ForumForum Ausgabe 11 2011 - Die internationalen Handlungsfelder der DGUV - DGUV forum

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        Forum
         Fachzeitschrift für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung   Ausgabe 11 • 2011

                                       Die internationalen
                                       Handlungsfelder der DGUV

        Auslandsversicherung Gut betreut im Ausland durch die BGHM
        Indien               Kooperation gegen Arbeitsunfälle
        Berufskrankheiten    Ein deutsch-polnisches Problem bei der
                             Entschädigung
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Editorial

                       Liebe Leserinnen,
                       liebe Leser,
                       „Wir benötigen einfache, aber wirksame Instrumente
                       im Arbeitsschutz.“ So kurz und knapp brachte Igor
                       Antauer, Generalsekretär des slowenischen Arbeitge-
                       berverbandes für kleine und mittlere Unternehmen,
                       sein Anliegen bei einem Deutschlandbesuch auf den
                       Punkt.

                       Mit seinem Wunsch nach Unterstützung und Be-
                       ratung steht Antauer nicht allein. Weltweit suchen
                       Staaten und Unternehmen nach guten Lösungen für
                       Prävention, Rehabilitation und Versicherung. Die
                       Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung und ihre
                       Mitglieder sind gefragte Gesprächspartner, ob es um

                                                                                                                Foto: DGUV
                       konkrete Kooperationen geht oder um den Aufbau
                       eines Unfallversicherungssystems.

                       So stellt die DGUV zum Beispiel der größten Unfallversicherung Kolumbiens das Mess-
                       system CUELA zur Verfügung. Die Kolumbianer ermitteln damit die Körperbelastung im
                       Blumenanbau und können auf diese Weise rückenschonende Ernteverfahren einführen.

                In China haben sich unsere Experten ebenfalls erfolgreich engagiert. Demnächst be-
                ginnt dort die dritte Kooperationsrunde. Ging es zu Beginn um die rechtliche Bera-
                                         tung bei der Einführung einer Unfallversicherung, so hilft
„Auch deutsche Unternehmen,              die DGUV ab 2012 dabei, das bestehende System um Aspekte
die Niederlassungen im Ausland der Prävention und Rehabilitation nach deutschem Vorbild
haben oder ihre Mitarbeiter              zu erweitern.
dorthin entsenden, profitieren
                                                Warum engagieren wir uns als gesetzliche Unfallversiche-
von sicheren und verlässlichen                  rung überhaupt im Ausland? Zählt das zu unseren Kernauf-
Arbeitsbedingungen dort.“                       gaben? Die Antwort lautet: Ja! Denn in einer global vernetz-
                                                ten Wirtschaftswelt sind Unterstützung und Wissenstransfer
                       keine Einbahnstraße. Auch deutsche Unternehmen, die Niederlassungen im Ausland
                       haben oder ihre Mitarbeiter dorthin entsenden, profitieren von sicheren und verlässli-
                       chen Arbeitsbedingungen dort. Internationale Kooperation hilft uns darüber hinaus,
                       die Standards für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit weltweit voran zu treiben.

                       Die derzeitige Finanzkrise zeigt uns, wie stark die Volkswirtschaften auf unserem Pla-
                       neten miteinander verwoben sind. Auch der Arbeitsschutz kann deshalb nicht an Gren-
                       zen Halt machen.

                       Mit den besten Grüßen
                       Ihr

                       Dr. Joachim Breuer
                       Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

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Inhalt

> Editorial / Inhalt >>>                                  2–3

> Aktuelles >>>                                           4–7

> Titelthema >>>                                        8 – 39
Europa, BRIC und Next Eleven                                  8
Die internationalen Handlungsfelder der DGUV
Stefan Zimmer
Indien                                                        11
Kooperation gegen Arbeitsunfälle
Eva-Marie Höffer
Entsendung ins Ausland                                       12
Die Aus- und Einstrahlung – Entwicklungen und Tendenzen

                                                                    18
Eva-Marie Höffer, Iris Hillemann
Interview zur Unfallversicherung in Malaysia                 14
„Rückkehr zur Arbeit bedeutet ins Leben zurückkehren“
Internationale Strategiekonferenz                            16
Entwicklung einer weltweiten Präventionskultur
Ulrike Bollmann, Sven Timm
Deutsch-chinesischer Kooperationsvertrag                     17
Weitere Verlängerung um drei Jahre
Stefan Zimmer
Auslandsversicherung der BGHM                                18
Gut betreut im Ausland
Volker Brinkmann, Jens Ullrich
Europäisches Forum Unfallversicherung                        21
Mehrwert internationaler Kooperation
Eva-Marie Höffer
Bericht über die Aktivitäten der EU                          22
Was gibt es Neues aus Brüssel?
Ilka Wölfle                                                         37
19. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 24
Für die Entwicklung einer globalen Präventionskultur
Sabine Herbst, Sven Timm
Prävention                                                   28
Lebenslanges Lernen – ein europäisches Projekt
Ulrike Bollmann
Ein deutsch-polnisches Problem der Entschädigung                   > Rehabilitation >>>                            40 – 41
von Berufskrankheiten                                        30
                                                                   Reha-Tage 2011                                         40
Rechtlich klar – tatsächlich nicht wirklich gelöst
                                                                   Rehabilitation und Selbstbestimmung
Helmut Maxeiner
                                                                   Elke Biesel
Offshore-Windparks                                           37
Neue Wege für die Sozialversicherung
Iris Hillemann
                                                                   > Medien / Impressum >>>                              42

                                                                                                         DGUV Forum 11/11 · 3
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Aktuelles

                Gesetzliche Unfallversicherung legt vorläufige Unfallzahlen vor
                Die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften haben die vor-     verweist auf die Wetterverhältnisse in den ersten Monaten
                läufigen Unfallzahlen für das erste Halbjahr 2011 veröffent-    des Jahres: Der Winter brachte 2011 deutlich weniger Eisglätte
                licht. Demnach ist die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsun-    als im Vorjahr. Trotzdem endeten mehr Unfälle tödlich: 167
                fälle im Beobachtungszeitraum um 0,5 Prozent auf 460.773       Menschen starben bei einem Wegeunfall, das sind 25 mehr
                gestiegen. „Dieser minimale Anstieg spiegelt die gute Kon-     als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
                junktur mit zahlreichen Neueinstellungen wider. Deutsch-
                land zählt aber nach wie vor im internationalen Vergleich zu   Einen deutlichen Anstieg gab es bei den meldepflichtigen
                den Ländern mit den sichersten Arbeitsbedingungen“, sagte      Schulunfällen. Im ersten Halbjahr 2011 verunglückten 12 Pro-
                Dr. Joachim Breuer, Hauptgeschäftsführer der DGUV.             zent mehr Kinder und Jugendliche in Bildungseinrichtungen
                                                                               als im Vorjahreszeitraum – insgesamt wurden den Unfallkas-
                Die Zahl der tödlichen Unfälle sank hingegen im Vergleich      sen 703.269 Fälle gemeldet.
                zum Vorjahreszeitraum um 19 auf 201. Gesunken ist auch die
                Zahl der Wegeunfälle. Sie ging im Vergleich zum Vorjahres-     !   Alle Zahlen finden Sie unter: www.dguv.de > Webcode: d25485
                zeitraum um 15,9 Prozent auf 101.147 zurück. Dieser Rückgang

Deutscher Arbeitsschutzpreis 2011 verliehen
Die Gewinner des „Deutschen Arbeits-                    nehmen ausgewählt. Dafür bewertete sie         Insgesamt hatten sich in diesem Jahr 202
schutzpreises 2011“ sind die bad & heizung              Produkte oder Prozesse der Unternehmen         Unternehmen beworben.
Kreuz GmbH (Schallstadt, Baden-Württem-                 anhand von Kriterien wie Wirksamkeit,
berg), die Evangelisches Johannesstift Be-              Wirtschaftlichkeit, Innovation sowie Über-     Ein detaillierter Bericht zum Deutschen
hindertenhilfe gGmbH (Berlin), die Hydro                tragbarkeit in den betrieblichen Alltag.       Arbeitsschutzpreis erscheint in DGUV
Building Systems GmbH – Werk Gerstun-                                                                  Forum 12 / 2011.
gen (Thüringen) sowie die RAG Anthrazit                 Vertreter der Unternehmen nahmen die
Ibbenbüren GmbH (Nordrhein-Westfalen).                  Preise auf der Eröffnungsveranstaltung des

Eine Jury aus Experten aus Wirtschaft, Po-
                                                        Kongresses für Arbeitsschutz und Arbeits-
                                                        medizin – A+A 2011 – in Düsseldorf aus der     !   www.gda-portal.de / arbeitsschutzpreis
litik und Verbänden hatte die Siegerunter-              Hand der Jury-Vorsitzenden entgegen.
 Foto: DGUV / Floß

Die Preisträger des Deutschen Arbeitsschutzpreis 2011 mit den Vorsitzenden der Jury: Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel (BMAS) (li.),
Marina Schröder (DGUV) (2.v.l.), Staatsrat Dr. Joachim Schröder (Bremen) (re.)

