Freiburger münster bauhütte - Freiburger ...
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freiburger münster bauhütte INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis ■ Vorwort 2 ■ Lageplan der Baustellen 2020 3 ■ 1. Chor - Südseite 4 1.1 Marienportal/ Stürzelkapelle, Joche 10 und 11 1.2 Strebepfeileraufsatz 13/14 1.3 Kapellenpfeileraufsatz 14 Süd ■ 2. Langhaus Nord 23 2.1 Übersicht Sanierungsmaßnahmen 2.2 Strebesystem 0/0 und 0/1 2.3 Konservierung Wasserspeier Widder Strebepfeiler 0/1 2.4 Strebesystem 1/2 ■ 3. Renaissancevorhalle 46 3.1 Konservierende Arbeiten 3.2 Steinmetzarbeiten ■ 4. Farbbefundungen 57 4.1 Langhaus Nord 4.2 Langhaus Süd 4.3 Sakristei 4.4 Chor 10 und 11 ■ 5. Sonstiges 61 5.1 Monitoring 5.2 Ausbildung in der Münsterbauhütte 5.3 FSJ in der Münsterbauhütte 5.4 Vernetzung – Taubenvergrämung 5.5 Laserscanverfahren zur 2-D und 3-D Plandarstellungen 5.6 Bauhüttenwesen als Teil des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO 5.7 Gewölbereinigung 5.8 Christbaumständer für das Münster ■ Anhang 79 Kartierungen 1
freiburger münster bauhütte VORWORT ■ YVONNE FALLER VORWORT Im Rückblick auf das Jahr 2020 ist festzustellen, Ganz im Gegensatz dazu wurden für den Strebe- dass trotz der Einschränkungen durch den Infek- pfeiler 13/14 am Chor zahlreiche neue Stücke tionsschutz gegen Corona und; entgegen unserer entworfen und gefertigt. An dieser für alle Betei- Befürchtung; vieles geschafft und geschaffen ligten neuen Aufgabe ist inzwischen ein großer Teil werden konnte. der Bauhütte mit großem Engagement beteiligt. Die Sanierung der Renaissancevorhalle wurde Das Spektrum der zu fertigenden Steine reicht von abgeschlossen, indem die neuen Gliederungs- riesigen Blöcken bis zum zierlichsten Blattwerk. pfosten der Brüstung eingebaut und deren Inzwischen ist ungefähr ein Drittel des Strebepfei- Maßwerkfelder konservierend behandelt wurden. leraufsatzes gefertigt, bzw. in Arbeit. Dieses Kleinod am Münster wird jedoch ein Neue Wege geht die Bauhütte auch bei der Bestand- Sorgenkind bleiben, da es durch Bewegungen im serfassung. Gemeinsam mit der Fa. dotscene Untergrund stark belastet ist und einer ständigen wurde über ein neuartiges Laserscanverfahren Überwachung und Pflege bedarf. das gesamte Bauwerk des Münsters präzise in 3-D Auf der Nordseite des Langhauses wurde im erfasst. Aus diesen Aufnahmen können nun die Schutz des großen Gerüstes und mit viel Sorgfalt Unterlagen zur Arbeitsvorbereitung und Dokumen- die bauzeitliche Substanz des Strebesystems der tation mit höchster Genauigkeit erstellt werden. westlichen Joche gereinigt, untersucht und konser- Diese vielfältige und konstante Arbeit der Freiburger viert. Da der Bauschmuck auf der Nordseite nicht und weiterer 17 Bauhütten wurde im Dezember so zierlich und reichhaltig gestaltet ist wie auf der 2020 durch die UNESCO ausgezeichnet, indem das Südseite, hat er der Witterung bedeutend länger Europäische Bauhüttenwesen in das internationale standgehalten. Nur an wenigen Stellen wurden Register „Guter Praxisbeispiele“ des Immateriellen einzelne Stücke wie Kreuzblumen oder Lilienauf- Kulturerbes aufgenommen wurde. sätze neu geschlagen. Das Augenmerk richtete sich Diese Anerkennung ist für die Bauhütte Ehre und hauptsächlich auf die Reparatur von wasserablei- Ansporn zugleich, die Arbeit mit größtem Engage- tenden Gesimsen und die konservierende Behand- ment weiterzuführen. lung der Oberflächen. Bildhauer bei der Arbeit an einer Kreuzblume für den Strebepfeileraufsatz am Chor 2
Lageplan der Baustellen 2020 Nordansicht 1. Langhaus (Nord), Strebesystem 0/0, 0/1, 1/2 1 Südansicht 1. Chor, Kapellenpfeileraufsatz 14 2. Marienportal/Stürzelkapelle 3. Chor, Strebepfeileraufsatz 13/14 4. Renaissancevorhalle 3 1 4 2 3
freiburger münster bauhütte CHOR SÜDSEITE ■ UWE ZÄH 1. CHOR - SÜDSEITE 1.1 Marienportal/ Stürzelkapelle, Joche 10 und 11 Mit einer auskragenden Erweiterung wurde im März mit Roman Zement Fugenmörtel geschlossen. Vor 2020 auch das Marienportal mit seinem Maßwerk- Einbau der Fensterscheiben erfolgte noch eine couronnement am Südlichen Choreingang in das farbbefundende Reinigung im Mikrosandstrahl- schon seit längerem bestehende Gerüst einbe- verfahren, bei der Beläge und Krusten gedünnt zogen (Abb. 1). Sanierungsarbeiten des Erzbi- wurden (Abb. 2). schöflichen Bauamtes im Inneren erforderten Oberhalb der linken Wand dieses Bereichs wurden einen Ausbau der Fensterscheiben und Freilegung im vergangenen Jahr 2019 zwei Maßwerkbrüs- der Maßwerke. Wie an fast allen anderen Chorka- tungen der Chorplattform ausgebaut. Diese pellenfenstern gibt es auch hier baulich bedingte konnten nun wieder neu eingesetzt werden. Eines Verschiebungen der einzelnen Steine, die zu davon konnte konserviert, das andere musste neu Kantenpressungen und Abplatzungen führten. Um geschlagen werden. den Verbund der Maßwerke zu stabilisieren, wurde die Bleifuge nachgestemmt. Offene Fugen wurden ARBEITSDOKUMENTATION 2020 Abb. 1 Die Gerüsterweiterung um das Marienportal und Abb. 2 Farbbefundung und Reinigung der Fenster- den Fensterbereich maßwerke im Niederdruckverfahren 4
Uwe Zäh ■ Marienportal/Stürzelkapelle Das rechte der beiden Maßwerke war stark aufge- und Klebefugen mit Kittungsmassen verschlossen lagert und hatte Risse durch quellende Tongallen und das gesamte Maßwerk mit Kieselsäureesther und eisernen Klammerverbindungen, die zu Abplat- durchdringend gefestigt (Abb. 3, 4). zungen führten. Nach dem Ausbau wurde es auf Nach einer Ruhezeit von über drei Monaten, in dem Werkgelände mit Edelkorund im Mikrosand- der die Wirkstoffe ausreagieren konnten, kam das strahlverfahren gereinigt und die nun deutlicher zu Maßwerk in die Steinwerkstatt, um die geplanten erkennenden Schäden nachkartiert. Eine Referenz- Vierungen einzupassen. Eine bereits vorhandene stelle belegt den Vorzustand. Anschließend wurde bauzeitliche und mit Naturharz verklebte Vierung mit konservierenden Methoden das Steingefüge hatte sich gelöst und wurde neu mit Steinsilikat- gesichert und mit wenigen Titangewindedübeln kleber befestigt. Zusätzlich sollte das Maßwerk an und Mikrozementverfüllungen die Risse kraft- der Standfläche eine große und in einer oberen schlüssig überbrückt. Danach die Mürbezonen Ecke eine kleine neue Vierung erhalten (Abb. 5, 6). ← Abb. 3 Rückansicht des gleichen Maßwerkfeldes mit Abb. 4 Die Vorderseite des rechten Maßwerkfeldes. Abplatzungen an den Klammerverbindungen Rechts im Ornament ist deutlich die dunkle Referenz- stelle des ungereinigten Vorzustandes zu erkennen. Abb. 5 Die Stoßflächen für die Vierung der Standfläche Abb. 6 Die Vierung für die Standfläche werden herausgearbeitet 5
