ForumForum Ausgabe 11 2011 - Die internationalen Handlungsfelder der DGUV - DGUV forum
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80168 Forum Fachzeitschrift für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung Ausgabe 11 • 2011 Die internationalen Handlungsfelder der DGUV Auslandsversicherung Gut betreut im Ausland durch die BGHM Indien Kooperation gegen Arbeitsunfälle Berufskrankheiten Ein deutsch-polnisches Problem bei der Entschädigung
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, „Wir benötigen einfache, aber wirksame Instrumente im Arbeitsschutz.“ So kurz und knapp brachte Igor Antauer, Generalsekretär des slowenischen Arbeitge- berverbandes für kleine und mittlere Unternehmen, sein Anliegen bei einem Deutschlandbesuch auf den Punkt. Mit seinem Wunsch nach Unterstützung und Be- ratung steht Antauer nicht allein. Weltweit suchen Staaten und Unternehmen nach guten Lösungen für Prävention, Rehabilitation und Versicherung. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung und ihre Mitglieder sind gefragte Gesprächspartner, ob es um Foto: DGUV konkrete Kooperationen geht oder um den Aufbau eines Unfallversicherungssystems. So stellt die DGUV zum Beispiel der größten Unfallversicherung Kolumbiens das Mess- system CUELA zur Verfügung. Die Kolumbianer ermitteln damit die Körperbelastung im Blumenanbau und können auf diese Weise rückenschonende Ernteverfahren einführen. In China haben sich unsere Experten ebenfalls erfolgreich engagiert. Demnächst be- ginnt dort die dritte Kooperationsrunde. Ging es zu Beginn um die rechtliche Bera- tung bei der Einführung einer Unfallversicherung, so hilft „Auch deutsche Unternehmen, die DGUV ab 2012 dabei, das bestehende System um Aspekte die Niederlassungen im Ausland der Prävention und Rehabilitation nach deutschem Vorbild haben oder ihre Mitarbeiter zu erweitern. dorthin entsenden, profitieren Warum engagieren wir uns als gesetzliche Unfallversiche- von sicheren und verlässlichen rung überhaupt im Ausland? Zählt das zu unseren Kernauf- Arbeitsbedingungen dort.“ gaben? Die Antwort lautet: Ja! Denn in einer global vernetz- ten Wirtschaftswelt sind Unterstützung und Wissenstransfer keine Einbahnstraße. Auch deutsche Unternehmen, die Niederlassungen im Ausland haben oder ihre Mitarbeiter dorthin entsenden, profitieren von sicheren und verlässli- chen Arbeitsbedingungen dort. Internationale Kooperation hilft uns darüber hinaus, die Standards für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit weltweit voran zu treiben. Die derzeitige Finanzkrise zeigt uns, wie stark die Volkswirtschaften auf unserem Pla- neten miteinander verwoben sind. Auch der Arbeitsschutz kann deshalb nicht an Gren- zen Halt machen. Mit den besten Grüßen Ihr Dr. Joachim Breuer Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung 2 · DGUV Forum 11/11
Inhalt > Editorial / Inhalt >>> 2–3 > Aktuelles >>> 4–7 > Titelthema >>> 8 – 39 Europa, BRIC und Next Eleven 8 Die internationalen Handlungsfelder der DGUV Stefan Zimmer Indien 11 Kooperation gegen Arbeitsunfälle Eva-Marie Höffer Entsendung ins Ausland 12 Die Aus- und Einstrahlung – Entwicklungen und Tendenzen 18 Eva-Marie Höffer, Iris Hillemann Interview zur Unfallversicherung in Malaysia 14 „Rückkehr zur Arbeit bedeutet ins Leben zurückkehren“ Internationale Strategiekonferenz 16 Entwicklung einer weltweiten Präventionskultur Ulrike Bollmann, Sven Timm Deutsch-chinesischer Kooperationsvertrag 17 Weitere Verlängerung um drei Jahre Stefan Zimmer Auslandsversicherung der BGHM 18 Gut betreut im Ausland Volker Brinkmann, Jens Ullrich Europäisches Forum Unfallversicherung 21 Mehrwert internationaler Kooperation Eva-Marie Höffer Bericht über die Aktivitäten der EU 22 Was gibt es Neues aus Brüssel? Ilka Wölfle 37 19. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 24 Für die Entwicklung einer globalen Präventionskultur Sabine Herbst, Sven Timm Prävention 28 Lebenslanges Lernen – ein europäisches Projekt Ulrike Bollmann Ein deutsch-polnisches Problem der Entschädigung > Rehabilitation >>> 40 – 41 von Berufskrankheiten 30 Reha-Tage 2011 40 Rechtlich klar – tatsächlich nicht wirklich gelöst Rehabilitation und Selbstbestimmung Helmut Maxeiner Elke Biesel Offshore-Windparks 37 Neue Wege für die Sozialversicherung Iris Hillemann > Medien / Impressum >>> 42 DGUV Forum 11/11 · 3
Aktuelles Gesetzliche Unfallversicherung legt vorläufige Unfallzahlen vor Die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften haben die vor- verweist auf die Wetterverhältnisse in den ersten Monaten läufigen Unfallzahlen für das erste Halbjahr 2011 veröffent- des Jahres: Der Winter brachte 2011 deutlich weniger Eisglätte licht. Demnach ist die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsun- als im Vorjahr. Trotzdem endeten mehr Unfälle tödlich: 167 fälle im Beobachtungszeitraum um 0,5 Prozent auf 460.773 Menschen starben bei einem Wegeunfall, das sind 25 mehr gestiegen. „Dieser minimale Anstieg spiegelt die gute Kon- als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. junktur mit zahlreichen Neueinstellungen wider. Deutsch- land zählt aber nach wie vor im internationalen Vergleich zu Einen deutlichen Anstieg gab es bei den meldepflichtigen den Ländern mit den sichersten Arbeitsbedingungen“, sagte Schulunfällen. Im ersten Halbjahr 2011 verunglückten 12 Pro- Dr. Joachim Breuer, Hauptgeschäftsführer der DGUV. zent mehr Kinder und Jugendliche in Bildungseinrichtungen als im Vorjahreszeitraum – insgesamt wurden den Unfallkas- Die Zahl der tödlichen Unfälle sank hingegen im Vergleich sen 703.269 Fälle gemeldet. zum Vorjahreszeitraum um 19 auf 201. Gesunken ist auch die Zahl der Wegeunfälle. Sie ging im Vergleich zum Vorjahres- ! Alle Zahlen finden Sie unter: www.dguv.de > Webcode: d25485 zeitraum um 15,9 Prozent auf 101.147 zurück. Dieser Rückgang Deutscher Arbeitsschutzpreis 2011 verliehen Die Gewinner des „Deutschen Arbeits- nehmen ausgewählt. Dafür bewertete sie Insgesamt hatten sich in diesem Jahr 202 schutzpreises 2011“ sind die bad & heizung Produkte oder Prozesse der Unternehmen Unternehmen beworben. Kreuz GmbH (Schallstadt, Baden-Württem- anhand von Kriterien wie Wirksamkeit, berg), die Evangelisches Johannesstift Be- Wirtschaftlichkeit, Innovation sowie Über- Ein detaillierter Bericht zum Deutschen hindertenhilfe gGmbH (Berlin), die Hydro tragbarkeit in den betrieblichen Alltag. Arbeitsschutzpreis erscheint in DGUV Building Systems GmbH – Werk Gerstun- Forum 12 / 2011. gen (Thüringen) sowie die RAG Anthrazit Vertreter der Unternehmen nahmen die Ibbenbüren GmbH (Nordrhein-Westfalen). Preise auf der Eröffnungsveranstaltung des Eine Jury aus Experten aus Wirtschaft, Po- Kongresses für Arbeitsschutz und Arbeits- medizin – A+A 2011 – in Düsseldorf aus der ! www.gda-portal.de / arbeitsschutzpreis litik und Verbänden hatte die Siegerunter- Hand der Jury-Vorsitzenden entgegen. Foto: DGUV / Floß Die Preisträger des Deutschen Arbeitsschutzpreis 2011 mit den Vorsitzenden der Jury: Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel (BMAS) (li.), Marina Schröder (DGUV) (2.v.l.), Staatsrat Dr. Joachim Schröder (Bremen) (re.) 4 · DGUV Forum 11/11
