Freiburger münster bauhütte - Freiburger ...

Die Seite wird erstellt Henri Pietsch
 
WEITER LESEN
Freiburger münster bauhütte - Freiburger ...
freiburger
                            münster
                            bauhütte
ARBEITSDOKUMENTATION 2020
Freiburger münster bauhütte - Freiburger ...
freiburger
            münster
            bauhütte                                     INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis

■ Vorwort                                          2

■ Lageplan der Baustellen 2020                     3

■ 1. Chor - Südseite                               4
      1.1 Marienportal/ Stürzelkapelle,
          Joche 10 und 11
      1.2 Strebepfeileraufsatz 13/14
      1.3 Kapellenpfeileraufsatz 14 Süd

■ 2. Langhaus Nord                                 23
       2.1 Übersicht Sanierungsmaßnahmen
       2.2 Strebesystem 0/0 und 0/1
       2.3 Konservierung Wasserspeier Widder
           Strebepfeiler 0/1
       2.4 Strebesystem 1/2

■ 3. Renaissancevorhalle                           46
       3.1 Konservierende Arbeiten
       3.2 Steinmetzarbeiten

■ 4. Farbbefundungen                               57
       4.1 Langhaus Nord
       4.2 Langhaus Süd
       4.3 Sakristei
       4.4 Chor 10 und 11

■ 5. Sonstiges                                      61
       5.1 Monitoring
       5.2 Ausbildung in der Münsterbauhütte
       5.3 FSJ in der Münsterbauhütte
       5.4 Vernetzung – Taubenvergrämung
       5.5 Laserscanverfahren zur 2-D und 3-D
            Plandarstellungen
       5.6 Bauhüttenwesen als Teil des Immateriellen
            Kulturerbes der UNESCO
       5.7 Gewölbereinigung
       5.8 Christbaumständer für das Münster

■ Anhang                                          79
      Kartierungen

                                           1
Freiburger münster bauhütte - Freiburger ...
freiburger
            münster
            bauhütte                                                   VORWORT ■ YVONNE FALLER

VORWORT
Im Rückblick auf das Jahr 2020 ist festzustellen,           Ganz im Gegensatz dazu wurden für den Strebe-
dass trotz der Einschränkungen durch den Infek-             pfeiler 13/14 am Chor zahlreiche neue Stücke
tionsschutz gegen Corona und; entgegen unserer              entworfen und gefertigt. An dieser für alle Betei-
Befürchtung; vieles geschafft und geschaffen                ligten neuen Aufgabe ist inzwischen ein großer Teil
werden konnte.                                              der Bauhütte mit großem Engagement beteiligt.
Die Sanierung der Renaissancevorhalle wurde                 Das Spektrum der zu fertigenden Steine reicht von
abgeschlossen, indem die neuen Gliederungs-                 riesigen Blöcken bis zum zierlichsten Blattwerk.
pfosten der Brüstung eingebaut und deren                    Inzwischen ist ungefähr ein Drittel des Strebepfei-
Maßwerkfelder konservierend behandelt wurden.               leraufsatzes gefertigt, bzw. in Arbeit.
Dieses Kleinod am Münster wird jedoch ein                   Neue Wege geht die Bauhütte auch bei der Bestand-
Sorgenkind bleiben, da es durch Bewegungen im               serfassung. Gemeinsam mit der Fa. dotscene
Untergrund stark belastet ist und einer ständigen           wurde über ein neuartiges Laserscanverfahren
Überwachung und Pflege bedarf.                              das gesamte Bauwerk des Münsters präzise in 3-D
Auf der Nordseite des Langhauses wurde im                   erfasst. Aus diesen Aufnahmen können nun die
Schutz des großen Gerüstes und mit viel Sorgfalt            Unterlagen zur Arbeitsvorbereitung und Dokumen-
die bauzeitliche Substanz des Strebesystems der             tation mit höchster Genauigkeit erstellt werden.
westlichen Joche gereinigt, untersucht und konser-          Diese vielfältige und konstante Arbeit der Freiburger
viert. Da der Bauschmuck auf der Nordseite nicht            und weiterer 17 Bauhütten wurde im Dezember
so zierlich und reichhaltig gestaltet ist wie auf der       2020 durch die UNESCO ausgezeichnet, indem das
Südseite, hat er der Witterung bedeutend länger             Europäische Bauhüttenwesen in das internationale
standgehalten. Nur an wenigen Stellen wurden                Register „Guter Praxisbeispiele“ des Immateriellen
einzelne Stücke wie Kreuzblumen oder Lilienauf-             Kulturerbes aufgenommen wurde.
sätze neu geschlagen. Das Augenmerk richtete sich           Diese Anerkennung ist für die Bauhütte Ehre und
hauptsächlich auf die Reparatur von wasserablei-            Ansporn zugleich, die Arbeit mit größtem Engage-
tenden Gesimsen und die konservierende Behand-              ment weiterzuführen.
lung der Oberflächen.

                   Bildhauer bei der Arbeit an einer Kreuzblume für den Strebepfeileraufsatz
                   am Chor

                                                        2
Freiburger münster bauhütte - Freiburger ...
Lageplan der Baustellen 2020

    Nordansicht

    1. Langhaus (Nord), Strebesystem 0/0, 0/1, 1/2

                                                                    1

                                      Südansicht

                                      1. Chor, Kapellenpfeileraufsatz 14
                                      2. Marienportal/Stürzelkapelle
                                      3. Chor, Strebepfeileraufsatz 13/14
                                      4. Renaissancevorhalle

                                                                            3

                                                                                1

                                               4                2
                                          3
Freiburger münster bauhütte - Freiburger ...
freiburger
                                         münster
                                         bauhütte                                                    CHOR SÜDSEITE ■ UWE ZÄH

                            1. CHOR - SÜDSEITE
                            1.1 Marienportal/ Stürzelkapelle, Joche 10 und 11

                            Mit einer auskragenden Erweiterung wurde im März           mit Roman Zement Fugenmörtel geschlossen. Vor
                            2020 auch das Marienportal mit seinem Maßwerk-             Einbau der Fensterscheiben erfolgte noch eine
                            couronnement am Südlichen Choreingang in das               farbbefundende Reinigung im Mikrosandstrahl-
                            schon seit längerem bestehende Gerüst einbe-               verfahren, bei der Beläge und Krusten gedünnt
                            zogen (Abb. 1). Sanierungsarbeiten des Erzbi-              wurden (Abb. 2).
                            schöflichen Bauamtes im Inneren erforderten                Oberhalb der linken Wand dieses Bereichs wurden
                            einen Ausbau der Fensterscheiben und Freilegung            im vergangenen Jahr 2019 zwei Maßwerkbrüs-
                            der Maßwerke. Wie an fast allen anderen Chorka-            tungen der Chorplattform ausgebaut. Diese
                            pellenfenstern gibt es auch hier baulich bedingte          konnten nun wieder neu eingesetzt werden. Eines
                            Verschiebungen der einzelnen Steine, die zu                davon konnte konserviert, das andere musste neu
                            Kantenpressungen und Abplatzungen führten. Um              geschlagen werden.
                            den Verbund der Maßwerke zu stabilisieren, wurde
                            die Bleifuge nachgestemmt. Offene Fugen wurden
ARBEITSDOKUMENTATION 2020

                            Abb. 1 Die Gerüsterweiterung um das Marienportal und       Abb. 2 Farbbefundung und Reinigung der Fenster-
                            den Fensterbereich                                         maßwerke im Niederdruckverfahren

                                                                                   4
Freiburger münster bauhütte - Freiburger ...
Uwe Zäh ■ Marienportal/Stürzelkapelle

Das rechte der beiden Maßwerke war stark aufge-              und Klebefugen mit Kittungsmassen verschlossen
lagert und hatte Risse durch quellende Tongallen             und das gesamte Maßwerk mit Kieselsäureesther
und eisernen Klammerverbindungen, die zu Abplat-             durchdringend gefestigt (Abb. 3, 4).
zungen führten. Nach dem Ausbau wurde es auf                 Nach einer Ruhezeit von über drei Monaten, in
dem Werkgelände mit Edelkorund im Mikrosand-                 der die Wirkstoffe ausreagieren konnten, kam das
strahlverfahren gereinigt und die nun deutlicher zu          Maßwerk in die Steinwerkstatt, um die geplanten
erkennenden Schäden nachkartiert. Eine Referenz-             Vierungen einzupassen. Eine bereits vorhandene
stelle belegt den Vorzustand. Anschließend wurde             bauzeitliche und mit Naturharz verklebte Vierung
mit konservierenden Methoden das Steingefüge                 hatte sich gelöst und wurde neu mit Steinsilikat-
gesichert und mit wenigen Titangewindedübeln                 kleber befestigt. Zusätzlich sollte das Maßwerk an
und Mikrozementverfüllungen die Risse kraft-                 der Standfläche eine große und in einer oberen
schlüssig überbrückt. Danach die Mürbezonen                  Ecke eine kleine neue Vierung erhalten (Abb. 5, 6).