Uwe Zäh ■ Marienportal/Stürzelkapelle Durch die geometrische Gestaltung der großen Vierung wird das Werkstück mit dem Maßwerk verzahnt und macht dadurch eine zusätzliche Verklammerung überflüssig. Lediglich am Maßwer- krahmen wurde ein kurzer kupferner Steckdübel verankert, damit die Klebung durch das spätere steinmetzmäßige Anarbeiten entlastet wird. Schritt- weise wurde diese Vierung millimetergenau einge- passt und mit Steinsilikatkleber verklebt (Abb. 7-9). In gleicher Weise aber mit weniger Aufwand bei der Anpassung wurde die kleinere Vierung in der oberen Ecke eingefügt (Abb. 10, 11). Das linke der beiden Maßwerke war in einem sehr schlechten Zustand. Da es sich direkt über dem Eingang zur Sakristei befindet, wurde es aus Sicherheitsgründen neu gefertigt ( siehe AD 2019). Abb. 7 Millimetergenau wird die Vierung eingepasst Abb. 8 Vierung trocken eingesetzt und überprüft Abb. 9 Das Maßwerk wird für die Klebung vorbereitet, die Flanken gegen Verunreinigung mit Folien isoliert 6
Uwe Zäh ■ Marienportal/Stürzelkapelle Abb. 10/11 Die Vierung der oberen Ecke Abb. 11 Ausgehend vom Original von 1758, wurden über ein gezeichnetes Volumenmodell die Schablonen abgeleitet (Abb. 12). Das neue Maßwerk wurde in dem Tennenbacher Material vom Langauweg gefertigt. Dabei wurden auch die Oberflächenbe- arbeitung und die beiden Wappenkartuschen mit der Inschrift „Anno 1758“ übernommen (Abb. 13). Zum Anpassen des Rahmenprofiles der Standflä- chenvierung im rechten Maßwerkfeld werden die beiden Maßwerkstücke in der Werkstatt zusam- mengestellt (Abb. 14, 15). Auch die Abdeckungen der beiden Maßwerke wurden neu gefertigt, da die Tropfkanten so stark zurückgewittert waren, dass diese über Vierungen Abb. 12 Das linke Maßwerk wird aufgerissen nicht mehr zu reparieren waren (Abb. 16, 17). Abb. 13 Das linke Maßwerk neu geschlagen 7
Uwe Zäh ■ Marienportal/Stürzelkapelle Abb. 14 Vorderansicht der beiden Maßwerkstücke Abb. 15 Rückansicht der beiden Maßwerkstücke Abb. 16 Das Profil einer neuen Abdeckung Abb. 17 Eingebaute Maßwerkstücke mit neuen Abdeck- steinen 8
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 1.2 Strebepfeileraufsatz 13/14 Strebepfeileraufsatz 13/14 Süd Arbeitsstand 2020 Helm Bekrönung - Oberer - Quadratischer - Fialenbereich Steine in Arbeit Oberer - gefertigt Quadratischer - Fialenbereich Bekrönung - Mittlerer - Polygonaler - Fialenbereich Mittlerer - Polygonaler - Fialenbereich Dach Sockel U. Zäh, Dez. 2020 Abb. 18 Die wichtigsten Bauteilbezeichnungen und Werksteine in Bearbeitung Die Arbeit an der Schaffung eines würdigen Umsetzungen in Modelliermaterial und Anfertigung Nachfolgers für den Strebepfeileraufsatz 13/14 am mehrerer Alternativen. Das ständige und gemein- südöstlichen Chorpolygon war auch in diesem Jahr same Besprechen, Probieren und Vergleichen führt eine große Herausforderung für die Münsterbau- zu einer neuen Qualität, die auch das handwerk- hütte. Nahezu das gesamte Team aus Steinmetzen liche Können und die Arbeitsweise der ganzen und Steinbildhauern ist inzwischen in das Projekt Bauhütte widerspiegelt. mit eingebunden. Es stellt für alle eine neue Heran- Ohne die enge Zusammenarbeit und das Vertrauen gehensweise dar, da das Erarbeiten eines Werkstü- der Denkmalpflege wäre dieses Vorgehen nicht ckes nicht wie gewohnt anhand einer Kopie eines möglich. So war es auch die Initiative der Denkmal- ausgebauten Werkstückes erfolgt, sondern die zu pflege, im Rahmen eines sog. Expertengesprächs schlagende Form erst entwickelt werden muss. eine Lösung für den Erhalt, der im 19. Jahrhun- Dies geschieht in einem Prozess in mehreren dert gefertigten, aber stark zerstörten Pfeilerauf- Stufen und in ständiger Abstimmung und Überar- sätze am Chor zu erarbeiten. Dieses fand am 30. beitung von skizzenhaften Entwürfen, ersten Januar 2015 in den Räumen der Münsterbau- 9
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 hütte statt und war damit die Fortführung einer Eine Kopie würde auch bedeuten, die Schadensur- Fachdiskussion, die bereits 1938 geführt wurde. sache (Steinschnitt) gleich wieder miteinzubauen. Damals, am 1. April 1938 wurde in einer Gutach- Die Expertenkommission empfahl der Bauhütte, terkommission von Münsterbaumeistern und Archi- den Versuch mit einem ersten Strebepfeilerauf- tekten aus Ulm, Darmstadt, Köln und Freiburg über satz zu wagen. Der Prototyp könne dann in diesem die Sanierungsmaßnahmen am Chor diskutiert Gremium besprochen und bewertet werden, um und man hielt fest: „Zu den Strebepfeileraufsätzen das Vorgehen bei weiteren Strebepfeileraufsätzen … vertreten wir die Auffassung, dass diese sämtli- auf besserer Grundlage zu entscheiden. chen ruinenhaften Aufbauten des XIX Jahrhunderts Basierend auf dieser Grundsatzempfehlung abgetragen werden sollen“. und weiteren vertiefenden Gesprächen mit der Glücklicherweise wurde diese Maßnahme nicht Denkmalpflege wurden ergänzend Kriterien für die umgesetzt, aber die Sanierung dieser Aufsätze sog. „nachbildende Neuschöpfung“ entwickelt. So ist eine Aufgabe, die seither ansteht und die aus sollte das prinzipielle Erscheinungsbild erhalten Gründen der Sicherheit nicht mehr weiter aufge- bleiben, d.h. Größe und Komposition des Originals schoben werden kann. Es stellte sich „nur“ die sollten aufgenommen werden. Die Gestaltung des Frage, wie eine denkmal- und fachgerechte Sanie- Bauschmucks sollte dagegen als Eigenentwicklung rung aussehen könnte. des 21. Jahrhunderts erkennbar werden, ohne sich Im Rahmen des von Prof. Hubert moderierten allzu deutlich vom gotischen Formenrepertoire zu Expertengesprächs wurden von Hans-Rudolf entfernen. Meier aus Weimar, Andreas Huth aus Magdeburg, Seit einigen Jahren werden die Theorien sukzes- Barbara Schock-Werner aus Köln, Marc Schurr sive umgesetzt. Zunächst wurde die Gesamtkons- aus Straßburg und Gerd Weiß aus Wiesbaden truktion im Hinblick auf den Fugenschnitt so verän- unterschiedliche Aspekte zum Thema vorgetragen dert, dass das Eindringen von Wasser verhindert und diskutiert. Die Münsterbauhütte erläuterte wird. Durch diese Veränderung, die mit Hilfe eines ausführlich die Baugeschichte, die Entwicklung und digitalen und ausgedruckten 3D Modells festgelegt den aktuellen Zustand der Substanz. Bei diesem wurde, ergeben sich bei der Ausführung trotzdem Treffen