Führungsmüde? Deutschlands Führungskräfte (ver-)zweifeln an ihrer Rolle - Bertelsmann Stiftung
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Führungskräfte-Radar CreatingCorporateCulture | 01.2020 Führungsmüde? Deutschlands Führungskräfte (ver-)zweifeln an ihrer Rolle Ein Drittel der Führungskräfte in Deutschland fühlen sich belastet und verunsichert. Ihre Selbstzweifel hängen mit schlechten Führungsbedingungen zusammen. Damit verschenken Unternehmen viel Potenzial, denn wirksame Führung wird mehr denn je gebraucht. Führungskräfte tragen viel dazu bei, ob ein Team, Prominente Beispiele für zweifelnde Führungskräfte, eine Abteilung oder ganze Betriebe erfolgreich sind. die sich nicht mehr in der Lage fühlen, ihrer Rolle ge- Dies bestätigt eine neue Studie der Bertelsmann recht werden zu können und die sich sogar zurück- Stiftung in Kooperation mit dem Reinhard-Mohn- ziehen, gibt es aktuell eine ganze Reihe. Doch wie Institut für Unternehmensführung (RMI) an der sieht es im weniger öffentlich sichtbaren Alltag der Universität Witten/Herdecke. Die Studie zeigt aber Unternehmen in Deutschland aus? Der neue Führungs- auch, dass Führungskräfte in vielen Unternehmen kräfte-Radar, eine repräsentative Befragung von knapp an ihrer Rolle zweifeln, ambivalent zu ihrer Führungs- 1000 Führungskräften, zeigt, dass auf der in der Studie aufgabe stehen, sich unsicher und häufig auch nicht entwickelten Skala des Führungszweifels 30 % der gut unterstützt fühlen. Befragten einen hohen Wert haben, das heißt bei meh- reren entsprechenden Aussagen zustimmen. Bei diesen Wirksame Führung ist keine Selbstverständlichkeit, Aussagen gaben jeweils zwischen 21,4 % und 25,6 % sondern von günstigen Bedingungen abhängig, die der Befragten an, dass sie ihre Führungsverantwortung es im Unternehmen zu schaffen gilt. Damit verweist meistens als Belastung empfinden, sie sich nicht sicher die Studie – anders als gängige Ansätze bisher – sind, ob Führung ihnen liegt, und dass sie ihren eigenen insbesondere auf das Arbeitsumfeld der Führungs- Ansprüchen nicht gerecht werden (vgl. Grafik 1). Nimmt kräfte, statt auf deren persönliche Eigenschaften man hinzu, dass ca. weitere 25 % bei den entsprechen- oder Kompetenzen. Wer zu stark belastet oder im den Aussagen zumindest teilweise zustimmten, dass die Stich gelassen wird, entwickelt Zweifel, ob er in der Führungsrolle für sie mit Zweifel oder Verunsicherung Führungsrolle sein kann oder will, und das erschwert verbunden, dann kann man bei der Hälfte der deutschen die wirksame Führung. Führungskräfte nicht davon ausgehen, dass sie ihrer Verantwortung unbeschwert nachkommen.