Aktuelles Foto: UK NRW Vertreter der prämierten Schulen aus ganz Nordrhein-Westfalen Schulentwicklungspreis „Gute gesunde Schule“ vergeben Die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen (UK parenz geprägtes Schulklima aus. Sie auf der Tagesordnung stehen. Je mehr NRW) hat zum vierten Mal den Schulent- setzen kooperative und selbstbestimm- Schulen sich daran beteiligen, desto mehr wicklungspreis „Gute gesunde Schule“ ver- te Lernformen um, machen Bewegungs-, Schülerinnen und Schüler sowie Lehre- liehen. Insgesamt 75 erfolgreiche Schulen Sport- und Ernährungsangebote oder rinnen und Lehrer können in einem guten erhielten Preisgelder in Höhe von insge- haben gut funktionierende Feedback- und gesunden Schulklima lernen und ar- samt mehr als 500.000 Euro. Mit dem Preis Verfahren eingeführt. beiten. Ein gesundes Schulklima wieder- prämiert die UK NRW Schulen, denen es um wirkt sich nachweislich positiv auf die besonders gut gelungen ist, Gesundheits- Gabriele Pappai, Sprecherin der Ge- Kompetenzentwicklung und den Schuler- förderung und Prävention in die Entwick- schäftsführung der Unfallkasse Nord- folg der Kinder und Jugendlichen aus.“ lung ihrer Schulqualität zu integrieren. rhein-Westfalen, betont: „Der Schulent- wicklungspreis ist bundesweit einmalig. Die guten gesunden Schulen zeichnen Er trägt dazu bei, dass Prävention und ! www.schulentwicklungspreis.de sich durch ein von Offenheit und Trans- Gesundheitsförderung in den Schulen DGUV unterstützt den Arbeitsschutz im EU-Land Slowenien Auf Einladung der Kommission Arbeits- das Thema psychische Belastungen als same Instrumente im Arbeitsschutz, um schutz und Normung (KAN) haben An- Auslöser für Arbeitsunfähigkeit. Sie neh- die Gesundheit der Beschäftigten zu för- fang Oktober Vertreter des slowenischen men im gesamten EU-Raum zu und be- dern. „Hier können wir von den Erfah- Arbeitsschutzes und der slowenischen dürfen in Zukunft noch mehr Aufmerk- rungen in Deutschland profitieren. Die Wirtschaft Deutschland besucht und sich samkeit. Gespräche mit den Experten der DGUV über die Schwerpunkte der Arbeit der ge- haben uns wichtige Hinweise geliefert“, setzlichen Unfallversicherung informiert. Igor Antauer, Generalsekretär beim slo- so Antauer. wenischen Arbeitgeberverband für klei- Bei der DGUV in Berlin besuchten die ne und mittlere Unternehmen, ZDOPS, Für das kommende Jahr ist in Slowenien Teilnehmer Vorträge der DGUV-Experten sieht angesichts der schwierigeren wirt- eine große Veranstaltung zum Arbeits- und informierten sich über aktuelle Ent- schaftlichen Lage in seinem Land die schutz geplant, zu der ebenfalls Referen- wicklungen. Besonderen Anklang fand Notwendigkeit für einfache, aber wirk- ten der DGUV eingeladen werden. DGUV Forum 11/11 · 5
Aktuelles Richtfest an der BG Klinik Bergmannsheil Am Rohbau des ersten Neubaus für das Mit dem neuen Gebäudetrakt und insbe- Einrichtungen effizienter miteinander ver- Berufsgenossenschaftliche Klinikum sondere den neuen OP- und Intensivkapa- zahnt. Dadurch verkürzen sich die Trans- Bergmannsheil in Bochum ist im Oktober zitäten will das Bergmannsheil seine Be- port- und Kommunikationswege, was ins- Richtfest gefeiert worden. In Zukunft wird deutung als ein überregional anerkanntes besondere der Behandlung von operierten dieses Gebäude das Herzstück des Berg- Klinikum der Spitzenversorgung stärken. und besonders überwachungsbedürftigen mannsheil bilden und einen Funktions- Durch das bauliche Konzept werden zu- Patienten zugutekommt. 2013 soll der erste trakt und ein Bettenhaus beherbergen. dem die verschiedenen Abteilungen und Bauabschnitt in Betrieb gehen. „Wir haben dieses Projekt auf den Weg gebracht, damit das Bergmannsheil auch künftig seine Rolle als eine der fortschritt- lichsten und leistungsstärksten Kliniken behaupten kann“, sagte Hans-Werner Kick, Geschäftsführer des Bergmanns- heil. 2015 soll auch der zweite Bauab- schnitt fertiggestellt sein und das neue Bergmannsheil seinen Betrieb in vollem Umfang aufnehmen. Foto: V. Daum / Bergmannsheil v.l.: Polier Ralf Marquardt, Geschäftsführer Hans-Werner Kick, Aufsichtsratsvorsitzen- der Xaver Schmidt, Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz und Dr. Michael Ludes, Geschäftsführer Ludes Architekten Ingeni- eure GmbH, beim Richtfest Aktion „Jugend will sich-er-leben“ geht in eine neue Runde Im neuen Schuljahr unterstützen die keit, Kommunikation und Selbsteinschät- Landesverbände der DGUV die Berufs- zung. Damit verbindet sich die Frage, wie Foto: JWSL schulen wieder mit ihrer Aktion „Jugend viel Verantwortung die Auszubildenden will sich-er-leben“. Ziel ist es, Auszubil- selbst für die Sicherheit und Gesundheit dende für die Bedeutung von Sicherheit am Arbeitsplatz übernehmen können und und Gesundheit am Arbeitsplatz zu sen- müssen. sibilisieren. Ergänzt wird die Aktion auch in diesem Im Zentrum der Aktion steht ein neuer Jahr durch eine Schülerinfo, verschiede- Kurzfilm, der unter dem Motto „Echt ka- ne Wettbewerbe und einen Webauftritt. piert – sicher?!“ typische Risiken an Ar- Für die betriebliche Ausbildung wurde beitsplätzen aufzeigt. Die junge Repor- parallel auch ein Unterweisungskonzept terin Jana besucht dafür Auszubildende für Ausbilder erarbeitet. an ihren Arbeitsplätzen und spricht mit ihnen über ihr Bewusstsein für die tägli- Alle Medien stehen zum Download zur chen Risiken. Verfügung. Durch die Beispielsituationen des Films werden einige Grundsätze der Arbeits- ! www.jwsl.de sicherheit angesprochen: Aufmerksam- 6 · DGUV Forum 11/11