entstand ein erstes Rahmengerüst für ein immer wieder Detailfragen, die die handwerkliche Lösungskonzept, das fortlaufend weiter ausgebaut Umsetzbarkeit betreffen und ein weiteres Anpassen werden sollte. „Man ist hier ja in einer Situation, der Fugenanordnung erfordert. Seit 2018 erfolgt wo es den Königsweg nicht gibt“ (Marc Schurr). die Umsetzung in Stein, beginnend mit den großen Die grundlegendste Frage war die, ob überhaupt Werkstücken des Schaftes (Abb. 18). und wenn ja, in welcher Form die teilweise bis zur Neu auf den Werkbänken liegen seit diesem Jahr Unkenntlichkeit verwitterten Strebepfeileraufsätze 2020 drei große Quader für die unterste Schicht ersetzt werden sollen. Zumal diese erst im 19. des Pfeileraufsatzes zur Bearbeitung (Abb. 19, 20). Jahrhundert geschaffen wurden, einer Bauepoche, Die im letzten Jahr begonnenen Werksteine der die bis vor Kurzem wenig Wertschätzung erfahren darüber liegenden Schicht konnten in diesem Jahr hatte. Inzwischen hat sich dies geändert und man fertiggestellt werden (Abb. 21-24). erkennt in vielen Bereichen die eigenständige stilbildende Qualität an. Was aber tun, wenn vom Original nur wenig vorhanden ist und lediglich Bilddokumente und teilweise Zeichnungen vorliegen? „Wenn der Punkt erreicht ist und man sich von der materiellen Substanz trennen muss, dann kann man aber immer noch die ästhetische Substanz erhalten“ (Marc Schurr). Als Ergebnis des Fachgesprächs wurde festge- halten, dass es durchaus legitim sei, die Aufsätze neu zu schaffen. Aber eine Rekonstruktion sei nicht als Kopie möglich, denn die genaue Vorlage fehle. 10
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 Abb. 19 Mittlerer Quader der untersten Schicht des Pfeileraufsatzes Abb. 20 Hinterer Quader der untersten Schicht 11
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 Abb. 21 Mittleres Werkstück des Sockelgesims vor der Bearbeitung Abb. 22 Mittleres Werkstück während der Bearbeitung 12
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 Abb. 23 Vorderes Werkstück des Pfeiler-Sockelgesimses Abb. 24 Hinteres Werkstück des Sockelgesimses 13
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 Der Sockel mit dem Übergang vom Dach zum wurden zu diesem Zweck vom Block gelöst und Mittleren Polygonalen Fialenbereich ist schon weit als kleine Passstücke ausgeführt. Das Pfeiler- fortgeschritten. Der ursprüngliche Pfeiler besaß polygon schneidet sich in der dritten Schicht mit im Mittleren Polygonalen Bereich vier Säulen mit dem Dachgiebel. Dieser Bereich besteht aus zwei einem Durchmesser von sieben cm, die über vier großen Steinblöcken. Der vordere Block ist gefer- Gesteinslagen und über Fugen hinweg mit Eisen- tigt, der hintere noch in Arbeit. Auch die Basen für klammern angehängt waren. Ein sehr schadens- die im Pfeilerpolygon eingebundenen Säulen sind anfällige Bauweise; die Säulen waren dadurch als Passstücke vorbereitet. Die sieben cm dünnen früh verloren. Im neuen Entwurf sind die Säulen Säulen, die ursprünglich frei vor die Profile des jetzt mit ihren Basen in die massiven Blöcke des Polygons vorgeblendet waren und aufgrund der Pfeilerschaftes mit eingebunden und es entsteht unzureichenden Konstruktion verloren gingen, sind ein stark hinterstochenes Profil, das für die jetzt in die Profiltrommeln mit eingebunden (Abb. Umsetzung angepasst werden musste. Die Basen 25-29). Abb. 25 Eine Hälfte des mittleren Sockeldaches Abb. 26 Gleiches Werkstück viele Arbeitsstunden später 14
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 Abb. 27 Säulenbasis für den Übergang vom Sockel- dach zum Mittleren Polygonalen Fialenbereich Abb. 28, 29 Die zweite Hälfte des Mittleren Sockelda- ches Abb. 29 15
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 Ebenfalls fertiggestellt wurde ein weiterer, auch schon im vergangenen Jahr begonnener Trommel- stein des Mittleren Polygonalen Fialenbereiches sowie eine Hälfte der zweigeteilten mittleren Schicht (Abb. 30, 31). Abb. 30 Trommelstein des Mittleren Polygonalen Fialenbereiches Abb. 31 Eine Hälfte der zweigeteilten mittleren Schicht des Polygonalen Fialenbereiches 16
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 Parallel zu den Arbeiten an den großen Werkstü- digen Abdecksteine modelliert und die Größe und cken verlief der Formfindungsprozess für die neu zu Umrissform festgelegt (Abb. 32). Das Lilienmotiv, schaffenden Teile des Bauschmuckes. So wurden das auf alten Fotos nur unscharf zu erkennen ist, die Lilien der Kämme der Pfeilerbedachung neu erhielt dann eine neue Form, bei der die ursprüng- geschaffen. Getreu der Vorgabe, sich am Vorbild lich konvexe Ausbildung der Blüte nun konkav zu orientieren, aber eine eigene Gestaltung dafür ausgeführt wurde (Abb. 33). Ein zweiteiliger Lilien- zu entwickeln, wurden zunächst beispielhaft Lilien- stein ist bereits fertig, ein dreiteiliger in Arbeit (Abb. formen auf die noch vorhandenen aber unvollstän- 34-36). Abb. 32 Modelle zur Ermittlung der Größe Abb. 33 Entwurf der "neuen" Lilie 17
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 Abb. 34 Kamm mit zwei Lilienbögen während der Bear- beitung Abb. 35 Kamm mit zwei Lilienbögen fertig Abb. 36 Kamm mit drei Lilienbögen 18
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 Als Gestaltidee für den pflanzlichen Bauschmuck Ebenfalls in diese Steinschicht gehören acht (Krabben und Kreuzblumen) wurden Blätter und kleinere Fialen mit Kreuzblume und Knauf, die als Früchte des Efeus gewählt. So auch für die zwei Einzelteile um den Übergang zum Oberen Quadra- aufwändigsten Werksteine, welche die Bekrönung tischen Fialenbereich herumgestellt sind. Für die des Mittleren Polygonalen Fialenbereiches bilden. Krabben an dieser Stelle wurden ebenfalls Modelle Insgesamt acht Kreuzblumen binden in die beiden entwickelt, da es keine Vorlagen mehr gab (Abb. Steine ein, für die es, außer dem Stielansatz, keine 40). In dieser Zone gehen viele Zierglieder inein- Vorlagen mehr gibt. Hier wird nun ein Entwurf ander über und es herrscht ein kleinteiliger Gesamt- umgesetzt, der bereits im vergangenen Jahr entwi- eindruck. Die Entscheidung fiel deshalb auf einen ckelt und jetzt als Vorlage für die Umsetzung am eher schlichteren Entwurf. Eine neue Krabbenform, Stein mit Hilfe einer Silikonform in Gips nachge- die sich von oben nach unten einrollt, wird bereits bildet wurde (Abb. 37-39). an einem Werkstück ausgeführt (Abb. 41) und dient An diesen beiden Bekrönungssteinen beginnen auch als Vorlage für die dazugehörige Kreuzblume, auch die Krabben, die sich an den Fialen im Oberen für die ebenfalls schon ein Gipsmodell vorbereitet Quadratischen Fialenbereich fortsetzen und deren ist (Abb 42). Formvorlage schon feststeht. Abb. 37 Entwürfe für die Krabben der Fialen des Mittleren Polygonalen Bereiches Abb. 38 Die erste Fiale des Mittleren Polygonalen Bereiches 19
