalität ist kein allein technologi-     Selbstbestimmtheit) ausschließen.
sierung hat für die Diakonie viele Di-      sches, sondern wirtschaftliches, ge-
mensionen: Die Mitarbeitenden- und          sellschaftliches, ökologisches – und        Digitalität & Partizipation
Klientenperspektive ist zu betrachten,      letztlich ein diakonisches - Thema.         Digitale Technologien werden mit
Prozesse werden komplett neu struk-                                                     jeglichen Adressaten (Mitarbeitende,
turiert. Unsere Unternehmensentwick-        Digitalität & Vielfalt                      Bewohner, Beschäftige) zusammen
lung wird stark davon geprägt sein.         Digitale Entwicklungen müssen der           entwickelt, realisiert und benutzt.
Mehr Digitalität heißt aber genauso:        Vielfalt von Menschen gerecht werden
                                            und dürfen sie nicht einschränken.          Digitalität & Befähigung
Mehr ethische Reflexion und einen
                                                                                        Jede und jeder hat das Recht auf freie
genaueren Blick, was Teilhabe wirklich
                                            Digitalität & Zweckdienlichkeit             Information, Kommunikation und auf
fördert oder hindert.
                                            Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck,   Nichtwissen. Zielgruppengerechte
Jeder Handynutzer könnte es wissen,
                                            sondern dient der Sicherung und Ver-        Fortbildung und Qualifizierung stellt
wird aber in der Regel wenig darüber
                                            besserung der Lebensqualität sowie          sicher, dass Beteiligte befähigt werden,
nachgedacht haben: Die Sprachsteu-
                                            der Teilhabechancen von Menschen.           Informationen zu verstehen und Ent-
erung unserer Handys funktioniert so
                                                                                        scheidungen selbstbestimmt zu treffen.
lange schon recht perfekt, wie wir uns
                                            Digitalität & Entscheidungsfindung
an einheitliche Vorgaben der Technik
                                            Ethische Entscheidungen können nur          Digitalität & Diskriminierungsverbot
halten. Wehe aber, wenn wir Siri und
                                            vom Menschen getroffen werden. Er           Keiner darf wegen unzureichender
Co. in einer unbekannten Sprache
                                            bleibt für Robotik, künstliche Intelli-     medialer Kompetenzen am Zugang zu
oder nur einem Dialekt ansprechen           genz, Algorithmen letztverantwortlich.      Informationen, Dienstleistungen oder
oder gar mit einem Sprachfehler.            Algorithmen dürfen nicht Mitarbeitende      an Organisationsabläufen gehindert
Dann wird aus der neuen Möglichkeit         oder Leistungsnehmende vom Zugang           werden.
für viele eine neue Einschränkung für       zu Gütern oder Dienstleistungen (Ge-
gar so wenige … dk/cs

                                                                                                                                9
Schlagzeilen & Einblicke - Diakonie ...
Jahresbericht 2019/2020 | Geschäftsführung

          Erste Preisträger ausgezeichnet
          Neu: Diakoniepreis im Kirchenkreis Recklinghausen
          Erstmalig wurde in diesem Jahr der Diakoniepreis im      fünf Jahren geflüchtete Menschen ein. Miteinander
          Kirchenkreis Recklinghausen verliehen. Dr. Dietmar       reden, einen Umzug organisieren, Informationen
          Kehlbreier, Diakoniepfarrer des Kirchenkreises, hatte    weitergeben, sich in der Kleiderkammer versorgen.
          die Idee, gespendete Mittel für diakonische Arbeit       Im Café Welcome sind Menschen mit allen Fragen
          an beispielhafte diakonische Initiativen in Kirchenge-   willkommen. Vor Corona kamen wöchentlich 30 – 50
          meinden zu verleihen.                                    Personen in die Räume der Dreifaltigkeitskirche.
                                                                   Und nun diese Auszeichnung. Bei den Mitarbeiten-
          Dotiert ist der Diakonie-Preis mit 2.000 Euro. In die-   den war die Freude über die unerwartete Auszeich-
          sem Jahr wurden zwei Preisträger ausgezeichnet.          nung groß. Und ein zusätzlicher Motivationsschub,
                                                                   um zu überlegen, wie es trotz Corona weitergehen
          Café Welcome,                                            kann.
          Evangelische Stadtkirchengemeinde Marl
                                                                   Familienbildungsfreizeit,
          Coronabedingt hatten sie sich länger nicht gese-         Evangelische Kirchengemeinde Datteln
          hen. Die Mitarbeitenden des Café Welcome in der
          Evangelischen Stadtkirchengemeinde Marl. Gemein-         Catrin Palte verfolgt ihre Ziele mit Beharrlichkeit. So
          sam mit der katholischen Gemeinde laden sie seit         brauchte es einen etwas längeren Anlauf, bevor die
                                                                   erste Familienbildungsfreizeit 2007 starten konnte.
                                                                   Angesprochen sind alleinerziehende Mütter mit Kin-
                                                                   dern.

