Meer Wind E&M special - Noch viel Platz auf See - WAB eV

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Meer Wind E&M special - Noch viel Platz auf See - WAB eV
1. März 2020

E&M special
Meer Wind

          Noch viel
          Platz auf See
          Nach wie vor lässt die
          Bundesregierung eine
          langfristige Strategie für
          den Ausbau der Offshore-
          Windenergie vermissen
Meer Wind E&M special - Noch viel Platz auf See - WAB eV
Es ist flexibel,
sagt die Beständigkeit.
Unser Clustermanagement spart Kosten ein.

Wir setzen auf Synergien und flexible Teams, die eine Vielzahl
von Arbeiten bereits während der Wartungseinsätze erledigen
und so den Aufwand minimieren. Allein bei den Logistikkosten
sehen wir Einsparpotenziale von bis zu 30 Prozent durch
unser windparkübergreifendes Clustermanagement.

deutsche-windtechnik.com/offshore-service
Meer Wind E&M special - Noch viel Platz auf See - WAB eV
ED I TOR I A L

      Mehr Klimaschutz
      nur mit mehr
      Offshore-Windenergie

      D
                   ie Ursache für den Stillstand beim                           alle Projekte bis Ende dieser Dekade in
                   Ausbau der Windenergie hat ei­                               Betrieb sein sollten (was einem Wunder
                   nen Namen: Große Koalition. An                               gleich käme), läge die Gesamtkapazität bei
                   Land gehen kaum noch Wind­                                   20.000 MW – damit 20 % unter dem Ausbau­
      turbinen in Betrieb, auf See überhaupt keine                              ziel, das die Bundesregierung in einem Stra­
      mehr. Demnächst werden noch die letzten                                   tegiepapier Anfang 2002 (!) festgelegt hatte.
      Propeller beim Projekt Borkum West in der                                    Bei all den anstehenden Gipfelrunden in
      Nordsee mit erheblichem Zeitverzug instal­                                der ersten Märzhälfte und der anstehenden
      liert und mit dem Netz synchronisiert, dann                               Novelle des Wind-auf-See-Gesetzes reicht es
      passiert bis weit in das Jahr 2022 hi­nein erst­                          nicht aus, nur allein die 20.000-MW-Marke
      mal gar nichts. Nothing. Niente. Rien. Nada.                              bis 2030 im Blick zu haben. Deutschland
      Ein Unding im Energiewende-Zeitalter.                                     braucht einen klaren Fahrplan für weit mehr
           Vor diesem erneuten Fadenriss nach                                   Windenergie auf See, nur mit Zig-Milliarden
      den Flautejahren 2012 und 2013 hatte die                                  Kilowattstunden Offshore-Windstrom lässt
      Offshore-Windbranche die Groko und das                                    sich das Ziel einer Klimaneutralität bis 2050
      Bundeswirtschaftsministerium mantrahaft                RALF KÖPKE         erreichen. Dieses Ziel hat die Bundesregie­
      gewarnt. Appelle, Briefe, Gespräche, Flüche            E&M-Chefreporter   rung in ihrem Ende vergangenen Jahres ver­
      und Gutachten über drastisch gesunkene                                    abschiedeten Klimaschutzgesetz postuliert.
      Kosten für die Kilowattstunde Offshore-­                                     Die Politik muss endlich ein klares Com­
      Windstrom – all das hat nichts bewirkt.                                   mitment für mehr Offshore-Windenergie ab­
           Als Trostpflaster hat die Bundesregierung                            geben. Das frühere Pionierland der Wind­
      den Meerwind-Protagonisten in ihrem Kli­                                  energienutzung auf See verliert sonst in der
      maschutzpaket einen zusätzlichen Ausbau            „Bundesregierung       Branche noch mehr an Standing und Repu­
      von 5.000 MW bis 2030 in Aussicht gestellt.        bleibt nach wie vor    tation – wie der im vergangenen Spät­-
      Die gesetzliche Verankerung fehlt bis heute.                              herbst veröffentlichte Statusreport von Wind
      Das bevorstehende Treffen der Ministerprä­          unter ihrem Aus-      Europe eindrucksvoll dokumentiert hat.
      sidenten mit Kanzlerin Angela Merkel am                bauziel aus        Selbst Frankreich, wo sich heute noch keine
      5. März sowie ein vom Bundeswirtschaftsmi­                                einzige Großwindturbine vor der Küste
      nisterium anberaumtes Treffen mit der                dem Jahr 2002“       dreht, wird eine höhere Offshore-Windleis­
      Offshore-Windbranche am 13. März könnten                                  tung bis 2050 zugetraut als Deutschland. Das
      dafür aber wichtige Weichenstellungen                                     selbst ernannte Energiewendeland Deutsch­
      ­leisten.                                                                 land droht bei der Offshore-Windenergie den
           Womit schon einiges gewonnen wäre.                                   Anschluss zu verlieren.
       Doch die in den zurückliegenden Jahren ver­                                 Offshore-Windstrom kann viel mehr zum
       plemperte Zeit beim Offshore-Windkraftaus­                               Klimaschutz beitragen. Mit Unterstützung
       bau lässt sich nicht aufholen. Bereits heute                             von gleich fünf Vereinen und Organisatoren
       ist absehbar, dass die ersten Hochseewind­                               will E&M diese Botschaft mit dieser Beilage
       parks aus dem „5.000-MW-Paket“ frühestens                                unterstreichen – einen dritten Fadenriss auf
       2027 an den Start gehen. Und selbst wenn                                 See darf es nicht mehr geben.           E&M

1. März 2020 | E&M Meer Wind                                                                                                    3
Meer Wind E&M special - Noch viel Platz auf See - WAB eV
Inhalt
                                                                                                       Perspektiven                                 5
                                                                                                       Über die Seewind-Situation hierzulande sprach
                                                                                                       E&M mit dem BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm

                                                                                 10
                                                                                 Steelwind baut
                                                                                                       Erfolgreiche Mondlandung 
                                                                                                       Das Offshore-Testfeld alpha ventus ist nun
                                                                                                       zehn Jahre in Betrieb
                                                                                                                                                           8

                                                                                 seine Auslands­
                                                                                 aktivitäten strate-   XXL-Fundamente                                    10
                                                                                                       Mit gigantischen Monopile-Röhren ist
                                                                                 gisch weiter aus      Steelwind zum Technologieführer avanciert

                                                                                                       Ante Portas                                       16
                                                                                                       Erstmals baut der Übertragungsnetzbetreiber
                                                                                                       Amprion Netzanbindungssysteme für zwei
                                                                                                       Offshore-Windparks in der Nordsee

                                                                                                       Alte Zöpfe                                     20
                                                                                                       Für Martin Neubert vom Oersted-Konzern
                                                                                                       agiert Deutschland auf See viel zu schwerfällig

                                                                                                       Kein Automatismus                                 26

                                                                    20
                                                                                                       Warum Vattenfall-Konzernvorstand
                                                                                                       Gunnar Groebler Vorteile im Contract-for-
                                                                                                       Difference-­Vergütungsmodell sieht
                                                           Martin Neubert:
                                                                                                       Bits und Bytes                                 28
                                                            „Die deutschen
                                                                                                       Weniger Schiffe, mehr Helikopter – die Betreiber
                                                           Offshore-Zahlen                             von Offshore-Windparks wollen mehr fliegen
                                                        sind schockierend“
                                                                                                       Impressum                                         30

                                                      28
                                                                                                       Titelbild: TWB2/Matthias Ibeler

                                                      Wie die Digitalisierung
                                                      helfen soll, den Service
                                                      auf See zu verbessern                               E&M-Verbandspartner

                                                                                                          Bundesverband der Windparkbetreiber
                                                                                                          Offshore e.V. (BWO)              12

                                                                                                          Erneuerbare Energien Hamburg
                                                                                                          Clusteragentur GmbH (EEHH)                14

                                                                                                          Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE  18
Bilder: Georg Schreiber, Oersted, hatotzipka.de

                                                                                                          wab e.V. Branchennetzwerk für
                                                                                                          die Windenergie                           22

                                                                                                          WindEnergy Network e.V.                   24

                                                  4                                                                            E&M Meer Wind | 1. März 2020
Meer Wind E&M special - Noch viel Platz auf See - WAB eV
Ein Schlepper zieht
                                    die Hubinsel Buzzard
                                    ins Baufeld
Bild: DOTI | Matthias Ibeler

                                   „ Jährlicher Zubau von
                                 mindestens 2.000 Megawatt“
                                                Über die Situation und Perspektiven der Offshore-Wind­
                                                 energie hierzulande sprach E&M mit Stefan Thimm,
                                              dem neuen Geschäftsführer des Bundesverbands Windpark-
                                                      betreiber Offshore (BWO). V O N R A L F K Ö P K E