Aktuelles Nächstes Jahr in London – die Paralympic Post stellt sich vor Die Organisatoren der Paralympics Zeitung stehen in den Seit ihrem ersten Erscheinen im Jahr 2004 habe die Paralym- Startlöchern. Anfang November stellten Sie das Projekt bei pics Zeitung als multinationales, multilinguales Projekt viel einem Empfang im britischen Unterhaus vor. In London wer- an Reputation gewonnen und Begeisterung geweckt, sagte den vom 29. August bis zum 9. September 2012 die nächsten Dr. Joachim Breuer, Hauptgeschäftsführer der DGUV. Breuer: Paralympischen Spiele stattfinden. „Sport und Bewegung unterstützen Menschen in ihrer Rehabi- litation. Paralympische Sportlerinnen und Sportler geben dafür Eingeladen zu diesem Informationsabend hatten die Abge- ein großartiges Beispiel. Ihre Geschichten können andere mo- ordneten Gavin Shuker (Unterhaus) und Richard Howitt(EP). tivieren. Deshalb unterstützen wir die Paralympics Zeitung.“ Shuker: „Wir freuen uns, dass das Projekt 2012 in London stattfinden wird.“ So könnten insbesondere jüngere Men- Während der paralympischen Spiele in London wird die Zei- schen für das Thema Sport und Behinderung sensibilisiert tung wieder dem Tagesspiegel, der Zeit, dem Handelsblatt und werden. Erstmals wird es nicht nur in Deutschland, sondern möglicherweise auch einer britischen Tageszeitung beiliegen. auch im Gastgeberland der Paralympics einen nationalen Wettbewerb geben, in dem die Schülerredakteure der Para- ! www.tagesspiegel.de / paralympics/ lympic Post – so der englische Titel – ermittelt werden. DVR fordert Helmpflicht für Pedelecs Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) fordert erweiterte gesetzliche Re- gelungen für Hersteller und Nutzer von sogenannten Pedelecs. Dabei handelt es sich um Fahrräder, die durch zusätz- liche Elektromotoren auch untrainier- ten Fahrern Geschwindigkeiten von bis zu 45 km / h ermöglichen. Sie spielen im Straßenverkehr eine immer bedeutende- re Rolle. Insbesondere die vermeintlich schwä- cher motorisierten Fahrzeuge der Klasse Foto: Fotolia / ferkelraggae Pedelec 25, die eine Höchstgeschwindig- keit von 25 km / h erlauben, sind bisher noch nicht von einer entsprechenden EU-Richtlinie erfasst. Der DVR setzt sich deshalb dafür ein, dass sie aus Gründen der Verkehrssicherheit in eine eigene Fahrzeugklasse eingeordnet werden. Die Folgen wären eine Helmpflicht für Fahrer, sowie die Forschungen auf dem Gebiet kehrsteilnehmern. Denkbar sei hierzu die Festlegung eines Mindestalters sowie der elektrisch motorisierten Fahrräder auch eine gesonderte Erfassung von Pe- mehr versicherungsrechtliche Klarheit. zu intensivieren. Dies betrifft sowohl das delecs in der amtlichen Unfallstatistik. Insgesamt fordert der DVR die Aufklä- Nutzungsverhalten als auch die techni- sche Erprobung und Untersuchung von ! www.dvr.de rungsarbeit für alle Verkehrsteilnehmer Konfliktpotenzialen mit anderen Ver- DGUV Forum 11/11 · 7
Titelthema Europa, BRIC und Next Eleven Die internationalen Handlungsfelder der DGUV Der internationale Handlungsschwerpunkt der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung wird zwar weiterhin in Europa liegen, aber Kontakte zu Ländern außerhalb der EU, insbesondere den BRIC-Staaten, werden immer wichtiger. B RIC steht für die Anfangsbuch- staben der vier Staaten Brasilien, Russland, Indien und China. Die Abkürzung wurde von Goldman-Sachs- Chefvolkswirt Jim O’Neill geprägt, der sie in einer Reihe von Veröffentlichungen verwendete, zuerst Ende 2001. 1 Von ihm stammt auch die Idee der „Next Eleven“-2 als Nachfolger der BRIC-Staaten. Alterna- tive Konstruktionen sind die BRICS-Staa- ten (unter Hinzunahme von Südafrika) sowie die BRICKS-Staaten (unter weiterer Hinzunahme von (Süd-)Korea). Was ist so besonders an diesen Ländern? Die fünf BRICS-Staaten – vier von ihnen sogenannte Schwellenländer – haben Quelle: Shutterstock / mart jährliche Zuwachsraten der Wirtschafts- leistung von 5 Prozent bis 10 Prozent (zum Vergleich: EU etwa 2 Prozent), weshalb ei- nige Prognosen voraussagen, dass sie bis 2050 die G8-Staaten überflügeln könn- ten. 3 In einem Ranking der zehn größten Volkswirtschaften führt der Internationa- le Währungsfonds die Bundesrepublik niveau geschuldet – die Wachstumsraten aufnahme im Hinblick auf die BRIC-, ja Deutschland für das Jahr 2010 noch auf imposant, hält man sich zum Beispiel die sogar auf alle sechs BRICKS-Staaten, bestä- Rang 5. Zehn Jahre später ist es Rang 6, im Volksrepublik China vor Augen, wo die tigen – gestützt auf die Erfahrungen unserer Jahr 2030 Rang 7 und im Jahr 2050 nimmt Abdeckungsquote in der Alterssicherung Kooperationsvorhaben mit diesen Ländern. Deutschland schließlich Rang 9 ein – allein in den vergangenen vier Jahren um deutlich hinter den vier BRIC-Staaten.4 50 Prozent gestiegen ist. Allerdings verfügt Internationale Partnerschaften mit derzeit gerade 257 Millionen Menschen Die DGUV unterhält zu allen diesen Län- Nicht nur aufgrund ihrer wirtschaftlichen noch lange nicht ein ausreichend großer dern partnerschaftliche Beziehungen und Wachstumsraten ist in den kommenden Teil der Gesamtbevölkerung über eine Al- pflegt den intensiven Austausch zu relevan- Jahrzehnten mit den BRIC-Staaten zu rech- terssicherung. Der Weg zu einer wirklich ten Themen der Unfallversicherung. Warum nen. Die Länder erzielen auch im Hinblick umfassenden Abdeckung mit adäquatem tun wir das? Zum einen, ganz einfach, weil auf die soziale Absicherung ihrer Bürgerin- Sozialschutz ist also noch weit, aber die wir gefragt werden. Brasilien, Russland, In- nen und Bürger derart rasche und weitrei- Pläne sind ehrgeizig und die unternomme- dien und China haben – zu unterschiedli- chende Fortschritte, dass ihnen interna- nen Schritte groß. Für „unseren“ Zweig der chen Themen und auf unterschiedlichen tionale Experten hierin inzwischen eine sozialen Sicherung, die gesetzliche Versi- Niveaus – erheblichen Beratungsbedarf in weltweite Führungsrolle zubilligen. 5 Na- cherung gegen Arbeitsunfälle und Berufs- Bezug auf die Ausweitung und qualitative türlich sind – dem niedrigen Ausgangs- krankheiten, können wir diese Bestands- Verbesserung ihrer sozialen Unfallversi- 8 · DGUV Forum 11/11