                                                                   Das ist bis heute so geblieben. Mittlerweile fahren in
                                                                   jedem Jahr (leider nicht, coronabedingt, in diesem
                                                                   Jahr) unter Begleitung eines ehrenamtlichen Teams
                                                                   acht Alleinerziehende mit ihren Kindern an die nie-
                                                                   derländische Nordseeküste. Der Preis für das zwei-
                                                                   wöchige Angebot ist mit Hilfe von Zuschüssen und
                                                                   Spenden bewusst niedrig gehalten. Und für manche
                                                                   immer noch zu hoch. Dass es immer gelingt, liegt
                                                                   daran, dass die Kirchengemeinde alles möglich
                                                                   macht. Auch langfristige Ratenzahlungen. „Die
                                                                   Mütter und ihre Kinder profitieren von der Freizeit in
                                                                   vielfältiger Weise“, so das Team. Gute Erfahrungen
                                                                   und positive Rückmeldungen motivieren sie in jedem
                                                                   Jahr neu.
                                                                   Da kommt der Diakonie Preis, jeweils mit 1.000 Euro,
                                                                   gerade recht.

                                                                   Zwei ausgezeichnete Projekte. Preiswürdig und
                                                                   sicher Ansporn für die Bewerbung um den Diakonie-
                                                                   Preis 2021. mw

          Der neue Diakonie-Preis im Evangelischen Kirchen-
          kreis. In diesem Jahr wurde er zweimal vergeben:
          an das Café Welcome und an die Familienbildungs-
          freizeit.

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Geschäftsführung | Jahresbericht 2019/2020

Gesund sein – Gesund bleiben
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement                 Umsetzung ab November
(BGM) fasst alle betrieblichen Aktivitäten zusam-
men, die das Ziel verfolgen, die Gesundheit der        Mit der Entscheidung der BGM-Steuerungsgruppe
Mitarbeitenden zu erhalten und zu fördern. Dazu        im November 2020 beginnt die Umsetzung der Maß-
gehören sowohl der Arbeitsschutz und die be-           nahmen. Die erste Evaluation ein Jahr nach dem
triebliche Wiedereingliederung nach längerer Er-       Start mittels einer erneuten werksweiten Online-
krankung (BEM) als auch die Schaffung gesund-          Befragung aller Mitarbeitenden wird zeigen, was
heitsförderlicher Arbeitsbedingungen durch die         bis dahin erkennbar in Gang gesetzt werden konnte
Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF).               und mit welchem Erfolg dies bei den Mitarbeitenden
                                                       wahrgenommen werden wird. Um die Vielzahl der
Der Arbeitsschutz ist mit den Fachkräften für Ar-      vorgeschlagenen Maßnahmen umsetzen zu können,
beitssicherheit seit langem gut im Diakonischen        braucht es Ausdauer, einen langen Atem und den
Werk im Kirchenkreis Recklinghausen etabliert. Zu      Einsatz von personellen und finanziellen Ressour-
den BEM-Verfahren (Berufliches-Eingliederungs-         cen. Trotz der und gerade wegen der Corona-Pan-
Management) gibt es eine Rahmendienstverein-           demie werden wir das BGM voran bringen! cl
barung mit der Gesamtmitarbeitervertretung. Dort
werden die einzelnen Verfahrensschritte geregelt,
damit in den individuellen Gesprächen passende
Maßnahmen zur Wiedereingliederung gefunden
werden können. Um nun weitere Einflussfaktoren auf
die Gesundheit der Mitarbeitenden analysieren und
darauf zielgerichtet reagieren zu können, kooperie-
ren wir mit der AOK NORDWEST: Sie finanziert einen
Moderator, der in fünf parallel arbeitenden Gruppen
(jeweils für die Geschäftsfelder und die Dienstleis-
tungszentren) mit jeweils rund zehn Mitarbeitenden
und Vertretern der zuständigen Mitarbeitervertre-
tungen sowohl den Ist-Zustand des betrieblichen
Gesundheitsmanagements, als auch die Bedarfe
erhoben hat.

Arbeitsgruppen tagen

Der ursprünglich für März 2020 geplante Start der
Arbeitsgruppen musste Coronabedingt in den Au-
gust 2020 verschoben werden. Am 21.09.2020 wur-
den die Ergebnisse aus den Gruppen und der erst-
malig werksweit durchgeführten Online-Befragung
aller Mitarbeitenden durch sog. Koordinatoren der
BGM-Steuerungsgruppe vorgestellt. Diese setzt
sich zusammen aus einem Vertreter der AOK NORD-
WEST, zwei Vertretern der Gesamtmitarbeitervertre-
tung, dem Qualitätsmanagement, den Fachkräften
für Arbeitssicherheit sowie den Mitgliedern des Lei-
tungskreises.                                          Im Arbeitsleben gesund bleiben. Das Betriebliche
In den Gruppen wurden Vorschläge für konkrete          Gesundheitsmanagement unterstützt dieses Ziel mit
Maßnahmen erarbeitet. Zu den aus Sicht der Mitar-      verschiedensten Maßnahmen. (Themenfoto aus der
beitenden derzeit wichtigsten Maßnahmen der be-        Werkstatt Recklinghausen-Süd, Metallverarbeitung)
trieblichen Gesundheitsförderung gehören Angebote
der Betrieblichen Gesundheitsförderung wie z. B.
gezielte Sportkurse bzw. die Unterstützung von Mit-
gliedschaften in Sportvereinen und –studios sowie
die Verankerung des Themas „Gesunde Führung“ mit
seinen vielen Ausprägungen in der täglichen Arbeit.