                                  E&M: Herr Thimm, welchen Anteil wird die                               teilt. Wenn es die 5.000 Megawatt mehr Windkraft
                               Offshore-Windenergie hierzulande zur Bruttostrom­                         auf See demnächst nicht gäbe, müssten stattdessen
                               erzeugung 2030 beisteuern? Derzeit liegt die Quote                        allein rund 20.000 Megawatt mehr Photovoltaik in
                               bei gut vier Prozent.                                                     Betrieb gehen − und auch die PV-Branche droht an
                                  Thimm: Deutlich über zehn Prozent auf jeden                            den Ausbaudeckel zu stoßen.
                               Fall, wenn es gut läuft, sogar an die 15 Prozent.                             E&M: Von diesen 5.000 Megawatt plus wird das
                               Hinter den 15 Prozent steht aber ein dickes Frage-                        Gros der Projekte wohl erst ab 2028 errichtet wer-
                               zeichen. Niemand kann heute sagen, wie sich in den                        den. Für die deutsche Offshore-Windindustrie sind
                               kommenden zehn Jahren der Stromverbrauch ent-                             das angesichts des Nullwachstums auf See in den
                               wickelt.                                                                  beiden kommenden Jahren keine guten Aussichten,
                                  E&M: Gehen Sie wirklich davon aus, dass in den                         oder?
                               deutschen Nord- und Ostseegewässern Ende dieses                               Thimm: Auch wenn wir wollten, die langen Pla-
                               Jahrzehnts 20.000 Megawatt Windkraftleistung in                           nungs- und Genehmigungsprozesse für Offshore-­
                               Betrieb sind?                                                             Windparks werden wir über Nacht nicht ändern,
                                  Thimm: In der Tat, davon gehe ich aus. Es ist                          sprich beschleunigen können. Was wir machen kön-
                               einfach überfällig, dass die Bundesregierung dem-      „Wir müssen auf    nen und müssen, ist auf flexible Maßnahmen zu set-
                               nächst den bisherigen 2030er-Ausbaudeckel um                              zen. Dazu zähle ich beispielsweise das Netzanbin-
                               5.000 auf dann 20.000 Megawatt anheben wird. Um        flexible Maßnah-   dungssystem Nor-3-3 mit der freien Kapazität von
                               sowohl das Klima- als auch das 65-Prozent-Ziel bis        men setzen“     gut 660 Megawatt. Für dieses Vorhaben müssen wir
                               2030 zu erreichen, wäre mehr sicherlich besser.                           uns schnell mit dem Übertragungsnetzbetreiber Ten-
                               Ohne zusätzliche Offshore-Kapazitäten sind alle kli-                      net und dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hy-
                               mapolitischen Zielsetzungen zum Scheitern verur-                          drographie einig werden, ob nicht dort bereits

                               1. März 2020 | E&M Meer Wind                                                                                              5
Meer Wind E&M special - Noch viel Platz auf See - WAB eV
in den frühen 2020er-Jahren ein Offshore-Wind-                                                                           ZUR PERSON
park angeschlossen werden kann. Es wäre wün-
schenswert, wenn dieses Projekt bei der 2021 an-                                                                             Stefan Thimm
stehenden ersten Ausschreibung unter der Ägide des                                                                           Geschäftsführer Bundesver-
Zentralen Modells bevorzugt würde.                                                                                           band der Windparkbetreiber
   E&M: Was heißt das?                                                                                                       Offshore
   Thimm: Es müsste eine optionale Möglichkeit ge-
ben, dass dieser Offshore-Windpark nicht erst in fünf                                                                        Stefan Thimm hat zum
Jahren oder später in Betrieb gehen kann, sondern,                                                                           1. Januar die Geschäftsfüh-
wenn es geht, noch 2023 oder 2024. Wir müssen                                                                                rung beim Bundesverband
uns nichts vormachen: Die Bundesregierung wird                                                                               der Windparkbetreiber
vor 2021 keine zusätzliche Ausschreibung mehr                                                                                Offshore übernommen.
starten, was die Offshore-Windbranche lange Zeit                                                                             Zuvor war der studierte
mit dem sogenannten Sonderbeitrag Offshore aus                                                                               Politologe 18 Jahre für den
dem schwarz-roten Koalitionsvertrag verbunden hat.                                                                           Branchenverband BDEW
Wir müssen deshalb alles daransetzen, Projekte, die                                                                          tätig, bei dem er über zehn
bislang noch nicht in Flächennutzungsplänen vor-                                                                             Jahre lang das Fachgebiet
gesehen sind, schnell anzupacken. Dabei denke ich                                                                            erneuerbare Energien
beispielsweise in der Ostsee an Projekte im Küsten-                                                                          verantwortete. Thimm löste
meer, Stichwort Gennaker, oder eben an den schnel-                                                                           Uwe Knickrehm (72) ab, der
len Anschluss eines Offshore-Windparks an den Kon-                                                                           die Geschicke des BWO seit
verter Nor-3-3. Zusammen könnten so in der ersten                                                                            dem Jahr 2015 gemanagt
Hälfte der 2020er-Jahre rund 2.000 Megawatt auf                                                                              hat und zum Jahresende
See zusätzlich in Betrieb gehen.
                                                        Bild: BWO

                                                                                                                             2019 − leicht verspätet − in
                                                                                                                             den Ruhestand gegangen ist.
„Vor 2021 wird es wohl keine
Ausschreibung mehr geben“
   E&M: Diese Zahl tragen die Offshore-Windver-                     preisen zahlen Anlagenbetreiber Geld an das
bände seit Monaten wie ein Mantra vor sich her.                     EEG-Konto und entlasten so die Letztverbraucher.
   Thimm: Den Konjunktiv habe ich bewusst ge-                       Gleichzeitig steigt damit die Investitionssicherheit
wählt, weil natürlich auch das Bundesamt für See-                   der Betreiber vor Veränderungen der regulatori-
schifffahrt und Hydrographie sowie die beiden zu-                   schen Rahmenbedingungen.
ständigen Übertragungsnetzbetreiber mitspielen                         Auf Seiten der Politik in Berlin sehe ich noch kei-
müssen. Allerdings kommen von Letzteren bereits                     ne Bereitschaft, sich ernsthaft mit dem CFD-Modell
erste positive Signale. Der Weg ist also frei.                      zu befassen. Nach wie vor erleben wir leider in Tei-
   Meines Erachtens müssen wir aus der jetzigen Si-                 len der Politik Diskussionen, ob das 65-Prozent-Ziel
tuation für die Zukunft lernen: Wir dürfen beim                     überhaupt erreicht werden soll. Offen ist deshalb
Offshore-Windkraftausbau nicht länger nur in Deka-                  die Frage: Wie viel Windkraft an Land und Photo-                                          Arbeiten bei der Montage
den denken. Um zu wesentlich mehr Planungs- und                     voltaik brauchen wir bis 2030? Bevor die nicht ge-                                        eines Rotorsterns auf See
Investitionssicherheit zu kommen, brauchen wir                      klärt sind, sehe ich keinen Spielraum für Diskussio-
bald einen Fahrplan, der weit über das Jahr 2030                    nen um das CFD-Modell.
hinausgeht.
   E&M: Wie soll dieser Fahrplan nach Ihren Vor-                    „Jährliche Entlastung in Höhe von
stellungen aussehen?                                                800 Millionen Euro möglich“
   Thimm: Wir brauchen einfach einen jährlichen                         E&M: Glauben Sie wirklich, dem Vater der Strom-
Zubau von mindestens 2.000 Megawatt, da müssen                      preisbremse, dem heutigen Bundeswirtschaftsmi-
wir hinkommen. Die Politik muss sich bewegen.                       nister Peter Altmaier (CDU; d. Red.), solche Vorteile
   E&M: Muss sich die Politik nach Ihrer Einschät-                  der CFD-Förderung für den weiteren Ausbau der
zung nicht auch bei dem Finanzierungsregime be-                     Offshore-Windenergie vermitteln zu können?
wegen? Eine Reihe Ihrer Mitglieder fordert einen                        Thimm: Peter Altmaiers Ansatz damals war es,
Wechsel zum britischen Contract-for-Difference-Mo-                  die Belastungen für die Stromverbraucher zu sen-
dell (CFD; d. Red.), um künftig Null-Cent-Gebote zu                 ken. Dieses Ziel teilen wir. Wenn er daran festhält,
vermeiden.                                                          kommt er − sachlich gesehen − früher oder später
   Thimm: Die Weiterentwicklung zum CFD-Modell                      an dem CFD-Modell nicht vorbei. Das Deutsche In-
macht Sinn. Im heutigen EEG sichern die Letztver-                   stitut für Wirtschaftsforschung hat berechnet, dass
braucher bei niedrigen Strompreisen die Anlagen-                    der Wechsel zu einer CFD-Refinanzierung zu einer
betreiber mit der Marktprämie (EEG; d. Red.) ab,                    jährlichen Entlastung in Höhe von 800 Millionen
um die notwendige Differenz zur Finanzierung von                    Euro für die Stromverbraucher führt.
Erzeugungsanlagen zu decken. Sie partizipieren aber                     E&M: Sollte die Bundesregierung nicht die anste-
nicht von den Mehreinnahmen der EE-Anlagen,                         hende Novelle des Wind-auf-See-Gesetzes für eine
wenn die Strompreise steigen. Das ist kein guter Deal               Änderung des Finanzierungsregimes nutzen?
für die Stromkunden. Ein CFD schafft hier Abhilfe:                      Thimm: In der Tat besteht bei der anstehenden
Bei niedrigen Strompreisen wird der Erlös der An-                   Novelle für die Finanzierung Handlungsdruck. Nach
lagenbetreiber aufgestockt. Bei steigenden Strom-                   der aktuellen Gesetzeslage wird der Höchstpreis für
                                                                                                                               Bild: DOTI | Matthias Ibeler