                                                                                                        ←

Abb. 3 Rückansicht des gleichen Maßwerkfeldes mit            Abb. 4 Die Vorderseite des rechten Maßwerkfeldes.
Abplatzungen an den Klammerverbindungen                      Rechts im Ornament ist deutlich die dunkle Referenz-
                                                             stelle des ungereinigten Vorzustandes zu erkennen.

Abb. 5 Die Stoßflächen für die Vierung der Standfläche   Abb. 6 Die Vierung für die Standfläche
werden herausgearbeitet

                                                         5
Freiburger münster bauhütte - Freiburger ...
Uwe Zäh ■ Marienportal/Stürzelkapelle

Durch die geometrische Gestaltung der großen
Vierung wird das Werkstück mit dem Maßwerk
verzahnt und macht dadurch eine zusätzliche
Verklammerung überflüssig. Lediglich am Maßwer-
krahmen wurde ein kurzer kupferner Steckdübel
verankert, damit die Klebung durch das spätere
steinmetzmäßige Anarbeiten entlastet wird. Schritt-
weise wurde diese Vierung millimetergenau einge-
passt und mit Steinsilikatkleber verklebt (Abb. 7-9).
In gleicher Weise aber mit weniger Aufwand bei
der Anpassung wurde die kleinere Vierung in der
oberen Ecke eingefügt (Abb. 10, 11).
Das linke der beiden Maßwerke war in einem
sehr schlechten Zustand. Da es sich direkt über
dem Eingang zur Sakristei befindet, wurde es aus
Sicherheitsgründen neu gefertigt ( siehe AD 2019).          Abb. 7 Millimetergenau wird die Vierung eingepasst

                     Abb. 8 Vierung trocken eingesetzt und überprüft

                     Abb. 9 Das Maßwerk wird für die Klebung vorbereitet, die Flanken
                     gegen Verunreinigung mit Folien isoliert

                                                        6
Freiburger münster bauhütte - Freiburger ...
Uwe Zäh ■ Marienportal/Stürzelkapelle

Abb. 10/11 Die Vierung der oberen Ecke                  Abb. 11

Ausgehend vom Original von 1758, wurden über
ein gezeichnetes Volumenmodell die Schablonen
abgeleitet (Abb. 12). Das neue Maßwerk wurde
in dem Tennenbacher Material vom Langauweg
gefertigt. Dabei wurden auch die Oberflächenbe-
arbeitung und die beiden Wappenkartuschen mit
der Inschrift „Anno 1758“ übernommen (Abb. 13).
Zum Anpassen des Rahmenprofiles der Standflä-
chenvierung im rechten Maßwerkfeld werden die
beiden Maßwerkstücke in der Werkstatt zusam-
mengestellt (Abb. 14, 15).
Auch die Abdeckungen der beiden Maßwerke
wurden neu gefertigt, da die Tropfkanten so stark
zurückgewittert waren, dass diese über Vierungen        Abb. 12 Das linke Maßwerk wird aufgerissen
nicht mehr zu reparieren waren (Abb. 16, 17).

            Abb. 13 Das linke Maßwerk neu geschlagen

                                                    7
Freiburger münster bauhütte - Freiburger ...
Uwe Zäh ■ Marienportal/Stürzelkapelle

Abb. 14 Vorderansicht der beiden Maßwerkstücke

Abb. 15 Rückansicht der beiden Maßwerkstücke

Abb. 16 Das Profil einer neuen Abdeckung             Abb. 17 Eingebaute Maßwerkstücke mit neuen Abdeck-
                                                     steinen

                                                 8
Freiburger münster bauhütte - Freiburger ...
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

1.2 Strebepfeileraufsatz 13/14

                                                                 Strebepfeileraufsatz 13/14 Süd

                                                                                   Arbeitsstand 2020

                                              Helm

                                   Bekrönung -
                                   Oberer -
                                   Quadratischer -
                                   Fialenbereich                          Steine

                                                                              in Arbeit
                                  Oberer -
                                                                              gefertigt
                                  Quadratischer -
                                  Fialenbereich

                                  Bekrönung -
                                  Mittlerer -
                                  Polygonaler -
                                  Fialenbereich

                                   Mittlerer -
                                   Polygonaler -
                                   Fialenbereich
                                                                          Dach

                                                                             Sockel

                                                                                          U. Zäh, Dez. 2020

                    Abb. 18 Die wichtigsten Bauteilbezeichnungen und Werksteine in Bearbeitung

Die Arbeit an der Schaffung eines würdigen                 Umsetzungen in Modelliermaterial und Anfertigung
Nachfolgers für den Strebepfeileraufsatz 13/14 am          mehrerer Alternativen. Das ständige und gemein-
südöstlichen Chorpolygon war auch in diesem Jahr           same Besprechen, Probieren und Vergleichen führt
eine große Herausforderung für die Münsterbau-             zu einer neuen Qualität, die auch das handwerk-
hütte. Nahezu das gesamte Team aus Steinmetzen             liche Können und die Arbeitsweise der ganzen
und Steinbildhauern ist inzwischen in das Projekt          Bauhütte widerspiegelt.
mit eingebunden. Es stellt für alle eine neue Heran-       Ohne die enge Zusammenarbeit und das Vertrauen
gehensweise dar, da das Erarbeiten eines Werkstü-          der Denkmalpflege wäre dieses Vorgehen nicht
ckes nicht wie gewohnt anhand einer Kopie eines            möglich. So war es auch die Initiative der Denkmal-
ausgebauten Werkstückes erfolgt, sondern die zu            pflege, im Rahmen eines sog. Expertengesprächs
schlagende Form erst entwickelt werden muss.               eine Lösung für den Erhalt, der im 19. Jahrhun-
Dies geschieht in einem Prozess in mehreren                dert gefertigten, aber stark zerstörten Pfeilerauf-
Stufen und in ständiger Abstimmung und Überar-             sätze am Chor zu erarbeiten. Dieses fand am 30.
beitung von skizzenhaften Entwürfen, ersten                Januar 2015 in den Räumen der Münsterbau-

