Frauen im Sport - Land Salzburg
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Frauen im Sport Von Protest bis Podest Rennen um Gleichstellung Der mühsame Weg von Frauen in den Spitzensport Hürden im Randsport Extremsportlerin Alexandra Meixner im Interview Genderkompetenz Warum es um mehr als © SHUTTERSTOCK zwei Geschlechter geht www.salzburg.gv.at/frauen 2_2022
editorial Sport und Gleichberechtigung, ein bewegendes Thema T Andrea Klambauer, rotz ihrer zunehmenden Teilhabe am Sport sind Frauen Landesrätin für Frauen und Chancengleichheit nach wie vor in den Entscheidungsgremien von Sportverbänden auf allen Ebenen unterrepräsentiert. Sport ist ein traditionell männlich geprägter Sektor, Fortschritte bei der Geschlechtergleichstellung in diesem Bereich werden durch das gesellschaftliche Bild von Weiblichkeit und Männlichkeit erschwert. Das beruht auf einer Geisteshaltung, in der Sport stark auf Wettbewerb und Konfrontation ausgerichtet ist und dies mit „männlichen“ Eigenschaften wie physischer Stärke und körperlicher Belastbarkeit verbunden wird. Geschlechterstereotype, die sich hartnäckig halten, beeinträchtigen nicht nur die Teilhabe inhalt von Frauen an der Entscheidungsfindung 03_Interview: Marianne Niederdorfer bei Sportorganisationen, sondern auch ihre Judo-Vize-Europameisterin von 1976 Verdienstmöglichkeiten im Bereich des Sports. Dies betrifft 04_Coverstory aktive Sportlerinnen genauso wie andere Berufe der Branche, von Der lange Weg nach ganz oben Trainerinnen und Sportjournalistinnen bis zu den äußerst seltenen 07_Interview: Mari Lang Funktionärinnen auf oberster Ebene. Gerade hier geht es Über Frauenquoten und Männeregos natürlich auch um Zugang zu den Entscheidungsgremien, die 08_Match um die Anerkennung Förder- und Sponsorengelder zuteilen und damit auch wieder Baustellen im Frauenfußball Gleichberechtigung ermöglichen. 10_Interview: Alexandra Meixner Als Frau im Extremsport Darüber hinaus unterstützen wir Projekte, die Mädchen den Weg 12_Sport wirkt auf die Gesellschaft in typisch männliche Sportarten ermöglichen, so wie „kick mit“. Geschlechtliche Vielfalt im Sport Für eine gleichberechtigte Teilhabe sowohl im Freizeit- als auch 14_Interview: Alexandra Meissnitzer im Spitzensport! Über Frausein im Skisport © WILDBILD 16_Judo: starke Frauen Elena und Lisa Dengg, Maria Höllwart impressum if: informativ & feministisch. Aktuelle Information zu Frauen- und Gleichstellungsthemen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie interessierte Frauen und Männer Herausgeberin: Abteilung 2: Kultur, Bildung, Gesellschaft und Sport des Amtes der Salzburger Landesregierung, vertreten durch Mag.a Eva Veichtlbauer Redaktion: Ursel Nendzig Salzburg-Redaktion: Ute Dorau Verlagsort: Salzburg Lektorat: Coralie Riedler Artdirection und Produktion: Martin Jandrisevits, Titanweiß Werbeagentur GmbH Beratung, Konzept, Koordination der Produktion: „Welt der Frauen“ Corporate Print für das Amt der Salzburger Landesregierung, Referat 2/05: Frauen, Diversität, Chancengleichheit. Adresse: Michael-Pacher-Str. 28, 5020 Salzburg, Tel.: 0662/8042-4041, frauen@salzburg.gv.at Druck & Herstellerin: Samson Druck GmbH Auflage: Salzburg 5.100, Gesamtauflage 15.800 Herstellungsort: St. Margarethen im Lungau DSGVO-Hinweis: Sehr geehrte Bezieherinnen und Bezieher, mit 25. 5. 2018 ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft getreten. Als Bezieherin/Bezieher haben Sie uns personen bezogene Daten zur Verfügung gestellt, die wir im Rahmen der Erfüllung Ihres Bezugswunsches verarbeiten. Der verantwortungsvolle Umgang mit Ihren personenbezogenen Daten ist uns wichtig. Um unsere Informationspflicht nach der DSGVO zu erfüllen, möchten wir Sie für alle weiteren Details zu unserem Umgang mit Ihren Daten auf unsere Datenschutzerklärung hinweisen. Diese finden Sie online auf https://www.salzburg.gv.at/datenschutz. Wenn Sie das Magazin nicht mehr erhalten wollen, schreiben Sie bitte ein E-Mail an frauen@salzburg.gv.at. 2 if: 2_2022
standpunkt Fördersysteme 3 FRAGEN AN … werden nachjustiert Marianne Niederdorfer, Vize-Europameisterin 1976, begleitet W ie in vielen Gesellschaftsbereichen führen auch im Sport Frauen nach wie vor ein Schattendasein. Zentrale Positionen in Führungsebenen von Sportinstitu den Bischofshofener Judo-Verein „Sanjindo Judo-Tigers“ tionen, Vereinen und Verbänden, z. B. als Trainer*in etc., als Trainerin und sportliche Leiterin bereits seit vielen sind zu einem überwiegenden Teil männlich besetzt. Auch Jahren. 2021 erhielt sie die nur sehr wenigen Kampfs in der Sportberichterstattung sind einer Studie zufolge portlerinnen und Kampfsportlern vorbehaltene Auszeich- 88 Prozent der Beiträge männlichen Athleten gewidmet. nung „Sechste Dan“. Sie ist als Damenlandestrainerin Salz- Sportlerinnen hingegen werden häufig sexualisiert und burg auch Mitglied des Österreichischen Betreuerstabes trivialisiert dargestellt. All dies wirkt sich auf die Entwick- bei nationalen und internationalen Veranstaltungen. lungsmöglichkeiten von Frauen im Sport aus. Namen wie Sarah Zadrazil (s. auch Role Model Seite 9) und Laura Feier- Wann und wie sind Sie zum Leistungssport Judo singer (Fußball), Sara Marita Kramer und Chiara Hölzl gekommen, was gefällt Ihnen so sehr daran? (Skispingen), Skirennläuferin Alexandra Meissnitzer Begonnen habe ich 1971 durch eine Freundin: Judo war und (s. Seiten 14/15), Mirjam Puchner (Ski Alpin), Theresa ist eine leistbare Sportart – für Körper und Geist. Neben Stadlober (Langlauf), Carina Edlinger (Para-Skilanglauf), Rücksichtnahme und Respekt vermittelt sie auch Selbst aber auch Nachwuchshoffnungen wie Laura Schöfegger bewusstsein und hilft, überschüssige