Strom Linie - Oesterreichs Energie
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Strom Linie Das Magazin zur Energiewende #4/2021 DER KLIMA EFFEKTDie Auswirkungen der ökosozialen Steuerreform auf die Energiewirtschaft Stromgroßhandel Energie Leuchtturmprojekt Wann mit Entspannung im gemeinschaften Wie die Weinviertelleitung beispiellosen Preisanstieg Wie sich die Branche auf die Stromversorgung der zu rechnen ist den Kraftakt vorbereitet Zukunft sichert
Editorial Von Preisen, die steuern 2022 D ie weltweiten Energiepreise erleben derzeit einen beispiellosen Höhenflug – durch das starke Wirtschaftswachstum und die steigende Nachfrage haben sich die globalen Gaspreise gegen- über dem Vorjahr versechsfacht. Diese Preiserhöhung wirkt sich auch auf die Großhandelspreise bei Strom aus – sie haben sich im selben Zeitraum fast verdoppelt. Auch wenn die Strompreise für Endverbrau- cher in der Vergangenheit über lange Phasen stabil waren – langfristig wird es sich kaum verhindern lassen, dass derart massive Preisver- schiebungen ihren Weg auch auf die Rechnung der Kunden finden. Hybrid Edition | 17. − 19. Januar 2022, bcc Berlin Für den Ausbau der Erneuerbaren sind das aber keine schlechten Plus: Digital Energy Days | 20.– 21. Januar 2022 Nachrichten. Hohe Strompreise senken den kurzfristigen Förderbe- darf deutlich und liefern ein wichtiges Marktsignal für einen schnel- len Ausbau der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten. Diese Erneuer- baren-Ausbau-Projekte sind es auch, die es uns ermöglichen, unsere Abhängigkeit von globalen Energiemärkten nachhaltig zu verringern. Längerfristig sind aber zielgerichtete Förderungen wichtig wie eh und je – in einem immer volatileren Marktumfeld bieten sie die Investitionssicherheit, die es für die Realisierung großer Infrastruk- turprojekte braucht. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Paket wurde Mitte des Jahres nun das Gesetz beschlossen, für das wir jahrelang gekämpft haben. Es bietet gute Rahmenbedingungen für den Wettlauf um neue Energien bevorstehenden Ausbauwettlauf. In der Energiewirtschaft herrscht Aufbruchstimmung: Es geht um nichts weniger Für die E-Wirtschaft hat es daher oberste Priorität, dass dieses als den Umbau der Energiewirtschaft in eine erneuerbare und digitale Industrie. Gesetzespaket nun rasch die Notifizierung durch die EU-Kommission Wie die Transformation gelingen kann ohne die Versorgungssicherheit und durchläuft und dann umgehend in Kraft tritt. Gleichzeitig wäre es Wirtschaftlichkeit zu gefährden, diskutieren wir mit den entscheidenden Akteuren höchste Zeit, auch abseits des Förderregimes für die richtigen Rah- aus Energiewirtschaft, Politik, Industrie und Start-up. menbedingungen zu sorgen: Wir brauchen ausreichend geeignete Flächen, auf denen erneuerbare Kraftwerke errichtet werden können. Wir brauchen zügige und berechenbare Genehmigungsverfahren, damit wir unsere Projekte in den wenigen verbleibenden Jahren auch planen und umsetzen können – und wir brauchen den Rückhalt von Politik, Verwaltung und Bevölkerung bei der Umsetzung der Projekte. Wir werden uns also wohl auch im Jahr 2022 nicht langweilen. Vielen Dank an alle, die uns bei unserer Arbeit unterstützen! Leonhard Birnbaum Dr. Martin Brudermüller Markus Krebber Dr. Amy Ruddock Wir wünschen erholsame Feiertage und CEO, E.ON CEO, BASF CEO, RWE VP Europe, Carbon Engineering einen guten Start ins neue Jahr! Jetzt informieren: handelsblatt-energiegipfel.de Barbara Schmidt Generalsekretärin IMPRESSUM. Medieninhaber: Oesterreichs E-Wirtschaft, Brahmsplatz 3, 1040 Wien, presse@oesterreichsenergie.at Herausgeber: Christian Zwittnig Redaktion: Klaus Fischer, Bernhard Fragner, Melanie Krenn, Rudolf Loidl (Chefredakteur), Daniela Purer, Ingrid Wunderlich Grafisches Konzept und Design: buero8 Anzeigen: JU.connects, ju@juconnects.com Erscheinungsweise: 4-mal jährlich Druck: Ferdinand Berger & Söhne, Horn StromLinie 04/2021 3
Strom Inhalt 04/2021 Linie 28 6 WAS SEH‘ ICH DA? MOMENTAUFNAHME 8 BRIEFING News und Fakten aus der Energie- wirtschaft. 12 GRAPHEN DES MONATS 14 COVERSTORY: PERFECT MATCH? Ökosoziale Steuerreform und die Energiewirtschaft: Ein Einord- 34 INTERVIEW nungsversuch. Michael Marketz, der Vorsitzende des Ausschusses „Forschung und 22 WARUM IST DAS SO? Innovation“ von Oesterreichs 36 Energie, spricht über dessen 24 ENERGIEGEMEINSCHAFTEN bisherige Tätigkeit und die Seit Oktober sind die Erneuerbaren- Perspektiven für die Zukunft. Energie-Gemeinschaften umsetzbar. 36 DIE STROMMACHERINNEN 28 LEUCHTTÜRME Sie sorgen dafür, dass in Österreich DER ENERGIEWENDE die Lichter nicht ausgehen. Die Weinviertelleitung wird Eine Strommacherin und ein im Sommer 2022 in Betrieb Strommacher im Portrait. genommen, um die Netzversorgung Die Strommacherin fit zu machen. 30 „NETZRESERVE NEU“ 38 WIE HABEN SIE DAS GEMACHT? Ein Grazer Start-up produziert Sonja Lucchi ist bei der Salzburg Netz GmbH Solaranlagen mit Speicher, die Trotz des großen Zeitdrucks vom Nutzer selbst installiert unter anderem auch in das Programm wurde die erste Ausschreibung zur werden können. Chancengleichheit eingebunden und „Netzreserve neu“ gut bewältigt. für Genderthemen zuständig. 42 SAVE THE DATE! Die Veranstaltungsübersicht von Oesterreichs Energie Akademie. 38 48 EVENT-REPORTER 1001 Volt mit Daniela Purer. 50 FRAGE DES MONATS Welche Rolle spielt Gas in Transformatoren? 43 DOSSIER I: 46 DOSSIER II: Dossiers STUDIE ZUR MITTEL STUDIE ZUR MITTEL SPANNUNGS-GLEICHSTROM SPANNUNGS-GLEICHSTROM ÜBERTRAGUNG I ÜBERTRAGUNG II XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX Was in Mittelspannungsnetzen Im zweiten Teil der Studie alles möglich wäre, zeigte befassten sich Experten mit ein Forschungsprojekt von Konverter-Technologien. Oesterreichs Energie. 4 StromLinie 04/2021 StromLinie 04/2021 5
Momentaufnahme Was seh’ ich da? Atomkraftwerk Zwentendorf, am 22. Oktober 2021 Eine Polizeihundeführerin trainiert einen Welpen, der in Zukunft die Hundestaffel der Polizei Wien verstärken soll. Die Polizeidiensthundeeinheit der Hauptstadt nutzt das anspruchsvolle Gelände, das von der EVN betrieben wird, immer wieder für die Ausbildung ihrer Vierbeiner. Neben Geländetrainings und Führungen in die Atomvergangenheit der 70er-Jahre finden in Zwentendorf auch Atomkraft-Rück- bau-Übungen internationaler Experten statt. Zumindest aus Frankreich dürften in Zukunft wenige Anfragen kommen: Denn just in den Tagen, in denen dieses Foto entstand, kündigte der französische Ministerpräsident Macron an, die Atomkraft im XXXXXXXXXXX Lande auszubauen. Es werden also nicht nur keine Atomkraftwerke rückgebaut – sondern bis 2030 sollen neue Reaktoren im Land entstehen. 6 7