Die internationalen Handlungsfelder der DGUV cherungen. Dabei ändert sich der Bedarf im eigenen Vorteil zu nutzen. Als voriges er insbesondere einer Zusammenarbeit Laufe der Zeit, differenziert sich mithin aus: Jahr zum Beispiel ein deutscher Maschi- mit der DGUV beimisst. Leistete der HVBG in den neunziger Jahren nen- und Anlagenbauer sein Personal in des letzten Jahrhunderts noch umfassende China im Bereich Arbeitsschutz schulen Die im Zweijahresrhythmus stattfinden- Hilfe bei der grundlegenden Reform der Un- wollte, ließ er sich zuerst von der DGUV de Strategiekonferenz der DGUV zu The- fallversicherung in der russischen Födera- über rechtliche Rahmenbedingungen so- men des Gesundheits- und Arbeitsschut- tion, so sind es aktuell Detailprobleme wie wie operative Voraussetzungen informie- zes hat sich inzwischen als bedeutendes etwa die Berechnung risikoadäquater Bei- ren und wichtige Kontakte und Experten internationales Forum für den Austausch träge für Unternehmen, zu denen der rus- in diesem Bereich vermitteln. Über den über Präventionsthemen etabliert. Ulrike sische Sozialversicherungsfonds (SIF) die unmittelbaren Nutzen, den unsere Versi- Bollmann und Sven Timm berichten in DGUV um Rat bittet. Gleiches gilt für die cherten aus derlei internationalen Bera- dieser Ausgabe von der jüngsten Konfe- übrigen unter dem Kürzel BRIC beziehungs- tungsprojekten gewinnen, haben wir an renz in Dresden, auf der einmal mehr in- weise BRICKS zusammengefassten Länder. dieser Stelle wiederholt berichtet. 6 ternationale Experten zum strategischen Agenda-Setting im Arbeits- und Gesund- Zusammenarbeit ist keine heitsschutz zusammentrafen. Selbstver- Einbahnstraße ständlich berichten wir auch aktuell über Der dritte Grund schließlich für unse- die weltgrößte Expertentagung zu The- re Offenheit gegenüber internationalen men der Prävention, dem XIX. Weltkon- Gesuchen ist, dass derartige Koopera- gress für Sicherheit und Gesundheit bei tionen niemals nur eine Einbahnstraße der Arbeit, der im September in Istanbul darstellen, wir als Versicherungssystem stattfand. mithin selbst zu den Lernenden und da- mit unmittelbar zu den Profiteuren einer Schwerpunkt Europa Zusammenarbeit gehören. Unbeschadet der in den vergangenen Jahren gewachsenen außereuropäischen Über die Inhalte einzelner Kooperati- Kontakte, Kooperationen und Vernet- onsprojekte mit verschiedenen (nicht zungen liegt das Hauptaugenmerk der nur BRIC-) Ländern berichten wir in re- internationalen Aktivitäten der DGUV gelmäßiger Folge. So zuletzt über das naturgemäß auf dem europäischen deutsch-brasilianische Abkommen in Handlungsfeld. Die europäische Sozial- der beruflichen Rehabilitation 7, über den politik fordert das System der gesetzli- deutsch-koreanischen Kooperationsver- chen Unfallversicherung immer wieder, trag zum Arbeitsschutz 8 oder über die sich seiner Wesensmerkmale bewusst Zusammenarbeit der DGUV mit dem in- zu werden, diese in aktuellen Bezügen dischen Bundesstaat Maharashtra, 9 de- zu konkretisieren und in laufende poli- ren Fortentwicklung auch Thema eines tische Planungs- und Entscheidungspro- Beitrags in diesem Heft ist. Ebenfalls In- zesse einzuspeisen. Die in diesem Jahr halt eines kurzen Beitrags in dieser Aus- verabschiedete Patientenrichtlinie ist gabe ist die zweite Verlängerung des Ko- eine aktuelle sozialpolitische Regulie- Vorteile für deutsche Unternehmen operationsvertrages der DGUV mit dem rungsmaßnahme, in deren Entstehungs- Wir halten es für wichtig, in der Zusam- chinesischen Arbeitsministerium. China phase nicht einmal die Grundpfeiler des menarbeit mit diesen Ländern unser will sich in den kommenden Jahren vor gesteuerten Heilverfahrens der gesetz- Profil als international gefragtes Refe- allem auf den Ausbau der Präventions- lichen Unfallversicherung sakrosankt renzsystem für die gesamte Bandbrei- und Rehabilitationsleistungen der ge- und in ihrem Fortbestehen gesichert te unfallversicherungsspezifischer The- setzlichen Unfallversicherung konzent- waren. 10 Glücklicherweise konnte mit men zu wahren und zu schärfen – ob es rieren. Unterstützung zahlreicher Partner ent- um den Neuaufbau eines Unfallversiche- scheidend Einfluss auf die ersten Richt- rungssystems, um seine Reform oder um Auch in Malaysia beherrscht das Thema linienentwürfe genommen werden, so einzelne Themenfelder aus der Präventi- „Rehabilitation“ die Agenda der staat- dass wichtige Steuerungselemente des on, Rehabilitation oder Beitragsberech- lichen Sozialversicherung. Mohammed Rehabilitationsprozesses – wie etwa das nung geht. Es ist nämlich – und das ist Azman, zuständiger Geschäftsführer der D-Arzt-Verfahren – inzwischen in ihrem der zweite Grund für unser internationa- malaysischen Organisation für Soziale Fortbestand gesichert sind. Ilka Wölfle les Engagement – ganz im Sinne unserer Sicherheit, erläutert in einem Interview fasst in ihrem „Bericht aus Brüssel“ die Mitgliedsunternehmen, die aus diesen in diesem Heft, warum sein Land dem wichtigsten Entwicklungen auf europäi- Kooperationen gewonnenen politischen Thema „Return to Work“ große Aufmerk- scher Ebene mit Relevanz für die gesetz- Zugangsmöglichkeiten der DGUV zum samkeit schenkt und welche Bedeutung liche Unfallversicherung zusammen. ▸ DGUV Forum 11/11 · 9
Titelthema *1 www2.goldmansachs.com/ideas/ päischen Forums Unfallversicherung in oben erwähnt, zu Südkorea; aber auch Dresden wichtige Impulse nach Übersee in Mexiko, auf den Philippinen, in Nige- brics / building-better-doc.pdf gegeben werden. Das Forum erwies sich ria und Vietnam kennt man die DGUV als 2 The N-11: More Than an Acronym, Global einmal mehr als Plattform für den Aus- verlässlichen Partner aus der Zusammen- Economics Paper No. 153, Goldman Sachs, tausch von „best practices“ – nicht nur im arbeit in internationalen Organisationen 2007. europäischen Raum, sondern weit darü- wie der IVSS). 3 Quelle: de.wikipedia.org / wiki / ber hinaus, wie Eva-Marie Höffer berich- BRICS-Staaten tet. Dass das europaweite Zusammenwir- Alles in allem geht es bei einer auf die 4 Wirtschaftswoche Nr. 23 vom 6. Juni 2011. ken auch Themen wie die Integration von Erzielung von Mehrwert ausgerichteten Arbeits- und Gesundheitsschutz in das Auslandsarbeit nicht darum, irgendwel- 5 Internationale Vereinigung für Soziale lebenslange Lernen wirksam befördern che Listen abzuarbeiten oder möglichst Sicherheit: BRICS-Länder führend bei der Ausweitung der sozialen Sicherheit, in: kann, skizziert Ulrike Bollmann in ihrem zahlreiche und vermeintlich illustre Kon- IVSS Newsletter Nr. 6 / 2011. Beitrag in diesem Heft. takte und Partnerschaften um ihrer selbst willen zu unterhalten. Prüfstein ist einzig 6 Allgemein zuletzt im DGUV Forum, Heft 11 / 09, S. 10 f.; am konkreten Ausblick und allein der durch internationale Ko- Beispiel der Kooperation mit Kolumbien Jim O’Neill schrieb im Jahr 2001: „It is operationen zusätzlich generierte Nut- in „Die BG“, Heft 12 / 08, S. 438. time for the world to build better global zen – für die Versichertengemeinschaft, 7 DGUV Forum, Heft 7-8 / 11, S. 45. economic BRICs.