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Aktuelles

                                                                                                                                Foto: UK NRW
Vertreter der prämierten Schulen aus ganz Nordrhein-Westfalen

Schulentwicklungspreis „Gute gesunde Schule“ vergeben
Die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen (UK     parenz geprägtes Schulklima aus. Sie        auf der Tagesordnung stehen. Je mehr
NRW) hat zum vierten Mal den Schulent-      setzen kooperative und selbstbestimm-       Schulen sich daran beteiligen, desto mehr
wicklungspreis „Gute gesunde Schule“ ver-   te Lernformen um, machen Bewegungs-,        Schülerinnen und Schüler sowie Lehre-
liehen. Insgesamt 75 erfolgreiche Schulen   Sport- und Ernährungsangebote oder          rinnen und Lehrer können in einem guten
erhielten Preisgelder in Höhe von insge-    haben gut funktionierende Feedback-         und gesunden Schulklima lernen und ar-
samt mehr als 500.000 Euro. Mit dem Preis   Verfahren eingeführt.                       beiten. Ein gesundes Schulklima wieder-
prämiert die UK NRW Schulen, denen es                                                   um wirkt sich nachweislich positiv auf die
besonders gut gelungen ist, Gesundheits-    Gabriele Pappai, Sprecherin der Ge-         Kompetenzentwicklung und den Schuler-
förderung und Prävention in die Entwick-    schäftsführung der Unfallkasse Nord-        folg der Kinder und Jugendlichen aus.“
lung ihrer Schulqualität zu integrieren.    rhein-Westfalen, betont: „Der Schulent-
                                            wicklungspreis ist bundesweit einmalig.
Die guten gesunden Schulen zeichnen         Er trägt dazu bei, dass Prävention und              !   www.schulentwicklungspreis.de
sich durch ein von Offenheit und Trans-      Gesundheitsförderung in den Schulen

DGUV unterstützt den Arbeitsschutz im EU-Land Slowenien
Auf Einladung der Kommission Arbeits-       das Thema psychische Belastungen als        same Instrumente im Arbeitsschutz, um
schutz und Normung (KAN) haben An-          Auslöser für Arbeitsunfähigkeit. Sie neh-   die Gesundheit der Beschäftigten zu för-
fang Oktober Vertreter des slowenischen     men im gesamten EU-Raum zu und be-          dern. „Hier können wir von den Erfah-
Arbeitsschutzes und der slowenischen        dürfen in Zukunft noch mehr Aufmerk-        rungen in Deutschland profitieren. Die
Wirtschaft Deutschland besucht und sich     samkeit.                                    Gespräche mit den Experten der DGUV
über die Schwerpunkte der Arbeit der ge-                                                haben uns wichtige Hinweise geliefert“,
setzlichen Unfallversicherung informiert.   Igor Antauer, Generalsekretär beim slo-     so Antauer.
                                            wenischen Arbeitgeberverband für klei-
Bei der DGUV in Berlin besuchten die        ne und mittlere Unternehmen, ZDOPS,         Für das kommende Jahr ist in Slowenien
Teilnehmer Vorträge der DGUV-Experten       sieht angesichts der schwierigeren wirt-    eine große Veranstaltung zum Arbeits-
und informierten sich über aktuelle Ent-    schaftlichen Lage in seinem Land die        schutz geplant, zu der ebenfalls Referen-
wicklungen. Besonderen Anklang fand         Notwendigkeit für einfache, aber wirk-      ten der DGUV eingeladen werden.

                                                                                                                DGUV Forum 11/11 · 5
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Aktuelles

Richtfest an der BG Klinik Bergmannsheil
Am Rohbau des ersten Neubaus für das          Mit dem neuen Gebäudetrakt und insbe-                                  Einrichtungen effizienter miteinander ver-
Berufsgenossenschaftliche Klinikum            sondere den neuen OP- und Intensivkapa-                                zahnt. Dadurch verkürzen sich die Trans-
Bergmannsheil in Bochum ist im Oktober        zitäten will das Bergmannsheil seine Be-                               port- und Kommunikationswege, was ins-
Richtfest gefeiert worden. In Zukunft wird    deutung als ein überregional anerkanntes                               besondere der Behandlung von operierten
dieses Gebäude das Herzstück des Berg-        Klinikum der Spitzenversorgung stärken.                                und besonders überwachungsbedürftigen
mannsheil bilden und einen Funktions-         Durch das bauliche Konzept werden zu-                                  Patienten zugutekommt. 2013 soll der erste
trakt und ein Bettenhaus beherbergen.         dem die verschiedenen Abteilungen und                                  Bauabschnitt in Betrieb gehen.

                                                                                                                     „Wir haben dieses Projekt auf den Weg
                                                                                                                     gebracht, damit das Bergmannsheil auch
                                                                                                                     künftig seine Rolle als eine der fortschritt-
                                                                                                                     lichsten und leistungsstärksten Kliniken
                                                                                                                     behaupten kann“, sagte Hans-Werner
                                                                                                                     Kick, Geschäftsführer des Bergmanns-
                                                                                                                     heil. 2015 soll auch der zweite Bauab-
                                                                                                                     schnitt fertiggestellt sein und das neue
                                                                                                                     Bergmannsheil seinen Betrieb in vollem
                                                                                                                     Umfang aufnehmen.

                                                                                     Foto: V. Daum / Bergmannsheil   v.l.: Polier Ralf Marquardt, Geschäftsführer
                                                                                                                     Hans-Werner Kick, Aufsichtsratsvorsitzen-
                                                                                                                     der Xaver Schmidt, Oberbürgermeisterin
                                                                                                                     Dr. Ottilie Scholz und Dr. Michael Ludes,
                                                                                                                     Geschäftsführer Ludes Architekten Ingeni-
                                                                                                                     eure GmbH, beim Richtfest

Aktion „Jugend will sich-er-leben“ geht in eine neue Runde
Im neuen Schuljahr unterstützen die           keit, Kommunikation und Selbsteinschät-
Landesverbände der DGUV die Berufs-           zung. Damit verbindet sich die Frage, wie                                                                       Foto: JWSL
schulen wieder mit ihrer Aktion „Jugend       viel Verantwortung die Auszubildenden
will sich-er-leben“. Ziel ist es, Auszubil-   selbst für die Sicherheit und Gesundheit
dende für die Bedeutung von Sicherheit        am Arbeitsplatz übernehmen können und
und Gesundheit am Arbeitsplatz zu sen-        müssen.
sibilisieren.
                                              Ergänzt wird die Aktion auch in diesem
Im Zentrum der Aktion steht ein neuer         Jahr durch eine Schülerinfo, verschiede-
Kurzfilm, der unter dem Motto „Echt ka-       ne Wettbewerbe und einen Webauftritt.
piert – sicher?!“ typische Risiken an Ar-     Für die betriebliche Ausbildung wurde
beitsplätzen aufzeigt. Die junge Repor-       parallel auch ein Unterweisungskonzept
terin Jana besucht dafür Auszubildende        für Ausbilder erarbeitet.
an ihren Arbeitsplätzen und spricht mit
ihnen über ihr Bewusstsein für die tägli-     Alle Medien stehen zum Download zur
chen Risiken.                                 Verfügung.