Energien bzw. (Segeln), Lilli Marija Brugger-Brandauer (Fechten), Maria A ggressionen abzubauen. Höllwart (s. letzte Seite), Lisa und Elena Dengg (Judo, s. letzte Seite) oder Tabea Minichmayr (Rudern) beweisen Warum sind Sie Trainerin geworden? aber, welch starke Leistungen Frauen im Sport erbringen. Mädchen-Judo war in meinen jungen Jahren in der Männerdomäne nicht voll akzeptiert. Einige Trainer – wie Spezielle Frauenförderprogramme des Bundes wie z. B. mein ehemaliger Vereinschef Rupert Kreuzberger und „Dream-Team“ (Förderung für Frauenligen) oder in Nationaltrainer Ernst Raser – standen für das Frauen-Judo Zusammenarbeit mit den Ländern das „Gender Trainee ein und förderten mich zum Leistungssport. Noch während Programm“ sind wichtige Lichtblicke. Im Land Salzburg meiner aktiven Karriere begleitete und unterstützte ich die wurde 2018 das Landessportgesetz unter anderem dahin- jungen Mädchen und Damen im Team. Das wurde von den gehend angepasst, dass bei der Wahl des Landessport Sportlerinnen extrem gut angenommen. Die Freude an der rates auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Männern positiven Entwicklung und Wertschätzung ermutigten mich, und Frauen zu achten ist. Erfreulich ist auch, wenn Ver als Trainerin zu arbeiten. eine, wie aktuell der UTTC Salzburg, danach trachten, ein Diese Faszination und das, was von den Sportlerinnen und 1.-Bundesliga-Frauenteam aufzubauen. Sportlern zurückkommt, motiviert mich jeden Tag neu, sie auf einem Stück ihres sportlichen Werdegangs begleiten zu Ziel der Sportförderung des Landes muss es sein, dürfen. Seit Jahren bin ich nun national und international entsprechendes Augenmerk auf die Förderung von Frauen als erfolgreiche Trainerin anerkannt. im Sport zu legen und die Fördersysteme dahin- gehend nach zu justieren. Hieran gilt es in Warum gibt es bis heute so wenige den nächsten Jahren zu arbeiten. Kolleginnen im Trainerinnenbereich? Das liegt zum Teil an der fehlenden Akzeptanz durch Sportler und Sportlerinnen, Trainer, Funk- tionäre – eigentlich durch das gesamte Umfeld! Andrea Zarfl ist Zum anderen scheint vielen das Rollenbild einer Leiterin des Frau mit den Anforderungen als hauptamtliche Landessportbüros © MANFRED GERHART, LAND SALZBURG Spitzentrainerin schwer vereinbar (Familie, Salzburg. Kinder usw.). Es ist schade, dass (Rand-)Sport arten wie Judo oder Trainerinnen aus diesen Randsportarten nicht im medialen Interesse stehen. Auch und besonders Frauen hat diese Sportart so viel zu geben. 2_2022 if: 3
Von Protest bis Podest: Frauen im Sport Sie kämpfen nicht nur gegen die Stoppuhr, sondern auch gegen Diskriminierung und alle möglichen und unmöglichen Wider- stände. Wie sich Frauen den Weg ganz nach oben erarbeitet haben – und weiterhin erarbeiten. 4 if:faktum 2_2022
W ir haben das Gefühl, dass Sport etwas Frauen-Weltspiele ist, das immer schon da war, eng ver- Bis das Internationale Olympische Komitee die bunden mit unserer Geschichte und Spiele für Frauen öffnete, sollte es noch dauern. Erst unserer Kultur. Dass Sport ganz gezielt als solcher wurden sie zu einzelnen Sportarten zugelassen, etwa ausgeübt wird, ist aber ein ziemlich junges Phäno- Golf, Tennis und Bogenschießen. Frauen – ange- men. Erst als sich so etwas wie „Freizeit“ etablierte, führt von der französischen Sportlerin Alice Milliat – begann so etwas wie „Sport“ Raum und Zeit zu fin- gründeten aus Protest gegen die frauenfeindliche den. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts wurde Sport Haltung des IOC 1921 die „Fédération Sportive zu einer weitverbreiteten Freizeitbeschäftigung. Für Féminine Internationale“, die die „Frauen-Weltspie- verschiedene Sportarten wurden Regeln aufgestellt, le“ austrug. Hunderte Frauen nahmen bei den später und langsam, aber sicher etablierte sich ein Wett- „Frauen-Olympiade“ genannten Spielen teil – und kampfgeschehen, das seinen ersten Höhepunkt mit schließlich gab das IOC dem Druck der Sportlerin- den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit fand, nen nach. Bei den Olympischen Spielen in Amster- das war 1896. dam 1928 durften Frauen auch beim olympischen Von weiblicher Beteiligung sprechen wir hier Herzstück, den Leichtathletikbewerben, teilnehmen. noch lange nicht. Sport und das vorherrschende Es wäre gelogen, zu sagen, dass es ab hier steil Frauenbild von der schwachen Frau, deren Gebär bergauf ging. Die Hürden waren hoch, die Wider- fähigkeit unter sportlicher Betätigung leiden würde, stände zäh. Zwar wandelte sich das Frauenbild zu wollte so gar nicht zur schweißtreibenden körperli- schlank, selbstbewusst und emanzipiert, die Gegen- chen Betätigung passen. Siegeswille und Durchset- argumente blieben aber starr: Sport sei für Frauen zungskraft waren ohnehin rein männliche Attribute. nicht sittlich, medizinisch sowieso bedenklich und Pionierinnen: Frauen, die Sportgeschichte geschrieben haben In kaum einem Sport mussten Frauen so lange um Sichtbarkeit kämpfen wie im Radsport. Als Alfonsin Strada schreibt sich gelder erhalten. Mit Erfolg: Seit und 2021 ein WM-Qualifika Radsportpionierin Alfonsina 1973 sind bei den US Open die tionsspiel der Männer. Strada 1924 beim Giro d’Italia Siegprämien von Frauen und Sarah Thomas ist als erste Frau ein. Sie wird enttarnt, darf trotz- Männern gleich. Teil der Schiedsrichtercrew des dem starten, avanciert zum Als die Österreicherin Eva berühmten Endspiels der Ameri- Publikumsliebling und darf wei- Ganster als erste Frau von einer kanischen Football-Liga, der terfahren, obwohl sie wegen Skiflugschanze springt, schrei- „Super Bowl“. Zeitüberschreitung ausfallen ben wir das Jahr 1997. Bis Als erste Frau gewinnt Fallon sollte. Bis heute gibt es beim Anfang der 1990er-Jahre ist Sherrock aus England ein Duell „Giro“ sowie der „Tour de Skispringen nicht für Frauen zu- bei der Darts-Weltmeisterschaft France“ ein Frauenrennen, gelassen. Erst seit 2011 gibt es 2020. Bei der Darts-WM stehen getrennt vom „Hauptrennen“. einen Weltcup, seit 2014 ist Ski- zwei Frauen auf der Teilnehmer- Maria Teresa de Filippis war springen olympisch. Nächstes liste neben 94 Männern. 