Diagnose und Therapie der uni- und bipolaren Depression - www.kup.at

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Diagnose und Therapie der uni- und bipolaren Depression - www.kup.at
Journal für

 Neurologie, Neurochirurgie
 und Psychiatrie
             www.kup.at/
 JNeurolNeurochirPsychiatr   Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems

Diagnose und Therapie der uni- und
                                                                               Homepage:
bipolaren Depression
                                                                       www.kup.at/
Kasper S                                                         JNeurolNeurochirPsychiatr

Journal für Neurologie                                                 Online-Datenbank
                                                                         mit Autoren-
Neurochirurgie und Psychiatrie
                                                                      und Stichwortsuche
2000; 1 (1), 7-16

                                                                                            Indexed in
                                                               EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS

 Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz
 P.b.b. 02Z031117M,            Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21           Preis : EUR 10,–
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EINLADUNG ZUM WEBINAR
   MS UND DIE VERBORGENEN
   SYMPTOME DER KOGNITION
                      Freitag, 12. November 2021 | 16.00 bis 18.00 Uhr
  Erkenntnisse zum Thema “MS & Kognition” werden von nationalen und
  internationalen Experten und Expertinnen vorgetragen. Die Vorträge decken
  die wissenschaftliche Perspektive über Diagnose, neuropsychologische
  Aspekte als auch die Patientensicht eines Betroffenen ab.                                                             Hier geht´s zum Programm

  Wissenschaftlicher Vorsitz
                                                                                                REFERENT*INNEN
                                    Univ.-Prof. Dr. Christian Enzinger                                           Univ.-Prof. Dr.                               Prof. Dr. Dipl.-Psych.
                                    MBA, FEAN                                                                    Christian Enzinger                            Iris-Katharina Penner
                                    Uniklinik Graz
                                                                                                                 MBA, FEAN                                     Düsseldorf
                                                                                                                 Uniklinik Graz

                                                                                                                 Prim. Univ.-Prof. Dr.                         Priv.-Doz. Mag. Dr.
                                                                                                                 Elisabeth Fertl                               Daniela Pinter
                                                                                                                 Wien                                          Uniklinik Graz

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   https://medahead-fortbildung.at/event/ms-und-kognition-2021/
                                                                                                                     Entsprechende Vorkehrungen für die Veranstaltung und bei der Veranstaltung werden
                                                                                                                     nach der aktuellen COVIDGesetzgebung bzw. COVID-Verordnung getroffen.
                                                                  Live-Übertragung aus Wien                          Laut Regelwerk der Ärztekammer (Ärztlicher Verhaltenskodex) und Pharmaindustrie
                                                                                                                     (Pharmig Verhaltenskodex) gilt diese Einladung ausschließlich für Ausübende von
                                                                                                                     Gesundheitsberufen und ist nicht übertragbar.

                                                                                                                                                  Novartis Pharma GmbH
                                                                                                                                                  Jakov-Lind-Straße 5 / Top 3.05, 1020 Wien
                                             Mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH                                              Tel.: 01-866 57-0, Fax.: 01-866 57 16369, www.novartis.at
                                                                                                                                                  Datum der
                                                                                                                                                        der Erstellung
                                                                                                                                                            Erstellung 10/2021
                                                                                                                                                                       11/2021 AT2110041868
                                                                                                                                                                                AT2111021580

                          Schlaganfall Akademie
                          Fortbildungsreihe zum Thema Stroke

                          ÖGSF Online-Fortbildung
                          Management raumfordernder Hirninfarkte
                          15. November 2021 14.00 bis 15.00 Uhr

                                                                                                                          Referent:
                                                                                               Priv.-Doz. DDr. Simon Fandler-Höfler
                                                                                                             Universitätsklinik für Neurologie
                                                                                                               Medizinische Universität Graz

                                  Jetzt online unter
                                                                                                                   Onlineanmeldung
                                  https://bit.ly/3AuYk7J anmelden
AT/PX/0921/PC-AT-102638

                          Die Teilnahme an dieser Fortbildungsveranstaltung ist Angehörigen der Fachkreise
                          gemäß Pharmig VHC Artikel 2.2 vorbehalten und ist nicht übertragbar.

                          Wissenschaftlicher Fortbildungsanbieter:
                          Österreichische Schlaganfall Gesellschaft, 1070 Wien                                                    Mit freundlicher Unterstützung von
S. Kasper                                                                                                    DIAGNOSE UND
                                                                                                             THERAPIE DER
DIAGNOSE UND THERAPIE DER UNI-                                                                               UNI- UND
                                                                                                             BIPOLAREN
UND BIPOLAREN DEPRESSION                                                                                     DEPRESSION