Durch die Beispielsituationen des Films
werden einige Grundsätze der Arbeits-                              !   www.jwsl.de
sicherheit angesprochen: Aufmerksam-

6 · DGUV Forum 11/11
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Aktuelles

  Nächstes Jahr in London – die Paralympic Post stellt sich vor
  Die Organisatoren der Paralympics Zeitung stehen in den                   Seit ihrem ersten Erscheinen im Jahr 2004 habe die Paralym-
  Startlöchern. Anfang November stellten Sie das Projekt bei                pics Zeitung als multinationales, multilinguales Projekt viel
  einem Empfang im britischen Unterhaus vor. In London wer-                 an Reputation gewonnen und Begeisterung geweckt, sagte
  den vom 29. August bis zum 9. September 2012 die nächsten                 Dr. Joachim Breuer, Hauptgeschäftsführer der DGUV. Breuer:
  Paralympischen Spiele stattfinden.                                        „Sport und Bewegung unterstützen Menschen in ihrer Rehabi-
                                                                            litation. Paralympische Sportlerinnen und Sportler geben dafür
  Eingeladen zu diesem Informationsabend hatten die Abge-                   ein großartiges Beispiel. Ihre Geschichten können andere mo-
  ordneten Gavin Shuker (Unterhaus) und Richard Howitt(EP).                 tivieren. Deshalb unterstützen wir die Paralympics Zeitung.“
  Shuker: „Wir freuen uns, dass das Projekt 2012 in London
  stattfinden wird.“ So könnten insbesondere jüngere Men-                   Während der paralympischen Spiele in London wird die Zei-
  schen für das Thema Sport und Behinderung sensibilisiert                  tung wieder dem Tagesspiegel, der Zeit, dem Handelsblatt und
  werden. Erstmals wird es nicht nur in Deutschland, sondern                möglicherweise auch einer britischen Tageszeitung beiliegen.
  auch im Gastgeberland der Paralympics einen nationalen
  Wettbewerb geben, in dem die Schülerredakteure der Para-                                        !   www.tagesspiegel.de / paralympics/
  lympic Post – so der englische Titel – ermittelt werden.

DVR fordert Helmpflicht für Pedelecs
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat
(DVR) fordert erweiterte gesetzliche Re-
gelungen für Hersteller und Nutzer von
sogenannten Pedelecs. Dabei handelt
es sich um Fahrräder, die durch zusätz-
liche Elektromotoren auch untrainier-
ten Fahrern Geschwindigkeiten von bis
zu 45 km / h ermöglichen. Sie spielen im
Straßenverkehr eine immer bedeutende-
re Rolle.

Insbesondere die vermeintlich schwä-
cher motorisierten Fahrzeuge der Klasse
                                             Foto: Fotolia / ferkelraggae

Pedelec 25, die eine Höchstgeschwindig-
keit von 25 km / h erlauben, sind bisher
noch nicht von einer entsprechenden
EU-Richtlinie erfasst. Der DVR setzt sich
deshalb dafür ein, dass sie aus Gründen
der Verkehrssicherheit in eine eigene
Fahrzeugklasse eingeordnet werden. Die
Folgen wären eine Helmpflicht für Fahrer,   sowie die Forschungen auf dem Gebiet                  kehrsteilnehmern. Denkbar sei hierzu
die Festlegung eines Mindestalters sowie    der elektrisch motorisierten Fahrräder                auch eine gesonderte Erfassung von Pe-
mehr versicherungsrechtliche Klarheit.      zu intensivieren. Dies betrifft sowohl das             delecs in der amtlichen Unfallstatistik.

Insgesamt fordert der DVR die Aufklä-
                                            Nutzungsverhalten als auch die techni-
                                            sche Erprobung und Untersuchung von                                           !   www.dvr.de
rungsarbeit für alle Verkehrsteilnehmer     Konfliktpotenzialen mit anderen Ver-

                                                                                                                           DGUV Forum 11/11 · 7
ForumForum Ausgabe 11 2011 - Die internationalen Handlungsfelder der DGUV - DGUV forum
Titelthema

Europa, BRIC und Next Eleven

Die internationalen Handlungsfelder
der DGUV
Der internationale Handlungsschwerpunkt der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung wird
zwar weiterhin in Europa liegen, aber Kontakte zu Ländern außerhalb der EU, insbesondere den
BRIC-Staaten, werden immer wichtiger.

B
         RIC steht für die Anfangsbuch-
         staben der vier Staaten Brasilien,
         Russland, Indien und China. Die
Abkürzung wurde von Goldman-Sachs-
Chefvolkswirt Jim O’Neill geprägt, der
sie in einer Reihe von Veröffentlichungen
verwendete, zuerst Ende 2001. 1 Von ihm
stammt auch die Idee der „Next Eleven“-2
als Nachfolger der BRIC-Staaten. Alterna-
tive Konstruktionen sind die BRICS-Staa-
ten (unter Hinzunahme von Südafrika)
sowie die BRICKS-Staaten (unter weiterer
Hinzunahme von (Süd-)Korea).

Was ist so besonders an diesen Ländern?
Die fünf BRICS-Staaten – vier von ihnen
sogenannte Schwellenländer – haben
                                               Quelle: Shutterstock / mart

jährliche Zuwachsraten der Wirtschafts-
leistung von 5 Prozent bis 10 Prozent (zum
Vergleich: EU etwa 2 Prozent), weshalb ei-
nige Prognosen voraussagen, dass sie bis
2050 die G8-Staaten überflügeln könn-
ten. 3 In einem Ranking der zehn größten
Volkswirtschaften führt der Internationa-
le Währungsfonds die Bundesrepublik           niveau geschuldet – die Wachstumsraten         aufnahme im Hinblick auf die BRIC-, ja
Deutschland für das Jahr 2010 noch auf        imposant, hält man sich zum Beispiel die       sogar auf alle sechs BRICKS-Staaten, bestä-
Rang 5. Zehn Jahre später ist es Rang 6, im   Volksrepublik China vor Augen, wo die          tigen – gestützt auf die Erfahrungen unserer
Jahr 2030 Rang 7 und im Jahr 2050 nimmt       Abdeckungsquote in der Alterssicherung         Kooperationsvorhaben mit diesen Ländern.
Deutschland schließlich Rang 9 ein –          allein in den vergangenen vier Jahren um
deutlich hinter den vier BRIC-Staaten.4       50 Prozent gestiegen ist. Allerdings verfügt   Internationale Partnerschaften
                                              mit derzeit gerade 257 Millionen Menschen      Die DGUV unterhält zu allen diesen Län-
Nicht nur aufgrund ihrer wirtschaftlichen     noch lange nicht ein ausreichend großer        dern partnerschaftliche Beziehungen und
Wachstumsraten ist in den kommenden           Teil der Gesamtbevölkerung über eine Al-       pflegt den intensiven Austausch zu relevan-
Jahrzehnten mit den BRIC-Staaten zu rech-     terssicherung. Der Weg zu einer wirklich       ten Themen der Unfallversicherung. Warum
nen. Die Länder erzielen auch im Hinblick     umfassenden Abdeckung mit adäquatem            tun wir das? Zum einen, ganz einfach, weil
auf die soziale Absicherung ihrer Bürgerin-   Sozialschutz ist also noch weit, aber die      wir gefragt werden. Brasilien, Russland, In-
nen und Bürger derart rasche und weitrei-     Pläne sind ehrgeizig und die unternomme-       dien und China haben – zu unterschiedli-
chende Fortschritte, dass ihnen interna-      nen Schritte groß. Für „unseren“ Zweig der     chen Themen und auf unterschiedlichen
tionale Experten hierin inzwischen eine       sozialen Sicherung, die gesetzliche Versi-     Niveaus – erheblichen Beratungsbedarf in
weltweite Führungsrolle zubilligen. 5 Na-     cherung gegen Arbeitsunfälle und Berufs-       Bezug auf die Ausweitung und qualitative
türlich sind – dem niedrigen Ausgangs-        krankheiten, können wir diese Bestands-        Verbesserung ihrer sozialen Unfallversi-