“11 Für die DGUV dür- die Unternehmen und öffentlichen Ein- fen wir zehn Jahre nach diesem Appell richtungen als Beitragszahler; und nicht 8 DGUV Kompakt, Juni 2011, S. 2. feststellen, dass sie nicht nur diesen An- zuletzt für das gesamte System einer ge- 9 DGUV Forum, Heft 6 / 10, S. 32 f. spruch gemeinsam mit ihren zahlreichen setzlichen Unfallversicherung als wichti- 10 Siehe DGUV Forum, Heft 11 / 09, S. 26 ff. internationalen Partnern um die Dimensi- ge Säule des sozialen Sicherungssystems. on des Sozialschutzes erweitert, sondern Und hier, das zeigen die abgeschlossenen 11 Jim O’Neill, siehe FN 1. wichtige Beiträge zu seiner nachhaltigen und laufenden Projekte mit sowohl euro- Umsetzung geleistet hat – nicht nur in päischen und BRIC- als auch Next-Eleven- den BRIC-Staaten. Staaten, steht die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung international ganz Die Koordinierung der europäischen Sozi- Obschon unser Handlungsschwerpunkt weit vorne. alsysteme ist eine wichtige Voraussetzung weiterhin in Europa liegen wird, sollten zur Ermöglichung grenzüberschreitender wir als gesetzliche Unfallversicherung Dank gebührt allen, die hieran – zum Teil Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Bilate- auch künftig frühzeitig zu jenen (außer- seit mehreren Jahren – tatkräftig mitwir- rale Regelungen mit außereuropäischen europäischen) Ländern und Sozialversi- ken. Einige davon gewähren Ihnen als Ländern sowie nationale Vorschriften (et- cherungssystemen Kontakte knüpfen, die Autorinnen und Autoren dieses Schwer- wa zur Aus- und Einstrahlung) komplet- im Rahmen einer Zusammenarbeit auch punktheftes Einblick in ihre interessante tieren die Bandbreite der komplexen Re- Nutzenpotenziale für unser eigenes Sys- Arbeit und in das spannende Aktionsfeld gelwerke über den Versicherungsschutz tem freizusetzen vermögen. Sei es, indem internationaler Zusammenarbeit. ● von im Ausland beschäftigten Arbeitneh- wir (das heißt unsere Versicherten und mern. Naturgemäß fördert ein derart um- Mitgliedsunternehmen) technisch bezie- fangreiches und ständig weiterentwickel- hungsweise fachlich davon profitieren Autor tes Regelwerk auch Problemlagen und oder aber das gesamte System nachhalti- Fragestellungen zutage, wie die Beiträ- ge politische Unterstützung erfährt. ge von Iris Hillemann, Eva-Marie Höffer und Helmut Maxeiner beleuchten. Welch Es seien der Vollständigkeit halber ab- hohen Stellenwert auch einzelne Unfall- schließend auch die sogenannten „Next versicherungsträger einer Betreuung ih- Eleven“-Staaten erwähnt, jene elf Länder, rer Versicherten im Ausland beimessen, denen der Goldman-Sachs-Chefvolkswirt erläutern Volker Brinkmann und Jens zutraut, einen ähnlichen wirtschaftlichen Ullrich am Beispiel der Berufsgenossen- Aufschwung zu erleben wie die von ihm schaft Holz und Metall. zuvor untersuchten BRIC-Staaten. Ein Foto: Privat näherer Blick auf diese Staaten (Ägypten, Aber Europa wirft nicht nur Fragen auf; Bangladesch, Indonesien, Iran, Mexiko, Europa erweist sich in zahlreichen Belan- Nigeria, Pakistan, Philippinen, Südko- Dr. Stefan Zimmer gen der Unfallversicherung auch als Ka- rea, Türkei, Vietnam) zeigt, dass wir zu Leiter der Abteilung „Internationale talysator für neue Entwicklungen – weit den wichtigsten unter ihnen bereits wert- Beziehungen, Verbindungsstelle“, über seine Grenzen hinaus. So konnten volle Kontakte unterhalten (sehr intensiv DGUV (bis 30. September 2011) auf der diesjährigen Konferenz des Euro- zum Beispiel zur Türkei und, wie bereits 10 · DGUV Forum 11/11
Titelthema Indien Kooperation gegen Arbeitsunfälle Seit März 2010 kooperiert die DGUV mit dem indischen Bundesstaat Maharashtra und dem indischen National Safety Council auf dem Gebiet der Unfallversicherung. Es tut sich in Indien derzeit einiges im Bereich der sozialen Sicherung. „D eutschland und Indien: unbe- Unterschiedliche Sicherheitskulturen Foto: DGUV grenzte Möglichkeiten“, das ist Ein deutsch-indischer Expertenaus- das Motto des gerade begonne- tausch, der in Mumbai im Februar 2011 nen deutsch-indischen Jahres. 1 Indien stattfand, zeigte: Während technische wies im Jahr 2010 ein Wirtschaftswachs- Standards sowie Management- und Un- tum von 7 Prozent 2 auf. Nach wie vor ist ternehmenskulturen durchaus vergleich- Deutschland für Indien der mit Abstand bar sind, gibt es deutliche Unterschiede wichtigste Handelspartner in Europa. Im in der Sicherheitskultur. So fehlen etwa Jahr 2010 betrug das Handelsvolumen Sicherheitseinweisungen und Kontroll- beider Länder über 15 Milliarden Euro. 3 mechanismen zur Einhaltung von Si- Die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der cherheitsregeln, eine innerbetriebliche Unfallversicherung steht im Kontext soli- Arbeits- und Gesundheitsschutzkultur der Außen- und Wirtschaftsbeziehungen. sowie Regelungen zum technischen Ar- Baustelle in Indien: Sicherheitsstandards beitsschutz. Sicherheitsstandards sind sind mit Ausnahme von Großbaustellen Es gibt viel zu tun insbesondere im Baubereich mit Ausnah- kaum oder gar nicht vorhanden. Beschäftigte aus Deutschland, die in Indi- me von Großbaustellen kaum oder gar en auf Montageeinsätzen unterwegs sind, nicht vorhanden. Dies zeigt sich eklatant stellen sich angesichts der Sicherheits- bei Absturzsicherungen. welches die bargeldlose Krankenhaus- und Arbeitsschutzbedingungen vor Ort versorgung für Familien unterhalb der schnell die Frage nach einem Unfallversi- Das Arbeitsinspektorat Maharashtra führ- Armutsgrenze ermöglicht. Entwickelt als cherungssystem und Regelungen zum Ar- te nun im Juli mit Unterstützung der deut- „Blaupause“ für andere Bereiche der so- beits- und Gesundheitsschutz. „Da ist viel schen Unfallversicherung einen Schu- zialen Sicherung 5 zählt es zu den 18 inno- zu tun“ – so das persönliche Fazit eines lungsworkshop für das Management von vativsten Programmen weltweit. 6 Zuneh- deutschen Ingenieurs nach seiner Rück- Bauunternehmen sowie für Sicherheits- mend rückt auch das Risiko Arbeitsunfall kehr von einem Instandhaltungseinsatz fachkräfte und Arbeitssicherheitsinspek- in den Fokus. Verletzungen und Tod infol- in Indien. toren durch. Weitere Veranstaltungen ge von Arbeitsunfällen können angesichts sind in Planung. des damit verbundenen Einkommensver- *1 www.goethe.de/delhi/dui lustes sowie hoher Behandlungskosten Die indische Arbeitsschutzorganisati- zu einer Überlebensfrage für eine gesam- 2 Deutsch-indische Handelskammer, on National Safety Council plant mit der te Familie werden. 