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 Abb. 39 Drei bereits fertiggestellte Kreuzblumen zu den Fialen Abb. 40 Herstellung eines Gipsabgusses von Krabben als Kopiervorlage für die acht kleinen Fialen des Mittleren Polygonalen Bereiches 20
Uwe Zäh ■ Strebepfeileraufsatz 13/14 Abb. 41 Die erste kleine Fiale Abb. 42 Entwurf für die dazugehörigen Kreuzblumen 21
Uwe Zäh ■ Kapellenpfeileraufsatz 14 Süd 1.3 Kapellenpfeileraufsatz 14 Süd Der im Jahr 1931 in neugotischer Form geschaf- aufgetragen, die mit Kieselsäureesther F300 fene Pfeileraufsatz der Schnewlin-Kapelle wurde in nachgefestigt wurden. Die Kittungsmassen können diesem Jahr konservatorisch bearbeitet. Er besteht die wasserunlöslichen Sulfate aufnehmen und aus Allmendsberger Steinmaterial und war in einem als Opferschicht wirken. Mit Mikrozement wurden insgesamt recht guten Zustand. Auf Grundlage Risse verschlossen und statisch stabilisiert. So der im vergangenen Jahr durchgeführten Vorun- auch am oberen Fialenbereich, in dem ein Stein tersuchungen konnte in diesem Jahr ein Sanie- bereits wegen Rissbildung mit einer Kupferstange rungskonzept festgelegt werden. Fehlteile wurden verklammert war. Die Abplatzungen am Übergang nicht ergänzt und es wurden auch keine Vierungen zum Pfeilergesims wurden mit farbig eingestelltem eingesetzt. Die durch Sulfate zermürbten Zonen an Minéros 2000 Steinergänzungsmörtel aufgebaut den beiden östlichen Fialen wurden zunächst von und abschließend alle Fugen am Pfeileraufsatz mit losen Kleinteilen befreit. Roman Fugenzement geschlossen (Abb. 43, 44). Auf den festen Untergrund wurden Kittungsmassen Abb. 43 Abplatzungen am Übergang zum Pfeilergesims Abb. 44 Rissverfüllung an der Ecke 22
freiburger münster bauhütte LANGHAUS NORD ■ UWE ZÄH 2. LANGHAUS NORD Schließen von aufgebrochenen Oberflächen einge- setzt wird. 2.1 Übersicht Sanierungsmaßnahmen Diese Form der Reparatur ist Teil des steinkon- servatorischen „Werkzeugkoffers“ und stellt die Verbindung zwischen traditionellem Handwerk Das im Jahr 2016 errichtete Gerüst umfasst das und modernen konservatorischen Methoden erste und die Hälfte des zweiten Joches vom nördli- dar. Die Vierungen, die handwerklich oft höchst chen Langhaus. Eingeschlossen die beiden dazuge- anspruchsvoll und aufwändig herzustellen sind, hörigen Strebesysteme und den nach Westen werden mit einem Steinkleber befestigt, der ausgerichteten Wandpfeiler 0/0. Mit diesem letzten eigens für „unseren“ Stein rezeptiert und herge- Abschnitt schließt die Münsterbauhütte das 1981 stellt wurde. Auch andere Konservierungsmateri- begonnene Sanierungsprogramm des Langhauses alien wie Kittungsmassen oder Verfugungsmörtel ab. Die Instandsetzung umfasst die Strebesysteme, werden in der eigenen Restaurierungswerkstatt also deren Strebepfeiler, Aufsätze und der dazuge- entwickelt und geprüft, parallel und ergänzend zu hörigen Strebebögen, aber auch die dazwischenlie- den Prüfungen durch unterschiedliche Prüfinstitu- genden Wandflächen und Maßwerkfenster sowie tionen. die gesamten Skulpturen. Der Ersatz eines ganzen Werksteins kommt nur Mit den Arbeiten wurde vor fast 40 Jahren begonnen noch in Betracht, wenn der Bestand so geschä- und zwar an den beiden Ostjochen 5 und 6 der digt ist, dass er nicht mehr vor Ort erhalten werden Südseite (1981-1984). Anschließend wurden die kann. Fehlstellen werden, sofern sie keinen konst- gegenüberliegenden Joche 5 und 6 der Nordseite ruktiven oder technischen Mangel darstellen, (1986-1989) und direkt danach die benachbarten meist belassen, es sei denn, das Bauteil verliert beiden Joche 3 und 4 (1990-1999) bearbeitet. Es seine Lesbarkeit. Denn selbst die genaue Kopie erfolgte dann der Wechsel wieder auf die Südseite eines Originals stellt eine Neuinterpretation dar. an die gegenüberliegenden Joche 3 und 4 (2000- Alle Maßnahmen sind von dem Bestreben geprägt, 2006) und setzte die Arbeiten dann an den westli- möglichst wenig der vorhandenen Baumasse zu chen Jochen 1 und 2 fort. Diese konnten dann im verletzen oder zu ersetzen und so auch möglichst Sommer 2011, pünktlich zum Besuch von Papst viele Spuren der langen Baugeschichte zu erhalten. Benedikt XVI beendet und das Gerüst abgebaut Dies ist gerade auf der Nordseite eine sinnvolle werden. Herangehensweise, da hier eine Fülle an mittelal- Die letzten ausstehenden Joche 1 und 2 der terlicher Substanz vorhanden ist - deutlich mehr als Nordseite mussten zunächst zugunsten der auf der Südseite - die es zu erhalten gilt. Der Grund Turmbaustelle bis auf Weiteres zurückgestellt dafür liegt wohl in der Gestaltung und Ausführung werden und sind nun seit 2016 in Bearbeitung. des Bauschmucks, der auf der Südseite deutlich Gemeinsam mit der Landesdenkmalpflege wurde filigraner und reichhaltiger, aber auch schadensan- für diesen letzten Bauabschnitt am Langhaus ein fälliger ist, als auf der Nordseite. Steinkonservierungs- und Steinaustauschkonzept Zusehends wichtiger wird das Dokumentieren der ARBEITSDOKUMENTATION 2020 festgelegt, das dem heutigen Standard denkmal- Befunde und der konservatorischen Maßnahmen. pflegerischen Handelns entspricht. Die Sanie- Dies hat schon seit über hundert Jahren Tradition rungskonzepte, die über mehrere Jahrzehnte am und wird mit großem Aufwand betrieben. Auch Langhaus umgesetzt wurden, unterscheiden sich diese Arbeiten werden inzwischen mit modernen inzwischen deutlich voneinander und dokumen- technischen digitalen Hilfsmitteln durchgeführt. tieren die Entwicklung im Umgang mit historischer Das Erstellen und Bearbeiten hochaufgelöster Bausubstanz. Der Steinaustausch spielt in dieser Scans und präziser Pläne, in die auch allerkleinste Entwicklung eine immer geringere Rolle. Die Stein- Details wie Millimeter große Farbbefunde oder formate für den Teilersatz sind in der Regel deutlich kleinste konservatorische Eingriffe eingetragen kleiner als noch zu Beginn der 1980er Jahre und werden können, sind selbstverständlicher Teil der es werden seltener ganze Werksteine ersetzt. Arbeit des Münsterbauhüttenteams. Das klassi- Meist kommt neues Steinmaterial als Vierung zum sche Berufsbild des Steinmetzten an der Freiburger Einsatz, das für die Reparatur von abgewitterten Münsterbauhütte hat sich während der Langhaus- oder zerstörten Kanten oder für die Wiederherstel- sanierungskampagne den veränderten Arbeits- lung eines geordneten Wasserablaufes oder dem schwerpunkten angepasst und erweitert. 23
