Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität 2021-01 - Concello de ...
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Behalten Sie mit dem VCÖ-Medienpaket aktuelle und kommende Entwicklungen im Bereich Verkehr, Mobilität und Transport im Auge. Der VCÖ denkt als eine auf Verkehr VCÖ-Medienpaket bis Ende 2021 kosten- los bestellen spezialisierte Umweltorganisation voraus für eine sozial gerechte, Mit dem VCÖ-Medienpaket erhalten Sie bis Ende 2021 alle VCÖ-Medien per Post und effiziente und ökologisch verträgliche E-Mail zugesendet – keine Kündigung nötig. Mobilität. Die VCÖ-Schriften zeigen Jetzt kostenlos bestellen per E-Mail an für die Verkehrsprobleme der Gegen- service@vcoe.at wart Lösungen mit Zukunft auf. Bestehende Abonnements ausgenommen. Viermal im Jahr die VCÖ-Schriftenreihe „Mobilität mit Zukunft“ Viermal im Jahr das VCÖ-Magazin Rund 10-mal im Jahr VCÖ-Factsheets » Den Menschen muss Nachhaltigkeit persönlich wichtig werden. « Marcel Marcel Hunecke, Hunecke, Umweltpsychologe Umweltpsychologe –– Seite Seite 12 12 Quelle: TQS (repräsentative Umfrage für Österreichs Bevölkerung im Alter von 18 bis 69 Jahren. Befragt wurden 1.000 Personen im Oktober 2020). Umweltbundesamt, Schienencontrol, BMK, Statistik Austria Öffentlichen Verkehr fit für die Zukunft machen Mehr als die Hälfte von Österreichs Bevölkerung nützt den Tödliches Unfallrisiko mit Pkw ist 94 Mal so hoch wie mit Bahn Öffentlichen Verkehr mehrmals pro Jahr Jahre 2017 bis 2019 Verkehrstote Verletzte in Österreich pro 10 Mrd. Personenkilometer pro Mrd. Personenkilometer † 18 % 17 % 23 % 17 % 25 % 24 307 Mehrmals Mehrmals Mehrmals Seltener Nie pro Woche pro Monat pro Jahr 0,44 94 x 35 51 x Bereits die Hälfte der 18-29-Jährigen fährt häufig mit dem Öffentlichen Verkehr. 30 % fahren mehrmals die Woche, 0,25 6 magazin 20 % mehrmals im Monat Rahmenbedingungen, die die Attraktivität des Öffentlichen Verkehrs erhöhen Drei Viertel von Österreichs Bevölkerung bewerten sehr wichtig eher wichtig Maßnahmen der Verkehrsunternehmen positiv Rasche Umsetzung des 1-2-3 Tickets 45 % 36 % Schul- und Arbeitsbeginn staffeln, um überfüllte Öffis zu vermeiden 40 % 42 % 73 % 76 % 79 % et Politik kommuniziert Bedeutung des Öffentlichen Verkehrs 34 % 40 % Mund-Nasen-Schutz Maßnahmen zur Reduktion Fahrgastinformation factshe Aussagen von Fachleuten zur Sicherheit vermittelt Sicherheit der Ansteckungsgefahr von zu Covid-19 des Öffentlichen Verkehrs 31 % 41 % Fahrgästen vor Ansteckung Parkraummanagement in Ballungsräumen 29 % 33 % (Bewirtschaftung, Reduktion Parkplätze) Vorgezogene ökosoziale Steuerreform 28 % 37 % Verpflichtendes Mobilitätsmanagement für große Unternehmen 27 % 46 % ukunft Mikro-ÖV und Sharing-Angebote, die Lücken im Angebot des Öffentlichen Verkehrs schließen. Tickets, die den Öffentlichen Verkehr als Gesamtsystem nutzbar machen. Ein Investitionsschub für die Bahn. Der Öffentliche Verkehr der Zukunft nimmt auch in Mobilitä Österreich Gestalt an. ät mit z ts gionen B und Sie faktoren Woh us, Bahn, Mikro-ÖV, Taxi, Carsha- ren obsolet macht. Mobilität wird immer eine leistungsfähige Bahn-Infrastruktur in- und Re ringen ring, Bike- und Scooter-Sharing – der mehr zur Dienstleistung, wie bei Ubigo in vestiert. Das Geld fließt in den Ausbau Öffentliche Verkehr der Zukunft ver- Stockholm. Eine App verknüpft den Öffent- von Strecken, Bahnhöfen, Sicherungstech- schmilzt das öffentlich zugängliche Mobili- lichen Verkehr sowie Carsharing, Mietauto, nik und Verkehrsleitsystemen, als Basis für n dlungse n de ntwicklu en tätsangebot zu einem Gesamtsystem von Taxi und Bikesharing digital und individuell » Immer öfter von eigenem ein Tür zu Tür. Noch ist es vielerorts Zukunfts- zu bedarfsorientierter Mobilität. Entwicklun- In Gem wende voranb musik, aber immer mehr gute Beispiele wei- gen, wie Mikro-ÖV und der Boom bei sen in diese Richtung. Etwa das General- E-Fahrrädern und E-Scootern beseitigen Auto unabhängig mobil sein « Acht von zehn We mobilit ng abonnement in der Schweiz, die Jahreskarte das Last-Mile-Problem und machen immer ein wic gen beg htiger innen für den gesamten Öffentlichen Verkehr, das öfter von einem eigenen Auto unabhängig. den Taktfahrplan mit leicht merkbaren Ab- raump Hebel oder end ts laneris zum Err Mobilitä in Österreich im 1-2-3-Ticket seine Ent- fahrtszeiten, kurzen Umsteigezeiten und en zu 2020-04 sprechung finden soll. Regionale Angebote Verkehr klimaverträglich machen kürzeren Reisezeiten, für das 1-2-3-Ticket che Vor gaben eichen der Klim Hause . Die und neu aziele Wohnu in Österreich wie die Vmobil-Card des Eine langfristige Strategie und eine gesi- sowie für weitere Verlagerung des Güter- Dem Wo im Ver kehr. Ge ngs- und Sie VCÖ VCÖ –– e Wohnf Mobilität Mobilität mit mit Zukunft Zukunft Vorarlberger Verkehrsverbundes, die Bus, cherte Finanzierung für den Bahn-Ausbau verkehrs auf die Schiene. hnstan ormen Österreichische Österreichische Post Post AG AG bei der dort kom den Ver meind en hab dlungs politik Carsharing und Fahrradbox-Miete am wurden Mitte Oktober 2020 von Öster- Österreich setzt damit wichtige Schrit- Fö mt ein lität zu, rderung von MZ MZ 02Z030778 02Z030778 M kehr zu en es ist dam M e Bräuhausgasse Bräuhausgasse 7-9 7-9 Bahnhof verknüpft. Apps wie WienMobil reichs Bundesministerin Leonore Gewess- te, um die im UN-Klimaabkommen von da run klimave wichtige Rolle reduzi eren. in der Hand, it 1050 1050 Wien Wien und wegfinder sowie tim in Graz, die das ler und ÖBB-Chef Andreas Matthä mit Paris übernommenen Verpflichtungen zu beginn d 80 Pro rträ durch TT +43-(0)1-893 +43-(0)1-893 2626 97 97 en ode zent der glicher Mobi- Hohe Sie EE vcoe@vcoe.at vcoe@vcoe.at multimodale Angebot anzeigen und buch- dem Rahmenplan 2021-2026 vorgestellt. erfüllen. Und um das Ziel der Klimaneutra- Bevölker r enden. Wege zu dlungs bar machen. Oder die Fairtiq-App, die den 17,5 Milliarden Euro werden bis zum Jahr lität im Jahr 2040 zu erreichen. Wobei der ung Ös Nur kna Ha Massiv dichte 1 www.vcoe.at www.vcoe.at pp die use gestieg füh 2019-0 en ist auc rt zu wenig Vorab-Ticketkauf beim Bus- und Bahnfah- 2026 im Auftrag der Bundesregierung in Verkehrsbereich eine Schlüsselrolle spielt. chem Ver terreic Hälfte und Dr kehr ver hs lebt der er Grund sorgten an gut itta uto h die Anzah Pkw mit Öf rund 706 s der ort, um sätzlich gilt, je Wohns tandor fentli- .000 im Haushalte in l der Zw eit- so zentral ten. im Jahr 201 Jahr 200 Ös dünn bes geringer der er der Wohns 8. Die 0 auf run terreich von Mo durchm iedelte n Bezirk torisierungsg tand- ischung Siedlungsdic d 1,6 Waidh ofen an en wie rad. In kehrsm , das An hte, die Millionen