8 · DGUV Forum 11/11
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Die internationalen Handlungsfelder der DGUV

cherungen. Dabei ändert sich der Bedarf im      eigenen Vorteil zu nutzen. Als voriges       er insbesondere einer Zusammenarbeit
Laufe der Zeit, differenziert sich mithin aus:   Jahr zum Beispiel ein deutscher Maschi-      mit der DGUV beimisst.
Leistete der HVBG in den neunziger Jahren       nen- und Anlagenbauer sein Personal in
des letzten Jahrhunderts noch umfassende        China im Bereich Arbeitsschutz schulen       Die im Zweijahresrhythmus stattfinden-
Hilfe bei der grundlegenden Reform der Un-      wollte, ließ er sich zuerst von der DGUV     de Strategiekonferenz der DGUV zu The-
fallversicherung in der russischen Födera-      über rechtliche Rahmenbedingungen so-        men des Gesundheits- und Arbeitsschut-
tion, so sind es aktuell Detailprobleme wie     wie operative Voraussetzungen informie-      zes hat sich inzwischen als bedeutendes
etwa die Berechnung risikoadäquater Bei-        ren und wichtige Kontakte und Experten       internationales Forum für den Austausch
träge für Unternehmen, zu denen der rus-        in diesem Bereich vermitteln. Über den       über Präventionsthemen etabliert. Ulrike
sische Sozialversicherungsfonds (SIF) die       unmittelbaren Nutzen, den unsere Versi-      Bollmann und Sven Timm berichten in
DGUV um Rat bittet. Gleiches gilt für die       cherten aus derlei internationalen Bera-     dieser Ausgabe von der jüngsten Konfe-
übrigen unter dem Kürzel BRIC beziehungs-       tungsprojekten gewinnen, haben wir an        renz in Dresden, auf der einmal mehr in-
weise BRICKS zusammengefassten Länder.          dieser Stelle wiederholt berichtet. 6        ternationale Experten zum strategischen
                                                                                             Agenda-Setting im Arbeits- und Gesund-
                                                Zusammenarbeit ist keine                     heitsschutz zusammentrafen. Selbstver-
                                                Einbahnstraße                                ständlich berichten wir auch aktuell über
                                                Der dritte Grund schließlich für unse-       die weltgrößte Expertentagung zu The-
                                                re Offenheit gegenüber internationalen        men der Prävention, dem XIX. Weltkon-
                                                Gesuchen ist, dass derartige Koopera-        gress für Sicherheit und Gesundheit bei
                                                tionen niemals nur eine Einbahnstraße        der Arbeit, der im September in Istanbul
                                                darstellen, wir als Versicherungssystem      stattfand.
                                                mithin selbst zu den Lernenden und da-
                                                mit unmittelbar zu den Profiteuren einer     Schwerpunkt Europa
                                                Zusammenarbeit gehören.                      Unbeschadet der in den vergangenen
                                                                                             Jahren gewachsenen außereuropäischen
                                                Über die Inhalte einzelner Kooperati-        Kontakte, Kooperationen und Vernet-
                                                onsprojekte mit verschiedenen (nicht         zungen liegt das Hauptaugenmerk der
                                                nur BRIC-) Ländern berichten wir in re-      internationalen Aktivitäten der DGUV
                                                gelmäßiger Folge. So zuletzt über das        naturgemäß auf dem europäischen
                                                deutsch-brasilianische Abkommen in           Handlungsfeld. Die europäische Sozial-
                                                der beruflichen Rehabilitation 7, über den   politik fordert das System der gesetzli-
                                                deutsch-koreanischen Kooperationsver-        chen Unfallversicherung immer wieder,
                                                trag zum Arbeitsschutz 8 oder über die       sich seiner Wesensmerkmale bewusst
                                                Zusammenarbeit der DGUV mit dem in-          zu werden, diese in aktuellen Bezügen
                                                dischen Bundesstaat Maharashtra, 9 de-       zu konkretisieren und in laufende poli-
                                                ren Fortentwicklung auch Thema eines         tische Planungs- und Entscheidungspro-
                                                Beitrags in diesem Heft ist. Ebenfalls In-   zesse einzuspeisen. Die in diesem Jahr
                                                halt eines kurzen Beitrags in dieser Aus-    verabschiedete Patientenrichtlinie ist
                                                gabe ist die zweite Verlängerung des Ko-     eine aktuelle sozialpolitische Regulie-
Vorteile für deutsche Unternehmen               operationsvertrages der DGUV mit dem         rungsmaßnahme, in deren Entstehungs-
Wir halten es für wichtig, in der Zusam-        chinesischen Arbeitsministerium. China       phase nicht einmal die Grundpfeiler des
menarbeit mit diesen Ländern unser              will sich in den kommenden Jahren vor        gesteuerten Heilverfahrens der gesetz-
Profil als international gefragtes Refe-        allem auf den Ausbau der Präventions-        lichen Unfallversicherung sakrosankt
renzsystem für die gesamte Bandbrei-            und Rehabilitationsleistungen der ge-        und in ihrem Fortbestehen gesichert
te unfallversicherungsspezifischer The-         setzlichen Unfallversicherung konzent-       waren. 10 Glücklicherweise konnte mit
men zu wahren und zu schärfen – ob es           rieren.                                      Unterstützung zahlreicher Partner ent-
um den Neuaufbau eines Unfallversiche-                                                       scheidend Einfluss auf die ersten Richt-
rungssystems, um seine Reform oder um           Auch in Malaysia beherrscht das Thema        linienentwürfe genommen werden, so
einzelne Themenfelder aus der Präventi-         „Rehabilitation“ die Agenda der staat-       dass wichtige Steuerungselemente des
on, Rehabilitation oder Beitragsberech-         lichen Sozialversicherung. Mohammed          Rehabilitationsprozesses – wie etwa das
nung geht. Es ist nämlich – und das ist         Azman, zuständiger Geschäftsführer der       D-Arzt-Verfahren – inzwischen in ihrem
der zweite Grund für unser internationa-        malaysischen Organisation für Soziale        Fortbestand gesichert sind. Ilka Wölfle
les Engagement – ganz im Sinne unserer          Sicherheit, erläutert in einem Interview     fasst in ihrem „Bericht aus Brüssel“ die
Mitgliedsunternehmen, die aus diesen            in diesem Heft, warum sein Land dem          wichtigsten Entwicklungen auf europäi-
Kooperationen gewonnenen politischen            Thema „Return to Work“ große Aufmerk-        scher Ebene mit Relevanz für die gesetz-
Zugangsmöglichkeiten der DGUV zum               samkeit schenkt und welche Bedeutung         liche Unfallversicherung zusammen. ▸

                                                                                                                   DGUV Forum 11/11 · 9
ForumForum Ausgabe 11 2011 - Die internationalen Handlungsfelder der DGUV - DGUV forum
Titelthema