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Meer Wind E&M special - Noch viel Platz auf See - WAB eV
die nächste Auktionsrunde auf Basis der niedrigsten                            E&M: Was noch nicht ist, kann aber noch
Zuschlagsgebote bei den bisherigen Ausschreibun-                           ­werden.
gen ermittelt. Demnach läge der Höchstpreis für die                            Thimm: Warten wir es ab. Vielleicht werden
nächste Auktionsrunde 2021 bei null Cent. Bei den                           Wasserstofflösungen auf See an Fahrt gewinnen,
Null-Cent-Geboten, die wir 2017 und 2018 bei der                            wenn die bereits für das vergangene Jahr angekün-
Offshore-Windenergie gesehen haben, hat es pro-                             digte Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesre-
jektspezifische Besonderheiten gegeben. Aufgrund                            gierung vorliegt. Der BWO selbst will im ersten Halb-
unterschiedlicher Wassertiefen und anderer Rah-                             jahr mit einem eigenen Papier seine Positionen zu
menbedingungen ist eine Finanzierung zu null Cent                           den Themen grüner Wasserstoff und Power-to-X prä-
jedoch nicht immer möglich.                                                 sentieren. Um hierzulande auch wirklich große Men-
   E&M: Wann erwarten Sie die erste Kilowattstun-                           gen an grünem Wasserstoff herzustellen, führt kein
de Wasserstoff, die explizit auf Basis von Offshore-­                       Weg an einem schnellen Ausbau der Offshore-Wind­
Windstrom hergestellt wird?                                                 energie vorbei.
   Thimm: Voraussichtlich nicht vor Mitte der                                  E&M: Deutschland hat zu Beginn des Jahres den
2020er-Jahre.                                               „2050 soll      Vorsitz der Nordsee-Kooperation für Offshore-Wind­
                                                                            energie übernommen, zu der sich die Anrainerstaa-
„Green Deal ist nur mit mehr                            Deutschland über    ten zusammengeschlossen haben. Ab Sommer
Offshore-Windenergie zu schaffen“                        eine Offshore-­    kommt dann noch der Vorsitz der EU-Ratspräsident-
   E&M: Warum nicht?                                                        schaft hinzu. Was erwarten Sie sich davon für die
   Thimm: Wir haben derzeit folgende Situation:         Windleistung von    Offshore-Windenergie?
Mit dem Energiesammelgesetz ist es seit Anfang             mindestens          Thimm: Einfach mehr Tempo beim Ausbau auf
2019 möglich, sogenannte besondere Energiegewin-                            See. Offshore-Windenergie ist ein europäisches The-
nungsgebiete auszuweisen: Für diese Flächen ist         50.000 Megawatt     ma. Wir brauchen ein vermaschtes europäisches
kein Netzanschluss vorgesehen, womit beispielswei-                          Netz und auch gemeinsame grenzüberschreitende
se Wasserstoff direkt im Offshore-Windpark herge-
                                                            verfügen“       Projekte. Um das zu forcieren, ist die Nordsee-Ko-
stellt werden könnte. Aber auch für diese Projekte                          operation die richtige Plattform. Und dass der Green
muss das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydro-                            Deal der neuen Kommissionspräsidentin Ursula von
graphie Standorte im Flächenentwicklungsplan aus-                           der Leyen, also die Klimaneutralität Europas bis
weisen. Wenn wir keine zusätzliche Ausschreibung                            2050, nur mit einem forcierten Ausbau der Offshore-­
bekommen, gehen wir nicht davon aus, dass das                               Windenergie zu schaffen ist, steht außer Frage.
BSH bei der nächsten Auktion ein Vorhaben für ein                           Deutschland täte gut daran, den Green Deal wäh-
Energiegewinnungsgebiet ausweisen wird − das BSH                            rend seiner Ratspräsidentschaft zu unterstützen.
steht unter dem Druck, alles zu unternehmen, um                             Dass wir uns davon mehr Tempo bei den Offshore-­
das Ausbauziel auf See zu schaffen. Problematisch                           Projekten in der deutschen Nord- und Ostsee ver-
sind außerdem die wirtschaftlichen Rahmenbedin-                             sprechen, liegt auf der Hand. Unsere Zielvorstellung
gungen. In der gegenwärtigen Abgaben- und Umla-                             lässt sich auf die Formel 50:50 bringen. 2050 soll
gensystematik ist ein wirtschaftlicher Betrieb von                          Deutschland über eine Offshore-Windleistung von
Elektrolyseuren kaum darstellbar.                                           mindestens 50.000 Megawatt verfügen.           E&M

1. März 2020 | E&M Meer Wind                                                                                                   7
Meer Wind E&M special - Noch viel Platz auf See - WAB eV
ZUR PERSON
                                                                                                                    Andreas Wagner
                                                                                                                    Geschäftsführer Stiftung Offshore-Windenergie

                                                                                                                    Andreas Wagner ist seit Mai 2008 Geschäftsführer
Bild: Stiftung Offshore-Windenergie

                                                                                                                    der Stiftung Offshore-Windenergie. Schon zuvor
                                                                                                                    war der gebürtige Österreicher kein Unbekannter:
                                                                                                                    Der studierte Politologe hat unter anderem für die
                                                                                                                    Fördergesellschaft Windenergie und mehrere Jahre
                                                                                                                    lang in verschiedenen Funktionen für die Wind-
                                                                                                                    sparte des GE-Konzerns gearbeitet.

                                      „Erfolgreiche
                                                                                                                    Erstmals sind Windenergieanlagen der Fünf-Mega-
                                                                                                                    watt-Klasse, die es vor zehn Jahren nur in ganz ge-
                                                                                                                    ringer Stückzahl gab, rund 60 Kilometer vor der

                                      Mondlandung in
                                                                                                                    Nordseeküste in großer Wassertiefe aufgestellt wor-
                                                                                                                    den, die den rauen Bedingungen des Meeres stand-
                                                                                                                    hielten und auch noch Strom produzierten. Europa-
                                                                                                                    weit gab es damals kein vergleichbares Vorhaben.

                                      Nord- und Ostsee“
                                                                                                                    Und noch eine Erkenntnis war wichtig: alpha ventus
                                                                                                                    hat mit teilweise über 4.500 Volllaststunden deut-
                                                                                                                    lich mehr Strom erzeugt als prognostiziert.
                                                                                                                        E&M: Die Bundesregierung hatte bereits Anfang
                                                                                                                    2002 ihre Offshore-Windstrategie vorgelegt. Warum
                                                                                                                    hat es noch mehr als acht Jahre gedauert, bis es ge-
                                      Das Offshore-Testfeld alpha ventus ist zehn                                   lang, die ersten Anlagen in die Nordsee zu setzen?

                                      Jahre in Betrieb − ein Projekt der Stiftung                                   „Mit alpha ventus waren wir flott
                                                                                                                    ­unterwegs“
                                      Offshore-Windenergie. Deren Geschäfts-
                                                                                                                        Wagner: Innovative Infrastrukturvorhaben sind,
                                      führer Andreas Wagner blickt zurück und                                       wie wir wissen, grundsätzlich von relativ langen Pla-
                                                                                                                    nungs- und Realisierungszeiträumen geprägt. Die
                                      nach vorn. V O N R A L F K Ö P K E                                            Stiftung wurde erst 2005 gegründet, das Betreiber-
                                                                                                                    konsortium für das Testfeld dann im Folgejahr dar-
                                                                                                                    auf. So gesehen waren wir mit alpha ventus bis zum
                                                                                                                    Start im Jahr 2010 flott unterwegs. Für unser Test-

                                      D
                                                                                                                    feld fehlte es damals an den gesetzlichen Grundla-
                                                 as Testfeld alpha ventus, Deutschlands                             gen, auch die Netzanbindung war Neuland. Das Pro-
                                                 erster Offshore-Windpark, feiert den                               jekt ist daher eine echte Pionierleistung gewesen,
                                                 10. Geburtstag. Andreas Wagner, Ge-                                die zudem ohne die im Jahr 2008 verabschiedete
                                                 schäftsführer der Stiftung Offshore-Win-                           Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes nicht
                                      denergie, zieht Bilanz und blickt nach vorn. Die Stif-                        möglich gewesen wäre: Darin wurde die Einspeise-
                                      tung war maßgeblich an der Entwicklung des                                    vergütung inklusive des Startbonus auf 15 Cent pro
                                      Testfeldes bis zu der Inbetriebnahme beteiligt.                               Kilowattstunde festgelegt, was die betriebswirt-
                                         E&M: Herr Wagner, wenn Sie zurückblicken: Hat                              schaftliche Situation eindeutig verbessert hat. Erst
                                      es für den Start der Offshore-Windenergie in deut-                            diese EEG-Novelle hat die gesetzlichen Grundlagen
                                      schen Gewässern wirklich des Testfeldes alpha ven-                            geschaffen, damit die späteren Offshore-Windparks
                                      tus bedurft?                                                                  auch kommerziell betrieben werden konnten.
                                         Wagner: In Deutschland auf alle Fälle. Für die           „Ohne alpha           E&M: Was waren die wichtigsten technologi-
                                      weitere Windkraftnutzung auf See ist alpha ventus                             schen Erkenntnisse von alpha ventus, das ja bis heu-
                                      so etwas wie die Mondlandung in Nord- und Ostsee
                                                                                               ventus gäbe es die   te noch als Testfeld firmiert?
                                      gewesen.                                                 heutigen Anlagen         Wagner: Bis zur Inbetriebnahme von alpha ven-
                                         E&M: Große Worte.                                                          tus standen nur zwei Fünf-Megawatt-Anlagen vor der
                                         Wagner: Worte unseres Präsidenten Jens Eck-
                                                                                                 der Zehn-plus-­    schottischen Küste bei einem semikommerziellen
                                      hoff, die die Bedeutung von alpha ventus auf den            X-Megawatt-­      Projekt im Wasser. Die zwölf Anlagen von den da-
                                      Punkt bringen! Das Testfeld hat der Politik, der In-                          maligen Herstellern Repower und Multibrid waren
                                      dustrie und der Gesellschaft die Augen geöffnet:         Generation nicht“    der erste wirkliche Härtetest weit draußen in der