Briefing Energiepolitik Briefing news+fakten „Blumige“ PV-Anlage Seien wir uns ehrlich – Photovoltaikanlagen sind alles andere als hübsch anzuschauen. Die PV- Anlage des amerikani- Anzahl der Wasserstofftankstellen in Europa schen Unternehmens Smartflower Solar nimmt sich daher sowohl von der Funktion als auch von der 137 124 Optik her die Sonnen- blume zum Vorbild. Sie richtet sich im 90-Grad- Winkel der Sonne entge- gen. Von morgens bis 47 47 abends. 0 42 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Mehr Wasserstofftankstellen braucht das Land Verbesserung um rund 230 Prozent: Im Jahr 2019 ist ein deutli- cher Anstieg an Wasserstofftankstellen in Europa zu verzeichnen. LH Hermann Schützenhöfer und LH Stv. Anton Lang Waren es im Jahr 2018 noch 47, konnten im Jahr 2019 europaweit mit dem Energie Steiermark-Vorstandsduo Christian Purrer schon 137 Tankstellen für Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb Aus Abfall wird Wasserstoff und Martin Graf (v. l.) gezählt werden. Jedoch nahm die Anzahl zum Jahr 2020 wieder um 13 Tankstellen ab. Die Gesamtzahl bleibt im Vergleich mit Das 2020 gegründete Unternehmen Green Hydrogen Landeswappen allen Tankstellen gering. (Quelle: Statista) Technology hat ein neuartiges Verfahren entwickelt, Aufsichtsratspräsident Reinhard Schretter, für Energie Steiermark um aus Abfallstoffen wie Klärschlamm und Plastikmüll Landeshauptmann Günther Platter, Bundeskanzler BEIGESTELLT, ADOBE STOCK, ENERGIE STEIERMARK, GREEN HYDROGEN TECHNOLOGY, SMARTFLOWER SOLAR GMBH, TIWAG/VANDORY, VERBUND „Ein Blick in den Rückspiegel ist wichtig, aber wir grünen Wasserstoff herzustellen. Alexander Schallenberg und Vorstandsvorsitzender müssen nach vorne schauen, uns dem Klimawandel Erich Entstrasser (v. l.) stellen und rasch nachhaltige Zukunftsprojekte Nach Abschluss der Entwicklungsphase erprobt Green Hydrogen umsetzen“, meinte das Vorstandsduo Christian Pur- Technology die Technologie jetzt in der Praxis: Im November begann Hoher Besuch rer und Martin Graf beim Festakt „100 Jahre Ener- der Bau der entsprechenden Versuchsanlage. Ende 2022 soll der Ver- suchsbetrieb abgeschlossen sein. Als „grün“ wird Wasserstoff bezeich- bei Blackout-Übung gie Steiermark“ in der Alten Universität Graz. Zustimmung für ein „Mehr“ an Nachhaltigkeit und net, der ohne Einsatz fossiler Energieträger klimaneutral gewonnen Die in mehreren Bundesländern stattfin- Rückenwind für den Ausbau grüner Erzeugung gab wird. Ziel der Unternehmensgründer ist es, das Herstellungsverfahren dende Blackout-Übung „Energie 21“ hatte in es von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, nach der jetzt anstehenden Erprobungsphase an Kommunen und Tirol ihren Schwerpunkt am Patscherkofel der das Leitunternehmen mit dem steirischen Lan- Industriebetriebe zu vermarkten. bei Innsbruck. Das Krisen- und Katastro- deswappen auszeichnete. phenmanagement des Landes Tirol, TINETZ, Bundesheer und zahlreiche weitere Einsatz- kräfte übten dort das Szenario eines groß- Ansage des Monats flächigen Stromausfalls. Unter anderem wurden Bergeübungen von Personen aus der Patscherkofelbahn durchgeführt sowie „Mit dem Bau der Karl Leisch, FWG Pöchlarn; Martin Wagner, VERBUND; Alfred Bergner, FWG Pöchlarn; Roland Lausch, SMATRICS; Notfalls-Infrastruktur (etwa Ersatzgestänge) österreichweit ersten Stephan Pernkopf, LH-Stellvertreter Franz Heisler, Bürgermeister Pöchlarn (v. l.) der TINETZ errichtet. Im Anschluss besuchte Bundeskanzler Alexander Schallenberg, der außerbetrieblichen ebenfalls bei der Übung anwesend war, Produktionsanlage für Grüner „E-Meilenstein“ gemeinsam mit Landeshauptmann Günther Platter, Aufsichtsratsvorsitzendem Reinhard grünen Wasserstoff in Niederösterreich Schretter und Vorstandsvorsitzendem Erich Entstrasser das TIWAG-Kraftwerk Silz. Dort setzen wir europaweit ein Nur ein Jahr nach dem Spatenstich setzt die Fernwärme Genos- senschaft Pöchlarn dank Unterstützung von VERBUND mit dem wurde er von Betriebsleiter Robert Neuner deutliches Signal in neuen E-Mobility-Zentrum in Pöchlarn kraftvolle Signale für nach- über die Schwarzstartfähigkeit des Kraft- haltige Mobilität und Netzsicherheit. Vier Hochleistungsladestati- Das Team von Green Hydrogen Technology*: Neuartiges Verfahren werks und dessen Bedeutung für den Netz- Sachen Energiewende.“ onen für Elektroautos in Kombination mit einem Batteriespeicher, für grünen Wasserstoff wiederaufbau Tirols informiert und zeigte einer PV-Anlage und einer Lounge für komfortable Energiepausen CHRISTIAN PURRER UND MARTIN GRAF *Alfred Edlinger, CTO; Jean Wiech, CFO; leitender Ingenieur Daniel Buchholz; Verfahrensingenieurin sich vom demonstrativen Maschinenstart machen den Standort der Nibelungenstadt Pöchlarn zum innova- Nadja Romdhane; Benedict Barth, Managing Director; 2nd Project Manager Wolfgang Baumann Energie Steiermark-Vorstandsduo und Harald Mayer, CEO (v. l.) der Anlage beeindruckt. tivsten E-Mobility-Ladepark in Niederösterreich. 8 StromLinie 04/2021 StromLinie 04/2021 9
Briefing Zahl des Monats Im Rahmen des Green Deal hat sich die EU das Ziel von 1.000.000 öffentlichen Ladepunkten bis 2025 gesetzt. Ende 2020 waren laut EAFO (European Alternative Fuels Observatory) in den EU 27 rund 226.000 öffentliche Ladepunkte verfügbar. 100 Millionen für die Versorgungssicherheit Im Rahmen des Projekts „Netzentwicklung – Mission 2030“ investiert die illwerke vkw in Netzausbau und Digitalisierung. Finanzvorstand Andreas Kolar, Generaldirektor Werner Steinecker, Technikvorstand Stefan Stallinger (v. l.) PERSONALIA EVN-Vorstandssprecher Stefan Szyszkowitz, Abge- ordneter zum Nationalrat und Bürgermeister von „Steyr-Baby“ schärft Bewusstsein für E-Mobilität Mödling Hans Stefan Hintner und EVN Wärme- Geschäftsführer Alfred Freunschlag (v. l.) 60 Jahre Mit einem innovativen Kooperati- MAN-Ausbildungszentrums. „Mit Fernwärme Mödling onsprojekt haben Anfang 2018 die MAN Truck & Bus Österreich der Restaurierung und dem Umbau des Steyr-Babys auf Elektro wird die Ute Teufelberger Seit August 2021 ist die ehe- Mit dem Bau des Fernheizkraftwerkes Mödling GesmbH (jetzt: Steyr Automotive Klammer zwischen Tradition und malige BEÖ-Vorsitzende Ute wurde im Jahre 1961 der Grundstein für das GmbH), die HTL Steyr und die Ener- Moderne hergestellt. In einer legen- Teufelberger kaufmännische „Naturwärmenetz Thermenregion“ gelegt – gie AG beschlossen, das Fahrgestell dären Karosserie schlägt ein neues Geschäftsführerin der E-VO mittlerweile das größte überregionale Natur- und die Karosserie eines Oldtimer- Herz. Dass dies in Kooperation mit eMobility GmbH, einer Koope- rationsplattform von sieben wärmenetz Österreichs mit 150 Kilometer Lei- PKWs Type Steyr 55, liebevoll der HTL Steyr durchgeführt wurde, Energieversorgern im Bereich tungen, das 11 Gemeinden umfasst und nachhal- „Steyr-Baby“ genannt, zu restaurie- hat einen weiteren Symbolcharak- der E-Mobilität. BEIGESTELLT, ADOBE STOCK, ENERGIE AG OBERÖSTERREICH, EVN SEEBACHER, ILLWERKE VKW tige Naturwärme für 30.000 Haushalte in der ren und zeitgemäß mit einem ter. Wir wollen damit das Bewusst- Breite Zusammenarbeit: Experten aus Wissenschaft und Praxis im gemeinsamen Projekt* Region liefert. 