                                                       9
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

hütte statt und war damit die Fortführung einer        Eine Kopie würde auch bedeuten, die Schadensur-
Fachdiskussion, die bereits 1938 geführt wurde.        sache (Steinschnitt) gleich wieder miteinzubauen.
Damals, am 1. April 1938 wurde in einer Gutach-        Die Expertenkommission empfahl der Bauhütte,
terkommission von Münsterbaumeistern und Archi-        den Versuch mit einem ersten Strebepfeilerauf-
tekten aus Ulm, Darmstadt, Köln und Freiburg über      satz zu wagen. Der Prototyp könne dann in diesem
die Sanierungsmaßnahmen am Chor diskutiert             Gremium besprochen und bewertet werden, um
und man hielt fest: „Zu den Strebepfeileraufsätzen     das Vorgehen bei weiteren Strebepfeileraufsätzen
… vertreten wir die Auffassung, dass diese sämtli-     auf besserer Grundlage zu entscheiden.
chen ruinenhaften Aufbauten des XIX Jahrhunderts       Basierend auf dieser Grundsatzempfehlung
abgetragen werden sollen“.                             und weiteren vertiefenden Gesprächen mit der
Glücklicherweise wurde diese Maßnahme nicht            Denkmalpflege wurden ergänzend Kriterien für die
umgesetzt, aber die Sanierung dieser Aufsätze          sog. „nachbildende Neuschöpfung“ entwickelt. So
ist eine Aufgabe, die seither ansteht und die aus      sollte das prinzipielle Erscheinungsbild erhalten
Gründen der Sicherheit nicht mehr weiter aufge-        bleiben, d.h. Größe und Komposition des Originals
schoben werden kann. Es stellte sich „nur“ die         sollten aufgenommen werden. Die Gestaltung des
Frage, wie eine denkmal- und fachgerechte Sanie-       Bauschmucks sollte dagegen als Eigenentwicklung
rung aussehen könnte.                                  des 21. Jahrhunderts erkennbar werden, ohne sich
Im Rahmen des von Prof. Hubert moderierten             allzu deutlich vom gotischen Formenrepertoire zu
Expertengesprächs wurden von Hans-Rudolf               entfernen.
Meier aus Weimar, Andreas Huth aus Magdeburg,          Seit einigen Jahren werden die Theorien sukzes-
Barbara Schock-Werner aus Köln, Marc Schurr            sive umgesetzt. Zunächst wurde die Gesamtkons-
aus Straßburg und Gerd Weiß aus Wiesbaden              truktion im Hinblick auf den Fugenschnitt so verän-
unterschiedliche Aspekte zum Thema vorgetragen         dert, dass das Eindringen von Wasser verhindert
und diskutiert. Die Münsterbauhütte erläuterte         wird. Durch diese Veränderung, die mit Hilfe eines
ausführlich die Baugeschichte, die Entwicklung und     digitalen und ausgedruckten 3D Modells festgelegt
den aktuellen Zustand der Substanz. Bei diesem         wurde, ergeben sich bei der Ausführung trotzdem
Treffen entstand ein erstes Rahmengerüst für ein       immer wieder Detailfragen, die die handwerkliche
Lösungskonzept, das fortlaufend weiter ausgebaut       Umsetzbarkeit betreffen und ein weiteres Anpassen
werden sollte. „Man ist hier ja in einer Situation,    der Fugenanordnung erfordert. Seit 2018 erfolgt
wo es den Königsweg nicht gibt“ (Marc Schurr).         die Umsetzung in Stein, beginnend mit den großen
Die grundlegendste Frage war die, ob überhaupt         Werkstücken des Schaftes (Abb. 18).
und wenn ja, in welcher Form die teilweise bis zur     Neu auf den Werkbänken liegen seit diesem Jahr
Unkenntlichkeit verwitterten Strebepfeileraufsätze     2020 drei große Quader für die unterste Schicht
ersetzt werden sollen. Zumal diese erst im 19.         des Pfeileraufsatzes zur Bearbeitung (Abb. 19, 20).
Jahrhundert geschaffen wurden, einer Bauepoche,        Die im letzten Jahr begonnenen Werksteine der
die bis vor Kurzem wenig Wertschätzung erfahren        darüber liegenden Schicht konnten in diesem Jahr
hatte. Inzwischen hat sich dies geändert und man       fertiggestellt werden (Abb. 21-24).
erkennt in vielen Bereichen die eigenständige
stilbildende Qualität an.
Was aber tun, wenn vom Original nur wenig
vorhanden ist und lediglich Bilddokumente und
teilweise Zeichnungen vorliegen? „Wenn der Punkt
erreicht ist und man sich von der materiellen
Substanz trennen muss, dann kann man aber
immer noch die ästhetische Substanz erhalten“
(Marc Schurr).
Als Ergebnis des Fachgesprächs wurde festge-
halten, dass es durchaus legitim sei, die Aufsätze
neu zu schaffen. Aber eine Rekonstruktion sei nicht
als Kopie möglich, denn die genaue Vorlage fehle.

                                                      10
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

Abb. 19 Mittlerer Quader der untersten Schicht des Pfeileraufsatzes

Abb. 20 Hinterer Quader der untersten Schicht

                                             11
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

             Abb. 21 Mittleres Werkstück des Sockelgesims vor der Bearbeitung

      Abb. 22 Mittleres Werkstück während der Bearbeitung

                                                   12
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

        Abb. 23 Vorderes Werkstück des Pfeiler-Sockelgesimses

Abb. 24 Hinteres Werkstück des Sockelgesimses

                                                13
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

Der Sockel mit dem Übergang vom Dach zum              wurden zu diesem Zweck vom Block gelöst und
Mittleren Polygonalen Fialenbereich ist schon weit    als kleine Passstücke ausgeführt. Das Pfeiler-
fortgeschritten. Der ursprüngliche Pfeiler besaß      polygon schneidet sich in der dritten Schicht mit
im Mittleren Polygonalen Bereich vier Säulen mit      dem Dachgiebel. Dieser Bereich besteht aus zwei
einem Durchmesser von sieben cm, die über vier        großen Steinblöcken. Der vordere Block ist gefer-
Gesteinslagen und über Fugen hinweg mit Eisen-        tigt, der hintere noch in Arbeit. Auch die Basen für
klammern angehängt waren. Ein sehr schadens-          die im Pfeilerpolygon eingebundenen Säulen sind
anfällige Bauweise; die Säulen waren dadurch          als Passstücke vorbereitet. Die sieben cm dünnen
früh verloren. Im neuen Entwurf sind die Säulen       Säulen, die ursprünglich frei vor die Profile des
jetzt mit ihren Basen in die massiven Blöcke des      Polygons vorgeblendet waren und aufgrund der
Pfeilerschaftes mit eingebunden und es entsteht       unzureichenden Konstruktion verloren gingen, sind
ein stark hinterstochenes Profil, das für die         jetzt in die Profiltrommeln mit eingebunden (Abb.
Umsetzung angepasst werden musste. Die Basen          25-29).

                        Abb. 25 Eine Hälfte des mittleren Sockeldaches

                        Abb. 26 Gleiches Werkstück viele Arbeitsstunden später

                                                     14
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

Abb. 27 Säulenbasis für den Übergang vom Sockel-
dach zum Mittleren Polygonalen Fialenbereich

                                                    Abb. 28, 29 Die zweite Hälfte des Mittleren Sockelda-
                                                    ches

Abb. 29

                                                   15
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

Ebenfalls fertiggestellt wurde ein weiterer, auch
schon im vergangenen Jahr begonnener Trommel-
stein des Mittleren Polygonalen Fialenbereiches
sowie eine Hälfte der zweigeteilten mittleren
Schicht (Abb. 30, 31).

                Abb. 30 Trommelstein des Mittleren Polygonalen Fialenbereiches

                Abb. 31 Eine Hälfte der zweigeteilten mittleren Schicht des Polygonalen
                Fialenbereiches

                                                     16
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

Parallel zu den Arbeiten an den großen Werkstü-         digen Abdecksteine modelliert und die Größe und
cken verlief der Formfindungsprozess für die neu zu     Umrissform festgelegt (Abb. 32). Das Lilienmotiv,
schaffenden Teile des Bauschmuckes. So wurden           das auf alten Fotos nur unscharf zu erkennen ist,
die Lilien der Kämme der Pfeilerbedachung neu           erhielt dann eine neue Form, bei der die ursprüng-
geschaffen. Getreu der Vorgabe, sich am Vorbild         lich konvexe Ausbildung der Blüte nun konkav
zu orientieren, aber eine eigene Gestaltung dafür       ausgeführt wurde (Abb. 33). Ein zweiteiliger Lilien-
zu entwickeln, wurden zunächst beispielhaft Lilien-     stein ist bereits fertig, ein dreiteiliger in Arbeit (Abb.
formen auf die noch vorhandenen aber unvollstän-        34-36).

                      Abb. 32 Modelle zur Ermittlung der Größe

                   Abb. 33 Entwurf der "neuen" Lilie

                                                       17
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

Abb. 34 Kamm mit zwei Lilienbögen während der Bear-
beitung

                                                       Abb. 35 Kamm mit zwei Lilienbögen fertig

Abb. 36 Kamm mit drei Lilienbögen

                                                      18
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

Als Gestaltidee für den pflanzlichen Bauschmuck         Ebenfalls in diese Steinschicht gehören acht
(Krabben und Kreuzblumen) wurden Blätter und            kleinere Fialen mit Kreuzblume und Knauf, die als
Früchte des Efeus gewählt. So auch für die zwei         Einzelteile um den Übergang zum Oberen Quadra-
aufwändigsten Werksteine, welche die Bekrönung          tischen Fialenbereich herumgestellt sind. Für die
des Mittleren Polygonalen Fialenbereiches bilden.       Krabben an dieser Stelle wurden ebenfalls Modelle
Insgesamt acht Kreuzblumen binden in die beiden         entwickelt, da es keine Vorlagen mehr gab (Abb.
Steine ein, für die es, außer dem Stielansatz, keine    40). In dieser Zone gehen viele Zierglieder inein-
Vorlagen mehr gibt. Hier wird nun ein Entwurf           ander über und es herrscht ein kleinteiliger Gesamt-
umgesetzt, der bereits im vergangenen Jahr entwi-       eindruck. Die Entscheidung fiel deshalb auf einen
ckelt und jetzt als Vorlage für die Umsetzung am        eher schlichteren Entwurf. Eine neue Krabbenform,
Stein mit Hilfe einer Silikonform in Gips nachge-       die sich von oben nach unten einrollt, wird bereits
bildet wurde (Abb. 37-39).                              an einem Werkstück ausgeführt (Abb. 41) und dient
An diesen beiden Bekrönungssteinen beginnen             auch als Vorlage für die dazugehörige Kreuzblume,
auch die Krabben, die sich an den Fialen im Oberen      für die ebenfalls schon ein Gipsmodell vorbereitet
Quadratischen Fialenbereich fortsetzen und deren        ist (Abb 42).
Formvorlage schon feststeht.