der bei itteln im gebot Nu ermark liegt der Thaya, Güssin spielsweise an öffent tzungs- Öffentlicher Raum Letzte Meile Wohlfühl-Bahnhof bei übe Motor isierun g und Südost bei der lichen Nutzu Wohnu ng des mfeld sowie lichen Ver- r 700 Pk Ein Pkw Restrik gsgrad stei- Immer mehr Städte bewerten den öffent- In der Region ist die Bewältigung der Bahnfahren wird zur Bewältigung der Kli- 566 Pk w w im Du pro 1.000 Per zum Be Verkeh stellungen und spielen neben tionen ispiel rsmitte lwahl ein Gewohnheite persön- lichen Raum neu und verteilen und nüt- letzten Meile von der Haltestelle zur makrise immer wichtiger. Jede Bahnfahrt rchsch sonen BEZAHLTE ANZEIGE zen ihn neu. So ist eine Mobilitätswende Wohnadresse oft noch eine Hürde. Doch beginnt mit dem Aufenthalt am Bahnhof nitt Ös gegenü Je dichte e n terreic ber we für hin zum Öffentlichen Verkehr, Gehen und es bewähren sich bereits unterschied- – und der soll sich so angenehm wie hs. ver kön r besiedelt ein sentliche Ro die Radfahren möglich. >>Seite 4 lichste Lösungen. >>Seite 6 möglich gestalten. >>Seite 8 nen öff Raum lle. entlich werden. e Verkeh ist, desto eff rsmitte ekti- l einges etzt VCÖ – Mobilität mit Zukunft, Bräuhausgasse 7-9, 1050 Wien, T +43-1-893 26 97, E vcoe@vcoe.at, www.vcoe.at
Mobilität mit Zukunft 1/2021 Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität 3 Dank Impressum Publikationen des VCÖ dienen der fachlich VCÖ Als Autor zu zitieren: Offenlegung gemäß fundierten Aufbereitung beziehungsweise 1050 Wien VCÖ, Wien, Österreich § 25 Mediengesetz: Bräuhausgasse 7-9 Medieninhaber, Herausgeber Grundlegende Richtung Diskussion von Themen aus dem B ereich T +43-(0)1-893 26 97 und Verleger: gemäß § 25 Abs. 4 des Mobilität, Transport und Verkehr. Die Art der E vcoe@vcoe.at VCÖ, 1050 Wien Mediengesetzes: Behandlung der Inhalte und die erarbeiteten www.vcoe.at ZVR-Zahl 674059554 „Mobilität mit Zukunft“ ist ein Medium zur Verbreitung Ergebnisse müssen nicht mit der M einung der VCÖ (Hrsg.): Titelbild: der Ziele des gemeinnüt- unterstützenden Institutionen und Personen „Mehr Platz für Sarah Duit zig tätigen VCÖ und dient übereinstimmen. bewegungsaktive Mobilität“ Lektorat: Karl Regner insbesondere der Förderung VCÖ-Schriftenreihe Layout: VCÖ 2021 ökologisch verträglicher, sozi- „Mobilität mit Z ukunft“ Druck: al gerechter und ökonomisch Gedankt sei allen, die die Herausgabe dieser 1/2021 gugler GmbH, effizienter Mobilität durch Publikation finanziell unterstützt haben. Wien 2021 Auf der Schön 2 Beiträge aus den Bereichen ISBN 978-3-903265-08-0 3390 Melk Verkehrspolitik, Verkehrswis- senschaft, Verkehrspsycholo- gie und Verkehrssicherheit. Geschäftsführung: Willi Nowak Erstellt durch Beiträge von: • Inhaltliche Mitarbeit • Inhaltliche Inputs • VCÖ-Redaktionsteam Wegener Zeuschner Sandra Verena Licka Lehner Lilli Daniela Regner Titze Karl Schwab Sylvia Furchtlehner Dieter Jürgen Kirchmair Schwendinger Diketmüller Christina Michael Fuchsig Rosa Gratzer Heinz Hager Strasser Martina Christian Mellauner Alec Marlene Leth Bittner Meschik Ulrich Irene Michael Nowak Willi Schober Wagenleitner Philipp Rasmussen Viktoria Pfaffenbichler Ulla Weiß Paul Hausleitner Hildegard Streichsbier Brath Katja Inserate: Erich Zöhrer Helmut Edith Autofasten Seiter Knoll Laa Oliver Bente Barbara Schäfer EZA Christian Missoni-Steinbacher Eva-Maria Klimavolksbegehren Hartwig Nievoll Lukas ummadum Jarosz Mimi Klaudia
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Mobilität mit Zukunft 1/2021 Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität 5 Vorwort Veränderte Arbeitssituationen und die Motorisie- rung der Mobilität haben uns in den letzten Jahr- zehnten körperlich passiv und bewegungslos ge- macht. Viele Erwachsene sowie zahlreiche Kinder und Jugendliche sind inzwischen durch Bewe- gungsmangel übergewichtig und anfällig für Krankheiten aller Art. Das sagt uns die Weltge- sundheitsorganisation ebenso wie der ehrliche Blick auf den eigenen Körper. Das jahrzehntelange bequeme erdölbetriebene klimaschädli- che Mobilitätsverhalten zu ändern, ist nicht leicht. Versuchen wir es dennoch, dann wird uns das sehr oft durch widrige, die bewegungsaktive Mobilität behindernde Verhältnisse schwer ge- macht. Schmale Gehbereiche ohne Aufenthaltsqualität, Radwe- ge als holpriger Hindernislauf, nicht eingehaltene Sicherheitsab- stände bei abgestellten und fahrenden Autos und eine Straßen- verkehrsordnung, die Gehen und Radfahren » Die Mobilitätswende braucht aktive Mobilität. noch immer als Restgrößen des Kfz-Verkehrs behandelt, stehen einer großen Verbreitung Und aktive Mobilität braucht mehr Platz. « bewegungsaktiver Mobilität in Österreich im Weg. Zusätzlich bezahlen wir Unsummen an Kosten, um die körperlichen Schäden der allgemeinen Bewe- gungslosigkeit über unser Gesundheitssystem auszugleichen. Aktive Mobilität stärkt dagegen die Gesundheit. Dazu braucht es auf allen Ebenen mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität, im gebauten Raum ebenso wie in Gesetzestexten. Wenn wir un- sere Straßen und den öffentlichen Raum für uns Menschen wie- der von den Maschinen zurückgewinnen, wenn Kinder ihre täg- liche Turnstunde bereits am Schulweg durch Radeln, Roller fah- ren oder Gehen erleben und wenn Berufstätige die Fahrt mit dem Fahrrad zur Arbeit als Gesundheitsinvestition begreifen, gewinnt die Gesellschaft und mit ihr die Mobilitätswende. Die Covid-19-Pandemie seit Beginn des Jahres 2020 hat ge- zeigt, wie wichtig öffentliche Plätze und Bewegung außerhalb von geschlossenen Räume für die körperliche und psychische Gesundheit sind. Wir brauchen niedrigeres Tempo des Kfz-Ver- kehrs sowie Straßen, die zum Aufenthalt einladen und ohne Kanten und Höhenunterschiede barrierefrei für alle Bevölke- rungsgruppen nutzbar sind. Das lädt zu bewegungsaktiver Mo- bilität ein und die lässt uns Klimaziele und Gesundheitsziele ebenso erreichen, wie ein hohes Maß an Identifikation mit un- serer Lebensumwelt. Willi Nowak VCÖ-Geschäftsführung