CreatingCorporateCulture | 01.2020 Grafik 1: Skala, Items und relative Häufigkeiten zum Führungszweifel Skala Führungsbelastung 30,1 % 69,9 % relativ geringe Führungszweifel relativ hohe Führungszweifel Aussagen zum Führungszweifel 21,4 % 25,6 % 23,4 % 25,6 % 78,6 % 74,4 % 76,6 % 74,4 % Ich werde meinen Ich kann mehr zu Ich bin in einer Ich empfinde eigenen Ansprüchen einer Gruppe Führungsrolle, Führungsverant- an eine Führungskraft beitragen, bin aber nicht sicher, wortung oft nicht gerecht wenn ich geführt ob Führung mir liegt meistens als werde anstatt dass ich Belastung selbst führe Ablehnung Zustimmung Führungswirkung wird durch Zweifel beeinträchtigt Dieser Befund stellt ein gravierendes Problem für Gewerbe tendenziell höher als im Dienstleistungs- Unternehmen dar: Führungszweifel gehen mit sektor (35,9 % vs. 27,7 %, vgl. Grafik 2), doch das geringerer Führungswirkung einher. Die Korrela- Problem besteht grundsätzlich in beiden Sektoren. tion der beiden in der Studie gebildeten Skalen für Interessanter sind die Unterschiede beim Alter. Es Führungszweifel und Führungswirkung – jeweils mag naheliegend erscheinen, dass Jüngere mit we- aus mehreren Items zusammengesetzt und mit niger Erfahrung noch mehr zweifeln (Generation Y Faktoren- und Konsistenzanalysen überprüft – 43,8 %; Generation X 33,6 %) als die „alten Hasen“ beträgt r = -0,17 bei einem Signifikanzniveau von in der Generation der Baby Boomer (21,1 %). p ≤ 1 %. Dies ist ein sehr signifikanter, negativer Allerdings wäre es gefährlich, die Schlussfolge- Zusammenhang, den man so interpretieren kann, rung zu ziehen, dass sich das Problem mit zu- dass es bei zweifelnden Führungskräften weniger nehmendem Alter oder Berufserfahrung erledigt, Verbesserungen in der Produktivität und Zufrie- denn auch die jüngeren Führungskräfte in der denheit der Mitarbeitenden gibt. Studie sind keine Anfänger mehr. Vielmehr sollte man sich fragen, ob die jüngeren Generationen Schaut man genauer in die Daten und sucht nach grundsätzlich anders mit der Führungsrolle um- Faktoren, die zu stärkeren Führungszweifeln bei- gehen und andere Bedürfnisse haben, die man tragen, sieht man zum einen keinen Unterschied erfüllen könnte, damit sie nicht zu stark an sich zwischen Frauen und Männern. Der Anteil der selbst als Führungskräfte zweifeln und damit sie zweifelnden Führungskräfte ist im produzierenden den Unternehmen erhalten bleiben. 2
CreatingCorporateCulture | 01.2020 Trügerisch nämlich wäre auch die Vorstellung, es geeignete Personen. Und drittens ist es auch keine handele sich um einen Ausleseprozess, bei dem nur praktikable Lösung, zweifelnde Führungskräfte die Führungskräfte übrigbleiben, die voll belast- einfach auszutauschen, allein schon weil es viel bar und ohne Selbstzweifel sind. Denn erstens gibt zu viele sind – ein Drittel aller Führungskräfte in es Zweifelnde auf allen Alters-, Erfahrungs- und Deutschland – als dass man Ersatz für sie finden Hierarchiestufen. Zweitens sind die Zweifel kein würde und weil die Ersatzkräfte unter schlechten verlässliches Zeichen für mangelnde Führungs- Bedingungen bald ebenso zu zweifeln beginnen eignung der Personen, sondern oft Ergebnis würden. Das Augenmerk muss demnach mehr auf schlechter Führungsbedingungen für durchaus die Führungsbedingungen gerichtet werden. Grafik 2: Vergleich Führungszweifel nach Generationen und Sektoren Gruppierung 43,8 % 33,6 % 21,1 % 35,9 % 27,7 % 56,2 % 66,4 % 78,9 % 64,1 % 72,3 % Generation Y