                  Abb. 37 Entwürfe für die Krabben der Fialen des Mittleren Polygonalen
                  Bereiches

                  Abb. 38 Die erste Fiale des Mittleren Polygonalen Bereiches

                                                       19
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

              Abb. 39 Drei bereits fertiggestellte Kreuzblumen zu den Fialen

              Abb. 40 Herstellung eines Gipsabgusses von Krabben als Kopiervorlage für
              die acht kleinen Fialen des Mittleren Polygonalen Bereiches

                                                    20
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14

Abb. 41 Die erste kleine Fiale

Abb. 42 Entwurf für die dazugehörigen Kreuzblumen

                                             21
Uwe Zäh ■ Kapellenpfeileraufsatz 14 Süd

1.3 Kapellenpfeileraufsatz 14 Süd

Der im Jahr 1931 in neugotischer Form geschaf-          aufgetragen, die mit Kieselsäureesther F300
fene Pfeileraufsatz der Schnewlin-Kapelle wurde in      nachgefestigt wurden. Die Kittungsmassen können
diesem Jahr konservatorisch bearbeitet. Er besteht      die wasserunlöslichen Sulfate aufnehmen und
aus Allmendsberger Steinmaterial und war in einem       als Opferschicht wirken. Mit Mikrozement wurden
insgesamt recht guten Zustand. Auf Grundlage            Risse verschlossen und statisch stabilisiert. So
der im vergangenen Jahr durchgeführten Vorun-           auch am oberen Fialenbereich, in dem ein Stein
tersuchungen konnte in diesem Jahr ein Sanie-           bereits wegen Rissbildung mit einer Kupferstange
rungskonzept festgelegt werden. Fehlteile wurden        verklammert war. Die Abplatzungen am Übergang
nicht ergänzt und es wurden auch keine Vierungen        zum Pfeilergesims wurden mit farbig eingestelltem
eingesetzt. Die durch Sulfate zermürbten Zonen an       Minéros 2000 Steinergänzungsmörtel aufgebaut
den beiden östlichen Fialen wurden zunächst von         und abschließend alle Fugen am Pfeileraufsatz mit
losen Kleinteilen befreit.                              Roman Fugenzement geschlossen (Abb. 43, 44).
Auf den festen Untergrund wurden Kittungsmassen

                   Abb. 43 Abplatzungen am Übergang zum Pfeilergesims

                   Abb. 44 Rissverfüllung an der Ecke

                                                     22
freiburger
             münster
             bauhütte                                              LANGHAUS NORD ■ UWE ZÄH

2. LANGHAUS NORD                                         Schließen von aufgebrochenen Oberflächen einge-
                                                         setzt wird.
2.1 Übersicht Sanierungsmaßnahmen                        Diese Form der Reparatur ist Teil des steinkon-
                                                         servatorischen „Werkzeugkoffers“ und stellt die
                                                         Verbindung zwischen traditionellem Handwerk
Das im Jahr 2016 errichtete Gerüst umfasst das           und modernen konservatorischen Methoden
erste und die Hälfte des zweiten Joches vom nördli-      dar. Die Vierungen, die handwerklich oft höchst
chen Langhaus. Eingeschlossen die beiden dazuge-         anspruchsvoll und aufwändig herzustellen sind,
hörigen Strebesysteme und den nach Westen                werden mit einem Steinkleber befestigt, der
ausgerichteten Wandpfeiler 0/0. Mit diesem letzten       eigens für „unseren“ Stein rezeptiert und herge-
Abschnitt schließt die Münsterbauhütte das 1981          stellt wurde. Auch andere Konservierungsmateri-
begonnene Sanierungsprogramm des Langhauses              alien wie Kittungsmassen oder Verfugungsmörtel
ab. Die Instandsetzung umfasst die Strebesysteme,        werden in der eigenen Restaurierungswerkstatt
also deren Strebepfeiler, Aufsätze und der dazuge-       entwickelt und geprüft, parallel und ergänzend zu
hörigen Strebebögen, aber auch die dazwischenlie-        den Prüfungen durch unterschiedliche Prüfinstitu-
genden Wandflächen und Maßwerkfenster sowie              tionen.
die gesamten Skulpturen.                                 Der Ersatz eines ganzen Werksteins kommt nur
Mit den Arbeiten wurde vor fast 40 Jahren begonnen       noch in Betracht, wenn der Bestand so geschä-
und zwar an den beiden Ostjochen 5 und 6 der             digt ist, dass er nicht mehr vor Ort erhalten werden
Südseite (1981-1984). Anschließend wurden die            kann. Fehlstellen werden, sofern sie keinen konst-
gegenüberliegenden Joche 5 und 6 der Nordseite           ruktiven oder technischen Mangel darstellen,
(1986-1989) und direkt danach die benachbarten           meist belassen, es sei denn, das Bauteil verliert
beiden Joche 3 und 4 (1990-1999) bearbeitet. Es          seine Lesbarkeit. Denn selbst die genaue Kopie
erfolgte dann der Wechsel wieder auf die Südseite        eines Originals stellt eine Neuinterpretation dar.
an die gegenüberliegenden Joche 3 und 4 (2000-           Alle Maßnahmen sind von dem Bestreben geprägt,
2006) und setzte die Arbeiten dann an den westli-        möglichst wenig der vorhandenen Baumasse zu
chen Jochen 1 und 2 fort. Diese konnten dann im          verletzen oder zu ersetzen und so auch möglichst
Sommer 2011, pünktlich zum Besuch von Papst              viele Spuren der langen Baugeschichte zu erhalten.
Benedikt XVI beendet und das Gerüst abgebaut             Dies ist gerade auf der Nordseite eine sinnvolle
werden.                                                  Herangehensweise, da hier eine Fülle an mittelal-
Die letzten ausstehenden Joche 1 und 2 der               terlicher Substanz vorhanden ist - deutlich mehr als
Nordseite mussten zunächst zugunsten der                 auf der Südseite - die es zu erhalten gilt. Der Grund
Turmbaustelle bis auf Weiteres zurückgestellt            dafür liegt wohl in der Gestaltung und Ausführung
werden und sind nun seit 2016 in Bearbeitung.            des Bauschmucks, der auf der Südseite deutlich
Gemeinsam mit der Landesdenkmalpflege wurde              filigraner und reichhaltiger, aber auch schadensan-
für diesen letzten Bauabschnitt am Langhaus ein          fälliger ist, als auf der Nordseite.
Steinkonservierungs- und Steinaustauschkonzept           Zusehends wichtiger wird das Dokumentieren der
                                                                                                                 ARBEITSDOKUMENTATION 2020
festgelegt, das dem heutigen Standard denkmal-           Befunde und der konservatorischen Maßnahmen.
pflegerischen Handelns entspricht. Die Sanie-            Dies hat schon seit über hundert Jahren Tradition
rungskonzepte, die über mehrere Jahrzehnte am            und wird mit großem Aufwand betrieben. Auch
Langhaus umgesetzt wurden, unterscheiden sich            diese Arbeiten werden inzwischen mit modernen
inzwischen deutlich voneinander und dokumen-             technischen digitalen Hilfsmitteln durchgeführt.
tieren die Entwicklung im Umgang mit historischer        Das Erstellen und Bearbeiten hochaufgelöster
Bausubstanz. Der Steinaustausch spielt in dieser         Scans und präziser Pläne, in die auch allerkleinste
Entwicklung eine immer geringere Rolle. Die Stein-       Details wie Millimeter große Farbbefunde oder
formate für den Teilersatz sind in der Regel deutlich    kleinste konservatorische Eingriffe eingetragen
kleiner als noch zu Beginn der 1980er Jahre und          werden können, sind selbstverständlicher Teil der
es werden seltener ganze Werksteine ersetzt.             Arbeit des Münsterbauhüttenteams. Das klassi-
Meist kommt neues Steinmaterial als Vierung zum          sche Berufsbild des Steinmetzten an der Freiburger
Einsatz, das für die Reparatur von abgewitterten         Münsterbauhütte hat sich während der Langhaus-
oder zerstörten Kanten oder für die Wiederherstel-       sanierungskampagne den veränderten Arbeits-
lung eines geordneten Wasserablaufes oder dem            schwerpunkten angepasst und erweitert.