7 Jahrestreffen Düsseldorf, 9. Juni 2011. DGUV für Januar 2012 einen Workshop zu aktuellen Themen der Arbeitssicherheit. Weit vorangeschritten sind Überlegungen 3 Deutsch-indische Handelskammer, Jahrestreffen Düsseldorf, 9. Juni 2011. Der Workshop ist offizieller Programm- in Richtung einer Unfallversicherung im bestandteil des deutsch-indischen Jahres Bundesstaat Maharashtra, der ein Mo- 4 Höffer, E.-M.: Wunder Indien – Soziale 2011–2012. dellprojekt vorbereitet, das eine Absiche- Sicherung in einem aufstrebenden Land, Die BG 11 / 07, S. 446 ff. Höffer, E.-M.: Indien rung gegen Arbeitsunfälle vorsieht und – Grundstein für Zusammenarbeit im Soziale Absicherung – sich dabei an den Elementen der gesetzli- Arbeitsschutz, DGUV Forum 6 / 10, S. 32 ff. innovative Modelle chen Unfallversicherung in Deutschland 5 www.rsby.gov.in/ Der Ausbau des sozialen Netzes in Indi- orientieren will. ● en schreitet voran. Die Aktivitäten betref- 6 UNDP, ILO: Sharing Innovative Experiences: Successful Social Protection Floor fen vor allem den unorganisierten Sektor, Autorin Experiences (vol 18). der zirka 93 Prozent der arbeitenden Be- Eva-Marie Höffer, völkerung erfasst. 4 Sehr erfolgreich hat Leiterin des Referats Internationales 7 MPRA Paper No. 9247, mpra.ub.uni- die indische Regierung das Krankenver- Sozialrecht / Europarecht, DGUV muenchen.de / 9247 sicherungssystem (RSBY) implementiert, E-Mail: eva-marie.hoeffer@dguv.de DGUV Forum 11/11 · 11
Titelthema Entsendung ins Ausland Die Aus- und Einstrahlung – Entwicklungen und Tendenzen Im Zeitalter der Globalisierung ist es für Unternehmen weltweit selbstverständlich, Mitarbeiter ins Ausland zu entsenden. Die Tätigkeiten können in der Durchführung von Projekten wie dem Bau von Staudämmen bestehen oder der vorübergehenden Beschäftigung in einem anderen Unternehmen eines Konzerns dienen. D as nationale Recht enthält im bestehenden inländischen Beschäftigungs- Die Einstrahlung gemäß § 5 SGB IV betrifft Sozialgesetzbuch (SGB) IV mit den verhältnisses für einen im Voraus begrenz- den umgekehrten Fall: Ein Mitarbeiter §§ 4, 5 Regelungen zur sogenann- ten Zeitraum ins Ausland entsandt. Lie- wird durch ein ausländisches Unterneh- ten Aus- und Einstrahlung. Diese Regelun- gen die einzelnen Voraussetzungen vor, men für einen im Voraus begrenzten Zeit- gen stellen eine Ausnahme von dem sonst so gilt während des Auslandsaufenthaltes raum nach Deutschland entsandt, um hier im Sozialgesetzbuch geltenden Territoria- deutsches Sozialversicherungsrecht. Da für das Unternehmen zu arbeiten. Liegen litätsprinzip (§ 3 SGB IV) dar und greifen die Frage, ob eine Entsendung vorliegt, die Voraussetzungen einer Einstrahlung in allen Fällen, in denen weder die Rege- nicht immer klar zu beantworten ist, ha- vor, finden die Regelungen des deutschen lungen des europäischen koordinieren- ben die Spitzenverbände der Sozialversi- Sozialversicherungsrechts keine Anwen- den Verordnungsrechts noch Abkommen cherungsträger Kriterien 1 entwickelt, die dung. Da es sich um eine nationale Vor- zur sozialen Sicherung einschlägig sind als Leitfaden dienen und eine einheitliche schrift handelt, ist es möglich, dass auch (Vorrang des über- und zwischenstaatli- Rechtsausübung seitens der Sozialversi- nach dem Recht des Staates, aus dem die chen Rechts, § 6 SGB IV). Es geht also um cherungsträger herstellen sollen. Die Richt- Entsendung erfolgt, keine Versicherungs- Entsendungen, auf die in Bezug auf die linien berücksichtigen Entwicklungen aus pflicht vorliegt, sodass gar kein Sozialver- Unfallversicherung keine vorrangigen eu- der Praxis und der Rechtsprechung und sicherungsschutz besteht. ropäischen oder Abkommensregelungen werden regelmäßig überarbeitet. anzuwenden sind, wie beispielsweise nach Auch wenn das Prinzip der Aus- und Ein- China, Indien, in die USA, nach Australien Da es sich bei § 4 SGB IV um eine nationale strahlung einfach und einleuchtend er- oder Japan. Regelung handelt, kann in Fällen der scheinen mag, verbinden sich damit in der Ausstrahlung eine Doppelversicherung Praxis eine Reihe von Fragestellungen. Ex- Grundzüge der Aus- und Einstrahlung eintreten, was möglicherweise zu einer emplarisch sei auf folgende Änderungen Im Fall einer Ausstrahlung gemäß § 4 SGB doppelten Heranziehung des deutschen der Richtlinien hingewiesen: IV wird ein Mitarbeiter im Rahmen eines Unternehmens zu Beiträgen führen kann.2 Einstellung für Auslandstätigkeit Grundsätzlich ist es in Bezug auf die Aus- strahlung unschädlich, wenn eine Person eigens für eine Tätigkeit im Ausland ein- gestellt wird; lag zuvor keine Beschäfti- gung im Inland vor, muss sie zumindest ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt haben. In diesem Fall kommt aber nunmehr der Weiterbeschäftigung im ent- sendenden Unternehmen besondere Be- deutung zu. Ausdrücklich geregelt ist nun, dass bei Fehlen sowohl einer vorherigen Beschäftigung als auch einer Perspektive Foto: Fotolia / akf für eine anschließende Beschäftigung des entsandten Arbeitnehmers bei dem ent- sendenden Unternehmen in Deutschland keine Entsendung im Sinne der Ausstrah- 12 · DGUV Forum 11/11
Aus- und Einstrahlung *1 Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung punkt der Beschäftigung ins Ausland ver- lagert, besteht kein Schutz über die gesetz- (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV) (Stand: 2. November 2010); Textsammlung liche Unfallversicherung. Allerdings kann „Aichberger“ Sozialgesetzbuch Nr. 4 / 30. der Unternehmer für seinen Mitarbeiter 2 Höffer, die BG, 11 / 07, S. 444 ff. Doppelversicherung bei Entsendung von Mitarbeitern eine Auslandsversicherung abschließen, ins Ausland. soweit der Unfallversicherungsträger eine 3 Vgl. BSG, Urteil vom 7.11.1996, 12 RK 79 / 94, USK 9651. solche eingerichtet hat oder Mitglied in ei- ner derartigen Einrichtung ist (§§ 140 Abs. 4 Vgl. Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV); Textsammlung „Aichberger“ 2, 142 SGB VII). 