Gegen die Klimakrise gibt es keine Impfung Heuer hat die österreichweite Aktion AUTOFASTEN von Aschermittwoch dem 17.02. bis Karsamstag, 03.04.2021 durch die Corona Pandemie eine besondere Aktualität. Die Initiative der katholischen und evangelischen Umweltbeauftragten Österreichs rückt die große Chance des wirtschaftlichen Wiederaufbaus für die Umwelt und den Beitrag jedes einzelnen zum Klimawandel in den Fokus. Ein anständiger Klimaschutzministerin Eleonore Gewessler, die die Kaffee kann Initiative AUTOFASTEN unterstützt: „Der Verkehr ist nach wie vor unser Sorgenkind im Klimaschutz. Damit wir die die Welt nicht Klimakrise bewältigen können, brauchen wir dringend alleine retten. eine Trendwende weg von Verkehrslawinen hin zu Aber ein klimafreundlicher Mobilität“. bisschen besser machen. www.autofasten.at Juan Escalante Bio-Kaffeebauer, Guatemala Illustration: Sarah Duit Wie Sie den VCÖ unterstützen können Mit Ihren Spenden „Die kleinen machen Sie den VCÖ-Einsatz für nachhaltige Mobilität möglich. Mit jeder Spende tragen Sie das VCÖ-Engagement mit. Schritte von heute sind Mit Ihrer Patenschaft ab 150 Euro die Basis fördern Sie regelmäßig Ihnen wichtige Mobilitätsthemen. Jährlich per Dauer- oder Einziehungsauftrag. der großen Lösungen Mit Ihrer Zukunftspartnerschaft ab 1.500 Euro von morgen!“ setzen Sie einen Baustein für eine Mobilität mit Zukunft. Den wichtigen VCÖ-Einsatz großzügig unterstützen. Mit Ihrem zinsenlosen Darlehen helfen Sie dem VCÖ, seine Projekte vorzufinanzieren. Ihr Geld kommt einem wichtigen gemeinnützigen Ziel zugute. Ihre Spende wirkt! Spenden für die VCÖ-Tätigkeit sind steuerlich absetzbar. Online spenden auf www.vcoe.at 05328 Spenden-Konto: Erste Bank, IBAN: AT11 2011 1822 5341 2200, BIC: GIBAATWWXXX
Mobilität mit Zukunft 1/2021 Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität 7 Inhaltsverzeichnis Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität 8 Straßenraum neu denken 13 Sicheres Radfahren braucht Platz 18 Kinder- und jugendgerechte Wegenetze in Stadt und Region 23 StVO umfassend reformieren, Parkraum besser bewirtschaften 27 Inklusives Design ermöglicht bewegungsaktive Mobilität für alle 32 Literatur, Quellen 36 VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft 40 Anmerkungen 41
8 Mobilität mit Zukunft 1/2021 Foto: VCÖ Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität Bewegungsmangel verkürzt die Lebenserwartung. Im Schnitt gehen jährlich in Österreich 243.600 beschwerdefreie Lebensmonate aufgrund von Bewegungsmangel verloren. Fußläufig erreichbare Ziele, öffentlicher Raum mit hoher Aufenthaltsqualität und sichere, attraktive Geh- und Radwege sind maßgebend, ob Wege körperlich aktiv zurückgelegt werden. Städte und Gemeinden sind gefordert, attraktive Bedingungen für das Gehen und Radfahren zu schaffen. Die 15-Minuten-Stadt ist Bewegungsmangel wird von der Weltgesund- geringe körperliche Aktivität zurückzuführen machbar. Haltestellen, heitsorganisation (WHO) als einer der schwer- sind, weltweit um 17,4 Prozent zu.70 Bewe- Nahversorgung, Gesund- heitseinrichtungen und wiegendsten Risikofaktoren für die Gesundheit gungsmangel steht nachweislich im Zusammen- andere wichtige Ziele eingestuft.175 In den Jahren 2005 bis 2015 nahm hang mit vielen Zivilisationskrankheiten: des täglichen Bedarfs sollten in 15 Minuten die Zahl vorzeitiger Todesfälle und verlorener, Chronische Erkrankungen wie Herz-Kreis- erreichbar sein. beschwerdefreier Lebensjahre, die auf zu lauf-Erkrankungen, Typ 2 Diabetes oder Übergewicht treten bei Menschen mit Bewe- gungsmangel häufiger auf. Zudem wird auch ein Bewegungsaktive Erreichbarkeit erhöhtes Risiko von Schlafstörungen und in 15 Minuten psychischen Erkrankungen wie Depressionen angenommen.159 Hinzu kommen gestiegene Belastungen wie Lärm und Luftverschmutzung durch den Pkw-Verkehr.139,a In den letzten Jahrzehnten sind die zu Fuß zurückgelegten Alltagswege deutlich zurückge- Quelle: BMK 202031, FGÖ 202067 Grafik: VCÖ 2021 gangen. Zudem sind sitzende Tätigkeiten am Computer häufige Arbeitsrealität.158 Ein Mangel an Bewegung schadet dem Körper und verur- Zu Fuß sacht Kosten im Gesundheitssektor durch 1,0 km Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte und Fahrrad 3,8 km Arzneimittel sowie gesamtgesellschaftliche Elektro-Fahrrad Kosten durch Produktionsverluste infolge von 5,4 km Krankenstandstagen und verminderter Leistungs-
Mobilität mit Zukunft 1/2021 Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität 9 fähigkeit.69,95 In Österreich werden die Gesund- Beispiele der Mobilitätswende heitskosten durch Bewegungsmangel auf jährlich 181 Millionen Euro geschätzt.69 Aktive Mobilität fördert die Gesundheit Um genug gesundheitsfördernde Bewegung zu Foto: PCA-STREAM erlangen, empfiehlt die WHO mindestens 150 Minuten moderate bis intensive regelmäßige körperliche Aktivität für Erwachsene pro Woche. Das sind mehr als 20 Minuten pro Tag. Kinder und Jugendliche brauchen als Heranwachsende mit 60 Minuten mehr Bewegung pro Tag.69 Das Paris widmet fast 70.000 Pkw-Stellplätze um körperliche Aktivitätsniveau und damit die Zahl In Paris werden seit dem Jahr 2003 sukzessive Pkw-Abstellplätze der beschwerdefreien Lebensjahre ist auch in reduziert, um den Kfz-Verkehr zu verringern und die Stadt geh- und Österreich sehr unterschiedlich. radfahrfreundlicher zu machen. Für diese Umgestaltung soll bis Gehen und Radfahren im Alltag, etwa am Weg zum Jahr 2025 die Hälfte der etwa 134.000 Pkw-Abstellplätze an zur Arbeit oder zur Schule, unterstützt Menschen, der Oberfläche umgewandelt werden zugunsten von Grünflächen das empfohlene gesundheitsförderliche Ausmaß und bewegungsaktiver Mobilität. Die Bevölkerung entscheidet an Bewegung zu erreichen. In Österreich wohnen über die neuen Nutzungen mit. Und sie begrüßt die Maßnahmen über 40 Prozent der Beschäftigten in Geh- oder mehrheitlich – Bürgermeisterin Anne Hidalgo wurde im Jahr 2020 Radfahrdistanz von ihrem Arbeitsplatz entfernt. wiedergewählt. Anfang des Jahres 2021 wurde zudem beschlossen, Ein weiterer großer Teil kann zu Fuß oder mit den Verkehr in der Champs-Élysées zu beruhigen und die Fläche zu dem Fahrrad zum Bahnhof kommen und von begrünen und so die stark befahrene 70 Meter breite Prachtstraße dort mit der Bahn zum Arbeitsort pendeln.36 zu einer Parkanlage umzugestalten. Individueller und gesamtgesellschaftlicher Nutzen aktiver Mobilität 18 Prozent bleibt und der Anteil des Radverkehrs Als individuelle Motivationsfaktoren für aktive wie angestrebt von sieben auf 13 Prozent steigt, Alltagswege gelten die individuelle Gesundheits- dann beträgt der kumulierte volkswirtschaftliche förderung, die Unabhängigkeit von Fahrplänen Nutzen aktiver Mobilität im Zeitraum der Jahre und Staus, Umweltschutz, der Entfall der 2020 bis 2030 hochgerechnet rund 7,8 Milliarden Parkplatzsuche sowie die geringen Kosten.53 Euro.b Eine Berechnung zu Kosten und Nutzen Der individuelle gesundheitliche Nutzen durch von Fahrrad und Auto für Deutschland im Jahr mehr Bewegung spiegelt sich auch in betriebs- 2019 kam zu dem Ergebnis, dass jeder mit dem wirtschaftlichen Kennzahlen auf Unternehmens Fahrrad zurückgelegte Kilometer einen gesamtge- seite wider. So fehlen Radfahrende im Durch- sellschaftlichen Nutzen von 18 bis 37 Cent bringt. schnitt