                                                        23
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1

2.2 Strebesystem 0/0 und 0/1

Seit 2017 konzentrieren sich die Sanierungsar-         Sanierungsarbeiten um 1900 bereits durch eine
beiten bisher auf den oberen Bereich des Strebe-       Kopie aus Allmendsberger Plattensandstein ersetzt
systems, an das sich auf der westlichen Seite, in      und weist keinerlei Schäden auf. Die Patina der
Verlängerung der Seitenschiffwand und als Gegen-       Steinoberflächen wurde im Mikrosandstrahlver-
lager auch der Pfeiler 0/0 anschließt. Die Arbeiten    fahren ausgedünnt und die Flechten mit Holzspa-
konnten bis auf die Höhe der Blattgesimse beider       teln und Wasser entfernt (Abb. 45).
Pfeiler abgeschlossen werden. Der Bereich umfasst
die Wandfläche des ersten Joches, den Strebe-
bogen, den Wandanschluss zum Treppenturm des
Hauptturmes sowie den Pfeileraufsatz.
Der gesamte Pfeileraufsatz 0/0 wurde bei den

                    Abb. 45 Pfeileraufsatz 0/0 aus Allmendsberger Stein aus dem Jahr 1900

                                                      24
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1

Anders am Pfeileraufsatz 0/1, bei dem die meisten
Schäden durch Mängel an der Wasserführung
entstanden. Offene Fugen, aber vor allem fehlende
Tropfkanten am oberen Gesims führten dazu, dass
Schadstoffe mit dem Regenwasser über die Oberflä-
chen des mittleren Pfeilerblockes gespült wurden
und diese zersetzten. Betroffen waren vor allem
die drei nach Westen, Osten und Norden gerich-
teten Blendmaßwerke. Zu deren Schutz wurden die
fehlenden Gesimskanten wieder mit kleinteiligen
Vierungen ergänzt (Abb. 46-49). Die Abschalungen
am liegenden Vierpaß wurden mit Kittungsmassen
stabilisiert, gefestigt und der aufgebrochene
Rahmen zum Schutz gegen eindringendes Wasser
wieder mit einer Vierung geschlossen (Abb. 50).
                                                        Abb. 46 Die südliche und westliche Rückansicht des
                                                        Pfeilers 0/1 während der Bearbeitung

Abb. 47 Das Maßwerk der westlichen Pfeileransicht im    Abb. 48 Das nördliche Blendmaßwerk nach den Maß-
Endzustand                                              nahmen

Abb. 49 Der Endzustand des östlichen Blendmaßwerkes Abb. 50 Zum Schutz der Blendmaßwerke wurden die
                                                    wasserableitenden Profilkanten mit kleinen Vierungen
                                                    wiederhergestellt

                                                       25
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1

Abb. 51 Pfeilerquader mit zwei abgewitterten Vierungen    Abb. 52 Vierung herausgearbeitet, die vorgeblendete
                                                          Vierung aus dem 18. Jahrhundert zur Hälfte erhalten

Ausgehöhlte Fugenflanken und Fehlstellen an den           Stelle wieder steingerecht und dauerhaft gesichert
äußeren Profilkanten des quadratischen Pfeilers           werden (Abb. 51-56). Auch am Strebebogen waren
wurden ebenfalls wieder ergänzt, damit die Stabi-         einzelne Bereiche an den Fugen im angrenzenden
lität des Steinverbandes wieder gewährleistet             Stein so zersetzt, dass diese wieder mit Vierungen
ist. Eine quadratisch eingebundene Vierung im             ergänzt werden mussten (Abb. 57). Abschließend
Quader wurde herausgearbeitet, die vorgeblen-             wurden alle offenen Vertikalfugen mit Roman-
dete Vierung aus dem 18. Jahrhundert zur Hälfte           zementmörtel und die Horizontalfugen auf dem
erhalten. Mittels eines massiven Passstücks mit           Strebebogen im Schmelzbleiverfahren geschlossen
13 Horizontal – und Vertikalfugen konnte diese            (Abb. 58, 59).

Abb. 53 Passgenau gearbeitete Vierung                    Abb. 54 Endzustand mit neuer Vierung

                                                         26
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1

Abb. 55, 56 Gevierte Reparatur an der Pfeiler Ostseite

Abb. 56

Abb. 57 Lücken am Strebebogen werden mit Vierungen geschlossen

                                     27
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1

   Abb. 58 Schließen der Fugen der Bogerinnensteine im Schmelzbleiverfahren

   Abb. 59 Verbleite Fugen vor dem Verstemmen

                                                   28
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1

Für die Bedachung des Pfeileraufsatzes wurden
neue Gesimssteine aus Lahrer Buntsandstein
geschlagen und eingesetzt. Zuerst die Eck-, dann
die Läufersteine (Abb. 60-62).
Sie wurde mit Romanzement-Hinterfüllmörtel
vermauert, die Fugen anschließend auf der
Gesimsoberfläche verbleit (Abb. 63, 64). Größere
Hohlräume in der Verdachung wurden in diesem
Zuge ebenfalls mit Mörtel hinterfüllt und verfestigt
(Abb. 65).

          Abb. 60 Bedachung des Strebepfeileraufsatzes

          Abb. 61 Einbau der vorgefertigten Gesimssteine

                                                       29
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1

   Abb. 62 Verfugung mit Fugenmörtel

   Abb. 63 Fugen der Gesimsflächen werden mit Blei verschlossen und angearbeitet

                                                    30
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1

Abb. 64 Gesimsflächen nach dem Verbleien

Abb. 65 Hinterfüllen der Steine mit Roman Zement Vergussmörtel

                                                 31
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1

Aus dem gesunden Teil der ausgebauten alten         ratoren der Münsterbauhütte die angegriffenen
Gesimse aus Allmendsberger Sandstein, die schon     Oberflächen und verfüllten Risse und Schalen
Kopien aus dem vorigen Jahrhundert waren, wurden    (Abb. 66). Nach Restarbeiten am Aufsatz und
die Vierungen für den Strebepfeileraufsatz 1/2      dem Pfeilerschaft wurden sämtliche Maßnahmen
heraus gesägt und eingepasst. Parallel zu diesen    kartiert und fotografisch dokumentiert.
Reparaturmaßnahmen, konservierten die Restau-

Abb. 66 Rissverfüllung per Injektion

                                                   32
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder

2.3 Konservierung Wasserspeier Widder Strebepfeiler 0/1

                      Abb. 67 Historischer Gipsabguss vom Zustand aus den 1930er Jahren

18 Meter über dem Münsterplatz befinden sich an         mehr, seit dieses Strebesystem Ende 13. Jahrhun-
den Pfeilern paarweise angeordnete Wasserspeier,        dert statisch in den nordöstlichen Turmpfeiler mit
die das Regenwasser, das vom Langhausdach über          eingebunden wurde.
die obere Galerie in die Strebebögen strömt, auf        Zur Bewertung des Zustandes wurden neben der
den Münsterplatz ableiten. Der linke, östlich ausge-    Kartierung der Steinschäden und Fassungsresten
richtete Wasserspeier am Pfeiler 0/1 ist ein natura-    auch Informationen aus den Archiven zusammen-
listisch dargestellter Widder und in dieser Reihe       getragen. Neben alten Fotos war vor allem ein
der Wasserspeier der einzige noch verbliebene           vor knapp hundert Jahren angefertigter Gipsab-
aus der Bauzeit (datiert auf 1270). Alle anderen        guss zur Einschätzung des Schadenverlaufes sehr
sind entweder Kopien oder Entwürfe aus dem 16.          hilfreich (Abb. 67).
Jahrhundert. Der Wasserspeier führt kein Wasser