*1 www2.goldmansachs.com/ideas/                päischen Forums Unfallversicherung in        oben erwähnt, zu Südkorea; aber auch
                                               Dresden wichtige Impulse nach Übersee        in Mexiko, auf den Philippinen, in Nige-
   brics / building-better-doc.pdf             gegeben werden. Das Forum erwies sich        ria und Vietnam kennt man die DGUV als
2 The N-11: More Than an Acronym, Global       einmal mehr als Plattform für den Aus-       verlässlichen Partner aus der Zusammen-
  Economics Paper No. 153, Goldman Sachs,      tausch von „best practices“ – nicht nur im   arbeit in internationalen Organisationen
  2007.                                        europäischen Raum, sondern weit darü-        wie der IVSS).
3 Quelle: de.wikipedia.org / wiki /            ber hinaus, wie Eva-Marie Höffer berich-
  BRICS-Staaten                                tet. Dass das europaweite Zusammenwir-       Alles in allem geht es bei einer auf die
4 Wirtschaftswoche Nr. 23 vom 6. Juni 2011.    ken auch Themen wie die Integration von      Erzielung von Mehrwert ausgerichteten
                                               Arbeits- und Gesundheitsschutz in das        Auslandsarbeit nicht darum, irgendwel-
5 Internationale Vereinigung für Soziale
                                               lebenslange Lernen wirksam befördern         che Listen abzuarbeiten oder möglichst
  Sicherheit: BRICS-Länder führend bei der
  Ausweitung der sozialen Sicherheit, in:      kann, skizziert Ulrike Bollmann in ihrem     zahlreiche und vermeintlich illustre Kon-
  IVSS Newsletter Nr. 6 / 2011.                Beitrag in diesem Heft.                      takte und Partnerschaften um ihrer selbst
                                                                                            willen zu unterhalten. Prüfstein ist einzig
6 Allgemein zuletzt im DGUV Forum,
  Heft 11 / 09, S. 10 f.; am konkreten         Ausblick                                     und allein der durch internationale Ko-
  Beispiel der Kooperation mit Kolumbien       Jim O’Neill schrieb im Jahr 2001: „It is     operationen zusätzlich generierte Nut-
  in „Die BG“, Heft 12 / 08, S. 438.           time for the world to build better global    zen – für die Versichertengemeinschaft,
7 DGUV Forum, Heft 7-8 / 11, S. 45.            economic BRICs.“11 Für die DGUV dür-         die Unternehmen und öffentlichen Ein-
                                               fen wir zehn Jahre nach diesem Appell        richtungen als Beitragszahler; und nicht
8 DGUV Kompakt, Juni 2011, S. 2.
                                               feststellen, dass sie nicht nur diesen An-   zuletzt für das gesamte System einer ge-
9 DGUV Forum, Heft 6 / 10, S. 32 f.            spruch gemeinsam mit ihren zahlreichen       setzlichen Unfallversicherung als wichti-
10 Siehe DGUV Forum, Heft 11 / 09, S. 26 ff.   internationalen Partnern um die Dimensi-     ge Säule des sozialen Sicherungssystems.
                                               on des Sozialschutzes erweitert, sondern     Und hier, das zeigen die abgeschlossenen
11 Jim O’Neill, siehe FN 1.
                                               wichtige Beiträge zu seiner nachhaltigen     und laufenden Projekte mit sowohl euro-
                                               Umsetzung geleistet hat – nicht nur in       päischen und BRIC- als auch Next-Eleven-
                                               den BRIC-Staaten.                            Staaten, steht die Deutsche Gesetzliche
                                                                                            Unfallversicherung international ganz
Die Koordinierung der europäischen Sozi-       Obschon unser Handlungsschwerpunkt           weit vorne.
alsysteme ist eine wichtige Voraussetzung      weiterhin in Europa liegen wird, sollten
zur Ermöglichung grenzüberschreitender         wir als gesetzliche Unfallversicherung       Dank gebührt allen, die hieran – zum Teil
Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Bilate-       auch künftig frühzeitig zu jenen (außer-     seit mehreren Jahren – tatkräftig mitwir-
rale Regelungen mit außereuropäischen          europäischen) Ländern und Sozialversi-       ken. Einige davon gewähren Ihnen als
Ländern sowie nationale Vorschriften (et-      cherungssystemen Kontakte knüpfen, die       Autorinnen und Autoren dieses Schwer-
wa zur Aus- und Einstrahlung) komplet-         im Rahmen einer Zusammenarbeit auch          punktheftes Einblick in ihre interessante
tieren die Bandbreite der komplexen Re-        Nutzenpotenziale für unser eigenes Sys-      Arbeit und in das spannende Aktionsfeld
gelwerke über den Versicherungsschutz          tem freizusetzen vermögen. Sei es, indem     internationaler Zusammenarbeit. ●
von im Ausland beschäftigten Arbeitneh-        wir (das heißt unsere Versicherten und
mern. Naturgemäß fördert ein derart um-        Mitgliedsunternehmen) technisch bezie-
fangreiches und ständig weiterentwickel-       hungsweise fachlich davon profitieren           Autor
tes Regelwerk auch Problemlagen und            oder aber das gesamte System nachhalti-
Fragestellungen zutage, wie die Beiträ-        ge politische Unterstützung erfährt.
ge von Iris Hillemann, Eva-Marie Höffer
und Helmut Maxeiner beleuchten. Welch          Es seien der Vollständigkeit halber ab-
hohen Stellenwert auch einzelne Unfall-        schließend auch die sogenannten „Next
versicherungsträger einer Betreuung ih-        Eleven“-Staaten erwähnt, jene elf Länder,
rer Versicherten im Ausland beimessen,         denen der Goldman-Sachs-Chefvolkswirt
erläutern Volker Brinkmann und Jens            zutraut, einen ähnlichen wirtschaftlichen
Ullrich am Beispiel der Berufsgenossen-        Aufschwung zu erleben wie die von ihm
schaft Holz und Metall.                        zuvor untersuchten BRIC-Staaten. Ein
                                                                                                                               Foto: Privat

                                               näherer Blick auf diese Staaten (Ägypten,
Aber Europa wirft nicht nur Fragen auf;        Bangladesch, Indonesien, Iran, Mexiko,
Europa erweist sich in zahlreichen Belan-      Nigeria, Pakistan, Philippinen, Südko-          Dr. Stefan Zimmer
gen der Unfallversicherung auch als Ka-        rea, Türkei, Vietnam) zeigt, dass wir zu        Leiter der Abteilung „Internationale
talysator für neue Entwicklungen – weit        den wichtigsten unter ihnen bereits wert-       Beziehungen, Verbindungsstelle“,
über seine Grenzen hinaus. So konnten          volle Kontakte unterhalten (sehr intensiv       DGUV (bis 30. September 2011)
auf der diesjährigen Konferenz des Euro-       zum Beispiel zur Türkei und, wie bereits

10 · DGUV Forum 11/11
Titelthema

Indien

Kooperation gegen Arbeitsunfälle
Seit März 2010 kooperiert die DGUV mit dem indischen Bundesstaat Maharashtra und dem
indischen National Safety Council auf dem Gebiet der Unfallversicherung. Es tut sich in Indien
derzeit einiges im Bereich der sozialen Sicherung.

„D
        eutschland und Indien: unbe-                 Unterschiedliche Sicherheitskulturen

                                                                                                                                           Foto: DGUV
        grenzte Möglichkeiten“, das ist              Ein deutsch-indischer Expertenaus-
        das Motto des gerade begonne-                tausch, der in Mumbai im Februar 2011
nen deutsch-indischen Jahres. 1 Indien               stattfand, zeigte: Während technische
wies im Jahr 2010 ein Wirtschaftswachs-              Standards sowie Management- und Un-
tum von 7 Prozent 2 auf. Nach wie vor ist            ternehmenskulturen durchaus vergleich-
Deutschland für Indien der mit Abstand               bar sind, gibt es deutliche Unterschiede
wichtigste Handelspartner in Europa. Im              in der Sicherheitskultur. So fehlen etwa
Jahr 2010 betrug das Handelsvolumen                  Sicherheitseinweisungen und Kontroll-
beider Länder über 15 Milliarden Euro. 3             mechanismen zur Einhaltung von Si-
Die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der                cherheitsregeln, eine innerbetriebliche
Unfallversicherung steht im Kontext soli-            Arbeits- und Gesundheitsschutzkultur
der Außen- und Wirtschaftsbeziehungen.               sowie Regelungen zum technischen Ar-          Baustelle in Indien: Sicherheitsstandards
                                                     beitsschutz. Sicherheitsstandards sind        sind mit Ausnahme von Großbaustellen
Es gibt viel zu tun                                  insbesondere im Baubereich mit Ausnah-        kaum oder gar nicht vorhanden.
Beschäftigte aus Deutschland, die in Indi-           me von Großbaustellen kaum oder gar
en auf Montageeinsätzen unterwegs sind,              nicht vorhanden. Dies zeigt sich eklatant
stellen sich angesichts der Sicherheits-             bei Absturzsicherungen.                       welches die bargeldlose Krankenhaus-
und Arbeitsschutzbedingungen vor Ort                                                               versorgung für Familien unterhalb der
schnell die Frage nach einem Unfallversi-            Das Arbeitsinspektorat Maharashtra führ-      Armutsgrenze ermöglicht. Entwickelt als
cherungssystem und Regelungen zum Ar-                te nun im Juli mit Unterstützung der deut-    „Blaupause“ für andere Bereiche der so-
beits- und Gesundheitsschutz. „Da ist viel           schen Unfallversicherung einen Schu-          zialen Sicherung 5 zählt es zu den 18 inno-
zu tun“ – so das persönliche Fazit eines             lungsworkshop für das Management von          vativsten Programmen weltweit. 6 Zuneh-
deutschen Ingenieurs nach seiner Rück-               Bauunternehmen sowie für Sicherheits-         mend rückt auch das Risiko Arbeitsunfall
kehr von einem Instandhaltungseinsatz                fachkräfte und Arbeitssicherheitsinspek-      in den Fokus. Verletzungen und Tod infol-
in Indien.                                           toren durch. Weitere Veranstaltungen          ge von Arbeitsunfällen können angesichts
                                                     sind in Planung.                              des damit verbundenen Einkommensver-
*1 www.goethe.de/delhi/dui                                                                         lustes sowie hoher Behandlungskosten
                                                     Die indische Arbeitsschutzorganisati-         zu einer Überlebensfrage für eine gesam-
2 Deutsch-indische Handelskammer,                    on National Safety Council plant mit der      te Familie werden. 7
  Jahrestreffen Düsseldorf, 9. Juni 2011.            DGUV für Januar 2012 einen Workshop zu
                                                     aktuellen Themen der Arbeitssicherheit.       Weit vorangeschritten sind Überlegungen
3 Deutsch-indische Handelskammer,
  Jahrestreffen Düsseldorf, 9. Juni 2011.            Der Workshop ist offizieller Programm-        in Richtung einer Unfallversicherung im
                                                     bestandteil des deutsch-indischen Jahres      Bundesstaat Maharashtra, der ein Mo-
4 Höffer, E.-M.: Wunder Indien – Soziale
                                                     2011–2012.                                    dellprojekt vorbereitet, das eine Absiche-
  Sicherung in einem aufstrebenden Land,
  Die BG 11 / 07, S. 446 ff. Höffer, E.-M.: Indien                                                 rung gegen Arbeitsunfälle vorsieht und
  – Grundstein für Zusammenarbeit im                 Soziale Absicherung –                         sich dabei an den Elementen der gesetzli-
  Arbeitsschutz, DGUV Forum 6 / 10, S. 32 ff.        innovative Modelle                            chen Unfallversicherung in Deutschland
5 www.rsby.gov.in/                                   Der Ausbau des sozialen Netzes in Indi-       orientieren will. ●
                                                     en schreitet voran. Die Aktivitäten betref-
6 UNDP, ILO: Sharing Innovative Experiences:
  Successful Social Protection Floor
                                                     fen vor allem den unorganisierten Sektor,     Autorin
  Experiences (vol 18).                              der zirka 93 Prozent der arbeitenden Be-      Eva-Marie Höffer,
                                                     völkerung erfasst. 4 Sehr erfolgreich hat     Leiterin des Referats Internationales
7 MPRA Paper No. 9247, mpra.ub.uni-
                                                     die indische Regierung das Krankenver-        Sozialrecht / Europarecht, DGUV
  muenchen.de / 9247
                                                     sicherungssystem (RSBY) implementiert,        E-Mail: eva-marie.hoeffer@dguv.de