um zwei Tage weniger krankheitsbedingt Demgegenüber verursacht jeder mit dem Auto in der Arbeit als jene, die am Arbeitsweg vor zurückgelegte Kilometer elf Cent an gesellschaft- allem das Auto nutzen.89 Kinder, die mit dem lichen Kosten, die nicht durch Steuern und Rad zur Schule fahren, sind fitter und selbständi- Abgaben gedeckt sind. Die mit dem Auto ger als Kinder, die motorisiert mit dem Elterntaxi gefahrenen Kilometer verursachen in der EU zur Schule gebracht werden.48,43 Kosten von rund 500 Milliarden Euro pro Jahr, Bis zum Jahr 2025 wird österreichweit eine die nicht von den Verursachenden, sondern durch Verdoppelung des Radverkehrsanteils auf 13 die Allgemeinheit bezahlt werden müssen.81 Prozent angestrebt und als Folge davon sollen 2.200 vorzeitige Todesfälle jährlich vermieden Wegenetze für Menschen statt für Autos werden.63 Jeder in aktive Mobilität investierte Die Flächeninanspruchnahme des Kfz-Verkehrs Euro bringt einen volkswirtschaftlichen Nutzen belief sich in Österreich im Jahr 2019 auf 2.075 von 3,5 Euro bis zum Jahr 2030. Wenn bis zum Quadratkilometer, was etwa der Fläche Osttirols Jahr 2030 der Anteil des Gehens konstant auf entspricht. In Wien machten im Jahr 2019
10 Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität Mobilität mit Zukunft 1/2021 Verkehrsflächen fast 15 Prozent der Gesamtflä- Beispiele der Mobilitätswende che aus, in München waren es im Jahr 2017 etwa 17 Prozent.161 Steigende Bevölkerungszahlen führen zu mehr Wohn- und Verkehrsflächen. Ohne ausreichende Foto: Concello de Pontevedra Begrünung entstehen durch die Versiegelung mehr Hitzeinseln.101 Während die Fortbewegung mittels Pkw den sitzenden Lebensstil weiter verstärkt, bietet aktive Alltagsmobilität die Möglichkeit den Bewegungsmangel auszuglei- chen. Radfahren und Gehen sind nicht nur Was alles geht, wenn alle gehen zielgerichtet, sondern als Flanieren oder Spa- Seit dem Jahr 1999 haben in Pontevedra im spanischen Galizien zieren auch Erholung und Freude. Zudem Gehende Vorrang. Das Zentrumsgebiet kommt jetzt ohne Bodenmar- fördern Bewegung und aktive Mobilität den kierungen, Niveauunterschiede, Ampeln und Verkehrsschilder aus. sozialen Austausch. Das Potenzial eines Sied- Für den Kfz-Verkehr wurden 15.000 Pkw-Abstellplätze am Stadtrand lungsbereichs, alle wesentlichen Grundbedürfnis- geschaffen. Kostenlose Stadtbusse fahren ins Zentrum, Stadtplan- se der Bewohnerinnen und Bewohner im tafeln weisen mit Minuten- und Meterangaben den Weg zu Fuß. Le- Nahbereich zu erfüllen und der Identifikation diglich Anwohnerinnen und Anwohner, Lieferverkehr und Öffentlicher mit der Nachbarschaft zu dienen, baut wesent- Nahverkehr dürfen – langsam – in die Innenstadt einfahren. Es gilt lich auf einem guten, dichten Wegenetz für Tempo 30. Seit dem Jahr 2009 wurde im Zentrum niemand mehr im bewegungsaktive Mobilität auf. Funktionen und Straßenverkehr getötet. Die CO2-Emissionen sanken um 70 Prozent. räumliche Verflechtungen werden durch die Der Einzelhandel profitiert, denn mehr Menschen erledigen jetzt ihre Trennwirkung des Pkw-Verkehrs und das Einkäufe zu Fuß oder per Fahrrad in der Innenstadt. Eltern können Geschwindigkeitsniveau beeinträchtigt.154 ihre Kinder allein zur Schule gehen lassen. Die hohe Lebensqualität Zudem steigt das Risiko für schwere Unfälle hat die Zahl der vormals stagnierenden Stadt mit 70.000 Einwohne- durch den Pkw-Verkehr. rinnen und Einwohnern um 12.000 wachsen lassen. Öffentliche Räume für aktive Mobilität gestalten Ob Menschen bewegungsaktiv mobil sind, hängt Wo viel gegangen und stark von den Möglichkeiten und der Zugäng- mit dem Rad gefahren lichkeit im persönlichen Umfeld ab.124 Die (Um-) wird, ist die Häufig- keit des Todes durch Gestaltung öffentlicher Freiräume, insbesondere Herz-Kreislauf-Erkran- die Planung von Verkehrsflächen, ist daher ein kungen niedriger. wichtiger Hebel, attraktive und sichere Voraus- setzungen für das Gehen und Radfahren zu schaffen.159,139 Gestaltung und Qualität des Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Österreich Wohnumfeldes haben Einfluss auf das Mobili- häufiger als im Radfahrland Niederlande tätsverhalten. Insbesondere eine ausreichende Gehwegbreite, Sitzgelegenheiten sowie Bepflan- Anzahl Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen Quelle: Diverse Statistiken 2017-202035,42,41,152,151,153 Grafik: VCÖ 2021 zungen und Attraktivität des Straßenraums (pro 10.000 Einwohnenden und Jahr) Österreich Dänemark Niederlande wirken sich auf die Häufigkeit des Gehens 50 44 % aus.53,14 Liegen die Alltagsziele in Geh- oder Anteile aktive Mobilität 40 34 % 28 % Radfahrdistanz vom Wohnort, ermöglicht dies (Modal Split) 30 36 24 % 15 % mehr aktive Mobilität im Alltag.88 Ein geh- und 6% radfahrfreundlich gestaltetes Wohnumfeld erhöht 20 21 19 % 21 die Sicherheit und bietet Möglichkeiten zur 10 18 % 16 % sozialen Interaktion.123,96,169 0 Der Begriff Walkability meint die Gehfreund- Jahr 20192014 20182019 20202019 lichkeit eines Stadt- oder Ortsteils und umfasst folgende fünf Kriterien für das Umfeld:105
Mobilität mit Zukunft 1/2021 Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität 11 • Dichte von Bebauung und Bevölkerung zur Förderung der psychischen Gesundheit. Im • Diversität und Nutzungsmix Jahr 2020 hat auch die Covid-19-Pandemie die • Ausgestaltung der Geh- und Radinfrastruktur Bedeutung des öffentlichen Raums für den • Erreichbarkeit von Zielen Aufenthalt von Menschen verdeutlicht. Die • Entfernung zu öffentlichen Verkehrsmitteln WHO und nationale Gesundheitsbehörden Weitere wichtige Faktoren sind die objektive verlangen zur Eindämmung des Infektionsge- Verkehrssicherheit und subjektiv empfundene schehens unter anderem, ausreichend Abstand zu Sicherheit.113 Zudem sind auch kleinere Gestal- anderen Menschen zu halten. Diese Abstandsre- tungselemente und Details im Stadtraum für geln betreffen auch die Mobilität im dichten urba- aktive Mobilität wichtig, wie etwa verkehrsberuhi- nen Raum.86 Auch wird empfohlen, Wege im gende Maßnahmen und Querungshilfen, ästheti- Freien zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzule- sche Elemente wie Kunst im öffentlichen Raum, gen statt in geschlossenen Fahrzeugen. Der Architektur oder Wasserspiele und nicht zuletzt gegenwärtig für aktive Mobilitätsformen vorgese- Straßenmobiliar wie Bänke, überdachte Warte- hene Platz im städtischen Raum macht das häuschen oder saubere, öffentlich zugängliche Einhalten der Abstandsregeln an vielen Stellen Toiletten. jedoch schwer.86 Mehrere Städte haben daher Straßen umgewandelt, um mehr Raum für aktive Gesundheits- und Klimaeffekte von Grünräumen