2006 wurden dann mit der umweltfreundlichen Elektro-Motor sein für die E-Mobilität weiter schär- Karin Strobl Errichtung des Biomasseheizkraftwerks Mödling auszustatten. Das so entstandene fen und zugleich den Fachkräften Seit 15. November leitet Karin Die illwerke vkw Stiftungsprofessur für Energieeffizienz am For- endgültig die Weichen in Richtung Energiezu- E-Baby läuft somit emissions- und von morgen die Möglichkeit bieten, Strobl die neue Stabsstelle schungszentrum Energie der FH Vorarlberg führte die wissenschaftli- kunft gestellt. Es ersetzt das alte Fernheizwerk geräuschfrei. Die Restaurierung des Praxiserfahrungen zu sammeln und Communications & Public Affairs bei Salzburg AG. Die che Begleitung zum Projekt „Netzentwicklung – Mission 2030“ durch. und kann alleine rund 10.000 Haushalte mit Fahrzeuges erfolgte in akribischer sich dabei zu beweisen“, sagt gebürtige Salzburgerin war „Die Aufgabe der FH Vorarlberg war es, durch die Simulation unter- Naturwärme und Naturstrom versorgen. Arbeit durch die Lehrwerkstätte des Generaldirektor Werner Steinecker. knapp 20 Jahre als Journalistin schiedlicher Ausbaupfade für Photovoltaik und Elektromobilität deren tätig, zuletzt als Kommunikati- wahrscheinliche Auswirkungen auf die Niederspannungsnetze zu onsberaterin. untersuchen“, so Stiftungsprofessor Markus Preißinger. Die eigens dafür entwickelte Simulation erlaubt es, automatisiert den Netzzu- Hätten Sie‘s gewusst? Erneuerbare auf Überholspur Christian Rakos stand von 80 Prozent der Vorarlberger Ortsnetzstationen unter unter- Im Jahre 1900 betrug In der EU wurde im vergangenen Jahr erstmals mehr Strom mit erneuerbaren Der Vorstand der World der Anteil an elektrisch Bioenergy Association hat schiedlichen Bedingungen zu berechnen. Durch den hohen Automati- Energien erzeugt als mit fossilen Brennstoffen wie Kohle und Gas. Nach einem von Christian Rakos (62) das Ver- betriebenen Fahrzeugen sierungsgrad war es dem Projektteam möglich, eine Vielzahl an Sze- weltweit 38 Prozent. der EU-Kommission veröffentlichten Bericht lag der Anteil von Windkraft & Co. an trauen für weitere zwei Jahre narien bis 2030 zu untersuchen und gemeinsam mögliche Strategien Insgesamt 34.000 Stück der Stromerzeugung im Jahr 2020 bei 38 Prozent. Fossile Energieträger kamen als Präsident des Weltverban- für die zukünftige Netzinfrastruktur abzuleiten. waren damals auf den hingegen nur noch auf 37 Prozent, Atomkraftwerke auf 25 Prozent. Hoch blieb des ausgesprochen. Rund 260 Mitglieder aus über 50 Län- Straßen unterwegs. allerdings die Abhängigkeit von Energieexporten aus Drittstaaten. Die Treibhaus- dern gehören dem Weltver- gasemissionen konnten um rund 31 Prozent unter den Wert von 1990 gedrückt *Christof Germann, Finanz- und Personalvorstand, illwerke vkw; Wolfgang Mauch, Geschäftsführer, Vor allem in den USA Forschungsstelle für Energiewirtschaft; Markus Preißinger, illwerke vkw Stiftungsprofessor; Johannes band an. Türtscher, Geschäftsführer, Vorarlberger Energienetze GmbH; Frank Herb, Projektleiter, vorarlberg netz; erfreuten sie sich werden. Einen signifikanten Einfluss darauf hatte die Coronapandemie, die die Thomas Hilbe, Projektleiter, vorarlberg netz; Christoph Pellinger, Geschäftsführer, Forschungsstelle großer Beliebtheit. für Energiewirtschaft (v. l.) Wirtschaftsaktivitäten und damit auch den Stromverbrauch einbrechen ließ. 10 StromLinie 04/2021 StromLinie 04/2021 11
Graphen des Monats 148 149 Jän. 09 Dez. 21 Großhandelspreise für Strom steigen 140 Seit Jahresbeginn steigen die Großhandelspreise + 8,9 % gegenüber für Strom. Nach dem Tiefststand im November 2016 Nov. 21 120 haben sie im Dezember 2021 ein neues Allzeithoch erreicht. + 83,7 % gegenüber Dez. 20 100 80 60 Entwicklung des ÖSPI (Österreichischer Strompreisindex) Alle hier gezeigten Graphiken finden Sie Index: 2006 = 100, Quelle: Österreichische Energieagentur (AEA) 49 in der im Auftrag von Oesterreichs Energie von der Österreichischen Energieagentur (AEA) 40 Nov. 16 erstellten Kurzanalyse „Preisentwicklung im Stromgroßhandel und wesentliche Einflussfaktoren“. Die Studie ist in der Publikationsdatenbank abrufbar: bit.ly/32ocHOY 20 2003 2005 2007 2009 2011 2015 2017 2019 2021 Gas als zentraler Treiber Haushaltsstrompreise stabil Stromkosten aus Sicht der Endkunden Der Grund für diese Entwicklung sind Preissteigerungen in Die meisten Strom-Endkunden erreichen diese enormen Bei den Endkunden wirken sich steigende Energiekosten nur auf ein Drittel der Stromrechnung aus – die Netzkosten verschiedenen Bereichen: Gestiegene CO2-Preise haben Schwankungen stark gedämpft und zeitlich verzögert. sowie die Steuern und Abgaben, die die übrigen zwei Drittel ausmachen, bleiben davon unberührt. Insgesamt gibt einen Beitrag dazu geleistet - zentraler Treiber dieser Ent- Durch langfristige Beschaffungsstrategien können Schwan- ein durchschnittlicher österreichischer Haushalt nur rund 2 Prozent seines verfügbaren Einkommens für Strom aus – wicklung ist jedoch der enorme Preisanstieg bei Erdgas. kungen an den Großhandelsmärkten abgefangen werden. und damit weniger als für Alkohol und Tabak. Angaben in Prozent, Quelle: E-Control, Statistik Austria, eigene Darstellung EUR/MWh, Quelle: Berechnungen der Österreichischen Energieagentur Cent/kWh, Quelle: Internationale Energieagentur, Darstellung von AEA Stromerzeugungskosten Gaskraftwerk Entwicklung des Strombruttopreises Zusammensetzung des Strompreises Wofür geben Haushalte Geld aus? Sonstige Großhandels- 9,8 % 350 preisrallye vor Wohnen, 25 Gesundheit Finanzkrise Ausstattung Haushalt Umsatzsteuer 4,4 % 27,6 % 300 Liberalisierung Industrie 16,7 % Bekleidung, Netzkosten Anteil Erdgaskosten 20 25,2 % Schuhe 250 Anteil CO2-Kosten 4% Ölkrise und steigende Erzeugungskosten Gaskraftwerk (45 %) Brennstoffkosten Großhandels- 200 15 preisverfall nach Lehmann-Pleite Freizeit, Sport, Gas, Kommunikation, Fernwärme, 150 Ökostromsteuer Brennstoffe 10 12,3 % Bildung 16,1 % 2,2 % 100 Strom 2% Elektrizitätsabgabe 5 Alkohol, 50 6,5 % Tabak Verkehr Energiekosten 2,4 % 10,9 % Gebrauchsabgabe Café, 0 0 35,7 % 3,6 % Restaurant Benzin, Essen, Diesel Jän 20 Apr 20 Jul 20 Okt 20 Jän 21 Apr 21 Jul 21 Okt 21 1979 1984 1989 1994 1999 2004 2009 2014 2019 6,1 % Getränke 2,7 % 11,8 % 12 StromLinie 04/2021 StromLinie 04/2021 13
Energiepolitik Ein perfektes Match? Ökosoziale Steuerreform und M it 2022 tritt die ökosoziale Steuerreform in Kraft. die Energiewirtschaft Doch wie wird sie sich auf die Energiewirtschaft auswirken? Kann die Energiewirtschaft „Mit der CO2-Bepreisung wurden die an sie gestellten Herausforderungen bewälti zwei Forderungen der E-Wirtschaft gen? Müssen neue Vereinbarungen zur Energie Die ökosoziale Steuerreform steht. Ihre Auswirkungen effizienz überlegt werden? Und: Was wäre abseits erfüllt: Künftig sind alle Sektoren auf die Energiewirtschaft sind umfassend, komplex und nicht der CO2 -Bepreisung wichtig, um die Energie erfasst und Erlöse werden für ADOBE STOCK, BEIGESTELLT wende zu schaffen? Wir haben Ökonomen und immer leicht einzuordnen. Wir versuchen es trotzdem. Brancheninsider nach ihrer Einschätzung zu den notwendige Entlastungen verwendet.“ wichtigsten Punkten der Reform gefragt. Michael Strugl, Oesterreichs Energie 14 StromLinie 04/2021 StromLinie 04/2021 15