1948 die erste weibliche Formel- Ziel: eine Vierschanzentournee In der Saison 2020/2021 gibt es 1-Pilotin: 1958 nahm sie an zwei für Frauen. zum ersten Mal einen Weltcup Rennen für Maserati teil. Seit Fußball ist eine stark männlich der Nordischen Kombination für Giovanna Amati vor 26 Jahren dominierte Welt. 2003 ist Nicole Frauen. Die US-Amerikanerin ihr Cockpit endgültig verließ, Petignat aus der Schweiz die Tara Geraghty-Moats gewinnt gab es keine Frau im Formel-1- erste Frau, die ein Europapokal- den Weltcup, das erste WM- Zirkus. spiel der Männer pfeift. Stépha- Gold geht an die Norwegerin Anfang der 1970er-Jahre nie Frappart leitet 2019 als Gyda Westvold Hansen. Von kämpft Billie Jean King dafür, erste Frau ein internationales den Olympischen Winterspielen © iStockphoto dass männliche und weibliche Pflichtspiel der Männer, 2020 bleiben Frauen aber vorerst Tennisprofis gleich hohe Preis- ein Champions-League-Spiel weiterhin ausgeschlossen. 2_2022 if: 5
ganz einfach „Männersache“. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Überleben wichtiger als der Sport. Nach und nach wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Sportvereine (wieder-)gegründet – mit Männern in allen federführenden Positionen. Marathon: „unter ferner liefen“ In den 1960er- und 70er-Jahren stiegen endlich die Zahlen von weiblichen Sportlerinnen und vor allem der weibliche Anteil in den Vereinen. Doch immer noch mussten Frauen zu Tricks greifen, um sich ih- BUCHTIPPS ren Platz im Sport zu sichern. Wie die Amerikanerin FRAUEN IM SPORT Kathrine Switzer, die als erste Frau den Boston- Marathon mit offizieller Startnummer absolvierte – Vergessene Heldin das war 1967. Sie trug allerdings nur ihre Initialen Althea Gibson war die erste ein, war – zum Glück herrschte starker Schneefall – Schwarze, die Wimbledon gewann. dick eingepackt und fiel deshalb inmitten der Läufer Bis zu diesem Erfolg wurde sie nicht auf. Erst später wurde sie entdeckt, und ob- diskriminiert und ausgegrenzt, wohl der erboste Renn-Direktor versuchte, ihr die beschimpft und ausgebuht. Angela Startnummer zu entreißen, lief sie bis ins Ziel. Buxton war jüdischer Herkunft und Erst 1984 wurde der olympische Marathon für kämpfte mit ähnlichen Erfahrungen. Frauen geöffnet. Und es dauerte bis 1981, dass es die 1956 gewannen sie gemeinsam das erste Frau ins Gremium des Internationalen Olympi- Damendoppel in Wimbledon. schen Komitees schaffte. Die Spiele in Tokio 2020 Die Geschichte ihres Trium- wurden als die ersten geschlechtergerechten Olympi- phes ist hier nacherzählt. schen Spiele ausgerufen: Zum ersten Mal in der Ge- schichte musste jedes nationale Komitee mindestens BRUCE SCHOENFELD eine Frau aufnehmen – mit 48,8 Prozent Teilneh- „Althea Gibson – Gegen alle merinnen war die Geschlechtergleichstellung bei den Widerstände“ (übersetzt aus Sportlerinnen und Sportlern erreicht. dem Englischen von Elisabeth Schmalen), HarperCollins, 412 Seiten, € 22,95 Wahre Geschichte als Graphic Novel Die Sprinterin Samia Yusuf Omar wird in ihrer Heimat Somalia von islamistischen Extremisten bedroht, die Frauensport ablehnen. Sie macht sich auf die Flucht nach Veronika Prükler, Europa, um an den Olympischen Ironwoman Spielen teilzunehmen. Ihre Flucht In ihrer Jugend erfolgreiche Läuferin, gelingt nicht, sie ertrinkt vor der qualifizierte sich die Hobby-Triathletin Veronika Küste Maltas. Ihre Geschichte ist in Prükler für die Ironman-Weltmeisterschaft auf diesem Buch als Graphic Hawaii. Nach zweimaliger Absage findet die WM Novel beschrieben. erst heuer wieder statt. Mittlerweile ist Veronika stolze Mama eines einjährigen Sohnes. Trainieren REINHARD KLEIST für eine Langdistanz ist dennoch möglich: „Als © SHUTTERSTOCK, PRIVAT „Der Traum von Olympia. Die junge Mama ist es besonders wichtig, auch Zeit für Geschichte von Samia Yusuf sich selbst einzuplanen. Wenn ich Sport treibe, Omar“, Carlsen Verlag, fühle ich mich frei und genieße jede Minute, in der 147 Seiten, € 11,90 ich mich auspowern kann.“ 6 if: 2_2022
Powerfrau. Viele kennen die Journalistin Mari Lang aus den aktuellen ORF- Sportnachrichten, deren Gastgeberin sie seit 2015 ist. Sie beschäftigt sich darüber hinaus mit unterschiedlichen sozialen Themen und Gender-Equality. Mehr Frauen in den Sport! In ihrem erfolgreichen Podcast „Frauenfragen“ stellt Moderatorin und Sprecherin Mari Lang die Gender-Welt auf den Kopf. Bekannt ist sie auch als Sportmoderatorin des ORF. Hier spricht sie über Frauenquoten, Männeregos und den Mehrwert von Diversität. if: Du bist eine von wenigen Wird man als Sport- schlägt das kleinere Ereignis. Frauen im Sportfernsehen. moderatorin denn von den Es bräuchte ein offizielles Wie kamst du dazu? Kollegen ernst genommen? Bekenntnis: Egal, was ist, ein Mari Lang: Zuerst muss ich Ich habe schon das Gefühl, dass Beitrag über Frauensport ist fix. s agen: Es gibt mehrere Frauen, man sich vor allem am Anfang Alina Zellhofer, Christina Inhof, mehr beweisen muss, man skepti- Immer wieder gibt es heiße Anna Lallitsch, Karoline Zober- scher beäugt wird und Fehler Diskussionen, wenn Frauen nig, um nur einige zu nennen. Im nicht so leicht verziehen werden. Männerfußballspiele ORF gab es eine Offensive, mehr Hier gilt aber wie für alle Frauen kommentieren. Haben