                                                                                 dung 1 zusammengefaßt. Im Sin-
 Diagnoses and therapy of depression                                             ne einer multifaktoriellen Genese
                                                                                 münden diese in eine gemeinsa-
 Summary                              compliance rate with patients              me Endstrecke und führen zu ei-
                                      since these agents proved to               ner Veränderung der in der Patho-
 In the past 20 years substantial     be as effective as the older               genese wichtigen Neurotransmit-
 progress was made for the            medication, however, with                  ter Serotonin und Noradrenalin.
 standardising and operational-       considerably lower side effect
 ising diagnoses of depression.       profiles. This is insofar of im-           Depressionen (depressive Episo-
 This approach led to a very          portance as treatment of affec-            den nach ICD-10) gehören zu den
 positive development in re-          tive disorders necessitates a              häufigsten psychiatrischen Erkran-
 search and daily clinical prac-      long-term treatment in order               kungen. In der allgemeinmedizi-
 tice. The introduction of modern     to minimise the risk of re-                nischen Praxis sind sie wahr-
 antidepressants as well as mood      lapse.                                     scheinlich jene Krankheit, mit der
 stabilizers resulted in a higher                                                der Hausarzt am meisten konfron-
                                                                                 tiert ist. Etwa 17 % der Gesamtbe-
                                                                                 völkerung (Lebenszeitprävalenz)
                                     Verletzlichkeit (Vulnerabilität) für        weisen im Verlauf ihres Lebens
ZUSAMMENFASSUNG                      die Entstehung einer Depression             einmal eine depressive Episode
                                     gekennzeichnet. Neben dem                   auf. Etwa die Hälfte davon, also
                                     spontanen Auftreten depressiver             ca. 8–10 %, leiden an einer de-
In den vergangenen Jahren wurde      Verstimmungen können belasten-              pressiven Episode, die zwar gering
die Diagnostik affektiver Erkran-    de Lebensereignisse (life events)           ausgeprägt, aber immerhin noch
kungen international standardi-      sowie chronische Belastungen                klinisch relevant ist. Die verschie-
siert und operationalisiert und      depressive Episoden auslösen.               denen Formen depressiver Erkran-
dadurch sowohl für die Forschung     Einige der ätiopathogenetisch               kungen, diagnostiziert nach ICD-
als auch für die Praxis leichter     wichtigen Faktoren sind in Abbil-           10, sind in Tabelle 1 aufgeführt.
handhabbar gemacht. Die Thera-
pie dieser häufigen Erkrankung        Abbildung 1: Ätiologie der Depressionen (mit freundlicher Genehmigung aus: S. Kasper
hat durch die Einführung moder-       et al. Depression: Diagnose und Pharmakotherapie. Thieme, Stuttgart, New York, 1997)
ner Antidepressiva und Stimmungs-
stabilisatoren (mood stabilizer),
die bei gleicher Effektivität ein
günstigeres Nebenwirkungsprofil
aufweisen, eine höhere Akzep-
tanz bei Patienten bewirkt. Dies
ist insofern von Bedeutung, da bei
der Behandlung affektiver Erkran-
kungen meist eine Langzeit-
behandlung indiziert ist, um das
Rückfallsrisiko zu reduzieren.

ÄTIOLOGIE UND HÄUFIGKEIT
DEPRESSIVER KRANKHEITSBILDER
Das Vorhandensein und Zusam-
menwirken von biologischen und
psychologischen Variablen wird
im Sinne einer Disposition als

                                                                             J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2000         7
DIAGNOSE UND
 THERAPIE DER
     UNI- UND
   BIPOLAREN
                                               Tabelle 1: Hauptformen depressiver Erkrankungen
  DEPRESSION
                                               Klinische Einteilung                     ICD-10-                         ICD-10-
                                                                                        Klassifizierung                 Kodierung

     DIAGNOSTIK DER DEPRESSION                 • Unipolare Depression                   Depressive Episode1             F 32
                                                                                        Rezidivierende depr.
                                                                                        Episode1                        F 33
     Zur Zeit werden international             • Bipolare Depression                    Bipolare affektive Störung,
     zwei führende und miteinander                                                      gegenwärtig depr. Episode1      F 31
     weitgehend vergleichbare Dia-             • Dysthymia (depressive Neurose)         Dysthymia                       F 34.1
     gnosesysteme verwendet: die 10.             (anhaltende milde Depression)
     Revision der Internationalen Klas-        • Depressive Anpassungsstörung           Anpassungsstörung               F 43.2
     sifikation (ICD-10) sowie das
                                               • Schizoaffektive Psychosen              Schizodepressive
     amerikanische System (Diagnostic                                                   Störung                         F 25.1
     and Statistical Manual, 4. Revi-
     sion; DSM-IV). Die früher nach            • Organisch bedingte Depression          Organisch depressive
                                                 (z. B. M. Cushing)                     Störung                         F 06.32
     ICD-9 als „endogene Depressi-
     on“ bezeichnete Erkrankung der            • Demenz und depressive                  Demenz und vorwiegend
                                                 Symptome                               depressive Symptome2            F 00–F 03.X3
     Depression wird nun nach ICD-
     10 als „depressive Episode“ und           1
                                                   Ausprägungsgrad: leicht (F 32.0, F 33.0), mittelgradig (F 32.1, F 33.1), schwer
     nach DSM-IV als „Major Depres-                   (F 32.2, F 33.2)
     sion“ bezeichnet. Die Diagnose            2
                                                   Ausschluß der Kriterien für eine depressive Episode (F 32), ansonsten werden
     kann aufgrund des Vorliegens von              beide klassifiziert

 8   J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2000
DIAGNOSE UND
                                                                                                     THERAPIE DER
                                                                                                     UNI- UND
                                                                                                     BIPOLAREN
                                                                                                     DEPRESSION
                                                                             Wichtigste Symptome
 Tabelle 2: Symptome der depressiven Episode nach ICD-10
        Hauptsymptome                      Andere häufige Symptome           Bei der am häufigsten vorkom-
        1. Gedrückte Stimmung              1. Konzentrationÿß
                                                                             menden unipolar verlaufenden
        2. Interessen-/Freudlosigkeit      2. Selbstwertgefühlÿß             Depression leidet der Patient aus-
        3. Antriebsstörung                 3. Schuldgefühl                   schließlich unter depressiven Epi-
                                           4. Hemmung/Unruhe                 soden, bei der bipolaren Depressi-
                                           5. Selbstschädigung               on treten auch manische bzw.
                                           6. Schlafstörung
                                           7. Appetitminderung
                                                                             hypomanische Krankheitsepisoden
                                                                             auf. Bei der Dysthymia liegt eine
        2 oder 3 Hauptsymptome             2–4 Symptome                      depressive Grundgestimmtheit vor,
        müssen vorhanden sein              müssen vorhanden sein             die über eine längere Zeit des Le-
                                                                             bens (mindestens 2 Jahre) andauert
                          Dauer: mindestens 2 Wochen
                                                                             (mehr schlechte als gute Tage).
                                                                             Nach ICD-10 ist die Ausprägung
                                                                             der Symptome bei der Dysthymia
Haupt- und anderen häufigen             von 2 Wochen sind in einem vor-      jedoch geringer als bei der depres-
Symptomen gestellt werden, und          liegenden Manual standardisiert      siven Episode. Bei der depressiven
sowohl die Anzahl, der Aus-             (Tabelle 2).                         Anpassungsstörung kommt es zu
prägungsgrad und die Zeitdauer                                               einer milden depressiven Ge-