Mobilität zu schaffen. Für acht europäische Städte, darunter Bonn, Genf, Bratislava und Budapest, wurden in Wohnvierteln Stadt und Region – kompakt und durchmischt mit einem hohem Grünraumanteil bis zu dreifach Das Paradigma der Stadt der kurzen Wege höhere Bewegungsaktivitäten und bis zu 40 entspricht etwa auch dem Konzept der 15-Minu- Prozent weniger Übergewicht bei der Bevölkerung ten-Stadt.7 Die Stadt der kurzen Wege ist als Teil festgestellt, als in Stadtteilen mit wenig Grün.60 der städtischen Daseinsvorsorge zu sehen, mit Besonders groß ist der positive Einfluss von dem Ziel, alle notwendigen Bereiche des alltägli- Paris hat seit dem Jahr 2003 die Anzahl der Grün- und Wasserflächen auf das Stadtklima chen Lebens, wie Einkaufen, ärztliche Versorgung, Pkw-Stellplätze um durch größere Parks und Grünanlagen über 40 Bildung, Arbeit, Freizeit, Sport und Kultur, in 15 32.000 reduziert, das Radwegnetz ist um fast Hektar. Dort zeigen sich direkt messbare Abküh- Minuten zu erreichen.84,3,100,32 In Schweden wird das Dreifache ange- lungseffekte auf das stadtweite Mesoklima.103,99 zusätzlich zur 15-Minuten-Stadt auch die Eine-Mi- wachsen. Kleinere, über die Stadt verteilte Grünräume haben allerdings den Vorteil, dass sie durch die Bewohnerinnen und Bewohner schnell erreichbar Paris als mutiger Vorreiter – sind, um dem Hitzestress kurzzeitig auszuwei- Radfahroffensive und Pkw-Stellplatzreduktion chen.101 Das heißt, nicht nur Parks, sondern auch begrünte Straßen sorgen für positive Klima- und Jahr 2003 Jahr 2019 Gesundheitseffekte.140 Der Aufenthalt in Grünräumen reduziert das Stresslevel und ist + 44 % + 188 % -38 % förderlich für Aufmerksamkeit sowie das psychi- -19 % sche Wohlbefinden. Begrünungen, Straßenbäume, 750.000 4.680 Parks und Wasserflächen zur Verbesserung der 811 166.000 Quelle: APUR 20198, Mairie de Paris 2016 Grafik: VCÖ 2021 Luftqualität sowie zur Reduktion von Lärm und urbanen Hitzeinseln fördern zudem Biodiversität 282 3.235 462.691 und schonen die Abwasserinfrastruktur, indem sie Regenwasser absorbieren. 134.112 Radwegnetz Millionen Wege im Anzahl Pkw-Abstellplätze Bewegungsaktive Mobilität braucht mehr Platz in Kilometern Öffentlichen Verkehr Privat-Pkw im Straßenraum Es braucht attraktive öffentliche Räume für Alltagsroutinen, wie Einkäufe oder Behördenwe- ge, zur Arbeit oder zur Schule zu kommen sowie für Freizeitaktivitäten, soziale Begegnungen und
12 Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität Mobilität mit Zukunft 1/2021 Dauerhafte und temporäre Lösungen gefragt Beispiele der Mobilitätswende Während der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 wurden Pop-Up-Radwege oft in kürzester Zeit und unbürokratisch geschaffen. Viele Städte wie Foto: Untitled Practice Photograph by Brighton & Hove City Council Mailand, Dublin und Brüssel haben die Höchst- geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde oder weniger herabgesetzt, um Sicherheit im Mischverkehr und höhere Aufenthaltsqualität zu gewährleisten.86,157 Das Jahr 2020 hat gezeigt, wie rasch und mit welchen einfachen Mitteln Platz für aktive Mobilität geschaffen werden kann. Brighton schafft Platz für Grün, Gehen und Radfahren Bewegungsaktiver Mobilität und Grünflächen Im Zuge einer gründlichen Sanierung und Aufwertung des öffentli- sind dauerhaft mehr Platz in Städten und Gemein- chen Raumes wurden in der britischen Stadt Brighton Grünflächen den einzuräumen. Langlebigere Maßnahmen, die und Geh- und Radverbindungen neu gestaltet. Das Projekt Valley Gar- angegangen werden, können für die Mobiltätswen- dens im Stadtteil Hove erstreckt sich über eine Länge von etwa 1.500 de langfristig große Wirkung zeigen.164 Für eine Meter. Bestehende Grünbereiche wurden verbunden und aufgewertet, nachhaltige Zukunft sind die Breiten von Gehwe- etwa durch 140 neue Bäume. Ein zusammenhängendes Fuß- und gen und Radverkehrsanlagen zu erhöhen und mehr Radwegenetz wurde errichtet. Dafür wurden Fußwege verbreitert so- Flächen für Mischverkehr und langsame Geschwin- wie durch Übergänge verknüpft und so die Zugänglichkeit und Durch- digkeiten bereitzustellen. Bestehende Verkehrsflä- lässigkeit der Parks für das Gehen und Radfahren verbessert. Ver- chen, deren Aufteilung und Gestaltung sind kehrsfreie Spazierwege und getrennte Radwege machen jetzt die In- entsprechend zukünftiger Entwicklungen grundle- frastruktur für Radfahrende und Gehende sicherer und attraktiver. Die gend zu überdenken und weiterzuentwickeln. Umgestaltung der Valley Gardens ist ein Teil der Pläne, Brighton bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu gestalten. Mehr Platz schaffen für nute-Stadt als nationale Strategie verfolgt, die die Gestaltung der Straße und des Platzes vor der bewegungsaktive Mobilität Haustüre und das Gehen als universellste Fortbe- • Grünflächen und begrünte Straßen fördern aktive wegungsart nicht aus den Augen verliert.119 Mobilität, wirken Hitzeinseln entgegen und tra- Grundsätzlich gelten in den Regionen ähnliche gen zum psychischen Wohlbefinden bei. Prinzipien. Um die täglichen Versorgungs- und • Straßenraum und Grünraum gerechter verteilen Kommunikationsbedürfnisse zu Fuß erfüllen zu durch hohe Mindestbreiten für Flächen des Gehens können, werden daher in Österreich im Master- und Radfahrens. Das fördert einen körperlich akti- plan Gehen „Dorf- und Stadtstrukturen mit ven Lebensstil und vermeidet Gesundheitskosten. Radien von etwa einem Kilometer“ angeführt.17 • Vernetzung öffentlicher Räume und Straßen mit Bedingt durch Zersiedelung und Abwanderung hoher Qualität für das Gehen und Radfahren. des Einzelhandels aus den Ortszentren und einer • „Stadt der kurzen Wege“ ermöglicht die Befriedi- Ansiedelung von Einkaufszentren im Umland, gung der Bedürfnisse des täglichen Lebens in- besteht im ländlichen Raum jedoch nach wie vor nerhalb eines 15-Minuten-Radius. eine starke Abhängigkeit der Bewohnerinnen und • Ausreichend Rad-Abstellplätze statt Pkw-Kurz- Bewohner vom Auto. Eine kompakte Siedlungs- parkzonen. entwicklung und ein gutes Nahversorgungsange- • Flexibilität von Funktionen im öffentlichen Raum. bot schaffen Rahmenbedingungen, nicht auf das • Hohe Walkability und Verfügbarkeit sicherer Geh- Auto angewiesen zu sein. Die Umgestaltung von und Radwege sowie Begegnungs- und Fußgän- Straßen ist ein Anstoß für Geschäftstreibende gerzonen massiv ausweiten, Straßenraum inklu- und Wohnbauträger, verstärkt in Ortskerne zu sive Wohnstraßen neu denken, ästhetische Ge- investieren. Dadurch kann eine Aufwärtsspirale staltung des öffentlichen Raumes sowie Spiel- zur Belebung des Ortskerns in Gang kommen.115 und Verweilflächen.