                                                                                                                          DGUV Forum 11/11 · 11
Titelthema

Entsendung ins Ausland

Die Aus- und Einstrahlung –
Entwicklungen und Tendenzen
Im Zeitalter der Globalisierung ist es für Unternehmen weltweit selbstverständlich,
Mitarbeiter ins Ausland zu entsenden. Die Tätigkeiten können in der Durchführung
von Projekten wie dem Bau von Staudämmen bestehen oder der vorübergehenden
Beschäftigung in einem anderen Unternehmen eines Konzerns dienen.

D
         as nationale Recht enthält im       bestehenden inländischen Beschäftigungs-       Die Einstrahlung gemäß § 5 SGB IV betrifft
         Sozialgesetzbuch (SGB) IV mit den   verhältnisses für einen im Voraus begrenz-     den umgekehrten Fall: Ein Mitarbeiter
         §§ 4, 5 Regelungen zur sogenann-    ten Zeitraum ins Ausland entsandt. Lie-        wird durch ein ausländisches Unterneh-
ten Aus- und Einstrahlung. Diese Regelun-    gen die einzelnen Voraussetzungen vor,         men für einen im Voraus begrenzten Zeit-
gen stellen eine Ausnahme von dem sonst      so gilt während des Auslandsaufenthaltes       raum nach Deutschland entsandt, um hier
im Sozialgesetzbuch geltenden Territoria-    deutsches Sozialversicherungsrecht. Da         für das Unternehmen zu arbeiten. Liegen
litätsprinzip (§ 3 SGB IV) dar und greifen   die Frage, ob eine Entsendung vorliegt,        die Voraussetzungen einer Einstrahlung
in allen Fällen, in denen weder die Rege-    nicht immer klar zu beantworten ist, ha-       vor, finden die Regelungen des deutschen
lungen des europäischen koordinieren-        ben die Spitzenverbände der Sozialversi-       Sozialversicherungsrechts keine Anwen-
den Verordnungsrechts noch Abkommen          cherungsträger Kriterien 1 entwickelt, die     dung. Da es sich um eine nationale Vor-
zur sozialen Sicherung einschlägig sind      als Leitfaden dienen und eine einheitliche     schrift handelt, ist es möglich, dass auch
(Vorrang des über- und zwischenstaatli-      Rechtsausübung seitens der Sozialversi-        nach dem Recht des Staates, aus dem die
chen Rechts, § 6 SGB IV). Es geht also um    cherungsträger herstellen sollen. Die Richt-   Entsendung erfolgt, keine Versicherungs-
Entsendungen, auf die in Bezug auf die       linien berücksichtigen Entwicklungen aus       pflicht vorliegt, sodass gar kein Sozialver-
Unfallversicherung keine vorrangigen eu-     der Praxis und der Rechtsprechung und          sicherungsschutz besteht.
ropäischen oder Abkommensregelungen          werden regelmäßig überarbeitet.
anzuwenden sind, wie beispielsweise nach                                                    Auch wenn das Prinzip der Aus- und Ein-
China, Indien, in die USA, nach Australien   Da es sich bei § 4 SGB IV um eine nationale    strahlung einfach und einleuchtend er-
oder Japan.                                  Regelung handelt, kann in Fällen der           scheinen mag, verbinden sich damit in der
                                             Ausstrahlung eine Doppelversicherung           Praxis eine Reihe von Fragestellungen. Ex-
Grundzüge der Aus- und Einstrahlung          eintreten, was möglicherweise zu einer         emplarisch sei auf folgende Änderungen
Im Fall einer Ausstrahlung gemäß § 4 SGB     doppelten Heranziehung des deutschen           der Richtlinien hingewiesen:
IV wird ein Mitarbeiter im Rahmen eines      Unternehmens zu Beiträgen führen kann.2
                                                                                            Einstellung für Auslandstätigkeit
                                                                                            Grundsätzlich ist es in Bezug auf die Aus-
                                                                                            strahlung unschädlich, wenn eine Person
                                                                                            eigens für eine Tätigkeit im Ausland ein-
                                                                                            gestellt wird; lag zuvor keine Beschäfti-
                                                                                            gung im Inland vor, muss sie zumindest
                                                                                            ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
                                                                                            gehabt haben. In diesem Fall kommt aber
                                                                                            nunmehr der Weiterbeschäftigung im ent-
                                                                                            sendenden Unternehmen besondere Be-
                                                                                            deutung zu. Ausdrücklich geregelt ist nun,
                                                                                            dass bei Fehlen sowohl einer vorherigen
                                                                                            Beschäftigung als auch einer Perspektive
 Foto: Fotolia / akf

                                                                                            für eine anschließende Beschäftigung des
                                                                                            entsandten Arbeitnehmers bei dem ent-
                                                                                            sendenden Unternehmen in Deutschland
                                                                                            keine Entsendung im Sinne der Ausstrah-

12 · DGUV Forum 11/11
Aus- und Einstrahlung

*1 Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung       punkt der Beschäftigung ins Ausland ver-
                                                                                                 lagert, besteht kein Schutz über die gesetz-
   (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV) (Stand: 2. November 2010); Textsammlung            liche Unfallversicherung. Allerdings kann
   „Aichberger“ Sozialgesetzbuch Nr. 4 / 30.
                                                                                                 der Unternehmer für seinen Mitarbeiter
2 Höffer, die BG, 11 / 07, S. 444 ff. Doppelversicherung bei Entsendung von Mitarbeitern         eine Auslandsversicherung abschließen,
  ins Ausland.                                                                                   soweit der Unfallversicherungsträger eine
3 Vgl. BSG, Urteil vom 7.11.1996, 12 RK 79 / 94, USK 9651.                                       solche eingerichtet hat oder Mitglied in ei-
                                                                                                 ner derartigen Einrichtung ist (§§ 140 Abs.
4 Vgl. Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei
  Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV); Textsammlung „Aichberger“             2, 142 SGB VII). 7 Damit besteht letztlich
  Sozialgesetzbuch Nr. 4 / 30.                                                                   die Möglichkeit, auch in diesen Fällen ei-
                                                                                                 ne Absicherung nach den Regelungen der
5 BSG, Urteil vom 7.11.1996, 12 RK 79 / 94, USK 9651.
                                                                                                 gesetzlichen Unfallversicherung herbei-
6 Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der            zuführen.8 Die Unfallversicherungsträger
  Bundesagentur für Arbeit über gemeinsame Fragen des Beitragseinzugs am 30.3.2011.
                                                                                                 bieten damit größtmöglichen Schutz auch
7 Eine Auslandsversicherung ist derzeit bei sieben Unfallversicherungsträgern möglich.           bei Einsätzen im Ausland. ●
8 Siehe im Detail Brinkmann, Ullrich „Auslandsversicherung der BGHM – Gut betreut im
  Ausland“ in diesem Heft.