Männer Frauen in den Sport zu holen. Bei in klassischen Männerdomänen: das Gefühl, ihr Sport wird diesem Casting war ich zwar auch Es liegt auch an uns Frauen, dadurch abgewertet? dabei, bin aber erst später als selbstverständlich unseren Platz Das ist nichts, was nur im Sport Karenzvertretung dazugekom- zu beanspruchen und uns nicht passiert: Berufe, die früher von men. Das war vor sieben Jahren. aufs Geschlecht reduzieren zu las- Männern ausgeübt worden sind, Seither sind mehr Frauen gekom- sen. werden abgewertet, sobald die men, denen es wichtig war, nicht Frauen nachziehen. Etwa beim in zweiter Reihe zu stehen, son- Es gibt auch viel weniger Be- Beruf des Lehrers. Das hat viel dern präsent zu sein und wahrge- richterstattung über Frauen- mit Abwertung und auch mit nommen zu werden. Und ich sport. Wie kann man diesen dem Ego zu tun. Wenn wir weiß, dass es ein harter Kampf Anteil erhöhen? Gleichberechtigung wollen, wird war – und nach wie vor ist. Es muss ins Bewusstsein von uns es aber heißen müssen, dass Journalistinnen und Journalisten Männer den Platz frei machen Wo findet dieser Kampf statt? kommen, verstärkt Frauensport müssen. Etwas weitergedacht Wenn Frauen kommen, müssen in den Fokus zu rücken. Beim würde vielleicht die Sport Männer Platz machen. Dadurch ORF gibt es da eine Initiative berichterstattung einen Mehrwert haben sie weniger Möglichkeiten, über alle Redaktionen hinweg, die bekommen, wenn es, statt immer weniger Sichtbarkeit, das ist eine „50:50-Challenge“, zur Steige- nur über höher, schneller, weiter einfache Rechnung. Es betrifft rung des Frauenanteils in der und Ergebnisse zu berichten, jetzt eine Generation von Män- Berichterstattung. In den Sport- mehr in die Tiefe ginge, mit nern, die es sozusagen abkriegt. nachrichten haben wir eine einem anderen Blick! Es ist Die letzten Jahrhunderte war die Sendezeit von vielleicht fünf erwiesen, dass Diversität in Männerquote 100 Prozent, inso- Minuten, das heißt, drei oder vier Unternehmen zu mehr Erfolg fern müssen wir kein Mitleid Beiträge. Wenn nun gerade Män- führt. Das allein wäre ein ganz © MARTINA LANG haben. Ich bin, solange die Auf ner-Fußball-WM ist, fällt eine Ju- triftiger Grund, zu sagen: mehr teilung noch nicht 50:50 ist, ganz doka, die gerade Europameisterin Frauen in den Sport! Und zwar in klar für eine Frauenquote. geworden ist, raus: Das größere allen Bereichen. 2_2022 if: 7
Vor wenigen Jahrzehnten war Frauenfußball noch verboten. Inzwischen kaum mehr vorstellbar – und dennoch gibt es für Frauen in einer der populärsten Breitensportarten noch einiges zu tun. Match um die Anerkennung A ls Österreichs Fußball-Nationalelf der ges nur langsam wieder auf. Bis ins Jahr 1971 wurde Frauen im April dieses Jahres das WM- der Frauenfußball systematisch vom Österreichi- Qualifikationsspiel gegen Nordirland be- schen Fußballverband (ÖFB) unterdrückt, indem stritt, wurde es live im öffentlich-rechtlichen Fern alle Initiativen für den Fußball der Frauen im Keim sehen übertragen, zur besten Sendezeit. Das allein erstickt wurden, etwa, indem er den Vereinen unter ist eigentlich eine Sensation, denn noch vor weni- Androhung von Geldstrafen untersagte, Sportplätze gen Jahren war Frauenfußball im Fernsehen – und für Frauenfußball zur Verfügung zu stellen. Den- auch sonst überall – quasi nicht vorhanden. noch wurde 1972 eine Frauenfußball-Meisterschaft Alles gut also im Frauenfußball? Jein. Nach wie eingeführt – was das Interesse an diesem Sport nicht vor gibt es einige Baustellen – die mangelnde Zahl merklich anheben konnte. 1984 veranstaltete die an Funktionärinnen, die fehlende mediale Aufmerk- UEFA die erste Fußball-EM der Frauen, seit 1997 samkeit und, ja, die viel zitierte Gehaltsschere wäre findet sie auch regelmäßig alle vier Jahre statt. Die da auch noch. Es lohnt sich jedoch, auf die kurze erste WM wurde 1991 in China ausgetragen, seit Geschichte des österreichischen Frauenfußballs zu 1996 ist Frauenfußball olympisch. In der Saison schauen, die 1924 mit der Gründung des ersten 2001/2002 richtete die UEFA erstmals den Frauenvereins „Diana“ in Wien begann. In den Women’s Cup aus, der seit 2009/2010 analog zu 1930er-Jahren hätte es für diese Sportart steil berg- jenem der Männer „UEFA Women’s Champions auf gehen können, als die Damenfußball-Union League“ heißt. ÖDU gegründet wurde und sich um eine eigene © SHUTTERSTOCK, RED BULL Meisterschaft für Frauen (damals: Damen) be Frauen ohne Funktion mühte. Die Bemühungen kamen aber unter der Als Spielerinnen haben sich Frauen in der einstigen nationalsozialistischen Herrschaft zum Erliegen. Männerdomäne Fußball durchaus ihren Platz ge Und standen nach dem Ende des Zweiten Weltkrie- sichert. Schaut man sich im Feld der Funktionärin- 8 if: 2_2022
nen und Funktionäre um, ist die Bilanz etwas er- Frau an der Spitze: Irene Fuhrmann nüchternder. Sportminister Werner Kogler beklagte, dass es in den rund 60 Sport-Fachverbänden nur Sie ist die erste Frau, die Chefin einer österreichischen Nationalelf wurde. sechs Präsidentinnen gebe und es daher ein Ziel sei, Seit Sommer 2020 leitet die ehemalige Assistentin des Cheftrainers Frauen in Entscheidungsfunktionen zu bringen. Dominik Thalhammer die Geschicke der ÖFB-Frauen-Auswahl. Und das Das Gleiche gilt für den Bereich der Betreuerinnen mit Erfolg. Sie qualifizierten sich zweimal in Folge für die Europameister- und Trainerinnen sowie Sportmanagerinnen: Wo schafts-Endrunde. Es ist auch für sie als ehemalige Spielerin ein Schritt, man hinsieht, sind Frauen die Ausnahme jener Re- der große Bedeutung hat. Das Trainerwesen, so die 41-Jährige, sei männ- gel, die besagt, dass es Männer sind, die die Macht lich