Mobilität mit Zukunft 1/2021 13 privat Richard Wett Foto: Günter Straßenraum neu denken Gehen ist die universellste, natürlichste und demokratischste Art der Fortbewegung. Um diese Form der aktiven Mobilität für Menschen einfach und attraktiv zu machen braucht es ausreichend Platz, qualitätsvolle Gestaltung des Straßenraums für vielfältige Nutzungen sowie im Wohnumfeld fußläufig erreichbare Infrastrukturen für den täglichen Bedarf und beim Zugang zum Öffentlichen Verkehr. Wesentliches Merkmal für qualitätsvolle Geh-Inf- Gehwegbreite etwaige Breitenzuschläge, welche rastruktur ist eine ausreichende Wegbreite, die in verschiedene angrenzende Nutzungen oder Österreich für den Verkehrsraum mit mindestens Beeinträchtigungen berücksichtigen, addiert zwei Metern offiziell empfohlen ist, um Gehen- werden. Im Ortsgebiet ist ein Schutzstreifen von Viele Geh- und Radwege sind zu schmal und den ein bequemes Begegnen und einfaches 50 Zentimetern bei direkt angrenzendem entsprechen nicht den aneinander Vorbeigehen zu ermöglichen.116 Kfz-Verkehr mit einer zulässigen Höchstge- in Österreich bundesweit gültigen Planungsrichtli- Diese Zielgröße ist rechtlich nicht bindend, wird schwindigkeit von 50 Kilometer pro Stunde nien einer Mindestbreite aber in zahlreichen regionalen Verkehrskonzep- empfohlen, vor Schaufenstern ein Verweilstreifen von zwei Metern. ten, Leitbildern und Strategieplänen umgesetzt, so beispielsweise in Graz und Wien.c,116 Auch außerhalb Österreichs, beispielsweise in München Gehen und Radfahren brauchen Platz oder Kopenhagen, gelten zwei Meter als Mindest- breite für Gehwege.73 Zunehmend Bedeutung haben auch Ausweitungen von Fußgängerzonen, Begegnungszonen oder Schulstraßen. VCÖ VCÖ Grafik: 2021 2021 Den Gehsteig auch als Begegnungs- Grafik: und Aufenthaltsraum denken Wien 169,170 Stadt Für das flüssige Vorankommen der Gehenden, ist 2020 Einrichtungsverkehr Stadt Wien 2016,der in Österreich laut den Richtlinien und Vorschrif- Planungshandbuch z mindestens 2 m ten für das Straßenwesen (RVS) bei erhöhtem mindestens 2 m Zweirichtungsverkehr Personenaufkommen der Gehsteig über das Gehsteig Kfz-Fahrbahn mindestens 3 m Regelmaß hinaus zu verbreitern.116 Auch sollten Quelle: Schutzstreifen Quelle: Radweg für die Dimensionierung der tatsächlichen
14 Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität Mobilität mit Zukunft 1/2021 von einem Meter Breite und Sitzbänke benötigen dass insbesondere E-Roller häufig auf dem ebenfalls einen Breitenzuschlag von mindestens Gehsteig abgestellt und zu Hindernissen für einem Meter.116 Gehende werden.f,94 Für E-Roller gilt in Öster- reich eine rechtliche Gleichstellung mit Fahrrä- Hindernislauf auf dem Gehsteig dern, welche das Fahren auf dem Gehsteig In der Realität wird selbst die empfohlene untersagt. Auf dem Gehsteig dürfen E-Scooter Regelbreite oft nicht eingehalten. In Wien nur abgestellt werden, wenn dieser breiter als beispielsweise sind 38 Prozent der Gehsteige zweieinhalb Meter ist.25,g,h weniger als die empfohlenen zwei Meter breit.114 Die Liste der Hindernisse ist lang, ein besonde- Auf den Gehsteigen befinden sich außerdem res Kapitel nehmen dabei auch kommerzielle Verkehrszeichen, Hydranten, Mistkübel, Licht- Werbeinstallationen ein. Beispielsweise sind in Wiens Gehsteige sind masten, Zeitungsständer und immer häufiger Wien in Summe etwa 25.000 Citylights, Halbscha- häufig zu schmal. Die Verteilerkästen.d,e len, Rollingboards und Elektroscreens im Unterschiede zwischen den 23 Bezirken in Wien Der neue Trend zu verstärkter Mikromobilität öffentlichen Raum verteilt.72 Einbauten und sind groß. durch stationslose Sharingangebote hat zur Folge, Möblierungen wie diese gehören fast selbstver- ständlich zum Straßenbild. Deren Platzierung zulasten der Gehenden wird selten hinterfragt, 38 Prozent der Gehsteige in Wien wenngleich ihre Präsenz den nutzbaren Raum sind schmäler als zwei Meter meist einschränkt. Nicht zuletzt reduziert das Hineinragen von abgestellten Autos bei Schräg- Anteil Gehwege über 2 Meter in Prozent parken den tatsächlich verfügbaren Raum auf 0 20 40 60 80 100 Gehsteigen weiter. In Wien etwa zählt Schrägpar- Brigittenau, 20. 34 % ken – oftmals gemeinsam mit Einbahnlösungen Anteil Gehsteigfläche an der Verkehrsfläche in Prozent 91 % Leopoldstadt, 2. 83 % 32 % – zum Standard, während ein internationaler Innere Stadt, 1. 82 % 38 % Vergleich zeigt, dass andere Städte das Schrägpar- Alsergrund, 9. 35 % ken weitaus seltener anwenden.73 82 % Auch Haltestellen des Öffentlichen Verkehrs, Margareten, 5. 80 % 33 % Kioske, Baumscheiben, Stadtmobiliar oder Wieden, 4. 78 % 34 % Schanigärten wirken sich auf das Platzangebot Landstraße, 3. 78 % 33 % für Gehende aus. Auch wenn diese grundsätzlich Neubau, 7. 77 % 38 % zur Aufenthaltsqualität des Straßenraumes Ottakring, 16. 74 % 36 % beitragen, sind sie nur bei ausreichenden Platz- Mariahilf, 6. 72 % 37 % verhältnissen kein Hindernis. Gerade Personen Favoriten, 10. 71 % 32 % mit besonderen Mobilitätsbedürfnissen oder Simmering, 11. 70 % 30 % Mobilitätseinschränkungen, wie ältere Menschen, Personen mit Kinderwägen oder Rollstühlen, Rudolfsheim-Fh., 15. 70 % 34 % brauchen einerseits Möblierung im Straßenraum Josefstadt, 8. 70 % 37 % und sind andererseits auch auf Barrierefreiheit, Meidling, 12. 69 % 36 % ausreichend Platz und Aufmerksamkeit schon bei Floridsdorf, 21. 63 % 30 % der Planung angewiesen. Quelle: Stadt Wien 2016169, Wien 2020170 Grafik: VCÖ 2021 Hernals, 17. 62 % 33 % Wien Durchschnitt 32 % Währing, 18. 61 % 35 % Flächengerechtigkeit und Straßen Donaustadt, 22. 58 % 26 % mit Atmosphäre Döbling, 19. 55 % 32 % Platz auf der Straße steht derzeit aufgrund der Penzing, 14. 48 % bisherigen, zu einseitig autoorientierten Stadt- 30 % und Verkehrsplanung und Regulierung in der Hietzing, 13. 41 % 32 % Straßenverkehrsordnung (StVO) vorwiegend dem Liesing, 23. 37 % 29 % Kfz-Verkehr zu. So beansprucht beispielsweise in Anteil Gehwege über 2 m Wien gesamt 62 % Wien der Kfz-Verkehr etwa zwei Drittel der Straßenfläche.156 Für das Abstellen von Fahrzeu-