Energiepolitik Energiepolitik 1 CO2-Bepreisung Der Kernpunkt der ökosozialen Steuerreform. Doch ist der Preis auch so gestaltet, dass er die Energiewende vorantreibt? 2 Infrastruktur Die Energiewende ist eine gigantische Infrastruktur herausforderung. Wo hilft die ökosoziale Steuerreform dabei, wo gibt es Verbesserungsbedarf? Dass mit dem System all- mählich steigender Preise ein wende möglich machen sol- Zugang gewählt wurde, der le. Dass das ohne massive den CO2 -Verbrauch beim Unterstützung nicht gehen Wohnen und Verkehr auf werde, sei klar: „Das sind eine vorhersehbare Weise enorme Investitionen, zu de- verteuern will, sehen auch ren Realisierung steuerliche viele Ökonomen positiv. So Unterstützung erforderlich findet etwa Friedrich See- ist. Es muss jedenfalls dazu feldt, Direktor des Wirt- „Die CO2-Bepreisung beigetragen werden, dass die U F m diese Zahl wurde lange ge- schaftsforschungsinstituts Prognos: ür die österreichische Energiewirt- Energieunternehmen die dafür not- rungen: 30. Kein Wunder, sie ist „Preisschwankungen stressen Unter- wird nicht mehr schaft bedeutet die Energiewende wendige Liquidität haben“, sagt er. der zentrale Punkt der ökosozia- nehmen und Bürger. Insofern ist es rückgängig zu machen die Notwendigkeit von massiven Auf den hohen Investitionsbedarf len Steuerreform. Mit 30 Euro soll ab richtig, zu starke Preisschwankungen Investitionen. In diesem Zusammen- weist auch Angela Köppl vom Wifo hin: 2022 die Tonne CO2 in all jenen Berei- abzufedern.“ sein. Bis Ende 2025 hang beurteilt die Energiewirtschaft „Das betrifft nicht nur die Netze selbst, „Der Investitions chen bepreist werden, die nicht ohne- Auch Margit Schratzenstaller, Steu- wird es steigende Fix- die ökosoziale Steuerreform und die sondern auch die Speichertechnologien, bedarf betrifft nicht hin vom europäischen Emissionshandel erexpertin am österreichischen Wifo, Maßnahmen rund um diese Reform die thermische Sanierung von Gebäu- erfasst sind. Ob dieses Niveau ausrei- findet den Zugang, den CO2 -Preis von preise geben und dann zwar mehrheitlich positiv, in einigen den, den Umstieg auf nicht-fossile Ener- nur die Netze selbst, chend oder ganz im Gegenteil viel zu Jahr zu Jahr ansteigen zu lassen, sinn- den Übergang Bereichen sieht sie aber auch durchaus giebereitstellung für bestehende Gebäu- sondern auch die niedrig ist, wird bis heute diskutiert. voll: „Das ist das richtige Signal, um zu Verbesserungs- bzw. Klärungsbedarf. de.“ Ihr Fazit ist dem von Thomas Pos- Jürgen Schneider, für Klima und zeigen, dass sich fossile Energie in Zu- zu einem Cap-and- „Die Energiewirtschaft ist mit der sert ähnlich: „Es wird nötig sein, dass Speichertechnologien, Energie zuständiger Sektionschef im kunft nicht mehr rechnen wird. Darauf Trade-System.“ ökosozialen Steuerreform grundsätzlich der Bund auch mit entsprechenden Fi- die thermische Sanie- Bundesministerium für Klimaschutz, können sich die Verbraucher einstel- Jürgen Schneider, Klimaministerium zufrieden. Einige eingebrachte Vor- nanzierungsmitteln unterstützt.“ Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation len“, sagt sie. Der Einstiegspreis hätte schläge wurden berücksichtigt. Die Für Diskussionen sorgt aber auch rung von Gebäuden, und Technologie, sieht den, wie er ihrer Meinung nach allerdings auch et- Branche braucht und erhielt beispiels- die Frage, ob und wie Energieunterneh- den Umstieg auf selbst zugibt, eher moderaten Einstiegs- was ambitionierter ausfallen können. sidenten von Oesterreichs Energie und weise Rechtssicherheit, etwa was die men ihre Mehrkosten in Zukunft an preis auf jeden Fall als einen Meilen- Wobei die CO2 -Bepreisung ja nur Vorstandsvorsitzenden von Verbund steuerliche Nutzungsdauer von Anlagen ihre Kunden verrechnen können. „Die nicht-fossile Energie- stein. Denn zum einen, sagt er, würden eine Maßnahme unter vielen sei, die AG, Michael Strugl, fällt das Urteil zur betrifft. Das bedeutet aber nicht, dass große Frage einer Verhaltensbeeinflus- bereitstellung.“ die Beiträge ja kontinuierlich steigen, den Ausstieg aus der fossilen Energie CO2-Bepreisung jedenfalls im Kern po- schon alle unsere Wünsche zur steuerli- sung durch Steuern ist, wie diese Be- Angela Köppl, Wifo zum anderen sei nun ein Punkt erreicht, ankurbeln solle, neben zum Beispiel sitiv aus. „Es sind zwei wesentliche For- chen Entlastung erfüllt wurden“, sagt preisung beim Endkunden ankommen ab dem das neue System laufe: „Das dem Klimaticket, der Förderung des derungen der Energiewirtschaft erfüllt Thomas Possert, Geschäftsführer der wird. Das wird nur gehen, wenn die wird nicht mehr rückgängig zu machen Kesseltausches oder der E-Mobilität, worden. Zum einen gibt es nun eine Energie Steiermark Finanz Service Energieanbieter sie auch transparent sein. Bis Ende 2025 wird es steigende wie Angela Köppl erwähnt, ebenfalls CO2-Bepreisung in allen Sektoren, also GmbH und Vorsitzender des Ausschus- weitergeben können“, sagt der Steuer- Jürgen Schneider vom Klimaschutz- Fixpreise geben und dann den Über- Ökonomin am Wifo und Spezialistin für nicht nur dort, wo das europäische ses Betriebswirtschaft und Steuern bei experte Possert. ministerium findet, dass die Frage der gang zu einem Cap-and-Trade-System.“ Energie- und Klimapolitik. Für den Prä- Handelssystem wirkt, sondern auch im Oesterreichs Energie. Dort, wo es mit Kunden Einzelver- Mehrkosten auf jeden Fall nach einer Mobilitätssektor und bei der Raumwär- Wie andere Fachleute weist Possert träge gibt, dürfte das relativ leicht sein. guten Balance verlange: „Die Frage, in- me. Und es gibt zweitens ein Einnah- darauf hin, dass die Energiewende Überall dort, wo Kunden auf Basis der wiefern Stromversorger Preiserhöhun- menrecycling. Das heißt, das Geld über die Mehrwertsteuer auch Einnah- Allgemeinen Geschäftsbedingungen be- gen aufgrund der gestiegenen Groß- kommt nicht einfach ins Budget, son- men für den Staat generiere: „Für jede liefert werden, ist die rechtliche Situati- handelspreise, die wiederum vor allem dern wird dazu verwendet, um dort zu private PV-Anlage, die aufgestellt on im Moment aber schwieriger. „Allein durch einen Anstieg des globalen Prei- entlasten, wo es notwendig ist.“ wird, für jede Wärmepumpe, die ins- der Verwaltungs- und Kommunikati- ses von fossilem Erdgas bedingt sind, talliert wird, für jede Wallbox werden onsaufwand für daraus resultierende an die Kunden weitergeben können, zwanzig Prozent Umsatzsteuer einge- Anpassungen wäre immens. Da ist also sollte auf eine Art gelöst werden, die ADOBE STOCK, BEIGESTELLT hoben.“ Zugleich werde von der Ener- dringend eine praktikable unbürokrati- sowohl die berechtigten Interessen der giewirtschaft erwartet, dass sie jene sche Lösung und Rechtssicherheit nö- Konsumenten als auch der Versorger Infrastruktur aufbaue, die die Energie- tig“, erklärt Possert. berücksichtigt.“ 16 StromLinie 04/2021 StromLinie 04/2021 17