                                      8                                                                                                  E&M Meer Wind | 1. März 2020
Meer Wind E&M special - Noch viel Platz auf See - WAB eV
offenen Nordsee, der bewies, dass diese Multimega-         Das neue Testfeld ist daher unverzichtbar. Um mit
wattanlagen wirklich funktionierten. Das war ein           der Offshore-Windtechnik 2.0 auf der sicheren Seite
Meilenstein für diese Größenklasse, denn damals            zu sein, sind alle Beteiligten gut beraten, wichtige
hatten die größten Windturbinen auf See eine Leis-         Komponenten langfristig auf See zu erproben.
tung zwischen zwei und drei Megawatt. alpha ventus             E&M: Ist das Konsens in der Branche? Oder hat
hat − bildlich gesprochen − die Windenergieanlagen         Ihre Stiftung ein neues Projekt gebraucht?
in eine andere Größenklasse gehievt. Ohne alpha                Wagner: Über die Notwendigkeit für ein neues
ventus gäbe es die heutigen Anlagen der Zehn-­plus-        Testfeld gibt es in der Offshore-Windbranche einen
X-Megawatt-Generation nicht.                               breiten Konsens. Wir erhoffen uns, so die Techno-

                                                                                                                         Bild: Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE, Jan Oelker 2009
      E&M: Was hat alpha ventus an weiteren Neue-          logieführerschaft deutscher Unternehmen zu erhal-
rungen ausgelöst?                                          ten, wenn nicht sogar wieder auszubauen. Deutsch-
      Wagner: Auf jeden Fall auch eine neue Genera-        land braucht auf See ein neues Schaufenster, das
tion von Fundamenten, die es damals erstmalig auf          weit über die Ostsee hinausstrahlt. Das neue Testfeld
ein Eigengewicht von 500 Tonnen und mehr brach-            kann überdies ein Signal an die Industrie sein, dass
ten. alpha ventus hat zudem den Anstoß für die Ent-        es mit der Offshore-Windenergie in Deutschland wei-
wicklung neuer Errichterschiffe gegeben, was zur           tergeht. Und zwar mit einem neuen Schwerpunkt:
späteren Kostendegression beigetragen hat. Von             Mit dem ersten Testfeld alpha ventus wollten wir
dem Testfeld haben auch die Genehmigungsbehör-             zeigen, dass die Offshore-Windenergie unverzichtbar
den viel gelernt, Going offshore war für alle Betei-       ist für den weiteren effektiven Ökostromausbau. Das                                                                  Aufbau des Offshore-­Windparks
ligten in Deutschland damals wirklich absolutes            zweite Testfeld kann stärker die Systemintegration                                                                   alpha ventus
­Neuland.                                                  in den Blick nehmen: Hohe Anteile von Offshore-­
      E&M: Haben sich die Erwartungen der Stiftung         Windstrom sind unverzichtbar für die gesamte
 an das Testfeld erfüllt?                                  Transformation des Energiesystems.            E&M
      Wagner: Auf jeden Fall. Das Projekt war der ent-
 scheidende Türöffner, der in Deutschland erst die
 Windkraftnutzung auf See auf die richtige Spur ge-
 bracht hat. alpha ventus hat die Kostensenkung ein-
 geleitet, die wir im vergangenen Jahrzehnt bei den
 Meerwindkraftwerken gesehen haben. Für mich ist
 auch ein anderer Punkt sehr wichtig: alpha ventus
 hat am Standort nicht zu einer Beeinträchtigung der

                                                                             MONOPILES
 Flora und Fauna geführt, was im Vorfeld befürchtet
 worden ist. Vielmehr haben sich neue maritime
 ­Lebensräume gebildet. Die Offshore-Windenergie
  kann zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen
  beitragen
      E&M: Inwieweit gab es auch Lerneffekte bei den
  Nordseeanrainerstaaten?
      Wagner: alpha ventus war für eine Reihe von eu-
                                                                            JENSEITS XXL
  ropäischen Ländern so etwas wie eine Blaupause.
  Deutschland hatte damit eine Pionierrolle in Europa
  übernommen, die noch heute in der Offshore-Wind-
  branche europaweit anerkannt wird. Mit dem Test-
                                                                       Schlanke Monopiles für Tiefwasser-Windfarmen
  feld waren wir der Zeit auch einen Schritt voraus.
  Zehn Jahre nach dessen Start werden die ersten bri-
  tischen Offshore-Windparks in etwa der Entfernung
  vor der Küste gebaut, die wir damals mit alpha ven-                                                                                                                                     Ab sofort
  tus erstmals gemeistert hatten. Das Testfeld hat tech-                                                                                                                                  lieferbar!
  nologisch die gesamte Offshore-Windindustrie nach
  vorn gebracht. Innovationen in solcher Fülle erhof-
  fen wir uns auch von dem neuen geplanten Testfeld
  in der Ostsee, das vor Warnemünde entstehen soll.
      E&M: Worauf setzen Sie konkret?
      Wagner: Es könnten neue Anlagentypen der
  Zehn-plus-X-Megawatt-Klasse oder innovative Fun-
                                                                    Für große Turbinen, tiefe See und
  dament- und Logistikkonzepte getestet werden.
                                                                    harte Umweltanforderungen                                        zu 130 m
  Auch weitergehende Untersuchungen über die Aus-                                                                        Länge: bis              m
                                                                                                                                    r: bis zu 11
                                                                                                                        Durchmesse zu 2.400 t
  wirkungen von Offshore-Windparks für die Umwelt                   • Turbinen bis 15 MW und Rotordurchmesser bis 230 m   Gewic ht: bis
  sowie die Integration von Power-to-Gas und Offsho-                  (größere Turmhöhen und Turbinengewichte)
  re-Windenergie wären Optionen. In einem aktuellen                 • Extreme Windlasten aus Hurikans oder Taifunen
  vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Pro-                 • Wellenlasten aus Atlantik oder Pazifik
  jekt untersuchen wir genauer, welche Testmöglich-
  keiten sich anbieten. Die Technologienentwicklung                                  A passion for monopiles beyond XXL
                                                                                    Steelwind Nordenham GmbH | www.steelwind-nordenham.de
  auf See ist noch lange nicht zu Ende, im Gegenteil.

1. März 2020 | E&M Meer Wind                                                                                                                                                                                     9
Meer Wind E&M special - Noch viel Platz auf See - WAB eV
Die XXL-Fundamente
von der Unterweser
Mit ihren gigantischen Monopile-Röhren ist die
Steelwind Technologieführer. Da der deutsche Offshore-­
Windmarkt schwächelt, baut das Unternehmen seine
Auslandsaktivitäten gezielt aus. V O N R A L F K Ö P K E