Generation X Baby Boomer Produzierendes Dienstleistungssektor (Jg. 2001-1980) (Jg. 1979-1965) (Jg. 1964-1946) Gewerbe relativ geringe Führungszweifel relativ hohe Führungszweifel Führungsgift: Keine Klarheit, viel Bürokratie, Zwei- fel an den Mitarbeitenden Es fällt auf, dass die Gruppe der verunsicherten den, dass es doch gerade die Aufgabe der Füh- und an sich selbst zweifelnden Führungskräfte rungskräfte ist, die Motivation zu steigern. Der (mit hohen Werten auf der Skala „Führungsbelas- Einwand ist berechtigt, doch diese Situation ist tung“) vergleichsweise unter mangelnder Klarheit wiederum für die Führungskräfte nicht sehr mo- und großer Bürokratie für ihre eigenen Aufgaben tivierend und es droht ein Teufelskreis der immer leidet, aber auch eine geringere Nähe und des- weiter sinkenden Motivation und immer größer truktivere Wahrnehmung ihrer Mitarbeitenden werdenden Frustration zwischen Führungskräften aufweist. Grafik 3 zeigt die Aussagen, bei denen und Mitarbeitenden. Die Studie zeigt, dass 44,75 signifikante Unterschiede in der Zustimmung % der stark zweifelnden Führungskräfte eine zwischen den Führungskräften mit hohen und negative Wahrnehmung haben gegenüber nur 16,41 niedrigen Werten auf der Führungszweifel-Skala % der weniger zweifelnden Befragten. Gegen den gemessen wurden. Diejenigen mit geringen Füh- Teufelskreis spricht, dass bei den eher positiven rungszweifeln, stimmen deutlich häufiger zu, dass Aussagen über die Mitarbeitenden die zweifelnden ihre Aufgaben klar sind (87,33 % zu 81,90 %), und Führungskräfte sogar häufiger zustimmen als die deutlich weniger häufig, dass ihr Arbeitsbereich weniger zweifelnden (57,68 % zu 51,68 %). Dieses stark formalisiert ist (44,23 % zu 56,30 %). scheinbar widersprüchliche Ergebnis spricht für die Ambivalenz der zweifelnden Führungskräfte, die Sehr interessant ist, dass die zweifelnden Füh- zur Verunsicherung beiträgt, während die weniger rungskräfte eine recht negative Wahrnehmung zweifelnden Führungskräfte sich auf eine ein- ihrer Mitarbeitenden haben. Wenn sie diese als deutig positive Wahrnehmung der Mitarbeitenden unmotiviert erleben, dann könnte man ja einwen- stützen können. 3
CreatingCorporateCulture | 01.2020 Grafik 3: Vergleich Führungszweifel zu Klarheit, Formalisierung, Mitarbeiterwahrnehmung Aussagen zur Klarheit der eigenen Aufgaben Aussagen zur Formalisierung der eigenen Aufgaben 100 % 100 % 87 82 80 % 80 % 60 % 60 % 56 44 40 % 40 % 30 24 26 18 20 % 20 % 12 9 7 3 0% 0% Zustimmung Teils/Teils Ablehnung Zustimmung Teils/Teils Ablehnung Negative Einstellung gegenüber Mitarbeitenden Positive Einstellung gegenüber Mitarbeitenden 100 % 100 % 80 % 80 % 55 58 60 % 60 % 52 45 40 % 40 % 36 31 28 28 28 20 % 16 20 % 12 11 0% 0% Zustimmung Teils/Teils Ablehnung Zustimmung Teils/Teils Ablehnung Geringe Führungszweifel Hohe Führungszweifel In der Studie wurde nicht nur gefragt, wie die erfahren und „von unten“ wenig Antrieb und Zu- Führungskräfte ihre Mitarbeitenden wahrnehmen, friedenheit wahrnehmen. Dazwischen lässt es sich sondern auch, wie sie ihr Unternehmen insgesamt entsprechend nur schwer wirksam führen. Sehr viel empfinden. Es ist interessant, dass die zweifelnden deutlicher als andere stimmt die Gruppe mit den Führungskräfte hierbei keineswegs alles schwarz- Führungszweifeln der Aussage zu, dass sie „nicht sehen, sondern zum Beispiel ein relativ positives bereit [sind], Führungsverantwortung zu überneh- Bild von der gelebten Unternehmenskultur ha- men, wenn man [ihnen] nicht vertraut“ (geringe ben. Und doch entsteht der Eindruck, dass diesen Führungszweifel: M = 3,16, hohe Führungszweifel: Führungskräften ihre Verantwortung schwer fällt, M = 3,76; M ist der Mittelwert auf einer Skala von 1 weil sie „von oben“ viel Unsicherheit und Kontrolle bis 5). Ihr Unternehmen als Ganzes sehen sie dabei 4