                                                                          J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2000   9
DIAGNOSE UND
 THERAPIE DER
     UNI- UND
   BIPOLAREN
  DEPRESSION

     stimmtheit im Zusammenhang mit
     lebensgeschichtlichen Ereignissen         Abbildung 2: Entscheidungsbaum zur Diagnostik der Depression nach ICD-10
     (z. B. Veränderung im beruflichen         (mit freundlicher Genehmigung aus: S. Kasper et al. Depression: Diagnose und Pharmako-
     bzw. familiären Gefüge), und bei          therapie. Thieme, Stuttgart, New York, 1997)
     der schizoaffektiven Psychose lie-
     gen sowohl Symptome der Schizo-
     phrenie als auch der depressiven
     Episode vor. In Abbildung 2 ist ein
     Entscheidungsbaum zur Diagno-
     stik der Depression nach ICD-10
     angegeben.

     Differentialdiagnose

     Die Differentialdiagnose stellt
     sich vor allem zwischen den ver-
     schiedenen Formen der Depres-
     sionen selbst (Tabelle 1) und zum
     anderen in Abgrenzung zu den
     Angsterkrankungen und zur De-
     menz. Weiterhin kann durch die
     exakte organmedizinische Abklä-
     rung (Anamnese, Labor, Elektro-
     enzephalogramm bzw. gegebe-
     nenfalls Computertomogramm
     oder Magnetresonanztomogramm
     des Schädels) eine organisch be-
     dingte Depression erfaßt werden
     (z. B. M. Cushing bzw. depressive
     Symptome bei Multiinfarktde-
     menz). Angst tritt sowohl als Sym-
     ptom einer Depression (meist
     Zukunftsangst bzw. Agitiertheit)
     als auch als eigenständiges Syn-
     drom bei den Angststörungen auf.
     Bis zu zwei Drittel der depressi-
     ven Patienten in einer Allgemein-
     praxis können klinisch relevante          Tabelle 3: Abgrenzung der depressiven Pseudodemenz zur senilen Demenz
     Angstsymptome aufweisen. Ver-
     laufsstudien haben gezeigt, daß                         Depression                                     Demenz
     Angststörungen mit der Zeit in            • Schneller, erkennbarer Beginn              • Schleichender, unklarer Beginn
     eine depressive Episode überge-           • Symptome oft von kurzer Dauer              • Symptome dauern schon lange
     hen können, jedoch selten umge-           • Stimmung ist beständig depressiv           • Stimmung und Verhalten fluktuieren
                                               • „ Weiß nicht“-Antworten sind typisch       • Annähernd richtige Antworten über-
     kehrt. Sowohl von klinisch-psycho-        • Patient stellt Defizite besonders heraus     wiegen
     pathologischer Seite (siehe Tabel-        • Große Schwankungen der kognitiven          • Patient sucht Defizite zu verbergen
     le 3), als auch von apparativ-me-           Leistungsschwäche                          • Kognitive Leistungsschwäche relativ
     dizinischer Seite (insbesondere           • Bildgebende Verfahren (insbes. SPECT)        konstant
     durch bildgebende Verfahren des             uncharakteristisch                         • Bildgebende Verfahren (insbes.
                                                                                              HMPAO-SPECT) charakteristisch
     Gehirns) gelingt es, eine depressi-
     ve Pseudodemenz von einer seni-           HMPAO-SPECT: Durchblutungsmessung des Gehirns mittels Single-Photonen-
                                               Emissions-Computertomographie
     len Demenz abzugrenzen.

10   J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2000
DIAGNOSE UND
                                                                                                                    THERAPIE DER
                                                                                                                    UNI- UND
                                                                                                                    BIPOLAREN
                                                                                                                    DEPRESSION