R
            alf Hubo wirkt sichtlich zufrieden. Auf      Jahr“, hatte Ralf Hubo im vergangenen Frühsommer
            dem Schwerlastkai, der sich mehrere hun-     verkündet. Das mit der Kurzarbeit hätte sich die Dil-
            dert Meter parallel zur Unterweser hin-      linger Hütte nicht in ihren dunkelsten Alpträumen
            zieht, sind an diesem frühlingshaften Win-   vorstellen können, als das Management 2011 die
tertag mehr als ein Dutzend mächtige Metallringe         Entscheidung für das Werk in Nordenham getroffe-
hintereinander aufgebockt. „Das zeigt, dass wir der-     nen hatte. „Diese Investition passt in unsere Strate-
zeit wirklich gut zu tun haben“, erklärt Hubo beim       gie, denn wir wollen unsere Verarbeitungstiefe er-
Gang über das Werksgelände.                              weitern ohne mit unseren Kunden in Wettbewerb
    Die mehr als 70 Tonnen schweren Metallringe          zu treten“, begründete der damalige Vorstandschef
 (Leute vom Fach sprechen von Mantelschüssen)            der Stahlschmelze, Karlheinz Blessing, das positive
sind zentrale Bauteile der Monopile-Fundamente für       Votum. Die von Blessing angesprochene erweiterte
Offshore-Windkraftanlagen, die die Steelwind GmbH        „Verarbeitungstiefe“ macht für das Unternehmen
in Nordenham zusammenschweißt. Der promovier-            wirklich Sinn: Denn das Stahlunternehmen beliefert
te Werkstoffexperte Hubo ist seit dem ersten Tag         sich quasi selbst. Die für Monopiles unverzichtbaren                                 Steelwind setzt
Geschäftsführer dieses 2014 gestarteten Tochterun-       Grobbleche werden am Standort Dillingen sowie im
ternehmens der Dillinger Hütte, dem hierzulande          nordfranzösischen Werk Dünkirchen gefertigt und
                                                                                                                                              seit ihrer
führenden Grobblechhersteller aus dem Saarland.          dann per Schiff nach Nordenham gebracht.                                             Gründung
    Auf der schnurgeraden Kaje sind nicht nur die
Mantelschüsse zwischengeparkt: Auf Höhe von Steel-       Verblasste Herrlichkeit auf der                                                      erfolgreich auf
winds eigener Hafenanlage lagern auch einige der         Bremerhavener Weser-Seite
riesigen Monopileröhren. „Die gehen alle nach            Diese von Dillinger verfolgte „strategische Vorwärts­
                                                                                                                                              die Monopiles
Taiwan“, sagt der Geschäftsführer. Dabei zeigt Hubo      integration“ passte vor gut zehn Jahren wie die Faust
auf das mit weißer Farbe aufgetragene Kürzel             aufs Auge in der Nordwest-Region. Auf der Norden-
„Yun52/1353“ auf dem rostigbraunen Grund.                ham gegenüberliegenden Weser-Seite, in Bremerha-
­Übersetzt heißt diese Kombination: Diese Röhre          ven, hatte sich mit Beginn der 2000er Jahre so etwas
 mit einem Gewicht von 1.353 Tonnen ist das              wie ein Offshorewind-Cluster gebildet. Den Verant-
 52. Fundament für das Yunlin-Projekt vor der West-      wortlichen der lange Zeit von der Werften- und
 küste Taiwans.                                          Fisch­fangkrise schwer gebeutelten Seehafenstadt
    Dort beginnt die WPD-Gruppe aus Bremen ab            war es gelungen, mehrere Unternehmen aus der
 April, insgesamt 80 Windturbinen mit jeweils 8 MW       Offshore-Windbranche anzusiedeln. „Die Offshore-­
 ins Wasser zu stellen. Yunlin wird der erste richtig    Windenergie hat zu unserer Reindustrialisierung bei-
 große Offshore-Windpark in Asien werden. Für die-       getragen“, schwärmte zwischenzeitlich Oberbürger-
 ses Milliarden-Projekt verschifft Steelwind nicht nur   meister Melf Grantz. An die 4.000 Arbeitsplätze in
 40 komplette Monopiles Richtung Fernost. Es wer-        der Old Economy zählten seine Wirtschaftsförderer
 den in Nordenham auch 120 sogenannte Sektionen          an besten Tagen.
 gefertigt, die nach dem Schiffstransport auf Taiwan        Viel ist von dieser Herrlichkeit nicht geblieben.
 vor Ort zu weiteren 40 Monopile-Fundamenten zu-         Auf Bremerhavener Terrain haben Produktionsfir-
 sammengebaut werden.                                    men wie Weserwind, Senvion oder Power Blades
    Seit vergangenem Juli laufen im Steelwind-Werk       aufgegeben. Ihnen hat vor allem die unstete Off­
 die Arbeiten für das WPD-Projekt. Mit dem Zuschlag      shore­-Wind-Energiepolitik aus dem Berliner Regie-
                                                                                                                    Bilder: Georg Schreiber

 aus Bremen endete eine monatelange Durststrecke         rungsviertel in den zurückliegenden Jahren zu schaf-
 in Nordenham. Acht Monate Kurzarbeit lagen hinter       fen gemacht.
 den rund 300 Beschäftigten von Steelwind: „Der             Was auch Steelwind nach ersten erfolgreichen
 Yunlin-Auftrag sichert uns Vollbeschäftigung für ein    Projekten zu spüren bekam. Das Unternehmen ist

10                                                                                                               E&M Meer Wind | 1. März 2020
unter all den einstigen Start-ups aus der Windindus-

                                                                                          ALT I G
                               trie so etwas wie der letzte Hoffnungsträger im Nord-
                               westen geblieben. „Man kann sich nicht auf Deutsch-
                               land verlassen“, resümiert Geschäftsführer Hubo.
                                   Steelwind hat sozusagen das Glück des Tüchtigen
                               gehabt. Der WPD-Auftrag ist das Ergebnis eines neu
                               eingeschlagenen Internationalisierungskurses. „Die

                                                                                                         RTE I L
                               Schwäche des deutschen Offshorewind-Marktes kön-
                               nen wir durch unsere Hinwendung zu internationa-
                               len Märkten in Europa und darüber hinaus ausglei-
                               chen. Das ist für uns eine Chance, zeigt aber auch
                               die blamable Situation in Deutschland, weil wir hier
                               den Anschluss verlieren“, sagt Hubo westfälisch
                               nüchtern. Um das internationale Geschäft zu forcie-
                               ren, hatte Steelwind Anfang vergangenen Jahres mit
                               dem Vertriebsprofi Alexander Morber, der zuvor für

                                                                                                   IM VO
                               mehrere Windturbinenhersteller tätig war, die Ge-

                                                                                       N AC H H
                               schäftsführung erweitert.
                                   Die nächsten Auslandsaufträge werden derzeit
                               verhandelt, lässt Ralf Hubo durchblicken: „Yunlin
                               hat uns als Referenzprojekt geholfen. Unser Name
                               ist nun auch im asiatisch-pazifischen Raum be-
                               kannt.“ Einzelheiten über die Nachfolgeaufträge will
                               er noch nicht nennen.
Der Herr der (Stahl-)Ringe:        Dass auf Steelwind auf allen neuen Märkten meist
Steelwind- Geschäftsführer     sogenannte „Local-Content“-Anforderungen zukom-
   Ralf Hubo vor mehreren
                               men, weiß Hubo. Local Content heißt, dass die po-
    Mantelschüssen an der
               Unterweser      tenziellen Betreiber der Seewindkraftwerke gesetz-
                               lich angehalten sind, dafür zu sorgen, dass ein
                               (großer) Teil der industriellen Fertigung in den je-
                               weiligen Ländern stattfindet. „Wir haben in Taiwan
                               gezeigt, wie man es macht und uns frühzeitig einen
                               einheimischen Partner gesucht“, erzählt Hubo.

                               Das Gewicht der neuen Generation: bis zu
                               2.400 Tonnen
                               Angst, dass irgendwo auf dem Globus ein neues
                               Werk für Monopile-Fundamente hochgezogen wird,
                               hat Ralf Hubo nicht: „Wir zählen zu den weltweit
                               drei wichtigsten Unternehmen in diesem Segment
                               und sehen uns als Technologieführer.“ Und: Ein ähn-
                               liches Werk wie das im Nordenhamer Stadtteil Ble-
                               xen würde leicht an die 250 Millionen Euro kosten.
                               Viel Geld, das ein Newcomer stemmen müsste.
                                   Vor allem setzt Steelwind auf ihr Know-how: Das
                               Unternehmen wirbt seit einigen Monaten für Mono-
                               piles vom Typ „Beyond XXL“, zylindrische Stahlröh-
                               ren mit bis zu 130 Metern Länge, elf Metern Durch-
                               messer und bis zu 2.400 Tonnen Gewicht. Wahre
                               Giganten der Unterwasserwelt. „Das sind die Fun-
                               damente, die für die Windturbinen der neuen Ge-
                               neration mit bis zu 15 Megawatt Leistung und
                               230 Metern Rotordurchmesser ausgelegt sind.“ Wie
                               Steelwind in der über 300 Meter langen Werkshalle
                               die Mantelschüsse in mehreren Produktionsschrit-
                               ten perfekt ohne große Geräuschentwicklung zusam-        EINE MARKE FÜR
                                                                                        DEN ENERGIE-MIX
                               menschweißt, soll Betriebsgeheimnis bleiben.
                                   Dass Steelwind mit der Gründung auf die Mono-
                               piles gesetzt hat, macht sich nach Hubos Worten
    Lang, länger und noch      heute bezahlt: „Schwerlastfundamente, Tripods
unvollendet: Ein Monopile-­
  Stahlfundament auf dem
                               oder Jacket-Konstruktionen haben sich am Markt           · ressourcenschonend
      Betriebsgelände der
          Steelwind GmbH
                               nicht durchgesetzt. Wir haben auf die richtige Fun-
                               dament-Technologie gesetzt und sie in den vergan-
                                                                                        · effizient
                               genen Jahren optimiert.“                     E&M        · serviceorientiert

1. März 2020 | E&M Meer Wind                                                            www.addinol.de
Advertorial

20 bis 30 und
darüber hinaus
Catrin Jung, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands
der Windparkbetreiber Offshore e.V. (BWO)