CreatingCorporateCulture | 01.2020 gar nicht negativ, sondern sogar vergleichswei- baren Arbeitsumfeld der Führungskräfte liegen. se positiv. Das bedeutet im Umkehrschluss und in Damit kann man bereits vorwegnehmen, dass auch Kombination zu oben angeführten Ergebnissen zur genau dort die Maßnahmen ansetzen müssen, um Klarheit, Formalisierung und Mitarbeiterwahrneh- diese Führungskräfte zu stärken und für sie förder- mung, dass die Ursachen der Zweifel im unmittel- liche Führungsbedingungen zu gewährleisten. Engagierte, wirksame Führung braucht gute Führungsbedingungen Dass es sich lohnt, die zweifelnden Führungskräfte denn einige Faktoren betreffen das Unternehmen dabei zu unterstützen, wieder mit mehr Sicherheit als Ganzes und liegen eher im Einflussbereich des und Schwung an ihre Führungsaufgaben heran- Top-Managements, aber viele Faktoren liegen zugehen, zeigt das Gesamtbild der Studie. Denn auch, wie oben bereits angedeutet, im direkten Führungskräfte in Deutschland führen heute in Arbeitsumfeld der Führungskräfte selbst. der Regel sowohl ergebnisorientiert als auch inspi- rierend. Das bedeutet, dass sie ihre Mitarbeitenden Im Einzelnen zeigt die Studie klare positive Zu- nicht nur bei der Erfüllung der Arbeitsaufgaben sammenhänge (mit einem sehr hohen Signifi- im engeren Sinne unterstützen, sondern ihnen kanzniveau von p ≤ 1 %) zwischen den folgenden auch Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung Bedingungen und der engagierten Führung, die und Entwicklung in ihren Tätigkeiten bieten und wünschenswerte Wirkungen hat: Vorbilder sein wollen. Diese Kombination wird als „engagierte“ Führung bezeichnet und die • Klarheit in der Unternehmensstrategie, den Studie zeigt, dass sie wirkt. Die Korrelation der Zielen/Aufgaben der Führungskraft sowie den beiden in der Studie gebildeten Skalen für „Enga- operativen Prozessen, aber ohne unnötige gierte Führung“ und der bereits oben genannten Bürokratie; Führungswirkung – jeweils aus mehreren Items • Gelebte Werte und eine vertrauensvolle, zusammengesetzt und mit Faktoren- und Kon- wertschätzende Unternehmenskultur im sistenzanalysen überprüft – beträgt r = 0,33 bei Allgemeinen und besonders auch im direkten einem Signifikanzniveau von p ≤ 1 %. Dies ist ein Austausch mit Vorgesetzten und Kollegen; sehr signifikanter, positiver Zusammenhang. Bei • Ambitionierte Ziele der Führungskräfte für ihre engagierter Führung sind Mitarbeitende produkti- eigene Entwicklung bei sowohl starker ver, zufriedener, kreativer und kollegialer, wäh- Identifikation mit dem Unternehmen als auch rend Fehlzeiten und Fluktuation abnehmen. Erfüllung privater Bedürfnisse; • Motivierte und begeisterte Mitarbeitende, Es ist erfreulich, dass mehr als 80 % der befragten die auch die Führungskraft in ihrer Rolle Führungskräfte in der Studie ihren eigenen Füh- unterstützen. rungsstil so beschreiben, dass man ihn als „enga- giert“ bezeichnen kann, und dass im Übrigen auch Die Studie zeigt auch deutlich, dass „engagierte“ kein Widerspruch zwischen ergebnisorientierter Führungskräfte, die durch solche günstigen und inspirierender