Tabelle 4: Empfehlung der Routineuntersuchungen vor und während einer me-
dikamentösen, antidepressiven Therapie
                                                                                            THERAPIE DER UNIPOLAREN
                                                                           Viertel-
                                                                                            DEPRESSION
Parameter                  Vorher3                Monate3                  jährlich
                                       1      2    3   4       5   6                        Vor Einleitung einer sowohl medi-
RR/Plus                      •         •• •• ••        •       •   •            •           kamentösen als auch psychothe-
Blutbild                     •         •• •• ••        •       •   •            •           rapeutischen Behandlung emp-
Harnstoff, Kreatinin         •                •                    •            •           fiehlt sich eine Routineuntersu-
GOT, GPT, g-GT               •          •  •  •                    •            •           chung, die verschiedene Parame-
EKG                          •               •1                    •1           •1
EEG                          •               •2                    •2           •2          ter beinhaltet (Tabelle 4). Die me-
                                                                                            dikamentöse Therapie stützt sich
• Anzahl der Kontrollen                                                                     auf eine exakte psychiatrische
1
  Bei Patienten über 50 Jahre und bei kardiovaskulären Störungen                            und organmedizinische Diagno-
2
  Bei Patienten mit hirnorganischen Störungen
3
  Bei SSRIs und RIMAs nur Voruntersuchung notwendig, anfangs vierteljährlich
                                                                                            stik und sollte syndromorientiert
  und später halbjährliche Kontrolle der Laborparameter                                     Verwendung finden. Bei der Aus-
                                                                                            wahl einer medikamentösen anti-
                                                                                            depressiven Therapie (Tabelle 5)
                                                                                            sollte für den verschreibenden
Tabelle 5: Auswahl von Antidepressiva
                                                                                            Arzt sowohl die Klassifizierung
Wirksubstanz Produktname             Therapeu-    Halbwertszeit     Potentiell toxisch      der Antidepressiva, die meist
             in Österreich*          tische Dosis Mittelw. (Breite) bei Kombination         auch den Wirkmechanismus cha-
                                     (mg/Tag)     in Stunden        mit
                                                                                            rakterisiert, als auch die Halb-
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs)                                            wertszeit sowie die Toxizität bei
Citalopram      Seropram       10–60       33 (19–45)                   MAO-Is              Überdosis bzw. potentiell toxi-
Fluoxetin       Fluctine       20–80       168 (72–360)                 MAO-Is              sche Kombinationen mit anderen
Fluvoxamin      Floxyfral      100–300     20 (17–22)                   MAO-Is              Pharmaka bekannt sein. In ver-
Paroxetin       Seroxat        20–50       24 (3–65)                    MAO-Is
Sertralin       Tresleen       50–200      23 (18–29)                   MAO-Is              schiedenen Übersichtsarbeiten
                                                                                            werden die Vor- und Nachteile
Neue Antidepressiva                                                                         der älteren (trizyklischen) Antide-
Johanniskraut Jarsin                 300–900        6 (4–8)             –                   pressiva (TZA) und der modernen
Milnacipram Ixel                     50–200         9 (5–11)            MAO-Is
Mirtazapin    Remeron                15–45          25 (20–40)          –
                                                                                            selektiven Serotonin-Wiederauf-
Nefazodon     Nefadar                100–400        3 (2–4)             MAO-Is              nahmehemmer (SSRI) gegenüber-
Reboxetin     Edronax                4–8            7 (4–9)             MAO-Is              gestellt. Ein Vorteil der TZA ist
Tianeptin     Stablon                10–30          5 (4–7)             –                   zum Beispiel, daß sie seit vielen
Venlafaxin    Efectin                50–300         8 (3–13)            MAO-Is              Jahren in Verwendung sind und
Reversible Hemmer der MAO-A (RIMA)                                                          der Arzt im Umgang mit ihnen
Mocolobemid Aurorix          300–600                2 (1–3)             SSRIs               vertraut ist. Die Nachteile der
Trizyklika, Heterozyklika                                                                   TZA bestehen jedoch in den z. T.
Amitriptylin    Saroten              75–300         24 (16–46)          Antiarrhytmika
                                                                                            schwerwiegenden Nebenwirkun-
                                                                        MAO-Is              gen, insbesondere auf das kar-
Clomipramin     Anafranil            75–300         24 (20–40)          Antiarrhytmika      diovaskuläre System, aber auch
                                                                        MAO-Is              hinsichtlich der Gefahr bei Glau-
Desipramin      Pertofran            75–300         18 (12–50)          Antiarrhytmika      kom-Patienten bzw. bei Prostata-
                                                                        MAO-Is
Doxepin         Doxepin              75–300         17 (10–47)          Antiarrhytmika      hypertrophie. Insgesamt überwie-
                                                                        MAO-Is              gen die Vorteile der SSRIs hin-
Maprotilin      Ludiomil             100–225        43 (27–58)          MAO-Is              sichtlich der Nebenwirkungen
Nortriptylin    Nortrilen            30–200         26 (18–88)          Antiarrhytmika      gegenüber den TZA. Einige Anti-
                                                                        MAO-Is              depressiva sind zum Teil erst seit
Trazodon        Trittico             150–600        8 (4–14)            –
                                                                                            kurzem auf dem Markt, sodaß
* Auswahl                                                                                   noch genau beobachtet werden

                                                                                         J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2000   11
Abbildung 3: Schematisierte    Darstellung des Langzeitverlaufs einer depressi-
DIAGNOSE UND                                     ven Episode (nach Kupfer 1991, Übertragung ins Deutsche durch Kasper et
                                                 al., 1994) (mit freundlicher Genehmigung aus: S. Kasper et al. Depression: Diagnose und
 THERAPIE DER                                    Pharmakotherapie. Thieme, Stuttgart, New York, 1997)
     UNI- UND
   BIPOLAREN
  DEPRESSION

      Tabelle 6: Indikationen für eine über
      Jahre andauernde prophylaktische
      Langzeittherapie
      ³   3 Episoden (innerhalb von 5 Jahren)
      2 Episoden (innerhalb von 5 Jahren)
      und folgende Risikofaktoren:
       • Spätes Erkrankungsalter (über
         60 Jahre)
       • Frühes Erkrankungsalter (unter
         40 Jahre)
       • Kurzes Intervall zwischen Episoden
       • Rasche Symptomentwicklung bei
         Episoden
       • Positive Familienanamnese mit
         affektiven Erkrankungen
       • Komorbidität (doppelte Depres-
         sion, Angsterkrankungen,
         Mißbrauch von Alkohol und/oder
         Medikamenten)
       • Schwere der Indexepisode (inklu-
         sive Suizidalität)
       • Schlechte Behandelbarkeit in der       stabilizer, s. u.) eingesetzt werden,         schlechterung der Symptomatik
         Erhaltungstherapie
       • Geringes Maß an Arbeitsfähigkeit       um das Auftreten einer manischen              bzw. mit einem Wiederauftreten
                                                Phase bzw. von Mischzuständen zu              der Depression verbunden war.
                                                verhindern.
     muß, ob nicht bei speziellen                                                             Bei einer bipolaren affektiven Stö-
     Symptomen bzw. Medikamenten-               Langzeittherapie der unipolaren               rung sollte zusätzlich bzw. in der
     konstellationen unerwünschte               Depression                                    Phase der prophylaktischen Thera-
     Nebenwirkungen auftreten.                                                                pie ein Stimmungsstabilisator, wie
                                                Hinsichtlich der Langzeittherapie             z. B. Lithium, Carbamazepin bzw.
     Von klinischer Relevanz ist, daß           wurde von nationalen und inter-               Valproinsäure, entweder als
     die TZA bei Überdosierung, z. B.           nationalen Gremien das 3-Pha-                 Monotherapie oder als zusätzliche
     im Rahmen eines Suizidversuchs,            sen-Schema von Akuttherapie,                  Therapie zu Antidepressiva bzw.
     gefährlich sind, da bei einer für          Erhaltungstherapie und prophy-                zu atypischen Antipsychotika ver-
     einen Zeitraum von 14 Tagen ver-           laktischer Therapie (siehe Abb. 3)            ordnet werden, da die alleinige
     schriebenen Medikamentenmenge              erarbeitet. Dabei wird hervorge-              antidepressive Medikation der
     bereits die Dosis letalis besteht,         hoben, daß für den Zeitraum von               Placebogabe gleichzusetzen ist
     mit der sich der Patient das Leben         4–6 Monaten nach der akuten                   und zum Auftreten einer mani-
     nehmen kann. Demgegenüber                  Therapie, im Sinne einer Erhal-               schen Verstimmung bzw. zu
     weisen die neueren Antidepressiva,         tungstherapie, die antidepressive             Mischbildern führt.
     z. B. SSRIs bzw. RIMA, keine               Medikation in der Dosierung bei-
     schwerwiegenden Nebenwirkun-               behalten werden sollte, mit der
     gen auf und sind bei Überdosie-            die Remission erzielt wurde, und
     rung (z. B. Suizidversuch) als             bei Vorliegen spezieller Prädik-                         Problemstellung bei der
                                                                                                Tabelle 7:
     nicht gefährlich einzustufen.              toren (siehe Tab. 6) sollte an eine             bipolaren Störung
                                                über mehrere Jahre dauernde pro-
                                                                                                • Langzeiterkrankung
     Beim Vorliegen einer bipolaren             phylaktische Therapie gedacht
                                                                                                • Komplikation durch Komorbidität
     Depression sollte bereits während          werden. Empirische Studien                        (Substanzmißbrauch, Angsterkran-
     der depressiven Phase zusätzlich           haben ergeben, daß eine Dosis-                    kungen)
     zum gewählten Antidepressivum              reduktion bzw. ein zu frühes                    • Suizidrisiko
                                                Absetzen der antidepressiven                    • Wahnhafte Symptome
     ein Stimmungsstabilisator (aus                                                             • Psychosoziale Konsequenzen
     dem Englischen übersetzt: mood             Medikation jeweils mit einer Ver-