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1 2.2 Strebesystem 0/0 und 0/1 Seit 2017 konzentrieren sich die Sanierungsar- Sanierungsarbeiten um 1900 bereits durch eine beiten bisher auf den oberen Bereich des Strebe- Kopie aus Allmendsberger Plattensandstein ersetzt systems, an das sich auf der westlichen Seite, in und weist keinerlei Schäden auf. Die Patina der Verlängerung der Seitenschiffwand und als Gegen- Steinoberflächen wurde im Mikrosandstrahlver- lager auch der Pfeiler 0/0 anschließt. Die Arbeiten fahren ausgedünnt und die Flechten mit Holzspa- konnten bis auf die Höhe der Blattgesimse beider teln und Wasser entfernt (Abb. 45). Pfeiler abgeschlossen werden. Der Bereich umfasst die Wandfläche des ersten Joches, den Strebe- bogen, den Wandanschluss zum Treppenturm des Hauptturmes sowie den Pfeileraufsatz. Der gesamte Pfeileraufsatz 0/0 wurde bei den Abb. 45 Pfeileraufsatz 0/0 aus Allmendsberger Stein aus dem Jahr 1900 24
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1 Anders am Pfeileraufsatz 0/1, bei dem die meisten Schäden durch Mängel an der Wasserführung entstanden. Offene Fugen, aber vor allem fehlende Tropfkanten am oberen Gesims führten dazu, dass Schadstoffe mit dem Regenwasser über die Oberflä- chen des mittleren Pfeilerblockes gespült wurden und diese zersetzten. Betroffen waren vor allem die drei nach Westen, Osten und Norden gerich- teten Blendmaßwerke. Zu deren Schutz wurden die fehlenden Gesimskanten wieder mit kleinteiligen Vierungen ergänzt (Abb. 46-49). Die Abschalungen am liegenden Vierpaß wurden mit Kittungsmassen stabilisiert, gefestigt und der aufgebrochene Rahmen zum Schutz gegen eindringendes Wasser wieder mit einer Vierung geschlossen (Abb. 50). Abb. 46 Die südliche und westliche Rückansicht des Pfeilers 0/1 während der Bearbeitung Abb. 47 Das Maßwerk der westlichen Pfeileransicht im Abb. 48 Das nördliche Blendmaßwerk nach den Maß- Endzustand nahmen Abb. 49 Der Endzustand des östlichen Blendmaßwerkes Abb. 50 Zum Schutz der Blendmaßwerke wurden die wasserableitenden Profilkanten mit kleinen Vierungen wiederhergestellt 25
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1 Abb. 51 Pfeilerquader mit zwei abgewitterten Vierungen Abb. 52 Vierung herausgearbeitet, die vorgeblendete Vierung aus dem 18. Jahrhundert zur Hälfte erhalten Ausgehöhlte Fugenflanken und Fehlstellen an den Stelle wieder steingerecht und dauerhaft gesichert äußeren Profilkanten des quadratischen Pfeilers werden (Abb. 51-56). Auch am Strebebogen waren wurden ebenfalls wieder ergänzt, damit die Stabi- einzelne Bereiche an den Fugen im angrenzenden lität des Steinverbandes wieder gewährleistet Stein so zersetzt, dass diese wieder mit Vierungen ist. Eine quadratisch eingebundene Vierung im ergänzt werden mussten (Abb. 57). Abschließend Quader wurde herausgearbeitet, die vorgeblen- wurden alle offenen Vertikalfugen mit Roman- dete Vierung aus dem 18. Jahrhundert zur Hälfte zementmörtel und die Horizontalfugen auf dem erhalten. Mittels eines massiven Passstücks mit Strebebogen im Schmelzbleiverfahren geschlossen 13 Horizontal – und Vertikalfugen konnte diese (Abb. 58, 59). Abb. 53 Passgenau gearbeitete Vierung Abb. 54 Endzustand mit neuer Vierung 26
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1 Abb. 55, 56 Gevierte Reparatur an der Pfeiler Ostseite Abb. 56 Abb. 57 Lücken am Strebebogen werden mit Vierungen geschlossen 27
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1 Abb. 58 Schließen der Fugen der Bogerinnensteine im Schmelzbleiverfahren Abb. 59 Verbleite Fugen vor dem Verstemmen 28
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1 Für die Bedachung des Pfeileraufsatzes wurden neue Gesimssteine aus Lahrer Buntsandstein geschlagen und eingesetzt. Zuerst die Eck-, dann die Läufersteine (Abb. 60-62). Sie wurde mit Romanzement-Hinterfüllmörtel vermauert, die Fugen anschließend auf der Gesimsoberfläche verbleit (Abb. 63, 64). Größere Hohlräume in der Verdachung wurden in diesem Zuge ebenfalls mit Mörtel hinterfüllt und verfestigt (Abb. 65). Abb. 60 Bedachung des Strebepfeileraufsatzes Abb. 61 Einbau der vorgefertigten Gesimssteine 29
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1 Abb. 62 Verfugung mit Fugenmörtel Abb. 63 Fugen der Gesimsflächen werden mit Blei verschlossen und angearbeitet 30
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1 Abb. 64 Gesimsflächen nach dem Verbleien Abb. 65 Hinterfüllen der Steine mit Roman Zement Vergussmörtel 31
Uwe Zäh ■ Strebesystem 0/0 und 0/1 Aus dem gesunden Teil der ausgebauten alten ratoren der Münsterbauhütte die angegriffenen Gesimse aus Allmendsberger Sandstein, die schon Oberflächen und verfüllten Risse und Schalen Kopien aus dem vorigen Jahrhundert waren, wurden (Abb. 66). Nach Restarbeiten am Aufsatz und die Vierungen für den Strebepfeileraufsatz 1/2 dem Pfeilerschaft wurden sämtliche Maßnahmen heraus gesägt und eingepasst. Parallel zu diesen kartiert und fotografisch dokumentiert. Reparaturmaßnahmen, konservierten die Restau- Abb. 66 Rissverfüllung per Injektion 32
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder 2.3 Konservierung Wasserspeier Widder Strebepfeiler 0/1 Abb. 67 Historischer Gipsabguss vom Zustand aus den 1930er Jahren 18 Meter über dem Münsterplatz befinden sich an mehr, seit dieses Strebesystem Ende 13. Jahrhun- den Pfeilern paarweise angeordnete Wasserspeier, dert statisch in den nordöstlichen Turmpfeiler mit die das Regenwasser, das vom Langhausdach über eingebunden wurde. die obere Galerie in die Strebebögen strömt, auf Zur Bewertung des Zustandes wurden neben der den Münsterplatz ableiten. Der linke, östlich ausge- Kartierung der Steinschäden und Fassungsresten richtete Wasserspeier am Pfeiler 0/1 ist ein natura- auch Informationen aus den Archiven zusammen- listisch dargestellter Widder und in dieser Reihe getragen. Neben alten Fotos war vor allem ein der Wasserspeier der einzige noch verbliebene vor knapp hundert Jahren angefertigter Gipsab- aus der Bauzeit (datiert auf 1270). Alle anderen guss zur Einschätzung des Schadenverlaufes sehr sind entweder Kopien oder Entwürfe aus dem 16. hilfreich (Abb. 67). Jahrhundert. Der Wasserspeier führt kein Wasser 33