Energiepolitik Energiepolitik 3 Energieeffizienzvorgaben Österreich ist nach EU-Recht verpflichtet, bestimmte Energieeffizienzvorgaben einzuhalten. Welche Rolle kann die ökosoziale Steuerreform dabei spielen? 4 Kontraproduktive Anreize? Gibt es innerhalb der ökosozialen Steuerreform auch Elemente, die dem Wunsch nach einer zügigen Energiewende widersprechen? man sich zu einem höheren Zweifel, dass die hundert Wert verpflichtet. „Es ist gut Euro ausreichen, um die möglich, dass sich die öster- Mehrkosten aufzufangen, be- reichische Bundesregierung stehen unter Ökonomen ein noch ambitionierteres kaum. Im Gegenteil, die Wi- Ziel setzt“, urteilt Michael fo-Ökonomin Margit Schrat- Baminger, Geschäftsführer zenstaller meint, hundert der Energie AG Oberöster- Euro pro Jahr mögen zwar „Wenn eine konsum- D D ie Materie ist zwar etwas sprö- reich Vertrieb GmbH und bei Oester- er Klimabonus ist einer der wenig klingen, bei dem jetzigen CO2 - tive Steuer per de, verdient wegen ihrer Bedeu- reichs Energie Vorsitzender des Arbeits- Kernpunkte der ökosozialen Preis würden die Mehrbelastungen aber tung dennoch genauer erklärt kreises Endenergieeffizienz. „Der steigende Steuerreform. Er soll garantie- schon durch diese 100 Euro überkom- Verbrauchseinheit zu werden: der mögliche Einfluss der Unklar ist derzeit aber auch, wie die ren, dass die Reform sozial ausgewogen pensiert: „Das zeigt, wie niedrig die jet- erhoben wird und ökosozialen Steuerreform auf Öster- Einsparungsziele in Zukunft aufgeteilt CO2-Preis ist das ist. Mehrausgaben, die für die Endver- zige CO2 -Bepreisung eigentlich ist.“ reichs Energieeffizienz-Verpflichtungen. werden sollen. Bislang galt eine Fifty- richtige Signal, um zu braucher durch die Einführung einer Stärker als den relativ niedrigen Ein- ich als Bürger eine Die ergeben sich aus den beiden Ener- Fifty-Regelung, bei der die eine Hälfte CO2 -Bepreisung entstehen, werden mit stiegspreis, der ja ohnehin steigen soll, Pauschale zurück gieeffizienzrichtlinien der EU. Die erste der Verpflichtungen die Republik durch zeigen, dass sich fossile dem Klimabonus ausgeglichen. Dieser kritisieren Fachleute aber jene kontra- wurde 2012, die zweite 2018 verab- strategische Maßnahmen aufbringt, Energie in Zukunft regional gestaffelte Mechanismus – je produktiven Anreize, die trotz der öko- bekomme, bleibt ein schiedet. Österreich hat die erste Richt- während die andere Hälfte an die Ener- nicht mehr rechnen nach Region und infrastrukturellen Ge- sozialen Steuerreform nach wie vor be- Anreiz für mich, den linie mit dem Energieeffizienzgesetz giewirtschaft weitergereicht wird. gebenheiten soll es 100, 133, 167 oder stehen blieben und klimaschädliches umgesetzt, das die konkreten Einspa- Mit der ökosozialen Steuerreform wird. Darauf können 200 Euro Klimabonus pro Kopf geben – Verhalten subventionieren: das Diesel- Verbrauch zu senken.“ rungsmodalitäten für den Zeitraum von habe sich die Ausgangslage aber verän- hat auch Kritiker auf den Plan gerufen. privileg, die Pendlerpauschale oder auch Friedrich Seefeldt, Prognos 2014 bis Ende 2020 festschrieb. Die dert, findet Baminger. Denn die CO2-Be- sich die Verbraucher Wenn man auf der einen Seite klima- das Dienstwagenprivileg. zweite Richtlinie hingegen ist bislang preisung werde zu einem geänderten, einstellen.“ schädliches Verhalten mit einer CO2 -Be- Auch Steuerexperte Thomas Possert trotz Verstreichen der EU-Umsetzungs- effizienteren Verbraucherverhalten füh- Margit Schratzenstaller, Wifo preisung bestrafe, gleichzeitig aber den schließt sich dieser Kritik an. Im Sinne fördern würden. „Das beginnt beim Die- frist noch nicht in nationales Recht ren. „Mit der Einführung der CO2-Be- Betroffenen die Strafe rückvergüte, der Energiewirtschaft wäre es, sagt er, selprivileg und geht weiter bis zum The- überführt worden. Die Diskussion um preisung im Rahmen der ökosozialen werde der gewünschte Lenkungseffekt auf jeden Fall wichtig, nicht bei der CO2 - ma Zersiedelung und zu dem dadurch zukünftige Energieeffizienzvorhaben Steuerreform hat der Staat nun einen meint Baminger, nun der Verteilungs- massiv verwässert, sagen sie. Bepreisung stehen zu bleiben, sondern erforderlichen Ressourcenverbrauch für wird dadurch nicht gerade erleichtert. Hebel in der Hand, mit dem er auf einen schlüssel verändert werden. „Aus unse- Für den Prognos-Chef Friedrich See- auch jene Regelungen zu hinterfragen, Netzerschließung. Da bleibt abseits der Unklar ist etwa, ob Österreich bei Schlag ersten Schätzungen zufolge zu- rer Sicht wäre es nur gerecht wenn diese feldt ist der Einwand zwar nachvollzieh- die zum Beispiel den Flächenverbrauch CO2 -Bepreisung noch viel zu tun.“ jenem Einsparungsziel bleibt, das sich mindest 160 Petajoule einsparen kann.“ 160 Petajoule von der Einsparungssum- bar, er hält dem aber entgegen, dass die aus den EU-Vorgaben ergibt – das wä- Die Energiewirtschaft hat diese Mög- me, die zwischen Republik und Energie- Rückvergütung nichts daran ändere, ren kumuliert 500 Petajoule – oder ob lichkeit nicht. Aus diesem Grund solle, wirtschaft geteilt wird, ausgenommen dass jene Verbraucher, die sich kli- werden. Beträgt also das Ziel weiterhin mafreundlich verhalten würden, am 500 Petajoule, blieben nach dem Abzug Ende doch besser aussteigen würden: Die Position von Oesterreichs Energie von 160 Petajoule 340 Petajoule, die „Wenn eine konsumtive Steuer per Ver- dann aufgeteilt werden.“ brauchseinheit erhoben wird und ich als • Klare Lenkungseffekte durch CO2-Bepreisung Bürger eine Pauschale zurückbekomme, langfristig sicherstellen bleibt ein Anreiz für mich, den Ver- • Berücksichtigung der CO2-Bepreisung als strategische brauch zu senken: Die 100 Euro bekom- Maßnahme im kommenden Energieeffizienzgesetz me ich ja so oder so voraussetzungsfrei • Realistische Ziele bei Energieeffizienz und kann trotzdem ordentlich sparen, ADOBE STOCK, BEIGESTELLT je weniger ich fahre, je besser mein • Schaffung einer rechtssicheren Möglichkeit zur Kosten- Haus gedämmt ist und je weniger Heiz- weitergabe bei CO2-Bepreisung und Energieeffizienz öl ich verbrauche.“ • Kontinuierliche Mittel für Fördermaßnahmen zur Reduktion von CO2 -Emissionen 18 StromLinie 04/2021 StromLinie 04/2021 19