Führung besteht. Dennoch ist Bedingungen bestärkt werden, mit hoher Wahr- die engagierte Führung mit positiven Wirkungen scheinlichkeit nicht zu der Gruppe der zweifelnden keine Selbstverständlichkeit, sondern von güns- Führungskräfte gehören. Vielmehr empfinden sie tigen Bedingungen abhängig, wie die Studie klar in besonders hohem Maße Freude, Energie und zeigt. Solche Bedingungen zu erhalten oder ge- Wertschätzung, aber auch Konflikt- und Verände- gebenenfalls noch zu schaffen, ist eine wichtige rungsbereitschaft. Aufgabe aller Führungskräfte im Unternehmen, 5
CreatingCorporateCulture | 01.2020 Klar, dass noch nichts klar ist: Ambivalente Haltung zur Digitalisierung Die Studie will als Führungskräfte-Radar zeigen, solchen Punkten meist deutlich über 40 %. Da aber wie die Verantwortungsträger in der deutschen auf der anderen Seite etwa ein Drittel nicht klar Wirtschaft ihre eigenen Arbeitsbedingungen zustimmt (teils/teils), dass die Digitalisierung in wahrnehmen. Aktuell ist dabei auch von Interesse, ihren Unternehmen ein entscheidendes Thema ist wie sie zu Fragen der Digitalen Transformation oder das Unternehmen sich bereits auf den Weg in oder auch der Innovationsfähigkeit ihrer Unter- die digitale Zukunft gemacht hat, muss man davon nehmen stehen. Auffällig in den Ergebnissen der ausgehen, dass das Thema in vielen Unternehmen neuen Studie ist, dass ein großer Anteil der Füh- noch nicht richtig angekommen ist (vgl. Grafik 4). rungskräfte bei vielen Themen noch keine klare Es entsteht eher der Eindruck, dass die Führungs- Aussage treffen mag, sondern „teils/teils“ antwor- kräfte und ihre Unternehmen noch „auf dem Zaun tet. Es wurde zum Beispiel gefragt, ob Digitalisie- sitzen“ und abwarten, wie sich das Thema Digitale rung ein wichtiges strategisches Thema ist, ob es Transformation entwickelt, dabei jedoch Gefahr dabei Nachholbedarf gibt und man größere Verän- laufen, den Anschluss zu verlieren. derungen erwartet. Zwar lag die Zustimmung bei Grafik 4: Antworten zum Thema Digitalisierung und Innovation Der Einsatz privater Geräte der Mitarbeiter bei der Arbeit 44,9 26,1 29,1 ist möglich und wünschenswert. Es ist bereits gut geregelt, dass digitale Spuren der 19,9 35,9 44,2 Mitarbeiter nicht missbraucht werden Wir sehen große Chancen in den neuen Arbeitsformen, 24,4 30,1 45,3 wie Homeoffice, Virtuelle Teams etc. Die digitale Transformation erfordert ein anderes 13,2 31,4 55,4 Führungsverhalten in der Zukunft Die Führungskräfte im Unternehmen sind gut vorbereitet 26,8 33,2 40,0 auf digitale Innovationen Wir sind bei der Digitalisierung zügig unterwegs und 26,8 32,1 41,2 nehmen alle Mitarbeiter mit Unser Unternehmen verbindet mit der Digitalisierung 36,6 27,5 35,9 auch eine andere Unternehmenskultur Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen 17,5 37,3 45,2 fördern Innovationen nicht Bei innovativen Technologien wie Big Data, KI, 4.0, 20,3 32,8 46,9 Blockchain etc. sind wir im Rückstand. Man muss davon ausgehen, dass wir ganz neue digitale 20,5 25,9 53,5 Geschäftsmodelle haben werden Die stärkere Kundenorientierung wird als Chance der 16,9 29,5 53,6 Digitalisierung verstanden Das Thema Digitalisierung wird bei uns vorwiegend unter 25,7 34,3 40,0 Kostengesichtspunkten betrachtet Durch die Digitalisierung wird sich nichts Grundlegendes 32,5 26,5 41,0 in meinem Arbeitsbereich verändern Mein Arbeitsbereich ist von den Veränderungen durch 26,0 29,7 44,3 Digitalisierung bereits stark betroffen Wir haben beim Thema Digitalisierung noch großen 21,7 28,9 49,4 Nachholbedarf im Unternehmen In meinem Unternehmen ist die Digitalisierung ein 15,5 23,7 60,7 wichtiges strategisches Thema Ablehnung Teils/Teils Zustimmung 6