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder Abb. 68 Der Wasserspeier vor der Reinigung, Ansicht Ost Abb. 69 Ansicht West Vor der Einrichtung der Baustelle war der Wasser- ist, berücksichtigt man das Alter und die exponierte speier über mehrere Jahre mit Maschendraht Lage dieses der Witterung stark ausgesetzten gesichert. Eine Notmaßnahme, die bei den jährli- Bauteils, in einem erstaunlich guten Zustand. Das chen Hubsteigerbefahrungen zur Sicherung gegen langhaarige Fell, die feinen Gesichtszüge und auch Absturz von den Steinmetzen vorgenommen das Blattwerk am Sockel zeigen außer Verschmut- wird. Ein Hinweis darauf, dass hier dringender zung und Bewuchs kaum Verwitterungsspuren Handlungsbedarf bestand. Das Steinmaterial des (Abb. 68, 69). Auf der Oberfläche konnten am Widders besteht aus einem nicht genauer zuzuord- Blattwerk und den Hoden Reste einer Farbfassung nenden Plattensandstein. Die Oberflächenstruktur nachgewiesen werden. 34
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder Schon lange fehlen dem Widder die Hörner, das zu erkennen, dass der Leib schon vor gut hundert rechte vordere Bein und die Schnauze. Die Abriss- Jahren mit mehreren Rissen durchzogen war. Diese kanten verlaufen parallel zur Schichtung und sind haben sich inzwischen allerdings vergrößert und ein Hinweis auf Schwächung der Bindung zwischen lagern auf. An der Unterseite des Wasserspeiers den Sedimentschichten, die dann zur Ablösung finden sich am Fell Mürbestellen im Gefüge, die zu dieser durchbrochen ausgearbeiteten Körper- einer flächigen Absandung führen (Abb. 72) . Dieses teile geführt hat (Abb. 70). Die fortschreitende Schadensbild ist am Gipsabguss noch nicht zu Verwitterung innerhalb des Sedimentgefüges zeigt erkennen und zeigt das Fortschreiten von Oberflä- sich auch an der ausgearbeiteten Wasserrinne. chenverlust. In dem zum massiven Mauerverbund Die dünne Wandung hat bereits einige größere des Pfeilers angrenzenden Bereich befinden sich Fehlstellen und Risse. Auch gibt es hier ältere vor allem an der Ober- und Unterseite feste Ablage- Reparaturmaßnahmen mit zementhaltigem Mörtel rungskrusten. und Reaktionsharzen (Abb. 71). Am Gipsabguss ist Abb. 70 Schichtbildung, Abrisskanten und Fehlstellen Abb. 71 Risse und ältere Reparaturmaßnahmen 35
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder Abb. 72 Absandung an der Unterseite Auf Grundlage dieser Befunde und Erkenntnisse Von diesem Zustand wurde mittels eines Scanners wurde über das weitere Vorgehen diskutiert. Zum eine hochaufgelöste Punktewolke erstellt auf der einen war der Wunsch diesen mittelalterlichen alle Details erkennbar und festgehalten sind. Die Wasserspeier möglichst schonend zu behandeln Untersuchungen zeigten, dass die Risse keine und ohne verändernde Eingriffe vor Ort erhalten kritische Tiefe erreichten und ein Erhalt vor Ort zu können. Zum anderen musste aber gewähr- durch entsprechende konservierende Maßnahmen leistet werden, dass die notwendigen Maßnahmen möglich ist. Auch die Standsicherheit kann mit durchgeführt werden, die das Objekt vor Zerfall minimal invasiven Eingriffen wieder hergestellt und Steinabsturz sichern. Ein Ausbau und Einla- werden. gern im Depot der Münsterbauhütte würde diesen Nach einem weiteren Reinigungsvorgang im Wasserspeier zwar zukünftig gegen Witterungsein- Mikrosandstrahlverfahren wurden vorsichtig die flüsse schützen, kann aber nicht ohne Schädigung Krusten ausgedünnt, ohne dabei die vorhandenen oder Abspaltung des vermauerten Einbinderklotzes Farbreste zu schädigen. Die Sicherungsarbeiten gelingen. Dieser im eingebauten Zustand unsicht- bestanden im Wesentlichen in der Einbringung von bare, aber auch unverzichtbare Teil eines Wasser- vier Titannadeln mit einem Durchmesser von vier speiers dient mit der gleichen Masse wie der auskra- mm und einer Einbindetiefe von 6,5 cm bis 8 cm gende Teil als Gegengewicht und hält die Skulptur sowie der kraftschlüssigen Verfüllung sämtlicher im Mauerwerk im Gleichgewicht. Weitere Veranke- Risse mit Mikrozement (Abb. 73-77). Die Bruch- rungen sind dadurch nicht notwendig. Abgesehen flächen und aufgewitterten Oberflächenbereiche vom Materialverlust, den ein Ausbau zwangsläufig sowie die Mürbezonen im unteren Bereich wurden mit sich bringen würde, wäre das Original auch mit Kittungsmassen überarbeitet und in kleinen nicht mehr an seinem ursprünglichen Standort und Dosen (insgesamt 700ml) mit dem Kieselsäure- müsste durch eine Kopie ersetzt werden. esther F300 nachgefestigt. Gefestigt wurden auch Um zu klären, ob mit Hilfe von konservierenden die Klebefugen der verfüllten Risse (Abb. 78). Maßnahmen der Wasserspeier gesichert und vor Abschließend wurde die Rinne mit Walzblei ausge- Ort erhalten ist, wurde er zunächst sorgfältig gerei- kleidet und von oben zur Abdichtung zugelötet nigt. Bewuchs und Verschmutzungen wurden von (Abb. 79). Auf Vierungen und sonstige steinerne der Oberfläch entfernt, damit der tatsächliche Ergänzungen wurde bewusst verzichtet (Abb. 80). Zustand des Gesteinsgefüges wieder sichtbar wird. 36
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder Abb. 73 Rissverfüllung am Kopf des Wasserspeiers Abb. 74 Verfüllte Risse mit Mikrozement am Kopf des Wasserspeiers Abb. 75 Injektionsschläuche zur Einführung von Mikrozement im Bereich der Rinne Abb. 76 Mit Mikrozement verfüllte Risse 37
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder Abb. 77 Kraftschlüssige Rissverfüllungen im unteren Bereich Abb. 78 Nach Abschluss der steinkonservatorischen Maßnahmen Abb. 79 Walzbleiverkleidung der Rinne 38
Uwe Zäh ■ Wasserspeier Widder Abb. 80 Zustand nach der Konservierug 39