                                                                                                            11
Jahresbericht 2019/2020 | Geschäftsführung

          Erfahrungen stehen Dir gut
          Freiwilligendienste bei der Diakonie sind attraktiv
          Von der angehenden Bauingenieurin zur Heilerzie-        benjobs war nichts für mich.“ Sie brach das Studium
          hungspflegerin und vom IT-Azubi zur Pflegefach-         ab, zunächst noch ganz ohne Plan, wie sie sich neu
          kraft: Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) eröffnet      orientieren kann. Vom Freiwilligen Sozialen Jahr
          jungen Menschen neue Chancen und lässt sie unbe-        (FSJ) hatte sie bis dahin noch nie etwas gehört. Ihr
          kannte Seiten an sich entdecken. Ein großer Gewinn      Lebensgefährte motivierte sie dazu, an einer Infover-
          – für sie selbst und die Gesellschaft.                  anstaltung der Diakonie teilzunehmen. Ein Glücks-
                                                                  griff, wie sich herausstellte.
          Eigentlich hatte Jennifer Ptach ein technisches Kar-
          riereziel ins Auge gefasst: Nach ihrem Fachabitur       Vom FSJ in die Ausbildung
          mit Schwerpunkt Bautechnik jobbte sie bei einem
          Zimmermann und im Büro eines Raumausstatters.           Heute arbeitet Jennifer Ptach in einer Fördergruppe
          2018 begann sie ihr Bauingenieur-Studium an der         mit Menschen mit Behinderung in der Werkstatt
          Fachhochschule Bochum. „Nach vier Semestern             Recklinghausen-Süd. „Die Menschen dort haben
          habe ich gemerkt, dass mich das nicht glücklich         mich von Anfang an in ihren Bann gezogen. Sie sind
          macht“, sagt die 22-Jährige. „Ich habe nicht mehr       offen, immer ehrlich und fröhlich. Wenn ich mal ei-
          gerne gelernt, das lange Sitzen im Büro meines Ne-      nen schlechten Tag habe, muntern sie mich direkt

          Für die Bewohner des Theodor-Fliedner Hauses wie Inge Ritter ist Dorian Drees „Pfleger, Freund und Helfer.“

12
Geschäftsführung | Jahresbericht 2019/2020

auf“, schwärmt die junge Frau von ihrer Arbeit. Im      schinen und Computerprogrammen kennen – und
Anschluss an das Freiwillige Soziale Jahr wird sie      wertschätzen. „Ich bin nicht nur Pfleger, sondern
eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin im          Freund und Helfer“, berichtet Dorian Drees. „Man
Dietrich-Bonhoeffer-Zentrum beginnen, einer Ein-        erfährt viel von den Menschen, ihrem früheren Le-
richtung der Diakonie für Menschen mit Autismus in      ben und lernt Verantwortung und Respekt.“ Vom
Herten. Den Freiwilligendienst würde Jennifer Ptach     FSJ wechselte er bereits nach einem halben Jahr in
jedem ans Herz legen: „Früher war ich eher schüch-      die Ausbildung zum Pflegefachmann. Den Kontakt
tern und zurückhaltend, das hat sich durch das FSJ      mit den alten Menschen möchte er nicht missen.
geändert. Es hat die besten Seiten an mir hervorge-     „Bitte, kommen Sie morgen wieder“, wird er von den
bracht.“                                                Bewohnern abends verabschiedet. „Ich würde Sie
                                                        vermissen“, antwortet Dorian Drees dann. jw
Pfleger, Freund und Helfer

Für den 19-jährigen Dorian Drees war nach seinem
Berufskollegabschluss mit Schwerpunkt Infor-
matik zunächst klar, dass er in der IT Fuß fassen
wollte. Nachdem eine Ausbildungszusage platzte,
brachte ihn seine Mutter auf die Idee, einen Freiwil-
ligendienst zu absolvieren. Auf der Wohnebene für
demenziell Erkrankte im Theodor-Fliedner-Haus in
Herten lernte er eine Lebenswelt jenseits von Ma-

                                                         Informationen zum Freiwilligendienst:
                                                         www. erfahrungen-stehen-dir-gut.de/ oder
                                                         02361 206 206.
                                                         In diesem Jahr hat es bei den Freiwilligendiensten
                                                         Veränderungen gegeben. Rainer Holt und Hans-
                                                         Jürgen Hörner sind in den Ruhestand gegangen.
                                                         An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für
                                                         jahrzehntelanges Engagement in der Freiwilli-
                                                         genarbeit! Neu sind Tobias Schrage und Ronja
                                                         Baumeister als Ansprechpartner*in für die Freiwil-
                                                         ligen. Anstellungsträger ist das Diakonische Werk
                                                         im Kirchenkreis Recklinghausen.
                                                         Das FSJ richtet sich an alle jungen Erwachsenen
                                                         bis zum Alter von 27 Jahren, die gerade ihren
                                                         Schulabschluss gemacht haben oder sich neu
                                                         orientieren möchten. Für Menschen über 27, die
                                                         sich neu orientieren wollen, gibt es den Bundes-
                                                         freiwilligendienst. Vom Altenheim, Kindergarten,
                                                         Schulbegleitung bis hin zur Werkstatt für Men-
                                                         schen mit Behinderungen oder dem Wohnheim
                                                         – über 100 Einsatzstellen im Kirchenkreis Reck-
                                                         linghausen warten auf die Freiwilligen. Egal, ob
                                                         jemand Anwalt, Automechaniker oder Erzieher
                                                         werden möchte – im FSJ/BFD sammelt jeder
                                                         wertvolle Erfahrungen im sozialen Bereich, von
                                                         denen er sein ganzes Leben profitiert. Auch bei
                                                         Bewerbungen wird ein FSJ immer positiv bewer-
                                                         tet. Bewerben und starten kann man das ganze
                                                         Jahr über. Die Freiwilligen bekommen ein monat-
                                                         liches Taschengeld von 412 Euro, sind sozial- und
                                                         krankenversichert und haben 30 Tage Urlaub.