                                                       33
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder

Abb. 68 Der Wasserspeier vor der Reinigung, Ansicht Ost

                           Abb. 69 Ansicht West

Vor der Einrichtung der Baustelle war der Wasser-          ist, berücksichtigt man das Alter und die exponierte
speier über mehrere Jahre mit Maschendraht                 Lage dieses der Witterung stark ausgesetzten
gesichert. Eine Notmaßnahme, die bei den jährli-           Bauteils, in einem erstaunlich guten Zustand. Das
chen Hubsteigerbefahrungen zur Sicherung gegen             langhaarige Fell, die feinen Gesichtszüge und auch
Absturz von den Steinmetzen vorgenommen                    das Blattwerk am Sockel zeigen außer Verschmut-
wird. Ein Hinweis darauf, dass hier dringender             zung und Bewuchs kaum Verwitterungsspuren
Handlungsbedarf bestand. Das Steinmaterial des             (Abb. 68, 69). Auf der Oberfläche konnten am
Widders besteht aus einem nicht genauer zuzuord-           Blattwerk und den Hoden Reste einer Farbfassung
nenden Plattensandstein. Die Oberflächenstruktur           nachgewiesen werden.

                                                          34
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder

Schon lange fehlen dem Widder die Hörner, das         zu erkennen, dass der Leib schon vor gut hundert
rechte vordere Bein und die Schnauze. Die Abriss-     Jahren mit mehreren Rissen durchzogen war. Diese
kanten verlaufen parallel zur Schichtung und sind     haben sich inzwischen allerdings vergrößert und
ein Hinweis auf Schwächung der Bindung zwischen       lagern auf. An der Unterseite des Wasserspeiers
den Sedimentschichten, die dann zur Ablösung          finden sich am Fell Mürbestellen im Gefüge, die zu
dieser durchbrochen ausgearbeiteten Körper-           einer flächigen Absandung führen (Abb. 72) . Dieses
teile geführt hat (Abb. 70). Die fortschreitende      Schadensbild ist am Gipsabguss noch nicht zu
Verwitterung innerhalb des Sedimentgefüges zeigt      erkennen und zeigt das Fortschreiten von Oberflä-
sich auch an der ausgearbeiteten Wasserrinne.         chenverlust. In dem zum massiven Mauerverbund
Die dünne Wandung hat bereits einige größere          des Pfeilers angrenzenden Bereich befinden sich
Fehlstellen und Risse. Auch gibt es hier ältere       vor allem an der Ober- und Unterseite feste Ablage-
Reparaturmaßnahmen mit zementhaltigem Mörtel          rungskrusten.
und Reaktionsharzen (Abb. 71). Am Gipsabguss ist

                Abb. 70 Schichtbildung, Abrisskanten und Fehlstellen

                Abb. 71 Risse und ältere Reparaturmaßnahmen

                                                    35
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder

           Abb. 72 Absandung an der Unterseite

Auf Grundlage dieser Befunde und Erkenntnisse            Von diesem Zustand wurde mittels eines Scanners
wurde über das weitere Vorgehen diskutiert. Zum          eine hochaufgelöste Punktewolke erstellt auf der
einen war der Wunsch diesen mittelalterlichen            alle Details erkennbar und festgehalten sind. Die
Wasserspeier möglichst schonend zu behandeln             Untersuchungen zeigten, dass die Risse keine
und ohne verändernde Eingriffe vor Ort erhalten          kritische Tiefe erreichten und ein Erhalt vor Ort
zu können. Zum anderen musste aber gewähr-               durch entsprechende konservierende Maßnahmen
leistet werden, dass die notwendigen Maßnahmen           möglich ist. Auch die Standsicherheit kann mit
durchgeführt werden, die das Objekt vor Zerfall          minimal invasiven Eingriffen wieder hergestellt
und Steinabsturz sichern. Ein Ausbau und Einla-          werden.
gern im Depot der Münsterbauhütte würde diesen           Nach einem weiteren Reinigungsvorgang im
Wasserspeier zwar zukünftig gegen Witterungsein-         Mikrosandstrahlverfahren wurden vorsichtig die
flüsse schützen, kann aber nicht ohne Schädigung         Krusten ausgedünnt, ohne dabei die vorhandenen
oder Abspaltung des vermauerten Einbinderklotzes         Farbreste zu schädigen. Die Sicherungsarbeiten
gelingen. Dieser im eingebauten Zustand unsicht-         bestanden im Wesentlichen in der Einbringung von
bare, aber auch unverzichtbare Teil eines Wasser-        vier Titannadeln mit einem Durchmesser von vier
speiers dient mit der gleichen Masse wie der auskra-     mm und einer Einbindetiefe von 6,5 cm bis 8 cm
gende Teil als Gegengewicht und hält die Skulptur        sowie der kraftschlüssigen Verfüllung sämtlicher
im Mauerwerk im Gleichgewicht. Weitere Veranke-          Risse mit Mikrozement (Abb. 73-77). Die Bruch-
rungen sind dadurch nicht notwendig. Abgesehen           flächen und aufgewitterten Oberflächenbereiche
vom Materialverlust, den ein Ausbau zwangsläufig         sowie die Mürbezonen im unteren Bereich wurden
mit sich bringen würde, wäre das Original auch           mit Kittungsmassen überarbeitet und in kleinen
nicht mehr an seinem ursprünglichen Standort und         Dosen (insgesamt 700ml) mit dem Kieselsäure-
müsste durch eine Kopie ersetzt werden.                  esther F300 nachgefestigt. Gefestigt wurden auch
Um zu klären, ob mit Hilfe von konservierenden           die Klebefugen der verfüllten Risse (Abb. 78).
Maßnahmen der Wasserspeier gesichert und vor             Abschließend wurde die Rinne mit Walzblei ausge-
Ort erhalten ist, wurde er zunächst sorgfältig gerei-    kleidet und von oben zur Abdichtung zugelötet
nigt. Bewuchs und Verschmutzungen wurden von             (Abb. 79). Auf Vierungen und sonstige steinerne
der Oberfläch entfernt, damit der tatsächliche           Ergänzungen wurde bewusst verzichtet (Abb. 80).
Zustand des Gesteinsgefüges wieder sichtbar wird.

                                                        36
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder

Abb. 73 Rissverfüllung am Kopf des Wasserspeiers           Abb. 74 Verfüllte Risse mit Mikrozement am Kopf des
                                                           Wasserspeiers

                 Abb. 75 Injektionsschläuche zur Einführung von Mikrozement im Bereich
                 der Rinne