Uwe Zäh ■ Strebesystem 1/2 2.4 Strebesystem 1/2 Neben dem Pfeiler 0/1 befindet sich Richtung den Fugen. Fehlstellen wurden so ergänzt, dass Osten der Pfeiler 1/2, dessen Aufsatz in diesem sich die noch erhaltenen Kreuzblumen wieder Jahr saniert wurde. Zunächst wurde auch hier mit darauf versetzen ließen. An den Stellen, an denen der Vorreinigung begonnen, bei der mit leichtem die Kreuzblume fehlte, wurde der Giebel nach Wasserdruck die gröberen Schadstoffe, Flechten oben geschlossen und damit gegen eindringendes und wasserlöslichen Beläge entfernt wurden. Wasser geschützt (Abb. 81–88). Nach der Untersuchung durch die Farbrestaura- toren folgte dann eine Reinigung im Niederdruck- Sandstrahlverfahren. Die wasserunlöslichen Beläge wie Gipskrusten wurden dabei weiter reduziert. Farbbefunde wurden in diesem Bereich nicht gefunden. Im Gegensatz zum benachbarten Pfeileraufsatz 0/1, an dem lediglich die bekrönende Kreuzblume fehlt, gibt es an diesem Aufsatz mehrere Lücken. Es fehlen einige Steine, die im Laufe der Zeit verloren gegangen sind oder vorsorglich abgenommen werden mussten. Leider sind im Lapidarium weder einzelne abgebaute Steine noch Fragmente davon erhalten, die für eine eventuelle Neufertigung als Vorlage genutzt werden könnten. Aus dieser Ausgangslage wurde das eingangs beschriebene Sanierungskon- zept entwickelt, das sich nur auf den Erhalt des noch Bestehenden konzentriert. Der Aufsatz besteht aus einem Plattensandstein, Abb. 81 Kielförmige Giebelbekrönungen, Nordseite der dem Allmendsberger Sandstein ähnelt. Deshalb wurde für Vierungen an diesem Stück Allmends- berger Material vom Gesims des benachbarten Pfeilers wiederverwertet, das sich gut in diesen Bestand aus dem 17. bzw. 18. Jahrhundert einfügt. Vierungen wurden an den Stellen eingesetzt, die entweder größere Mörtelantragungen erfordert hätten, oder die für den Wasserablauf unbedingt notwendig sind. Die steinernen Ergänzungen entsprechen dem umgebenden Sandsteinmate- rial und sind deutlich beständiger als Antragungen mit Mörtel. Ein inzwischen eingeübtes Verfahren, das sich durch die Kleinteiligkeit dem Gesamtbild unterordnet, ohne es zu stören. Eine besondere Herausforderung waren die Vierungen für die vier kielförmigen Giebelbekrö- nungen. Diese Bekrönungen der Blendmaßwerke waren, auch bedingt durch einen schadensträch- tigen Fugenschnitt, geschädigt oder nicht mehr Abb. 82 Steinergänzungen an den Kielbögen tragfähig für die Bekrönung. Wasser floss über die Pfeilerflächen und löste teilweise den Mörtel aus 40
Uwe Zäh ■ Strebesystem 1/2 Abb. 83 Vorzustand der Süd-Östlichen Aufsatzflächen Abb. 84 Dieselbe Stelle während der Ausarbeitung von Aussparungen für Vierungen 41
Uwe Zäh ■ Strebesystem 1/2 Abb. 85 Reparatur an einer Pfeilerecke Abb. 86 Vorbereitete Vierung, Ost Abb. 87 Eingebaute Vierung, Ost 42
Uwe Zäh ■ Strebesystem 1/2 Abb. 88 Zum Wiederversetzen vorbereitete Giebelbekrönungen Beim Tausch einer stark zurückgewitterten bauzeit- lichen Vierung fanden sich an den Flanken völlig intakte Schmelzkleberfugen aus Harzmischungen, die bis heute intakt geblieben sind (Abb. 89). Auch bei einem der Abdecksteine wurde beim Ausar- beiten einer Aussparung eine bauzeitliche, mit Naturharz eingeklebte Vierung sichtbar (Abb. 90). Abb. 89 Historische Vierung mit Resten von Naturharz- kleber Abb. 90 Bauzeitliche, mit Naturharz eingeklebte Vierung 43
Uwe Zäh ■ Strebesystem 1/2 Dies ist eine sehr interessante Entdeckung, da wurden als Bauspuren erhalten und nur die einge- derzeit zu diesem mittelalterlichen Klebeverfahren arbeiteten Laschenlöcher mit Antragmassen im Rahmen eines Forschungsprojektes die Rezep- verfüllt. Das Blei mit dem die Klammern in den turen dieser alten und bewährten Klebungen Stein eingebunden sind, wurde überall vorsichtig entschlüsselt werden sollen, mit dem Ziel, sie nachgestemmt, um die Verbindung wieder wieder nachzubauen. Dazu werden auch Proben möglichst dicht zu bekommen. Der Mauerverband vom Freiburger Münster aus unterschiedlichen des Pfeileraufsatzes ist trotz der herausgenom- Bauzeiten und auch von diesem Pfeiler untersucht menen Klammern immer noch ausreichend stabil, und ausgewertet. so dass zusätzliche Verankerungen nicht nötig Nachdem vor Ort die Vierungen geschlagen und waren. eingepasst wurden, überarbeitete das Restaura- Unterhalb des Pfeileraufsatzgesimses wurde torenteam die Oberflächen. Kleine Fehlstellen, die Farbbefundung im Bereich der Blattfriese Ausplatzungen, Schalen oder Löcher im Stein und Wasserspeier abgeschlossen, ebenso an wurden mit den hauseigenen Kieselsol-/Sandmi- den Figurentabernakeln und Aposteln, die nun schungen und Hinterfüllmassen auf Mikrozement- ebenfalls untersucht und vorgereinigt sind (Abb. basis repariert. Die Oberflächen sind nun wieder 93, 94). verschlossen und gegen eindringendes Wasser Die Abdecksteine für den Strebebogen wurden geschützt (Abb. 91). Sämtliche Maßnahmen überarbeitet, einige davon mit neuen Lilien ergänzt werden dokumentiert (Abb. 92). und mit Edelstahl-Gewindedübel und Steinsiliat- Wie am Pfeiler 0/1, gibt es auch hier das Problem kleber befestigt (Abb. 95). mit verbleiten Eisenklammern, die meist an den Anschließend wurden alle vervollständigten Stellen wo die Laschen in den Stein einbinden, Abdecker konservatorisch überarbeitet und korrodieren und zu Rostsprengungen führten. In versetzfertig eingelagert (Abb. 96, 97). diese Risse dringt Wasser ein, was die treibende Rostbildung beschleunigt. In diesen Fällen wurden die Klammern entweder abgetrennt oder vollständig entfernt. Die Klammereinkerbungen Abb. 91 Die Flächen werden konservatorisch nachbear- Abb. 92 Dokumentation der Maßnahmen beitet 44
Uwe Zäh ■ Strebesystem 1/2 Abb. 93 Farbbefundung und Vorreinigung der Figuren- Abb. 94 Reinigung der Apostelfiguren tabernakel Abb. 95 Ergänzungen einer Lilie auf einem Abdeckstein Abb. 96 Konservierungsmaßnahmen am Abdeckstein Abb. 97 Abschließende Nachbehandlung 45
freiburger münster bauhütte RENAISSANCEVORHALLE 3. RENAISSANCEVORHALLE 3.1 Konservierende Arbeiten Die seit dem Jahr 2017 laufenden Untersuchungen den Jahren 2018 und 2019 wieder abgenommen führten abschließend im Sommer 2020 zur Restau- bzw. stark reduziert worden. rierung und Konservierung der Maßwerkbrüstung Messungen zur Bestimmung des Wasseraufnah- der Renaissancevorhalle. mekoeffizienten wurden vor- und nach Abnahme Zuvor wurde eine Schadenskartierung angefer- der Silikonharzfassung (Strahlverfahren) vorge- tigt. Zusätzlich wurden Messungen zur kapillaren nommen. Wasseraufnahme an unterschiedlichen Stellen der Dabei stelle sich heraus, dass die Maßwerkbrüs- Renaissancevorhalle vorgenommen (Abb. 98). tung kein oder nur sehr gering kapillar Wasser Die Eck- und Zwischenpfosten der Balustrade aufnimmt. Silikon- und Ölreste befinden sich nach wurden von der Münsterbauhütte neu geschlagen wie vor im Porenraum des Natursteines. Diese und ausgetauscht. Die stark geschädigten Origi- wurden durch einen Farbauftrag eingebracht. Die nale wurden vor dem Austausch für den Transport Renaissancevorhalle selbst hatte höchstwahr- notgesichert. Dies geschah mit einem Gitterge- scheinlich immer eine Fassung. webe und dem temporären Festigungsmittel Cyklo- Durch Bewegungen im Bauwerk unterschiedlichster dodekan (Abb. 99). Dieses ist ein Material, welches Herkunft (ungenügender Baugrund, schwere von seiner festen Form direkt in die gasförmige Fahrzeuge, die vor der Vorhalle durchfahren, hygri- Form übergeht, also sublimiert. sche und thermische Dehnung) entstehen Risse in Die Silikonharzfarbe, welche im Jahr 2003 auf der den Fugen. Maßwerkbrüstung aufgebracht wurde, ist bereits in ARBEITSDOKUMENTATION 2020 Abb. 98 Prüfröhrchen zur Messung der kapillaren Was- Abb. 99 Notsicherung für Transport oben links seraufnahme 46