                                                                                                                                                                                              Bild: BWO/Kevin Winiker
POLITIK MUSS HANLDEN - Jahrelang hat                        nach stellen. Denn der Ausstieg aus der Koh-
die Branche vor einer möglichen Ausbaulü-                   leverstromung muss mit einem verstärkten
cke in den kommenden Jahren gewarnt und                     Einstieg in die Erzeugung von Strom aus er-
ist bei der Politik immer wieder auf taube Oh-              neuerbaren Quellen einher­gehen. Um dies
ren gestoßen. Nun werden wir 2020 und                       zu gewährleisten ist eine rechtzeitige Anpas-                       den! Zudem wird mit der geplanten Dekar-
2021 keine neuen Offshore-Windparks se-                     sung der Erneuerbaren-Ausbaupfade uner-                             bonisierung der Sektoren Wärme und Ver-
hen. Nur durch schnelles politisches Handeln                lässlich.                                                           kehr der Strombedarf zukünftig sicherlich
und die Vergabe freier Kapazitäten können                      Um 2030 das 65-Prozent-Ziel zu errei-                            nicht zurückgehen.
die Folgen teilweise noch abgefedert werden.                chen, werden alle Erneuerbaren benötigt.                               Wir brauchen schon heute von der Politik
    In den vergangenen zehn Jahren haben                    Aber nicht nur deshalb ist die Offshore-Wind-                       klare Signale. Es geht nicht nur um das Errei-
wir viel getan und in den letzten Ausschrei-                kraft für die Energiewende von Bedeutung.                           chen der Klimaziele und die Sicherung der
bungen eindrucksvoll gezeigt, dass Offshore-­               Offshore-Windparks können auch dann                                 Stromversorgung, es geht auch um den Aus-
Windkraft große Strommengen sicher und                      Strom erzeugen, wenn an Land kein Lüft-                             bau der industriellen Wertschöpfung und um
kostengünstig bereitstellen kann; bei mehre-                chen weht oder die Sonne nicht scheint. Mit                         wettbewerbsfähige Preise für die Industrie.
ren Projekten sogar ohne Förderung. Es ist                  über 4.000 Volllaststunden pro Jahr leistet                         Mit Ausbauzielen für das Jahr 2035 von
deshalb nur folgerichtig, das Ausbauziel für                die Stromerzeugung auf See einen wichtigen                          30 bis 35 GW und mindestens 50 GW für das
2030 von 15 auf 20 GW anzuheben.                            Beitrag zur Versorgungssicherheit. Vor dem                          Jahr 2050 kann uns all dies gelingen.
    Aber der Blick auf 2030 greift zu kurz. Wir             Hintergrund des Ausstiegs aus Kernenergie
müssen heute die Weichen für die Zeit da-                   und Kohle muss dieses Potenzial genutzt wer-                                      www.bwo-­offshorewind.de
                                                                                                      Bild: Laurence Chaperon
                                   Bild: Babet Hogervorst

                                                                                                                                                                              Bild: 50Hertz

       TIM MEYERJÜRGENS                                                JOCHEN HOMANN                                                          DR. HENRICH QUICK
              COO Tennet                                            Präsident der Bundesnetzagentur                                       Leiter Projekte Offshore bei 50 Hertz

     Tennet treibt den Netzausbau                                      „Das Erreichen von 20 GW                                                   Wir wollen die im NEP
   konsequent voran und entwickelt                                      Offshore-Windenergie ist                                         vorgesehenen 2,2 GW Offshore-Wind
fortlaufend neue innovative Technolo-                             anspruchsvoll, aber machbar und                                             fristgemäß, zuverlässig und
  gien, um die Übertragungskapazität                            notwendig, um das Ziel von 65 Prozent                                      effizient in das Übertragungsnetz
im Einklang mit den gesellschaftlichen                           erneuerbarer Energien zu erreichen.                                          von 50Hertz integrieren und
   Zielen zu steigern. Zusammen mit                               Die Perspektive nur bis 2030 reicht                                     sind für einen weiteren Ausbau gut
    unseren europäischen Partnern                                    jedoch nicht aus. Der Ausbau                                             aufgestellt. Der nächste Step
 planen wir darüber hinaus sektoren-                                von Offshore-Windenergie mit                                            ist das Projekt ‚Combined Grid
 übergreifende Projekte wie Windener-                                 dem daraus resultierenden                                           Solution‘ − die Zusammenführung
  gieverteilkreuze in Kombination mit                              Netzausbau ist ein langfristiges                                              der Windparks Kriegers
   Power-to-Gas-Anlagen, wofür zum                               Geschäft. Die Bundesregierung muss                                             Flak und Baltic 2 mit dem
   Teil noch die politischen Rahmen­                              daher auch Ziele für die Zeit nach                                    Interkonnektor zwischen Deutschland
     bedingungen zu schaffen sind.                                          2030 definieren.“                                                        und Dänemark.

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Weiterentwicklung des EEG könnte
                  Verbraucher & Industrie entlasten
                  Stefan Thimm, Geschäftsführer Bundes­verband der
                  Windparkbetreiber Offshore e.V. (BWO)

                  EINE STROMPREISBREMSE hat unser                zu refinanzieren. Dies wird durch die Strom-
                  Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier       kunden mit der EEG-Umlage getragen. Bei
                  (damals noch Bundesumweltminister) be-         hohen Strompreisen verbleiben die hohen
                  reits 2013 gefordert. Neue Untersuchungen      Markterlöse jedoch beim Investor. Ein Rück-

                                                                                                                                                                 Bild: BWO
                  zeigen jetzt erhebliche Kostensenkungspo-      fluss auf das EEG-Konto ist nicht vorgesehen.
                  tenziale beim Ausbau erneuerbarer Energien     Im Ergebnis steht ein Ungleichgewicht von
                  durch eine Anpassung der Fördersystematik.     Chance und Risiko.                              0 Ct/kWh abgegeben, fehlt es an einem Dif-
                  Die Weiterentwicklung der Marktprämie im           Die symmetrische Marktprämie würde          ferenzierungskriterium. Durch die Einfüh-
                  EEG zu einer symmetrischen Marktprämie         dieses Ungleichgewicht aufheben und im Er-      rung einer symmetrischen Marktprämie
                  (auch Differenzvertrag oder Contract for       gebnis Stromverbraucher entlasten. Gleich-      käme es zu einer Änderung des Gebotsver-
                  ­Difference) würde bis zu 30 % an Strom­       zeitig würde mit Einführung einer symme­        haltens: Statt Nullgeboten bieten Auktions-
                   gestehungskosten einsparen. Im Jahr 2030      trischen Marktprämie ein zentrales Problem      teilnehmer in einer beidseitigen Marktprä-
                   entspräche dies einer Entlastung der Strom-   der Offshore-Auktionen gelöst. Im derzeiti-     mie ihre tatsächlichen Kosten. Dies erhöht
                   verbraucher in Höhe von rund 800 Mio.         gen System geben Bieter Nullgebote ab, wenn     Realisierungswahrscheinlichkeiten, mindert
                   Euro. Das aktuelle EEG gewährt Investoren     sie erwarten, dass der Strompreis für die Re-   Risiken und senkt die Lasten für die Kunden
                   eine Marktprämie, wenn die Marktpreise        finanzierung ihrer Erzeugungsanlagen aus-       − die symmetrische Marktprämie ist eine
                   nicht ausreichen, um die Erzeugungsanlage     reicht. Werden jedoch mehrere Gebote zu         echte Strompreisbremse!

                                                                 Fünf Gründe für Ausschreibungen von
                                                                 Differenzverträgen für Wind und Solar
                                                                 Prof. Dr. Karsten Neuhoff, Deutsches Institut für
                                                                 Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)

                                                                 1) Finanzierungsmodelle werden einfacher:       4) Stromkunden werden gegen langfristige
                                                                 Projektentwickler können sich wieder darauf     Preisrisiken abgesichert: Bei hohen Strom-
                                                                 fokussieren, Akzeptanz für ihre Projekte zu     preisen gibt es Rückzahlungen von Wind-
Bild: dietlb.de

                                                                 gewinnen.                                       und Solarprojekten.
                                                                 2) Eigenkapitalanforderungen bei Projektent-    5) In der Ausschreibung können system-
                                                                 wicklern fallen: Mehr Projektentwickler kön-    freundliche Standortwahl und Anlagenaus-
                  GÜNSTIG & KLIMANEUTRAL - Klimaneu-             nen teilnehmen und den Wettbewerb stei-         legung berücksichtigt werden: Damit werden
                  trale Industrieproduktion, Wärmeversorgung     gern.                                           sie nicht mehr diskontiert, sondern relevant.
                  und Verkehr brauchen alle viel und kosten-     3) Finanzierungskosten fallen bei Projektent-       Weltweit ist effektives Risikomanagement
                  günstigen erneuerbaren Strom. Differenzver-    wicklern und den Zeichnern von langfristi-      bei den Ausschreibungen auf dem Vor-
                  träge können dazu einen wichtigen Beitrag      gen Abnahmeverträgen: Die Stromgeste-           marsch. Höchste Zeit für Deutschland, aus
                  leisten:                                       hungskosten reduzieren sich um 30 %.            den Startlöchern zu kommen.
                                                                                                                                                                 Bild: vadim_petrakov - stock.adobe.com

                  1. März 2020 | E&M Meer Wind                                                                                                             13
Bild: EEHH GmbH/Ingo Bölter
  Advertorial

        Die Preisträger des German
          Renewables Awards 2019

                                                                   Das Cluster Erneuerbare Energien Hamburg

                                                                   Das Branchennetzwerk
                                                                   für Zukunftsenergien
                                                                   Beim Ausbau der nachhaltigen Stromerzeugung und
                                                                   -übertragung übernimmt Norddeutschland eine zentrale
                                                                   Rolle. Die Metropolregion Hamburg − von Cuxhaven bis
German Renewables
Award                                                              Lübeck und von Neumünster bis Lüneburg − ist das
Mit dem German Renew­                                              Zentrum der norddeutschen Aktivitäten.
ables Award honoriert das
Cluster Erneuerbare
Energien Hamburg