dominiert. Weibliche Athletinnen brauchen aber weibliche Bezugs im Sport in Händen halten. personen und Ansprechpartnerinnen, gerade im Leistungssport. Es fehle Als Meilenstein kann die Gründung der ÖFB- außerdem an hauptberuflichen Trainerinnen, weil den Vereinen die Mittel Frauen-Akademie in St. Pölten angesehen werden. dazu fehlen. Wichtig sei auch, viel mehr Mädchen zum Fußball zu bringen. Im Sportleistungszentrum für Frauenfußball gibt es seit dem Schuljahr 2011/2012 für junge Fuß ballerinnen die Möglichkeit, neben ihrer schuli- Sieg für die Revoluzzerinnen schen Ausbildung den Weg zur Profifußballerin – und irgendwann auch zur Funktionärin, Trainerin Sie sind weit erfolgreicher als ihre männlichen Kollegen: Viermal oder Präsidentin – zu gehen. Sportliche Leiter der Olympiagold und ebenso viele WM-Titel holten die US-amerikanischen ÖFB-Frauen-Akademie waren seit ihrer Gründung Fußballerinnen. Ihre Gehälter aber fielen weit niedriger aus als jene der allerdings nur Männer. Männer. Das wollten die Sportlerinnen so nicht hinnehmen und klagten den amerikanischen Verband wegen Diskriminierung auf jenen Betrag, Vorbildwirkung den sie bekommen hätten, wären sie nach dem Tarif der Männer bezahlt Weitere Frauenprojekte im Fußball sind wohl im worden: 67 Millionen US-Dollar. In erster Instanz scheiterten die Entstehen, und das ist auch dringend nötig. Nach Fußballerinnen, gingen im Juli 2021 in Berufung und bekamen schließlich wie vor mangelt es an Role Models, Entscheidungs- im Februar dieses Jahres recht. Megan Rapinoe, Starspielerin der trägerinnen und Trainerinnen (wie Irene Fuhrmann, Mannschaft und federführend im Kampf um die Gleichberechtigung, s. Kasten), die den Frauenfußball im Zentrum der sagte dazu: „Das ist ein großer Gewinn für alle Frauen.“ Sportwelt positionieren. Eine, die die Frauenfuß- ballwelt nachhaltig verändern könnte, ist Sarah Zadrazil, seit 2010 im ÖFB-Nationalteam, seit zwei Jahren beim Deutschen Meisterverein FC Bayern München und dabei, einen Trainerinnenkurs zu ab- solvieren. In Europa, so sagte sie im Interview mit orf.at, sei man im Frauenfußball noch lange nicht dort, wo die US-Amerikanerinnen (s. Kasten) be- reits seien – weil hier das Interesse am Männerfuß- ball um ein Vielfaches höher sei. Damit einher gehen Zuschauerzahlen, Sponsoring, Merchan Sarah Zadrazil dising – und die Bezahlung der Sportler. „Glaubt an eure Träume, dann ist Ein erster Schritt wäre also nicht, das gleiche alles möglich“, sagt Sarah Zadrazil. Gehalt wie ihre männlichen Kollegen zu verlangen, Die Fußballerin aus St. Gilgen hat es sondern die Strukturen zu verändern. Dahin etwa, ins österreichische Nationalteam und in die dass Spiele auch in den großen Stadien stattfinden Frauenmannschaft des FC Bayern München oder öfter Spiele im Fernsehen übertragen würden. geschafft. Sie war die erste Österreicherin, Tatsächlich scheint sich hier etwas zu tun – siehe die in ein Sportprogramm eines Colleges in eingangs erwähntes EM-Qualifikationsspiel oder die den USA aufgenommen wurde. 2017 gab sie Austragung von Frauen-Champions-League-Spielen bei der EM ihr Debüt in der Nationalmann in der Münchener Allianz Arena. So geschehen im schaft, das erst im Halbfinale endete, 2018 März 2022, als die Münchnerinnen gegen die Pari- war sie österreichische Fußballerin des serinnen als erste Frauenmannschaften in Deutsch- Jahres. In Videotagebüchern gibt sie jungen lands größtem Stadion gegeneinander antreten durf- Fußballerinnen ihre Erfahrungen als ten. Es siegten die Gäste aus Paris – und die gesamte Profisportlerin weiter. weibliche Fußballwelt. 2_2022 if: 9
„Radle einfach weiter!“ Sie ist vielfache Weltmeisterin – und kann nicht ich alle Preisgelder zusammenzähle, von ihrem Sport allein leben. Im Interview erzählt komme ich auf 1.200 Euro. Für einen Alexandra Meixner von der Welt des Extremsports Triathlonsieg gibt es 300 Euro, für das RAAM oder einen Weltrekord gar und welche besonderen Herausforderungen er für nichts. Christoph Strasser, der für seine Frauen mit sich bringt. sechs Siege beim RAAM weltberühmt wurde (und zum Glück von Sponsoren- geldern leben kann), sagt, er ist froh, if: Du bist sechsfache Weltrekord- wirklich spitze finde – und auch uns dass es nicht um hohe Preisgelder geht, halterin und ein Aushängeschild des rauen wünschen würde. F da sonst das Doping dort einziehen heimischen Extremsports. Was würde. Ich sehe das genauso. wäre anders, wenn du ein Mann Das ist bei dir nicht der Fall? wärst? Nein, trotz der Weltrekorde und obwohl Woran liegt das, denkst du? Wieso Alexandra Meixner: Als ich die ich die erste Österreicherin bin, die das ist Frauensport uninteressanter? Trainerausbildung an der Bundessport- „Race Across America“ (RAAM, ein Daran, dass wir zu wenige sind? Oder akademie absolviert habe, bin ich mit Radrennen über circa 5.000 km, non- am allgemeinen Rollendenken? Daran, Männern und Frauen ins Gespräch ge- stop von der West- zur Ostküste Ameri- dass Frauenberufe weniger populär sind? kommen, und wir alle waren uns einig: kas, Anm.) zweimal beenden konnte, Ich habe auch keine Antwort darauf. Wenn es um Medienpräsenz und Spon- einmal als Zweite. Wobei ich nicht sagen soring geht, haben es Frauen viel schwe- kann, inwieweit der sexistische Aspekt Gibt es unter den Extremsportler rer als M änner. Bei Frauen kommt dazu, hier eine Rolle spielt: Ich bin schon eher innen engen Zusammenhalt? dass es umso schwerer ist, je weniger alt und entspreche nicht so ganz dem Irgendwann lernt man einander kennen. repräsentativ du bist: Alter, Aussehen weiblichen Idealmodell. Kleine und Wie gesagt: So viele Frauen sind wir ja und so weiter. lokale Sponsor*innen habe ich aber