                 Abb. 76 Mit Mikrozement verfüllte Risse

                                                      37
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder

              Abb. 77 Kraftschlüssige Rissverfüllungen im unteren Bereich

              Abb. 78 Nach Abschluss der steinkonservatorischen Maßnahmen

              Abb. 79 Walzbleiverkleidung der Rinne

                                                  38
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder

Abb. 80 Zustand nach der Konservierug

                                        39
Uwe Zäh ■ Strebesystem 1/2

2.4 Strebesystem 1/2

Neben dem Pfeiler 0/1 befindet sich Richtung            den Fugen. Fehlstellen wurden so ergänzt, dass
Osten der Pfeiler 1/2, dessen Aufsatz in diesem         sich die noch erhaltenen Kreuzblumen wieder
Jahr saniert wurde. Zunächst wurde auch hier mit        darauf versetzen ließen. An den Stellen, an denen
der Vorreinigung begonnen, bei der mit leichtem         die Kreuzblume fehlte, wurde der Giebel nach
Wasserdruck die gröberen Schadstoffe, Flechten          oben geschlossen und damit gegen eindringendes
und wasserlöslichen Beläge entfernt wurden.             Wasser geschützt (Abb. 81–88).
Nach der Untersuchung durch die Farbrestaura-
toren folgte dann eine Reinigung im Niederdruck-
Sandstrahlverfahren.      Die     wasserunlöslichen
Beläge wie Gipskrusten wurden dabei weiter
reduziert. Farbbefunde wurden in diesem Bereich
nicht gefunden.
Im Gegensatz zum benachbarten Pfeileraufsatz
0/1, an dem lediglich die bekrönende Kreuzblume
fehlt, gibt es an diesem Aufsatz mehrere Lücken. Es
fehlen einige Steine, die im Laufe der Zeit verloren
gegangen sind oder vorsorglich abgenommen
werden mussten.
Leider sind im Lapidarium weder einzelne
abgebaute Steine noch Fragmente davon erhalten,
die für eine eventuelle Neufertigung als Vorlage
genutzt werden könnten. Aus dieser Ausgangslage
wurde das eingangs beschriebene Sanierungskon-
zept entwickelt, das sich nur auf den Erhalt des
noch Bestehenden konzentriert.
Der Aufsatz besteht aus einem Plattensandstein,
                                                        Abb. 81 Kielförmige Giebelbekrönungen, Nordseite
der dem Allmendsberger Sandstein ähnelt. Deshalb
wurde für Vierungen an diesem Stück Allmends-
berger Material vom Gesims des benachbarten
Pfeilers wiederverwertet, das sich gut in diesen
Bestand aus dem 17. bzw. 18. Jahrhundert einfügt.
Vierungen wurden an den Stellen eingesetzt, die
entweder größere Mörtelantragungen erfordert
hätten, oder die für den Wasserablauf unbedingt
notwendig sind. Die steinernen Ergänzungen
entsprechen dem umgebenden Sandsteinmate-
rial und sind deutlich beständiger als Antragungen
mit Mörtel. Ein inzwischen eingeübtes Verfahren,
das sich durch die Kleinteiligkeit dem Gesamtbild
unterordnet, ohne es zu stören.
Eine besondere Herausforderung waren die
Vierungen für die vier kielförmigen Giebelbekrö-
nungen. Diese Bekrönungen der Blendmaßwerke
waren, auch bedingt durch einen schadensträch-
tigen Fugenschnitt, geschädigt oder nicht mehr          Abb. 82 Steinergänzungen an den Kielbögen
tragfähig für die Bekrönung. Wasser floss über die
Pfeilerflächen und löste teilweise den Mörtel aus

                                                       40
Uwe Zäh ■ Strebesystem 1/2

Abb. 83 Vorzustand der Süd-Östlichen Aufsatzflächen

Abb. 84 Dieselbe Stelle während der Ausarbeitung von Aussparungen für Vierungen

                                                      41
Uwe Zäh ■ Strebesystem 1/2

                  Abb. 85 Reparatur an einer Pfeilerecke

                  Abb. 86 Vorbereitete Vierung, Ost

                  Abb. 87 Eingebaute Vierung, Ost

                                                 42
Uwe Zäh ■ Strebesystem 1/2

                     Abb. 88 Zum Wiederversetzen vorbereitete Giebelbekrönungen

Beim Tausch einer stark zurückgewitterten bauzeit-
lichen Vierung fanden sich an den Flanken völlig
intakte Schmelzkleberfugen aus Harzmischungen,
die bis heute intakt geblieben sind (Abb. 89). Auch
bei einem der Abdecksteine wurde beim Ausar-
beiten einer Aussparung eine bauzeitliche, mit
Naturharz eingeklebte Vierung sichtbar (Abb. 90).

                                                       Abb. 89 Historische Vierung mit Resten von Naturharz-
                                                       kleber

                      Abb. 90 Bauzeitliche, mit Naturharz eingeklebte Vierung

                                                      43
Uwe Zäh ■ Strebesystem 1/2

Dies ist eine sehr interessante Entdeckung, da          wurden als Bauspuren erhalten und nur die einge-
derzeit zu diesem mittelalterlichen Klebeverfahren      arbeiteten Laschenlöcher mit Antragmassen
im Rahmen eines Forschungsprojektes die Rezep-          verfüllt. Das Blei mit dem die Klammern in den
turen dieser alten und bewährten Klebungen              Stein eingebunden sind, wurde überall vorsichtig
entschlüsselt werden sollen, mit dem Ziel, sie          nachgestemmt, um die Verbindung wieder
wieder nachzubauen. Dazu werden auch Proben             möglichst dicht zu bekommen. Der Mauerverband
vom Freiburger Münster aus unterschiedlichen            des Pfeileraufsatzes ist trotz der herausgenom-
Bauzeiten und auch von diesem Pfeiler untersucht        menen Klammern immer noch ausreichend stabil,
und ausgewertet.                                        so dass zusätzliche Verankerungen nicht nötig
Nachdem vor Ort die Vierungen geschlagen und            waren.
eingepasst wurden, überarbeitete das Restaura-          Unterhalb des Pfeileraufsatzgesimses wurde
torenteam die Oberflächen. Kleine Fehlstellen,          die Farbbefundung im Bereich der Blattfriese
Ausplatzungen, Schalen oder Löcher im Stein             und Wasserspeier abgeschlossen, ebenso an
wurden mit den hauseigenen Kieselsol-/Sandmi-           den Figurentabernakeln und Aposteln, die nun
schungen und Hinterfüllmassen auf Mikrozement-          ebenfalls untersucht und vorgereinigt sind (Abb.
basis repariert. Die Oberflächen sind nun wieder        93, 94).
verschlossen und gegen eindringendes Wasser             Die Abdecksteine für den Strebebogen wurden
geschützt (Abb. 91). Sämtliche Maßnahmen                überarbeitet, einige davon mit neuen Lilien ergänzt
werden dokumentiert (Abb. 92).                          und mit Edelstahl-Gewindedübel und Steinsiliat-
Wie am Pfeiler 0/1, gibt es auch hier das Problem       kleber befestigt (Abb. 95).
mit verbleiten Eisenklammern, die meist an den          Anschließend wurden alle vervollständigten
Stellen wo die Laschen in den Stein einbinden,          Abdecker konservatorisch überarbeitet und
korrodieren und zu Rostsprengungen führten. In          versetzfertig eingelagert (Abb. 96, 97).
diese Risse dringt Wasser ein, was die treibende
Rostbildung beschleunigt. In diesen Fällen
wurden die Klammern entweder abgetrennt oder
vollständig entfernt. Die Klammereinkerbungen

Abb. 91 Die Flächen werden konservatorisch nachbear-    Abb. 92 Dokumentation der Maßnahmen
beitet

                                                       44
Uwe Zäh ■ Strebesystem 1/2

Abb. 93 Farbbefundung und Vorreinigung der Figuren-      Abb. 94 Reinigung der Apostelfiguren
tabernakel

Abb. 95 Ergänzungen einer Lilie auf einem Abdeckstein   Abb. 96 Konservierungsmaßnahmen am Abdeckstein

                          Abb. 97 Abschließende Nachbehandlung

                                                        45
freiburger
                                         münster
                                         bauhütte                                                    RENAISSANCEVORHALLE

                            3. RENAISSANCEVORHALLE
                            3.1 Konservierende Arbeiten

                            Die seit dem Jahr 2017 laufenden Untersuchungen         den Jahren 2018 und 2019 wieder abgenommen
                            führten abschließend im Sommer 2020 zur Restau-         bzw. stark reduziert worden.
                            rierung und Konservierung der Maßwerkbrüstung           Messungen zur Bestimmung des Wasseraufnah-
                            der Renaissancevorhalle.                                mekoeffizienten wurden vor- und nach Abnahme
                            Zuvor wurde eine Schadenskartierung angefer-            der Silikonharzfassung (Strahlverfahren) vorge-
                            tigt. Zusätzlich wurden Messungen zur kapillaren        nommen.
                            Wasseraufnahme an unterschiedlichen Stellen der         Dabei stelle sich heraus, dass die Maßwerkbrüs-
                            Renaissancevorhalle vorgenommen (Abb. 98).              tung kein oder nur sehr gering kapillar Wasser
                            Die Eck- und Zwischenpfosten der Balustrade             aufnimmt. Silikon- und Ölreste befinden sich nach
                            wurden von der Münsterbauhütte neu geschlagen           wie vor im Porenraum des Natursteines. Diese
                            und ausgetauscht. Die stark geschädigten Origi-         wurden durch einen Farbauftrag eingebracht. Die
                            nale wurden vor dem Austausch für den Transport         Renaissancevorhalle selbst hatte höchstwahr-
                            notgesichert. Dies geschah mit einem Gitterge-          scheinlich immer eine Fassung.
                            webe und dem temporären Festigungsmittel Cyklo-         Durch Bewegungen im Bauwerk unterschiedlichster
                            dodekan (Abb. 99). Dieses ist ein Material, welches     Herkunft (ungenügender Baugrund, schwere
                            von seiner festen Form direkt in die gasförmige         Fahrzeuge, die vor der Vorhalle durchfahren, hygri-
                            Form übergeht, also sublimiert.                         sche und thermische Dehnung) entstehen Risse in
                            Die Silikonharzfarbe, welche im Jahr 2003 auf der       den Fugen.
                            Maßwerkbrüstung aufgebracht wurde, ist bereits in
ARBEITSDOKUMENTATION 2020