                                                                   D
herausragende Innovatio­
nen und persönliches                                                          as Branchennetzwerk Erneuerbare Ener-       Energien Hamburg gehören das vom Bundesminis-
Engagement im Bereich                                                         gien Hamburg EEHH bietet seit Herbst        terium für Wirtschaft und Energie finanzierte Pro-
erneuerbare Energien.                                                         2010 ideale Vernetzungs- und Informati-     jekt „Norddeutsche EnergieWende 4.0“ und das
Bereits zum neunten                                                           onsmöglichkeiten für interessierte Akteu-   EU-Interreg-Projekt „Northern Connections“.
Mal vergibt die unabhän­                                           re, vor allem durch Großveranstaltungen wie die
gige Jury 2020 die                                                 Hamburg Offshore Wind Conference, die Wind­            NEW 4.0 − Norddeutsche EnergieWende
Auszeichnung in den vier                                           Energy Hamburg, zahlreiche Workshops und Fach-         Welche Rolle spielt Norddeutschland für die Ener-
Kategorien:                                                        gruppen. Neben der Windenergie Onshore wie             giewende? Vor welchen Herausforderungen stehen
• Produktinnovation des                                           Offshore stellen Wärme, Sektorkopplung und Ener-       wir und wie können wir ihnen begegnen? Wie sieht
   Jahres                                                          giespeicherung seit 2016 die Kernsäulen der Clus-      die Energieversorgung von morgen aus? Diese Fra-
• Projekt des Jahres                                               terarbeit dar. Für herausragende Innovationen          gen beantwortet das Verbundprojekt NEW 4.0.
• Studentenarbeit des                                             in der Erneuerbare-Energien-Branche verleiht           „NEW“ steht für die Norddeutsche EnergieWende
   Jahres                                                          das Netzwerk seit 2012 jährlich den German Renew­      und „4.0“ beschreibt die Schwelle zur vierten indus-
• Lebenswerk                                                       ables Award, seit 2018 auch in der Rubrik „Journa-     triellen Revolution: Die Digitalisierung, die auch für
Zusätzlich wird zum                                                listenpreis“.                                          die Energiewende eine zentrale Rolle spielt. Digita-
dritten Mal der Journalis­                                             Im Industrienetzwerk Erneuerbare Energien          lisierte Prozesse sollen ermöglichen, dass eine teil-
tenpreis als eigene                                                Hamburg engagieren sich rund 200 Unternehmen           weise Flexibilisierung der industriellen Energienach-
Kategorie vergeben.                                                aus der Branche der erneuerbaren Energien für die      frage zu einer besseren Synchronisierung mit dem
                                                                   Umsetzung der Energiewende. Zu den wichtigsten         Angebot erneuerbarer Energien und zu einer höhe-
                                                                   Projekten mit Beteiligung des Clusters Erneuerbare     ren Systemstabilität führt.

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Das Projekt wird unterstützt von den Landesregie-                               Connections richtet Göteborg, Schweden, im April
rungen Schleswig-Holsteins und Hamburgs und im                                  2020 aus. Die EU-Fördersumme beträgt 5,3 Millio-
Rahmen des Förderprogramms „Schaufenster intel-                                 nen Euro, von denen 295.000 Euro auf das
ligente Energie − Digitale Agenda für die Energie-                              EEHH-Cluster entfallen.
wende“ durch das Bundesministerium für Wirt-
schaft und Energie (BMWi) gefördert. Es ist für vier                            Offshore in der Metropolregion Hamburg
Jahre − von Dezember 2016 bis November 2020 −                                   Die Metropolregion Hamburg liegt zentral zwischen
angesetzt.                                                                      Nord- und Ostsee und weist daher bereits seit zwei       Ideale
                                                                                Jahrzehnten eine hohe Dichte an Aktivitäten in Ver-
EU-Projekt Northern Connections                                                 bindung mit Offshore-Windenergie auf. So haben et-
                                                                                                                                         Vernetzungs-
Die Nordseeregion spielt eine zentrale Rolle für den                            liche Projektierer, Windparkbetreiber und Dienst-        und
internationalen Austausch des Clusters, da dort das                             leister wichtige Niederlassungen in Hamburg. Für
Northern-Connections-Projekt (Interreg-Förderpro-                               viele Offshore-Projekte wurden und werden Leistun-       Informations-
gramm der EU für den Nordseeraum) beheimatet                                    gen wie Finanzierungen, Versicherungen, Zertifizie-
ist, bei dem EEHH als einer von insgesamt 21 Pro-                               rung in Hamburg und in der Metropolregion Ham-
                                                                                                                                         möglichkeiten
jektpartnern fungiert. Im Projektzeitraum von 2016                              burg erbracht. Nicht zuletzt werden auch zahlreiche
bis Ende 2020 sollen Modellregionen im Nord-                                    internationale Offshore-Projekte aus der Region
seeraum mit Schwerpunkt auf nachhaltiger Infra-                                 Hamburg heraus koordiniert, da insbesondere Ener-
struktur vernetzt sowie kleine und mittlere Unter-                              gieversorger ihre internationalen Aktivitäten hier ge-
nehmen über die Landesgrenzen hinweg gefördert                                  bündelt haben. Seit 2010 hat sich die Stadt Cuxha-
werden. Dies geschieht durch regelmäßige Treffen                                ven mit dem Deutschen Offshore- Industrie-Zentrum
in Form von Living Labs und Konferenzen. Im Som-                                als wichtiger Produktionsstandort und Basishafen
mer 2019 lud das EEHH-Cluster zu einem Living Lab                               für die Offshore-Windindustrie an der Nordseeküste
ein, auf dem nachhaltige Stadtentwicklung und                                   etabliert. Viele kleine und mittelständische Unter-
Energieversorgung moderner Quartiere im Fokus                                   nehmen aus der gesamten Metropolregion agieren
standen. Die Abschlusskonferenz zu Northern                                     als Zulieferer.

                           „Ready for takeoff − The global offshore upswing“ − 17. Hamburg Offshore Wind Conference
                           Die Offshore-Windindustrie setzt sich           (HOW) am 7. und 8. April 2020 im             Marco Kuijpers, Direktor Offshore-­
                           weltweit immer mehr durch − deutsche            Empire Riverside Hotel, gemeinsam            Projekte Tennet TSO, Prof. Dr. Claudia
                           Unternehmen entdecken zunehmend                 ausgerichtet vom DNV GL und dem              Kemfert, Deutsches Institut für Wirt­
                           Märkte in Asien sowie in Nord- und              Cluster Erneuerbare Energien Hamburg,        schaftsforschung (DIW Berlin), und
                           Südamerika. Industrievertreter betonen          steht unter dem Motto „Ready for             Windpionier Henrik Stiesdal, der ein
                           die Bedeutung von Offshore als                  takeoff − The global offshore upswing“.      großes Innovationsprojekt mit schwim­
                           verlässlichem Pfeiler in einem zuneh­           Schon jetzt haben hochkarätige               menden Offshore-Windanlagen umsetzt.
                           mend von erneuerbaren Energien                  Referenten zugesagt, beispielsweise          Auf dem politischen Podium diskutieren
                           abhängigen Energiesystem. Die                   Gunnar Groebler, Senior Vice President,      mit Moderator Daniel Münter neben
                           17. Hamburg Offshore Wind Conference            Head of Business Area Wind, Vattenfall,      Prof. Dr. Claudia Kemfert und Gunnar
                                                                                                                        Groebler auch Prof. Dr. Hermann Held
                                                                                                                        vom Exzellenzcluster Klimaforschung
                                                                                                                        der Universität Hamburg. Außerdem
                                                                                                                        beinhaltet das Konferenzprogramm
                                                                                                                        einen Dialog zum bevorstehenden
                                                                                                                        Übergang vieler deutscher Offshore-­
                                                                                                                        Windparks von der hohen zur niedrigen
                                                                                                                        Vergütung des Stauchungsmodells, eine
                                                                                                                        Session zu internationalen Business
                                                                                                                        Cases deutscher Unternehmen,
                                                                                                                        Vorträge zu Offshore und Wasserstoff
                                                                                                                        sowie die Verleihung des zweiten
                                                                                                                        Offshore Innovation Awards.
                                                                                                                        Die Bewerbungsfrist läuft bis zum
                                                                                                                        15. März 2020.
  Bild: EEHH GmbH/DNV GL

                                                                                                                        Programm und Anmeldung unter:
                                                                                                                        https://www.dnvgl.com/
                                                                                                                        events/17th-hamburg-offshore-­
                           Die 16. Hamburg Offshore Wind Conference 2019                                                wind-conference-158227

1. März 2020 | E&M Meer Wind                                                                                                                                     15
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                                                                                                                 5                                                       DÄN EM AR K
                                                                                                       13
                                                                                          12                                                  5

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                                                                            10

Amprion
                                                                                                            Gesamtüber-
                                                                        9
                                                                                                            sicht über den
                                                                                                                                         4
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                                                                                                            geplanten
                                                                                                            Trassenverlauf
                                                                                      7                                             IV

ante Portas
                                                                                                                                                   V
                                                                    6

                                                                                                                                                                              Büsum

                                                                                  1            2                      3

                                                                                                                          III
                                                                                                                 II

                                                                                                                                                       0                Cuxhaven
                                                                                                   I

Erstmals baut der Übertragungsnetz­
betreiber zwei Netzanbindungssysteme
                                                                                               0
                                                                                                               Norden

für Offshore-Windparks in der Nordsee                                                                                                             Wilhelmshaven
                                                                                                                                                                       Bremerhaven