lung vorliegt. Diese Konkretisierung voll-        Unternehmen ein zu diesem fortbeste-              Autorinnen
zieht die gängige Praxis der Krankenversi-        hendes Beschäftigungsverhältnis ange-
cherung nach.                                     nommen werden …“ 3 Eine Entsendung
                                                  scheidet regelmäßig dann aus, wenn das
Musterantrag Entsendung                           Arbeitsverhältnis in Deutschland ruht,
Im Anhang der aktuellen Fassung der               beziehungsweise in Deutschland nur ein
Aus- und Einstrahlungsrichtlinien befin-          „Rumpfarbeitsverhältnis“ vorliegt.4 Letzt-
det sich neu ein Musterantrag, mit dem der        lich verlangt das Bundessozialgericht bei
Unternehmer gegenüber der zuständigen             Konzernentsendungen auch, dass das
Einzugsstelle (§§ 28 h Abs. 2, 28 i SGB IV)       Entgelt ausschließlich seitens des deut-
verlangen kann, eine Feststellung darü-           schen Arbeitgebers gezahlt wird.

                                                                                                                                    Foto: Privat
ber zu treffen, ob es sich um eine Entsen-
dung handelt oder nicht. Der Arbeitgeber          Nach Rechtsprechung des Bundessozial-
hat damit nunmehr ein Antragsformular             gerichts ist zudem bei Konzernunterneh-           Eva-Marie Höffer
an der Hand, mit dem er bei seiner zu-            men maßgebend, ob das Arbeitsentgelt              Leiterin des Referats Internationales
ständigen Krankenkasse eine Entschei-             bei der Gewinnermittlung im Inland als            Sozialrecht / Europarecht, DGUV
dung über das Vorliegen einer Entsen-             Betriebsausgabe steuerrechtlich geltend           E-Mail: eva-marie.hoeffer@dguv.de
dung herbeiführen kann.                           gemacht wird. 5 Die Spitzenverbände der
                                                  Sozialversicherung sind nun übereinge-
Konzerninterne Entsendung                         kommen, bei kurzfristigen Entsendungen
Fragen entstehen auch bei der Entsen-             von bis zu zwei Monaten, in denen der
dung von Mitarbeitern in ein Konzernun-           Entgeltanspruch sich ausschließlich ge-
ternehmen. Oft erschweren die gewähl-             gen den entsendenden Arbeitgeber rich-
ten vertraglichen Konstellationen eine            tet und soweit kein anderer Arbeitnehmer
eindeutige Zuordnung, etwa dann, wenn             abgelöst wird, die steuerliche Geltendma-
neben dem deutschen Arbeitsvertrag ein            chung als Betriebsausgabe durch die auf-
weiterer Arbeitsvertrag mit dem ausländi-         nehmende Konzerngesellschaft als un-
schen Unternehmen abgeschlossen wird              schädlich anzusehen.6
                                                                                                                                    Foto: DGUV

oder das Entgelt geteilt wird. Das Bun-
dessozialgericht verlangt: „Sind sowohl           Auslandsversicherung
zur Mutter- als auch zur Tochtergesell-           Liegt eine der Voraussetzungen der Aus-           Iris Hillemann
schaft rechtliche Bindungen vorhanden,            strahlung nicht vor, etwa weil die zeitliche      Referentin für Internationales
die für ein Beschäftigungsverhältnis spre-        Befristung des Auslandseinsatzes nicht im         Sozialrecht und Europarecht, DGUV
chen, kann nur bei hinreichender Inten-           Voraus abzusehen ist oder sich bei einer          E-Mail: iris.hillemann@dguv.de
sität der Bindungen zum entsendenden              konzerninternen Entsendung der Schwer-

                                                                                                                        DGUV Forum 11/11 · 13
Titelthema

Interview zur Unfallversicherung in Malaysia

„Rückkehr zur Arbeit bedeutet ins
Leben zurückkehren“
Vor rund fünf Jahren führte die staatliche Sozialversicherungs-

                                                                                           Foto: DGUV
einrichtung (SOCSO) in Malaysia ein „Return-to-Work“-
Programm ein, um Versicherte, die einen Arbeitsunfall erlitten
haben oder eine Invalidenrente beziehen, wieder in das Berufs-
leben einzugliedern.

Dabei orientierte sich Malaysia am Modell der deutschen gesetz-
lichen Unfallversicherung und verfolgt einen umfassenden Ansatz
der Rehabilitation. Mohammed Azman Bin Aziz Mohammed, zu-
ständiger Verantwortlicher der Organisation für Soziale Sicherheit
                                                                                          Mohammed Azman Bin Aziz Mohammed
in Kuala Lumpur, erläutert im Interview für DGUV Forum, wie die                           Deputy Chief Executive Officer (Operations),
Einführung des Return-to-Work-Ansatzes gelungen ist.                                      Social Security Organization, Kuala Lumpur,
                                                                                          Malaysia

Herr Dr. Azman, welche Beweggründe           stand darin, die Akzeptanz der Interes-      Manager und Ende 2009 gab es 35 Case
haben Sie dazu veranlasst, ein Return-to-    senvertreter zu erlangen. Es dauerte eine    Manager in Malaysia. In der Hauptsache
Work-Programm in Malaysia zu etablie-        Weile, davon zu überzeugen, dass Return      konzentrierten wir uns während dieser
ren? Welche Probleme gab es zuvor?           to Work der globale Paradigmenwechsel        Phase auf eines: „Ergebnisse, Ergebnis-
                                             im Bereich der sozialen Sicherheit sein      se, Ergebnisse“.
Als ich erstmals auf einer Konferenz über    wird. SOCSO galt stets als eine Organi-
Disability Management und Return to          sation, die Entschädigungsleistungen er-     Was waren Ihre strategischen Ziele?
Work hörte, war ich sofort davon über-       bringt. Diese Praxis zu ändern, war sehr
zeugt, dass diese Strategien neben Prä-      schwierig. Aber hier haben wir in den ver-   Zuallererst war es wichtig, die betroffe-
vention und Entschädigung der richtige       gangenen Jahren viel erreicht.               nen Personen mit ins Boot zu holen, al-
Weg sind, ein fundiertes System für sozi-                                                 so Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Ärzte und
ale Sicherheit einzurichten. In der Folge    Was haben Sie konkret getan, um ein          andere. Wir haben diese Akzeptanz über
habe ich jede Gelegenheit genutzt, um ge-    Return-to-Work-Programm innerhalb der        vier nationale Konferenzen herbeigeführt,
nau zu verstehen, wie solche Maßnahmen       Sozialversicherung einzuführen?              die nun weiterhin jährlich stattfinden sol-
in das Sozialsystem von Malaysia integ-                                                   len. Ich glaube, dass die Sensibilisierung
riert werden können. Der besondere Vor-      Das Ganze war wirklich ein großes Aben-      ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg des
teil des Return-to-Work-Programms liegt      teuer. Es war harte Arbeit, bis ich jeden    Programms ist. Weiterhin bestand unsere
für Verletzte und Kranke darin, dass es      Interessensvertreter auf jeder Ebene über-   Vorgehensweise darin, empirische Daten
nicht nur Unterstützung beim Wiederein-      zeugt hatte. 2005 erhielten wir die Geneh-   zu sammeln, die für die Einführung eines
stieg in den Arbeitsalltag bietet, sondern   migung für ein Pilotprojekt. Ich wusste      Return-to-Work-Programms sprechen, und
das „Leben“ insgesamt fördert. Wenn sie      damals genau, dass es galt, schnellstmög-    die rechtlichen Rahmenbedingungen zu
an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, keh-     lich Ergebnisse vorzuweisen. Die Resulta-    überprüfen. Als wir herausfanden, dass
ren sie damit auch ins Leben zurück. Da-     te aus dem Pilotprojekt waren vielverspre-   unser Sozialgesetzbuch von 1969 die recht-
rüber hinaus ist es definitiv „die Strate-   chend, 2007 konnten wir bei SOCSO die        lichen Grundlagen für eine Förderung ins
gie“ für ein nachhaltiges und gleichzeitig   ersten fünf Case Manager (Fallmanager)       Berufsleben enthält und die empirischen
dynamisches Sozialsystem.                    einstellen. Aufgrund guter Fallzahlen        Daten für die Einführung eines derartigen
                                             konnten wir das Topmanagement davon          Programms vorlagen, begannen wir mit
Eine unserer größten Herausforderungen       überzeugen, das Programm weiter auszu-       unseren Veränderungsprozessen. Hierzu
bei der Implementierung des Projekts be-     dehnen. 2008 folgten weitere fünf Case       zählte insbesondere die Aufklärung und