12   J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2000
DIAGNOSE UND
                                                                                                                     THERAPIE DER
                                                                                                                     UNI- UND
                                                                                                                     BIPOLAREN
                                                                                                                     DEPRESSION

                                                                                         entsprechend vertreten wird.
 Tabelle 8: Diagnostische Charakteristika der bipolaren und unipolaren Störung           Durch die fehlende Behandlung
 nach ICD-10* und DSM-IV**                                                               bzw. durch das dadurch entste-
 Bipolar I                 Mindestens eine manische Episode, und eine depressi-          hende Auftreten von schweren
                           ve Episode kann vorhanden sein oder nicht                     manischen bzw. depressiven Ver-
 Bipolar II                Mindestens eine hypomane Episode zusätzlich zur               stimmungen sind negative psy-
                           depressiven Episode                                           chosoziale Konsequenzen zu er-
 Zyklothymia               Im Langzeitverlauf zeigen sich depressive und                 warten, mit Verlust des Arbeitsplat-
                           hypomane Symptome. Kriterien für Major Depression             zes und der familiären Beziehun-
                           (depressive Episode), Hypomanie oder Manie sind
                           nicht erfüllt                                                 gen. Weiterhin muß bei dieser
 Unipolare Depression      Depression; kein Anhalt für Hypomanie und Zyklo-
                                                                                         Erkrankung das Suizidrisiko im
                           thymia (keine Familienanamnese für bipolare Störung)          Vergleich zur Allgemeinbevölke-
                                                                                         rung als signifikant erhöht angese-
 * Internationale Klassifikation psychischer Störungen der Weltgesundheitsorgani-
   sation, 10. Version
                                                                                         hen werden, und es konnte ge-
 **Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Psychiatri-         zeigt werden, daß Patienten mit
   schen Vereinigung der USA, 4. Version                                                 einer bipolaren Störung, die keiner
                                                                                         adäquaten Langzeitbehandlung
                                                                                         zugeführt wurden, eine höhere
                                           de Depressionen, die mit unter-               Morbidität und Mortalität an kör-
BIPOLARE STÖRUNG                           schiedlich ausgeprägten hypo-                 perlichen Erkrankungen aufweisen
                                           manen Episoden verbunden sind,                (siehe Tabelle 7).
(FRÜHER: MANISCH-                          gehen in diese Berechnungen ein.
DEPRESSIVE ERKRANKUNG)                     Die Diagnostik der Spektrumer-                Diagnostik der bipolaren Störung
                                           krankungen ist insofern von klini-
                                           scher Relevanz, da sie eine Thera-            Bei der Beurteilung der Patienten
In den vergangenen Jahren hat              pie mit spezifischen „Stimmungs-              mit einer bipolaren Störung ist
sich die Aufmerksamkeit wieder             stabilisatoren (mood stabilizers)“            neben der Erhebung der aktuellen
vermehrt auf die bipolare Störung          notwendig machen. Die Diagno-                 Symptomatologie ein besonderes
(früher als manisch-depressive             stik der Hypomanie wird oft über-             Augenmerk darauf zu legen, ob
Erkrankung bezeichnet) gerichtet,          sehen, und neuere Studien haben               hypomane bzw. manische Episo-
nachdem epidemiologische und               darauf hingewiesen, daß die früher            den in der Vorgeschichte auftraten
pharmakotherapeutische Studien             angegebene Mindestdauer von 4                 (siehe Abb. 4). Epidemiologische
die Bedeutung der exakten Dia-             Tagen wahrscheinlich auf die Min-             Langzeituntersuchungen haben
gnosestellung im Langzeitverlauf           destdauer von 2 Tagen einge-                  darauf hingewiesen, daß hypo-
hervorgehoben haben. Es zeigte             schränkt werden
sich dabei, daß außer der klassi-          sollte.
                                                                   Abbildung 4: Verlauf der bipolaren Störung und Zyklothymia
schen bipolaren Störung auch ein                                   (mit freundlicher Genehmigung aus: S. Kasper et al. Konsensus-
weiteres Spektrum der bipolaren            Die bipolare Stö-       Statement: Diagnostik und Therapie der bipolaren Störung. Neuro-
Störung diagnostiziert werden              rung bedarf einer       psychiatrie 1999; 13 (3): 100–108)
kann. Durch Einbeziehung der               pharmakologi-
bipolaren Spektrumerkrankungen             schen Lang-
ist die oft angegebene Lebens-             zeitbehandlung,
zeitprävalenzrate von 1 % als un-          die im Zusam-
tere Grenze anzunehmen, und                menhang mit
nach Miteinbeziehung der sub-              einem entspre-
syndromalen Formen im Rahmen               chenden krank-
des bipolaren Spektrums müssen             heitsspezifischen
Raten um 5 % der Allgemein-                Management, in
bevölkerung angenommen wer-                Laienkreisen,
den. Insbesondere die Bipolar-II-          aber auch in
Erkrankungen, d. h. wiederkehren-          Fachkreisen nicht