Energiepolitik Ederer meint … Klimaschutz erfordert massive Investitionen Unser Stromsystem Der Aufbau der heutigen Netz-Infrastruktur erfolgte in 40-50 Jahren. Für den Totalumbau ist mit allen Wassern Ökosoziale haben wir gerade einmal 8 Jahre Zeit. gewaschen. Steuerreform – I n den Medien und bei den NGOs solche Herausforderung meistern hat die Weltklimakonferenz von kann, umfasst Speicher ebenso wie die Kernpunkte Glasgow keine besonders guten gut ausgebaute Netze. Bei den Net- Noten erhalten. „Nur blah, blah, blah, zen entscheidet sich der Erfolg oder aber kein wirklich entschlossenes Misserfolg der Energiewende. CO2-Bepreisung Handeln“, urteilte Greta Thunberg. Wenn man zusätzlich bedenkt, Sie startet 2022 mit 30 Euro Doch bei allem Respekt für den Ein- dass der Aufbau der heutigen Netz- pro Tonne und wird bis satz der jungen Aktivistin: Dieser Infrastruktur im Laufe von 40-50 Ende 2025 schrittweise auf Vorwurf ist schlicht falsch. Im Gegen- Jahren erfolgte und wir jetzt für 55 Euro ansteigen, danach teil erleben wir derzeit Veränderun- den Totalumbau gerade einmal 8 soll ein Marktpreis gelten, gen, die im gesamten Industriezeital- Jahre Zeit haben, dann wird klar, ter beispiellos sind – im Verkehrssys- dass wir hier entschlossen ans Werk der ähnlich wie im Emissions tem, in der Industrie, vor allem aber gehen müssen. zertifikate-Handel in der Energiewirtschaft. Zumindest Ein rascher Ausbau erfordert drei ermittelt wird. für Europa und damit auch für Öster- Voraussetzungen: erstens die nötige reich lässt sich sagen: Finanzierung, zwei- Regionaler Klimabonus Wir stehen vor einem „Was es jetzt tens Rechts- und Pla- Der Klimabonus soll den Totalumbau, der (wenn braucht, ist: nungssicherheit durch Endverbrauchern die Mehr er gelingt) in rasantem Finanzierung, z. B. zügige, berechen- belastung durch die CO2 - Tempo zu einem post- bare Genehmigungs- fossilen, dekarbonisier- Rechtssicherheit, verfahren und drittens Bepreisung ausgleichen. ten Energiesystem füh- Akzeptanz in der eine ausreichende Er liegt zwischen 100 und 200 Euro pro Person und ren kann. Bevölkerung – und Akzeptanz in der So ein Totalumbau Rückhalt in der Bevölkerung. In allen Jahr abhängig von den regio erfordert auch völlig drei Punkten braucht nalen Infrastrukturvorausset neue gesetzliche und Politik.“ die Energiewirtschaft zungen wie etwa dem regulatorische Rahmenbedingungen. ausreichenden Rückhalt aus der Zugang zu öffentlichem Hier hat sich der Gesetzgeber bisher Politik. Die politisch Verantwortli- Verkehr. darauf konzentriert, die Produktion chen müssen erkennen, dass es eine aus erneuerbaren Quellen zu fördern gemeinsame Aufgabe von ihnen und Härtefälle und anzukurbeln. Doch jetzt kommt den Netzgesellschaften sein wird, Für Unternehmen, bei denen es darauf an, für das Energiesystem die Bevölkerung von der Sinnhaftig- der Zukunft auch die nötige Netz keit des Ausbaus zu überzeugen. ein Wechsel auf CO2 -freie infrastruktur zu schaffen. Ich bin Natürlich muss bei allen Leitungs- Alternativen derzeit nicht nicht sicher, ob wirklich allen Verant- projekten wie auch bei Wind- und möglich ist, wird es Sonder wortlichen bereits bewusst ist, welch PV-Anlagen auf Landschaftsschutz regelungen geben, um große Aufgabe uns da bevorsteht. und die berechtigten Wünsche der ein Verlagern der Emissionen Denn die Stromproduktion der Anrainer Rücksicht genommen wer- in Drittstaaten zu verhindern, Zukunft wird dezentral und volatil den. Aber die Menschen müssen Über 60 Prozent des österreichischen Stroms stammen aus der Wasserkraft. Das ist nicht nur ebenso für Unternehmen mit sein. An die Stelle von wenigen auch verstehen, dass erneuerbare gut fürs Klima, sondern auch für die Sicherheit unserer Stromversorgung. Denn leistungsfähige überdurchschnittlich hohem Großkraftwerken, die permanent Energien die Voraussetzung sind, um Speicher sind die Eckpfeiler einer verlässlichen Energieversorgung − damit der Strom auch dann und steuerbar laufen, treten viele den Klimawandel zu stoppen und Anteil der Energie an den fließt, wenn der Wind nicht weht oder einmal eine Wolke vor der Sonne steht. Wind- und PV-Anlagen. Hier müs- trotzdem unseren Lebensstil beibe- Gesamtkosten. sen bis 2030 Kapazitäten von 27 halten zu können. TWh neu geschaffen werden. Deren Österreichs E-Wirtschaft schafft Versorgungssicherheit. Produktion schwankt aber unsteuer- Brigitte Ederer ist Sprecherin des Forum Versorgungssicherheit, das sich für die lang bar je nach Tageszeit und Wetter- fristige Sicherung der hohen Qualität der lage. Die Infrastruktur, die eine österreichischen Energieversorgung einsetzt. oesterreichsenergie.at StromLinie 04/2021 21
Insiderwissen Warum ist das so? Die „Toolbox“ der EU-Kommission Die Großhandelspreise In ihrer Mitteilung „Steigende einen Teil der benötigten Emissi- für Strom steigen „beispiellos“ Energiepreise – eine Toolbox“ onszertifikate von den Behörden Preise der Österreichischen Energie- schlägt die EU-Kommission eine erwerben. Dies dürfte den EU- agentur (AEA). Auch ihrer Ansicht Reihe von Maßnahmen zur Unter- Mitgliedsstaaten heuer insge- nach sind die Preissteigerungen bei stützung von Haushalten und Un- samt etwa 30 Milliarden Euro Noch nie in der Geschichte des europäischen Stromgroßhandels wurden Erdgas der wichtigste Grund für die ternehmen vor. Insbesondere bringen. Entwicklungen verzeichnet wie jene der vergangenen Monate. Über die Gründe dafür Entwicklungen auf den Großhandels- will sie den Mitgliedsstaaten er- Geplant ist seitens der Kom- märkten für elektrische Energie. Hinzu lauben, einkommensschwachen mission überdies, eine „EU-Koor- – und wann mit Entspannung zu rechnen ist. kommt Knaus zufolge der Anstieg der Haushalten unter die Arme zu dinierungsgruppe Energiearmut Kohlepreise, der die Kosten für die greifen. Denkbar wären der Kom- und schutzbedürftige Verbrau- Stromerzeugung in manchen Mit- mission zufolge unter anderem cher“ zu schaffen. Von den Ener- gliedsländern der EU in die Höhe die teilweise Begleichung von giekosten entlasten will die EU- treibt. Betroffen davon ist nicht zuletzt Energierechnungen durch die öf- Kommission auch die Wirtschaft. D Deutschland, der weitaus wichtigste fentliche Hand, die Ausgabe von So sollen Direkthilfen für Unter- er Befund der europäi- Energiemarkt in Zentraleuropa. Dort Gutscheinen sowie die Überwei- nehmen erlaubt werden, wenn schen Agentur für die beläuft sich der Anteil der Kohlekraft- sung von Pauschalen, mit denen sie „den Wettbewerb nicht unan- Zusammenarbeit der werke an der Stromerzeugung auf die Begünstigten ihre Stromkos- gemessen verzerren und zu einer Energieregulierungsbe- etwa 23 Prozent, Erdgas macht weitere ten decken könnten. Zur Finanzie- Fragmentierung des Binnenmark- hörden (ACER) ist ein- knapp 17 Prozent aus. Verstärkend rung solcher Hilfen könnten die tes führen“ sowie technologie- deutig: Einen bisher „beispiellosen“ hinzu kam laut Knaus, dass die Strom- Mitgliedsstaaten laut der Kom- neutral sind. Anstieg verzeichneten im Lauf des produktion mittels erneuerbarer Ener- mission ihre Einnahmen aus dem heurigen Jahres die Großhandels- gien, insbesondere der Windkraft, im Emissionshandel (EU-ETS) ver- preise für elektrische Energie, heißt Frühjahr und Frühsommer unterdurch- wenden. Bekanntlich müssen die es in einer aktuellen Analyse. Sie stie- schnittlich war, bevor sie sich wieder vom ETS betroffenen Branchen gen gegenüber dem Jahr 2020 um normalisierte. Genau zu dieser Zeit rund 200 Prozent, verursacht durch hatten auch die Gaspreise anzuziehen den Anstieg der Gaspreise um etwa begonnen. Hinsichtlich der weiteren 400 Prozent, der seinerseits bedingt Entwicklung erwartet Knaus im zwei- durch das Wiederanspringen der Volkswirtschaftlerin Karina Knaus: Preisrückgang ten Quartal 2022, also nach Ende der Wirtschaft nach dem „Corona-Jahr“ nach Ende der Heizsaison zu erwarten Heizsaison, eine gewisse Entspannung: 2020 war. Dieses führte zu einer ver- „Dann dürften die Gaspreise nachlas- stärkten Nachfrage nach Erdgas ins- sen. Und das sollte sich auch bei den besondere auf den asiatischen Märk- Rund ein Fünftel des Strompreis- Als dritten wesentlichen Grund Strompreisen bemerkbar machen.