Langes Sitzen im Büro? Keine Option! Während ihres
Freiwilligen Sozialen Jahrs (FSJ) arbeitet Jennifer
Ptach in einer Fördergruppe für Menschen mit
Behinderung in der Werkstatt Recklinghausen-Süd.

                                                                                                              13
Jahresbericht 2019/2020 | Geschäftsfeld Arbeit & Qualifizierung

Was für ein Jahr! Es hat so viele Veränderungen mit
sich gebracht, dass es uns gelegentlich den Atem verschlagen hat
Corona- Beziehungsarbeit trägt                                                     werden wir Mitgestaltende in dem
in der Krise                                                                       Prozess berufliche Teilhabe (wieder)
                                                                                   zu ermöglichen, auch und gerade,
Alle Bereiche im Geschäftsfeld                                                     wenn es bisher Barrieren gab, die das
sind betroffen. Unsere Angebote                                                    verhindert haben. Das Projekt ist auf
konnten zeitweise nur auf Distanz                                                  vier Jahre angelegt, wir sind gespannt
durchgeführt werden.                                                               auf die Ergebnisse.
Wir konnten schnell reagieren und
haben individuell auf die Bedarfe der                                              Produkte und Dienstleistungen
betroffenen Menschen reagiert. Es                                                  für Menschen
ist unser Ziel, dass in dieser Krise
niemand allein gelassen wird. Daran                                                Umweltschutz und die Unterstützung
haben wir von Anfang an intensiv ge-                                               von Nachhaltigkeit sind Leitlinien un-
arbeitet.                                                                          seres wirtschaftlichen Handelns. Das
                                                                                   gilt ganz besonders für die Umwelt-
Beschäftigte der Werkstätten werden                                                Werkstatt, aber auch für andere Be-
mit Arbeit im Rahmen der ambulanten                                                reiche des Geschäftsfeldes. In den
Werkstatt versorgt. Beratungsgesprä-      Heike Strototte, Geschäftsfeldleiterin   Projekten und in den Recklinghäuser
che und konkrete Unterstützungs-          Arbeit & Qualifizierung                  Werkstätten gehen wir neue Wege.
maßnahmen ergänzen das Angebot.                                                    Wir sammeln Erfahrungen im Bereich
Berufliche Bildung wird digital ver-      Die Steuerung und Dokumentation          der Imkerei und bieten Honig sowie
mittelt. Kolleginnen und Kollegen der     des Produktionsprozesses in den          andere Produkte wie Insektenhotels
Werkstatt folgen den Beschäftigten in     Werkstätten wird zunehmend digital,      oder Nistkästen an, die von Beginn an
die Wohneinrichtungen fast aller Trä-     die Arbeitsbereiche richten sich daran   sehr nachgefragt sind.
ger und bringen Arbeit mit.               aus. Der Fachbereich der Scanleistun-    Ausgelöst durch Corona wurden in
Die Begleitung von Teilnehmenden          gen wird mit der Digitalisierung von     den Werkstätten bisher über 30.000
der Umwelt-Werkstatt und die              Unterlagen zu einem modernen Tätig-      Mund-Nasen-Bedeckungen genäht.
Unterstützungsleistungen in der Er-       keitsfeld, welches für die Beschäftig-   Sie werden an Beschäftigte und Mit-
werbslosenberatung und des Inte-          ten ganz unterschiedliche Herausfor-     arbeitende ausgegeben, aber auch
grationsfachdienstes gelingen, weil       derungen bereithält.                     Kunden außerhalb der Diakonie neh-
auch vor Corona schon professionelle                                               men diese Leistung gern in Anspruch.
und damit tragfähige Beziehungen zu       Neue Angebote – neue
den Klientinnen und Klienten vorhan-      Erfahrungen                              Warum wir dankbar sind
den waren.
                                          Die Vernetzung im Geschäftsfeld ist      So „ganz nebenbei“ gelingt es, den
Digitalisierung – jetzt erst recht        ein gutes Stück vorangekommen.           (Teil)Neubau der Werkstatt in Dors-
                                          Ausgehend von individuellen Bedarfs-     ten und des Mehrzweckgebäudes
Auch ausgelöst durch Corona  ist          lagen entdecken wir Themen, die ge-      in Recklinghausen voran zu bringen.
deutlich, dass wir uns mitten in einem    meinsam bearbeitet werden.               Die Fahrdienste für die Beschäftig-
Transformationsprozess der Arbeits-                                                ten der Recklinghäuser Werkstätten
welt befinden. Unsere strategische        G.A.T. – Gesundheit. Arbeit.             werden ausgeschrieben, die Leis-
Ausrichtung, alle Angebote im Ge-         Teilhabe.                                tungsvereinbarung mit dem LWL zum
schäftsfeld dahingehend zu gestalten,                                              Arbeitsbereich der Werkstätten wird
dass digitale Möglichkeiten einzube-      Wir brauchen Lösungsansätze für          unterschrieben, das neue Durchfüh-
ziehen sind, trägt erste Früchte.         alle Fragen, die sich mit der gesund-    rungskonzept für den Berufsbildungs-
Wir wirken, teils federführend, an ver-   heitlichen Situation von Menschen        bereich anerkannt. Wir bewerben uns
schiedensten Projekten mit. Ziel ist      beschäftigen. Was ist möglich an         auf Ausschreibungen im Bereich Pro-
es, Arbeitsprozesse zu digitalisieren     Teilhabe an Arbeit, wenn es gesund-      duktion und Rehabilitation und Pro-
und das Thema Inklusion dabei immer       heitliche Schwierigkeiten gibt? Ge-      jekte. Vieles gelingt. Wir sind dankbar,
mitzudenken. Es entstehen digitale        meinsam mit anderen Akteuren am          dass die Menschen, die der Diakonie
Assistenz-Systeme, die direkt von Be-     Arbeitsmarkt bewerben wir uns auf        vertrauen, das auch in diesen Zeiten
schäftigten der Werkstätten getestet      eine Ausschreibung des Kreisjobcen-      getan haben. Und wir sind dankbar,
werden. Lern-und Beratungsprozesse        ters. Unser Konzept zielt darauf, be-    dass wir selbst solidarisch handeln
sollen ortsunabhängiger und barriere-     troffenen Menschen Hilfen aus einer      konnten und auch Solidarität erfahren
freier möglich werden.                    Hand anzubieten. Mit der Umsetzung       durften. hs