                                                                                     J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2000          13
DIAGNOSE UND
 THERAPIE DER
  DEPRESSION
                mane und manische Phasen häufig von
                den Patienten nicht angegeben werden.            Tabelle 9: Indikationen für eine prophylak-
                Die Erhebung der Familienanamnese ist            tische Therapie bei bipolarer Störung mit
                insofern von großer Bedeutung, da z. B.          Stimmungsstabilisatoren
                die Familienanamnese mit einer bipola-           Bipolar I • 3 Episoden einer Depression
                ren Störung darauf hinweist, daß bei                         oder Manie, unabhängig vom
                einer aktuell bestehenden Depression                         Intervall
                eines Patienten der Wechsel in eine                        • 2 Episoden einer Depression
                                                                             oder Manie innerhalb von 5
                hypomane/manische Episode zu einem                           Jahren
                höheren Prozentsatz gegeben ist, als                       • 2 Episoden einer Depression
                wenn eine unauffällige Familienana-                          oder Manie bei positiver
                mnese vorliegt. Diese Überlegung sollte                      Familienanamnese mit bipo-
                insbesondere auch bei Adoleszenten                           larer Störung oder schwerer
                                                                             Erkrankung
                und bei Kindern angestellt werden, wo-
                bei häufig eine subklinische affektive           Bipolar II • 3 Episoden einer Depression
                Instabilität vor dem vollen Ausbruch                          oder Hypomanie, unabhängig
                einer bipolaren Störung gefunden wird.                        vom Intervall
                Bei der Diagnostik einer bipolaren Stö-                     • 2 Episoden einer Depression
                                                                              oder Hypomanie innerhalb
                rung empfiehlt es sich, den Verlauf der                       von 5 Jahren
                Stimmung in sogenannten „Life-charts“
                aufzuzeichnen, bei denen der Verlauf
                der Stimmung des Patienten selbst und          pressiva wird häufig von den Patienten
                auch seiner Erstgradverwandten darge-          schlecht toleriert, insbesondere in Kom-
                stellt wird. Dadurch kann sowohl die           bination mit Lithium, und ist darüber
                Diagnostik mit der Erfassung hypo-             hinaus als toxisch bei Überdosierung
                maner/manischer Episoden als auch              anzusehen. Im Gegensatz dazu werden
                die nachfolgende Behandlung optimiert          selektive Serotonin-Wiederaufnahme-
                werden (siehe Tabelle 8).                      hemmer sowie die anderen neueren
                                                               Antidepressiva von den Patienten bes-
                Akute Depression im Rahmen der                 ser toleriert, können als sicher bei einer
                bipolaren Störung                              Überdosierung angesehen werden und
                                                               weisen gegenüber den Trizyklika eine
                Sowohl die klinische Praxis als auch           geringere Switch-Rate auf (Trizyklika
                die wenigen verfügbaren Daten lassen           etwa 7 %, SSRI etwa 3 %). Sehr niedri-
                erkennen, daß Antidepres-
                siva sowohl bei der akuten       Tabelle 10: Medikamente (Stimmungsstabilisatoren) zur
                unipolaren als auch bei der      prophylaktischen Therapie bei bipolarer Störung
                akuten bipolaren Depressi-
                on gleich wirksam sind. In       Wirksubstanz              Dosierung*        Blutspiegel
                                                                             mg/Tag
                der klinischen Praxis sollten
                Faktoren wie „Switch-Rate“       Lithiumcarbonat           400–800         0,6–0,8 mVal/l
                (d. h. Induktion von Hypo-       Carbamazepin              400–1200           4–10 µg/ml
                manie/Manie), Medikamen-         (Oxcarbamazepin**         400–1200)
                                                 Valproinsäure,
                teninteraktionen, Tolerabi-        Na-Valproat             750–1500         50–120 mg/l
                lität, Compliance, Toxizität     Lamotrigin**              200–300           1–10 µg/ml
                in Überdosierung und die         Topiramat**                 50–200            –
                Verfügbarkeit berücksichtigt
                                                 * = Initialdosis deutlich geringer
                werden. Die Behandlung           ** = für diese Indikation nicht zugelassen
                mit trizyklischen Antide-
DIAGNOSE UND
                                                                                                  THERAPIE DER
                                                                                                  DEPRESSION
ge Switch-Raten (etwa 1 %) sind für das           placebokontrollierten Ergebnisse für
in den USA erhältliche Antidepressivum            Carbamazepin vor, obwohl dieses Prä-
Buproprion, für Moclobemid und den                parat in Europa für diese Indikation
vor kurzem eingeführten spezifischen              zum Teil zugelassen ist. In der Praxis
Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer                 wird oft eine Kombination von Stim-
Reboxetin beschrieben worden.                     mungsstabilisatoren durchgeführt, ob-
                                                  wohl keine kontrollierten Daten vorlie-
Zusätzlich zur antidepressiven Therapie           gen, die ein solches Vorgehen rechtfer-
sollte bereits während der akuten                 tigen würden. Aufgrund der von dem
depressiven Phase die Therapie mit                US-amerikanischen Forscher Post auf-
Stimmungsstabilisatoren weitergeführt             gestellten Kindling-Hypothese geht man
bzw. neu initiiert werden, wenn diese             davon aus, daß eine bipolare Erkran-