7 Damit besteht letztlich Sozialgesetzbuch Nr. 4 / 30. die Möglichkeit, auch in diesen Fällen ei- ne Absicherung nach den Regelungen der 5 BSG, Urteil vom 7.11.1996, 12 RK 79 / 94, USK 9651. gesetzlichen Unfallversicherung herbei- 6 Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der zuführen.8 Die Unfallversicherungsträger Bundesagentur für Arbeit über gemeinsame Fragen des Beitragseinzugs am 30.3.2011. bieten damit größtmöglichen Schutz auch 7 Eine Auslandsversicherung ist derzeit bei sieben Unfallversicherungsträgern möglich. bei Einsätzen im Ausland. ● 8 Siehe im Detail Brinkmann, Ullrich „Auslandsversicherung der BGHM – Gut betreut im Ausland“ in diesem Heft. lung vorliegt. Diese Konkretisierung voll- Unternehmen ein zu diesem fortbeste- Autorinnen zieht die gängige Praxis der Krankenversi- hendes Beschäftigungsverhältnis ange- cherung nach. nommen werden …“ 3 Eine Entsendung scheidet regelmäßig dann aus, wenn das Musterantrag Entsendung Arbeitsverhältnis in Deutschland ruht, Im Anhang der aktuellen Fassung der beziehungsweise in Deutschland nur ein Aus- und Einstrahlungsrichtlinien befin- „Rumpfarbeitsverhältnis“ vorliegt.4 Letzt- det sich neu ein Musterantrag, mit dem der lich verlangt das Bundessozialgericht bei Unternehmer gegenüber der zuständigen Konzernentsendungen auch, dass das Einzugsstelle (§§ 28 h Abs. 2, 28 i SGB IV) Entgelt ausschließlich seitens des deut- verlangen kann, eine Feststellung darü- schen Arbeitgebers gezahlt wird. Foto: Privat ber zu treffen, ob es sich um eine Entsen- dung handelt oder nicht. Der Arbeitgeber Nach Rechtsprechung des Bundessozial- hat damit nunmehr ein Antragsformular gerichts ist zudem bei Konzernunterneh- Eva-Marie Höffer an der Hand, mit dem er bei seiner zu- men maßgebend, ob das Arbeitsentgelt Leiterin des Referats Internationales ständigen Krankenkasse eine Entschei- bei der Gewinnermittlung im Inland als Sozialrecht / Europarecht, DGUV dung über das Vorliegen einer Entsen- Betriebsausgabe steuerrechtlich geltend E-Mail: eva-marie.hoeffer@dguv.de dung herbeiführen kann. gemacht wird. 5 Die Spitzenverbände der Sozialversicherung sind nun übereinge- Konzerninterne Entsendung kommen, bei kurzfristigen Entsendungen Fragen entstehen auch bei der Entsen- von bis zu zwei Monaten, in denen der dung von Mitarbeitern in ein Konzernun- Entgeltanspruch sich ausschließlich ge- ternehmen. Oft erschweren die gewähl- gen den entsendenden Arbeitgeber rich- ten vertraglichen Konstellationen eine tet und soweit kein anderer Arbeitnehmer eindeutige Zuordnung, etwa dann, wenn abgelöst wird, die steuerliche Geltendma- neben dem deutschen Arbeitsvertrag ein chung als Betriebsausgabe durch die auf- weiterer Arbeitsvertrag mit dem ausländi- nehmende Konzerngesellschaft als un- schen Unternehmen abgeschlossen wird schädlich anzusehen.6 Foto: DGUV oder das Entgelt geteilt wird. Das Bun- dessozialgericht verlangt: „Sind sowohl Auslandsversicherung zur Mutter- als auch zur Tochtergesell- Liegt eine der Voraussetzungen der Aus- Iris Hillemann schaft rechtliche Bindungen vorhanden, strahlung nicht vor, etwa weil die zeitliche Referentin für Internationales die für ein Beschäftigungsverhältnis spre- Befristung des Auslandseinsatzes nicht im Sozialrecht und Europarecht, DGUV chen, kann nur bei hinreichender Inten- Voraus abzusehen ist oder sich bei einer E-Mail: iris.hillemann@dguv.de sität der Bindungen zum entsendenden konzerninternen Entsendung der Schwer- DGUV Forum 11/11 · 13
Titelthema Interview zur Unfallversicherung in Malaysia „Rückkehr zur Arbeit bedeutet ins Leben zurückkehren“ Vor rund fünf Jahren führte die staatliche Sozialversicherungs- Foto: DGUV einrichtung (SOCSO) in Malaysia ein „Return-to-Work“- Programm ein, um Versicherte, die einen Arbeitsunfall erlitten haben oder eine Invalidenrente beziehen, wieder in das Berufs- leben einzugliedern. Dabei orientierte sich Malaysia am Modell der deutschen gesetz- lichen Unfallversicherung und verfolgt einen umfassenden Ansatz der Rehabilitation. Mohammed Azman Bin Aziz Mohammed, zu- ständiger Verantwortlicher der Organisation für Soziale Sicherheit Mohammed Azman Bin Aziz Mohammed in Kuala Lumpur, erläutert im Interview für DGUV Forum, wie die Deputy Chief Executive Officer (Operations), Einführung des Return-to-Work-Ansatzes gelungen ist. Social Security Organization, Kuala Lumpur, Malaysia Herr Dr. Azman, welche Beweggründe stand darin, die Akzeptanz der Interes- Manager und Ende 2009 gab es 35 Case haben Sie dazu veranlasst, ein Return-to- senvertreter zu erlangen. Es dauerte eine Manager in Malaysia. In der Hauptsache Work-Programm in Malaysia zu etablie- Weile, davon zu überzeugen, dass Return konzentrierten wir uns während dieser ren? Welche Probleme gab es zuvor? to Work der globale Paradigmenwechsel Phase auf eines: „Ergebnisse, Ergebnis- im Bereich der sozialen Sicherheit sein se, Ergebnisse“. Als ich erstmals auf einer Konferenz über wird. SOCSO galt stets als eine Organi- Disability Management und Return to sation, die Entschädigungsleistungen er- Was waren Ihre strategischen Ziele? Work hörte, war ich sofort davon über- bringt. Diese Praxis zu ändern, war sehr zeugt, dass diese Strategien neben Prä- schwierig. Aber hier haben wir in den ver- Zuallererst war es wichtig, die betroffe- vention und Entschädigung der richtige gangenen Jahren viel erreicht. nen Personen mit ins Boot zu holen, al- Weg sind, ein fundiertes System für sozi- so Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Ärzte und ale Sicherheit einzurichten. In der Folge Was haben Sie konkret getan, um ein andere. Wir haben diese Akzeptanz über habe ich jede Gelegenheit genutzt, um ge- Return-to-Work-Programm innerhalb der vier nationale Konferenzen herbeigeführt, nau zu verstehen, wie solche Maßnahmen Sozialversicherung einzuführen? die nun weiterhin jährlich stattfinden sol- in das Sozialsystem von Malaysia integ- len. Ich glaube, dass die Sensibilisierung riert werden können. Der besondere Vor- Das Ganze war wirklich ein großes Aben- ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg des teil des Return-to-Work-Programms liegt teuer. Es war harte Arbeit, bis ich jeden Programms ist. Weiterhin bestand unsere für Verletzte und Kranke darin, dass es Interessensvertreter auf jeder Ebene über- Vorgehensweise darin, empirische Daten nicht nur Unterstützung beim Wiederein- zeugt hatte. 2005 erhielten wir die Geneh- zu sammeln, die für die Einführung eines stieg in den Arbeitsalltag bietet, sondern migung für ein Pilotprojekt. Ich wusste Return-to-Work-Programms sprechen, und das „Leben“ insgesamt fördert. Wenn sie damals genau, dass es galt, schnellstmög- die rechtlichen Rahmenbedingungen zu an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, keh- lich Ergebnisse vorzuweisen. Die Resulta- überprüfen. Als wir herausfanden, dass ren sie damit auch ins Leben zurück. Da- te aus dem Pilotprojekt waren vielverspre- unser Sozialgesetzbuch von 1969 die recht- rüber hinaus ist es definitiv „die Strate- chend, 2007 konnten wir bei SOCSO die lichen Grundlagen für eine Förderung ins gie“ für ein nachhaltiges und gleichzeitig ersten fünf Case Manager (Fallmanager) Berufsleben enthält und die empirischen dynamisches Sozialsystem. einstellen. Aufgrund guter Fallzahlen Daten für die Einführung eines derartigen konnten wir das Topmanagement davon Programms vorlagen, begannen wir mit Eine unserer größten Herausforderungen überzeugen, das Programm weiter auszu- unseren Veränderungsprozessen. Hierzu bei der Implementierung des Projekts be- dehnen. 2008 folgten weitere fünf Case zählte insbesondere die Aufklärung und 14 · DGUV Forum 11/11