14
Geschäftsfeld Arbeit & Qualifizierung | Jahresbericht 2019/2020

Berufliche Teilhabe - ein Erfolgsmodell

Andy Kerber arbeitet dort, wo er sich wohlfühlt. Dabei kann er auf die Unterstützung durch die Diakonie zählen.
Andy Kerber, 25, ist einer, der es geschafft hat.        keiten bereit zu stellen, die genau dieses Ergebnis
Ganz persönlich, mit seinen Fähigkeiten und sei-         haben“, sagt er. „Wenn wir uns die UN Konvention
nen Vorstellungen von einem selbstbestimmten             der Rechte von Menschen mit Behinderungen auf
Leben.                                                   Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ansehen und
Andy Kerber hat eine Förderschule besucht. Gegen         hier so ein gelungenes Beispiel sehen, kann man nur
Ende war ihm klar, dass er seinen Arbeitsplatz auf       sagen, es funktioniert. Ich freue mich, wenn noch
dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden wollte. Das ist      mehr Arbeitgeber ihre Chancen in der Beschäftigung
gelungen. Mit der richtigen Unterstützung.               von Menschen wie Andy Kerber sehen würden.“
Bereits während der Schulzeit wurde er durch den
Integrationsfachdienst begleitet. Das ist so geblie-     „Ziel ist es, Menschen so zu begleiten, zu qualifi-
ben und war gut so.                                      zieren, zu unterstützen, dass sie, soweit es möglich
Heute arbeitet Andy Kerber in einem Metallverar-         ist, ihre eigenen Vorstellungen von Arbeit und Leben
beitenden Betrieb. Die Geschäftsführerin lobt seine      verwirklichen können“, sagt Heike Strototte, Ge-
Arbeit. Ausdrücklich weist sie darauf hin, dass der      schäftsfeldleiterin. „Dafür bieten wir als Diakonie im
junge Mann ein Gewinn für den ganzen Betrieb ist.        Kirchenkreis Recklinghausen viele Möglichkeiten
„Durch seine fröhliche und offene Art ist er bei allen   an. Gute Arbeitsplätze in den Recklinghäuser Werk-
Kollegen beliebt“, sagt sie.                             stätten, Vermittlung aus der Werkstatt heraus auf
                                                         den Arbeitsmarkt und auch, wie hier, die Begleitung
Michael Wedershoven, Leiter des LWL-Inklusions-          aus der Förderschule ins Arbeitsleben. Wir sind eine
amtes Arbeit, findet hier das, was er sich immer         gute Adresse für Menschen mit Handicap und für
wünscht. „Unsere Aufgabe ist es, Fördermöglich-          Arbeitgeber.“ mw

Geschäftsfeld Arbeit & Qualifizierung

• Recklinghäuser Werkstätten, 11 Standorte, 2.000 Arbeitsplätze für Menschen
  mit Behinderungen
• Berufsbildungsbereich
• Berufliche Integration
• Integrationsfachdienst
• Umwelt-Werkstatt, Beschäftigungsinitiative, Drei Standorte: Datteln, Herten, Recklinghausen
• Erwerbslosenberatung
www.diakonie-kreis-re.de