“ ten. In der Folge flossen große Men- anstiegs sieht ACER ferner durch das für die Preisentwicklungen im Strom- gen verflüssigten Erdgases (LNG) kräftige Anziehen der Kohlepreise großhandel nennt ACER die witte- Das Ergebnis der AEA-Studie dorthin und fehlten somit auf den bedingt. Wie bei Gas erfolgte auch rungsbedingt unerwartet niedrige ist erhältlich unter europäischen Gasmärkten. Zu beach- dieses hauptsächlich wegen der ver- Stromproduktion mit erneuerbaren https://tinyurl.com/yckz79yj ten ist in diesem Zusammenhang, stärkten Nachfrage, insbesondere in Energien, vor allem der Windkraft, dass Europa etwa 60 Prozent seines Asien, in geringerem Ausmaß auch im Sommer und Frühherbst. Diese Erdgasbedarfs mit Importen deckt, wegen der Preise für CO2-Zertifikate Erzeugungsflaute bei den „Erneuerba- ÖSTERREICHISCHE ENERGIEAGENTUR, ADOBE STOCK vor allem solchen aus Russland und im Rahmen des EU-internen Emissi- ren“ traf auf den ohnedies ange- Norwegen. Eurostat-Daten zufolge onshandels (EU-ETS). Diese verdop- spannten Markt und verschaffte den entfallen etwa 20 Prozent der Strom- pelten sich im ersten Halbjahr 2021 Strompreisen zusätzlichen Auftrieb. erzeugung in der EU auf Gaskraft- auf rund 60 Euro, nicht zuletzt wegen werke. Entsprechend schlagen Ent- der sich verstärkenden Tendenzen in Entspannung im Frühjahr wicklungen auf den globalen Gas- der europäischen Klimapolitik. Im Ähnlich lautet der Befund von Karina märkten auf den Gasgroßhandel in November 2021 wurde sogar die Knaus, der Leiterin des Centers Volks- Europa durch. 70-Euro-Marke geknackt. wirtschaft, Konsument:innen und 22 StromLinie 04/2021 StromLinie 04/2021 23
Energiepolitik Energiepolitik Energiegemeinschaften EEGs: Von Salzburg lernen Umsetzung Die Salzburg AG managt im Rahmen eines Pilotprojekts eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft. startet I m heurigen Frühjahr kam die nach- haltig agierende Druckerei Roser aus Hallwang, etwa acht Kilometer nordöstlich von Salzburg, auf die Salz- burg AG zu. Sie beabsichtigte, je eine Seit Oktober sind Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften umsetzbar. Photovoltaikanlage auf dem Dach ihres An Pilotprojekten wird gearbeitet, etwa bei der Salzburg AG. Hauptsitzes sowie der Halle mit den Druckmaschinen zu installieren und den Unterdessen hat auch die Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften Strom möglichst effizient zu nutzen. ihre Tätigkeit aufgenommen. Wochentags wäre das firmenintern kein Problem: Die Maschinen benötigen weit mehr Strom, als die PV-Anlagen erzeu- gen. Die Elektrizität vom Bürodach ist daher im Nachbargebäude hoch will- Modernste IT: Ein Dashboard kommen. Anders sieht es an den gibt den Teilnehmern jederzeit Wochenenden aus, wo auf dem Betriebs- Überblick über ihre EEG gebäude so gut wie kein Strom benötigt wird. Und so bot sich an, nach Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes EEG und bildet in der Folge alle nötigen rungen der Teilnehmer weiterentwi- (EAG) im Zuge eines Pilotprojekts eine Prozesse ab. Im Rahmen des Projekts ckelt. Ab dem kommenden Frühjahr ist Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft steht den EEG-Teilnehmern eine IT- ihre Vermarktung vorgesehen. Ab dann (EEG) zu gründen. In diese eingebracht Plattform zur Verfügung, die ihnen auf soll es auch möglich sein, über die Platt- wird vorerst die 70-kWp-PV-Anlage auf einem Dashboard einen Echtzeit-Über- form zu erfahren, ob sich in der Nähe dem Dach des Büros. Überdies beteili- blick über die Energieflüsse innerhalb des Nutzers eine EEG befindet und, falls gen sich fünf nahe Haushalte an der der Gemeinschaft bietet. Die Plattform ja, dieser einen Beitrittsantrag zu sen- EEG. Deren Management übernehme wird unter Berücksichtigung der Erfah- den. Eder zufolge wolle die Salzburg AG die Salzburg AG, berichtet deren „Pro- den Beitritt zu Energiegemeinschaften duct Ownerin“ (Projektverantwortliche) so einfach wie möglich machen: „Grund- Viktoria Eder. Organisiert wird die EEG sätzlich sollte das per Mausklick funkti- als Verein, der Ein- und Austritt ist onieren.“ jederzeit möglich. Die konstituierende Kommendes Jahr sollen weitere Sitzung sollte Ende November stattfin- Erfahrungen gesammelt werden, die in den. Wegen des Lockdowns verschiebt ein effizientes und für alle Teilnehmer sie sich nun. „Aber wir sind jederzeit vorteilhaftes Management von EEGs startklar“, betont Eder: „Die Satzung fließen. Überdies möchte die Salzburg und die Vereinsordnung wurden von AG ein weiteres EEG-Pilotprojekt umset- einem Rechtsanwalt vorbereitet, die zen, diesmal mit einer Gemeinde. Betei- Gründung erfolgt so bald wie möglich.“ ligt ist das Unternehmen auch am For- Die „Green Tech Company“ Salzburg schungsvorhaben ECOSINT (Energy AG sieht die Rundum-Betreuung von COmmunity System INTegration) der Energiegemeinschaften als künftiges FFG. Gemeinsam mit seiner Tochter ADOBE STOCK, SALZBURG AG Geschäftsfeld und unterstützt deshalb Salzburg Netz, der FH Salzburg und Interessierte bei deren Aufbau. Im Vor- weiteren Forschungs- und Industriepart- feld bietet sie Informationen über alle nern sowie der E-Control wird dabei nötigen Schritte für eine Gründung, „Product Ownerin“ Viktoria Eder: eine einheitliche IT-Systemarchitektur kümmert sich nach der Gründung um Die von der Salzburg AG betreute EEG zur Integration lokaler EEGs in das Sys- die Registrierung und Aktivierung der ist bereit zur Gründung tem zur Energieversorgung entwickelt. 24 StromLinie 04/2021 StromLinie 04/2021 25
Energiepolitik Energiepolitik Eine Kraftanstrengung „Werden die Energiewende nur schaffen, für Netzbetreiber wenn wir die Menschen mitnehmen“ keiten eröffnet, aber die Menschen allei- ne lässt und sie nicht ausreichend unter- Die E-Wirtschaft arbeitet mit voller Kraft an der Umsetzung der EEGs. stützt, ist der Erfolg überschaubar. Un- Eva Dvorak, die Leiterin der Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemein sere Aufgabe ist es, dass das bei den schaften im Klimafonds, über ihren Auftrag, Energiegemeinschaften als Instrument für Energiegemeinschaften nicht passiert Die E-Wirtschaft im Allgemeinen Testung und schließlich die Inbe- die Energiewende zu etablieren und welche Rolle die E-Wirtschaft spielt. und dafür arbeiten wir sehr intensiv mit und die Netzbetreiber im Beson- triebsetzung folgen wird. den Energieberatungsstellen der Bun- deren würden „mit Hochdruck an Durch die Nutzung der bereits desländer, dem Regulator und dem der Umsetzung der gesetzlichen seit 2017 im Elektrizitätswirt- BMK zusammen. Durch Pionierprojekte Vorgaben und der Verwirklichung schafts- und -organisationsgesetz können wir Wissen aufbauen und dieses von Erneuerbaren-Energie-Ge- (ElWOG) umgesetzten Marktpro- dann niederschwellig bereitstellen. Es meinschaften (EEG)“ arbeiten, be- zesse für „Gemeinschaftliche Er- muss nicht jeder oder jede Expertise im tont Franz Strempfl, der Sparten- zeugungsanlagen“ ist die - zuge- Energierecht oder in Energiewirtschaft sprecher