CreatingCorporateCulture | 01.2020 Interessant ist, dass die Führungskräfte mit hohen kann, warum ihnen Klarheit fehlt und warum sie Führungszweifeln beim Thema Digitalisierung etwa bei ihren Mitarbeitenden eine eher ableh- höhere Zustimmungswerte zu den entsprechenden nende als unterstützende Haltung bei den nötigen Aussagen haben. Das bedeutet insgesamt, dass sie Veränderungen empfinden. So kann dieses Thema sich schon stärker von der Digitalen Transforma- bei bereits zweifelnden Führungskräften zusätz- tion betroffen sehen, was wiederum auch erklären liche Verunsicherung bringen. Fazit und Ausblick Die Studie zeigt, dass ein Großteil der Führungs- Erfahrung der Personen in Führungspositionen, kräfte in Deutschland engagiert führt und posi- sondern in deren Arbeitsumfeld, das heißt in den tive Wirkungen im eigenen Arbeitsbereich sieht. strukturellen und informellen Bedingungen ihrer Jedoch gibt es auch einen bedenklich hohen Anteil Tätigkeit als Führungskräfte. Deshalb sollten der Befragten, insbesondere der Jüngeren, die von seitens der Personalabteilungen in Entwick- Selbstzweifel in ihrer Führungsrolle geplagt sind lungsgesprächen die Zweifel thematisiert werden und nachweislich weniger positive Wirkungen er- und gegebenenfalls nicht nur mit individuellen zielen. Die Unternehmen verschenken damit nicht Schulungen und Coachings der Führungskräfte, nur unmittelbar ein Leistungspotenzial, sondern sondern mit Ebenen-übergreifenden Workshops die daraus resultierende Unzufriedenheit kann dazu und Weiterbildungsmaßnahmen reagiert werden. führen, dass eigentlich sehr qualifizierte und mo- tivierte Personen das Unternehmen verlassen, ob- Vorbeugend muss darauf geachtet werden, dass wohl sie unter besseren Bedingungen engagierter, Führungskräfte einen klaren Auftrag mit jedoch erfolgreicher und zufriedener hätten sein können. ausreichenden Spielräumen haben. Klar ist auch, dass die Führungskräfte an sich selbst arbeiten Führungskräfte leisten eine wichtige Arbeit, bei müssen, insbesondere wenn sie ihre Mitarbeiten- der sie unterstützt werden müssen. Das Bild der den allzu negativ sehen. Wer dauerhaft an seiner Vorgesetzten, die einfach „stark“ zu sein haben Führungsverantwortung zweifelt, sollte besser und den Druck von oben und unten aushalten andere Aufgaben wahrnehmen, doch die positiven müssen, ist nicht mehr zeitgemäß. Jedes Unter- Wirkungen engagierter Führung auch für die Füh- nehmen sollte seine eigene Kultur der Führung in rungskraft selbst können ein Ansporn sein, sich in dieser Hinsicht gründlich hinterfragen. Dies ist dieser Rolle selbst zu verwirklichen. auch eine Aufgabe für Gesellschafter und Auf- sichtsräte, die neben den harten Kennzahlen Bei dem oft noch allzu heroischen Bild von immer mehr auf die vermeintlich „weichen“, in „Leadership“ wird zu selten gesehen, dass Füh- den Konsequenzen aber ebenso harten Faktoren rungskräfte nicht nur andere motivieren, sondern wie die Unternehmenskultur und insbesondere die gleichfalls motivierende und unterstützende Be- guten Führungsbedingungen achten müssen. dingungen für ihre Führungsaufgaben brauchen. Die Studie hat gezeigt, dass es in dieser Hinsicht Die Studie gibt wichtige Anhaltspunkte dafür, dass in Deutschland Anlass zu großer