                                                                                                                  15
Jahresbericht 2019/2020 | Geschäftsfeld Arbeit & Qualifizierung

           Dattelner Pfote
           Für Mensch und Tier
           Liebevoll kümmern sich die Teilnehmenden des             Arbeit mit den Tieren zu unterstützen. Die „Dattel-
           Projekts „Dattelner Pfote“ um Kaninchen, Meer-           ner Pfote“ ist ein Arbeitsmarktprojekt der Umwelt-
           schweinchen und sogar Wachteln.                          Werkstatt Datteln in Kooperation mit den Jobcentern
                                                                    Datteln und Waltrop. jvg
           Füttern, streicheln, die Tiere sauber machen und
           auch mal die Ställe reparieren – das gehört zu den
           Aufgaben dazu. Und natürlich auch, sich Zeit für
           die Tiere zu nehmen. Dafür sind Markus Moryson           Die Arbeit ist wirklich auf den Kopf ge-
           und Jutta Falke (r.) oft direkt im Stall bei den klei-   stellt. Es hat sich alles rasant verändert.
           nen Schützlingen auf dem Gelände der Umwelt-             Ich plane und spreche mit ganz vielen
           Werkstatt Datteln. Die beiden Tierliebhaber gehören
           zu den aktuell 14 Teilnehmenden, die mithilfe der
                                                                    Menschen und Einrichtungen, informiere
           Dattelner Pfote einen Wiedereinstieg ins Berufsleben     alle. Es ist immer nur wenig Zeit, sich auf
           planen oder sich beruflich neu orientieren wollen.       Veränderungen einzustellen und allen
           „Unser Ziel ist es, den Teilnehmenden neue Pers-
                                                                    das mitzuteilen.
           pektiven aufzuzeigen und erste Schritte für weitere
           Qualifizierungen und Förderungen zu ermöglichen“,        Birgit Holtz, Leiterin
           sagt Kirstin Löchner, Fachanleiterin. Im Ladenlokal      Begleitender Dienst Recklinghäuser Werkstätten
           der Dattelner Pfote, Hohe Straße 8, geben die Teil-
           nehmenden außerdem Futterspenden an Menschen
           weiter, die ihr Haustier sonst nicht ernähren könnten.
           Oft sind die Haustiere der einzig verbliebene soziale    Informationen zur Dattelner Pfote:
           Kontakt für diese Menschen. Jeder Kunde kann hier        www.diakonie-kreis-re.de/arbeiten/
                                                                    umwelt-werkstatt/datteln/projekte/
           zudem Tierbedarf und Futter erwerben und so die

             Die Dattelner Pfote. Gut für Mensch und Tier.

16
Geschäftsfeld Arbeit & Qualifizierung | Jahresbericht 2019/2020

Teilhabe durch smarte Technik
Diakonie testet digitale Assistenzsysteme
In der Diakonie-Werkstatt in Waltrop unterstützt         das Wirtschaftsministerium NRW im Rahmen des
im Projekt RegHUB-S3 smarte Technik Men-                 Aufrufs „UMBAU 21 – SMART REGION“ fördert. Der
schen mit Beeinträchtigungen, anspruchsvolle             etwas kryptische Projektname steht dabei für „regi-
Arbeiten auszuführen und sie so fit für den ers-         onaler Hub Smart Social Solutions“, also „regiona-
ten Arbeitsmarkt zu machen.                              ler Knotenpunkt für intelligente soziale Lösungen“.
                                                         Beteiligt sind auch die Bergische Universität Wup-
Beamer, 3D-Drucker, und ein riesiger interaktiver        pertal, die den gesamten Prozess wissenschaftlich
Touchscreen – ein Bereich der Waltroper Werkstatt,       begleitet, und die GBB – Gesellschaft für Bildung
einer Einrichtung der Recklinghäuser Werkstätten für     und Beruf e. V., die das Projekt koordiniert. In einer
Menschen mit Behinderung, ist mit mehreren digita-       ersten Phase waren die Lern- und Assistenzsysteme
len Assistenz- und Trainingssystemen ausgerüstet.
Lucas Klink sitzt in dieser „Erprobungsecke“ an
einem der Systeme. „Bitte ein Teil entnehmen“, pro-
jiziert eine Apparatur über ihm auf die Arbeitsplatte.
Gleichzeitig markiert ein grüner Spot den richtigen
Behälter mit Einzelteilen. Lucas Klink greift hinein
und legt ein schwarzes Element in eine vor ihm
liegende Schablone. Sogleich beginnt eine kurze
Videosequenz, die ihm die folgenden Arbeitsschritte
erklärt. „Dieser Arbeitsplatz ist interaktiv“, erklärt
Abteilungsleiter Jörg Bäumer. „Eine Kamera erkennt,
ob der Arbeitsschritt vollzogen wurde, und reagiert
entsprechend.“ So sei es möglich, künftig auch Auf-
träge anzunehmen, die entweder sehr kleinteilig und
komplex sind oder eine engmaschige Qualitätskont-
rolle erfordern, wie etwa in der Automobilindustrie.
„Die Einarbeitung bei komplexeren Arbeiten kann
schon mal eine Woche pro Beschäftigtem dauern.
Und wenn es eine Unterbrechung, etwa durch an-
dere Aufträge, Urlaub oder Krankheit gibt, starten
wir wieder bei Null“, so Bäumer. Hier können solche
Assistenzsysteme eine große Hilfe sein.

Ein paar Meter weiter ist über einem weiteren Ar-
beitsplatz ein scheinbar handelsüblicher Beamer
verbaut, der ebenfalls Anweisungen auf die Arbeits-
fläche projiziert. Über zwei große Knöpfe aktiviert
die Beschäftigte Vanessa Kahlenberg die nächste
Erklärung oder kann einen Schritt zurückgehen.
„Hier fehlt die Kamera; die Beschäftigten müssen
selbst durch die Erklärungen navigieren“, so Bäu-
mer. Dafür kostet dieser Arbeitsplatz nur 8.000 statt
etwa 25.000 Euro.

„Intelligente soziale Lösungen“

Neben diesen beiden Systemen hat der Maschinen-
baumeister seit Sommer 2019 mit den Beschäftigten
der Werkstatt noch weitere smarte Hilfsmittel er-
probt: Virtual- und Augmented-Reality-Brillen, einen
3D-Drucker für den Bau von Arbeitshilfsmitteln oder
den großen Flatscreen-Bildschirm, der gedreht zu-
gleich als Arbeitsplatz dienen kann. Das Ganze ist
Teil von RegHUB-S3, eines von zwölf Projekten, die       Digitaler Arbeitsplatz in der Werkstatt-Waltrop.