Mobilität mit Zukunft 1/2021 Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität 15 gen werden 28 Prozent der Fläche reserviert, Beispiele der Mobilitätswende wobei sich zeigt, dass andere Städte merklich weniger Straßenraum dafür zur Verfügung stellen.85 So nehmen beispielsweise in Kopenha- gen Pkw-Abstellflächen nur 16 Prozent in Anspruch. Um Flächengerechtigkeit zu gewährleisten, ist Foto: amanderson in einem ersten Schritt die Breite der Flächen für das Gehen über die Mindestbreiten hinaus sicherzustellen.52,12 Zusätzlich bedarf es einer barrierefreien Gestaltung, sicherer Querungs- möglichkeiten, Verweilzonen und diverser Covid-19-Pandemie zeigt: Aktive Mobilität braucht Platz Möblierung für unterschiedliche Anforderungen, In der Covid-19-Pandemie wurde im Jahr 2020 viel mehr gegangen und Beleuchtung sowie Beschattung. Diese Qualitäts- mit dem Fahrrad gefahren, als in der Zeit davor. Es wurde sichtbar, wie merkmale nennen bundesweite Strategiepapiere wenig Platz derzeit bewegungsaktiver Mobilität eingeräumt wird und wie aus Österreich und in der Schweiz als wesentliche rasch sich das ändern lässt. Viele Städte setzten spontan und kreativ Anforderungen von Infrastrukturen zur Förde- Maßnahmen, um dem steigenden Platzbedarf zu entsprechen. In Barce- rung des Gehens.37,18 Das gilt auch für Städte wie lona und Mailand wurden Straßen in Fußgängerzonen umgewandelt. In Mödling, Leibnitz oder Lustenau.i Brüssel und Newcastle wurden Innenstädte zu verkehrsberuhigten Zonen mit Tempo 20. In Tel Aviv wurde die Innenstadt vorübergehend zur Fuß- Weniger Tempo – mehr Grün – lebendige Straße gängerzone erklärt. In Lissabon und New York wurden Pkw-Abstellplätze Die Qualität eines Freiraums und die Nutzung umgenutzt, um Platz für Gastgärten zu schaffen. Große Aufmerksamkeit abseits der Fortbewegung kann daran erkannt erlangten die Pop-Up-Radwege, wie sie temporär etwa in Auckland, Ber- werden, wie häufig oder lange sich Menschen lin, Lissabon, Paris, Barcelona, Rom und Wien errichtet wurden. Die Er- an einem Ort aufhalten.76 Für Zürich hat sich fahrungen waren durchwegs positiv. Wichtig wäre, diese Experimente gezeigt, dass nur ein Prozent der Anwohnerinnen zumindest teilweise in dauerhafte Lösungen überzuführen. und Anwohner einer Tempo 50-Straße den Straßenraum für Aktivitäten wie Sitzen und Die Bevölkerung Österreichs Zeitung lesen nutzen, aber elf Prozent in einer deckt im Schnitt knapp zwei Drittel der gesundheitlich Begegnungszone.138 empfohlenen körperlichen Neben der Geschwindigkeitsreduktion sind Aktivität alleine durch Gehen bauliche Maßnahmen wichtig. Der vorherrschen- und Radfahren ab. de Straßenquerschnitt mit an den Rand gedräng- ten Gehsteigen ist nicht mehr zeitgemäß. Zwei Drittel der empfohlenen Bewegung Fahrspuren können reduziert, Parkstreifen werden durch aktive Mobilität erreicht abschnittsweise in Multifunktionsstreifen 150 Anteil von 150 Minuten pro Woche in Prozent als Hauptverkehrsmittel beziehungsweise Ausstattungsstreifen transfor- 90 % 135 82 % miert werden. Multifunktionsstreifen integrieren und Person 120 Neupflanzungen, unterschiedliche Aufenthalts- 69 % 73 % 29 51 105 65 % Quelle: mobyome 2021 auf Basis von BMVIT 2016168 Grafik: VCÖ 2021 900 63 % 63 % bereiche in Form von Gastgärten oder konsum- 59 % 16 33 80090 24 23 45 % 47 % 23 28 freien Möblierungen sowie frei bespielbare 70075 Woche 14 16 Euro pro Jahr Flächen neben vereinzelten Pkw-Abstellflächen 60 600 87 94 Aktive Alltagsmobilität 45 84 pro und den in Zukunft immer wichtiger werdenden 50030 74 72 67 76 53 54 65 Minuten Ladezonen.80,18 Auch die Empfehlung, alle 200 40015 Meter einen Mikrofreiraum, beispielsweise eine 3000 in Gehsteigvorziehung mit Vegetation und Möblie- t ten d ich erö ark ich ien g ol erg 200 am lan ur Tir rre rre W rn rm rlb lzb es en Kä rung oder ein Parklet, zu errichten, dient als Start hg ste ste ra eie Sa rg 100 Vo eic erö Bu St err Ob ed einer Aufwertung des öffentlichen Raums und ist t Ni Ös 0 leicht umsetzbar.145 Besonders Baumpflanzun- Mindestens 150 Minuten Linz Bewegung pro Woche gelten als gesundheitsfördernd (WHO-Empfehlungen) gen in regelmäßigen Abständen als Baumreihen
16 Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität Mobilität mit Zukunft 1/2021 stärkere Aufmerksamkeit aller Nutzenden und Beispiele der Mobilitätswende nicht zuletzt Geschwindigkeitsreduktion sind die Folge. Werden auch Abstellflächen für Pkw Foto: Carlos Felipe Pardo www.flickr.com vermieden, dann wird auch die Trennwirkung der geparkten Autos unterbrochen. Besonders dort, wo der vorhandene Platz begrenzt ist, wie in historisch gewachsenen Ortsteilen, bietet sich eine niveaugleiche gemeinsame Nutzung des Straßenraums von Gehenden und Kfz-Verkehr auf sogenannten Mischverkehrsflächen in Form von Wohnstra- Verkehrsflächen werden wieder öffentlicher Raum ßen, Fahrradstraßen oder Begegnungszonen Begonnen haben die Sunday Streets als Ciclovía im Jahr 1974 in an. Eine generelle Höchstgeschwindigkeit von Bogota, Kolumbien. Mittlerweile werden jeden Sonntag 120 Kilome- maximal 30 Kilometern pro Stunde im Ortsge- ter der Straßen der Stadt für den Kfz-Verkehr gesperrt. Sie gehören biet trägt dazu bei, die Hemmschwelle zur dann allen, die nicht motorisiert unterwegs sind, mit Fahrrädern, zu Umsetzung von Mischverkehrsflächen abzu- Fuß, mit Rollstühlen, Skateboards, Scootern oder Rollschuhen. bauen. Fitnessangebote, Musik und Speisen entlang des Weges machen das Event zur großen Party für die Bewohnerinnen und Bewohner. Gehsteigkanten für gleichberechtigte Nutzung Ähnliche autofreie Sonntage finden mittlerweile weltweit statt, unter und höhere Aufenthaltsqualität abschaffen anderem in Paris, Berlin, Dresden und Brüssel. In Begegnungszonen wird der bis dato baulich Auch der Parking Day, jeden dritten Freitag im September, propagiert und gesetzlich getrennt geregelte Raum der die temporäre, kreative Neunutzung des öffentlichen