Luzius Kürten ■ Konservierende Arbeiten Über diese defekten Fugen wandert Feuchtigkeit ins Innere des Steines. Die Abtrocknung erfolgte nur sehr langsam, da die Oberflächen mehrfach mit wasserabweisenden Mitteln behandelt wurden. Somit bleibt Nässe über einen längeren Zeitraum im Steingefüge und verursacht Schäden. Es kam zur Salzbildung hauptsächlich zur Sulfatanrei- cherug (Gips) im Steingefüge und die damit verbun- denen Druckschäden, wenn Salze ihre Aggregat- form ändern. Hinzu kamen noch die Frostschäden im Winter (Abb. 100, 101). Absandende Bereiche wurden im Vorfeld mit Kiesel- säureester 300 partiell gefestigt. Appliziert wurde der Festiger mit Spritze und Kanüle. Dies geschah für die darauf folgenden Mörtelantragungen, damit der Untergrund genügend stabilisiert wird. Die Fehlstellen und Fugen wurden mit einem herkömmlichen Restauriermörtel geschlossen. Aufgrund der nicht zu unterbindenden Bewegungen im Bauwerk wurde ein acrylatvergüteter Mörtel mit niedrigem E - Modul verwendet. Zuerst wurden die Fehlstellen innerhalb der Maßwerke ausgebessert und danach die Fugen geschlossen (Abb. 102, 103). Die Renaissancevorhalle wird zukünftig einem Abb. 100 Schadensbild im vollem Ausmaß von 2019 exakten Monotoring unterzogen. Dies ist zwingend notwendig, da dieses Bauwerk aufgrund seiner Bauweise, seiner Bewegungen, der extremen Salzanreicherung in der Sockelzone sehr empfind- lich ist und viel Pflege bedarf. Ganz in diesem Sinne wurde auf einen neuen Fassungsauftrag in der Brüstungszone verzichtet und die Steine wurden mit einer neuen Kupferab- deckung vor Witterungseinflüssen geschützt, um dieses Kleinod am Münster zu erhalten. Abb. 101 Defekter Masswerkbereich vor der Restaurie- rung 47
Luzius Kürten ■ Konservierende Arbeiten Abb. 102, 103 Maßwerkbrüstung im restaurierten Endzu- stand Abb. 103 48
Uwe Zäh ■ Steinmetzarbeiten 3.2 Steinmetzarbeiten Abb. 104 Leichtbaugerüst In diesem Jahr wurden die bereits 2017/2018 neu (Abb. 108, 109). Danach erfolgte der Austausch gefertigten Gliederungspfosten der Maßwerkbalus- der Pfostensteine in mehreren Abschnitten, um trade eingebaut. Dazu wurde ein Schnellbaugerüst die Stabilität der Gesamtkonstruktion nicht zu gestellt, über das die ganze Länge der Balustrade gefährden: zunächst der Aus- und Einbau der fünf erreichbar war. Der Materialtransport fand über Steine an der Südwestecke und anschließend jene eine elektrische Winde durch einen Schacht auf der Südostecke. Danach wurden die beiden Pfosten der Ostseite des Gerüstes statt (Abb. 104). der Südseite ausgetauscht und ganz zum Schluss Vor dem Ausbau wurden die Schadstellen der die Reliefsteine, die an das romanische Mauerwerk Gliederungssteine gegen weitere Zerstörung des Querhauses angrenzen. gesichert. Um die Stücke schadfrei auszubauen, wurden die Kupferklammern der Maßwerkgesimse aus dem Jahr 2005 zunächst mit einem Winkelschleifer durchtrennt (Abb. 105) und anschließend die Bleifugen mit einer Pendelhubsäge zerspannt und freigelegt (Abb. 106). Um die Klammerlöcher durch den erneuten Wiederausbau nicht durch Bohren noch mehr zu schwächen, kam ein Acety- lenbrenner zum Einsatz, mit dem das Blei heraus geschmolzen wurde (Abb. 107). Anschließend wurden die Gesimssteine vorsichtig abgebaut 49
Uwe Zäh ■ Steinmetzarbeiten Abb. 105 Auftrennen der Fugen mit Winkelschleifer Abb. 106 Lösen der Kupferklammern 50
Uwe Zäh ■ Steinmetzarbeiten Abb. 107 Ausschmelzen der verbleiten Klammern Abb. 108 Abbau Gesimssteine Abb. 109 Pfosten Südwestecke vor dem Ausbau 51
Uwe Zäh ■ Steinmetzarbeiten Die Aufstandsfläche der Südwestecke zeigte keine ckung wurden sie von innen und außen zusätzlich Schäden, so dass die neu gefertigten Pfostensteine noch seitlich eingeschlitzt, so dass sich auch die ohne zusätzliche Maßnahmen auf den Unterbau Standfläche weiter verkleinert hat. Hier wurden zur montiert werden konnten. Wiederherstellung eines festen Untergrundes neue Beim Freilegen der Südostecke zeigte sich, dass die Steine aus Lahrer Material gefertigt und eingebaut Aufstände für die Pfosten mehrfach zertrümmert (Abb. 111). Die neuen Steine des Aufstandes und waren (Abb. 110). Grund war die starke Aushöhlung auch die Pfosten wurden mit Romanzement Mörtel der Steine für die Klammerverbindungen unterein- vergossen und untereinander wieder mit einge- ander und für die Dübellöcher der darauf sitzenden mörtelten Kupferklammern verkettet (Abb. 112). Pfostensteine. Auch waren sie nach unten verdü- Darauf dann die Gesimssteine wieder platziert und belt und für eine Wasserableitung unterhöhlt. Für ebenfalls wieder mit Kupferklammern – hier jetzt die im Jahr 2005 angebrachte kupferne Dachde- im Bleigussverfahren – verbunden (Abb. 113, 114). Abb. 110 Zertrümmerter bauzeitlicher Aufstand der Südostecke Abb. 111 Neues Auflager Südostecke 52
Uwe Zäh ■ Steinmetzarbeiten Abb. 112 Neue Pfostensteine der Südostecke Abb. 113 Einbleien der neuen Kupferklammern am Gesims Abb. 114 Nacharbeiten der neuen Kupferklammern am Gesims 53
Uwe Zäh ■ Steinmetzarbeiten Der Austausch der mittleren Pfosten der Südseite durch eine neue mit einer verbesserten Unterkon- erfolgte mit großer Vorsicht, um die angrenzenden struktion und verlöteten Stoßkanten ersetzt. Sie filigranen Maßwerkstücke nicht zu schädigen (Abb. dient dazu, die horizontalen Fugen gegen eindrin- 115-117), ebenso die Randpfosten, die an die gendes Wasser zu schützen (Abb. 121-123). Querhauswand anstoßen (Abb. 118, 119). Die Arbeiten konnten trotz großer Hitze und trotz Abschließend wurden alle Fugen verschlossen und der Umstände, die die Infektionsschutzmaß- die Maßwerkfelder steinkonservatorisch überar- nahmen mit sich brachten, wie geplant Ende beitet (Abb. 120). August abgeschlossen werden. Die im Jahr 2017 montierte provisorische Kupfer- abdeckung über den Maßwerkgesimsen wurde Abb. 115 Ausbau Pfostenstein Südseite Abb. 116 Ausbau Pfostenstein Südseite Abb. 117 Neuer Pfostenstein Südseite 54
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