                                                                                                                  17
Jahresbericht 2019/2020 | Geschäftsfeld Arbeit & Qualifizierung

           im Labor entwickelt worden, ehe sie in der zweiten       deshalb gerade mit den Erfahrungen aus dem Werk-
           Phase in die praktische Erprobung in die Waltroper       stattalltag unterwegs in anderen NRW-Werkstätten
           Werkstatt kamen.                                         sowie interessierten Betrieben. „Besonders die bei-
                                                                    den Beamer-Arbeitsplätze haben sich in unserem
           Nun sei die dritte und vorerst letzte Phase gestartet,   Alltag als praxistauglich erwiesen.“
           erklärt Julien Corzilius, Leiter der Waltroper Werk-
           statt. In dieser Transferphase sollen die am besten      Bis zum Projektende im April 2021 sollen die opti-
           geeigneten smarten Systeme auch für Außenarbeits-        mierten Anwendungen in Unternehmen ankommen.
           plätze zur Verfügung gestellt werden – Arbeitsplätze     Der Beschäftigte Lucas Klink ist jedenfalls begeistert
           außerhalb der Werkstatt in Unternehmen der freien        von der Technik. „Das ist eine wahnsinnige Erleich-
           Wirtschaft. „Ziel einer Werkstatt für Menschen mit       terung. Man lernt durch das System schneller, kann
           Behinderung ist immer die berufliche Rehabilitation,     Fehler vermeiden und so mithalten. Ich kann mir gut
           also die Integration in den ersten Arbeitsmarkt und      vorstellen, außerhalb der Werkstätten damit zu ar-
           damit die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“,         beiten.“ js
           erklärt Corzilius. Abteilungsleiter Jörg Bäumer ist

           Hilfe bei existentiellen Problemen
           Erwerbslosenberatung ist eine gute Adresse

           Mike Nebrovski* versteht die Welt nicht mehr –           besonders Arbeitnehmer aus dem europäischen
           seit zehn Monaten ist der Verpackungstechniker           Ausland.“
           ohne Arbeit, nun flattert ihm ein Schreiben vom
           Jobcenter ins Haus: Kürzung der Bezüge, die an-          Das Angebot der Beratungsstelle kann ohne Bera-
           gegebenen Gründe für ihn völlig unverständlich!          tungsschein in Anspruch genommen werden. Nur
                                                                    eine vorherige Terminvereinbarung sei notwendig.
           Der 46-Jährige möchte schnell reagieren. Unterstüt-      „Wir wollen unseren Klienten in Ruhe gerecht wer-
           zung findet er bei der Erwerbslosenberatung.             den und für sie das Bestmögliche erreichen“, betont
           „Ein ganz typischer Fall“, sagt Beraterin Andrea         Andrea Baegerau.
           Baegerau, „zumeist wenden sich die Menschen
           wegen existentieller Probleme an uns.“                   Durch die Corona-Krise hatte die Beratungsstelle
                                                                    auf rein telefonische Beratung umgestellt. Jetzt sind
           Für das Bestmögliche                                     auch wieder Termine „von Angesicht zu Angesicht“
                                                                    möglich. rv
           An zwei Standorten in Recklinghausen helfen drei         *Name von der Redaktion geändert.
           Sozialarbeiterinnen bei Schwierigkeiten am Arbeits-
           platz, beruflicher Orientierung und bei Fragen zu        Erwerbslosenberatungsstelle
           Fortbildung und Umschulung. Sie klären über An-
                                                                    Vereinbaren Sie einen Beratungstermin
           sprüche auf und helfen, diese wirksam geltend zu
                                                                    unter: 02361 93664-24.
           machen, unterstützen dabei, Anträge korrekt auszu-
           füllen und gegebenenfalls Widersprüche zu formulie-      Unsere Beratungszeiten:
           ren. „Zu uns kommen nicht nur Erwerbslose“, erklärt      Montag - Donnerstag: 08:30 - 12:00 Uhr und
           Andrea Baegerau, „wir beraten auch Menschen, de-         13:00 - 16:00 Uhr, Freitag: 08:30 - 12:30 Uhr
           ren Verdienst nicht reicht, um sich oder die Familien    Erwerbslosenberatung Recklinghausen Innenstadt
           zu versorgen.“                                           Kaiserwall 19,
                                                                    45657 Recklinghausen
           Der Lage von Menschen in sogenannten prekären            Tel. 02361 93664-24
           Beschäftigungsverhältnissen will sich die Bera-          Erwerbslosenberatung Recklinghausen Süd
           tungsstelle in Zukunft verstärkt annehmen, so die        Sauerbruchstr. 7,
           Sozialarbeiterin. Leih- und Zeitarbeit, befristete Be-   45661 Recklinghausen
           schäftigung, kaum Arbeitnehmerschutz und wenig           Tel. 02361 996507
           berufliche Perspektiven: „Betroffen sind

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Geschäftsfeld Arbeit & Qualifizierung | Jahresbericht 2019/2020

 Andrea Baegerau ist Ansprechpartnerin
 für Menschen, die manchmal die Welt
 nicht mehr verstehen.