                            Abb. 98 Prüfröhrchen zur Messung der kapillaren Was-    Abb. 99 Notsicherung für Transport oben links
                            seraufnahme

                                                                                   46
Luzius Kürten ■ Konservierende Arbeiten

Über diese defekten Fugen wandert Feuchtigkeit
ins Innere des Steines. Die Abtrocknung erfolgte
nur sehr langsam, da die Oberflächen mehrfach
mit wasserabweisenden Mitteln behandelt wurden.
Somit bleibt Nässe über einen längeren Zeitraum
im Steingefüge und verursacht Schäden. Es kam
zur Salzbildung hauptsächlich zur Sulfatanrei-
cherug (Gips) im Steingefüge und die damit verbun-
denen Druckschäden, wenn Salze ihre Aggregat-
form ändern. Hinzu kamen noch die Frostschäden
im Winter (Abb. 100, 101).
Absandende Bereiche wurden im Vorfeld mit Kiesel-
säureester 300 partiell gefestigt. Appliziert wurde
der Festiger mit Spritze und Kanüle. Dies geschah
für die darauf folgenden Mörtelantragungen, damit
der Untergrund genügend stabilisiert wird.
Die Fehlstellen und Fugen wurden mit einem
herkömmlichen Restauriermörtel geschlossen.
Aufgrund der nicht zu unterbindenden Bewegungen
im Bauwerk wurde ein acrylatvergüteter Mörtel mit
niedrigem E - Modul verwendet.
Zuerst wurden die Fehlstellen innerhalb der
Maßwerke ausgebessert und danach die Fugen
geschlossen (Abb. 102, 103).
Die Renaissancevorhalle wird zukünftig einem          Abb. 100 Schadensbild im vollem Ausmaß von 2019
exakten Monotoring unterzogen. Dies ist zwingend
notwendig, da dieses Bauwerk aufgrund seiner
Bauweise, seiner Bewegungen, der extremen
Salzanreicherung in der Sockelzone sehr empfind-
lich ist und viel Pflege bedarf.
Ganz in diesem Sinne wurde auf einen neuen
Fassungsauftrag in der Brüstungszone verzichtet
und die Steine wurden mit einer neuen Kupferab-
deckung vor Witterungseinflüssen geschützt, um
dieses Kleinod am Münster zu erhalten.

                                                       Abb. 101 Defekter Masswerkbereich vor der Restaurie-
                                                       rung

                                                  47
Luzius Kürten ■ Konservierende Arbeiten

                      Abb. 102, 103 Maßwerkbrüstung im restaurierten Endzu-
                      stand

                      Abb. 103

                                               48
Uwe Zäh ■ Steinmetzarbeiten

3.2 Steinmetzarbeiten

Abb. 104 Leichtbaugerüst

In diesem Jahr wurden die bereits 2017/2018 neu     (Abb. 108, 109). Danach erfolgte der Austausch
gefertigten Gliederungspfosten der Maßwerkbalus-    der Pfostensteine in mehreren Abschnitten, um
trade eingebaut. Dazu wurde ein Schnellbaugerüst    die Stabilität der Gesamtkonstruktion nicht zu
gestellt, über das die ganze Länge der Balustrade   gefährden: zunächst der Aus- und Einbau der fünf
erreichbar war. Der Materialtransport fand über     Steine an der Südwestecke und anschließend jene
eine elektrische Winde durch einen Schacht auf      der Südostecke. Danach wurden die beiden Pfosten
der Ostseite des Gerüstes statt (Abb. 104).         der Südseite ausgetauscht und ganz zum Schluss
Vor dem Ausbau wurden die Schadstellen der          die Reliefsteine, die an das romanische Mauerwerk
Gliederungssteine gegen weitere Zerstörung          des Querhauses angrenzen.
gesichert.
Um die Stücke schadfrei auszubauen, wurden die
Kupferklammern der Maßwerkgesimse aus dem
Jahr 2005 zunächst mit einem Winkelschleifer
durchtrennt (Abb. 105) und anschließend die
Bleifugen mit einer Pendelhubsäge zerspannt
und freigelegt (Abb. 106). Um die Klammerlöcher
durch den erneuten Wiederausbau nicht durch
Bohren noch mehr zu schwächen, kam ein Acety-
lenbrenner zum Einsatz, mit dem das Blei heraus
geschmolzen wurde (Abb. 107). Anschließend
wurden die Gesimssteine vorsichtig abgebaut

                                                49
Uwe Zäh ■ Steinmetzarbeiten

   Abb. 105 Auftrennen der Fugen mit Winkelschleifer

   Abb. 106 Lösen der Kupferklammern

                                                   50
Uwe Zäh ■ Steinmetzarbeiten

Abb. 107 Ausschmelzen der verbleiten Klammern

Abb. 108 Abbau Gesimssteine

Abb. 109 Pfosten Südwestecke vor dem Ausbau

                                   51
Uwe Zäh ■ Steinmetzarbeiten

Die Aufstandsfläche der Südwestecke zeigte keine      ckung wurden sie von innen und außen zusätzlich
Schäden, so dass die neu gefertigten Pfostensteine    noch seitlich eingeschlitzt, so dass sich auch die
ohne zusätzliche Maßnahmen auf den Unterbau           Standfläche weiter verkleinert hat. Hier wurden zur
montiert werden konnten.                              Wiederherstellung eines festen Untergrundes neue
Beim Freilegen der Südostecke zeigte sich, dass die   Steine aus Lahrer Material gefertigt und eingebaut
Aufstände für die Pfosten mehrfach zertrümmert        (Abb. 111). Die neuen Steine des Aufstandes und
waren (Abb. 110). Grund war die starke Aushöhlung     auch die Pfosten wurden mit Romanzement Mörtel
der Steine für die Klammerverbindungen unterein-      vergossen und untereinander wieder mit einge-
ander und für die Dübellöcher der darauf sitzenden    mörtelten Kupferklammern verkettet (Abb. 112).
Pfostensteine. Auch waren sie nach unten verdü-       Darauf dann die Gesimssteine wieder platziert und
belt und für eine Wasserableitung unterhöhlt. Für     ebenfalls wieder mit Kupferklammern – hier jetzt
die im Jahr 2005 angebrachte kupferne Dachde-         im Bleigussverfahren – verbunden (Abb. 113, 114).

                 Abb. 110 Zertrümmerter bauzeitlicher Aufstand der Südostecke

                 Abb. 111 Neues Auflager Südostecke

                                                   52
Uwe Zäh ■ Steinmetzarbeiten

Abb. 112 Neue Pfostensteine der Südostecke

Abb. 113 Einbleien der neuen Kupferklammern am Gesims

Abb. 114 Nacharbeiten der neuen Kupferklammern am Gesims

                                   53
Uwe Zäh ■ Steinmetzarbeiten

Der Austausch der mittleren Pfosten der Südseite      durch eine neue mit einer verbesserten Unterkon-
erfolgte mit großer Vorsicht, um die angrenzenden     struktion und verlöteten Stoßkanten ersetzt. Sie
filigranen Maßwerkstücke nicht zu schädigen (Abb.     dient dazu, die horizontalen Fugen gegen eindrin-
115-117), ebenso die Randpfosten, die an die          gendes Wasser zu schützen (Abb. 121-123).
Querhauswand anstoßen (Abb. 118, 119).                Die Arbeiten konnten trotz großer Hitze und trotz
Abschließend wurden alle Fugen verschlossen und       der Umstände, die die        Infektionsschutzmaß-
die Maßwerkfelder steinkonservatorisch überar-        nahmen mit sich brachten, wie geplant Ende
beitet (Abb. 120).                                    August abgeschlossen werden.
Die im Jahr 2017 montierte provisorische Kupfer-
abdeckung über den Maßwerkgesimsen wurde

                        Abb. 115 Ausbau Pfostenstein Südseite

                        Abb. 116 Ausbau Pfostenstein Südseite

                        Abb. 117 Neuer Pfostenstein Südseite

                                                 54
Sie können auch lesen