zuvor nicht bestand. Die antidepressiven          kung zu einem späteren Zeitpunkt
Eigenschaften der Stimmungsstabilisa-             wahrscheinlich eher von der Gabe ei-
toren reichen wahrscheinlich nicht aus,           nes Antiepileptikums als von Lithium
um die bestehende depressive Sympto-              profitiert.
matik alleine zu behandeln, wenngleich
bei milden Depressionen ein Versuch mit           Obwohl Neuroleptika/Antipsychotika in
z. B. Lithium unternommen werden                  der prophylaktischen Therapie der bipo-
kann. Bei einer schweren depressiven              laren Erkrankung häufig verwendet wer-
Symptomatik, insbesondere mit wahn-               den (bis zu 50 %), gibt es wenig Unter-
haften Zügen, bei bestehender schwerer            suchungen, um dieses Vorgehen zu
Suizidalität und Behandlungsresistenz             rechtfertigen. Die Langzeitbehandlung
hat sich die Elektrokrampftherapie als            mit Flupenthixol hat z. B. ergeben, daß
effektiv erwiesen.                                inakzeptabel hohe Raten von Depressio-
                                                  nen auftreten. Atypische Antipsychotika
Langzeitbehandlung der                            versprechen hingegen durch das spezifi-
bipolaren Störung                                 sche Rezeptorprofil (5-HT2-Blockade)
                                                  eine deutlichere Effizienz, wie z. B. be-
Die bipolare Störung bedarf einer Lang-           reits aus den Erfahrungen mit Clozapin,
zeittherapie, und in Tabelle 9 sind die           Olanzapin und Risperidon bekannt ist.
Indikationen für eine prophylaktische             Die Medikamente, die bei der bipolaren
Therapie angegeben. Zur Zeit stehen               Störung eingesetzt werden, sind in Tabel-
die in Tabelle 10 angeführten Medika-             le 11 zusammengefaßt.
mente für diese Indikation
zur Verfügung. Die prophy-
laktischen Eigenschaften          Tabelle 11: Medikamente bei bipolarer Störung
von Lithium sind unbestrit-       1. Stimmungsstabilisatoren (siehe Tabelle 10)
ten, wenngleich auch die                   Medikamente 1. Wahl für Akut-, Erhaltungs- und
Effektivität nicht so hoch                     prophylaktische Therapie
ist, wie man früher gedacht       2. Antipsychotika:
                                           Atypische Antipsychotika: günstig als Zusatztherapie
hat. Neuere placebo- und                   bei Manie bzw. psychotischer Depression
lithiumkontrollierte Lang-                 Typische Antipsychotika (z. B. Haloperidol,
zeituntersuchungen haben                   Zuclopenthixol) sind Medikamente 2. Wahl, even-
ergeben, daß die Valproin-                 tuell als Zusatztherapie bei hoher Produktivität
säure in der Langzeitbe-          3. Antidepressiva:
handlung der bipolaren                     Als Zusatztherapie bei Depressionen
Störung wirksam ist. Im           4. Weitere Zusatztherapien:
Gegensatz dazu liegen keine                Schilddrüsenhormone, Schlafentzug, Lichttherapie
Wichtigste „Mythen“ bzw. „Fallgruben“ bei der Diagnose
                                                                und Therapie von Depressionen
                                               Depressionen sind nicht häufig. Demgegenüber weisen epidemiologische Unter-
                                               suchungen Lebenszeitprävalenzraten bis zu 17 % auf.
DIAGNOSE UND                                   Depressionen sind keine Krankheiten, sondern nur Probleme. Im Gegensatz dazu
 THERAPIE DER                                  handelt es sich bei der Depression um eine medizinische Erkrankung, vergleich-
                                               bar mit Hypertonus und Diabetes mellitus.
     UNI- UND                                  Depressionen sind keine schweren Erkrankungen. Im Gegensatz dazu steht häufi-
   BIPOLAREN                                   ges Auftreten von Suiziden (1 von 10 Patienten).
  DEPRESSION                                   Depressionen sind einmalige Ereignisse. Im Gegensatz dazu ist die Wahrschein-
                                               lichkeit des Wiederauftretens 75 %.
                                               Depressionen sind nur in der Psyche manifestiert. Im Gegensatz dazu steht das
                                               Auftreten von biochemischen Veränderungen im zentralen Nervensystem.
     SCHLUSSBEMERKUNG                          Häufig „präsentieren“ depressive Patienten körperliche Beschwerden, und die
                                               depressive Verstimmung bzw. weitere Haupt- und andere häufige Symptome wer-
                                               den erst durch exaktes Nachfragen evident.
     Neben den oben dargestellten              Eine Depression wird nicht als solche erkannt, sondern häufig im Zusammenhang
     Schwerpunkten der Diagnostik              mit ubiquitären Lebensumständen erklärt (Überarbeitung etc.).
     und Behandlung depressiver Er-            Eine Depression bei älteren Menschen wird häufig verkannt, da angenommen
     krankungen ist eine besondere             wird, daß dies sowieso zum Alter gehöre.
     Beachtung dieser Diagnostik bei           Verkennung der Depression durch Vorliegen einer depressiven Pseudodemenz.
     Kindern und Adoleszenten sowie            Dies kann sowohl anhand klinischer Parameter (siehe Tabelle 3) als auch anhand
                                               von apparativen Parametern geklärt werden.
     bei älteren Patienten gegeben.
                                               Vorliegen von Depression und Angst: Das beinhaltet, daß initial mit einer niedri-
     Gerade bei Jugendlichen ist z. B.         gen antidepressiv/medikamentösen Therapie begonnen werden sollte, da anson-
     die bipolare Störung häufig unter-        sten die Angstsymptomatik verstärkt wird.
     diagnostiziert. Die häufige Ko-           Häufig drängt der Patient den Arzt in der Phase der Erhaltungstherapie, die Dosie-
     morbidität der depressiven Er-            rung wieder zu reduzieren, was häufig mit einer Symptomprovokation bzw. mit
     krankungen mit z. B. Panik-               einem Wiederauftreten der Depression verbunden ist.
     störung, Zwangsstörung (OCD),             Nebenwirkungen von Antidepressiva, z. B. Gewichtszunahme, führen häufig zum
     sozialer Phobie und Substanz-             Absetzen der Medikation.