Netze von Oesterreichs gebenermaßen eingeschränkte - Sie leiten seit Mai des heurigen aufbauen – aber jeder oder jede kann Energie und Geschäftsführer der Umsetzung von EEGs bereits seit Jahres die Österreichische Koordi- Teil der Energiewende sein – wenn sie Energienetze Steiermark. Schon im Anfang Oktober möglich. nationsstelle für Energiegemein- oder er das möchte. Wichtig ist hier be- Zuge der Gesetzwerdung begann Enthält eine EEG mehrere Er- schaften. Wie fällt die bisherige sonders die Zusammenarbeit mit den die Branche mit der Weiterent- zeugungsanlagen, werden die Bilanz aus? Bundesländern, die Beratungsstellen be- wicklung der dafür nötigen Prozes- Teilnehmer zunächst genau einer EVA DVORAK: Die Energiegemein- treiben. Über eine gemeinsame Arbeits- se und nahm auch aktiv an der Be- Erzeugungsanlage zugeordnet. schaften sind ein neues Instrument, um plattform bekommen wir ein gutes Bild, gutachtung des Erneuerbaren-Aus- Der lokale Ortstarif und damit die die Bürgerinnen und Bürger aktiv in die was sich in Österreich tut. Darüber hin- bau-Gesetzes (EAG) teil. Schon deutliche Reduktion der Netzkos- Energiewende einzubinden. Das Interes- aus bietet auch der Klimafonds mit sei- damals informierte die Branche, ten für die innerhalb der Gemein- se ist extrem groß. Insbesondere Ge- nem neuen Programm Unterstützung. „dass eine operative Umsetzung schaft erzeugte und verteilte Ener- meinden engagieren sich bei einschlägi- von EEG durch die Netzbetreiber gie kann somit zur Anwendung gen Projekten. Sie wollen ihre Energie- Wie beurteilen Sie die Tätigkeit zeitnah angestrebt wird, der öster- kommen. Die benötigten Prozesse erzeugungsanlagen gemeinsam mit ih- der Energiewirtschaft in Hinblick reichweit standardisierte Betrieb für die Marktkommunikation liegen ren Bürgerinnen und Bürgern noch bes- auf die Energiegemeinschaften? von EEG jedoch nur durchgeführt vor und sind über die Branchen- ser verwerten. Bei einer DVORAK: Die Verteilernetzbetreiber werden kann, wenn zuvor die dafür homepage www.ebutilities.at ver- Photovoltaikanlage z. B. auf einer Schu- haben ihre gesetzlichen Aufträge, vor notwendigen Marktprozesse ent- fügbar. Sie werden von allen Be- le ist die Erzeugung im Sommer am „Energiegemein allem im Zusammenhang mit der Ab- wickelt, konsultiert und in Folge teiligten seit 4. Oktober 2021 (ver- größten, also dann, wenn niemand da rechnung. Wo es Probleme gibt, finden für alle involvierten Akteure in Ös- pflichtend) angewandt. ist, um den Strom zu nutzen. Mit einer schaften bilden ein sie Lösungen. Energielieferanten sind terreich anzuwenden sind“. Netz-Musterverträge wurden aus- Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft dann Bürgerinnen und Bürger ab, sie neues Instrument der zwar laut EAG von der Teilnahme aus- In weiterer Folge werden die gearbeitet, mit denen einheitliche wird das anders: Der lokal erzeugte wecken Interesse. Wir spüren bereits geschlossen, können jedoch als Dienst- Netzbetreiber (DSOs) die neuen Rahmenbedingungen für EEGs ge- Strom lässt sich beispielsweise im Frei- jetzt starkes Interesse von Bürgerin- Dezentralisierung, leister auftreten. Viele von ihnen haben technischen sowie prozessualen schaffen werden. Sobald die tech- bad einsetzen oder zur Versorgung von nen und Bürgern. Unsere Aufgabe ist Dekarbonisierung und ja immer mit den Gemeinden zusam- Vorgaben für ihre IT-Systeme an- nischen und prozessualen Vorga- Ladesäulen für Elektrofahrzeuge. Neben es, Fallbeispiele für unterschiedlichste mengearbeitet und tun das auch bei passen. Anschließend werden die- ben, wie zuvor aufgezeigt, vollum- der Einbindung von Mobilität ist es auch Situationen und praktische Umsetzun- Demokratisierung in den Energiegemeinschaften. Soweit se Anpassungen entsprechend den fänglich umgesetzt sind, wird jede möglich, Wärmeerzeugungsanlagen gen von Energiegemeinschaften aus- der Energiewende.“ wir sehen, funktioniert das gut. Grund- Sonstigen Marktregeln einem Kon- Gemeinschaft – sofern sie sich einzubinden und so in die Sektorkopp- zuarbeiten. Als unabhängige Service- sätzlich können Energieunternehmen sultationsverfahren unterzogen. dann dafür entscheidet – ohne Eva Dvorak, Leiterin der lung zu gehen. Das steigert die Effizienz stelle wollen wir den Eintritt in Ener- Österreichischen Koordinationsstelle das Management von Energiegemein- Die Softwarelieferanten werden weiteres Zutun und ohne Vertrags- der Anlagen und macht sie rentabler. giegemeinschaften möglichst nieder- für Energiegemeinschaften schaften komplett übernehmen. nach der Beauftragung mit der Pro- anpassungen umgestellt. schwellig gestalten. Die Energiewende Die große Expertise der Energiewirt- grammierung beginnen, die Imple- Interessieren sich bisher also wird erfolgreich sein, weil sie von schaft wird immer gefragt sein, um al- mentierung entwickeln, spezifizie- eher Kommunen für Energiege- möglichst vielen aktiv betrieben wird, Sie beschreiben auf Ihrer Website len neuen Herausforderungen – wie ren und in die Pflichtenhefte auf- „Der standardisierte meinschaften? Wie schaut es mit viele können eine Rolle übernehmen. die „ersten Schritte“ auf dem Weg beispielsweise der massiv zunehmen- nehmen. Dies betrifft vor allem die Betrieb von EEGs kann den Bürgerinnen und Bürgern aus? Die Akzeptanz für das Errichten von zur Energiegemeinschaft. Dazu ge- den Elektrifizierung – entsprechend be- Datenaufbereitung, den Ablauf der nur durchgeführt DVORAK: Die Kommunen werden in Erzeugungsanlagen im Nahebereich hören u. a. eine Konzepterstellung gegnen zu können. Der Energiewirt- Energiezuteilung oder die Abrech- der Öffentlichkeit stärker wahrgenom- wird deutlich steigen, wenn man und ein Finanzierungsplan. Wo schaft werden weiterhin wichtige und nungsfunktionalitäten, darunter die werden, wenn zuvor men und wir sind froh, dass Gemein- selbst daran beteiligt ist. Schon ab können sich Interessierte konkret sicherlich auch viele neue Rollen im Abbildung der verminderten Orts- die dafür notwendigen den wie zum Beispiel Schnifis in Vor- dem zweiten Halbjahr 2022 werden Hilfe holen, um diese ersten Schrit- zukünftigen Energiesystem zukom- tarife für die Teilnehmer an den Marktprozesse ent arlberg vorangehen und zeigen, wie wir aktiv breitere Kreise ansprechen, te zu gehen? men, das dezentraler, dekarbonisiert EEGs. Dies erfordert einen nicht wickelt wurden.“ die produzierte Energie nach Möglich- denn dann wird es bereits eine Reihe DVORAK: Bei den Gemeinschaftsanla- und demokratischer sein wird. unwesentlichen Eingriff in bereits Franz Strempfl, Spartensprecher Netze keit direkt in dieser Gemeinschaft ver- von Best-Practice-Beispielen geben, gen gemäß ElWOG hat sich seit 2017 etablierte Prozesse, weshalb nach von Oesterreichs Energie und Geschäfts- braucht wird. Solche Beispiele holen die als Vorbilder dienen können. gezeigt: Wenn das Gesetz neue Möglich- Info: energiegemeinschaften.gv.at der Einbindung die umfangreiche führer der Energienetze Steiermark 26 StromLinie 04/2021 StromLinie 04/2021 27
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