Sorge gibt, weil die Unterstützung innerhalb des Unternehmens mindestens ein Drittel der Führungskräfte von Generationen- und Ebenen-übergreifend gege- Zweifeln geplagt ist, ob sie (noch) Führungskräf- ben werden muss, vor allem von Alt zu Jung und te sein wollen. Dass sie prominenten Vorbildern, Oben nach Unten, aber jeweils auch in die andere die einfach aussteigen, nacheifern könnten, ist Richtung. Zudem liegen die Gründe des Führungs- ein stark unterschätztes Risiko in der deutschen zweifels nicht allein in der Belastbarkeit oder der Unternehmenslandschaft. 7
CreatingCorporateCulture | 01.2020 Anhang Hintergrund und Methode der Studie Die Daten dieser Studie beziehen sich auf Führungskräfte in Deutsch- land, die ihren organisationalen Kontext, ihre persönlichen Begleit- umstände und die Wirksamkeit in ihrer Organisation beurteilt sowie ihre Einschätzung bezüglich Digitalisierung und Innovation abgegeben haben. Bei der Studie handelt es sich um den Führungskräfte-Radar 2019 der Bertelsmann Stiftung. Die Durchführung der Befragung wurde von der IPSOS GmbH im April und Juli 2019 vorgenommen. Der Frage- bogen wurde vom Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung (RMI) auf der Grundlage früherer Erhebungen der Bertelsmann Stiftung weiterentwickelt und zum Beispiel um Fragen zum Thema Digitalisierung erweitert. An der Studie haben Führungskräfte aus oberen, mittleren und unteren Führungsebenen teilgenommen. Die Daten wurden quantitativ vom RMI ausgewertet mit besonderer Berücksichtigung möglicher Unterschiede basierend auf Alter, Geschlecht und Führungszweifel. Die ausgewerte- ten Daten umfassen eine Stichprobengröße von N = 981 Teilnehmenden. Der Fragebogen umfasste 130 Items, die mittels explorative Faktorana- lyse in Skalen zusammengefasst wurden. Die Fragen bestanden zum Großteil aus Aussagen, denen die Befragten auf einer Skala von 1 bis 5 Impressum zustimmen konnten, wobei „1“ keine Zustimmung und „5“ die höchste Zustimmung darstellt. © Februar 2020 Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 80 % der Befragten sind männlich und der Altersdurchschnitt der Stichprobe liegt bei 51 Jahren, was für die heutige Führungslandschaft Bertelsmann Stiftung in Deutschland als repräsentativ anzunehmen ist. Die Teilnehmenden Carl-Bertelsmann-Straße 256 gehören ihrer Organisation im Schnitt 17 Jahre an, haben ihre Position im 33311 Gütersloh Mittel 10 Jahre inne und insgesamt durchschnittlich 13 Jahre Führungs- www.bertelsmann-stiftung.de erfahrung. Die befragten Führungskräfte arbeiten zu 20 % in Kleinst- und kleinen Unternehmen, zu 36 % in mittleren Unternehmen sowie zu 44 % Verantwortlich: in Großunternehmen, womit die Studie größere Unternehmen überpro- Guido Möllering portional abbildet. Dabei bekleiden die Befragten zu 10 % die oberste Füh- Kontakt: guido.moellering@uni-wh.de rungsebene, zu 47 % sind sie im mittleren Management und zu 43 % in der Telefon: +49 2303-926-502 unteren Führungsebene tätig. 60 % der Führungskräfte haben eine direkte (Linien-)Verantwortung für bis zu 10 Mitarbeitende, bei den anderen 40 % Sabrina Schuster sind es mehr als 10 Mitarbeitende. Kontakt: sabrina.schuster@uni-wh.de Telefon: +49 2303-926-502 Martin Spilker Kontakt: martin.spilker@ bertelsmann-stiftung.de Telefon: +49 5241 80-40283 Gestaltung: Oliver Helbig OH Design + Medienproduktion Bildnachweis: © Antonioguillem stock.adobe.com BSt-ID: 876 8
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