Interview Schulung unserer eigenen Mitarbeiter da- menarbeiteten. Seither agiert die DGUV als SO als soziale Institution sehen, die eine rüber, was Disability Management ist und unser Partner. Teilnahme an anstelle eines Ausschlus- welchen Wert es für die soziale Sicherung ses aus der Gesellschaft ermöglicht. Im hat. Wir vermittelten dabei den Kernge- Wenn Sie einen Blick auf unsere Gesetze Hinblick auf die Kosten-Nutzen-Bewer- danken, dass soziale Sicherung nicht al- werfen, werden Sie schnell die Ähnlich- tung hat das Return-to-Work-Programm lein in finanzieller Unterstützung besteht, keit mit dem Bismarck-System feststellen, bereits einige brauchbare Ergebnisse ge- sondern eine sozio-ökonomische Kompo- das meiner Meinung nach heutzutage ei- bracht, die eindeutig darauf hinweisen, nente hat. In einem weiteren Schritt haben nes der besten Sozialversicherungsmo- dass das Programm selbst sehr nachhal- wir dann unsere Standardabläufe geän- delle weltweit darstellt. Die DGUV und tig orientiert ist. Aus Sicht eines Sozial- dert, um Return to Work in unser System SOCSO weisen zahlreiche Gemeinsamkei- versichungspraktikers gibt es für mich integrieren zu können. ten auf. Wir werden die gute Zusammen- jedoch einen viel wichtigeren Punkt: Die- arbeit mit der DGUV, der anerkanntesten ser liegt in den qualitativen Vorteilen des Welche Rolle hat die gesetzliche Unfall- Sozialversicherungsinstitution weltweit, Programms, das Beschäftigten, die einen versicherung in Deutschland bei der Ein- definitiv fortführen. Arbeitsunfall erlitten haben und Invalidi- führung des Return-to-Work-Programms tätsrente beanspruchen, Selbstvertrau- gespielt? Wie sieht Ihre Bilanz heute aus? en, Selbstwertgefühl, Unabhängigkeit, Berufsziele, Fähigkeiten und gesundheit- Das erste offizielle Zusammentreffen mit Ich würde die SOCSO heute als eine Or- liches Wohlbefinden zurückgibt. Herrn Dr. Breuer fand Anfang 2009 statt, ganisation sehen, die in der Lage ist, ih- als unser Minister für Humanressourcen ren Versicherten zu sozialer Gerechtig- Wir danken für das Gespräch. ● die DGUV in München offiziell besuch- keit zu verhelfen, als eine Organisation, te. Anschließend entsendete SOCSO zwei die verletzten Arbeitnehmern nicht nur Case Manager nach Deutschland, wo sie Sympathie entgegenbringt, sondern Mög- Das Interview führten Eva-Marie Höffer drei Monate lang mit der DGUV zusam- lichkeiten eröffnet. Ich möchte die SOC- und Dr. Dagmar Schittly, DGUV Forum. Foto: Fotolia / bruder jakob „Zuallererst war es wichtig, die betroffenen Personen mit ins Boot zu holen, also Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Ärzte und andere. Wir haben diese Akzeptanz über vier nationale Konferenzen herbeigeführt, die nun weiterhin jährlich stattfinden sollen.“ DGUV Forum 11/11 · 15
Titelthema Foto: DGUV Die Teilnehmer der Strategiekonferenz in Dresden Internationale Strategiekonferenz Entwicklung einer weltweiten Präventionskultur Die im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindende Internationale Strategiekonferenz der DGUV in Dresden bietet eine Plattform für die kritische Reflexion von Arbeitsschutzstrategien national und international sowie von Strategien zu deren Umsetzung. I m Januar 2009 fand in der DGUV 1. Reduzierung von Arbeitsunfällen und Die dritte Internationale Strategiekonfe- Akademie Dresden die 1. Strategie- Berufskrankheiten („Vision Zero“) renz ist für Ende Januar / Anfang Februar konferenz „Brücken bauen zwischen 2. Bewusstseinsbildung, Aufbau von 2013 wiederum in der DGUV Akademie internationalen und nationalen Strate- Kompetenzen und Kapazitäten Dresden geplant. Thematisch wird sie an gien für Gesundheit und Sicherheit bei 3. Kooperation zwischen Arbeitsschutz das bisher Erreichte anknüpfen und den der Arbeit“ statt. Im Mittelpunkt der Kon- und öffentlicher Gesundheit strategischen Nutzen von Netzwerken für ferenz stand der Vergleich von Entwick- 4. Gesundheit und Sicherheit als die Entwicklung einer weltweiten Präven- lung, Umsetzung und Evaluation nationa- Bestandteil der Lebensführung tionskultur weiter entwickeln. Dabei soll ler Strategien im internationalen Kontext. 5. Integration der Prävention in das die Strategiekonferenz 2013 auch als ein 110 Experten aus 30 Nationen besuchten System der sozialen Sicherheit wichtiger, vorbereitender Baustein für das diese Veranstaltung, die von der DGUV in nächste Großereignis auf dem Weg zu ei- Zusammenarbeit mit der WHO sowie mit Ein weiteres zukunftsweisendes Ergebnis ner weltweiten Präventionskultur, den 20. der ILO, der IVSS, EU-OSHA, ICOH, IOHA der Konferenz war die Einsicht, dass eine Weltkongress für Sicherheit und Gesund- und IALI organisiert wurde. Die 2. Strate- bessere Integration des Arbeitsschutzes heit bei der Arbeit – das Globale Forum giekonferenz im Februar 2011 „Fünf Säu- in andere Politikfelder, wie etwa Ge- Prävention –, im August 2014 in Frankfurt len – Strategien für Sicherheit und Ge- sundheit, Bildung oder auch Medien, fungieren. ● sundheit bei der Arbeit“ hatte zum Ziel, zwingend notwendig ist und einen ei- einen Handlungsrahmen für die Umset- genen strategischen Ansatz voraussetzt. zung der verschiedenen Arbeitsschutz- Dieser sollte die Logiken des jeweils an- Autoren strategien als Beitrag zu einer ganzheit- deren Politikfeldes respektieren und be- Dr. Ulrike Bollmann, lichen Präventionskultur zu entwickeln. rücksichtigen. Insgesamt nahmen 110 Leiterin des Bereichs Internationale Experten aus 34 Ländern an der zwei- Kooperationen, Institut für Arbeit Fünf Kernthemen ten Konferenz teil: Teilnehmende aus 17 und Gesundheit der DGUV (IAG) Die Konferenzteilnehmerinnen und -teil- EU-Mitgliedstaaten und Albanien sowie E-Mail: Ulrike.bollmann@dguv.de nehmer identifizierten fünf Kernthemen den USA, Australien, Brasilien, Südkorea („Säulen“) als gemeinsame Meilensteine und Singapur sowie der Russischen Dr. Sven Timm, für die Umsetzung der verschiedenen Föderation, der Ukraine, Aserbaidschan Stabsbereich Prävention, DGUV Arbeitsschutzstrategien in der Zukunft: und Kirgisistan. E-Mail: Sven.timm@dguv.de 16 · DGUV Forum 11/11
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