14 · DGUV Forum 11/11
Interview

Schulung unserer eigenen Mitarbeiter da-      menarbeiteten. Seither agiert die DGUV als   SO als soziale Institution sehen, die eine
rüber, was Disability Management ist und      unser Partner.                               Teilnahme an anstelle eines Ausschlus-
welchen Wert es für die soziale Sicherung                                                  ses aus der Gesellschaft ermöglicht. Im
hat. Wir vermittelten dabei den Kernge-       Wenn Sie einen Blick auf unsere Gesetze      Hinblick auf die Kosten-Nutzen-Bewer-
danken, dass soziale Sicherung nicht al-      werfen, werden Sie schnell die Ähnlich-      tung hat das Return-to-Work-Programm
lein in finanzieller Unterstützung besteht,   keit mit dem Bismarck-System feststellen,    bereits einige brauchbare Ergebnisse ge-
sondern eine sozio-ökonomische Kompo-         das meiner Meinung nach heutzutage ei-       bracht, die eindeutig darauf hinweisen,
nente hat. In einem weiteren Schritt haben    nes der besten Sozialversicherungsmo-        dass das Programm selbst sehr nachhal-
wir dann unsere Standardabläufe geän-         delle weltweit darstellt. Die DGUV und       tig orientiert ist. Aus Sicht eines Sozial-
dert, um Return to Work in unser System       SOCSO weisen zahlreiche Gemeinsamkei-        versichungspraktikers gibt es für mich
integrieren zu können.                        ten auf. Wir werden die gute Zusammen-       jedoch einen viel wichtigeren Punkt: Die-
                                              arbeit mit der DGUV, der anerkanntesten      ser liegt in den qualitativen Vorteilen des
Welche Rolle hat die gesetzliche Unfall-      Sozialversicherungsinstitution weltweit,     Programms, das Beschäftigten, die einen
versicherung in Deutschland bei der Ein-      definitiv fortführen.                        Arbeitsunfall erlitten haben und Invalidi-
führung des Return-to-Work-Programms                                                       tätsrente beanspruchen, Selbstvertrau-
gespielt?                                     Wie sieht Ihre Bilanz heute aus?             en, Selbstwertgefühl, Unabhängigkeit,
                                                                                           Berufsziele, Fähigkeiten und gesundheit-
Das erste offizielle Zusammentreffen mit         Ich würde die SOCSO heute als eine Or-       liches Wohlbefinden zurückgibt.
Herrn Dr. Breuer fand Anfang 2009 statt,      ganisation sehen, die in der Lage ist, ih-
als unser Minister für Humanressourcen        ren Versicherten zu sozialer Gerechtig-      Wir danken für das Gespräch. ●
die DGUV in München offiziell besuch-         keit zu verhelfen, als eine Organisation,
te. Anschließend entsendete SOCSO zwei        die verletzten Arbeitnehmern nicht nur
Case Manager nach Deutschland, wo sie         Sympathie entgegenbringt, sondern Mög-       Das Interview führten Eva-Marie Höffer
drei Monate lang mit der DGUV zusam-          lichkeiten eröffnet. Ich möchte die SOC-      und Dr. Dagmar Schittly, DGUV Forum.
 Foto: Fotolia / bruder jakob

                                                                                 „Zuallererst war es wichtig, die
                                                                                 betroffenen Personen mit ins Boot
                                                                                 zu holen, also Arbeitnehmer,
                                                                                 Arbeitgeber, Ärzte und andere.
                                                                                 Wir haben diese Akzeptanz über
                                                                                 vier nationale Konferenzen
                                                                                 herbeigeführt, die nun weiterhin
                                                                                 jährlich stattfinden sollen.“

                                                                                                                  DGUV Forum 11/11 · 15
Titelthema
Foto: DGUV

             Die Teilnehmer der Strategiekonferenz in Dresden

             Internationale Strategiekonferenz

             Entwicklung einer weltweiten
             Präventionskultur
             Die im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindende Internationale Strategiekonferenz der DGUV
             in Dresden bietet eine Plattform für die kritische Reflexion von Arbeitsschutzstrategien
             national und international sowie von Strategien zu deren Umsetzung.

             I
                  m Januar 2009 fand in der DGUV          1. Reduzierung von Arbeitsunfällen und      Die dritte Internationale Strategiekonfe-
                  Akademie Dresden die 1. Strategie-         Berufskrankheiten („Vision Zero“)        renz ist für Ende Januar / Anfang Februar
                  konferenz „Brücken bauen zwischen       2. Bewusstseinsbildung, Aufbau von          2013 wiederum in der DGUV Akademie
             internationalen und nationalen Strate-          Kompetenzen und Kapazitäten              Dresden geplant. Thematisch wird sie an
             gien für Gesundheit und Sicherheit bei       3. Kooperation zwischen Arbeitsschutz       das bisher Erreichte anknüpfen und den
             der Arbeit“ statt. Im Mittelpunkt der Kon-      und öffentlicher Gesundheit               strategischen Nutzen von Netzwerken für
             ferenz stand der Vergleich von Entwick-      4. Gesundheit und Sicherheit als            die Entwicklung einer weltweiten Präven-
             lung, Umsetzung und Evaluation nationa-         Bestandteil der Lebensführung            tionskultur weiter entwickeln. Dabei soll
             ler Strategien im internationalen Kontext.   5. Integration der Prävention in das        die Strategiekonferenz 2013 auch als ein
             110 Experten aus 30 Nationen besuchten          System der sozialen Sicherheit           wichtiger, vorbereitender Baustein für das
             diese Veranstaltung, die von der DGUV in                                                 nächste Großereignis auf dem Weg zu ei-
             Zusammenarbeit mit der WHO sowie mit         Ein weiteres zukunftsweisendes Ergebnis     ner weltweiten Präventionskultur, den 20.
             der ILO, der IVSS, EU-OSHA, ICOH, IOHA       der Konferenz war die Einsicht, dass eine   Weltkongress für Sicherheit und Gesund-
             und IALI organisiert wurde. Die 2. Strate-   bessere Integration des Arbeitsschutzes     heit bei der Arbeit – das Globale Forum
             giekonferenz im Februar 2011 „Fünf Säu-      in andere Politikfelder, wie etwa Ge-       Prävention –, im August 2014 in Frankfurt
             len – Strategien für Sicherheit und Ge-      sundheit, Bildung oder auch Medien,         fungieren. ●
             sundheit bei der Arbeit“ hatte zum Ziel,     zwingend notwendig ist und einen ei-
             einen Handlungsrahmen für die Umset-         genen strategischen Ansatz voraussetzt.
             zung der verschiedenen Arbeitsschutz-        Dieser sollte die Logiken des jeweils an-   Autoren
             strategien als Beitrag zu einer ganzheit-    deren Politikfeldes respektieren und be-    Dr. Ulrike Bollmann,
             lichen Präventionskultur zu entwickeln.      rücksichtigen. Insgesamt nahmen 110         Leiterin des Bereichs Internationale
                                                          Experten aus 34 Ländern an der zwei-        Kooperationen, Institut für Arbeit
             Fünf Kernthemen                              ten Konferenz teil: Teilnehmende aus 17     und Gesundheit der DGUV (IAG)
             Die Konferenzteilnehmerinnen und -teil-      EU-Mitgliedstaaten und Albanien sowie       E-Mail: Ulrike.bollmann@dguv.de
             nehmer identifizierten fünf Kernthemen       den USA, Australien, Brasilien, Südkorea
             („Säulen“) als gemeinsame Meilensteine       und Singapur sowie der Russischen           Dr. Sven Timm,
             für die Umsetzung der verschiedenen          Föderation, der Ukraine, Aserbaidschan      Stabsbereich Prävention, DGUV
             Arbeitsschutzstrategien in der Zukunft:      und Kirgisistan.                            E-Mail: Sven.timm@dguv.de

             16 · DGUV Forum 11/11
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