nicht. Und es gibt durchaus eine extreme immer, die einfach stolz darauf sind, dass gegenseitige Unterstützung. So habe ich Welche Rolle spielt es, dass du sie eine Waldviertlerin unterstützen kön- die Schweizerin Nicole Reist, zurzeit die eine absolute Randsportart nen, die so etwas wie einen Ultratriath- beste Extrem-Radsportlerin, bei der Vor- betreibst? lon macht. Auch für das RAAM hatte bereitung auf das RAAM um Rat gefragt. Radsport – vor allem „Weitradeln“ – be- ich einen persönlichen Sponsor, ein Ehe- Was ich schön finde: Es werden auch ge- kommt kaum Medienpräsenz. Je mehr paar, das wohl keinenWerbeeffekt für genseitige Bewunderung und Motivation Präsenz, desto leichter ist es aber, Sponso- seine Firma erzielt hat, aber einfach da- ausgedrückt. Als ich den Weltrekord in ring für Bewerbe zu bekommen. Was ich von begeistert war, was eine Frau leisten den meisten pro Monat gefahrenen Fahr- aber schon sehe: Gerade jüngere Männer kann. radkilometern aufgestellt habe, hat es bekommen mittlerweile so gutes Sponso- zwei Wochen lang durchgeregnet. J eder, ring, dass sie gut davon leben können – Das heißt, du musst dir deinen der gesagt hat: „Wird schon besser wer- auch ohne große Rekorde vorweisen zu Sport selbst finanzieren? den, wirst sehen“, hat mich nur grantig können. Sie machen den Radsport haupt- Mich hat der Sport bisher 250.000 Euro gemacht. Irgendwann habe ich Nicole beruflich und haben keine Sorgen, sich die gekostet, wovon rund die Hälfte durch geschrieben, dass ich nicht mehr kann Rennen finanzieren zu können, was ich Sponsorengelder gedeckt wurde. Wenn vor lauter Regen, und sie hat gemeint: 10 if: 2_2022
Ende 2021 schafft Alexandra Meixner einen weiteren Weltrekord: Sie fährt die meisten Kilometer in einem Monat. 1.333,3 „erfährt“ sie – und ist über- glücklich. Alexandra „Xandi“ Meixner, Hygiene: Bei den Ultrarennen haben wir 50, ist Fachärztin für Gynäkologie und Sportmedizinerin aus Harmanschlag, nur diese mobilen Toiletten, die nicht ge- Niederösterreich – und außerdem eine der erfolgreichsten österreichischen Ausdauerathletinnen. Sie hält insgesamt sechs Weltrekorde, darunter jenen rade hygienisch sind. Mir fällt dazu ein, im „Double Deca Ultratriathlon“. Das bedeutet: An 20 Tagen wird je ein Iron- dass ich irgendwann eine Studie gelesen man absolviert, also insgesamt 76 Kilometer Schwimmen, 3.600 Kilometer Radfahren und 844 Kilometer Laufen. 2017 nahm sie als erste Österreicherin habe, in der stand, dass Frauen in den ers- am Race Across America teil und beendete es als Zweite nach zwölf Tagen, ten Tagen der Menstruation am leistungs- vier Stunden und 35 Minuten. 2021 radelte sie mit 13.333,3 Radkilometern in fähigsten sind – sofern sie keine Schmer- einem Monat ihren letzten Weltrekord – vorerst. zen haben. Das Gleiche sagt man über die Frühschwangerschaft. Da gab es wohl unethische Geschichten mit strategisch „Konzentrier dich nicht auf den Regen, Ich habe mir schon vor langer Zeit die geplanten Schwangerschaften und Abtrei- du kannst ihn nicht ändern. Nimm es Hormonspirale setzen lassen. Die meis- bungen im ehemaligen Ostblock. Davon hin und radle einfach weiter.“ In einer ten Frauen, so auch ich, haben damit ist heute keine Rede mehr. solchen Situation versteht dich nur je- keine Blutung mehr. Von anderen Frau- mand, der weiß, wie es ist. en, die ich auch als Ärztin betreue, weiß Du bist seit rund zehn Jahren ich, dass sie auch mithilfe hormoneller Extremsportlerin – hat sich im Be- Wie geht man eigentlich mit dem Verhütung die Regel unterdrücken oder zug auf das Geschlechterverhältnis Thema Menstruation um, wenn man verschieben. Es geht nicht nur um die in dieser Zeit etwas geändert? zum Beispiel einen Monat lang Schmerzen – dagegen könnte man Me- Vor allem im Ultratriathlon wird der Frau- durchradelt? dikamente nehmen, sondern auch um enanteil auf jeden Fall höher, da sieht man immer mehr Frauen bei den Bewerben, was unheimlich schön ist. Beim „Weit radeln“ werden wir – noch nicht in Öster- reich, aber international – mehr Frauen. Bettina Plank Unter den Sportlerinnen und Sportlern Sie erkämpfte sich bei den Olympischen Spielen in Tokio die habe ich immer einen starken Zusammen- © ALEX FELTEN, SEPP MALLAUN Bronzemedaille in Karate. Den Grundstein dafür legte Bettina halt festgestellt, da wurde nicht gegen uns Plank mit neun Jahren, als sie mit dem Karatesport be- Frauen gearbeitet, im Gegenteil: Männli- gann. Neben dem Spaß an der Bewegung fasziniert che Athleten motivieren und unterstützen sie der respektvolle Umgang miteinander, aber uns, vom ersten bis zum letzten Platz wird auch die mentale Stärke, die gefordert ist, und jede und jeder wertgeschätzt. das Selbstbewusstsein, das gefördert wird. Jungen M ädchen rät sie: „Du darfst dich nie unterkriegen lassen! Stecke dir Ziele und lass dir 2_2022 if: 11 von niemandem einreden, sie seien zu hoch!“