Die überwiegende Mehrzahl unserer Klienten ist
ökonomisch schlecht versorgt. Wer mit ALG II (Hartz
IV) oder wenig ALG I (Arbeitslosengeld) in kleinen
Wohnungen oder in Flüchtlingsunterkünften oder
Wohnheimen für Saisonarbeiter lebt, hat weniger
Möglichkeiten, die Einschränkungen durch die
Pandemie zu kompensieren. Soziale und finanzielle
Spannungen haben sich unter den Auswirkungen
der Pandemie gerade bei unserer Klientel sehr
verschärft.
Andrea Baegerau, Erwerbslosenberatung

                                                                                                     19
Jahresbericht 2019/2020 | Geschäftsfeld Gesundheit & Pflege

Corona. Gesundheit und Pflege im Fokus
Die Menschen in der ambulanten                                                      Erkenntnis, dass dann in diesen Berei-
und stationären Pflege sind von                                                     chen auch gute Arbeitsbedingungen,
der Pandemie besonders betroffen.                                                   gesellschaftliche Anerkennung sowie
Patient*innen und Bewohner*innen                                                    eine angemessene Bezahlung not-
gehören zur Risikogruppe ebenso                                                     wendig sind.
wie Mitarbeiter*innen.
                                                                                    Sicher auch die Erkenntnis, dass
Schon im März war zu spüren: Covid                                                  Menschen, besonders alte Menschen,
19 stellt den Bereich der Pflegean-                                                 auf Nähe und Beziehungen angewie-
gebote vor nie geahnte Herausforde-                                                 sen sind. Das gilt es verantwortlich
rungen. Die Unsicherheit von Politik                                                abzuwägen. Nicht über die Menschen
und Wissenschaft fand nicht selten                                                  hinweg, sondern gemeinsam mit ih-
ihren Ausdruck in schnellen Corona-                                                 nen.
Schutzverordnungen. Diese umzu-
setzen war für alle Einrichtungen eine                                              Menschen engagieren sich. In ihrem
große Herausforderung.                                                              Beruf und in der Gesellschaft. Das
                                                                                    haben wir erlebt und darauf sind wir
Fehlende Schutzkleidung und                                                         stolz. Ganz besonders in unserem
Ängste                                   Jörg Klomann, Geschäftsfeldleiter          Diakonischen Werk, wo wir die Erfah-
                                         Gesundheit & Pflege                        rung gemacht haben, dass Vertrauen
Besonders am Anfang der Pandemie,                                                   und Verlässlichkeit sowie gemeinsa-
als fehlende Schutzkleidung die Um-                                                 mes Handeln auch in der Krise ein
setzung der empfohlenen Maßnahmen        arbeiten, auch ohne die mediale Auf-       gutes Fundament sind. jk
schwer machte. Desinfektionsmittel,      merksamkeit und die Beifälle von den
Mund-Nase-Bedeckungen waren              Balkonen getan, weil es ihr Berufsver-
über viele Wochen Mangelware. Viel       ständnis ist. Sie verlangen aber, dass
Energie musste aufgewandt und die        Arbeitsbedingungen verbessert wer-
ungewöhnlichsten Quellen mussten         den, sei es die Personalausstattung
gefunden werden, um die Engpässe         als auch finanziell. Diese Forderung
zu überwinden. Das Team des Wirt-        steht, auch wenn die Pandemie noch
schaftsbetriebs hat hier Großartiges     nicht vorüber ist.
geleistet. Bewohner*innen, Mitarbei-
tende und Angehörige hatten Ängste,      Schutz vs. Teilhabe
weil sie nicht wussten, wie man unter
„Corona-Bedingungen“ sicher mitein-      Die Strategie von Politik war es, die
ander umgeht.                            Schutzbedürftigsten in Pflegeeinrich-
                                         tungen zu schützen. Die Türen wurden       Das Geschäftsfeld
Mitarbeitende – engagiert in             für Besucher geschlossen. Im am-           Gesundheit & Pflege
der Krise                                bulanten Bereich wurden zahlreiche
                                         Einsätze aus Sorge der Patient*innen       • Drei Altenwohn- und Pflegeheime:
Ich bin stolz auf unsere Mitarbeiter*-   und Angehörigen abgesagt. Schnell            Matthias-Claudius-Zentrum
innen in allen Einrichtungen, ambulant   war klar, dass Schutz nicht alles sein       (Oer-Erkenschwick), Haus Abend-
                                                                                      sonne (Recklinghausen), Theodor-
und stationär und aus allen Berufen.     kann, sondern Teilhabe und Normali-
                                                                                      Fliedner-Haus (Herten)
Knapp 450 Mitarbeiter*innen haben        tät wieder Einzug halten müssen. Über
mit ihrem krisenfesten und professi-     Besuchsfenster und Besuchsbereiche         • Vier Diakoniestationen – Ambulante
onellen Handeln dazu beigetragen,        ermöglichten wir Angehörigenkontakt          Pflege: Datteln, Oer-Erkenschwick,
dass unsere Einrichtungen bisher         und in den Diakoniestationen wurden          Herten, Marl
der Pandemie so erfolgreich ge-          die Klient*innen intensiver beraten, um    • Wohnen am Elper Weg
trotzt haben. Die Verantwortlichen       Ängste zu nehmen.                            (Wohnangebot für demenziell
für die einzelnen Bereiche haben                                                      Erkrankte)
die ständig wechselnden Vorgaben         Bleibt etwas?
                                                                                    • Wohnberatung
schnellstmöglich umgesetzt und den
Mitarbeiter*innen vor Ort die Hand-      Sicher die Erkenntnis, wie wichtig ein     • Wohnen mit Service
lungssicherheit gegeben.                 funktionierendes Gesundheitswesen          • www.diakonie-kreis-re.de
Dies alles hätten die Menschen, die      und eine engagierte Altenhilfe für die     www.diakonie-kreis-re.de
im Bereich Gesundheit und Pflege         Gesellschaft sind. Zu hoffen ist auf die

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