     mißbrauch bedarf einer weiteren
     speziellen Beachtung, wobei zu-        möglichen Verursachungs- und                      Berzlanovich A, Kasper S. Suicide by
                                                                                              antidepressant intoxication at autopsy in
     sätzlich zu der aktuellen Therapie     Beeinflussungsmöglichkeiten ge-                   Vienna between 1991–1997: the favourable
     diejenige Pharmakotherapie An-         kannt wird. Einen gewichtigen                     consequences of the increasing use of SSRIs.
     wendung finden sollte, die für die                                                       Eur Neuropsychopharmacol 2000; 10: 133–
                                            Faktor stellt bei beiden Formen                   42.
     entsprechende komorbide Erkran-        depressiver Erkrankungen (uni-                    Kasper S. Sonstige biologische Therapie-
     kung zugelassen ist. Bei Frauen ist    bzw. bipolar) beim jeweiligen                     verfahren (EKT, TMS, Schlafentzugs-
     die enzyminduzierende Eigen-                                                             behandlung, Lichttherapie): Theoretische und
                                            Patienten die genaue Kenntnis der                 empirische Grundlagen, sowie klinische
     schaft von Stimmungsstabilisato-       Medikation mit ihren pharmako-                    Anwendungsprinzipien. In: Möller HJ, Laux
     ren (z. B. Carbamazepin) bei der       logischen Besonderheiten dar,                     G, Kapfhammer HP (Hrsg). Psychiatrie und
                                                                                              Psychotherapie. Springer-Verlag, Berlin, Hei-
     gleichzeitigen Gabe von oralen         um die notwendige Compliance                      delberg, New York, 2000; 588–605.
     Kontrazeptiva zu beachten sowie        sicher zu stellen.                                Kasper S, Haushofer M, Zapotoczky HG,
     spezielle Sorgfalt in der Schwan-                                                        Aschauer H, Wolf R, Bonelli M, Wuschitz A.
                                                                                              Konsensus-Statement: Diagnostik und Thera-
     gerschaft und Laktation zu legen.      Weiterführende Literatur:                         pie der bipolaren Störung. Neuropsychiatrie
                                                                                              1999; 13: 100–8.
                                            American Psychiatric Association. The
     Während bei der unipolaren De-         practice of ECT: recommendations for              Kasper S, Zapotoczky HG, Stuppäck C, König
                                                                                              P, Wuschitz A. Konsensus-Statement: Diagno-
     pression beachtliche Erfolge der       treatment, training and privileging.
                                                                                              stik und Therapie der Depression.
                                            Convulsive Ther 1990; 6: 85–120.
     Psychotherapie, und dabei beson-                                                         Neuropsychiatrie 1997; 2: 59–67.
                                            American Psychiatric Association. Practice
     ders der kognitiven Verhaltens-        guidelines for major depressive disorder in       Neumeister A, Praschak-Rieder N,
     therapie, vorliegen, ist eine spezi-   adults. Am J Psychiatry 1993; 150 (Suppl): 4.     Heßelmann B, Vitouch O, Rauh M, Barocka
                                                                                              A, Tauscher J, Kasper S. Effects of tryptophan
     fische Psychotherapie der bipola-      American Psychiatric Association. Diagnostic      depletion in drug-free depressed patients who
                                            and statistical manual of mental disorders. 4th   responded to total sleep deprivation. Arch
     ren Störung nicht systematisch         ed. Washington, DC, 1994.                         General Psychiatry 1998; 55: 167–72.
     untersucht. Die psychotherapeuti-      American Psychiatric Association. Practice        Reiter L. Die Rolle der Angehörigen in der
     sche Behandlung von Patienten          guidelines for treatment of patients with bipo-   Therapie depressiver Patienten. Psychothera-
     mit einer bipolaren Störung setzt      lar disorder. Am J Psychiatry 1994; 151           peut 1995; 40: 358–66.
                                            (Suppl): 12, 1–35.
     im Sinne eines „psychiatrischen                                                          Tannock C. Mania and bipolar disorder:
                                            Angst J, Sellaro R, Angst F. Long-term            Current concepts on assessment, diagnosis
     Managements“ voraus, daß               outcome and mortality of treated versus           and management. Int J Psychiatry Clin
     Grundelemente psychotherapeu-          untreated bipolar and depressed patients: A       Practice 1998; 2: 97–105.
                                            preliminary report. Int J Psychiatry Clin
     tischen Handelns bekannt sind          Practice 1998; 2: 115–9.                          Tauscher J, Neumeister A, Fischer P, Frey R,
                                                                                              Kasper S. Die Elektrokonvulsionstherapie in
     und daß die Erkrankung in den          Dilling H, Mombour W, Schmidt MH (Hrsg).          der klinischen Praxis. Nervenarzt 1997; 68:
     vielfachen Facetten der Diagno-        Internationale Klassifikation psychischer         410–6.
                                            Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). WHO, Ver-
     stik sowie Differentialdiagnostik      lag Hans Huber, Bern, 1991.                       Tsuang MT, Faraone SJ. The genetics of mood
                                                                                              disorders. The John Hopkins University Press,
     und im Langzeitverlauf mit den         Frey R, Schreinzer D, Stimpfl T, Vycudilik W,     Baltimore, 1990.

16   J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2000
Mitteilungen aus der Redaktion

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