− bei Dolwin 4 und Borwin 4 allein soll es                                                                      Emden

nicht bleiben. V O N R A L F K Ö P K E                                                                                                                     Oldenburg
                                                                                      NIEDERLANDE
                                                                                                                                  Papenburg                                 Bremen

D
                                                                                                                                              DEUTSCHLAND
            ortmund liegt im Binnenland. Viele Bezü-
                                                             Offshore Windpark Gebiete
            ge zum Wasser hat die Bier- und einstige
                                                             Konverterplattform
            Kohlestadt wahrlich nicht. Dank der un-                                                             Meppen
                                                             DolWin4
            mittelbaren Lage am Dortmund-Ems-Ka-

                                                                                                                                                                                     Bild: Amprion GmbH
                                                             BorWin4
nal verfügt sie aber immerhin über einen der größ-                                                                              Lingen

                                                             Gates für Seekabel
ten Kanalhäfen in Nordrhein-Westfalen.                                                                                           NVP HANEKENFÄHR
                                                             Netzverknüpfungspunkt
   Indirekt wird die Revier-Metropole demnächst ei-
nen Zugang zur Nordsee haben − und zwar dank der
Aktivitäten des Übertragungsnetzbetreibers Am­
prion, der im Dortmunder Süden seinen Sitz hat. Im
vergangenen Jahr hat die Bundesnetzagentur festge-                                             wird Amprion etwa 4 Mrd. Euro investieren, das ist
legt, dass Amprion zwei Netzanbindungssysteme mit                                              rund ein Viertel des bis 2030 vorgesehenen Unter-
zusammen 1.800 MW Leistung für künftige Offshore-­                                             nehmensbudgets für Netzaus- oder -umbau.
Windparks planen, bauen und betreiben wird. Nach                                                  Auch wenn derzeit noch nicht absehbar ist, wer
dem derzeitigen Stand soll „DolWin4“ 2028 und                                                  die durch Dolwin 4 und Borwin 4 anzubindenden
„BorWin4“ (so die offiziellen Kürzel) im Jahr danach                                           Hochseewindparks konkret betreiben wird (das ent-
in Betrieb gehen.                                                                              scheidet sich nach den nächsten Ausschreibungs-
   Was nach viel Zeit klingt. Der Eindruck täusche,                                            runden), sind Essentials bereits festgelegt: Von der
sagt Peter Barth, der zusammen mit seinem Kolle-        Vor der neuen                          Nordsee wird der Offshore-Windstrom ins südliche
gen Carsten Lehmköster den neuen Offshore-Bereich                                              Emsland nach Lingen geleitet, um dort ins Übertra-
bei Amprion leitet: „Wir wollen in gut einem Jahr die
                                                          Offshore-­                           gungsnetz eingespeist zu werden. Und das südliche
Ausschreibungen für alle wichtigen Hauptkompo-          Windabteilung                          Emsland ist nun einmal Amprion-Land. Mit Dolwin
nenten beginnen, deshalb laufen bei uns die entspre-                                           4 und Borwin 4 ergibt sich eine neue Konstellation:
chenden Vorbereitungen unter Hochdruck.“                   liegt ein                           Erstmals ist ein Übertragungsnetzbetreiber für die
   Ein Mammutprogramm, das in der Amprion-Zen-                                                 Netzanschlüsse und Zuleitungen zuständig, dessen
trale eine Reihe von Neueinstellungen notwendig
                                                          Mammut­                              eigentliches Zuständigkeitsgebiet nicht einen einzi-
macht: Das Offshore-Team, das derzeit rund 60 Köp-       programm                              gen Kilometer Küstenlinie umfasst.
fe umfasst, soll in den kommenden Monaten auf
100 Mitarbeiter ausgebaut werden.                                                              „Wir sind gekommen, um zu bleiben“
   Für die Netzanschlüsse der Seewindturbinen in                                               Dass die von Amprion noch zu bauenden Leitungen
der deutschen Nord- und Ostsee waren bislang im-                                               in Lingen mit dem bundesweiten Übertragungsnetz
mer Tennet und 50 Hertz zuständig. Eine Aufteilung,                                            verknüpft werden sollen, ist kein Zufall: Netztech-
die sich mehr oder weniger automatisch ergeben                                                 nisch ist die 55.000-Einwohner-Stadt in der Nähe zu
hat, weil die Netzgebiete der beiden Unternehmen                                               den Niederlanden gut ausgebaut und verfügt über
bis an die Küsten von Nord- und Ostsee reichen.                                                die nötige Transportkapazität in Richtung der Ver-
   Dass nun Amprion erstmals die Anbindung zwei-                                               brauchszentren an Rhein und Ruhr.
er Offshore-Windparks in der Nordsee übernimmt,                                                   „Unter allen technischen und volkswirtschaftli-
hat mit einer Regelung im Energiewirtschaftsgesetz                                             chen Gesichtspunkten ist unser Standort Haneken-
zu tun: „Dieser Passus besagt, dass immer der Über-                                            fähr in Lingen wirklich gut geeignet“, sagt Ampri-
tragungsnetzbetreiber für die Netzanbindung von                                                on-Experte Lehmköster. Für ihn sind die beiden
Offshore-Windparks zuständig ist, an dessen Um-                                                Anschlüsse für die Offshore-Windparks „technisch
spannanlage die Systeme angebunden werden“, er-                                                schon herausfordernd“. Was ein Blick auf die zu-
klärt Barth. Für die beiden Netzanbindungssysteme                                              rückzulegenden Trassenkilometer unterstreicht: Bei

16                                                                                                                        E&M Meer Wind | 1. März 2020
Dolwin 4 muss Amprion eine 220 Kilometer lange         Erdkabelprojekt betraut ist, dem Projekt A-Nord. Die
Verbindung bauen, wovon rund 50 Kilometer auf          Leitung, die dort verlegt werden soll, ist eine der
See verlaufen. Bei Borwin 4 beträgt die Trassenlän-    bislang drei großen HGÜ-Stromautobahnen, mit de-
ge sogar etwa 300 Kilometer, von denen 130 Kilo-       nen der Transport des Windstroms aus der Nordsee
meter Kabel in den Nordseeboden gespült oder mit       in die Verbrauchszentren Richtung Rheinland und
einem Vibrationsschwert installiert werden müssen.     Süddeutschland vorgesehen ist; 2025, so die Hoff-
   Nach dem derzeitigen Planungsstand sieht das        nung des Bundeswirtschaftsministeriums, sollen die
Konzept für Borwin 4 eine 220-kV-Standardanbin-        ersten Elektronen fließen.
dung vor: Zuerst wird der Windstrom in einer park­        Um auf der rund 100 Kilometer langen Strecke
internen Umspannplattform gesammelt, dann zur          zwischen Ostfriesland und dem südlichen Emsland
Konverterplattform geführt und anschließend Rich-      „möglichst viele Synergien zu nutzen“, will Amprion
tung Land geschickt. Bei Dolwin 4 ist dagegen eine     bei dem Bau der A-Nord-Trasse die notwendigen
66-kV-Direktverbindung von den Windenergieanla-        Leerrohre für Dolwin 4 und Borwin 4 gleich mitver-
                                                                                                                 „Der Standort
gen in die Konverterplattform vorgesehen. Die par-     legen. Die erste Konverterplattform für Dolwin 4 soll    Hanekenfähr in
kinterne Umspannplattform entfällt. Ob es bei dieser   dann möglichst im Jahr 2027 im Wasser sein.
Konfiguration bleibt, wird sich noch zeigen.              Beide Netzexperten haben nicht den (falschen)
                                                                                                               Lingen ist wirklich
   Weitestgehende Einigkeit besteht dagegen schon      Ehrgeiz, für Dolwin 4 und Borwin 4 das Rad neu zu          gut geeignet“
beim Trassenverlauf: Die Seekabel, die unter ande-     erfinden. „Natürlich sprechen wir auch mit den Kol-
rem die Insel Norderney unterirdisch durchqueren,      legen von Tennet, um Erfahrungen auszutauschen.“
werden durch den Wattboden bis zum sogenannten         Klar sei aber auch, dass Amprion mit den ersten bei-
Anlandungspunkt im ostfriesischen Hilgenriedersiel     den Netzanbindungen für Offshore-Windparks einen
verlegt. Sozusagen im zweiten Bauabschnitt werden      nachhaltigen Eindruck in Sachen Qualität und Zu-
die Erdkabel in Gleichstromtechnik von dort zur        verlässigkeit hinterlassen will. Nach dem aktuellen
Umspannanlage ins südliche Emsland geführt.            Netzentwicklungsplan werden weitere Offshore-
   Dass Amprion die Kabelverlegung dieses Ab-          Netz­anbindungssysteme erforderlich. Dolwin 4 und
schnitts „möglichst raum- und umweltverträglich“       Borwin 4 seien „nicht unsere letzten Offshore-Wind-
vornimmt, so Teamleiter Barth, verstehe sich von       projekte“, sind sich Barth und Lehmköster sicher.
selbst. Seinem Team kommt entgegen, dass Am­prion      „Wir sind bei der Offshore-Windenergie angekom-
auf weiten Teilen der Strecke mit einem anderen        men, um auch zu bleiben.“                     E&M
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