„Sport wirkt auf die Gesellschaft“ 100 % SPORT setzt sich für Gleichberechtigung im Sport ein – und mehr als das. Seit heuer steht nun auch die geschlechtliche Vielfalt im Fokus ihrer Arbeit. Caroline Weber, stv. Geschäftsführerin, und Liam Strasser, Referent für geschlechtliche Vielfalt, im Interview. if: Mit welchen Themen beschäftigt ihr euch, nur zwei Geschlechter gibt. Hier schauen wir in Ab- oder anders gefragt: Warum gibt es euch? stimmung mit LGBTIQ*-Interessensvertretungen, Caroline Weber: Der Hauptgrund, warum 100 % wo man im Sportsystem einwirken kann. Es ist ein SPORT entstanden ist, war, um den Frauenanteil im Randthema, das noch nicht im allgemeinen Be- Sport zu erhöhen. Aus mehreren Projekten zur För- wusstsein angekommen, geschweige denn verankert derung von Mädchensport ist das Zentrum für ist. Oder sogar bewusst nicht verbreitet wird. Genderkompetenz entstanden. Unsere Aufgabe ist es, dazu beizutragen, den Sport inklusiver und siche- Das heißt, ihr kämpft an mehreren Fronten? rer zu machen. Wir sind vom Sportministerium ge- Caroline Weber: Frauen wurden und werden im fördert und decken alle Genderthemen ab, seit heuer Sport marginalisiert und in vielerlei Hinsicht diskri- verstärkt durch Liams Fachbereich, geschlechtliche miniert: Verdienst, Repräsentation in den Medien, Vielfalt sowie Prävention sexualisierter Gewalt. Anzahl der möglichen Sportgruppen, auf Funktio- närsebene werden Positionen männlich besetzt und Caroline Weber Gibt es in diesem Bereich schon Bewusstsein? nicht aus der Hand gegeben, Anliegen von Frauen und Liam Strasser Lauft ihr offene Türen ein – oder steht ihr vor werden nicht allumfassend wahrgenommen. Und stehen für © SHUTTERSTOCK, BEIGESTELLT Genderkompetenz verschlossenen? jetzt kommen wir mit der geschlechtlichen Vielfalt, im Sport ein. Liam Strasser: Geschlechtliche Vielfalt wird bisher einem Thema, das alteingesessenen Personen prinzi- im binären System verstanden und endet meist bei piell sauer aufstößt, weil sie ja schon einmal nachge- Mann und Frau. Unser Fokus liegt auf Bewusstseins- geben haben und Frauen – zumindest ein bisschen – bildung, also überhaupt zu sagen, dass es mehr als zum Zug kommen haben lassen. 12 if: 2_2022
An welchen Knöpfen kann man denn drehen, lässt, die man sonst nicht dulden würde, um nicht um da eine Veränderung zu bewirken? alles aufs Spiel zu setzen. Seit wir dieses Thema aktiv Liam Strasser: Alles, was von öffentlicher Seite nach außen tragen, ist wahrnehmbar, dass einiges in kommt oder rechtlich verbindlich ist, hat eine ganz Bewegung kommt. Noch mehr freut es uns, dass die andere Wirkung als alle Bemühungen, die bestenfalls Überlegungen zur Einrichtung einer Vertrauensstelle als Empfehlungen wahrgenommen werden können. für den Sport konkreter werden. Wir bräuchten also eine gesetzliche Grundlage, um schnellstmöglich Veränderungen herbeizuführen. Was wünscht ihr euch für den Sport der Zukunft? Die Sportförderung anzupassen und Ausbildungs- Liam Strasser: Ein Bekenntnis der Bundesregie- programme auf alle Geschlechter auszuweiten, wäre rung zur geschlechtlichen Vielfalt im Sport, und ein möglicher Weg zur schrittweisen Chancengleich- dazu, dass alle Menschen das gleiche Recht auf heit. Sind Personen am Hebel, die Vielfalt nicht am Partizipation, Persönlichkeitsentfaltung und Schirm haben, ist es schwierig. Trans, non-binäre -bildung im Sport haben. Dass alle Geschlechter und inter Personen gilt es, als Teil des Systems zu gleichwertig behandelt werden, sodass der Sport ein verstehen, nur durch ihre Einbindung kann Ver diskriminierungsfreier Raum sein kann. änderung bewirkt werden. Caroline Weber: Es passiert so viel Sozialisierung Caroline Weber: Ein spannender Hebel wäre auch über den Sport. Was sich hier einmal durchsetzt, hat der Sportstättenbau. Wir haben uns angeschaut, wel- Allgemeingültigkeit. Deshalb ist Gerechtigkeit im Sport che Normen und Vorschriften es gibt und wie man für mich so ein wichtiges Thema, weil Sport in die sie umgestalten kann, sodass Sportstätten für alle Ge- Gesellschaft einwirkt – und die Gesellschaft in den schlechter zum „Safe Space“ werden. Trainingshallen, Sport. Umkleidekabinen, Toiletten – das umfasst sehr viel. Damit hängt das Thema „Sexualisierte Gewalt im Sport“ zusammen. Inwiefern seid ihr in Der Verein diesem Thema aktiv? Caroline Weber: Wir stellen Referentinnen und Als österreichisches Zentrum für Gender- eferenten, bilden Multiplikatorinnen und Multi R kompetenz im Sport wurde 100 % SPORT plikatoren aus, die dann in den Vereinen, Verbänden vom Sportministerium als autonomer Verein und Organisationen als Ansprechpersonen dienen. Sie eingerichtet. Das Ziel: Geschlechtergerech- vermitteln auch an Opferschutzorganisationen, sind tigkeit, Gender-Mainstreaming und Gleich- für alle Athletinnen, Athleten, Eltern und Erziehungs- stellung aller Geschlechter in allen sport berechtigten sichtbar. Dazu haben wir ein E-Learning lichen Belangen voranzutreiben. Dazu bietet entwickelt, das von Hobbysportlern und -sportlerin- der Verein neben verschiedensten Kampag- nen bis zu Nationalteamprofis jeder nutzen kann. nen, Veranstaltungen, der Aufbereitung von Informationen und Schulung von Multiplika- Sexualisierte Gewalt „schleicht sich oft ein“ torinnen und Multiplikatoren seit Neuestem und baut sich langsam auf. (und erstmals in Österreich) eine E-Learning- Liam Strasser: Viele Athletinnen und Athleten Plattform zum Thema s exualisierte Gewalt sind von Kind an täglich im Training, im gleichen im Sport an. Diese ist für alle frei zugänglich. Setting, und alles, was passiert, kommt einem ja nor- Alle Infos: www.100prozent-sport.at und mal vor. Dazu kommt, dass man so auf die Karriere www.safesport.at fokussiert ist und um der Karriere willen Dinge zu- 2_2022 if: 13