Raums, indem Straße zu einem Raum der Eigenverantwortung.j Pkw-Abstellplätze in Städten auch anders bespielt werden. Im Jahr Alle können ihn gleichberechtigt für Fortbewe- 2005 wurde dieses Projekt in San Francisco gestartet und findet seither gung und Aufenthalt nutzen.11 Wesentlich ist Nachahmung in vielen Staaten, in Österreich etwa in Wien und Graz. dabei eine klare und ansprechende Gestaltung.71 Gemäß StVO sind für Wohnstraßen und Begeg- nungszonen Schwellen, Rillen oder Bordsteine zulässig, um den Kfz-Nutzenden ein gewünschtes oder Alleen müssen vor dem Hintergrund Verkehrsverhalten nahezulegen.24 Grundsätzlich gesundheitsgefährdender urbaner Hitzeinseln wird allerdings davon ausgegangen und sollte zum Standard werden. Das Schwammstadtprin- gewährleistet werden, dass Wohnstraßen und zip ermöglicht Bäume im Straßenraum kombi- Begegnungszonen ohne Bordsteine – also niert mit Regenwassermanagement erfolgreich niveaugleich und als einheitliche Oberfläche – umzusetzen. ausgeführt werden.k Hinzu kommen zwingende Bestimmungen Miteinander auf gleichem Niveau zur Einhaltung der Barrierefreiheit, die in Es braucht die Auflösung der starren linearen Richtlinien und Bauordnungen, in Österreich Zonierung und des damit einhergehenden meist der Bundesländer, geregelt sind. Bordstei- autoorientierten Straßenbildes, damit Gehen ne verhindern eine barrierefreie Nutzung der attraktiver wird. In der Regel trennt ein Randstein Mischverkehrsfläche. Gestalterische Mittel den Gehbereich von der Fahrfläche. Diese können zur Anwendung kommen, um beispiels- längsgerichtete Anordnung wirkt in Richtung weise mit Tiefbord, Materialwechsel, Struktur höherer Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs und oder Farbe Begrenzungen anzudeuten oder beeinträchtigt Verweilen und Aufenthalt von auch nicht gewollte Nutzungen, wie das Gehenden. Werden die Niveauunterschiede Befahren von Kfz durch Grünbeete, Radabstel- aufgelöst – wie beispielsweise Weglassen der lanlagen oder Sitzelemente zu verhindern. Gehsteigkanten in Begegnungszonen – wirkt der Verankert werden könnten derlei Vorgaben Straßenraum als Einheit von Fassade zu Fassade beispielsweise in den jeweiligen Bauordnungen und es entsteht ein platzartiger Charakter. Eine und in Bebauungsplänen.27
Mobilität mit Zukunft 1/2021 Mehr Platz für bewegungsaktive Mobilität 17 Die neue Gestalt der Straße ist der Platz Beispiele der Mobilitätswende Die Begegnungszone ist in Österreich derzeit die fortschrittlichste Deutung von Mischverkehr, wenngleich sie de facto nur jenen Zustand gesetzlich festschreibt, der vor der strukturellen Foto: Günter Richard Wett Privilegierung des Kfz-Verkehrs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Normalität war.j Sie baut auf der Gestalt der Straße als Platz auf und beginnt sich in Städten und Ortskernen wieder durchzusetzen. Auf die Zukunft gerichtete Planungen zielen darauf ab, Straßenraum nicht länger einzig als Verkehrsraum zu definieren, Landesstraße wird zum Dorfplatz sondern zunehmend wieder als Aufenthaltsraum. In Prutz in Tirol wurde im Zuge eines Dorfentwicklungsprozesses mit Damit wird Straße im Regelfall zum Platz und partizipativer Gestaltung im Ortszentrum eine Landesstraße auf 200 öffentlichem Aufenthaltsraum für Anrainerinnen Meter zur Begegnungszone. Die Kaunertaler Straße (L18) erschließt und Anrainer, die Straße als Kfz-Verkehrsader fünf weitere Gemeinden sowie zwei Skigebiete. Die örtlichen Gege- wird zur Ausnahme. Nicht zuletzt aufgrund der benheiten mit engen Gassen und vielen Gehenden mit Querungsrela- Anstrengungen zur Reduktion von CO2-Emissio- tionen über die Straße führten dazu, den zentralen Dorfplatz zu einem nen wird dadurch auch die aktive Mobilität barrierefreien Aufenthaltsbereich auszugestalten. Sitzmöglichkeiten, maßgeblich gefördert. Straßen sind wichtige Fahrrad-Abstellanlagen, Grünelemente, ein Wasserspiel im Boden, so- Ausgleichsräume in unmittelbarer Wohnungsnä- wie zwei E-Ladestationen für Pkw und blendfreie LED-Beleuchtung he.75 Straßenumbauten sollten daher als Chance wurden installiert. Die durchführende Landesstraße wurde durch verstanden werden und einen Mehrwert erzielen, farbliche Gestaltung des Asphalts optisch in den Dorfplatz integriert. indem die Aufenthaltsfunktion durch Platzcha- Das betont die Aufenthaltsqualität und hilft, den Kfz-Verkehr auf die rakter, Möblierung und Baumpflanzungen erlaubten 20 km/h einzubremsen. Das Verkehrsaufkommen in diesem umfassend integriert wird. Abschnitt der Landesstraße ist gesunken und beträgt pro 14 Stunden etwa 6.100 Kfz. Zusätzlich sind nun auch 350 Radfahrende und 685 Gehende unterwegs. Gehenden ausreichend Raum geben • Fußgängerinnen und Fußgängern steht oft zu wenig Platz zur Verfügung. • Bei jeglichen Umbauarbeiten im Straßenraum ist die Raumgerechtigkeit zu verbessern. Mehr Platz für aktive Mobili- tät, Aufenthalt und Verweilen schaffen. • Stadtstrukturen beeinflussen das Mobilitätsverhalten. Kurze Wege und einladende, sichere Straßengestaltung inklusi- ve regelmäßiger Querungsmöglichkeiten und Barrierefreiheit sind zu fördern. • Stärkung der Ortskerne und Schaffung polyzentrischer Stadtstrukturen etwa in Stadterweiterungsgebieten. Es braucht Durchmischung und Verschränkung von Wohnen, Nahversorgung, Bildung, Wirtschaft, sozialer Einrichtungen sowie gut nutzbare und qualitativ hochwertige öffentliche Freiräume. • Straßen sind öffentliches Gut, dienen dem Allgemeinwohl und erfüllen unterschiedliche Funktionen. Verbesserungen hin- sichtlich einer vielfältigeren Nutzbarkeit und ökologisch-mikroklimatischen Aufwertung sind wichtig. • Es braucht die Ausrichtung zu mehr Aufenthaltsqualität, Verkehrsberuhigung, Temporeduktion, konsumfreien Sitz- möglichkeiten und Gehsteigverbreiterung. • Push- und Pull-Maßnahmen zur Umwidmung von Einzelgaragen zu Quartiersgaragen mit ausreichend Lademöglich- keiten und Sharing-Angeboten. E-Ladestationen nicht in Flächen fürs Gehen einbauen.
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