Am Start in Zauchensee: Alexandra Meissnitzer rät allen Sportlerinnen, nichts zwischen sich und ihren Sport kommen zu lassen. „Es bedarf vieler Stimmen starker Frauen und Männer“ Als ORF-Kommentatorin gibt sie dem Skirennlauf ein weibliches Gesicht: Alexandra Meissnitzer blickt auf eine sehr erfolgreiche Karriere im Leistungssport zurück. Unter anderem gewann die zweifache Weltmeisterin sechs Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. if: In Österreich kennt Sie nahezu jeder. Was ist das für ein Gefühl? Meissnitzer: Nahezu jeder ist wohl etwas über trieben. Es bringt ganz einfach mein Beruf mit sich, in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich hatte nie ein Problem damit, ganz im Gegenteil. Die Menschen sind mir gegenüber sehr offen und höflich, somit fühle ich mich sehr wohl damit. Haben Sie sich diesen Ruhm als kleines Mädchen vorstellen können? Anscheinend habe ich schon mit fünf Jahren im Kindergarten gesagt, dass ich einmal Skiweltmeiste- rin werde. Das war immer mein Traum. Um Ruhm ging es jedoch nie, keinen einzigen Tag. Wann haben Sie entdeckt, dass Ihre Leiden- schaft für den Skisport weit über das Hobby- Maß hinausgeht? Was waren zu Beginn Ihrer Karriere Ihre Themen? Skifahren war schon immer meine ganz große Lei- denschaft. Ich bin schon als Kind, wenn möglich, täglich Ski gefahren. Aus reiner Freude, bis der Lift zugemacht hat. Tore, Rennen haben mich magisch Zum Thema Gleichbehandlung von Frauen im Leistungssport sagt Alexandra Meissnitzer: „Heute wünschte ich, ich wäre angezogen, ich wollte so viele Pokale wie möglich schon früher für das Thema aufgestanden.“ gewinnen. Im Grunde ging ich den „normalen“ Weg. 14 if: 2_2022
Themen wie die so wichtige Unterstützung der dafür aufstehen sollen. Jetzt tue ich es. Ich will mich Eltern, der Umgang mit Sieg und Niederlage, Kon hier aber nicht auf den Skisport beschränken, es sequenz und Disziplin gingen mit der Entwicklung geht vielmehr um die ungleiche Behandlung im einher. Eigentlich ganz unkompliziert. Obwohl – ein- Generellen. Es bedarf hier vieler Stimmen starker fach war es nie, aber das werden alle sagen, die hohe Frauen und Männer, um auch gehört zu werden. Ziele haben. Ich durfte so viel erleben und erfahren. Ich würde diesen Weg jederzeit wieder gehen. Gibt es – z. B. im Sponsoring – Zeichen einer Veränderung? Was würden Sie sich für sich Gab es schon früh Hinweise darauf, dass es ein und die neue Generation der Leistungs großes Gefälle in der Wahrnehmung von Män- sportlerinnen wünschen? nern und Frauen im Skisport gibt (z. B. Spon Ja, es gibt Veränderung. Weil es nicht mehr reicht, soren, Vereine und Gremien, Publikum etc.)? nur „schnell“ zu sein. Der Anspruch ist ein wesent- Im Skisport haben wir bei den Damenrennen sehr lich höherer geworden. Das bedeutet einerseits mehr hohe Einschaltquoten, deshalb ist das Gefälle in der Druck, andererseits aber auch, die Möglichkeit zu Wahrnehmung nicht dramatisch. haben, sich durch Präsentation der eigenen Persön- lichkeit abseits der Piste von anderen abheben zu Hat es Sie damals nicht gestört, dass Mädchen können. Und hier haben speziell Frauen wie z. B. und Frauen im Skirennlauf insbesondere von Lindsey Vonn gezeigt, was möglich ist. wichtigen Sponsorinnen und Sponsoren Meinen Kolleginnen wünsche ich, dass sie nichts weniger berücksichtigt wurden und werden? zwischen ihren Sport und sich kommen lassen. Das Wie gehen Sie heute damit um? wird es brauchen, um sich in der Weltrangliste ganz Ich wollte damals nur meinen Sport ausüben, des- vorne positionieren zu können. Und ich wünsche halb war alles andere sekundär. Mit diesen Themen ihnen den Mut, zu sich zu stehen und Botschaften © R. RAMSTORFER habe ich mich als aktive Leistungssportlerin nicht in die Welt zu tragen. Sie haben die Bühne dazu – auseinandergesetzt, auch, um nicht abgelenkt zu in Zeiten wie diesen ist dies wohl wertvoller als so sein. Im Nachhinein gesehen hätte ich schon früher manche Medaille. 2_2022 if: 15
Judo: starke Frauen Der Bischofshofener Judo-Verein ESV Sanjindo erreichte im vergangenen Jahr Platz drei in der Bundesliga. Drei junge, sehr vielversprechende Nachwuchssportlerinnen berichten von ihren Erfahrungen. Elena Dengg: Ich habe im Alter von fünf Jahren mit dem Judo angefangen. Es hat mir persönlich schon durch schwierige Lebensabschnitte geholfen – ich könnte mir mein Leben nicht ohne diesen Sport vorstellen. An Judo mag ich, dass ich mich selbst verteidigen kann. Judo macht mich außerdem viel selbstbewusster. Viele Burschen fragen mich, wieso ich mich für diesen Sport entschieden habe, da es ja kein typischer „Mädchensport“ ist – und ich habe auch schon den einen oder anderen Kommentar dazu gehört. Ich könnte mir schon vorstellen, später auch Trainerin zu werden. Ich liebe den Sport und würde ihn gerne anderen beibringen. Maria Höllwart: Als ich in der Unterstufe war, hat meine beste Freundin Judo gemacht. So entschied ich mich, auch ins Training zu gehen. Sie hat kurz danach aufgehört, ich bin immer noch dabei. Seitdem kann ich mir nicht mehr vorstellen, nicht ins Judotraining zu gehen. Der Verein ist wie meine zweite Familie, viele vom Nationalteam sind meine besten Freunde. Judo ist ein großer Teil meines Lebens, der mir sehr viel bedeutet. Ich mag die Disziplin und die Werte, die mir durch Judo beigebracht werden. Ich mag es, dass das Training hart ist und ich über meine Grenzen gehen kann. Lisa Dengg: Ich habe als Kind viele verschiedene Sportarten ausprobiert, bin dann aber beim Judo hängen geblieben. Es macht mir am meisten Spaß, es gibt immer neue Herausforderungen, jeder Gegner ist anders, somit wird es niemals langweilig. Judo ist zwar eine Einzelsportart, jedoch spielen die Gemeinschaft und die Trainingskolleginnen und -kollegen trotzdem eine wesentliche Rolle, denn alleine kann man auch nicht gut werden. Man merkt schon auch, dass Burschen einen respektieren, oder auch gerade Jüngere zu einem aufsehen. Und ich finde es auch lustig, wenn sich die Burschen ärgern, wenn sie im Training mal von einem Mädchen geworfen werden. Mehr if:? © SHUTTERSTOCK, PRIVAT, ÖJV WWW.JUDOAUSTRIA.AT Hören Sie einfach mal rein: radiofabrik.at/tag/ frauenzimmer- chancengleichheit www.salzburg.gv.at/frauen Österreichische Post AG MZ 02Z031451 M Amt der Sbg. LR Ref. 2/05, M.-Pacher-Str. 28, 5020 Salzburg
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