Führungsmüde? Deutschlands Führungskräfte (ver-)zweifeln an ihrer Rolle - Bertelsmann Stiftung

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Führungsmüde? Deutschlands Führungskräfte (ver-)zweifeln an ihrer Rolle - Bertelsmann Stiftung
Führungskräfte-Radar

                              CreatingCorporateCulture | 01.2020

      Führungsmüde? Deutschlands
Führungskräfte (ver-)zweifeln an ihrer Rolle
Ein Drittel der Führungskräfte in Deutschland fühlen sich belastet und verunsichert.
     Ihre Selbstzweifel hängen mit schlechten Führungsbedingungen zusammen.
                       Damit verschenken Unternehmen viel Potenzial,
                    denn wirksame Führung wird mehr denn je gebraucht.

Führungskräfte tragen viel dazu bei, ob ein Team,        Prominente Beispiele für zweifelnde Führungskräfte,
eine Abteilung oder ganze Betriebe erfolgreich sind.     die sich nicht mehr in der Lage fühlen, ihrer Rolle ge-
Dies bestätigt eine neue Studie der Bertelsmann          recht werden zu können und die sich sogar zurück-
Stiftung in Kooperation mit dem Reinhard-Mohn-           ziehen, gibt es aktuell eine ganze Reihe. Doch wie
Institut für Unternehmensführung (RMI) an der            sieht es im weniger öffentlich sichtbaren Alltag der
Universität Witten/Herdecke. Die Studie zeigt aber       Unternehmen in Deutschland aus? Der neue Führungs-
auch, dass Führungskräfte in vielen Unternehmen          kräfte-Radar, eine repräsentative Befragung von knapp
an ihrer Rolle zweifeln, ambivalent zu ihrer Führungs-   1000 Führungskräften, zeigt, dass auf der in der Studie
aufgabe stehen, sich unsicher und häufig auch nicht      entwickelten Skala des Führungszweifels 30 % der
gut unterstützt fühlen.                                  Befragten einen hohen Wert haben, das heißt bei meh-
                                                         reren entsprechenden Aussagen zustimmen. Bei diesen
Wirksame Führung ist keine Selbstverständlichkeit,       Aussagen gaben jeweils zwischen 21,4 % und 25,6 %
sondern von günstigen Bedingungen abhängig, die          der Befragten an, dass sie ihre Führungsverantwortung
es im Unternehmen zu schaffen gilt. Damit verweist       meistens als Belastung empfinden, sie sich nicht sicher
die Studie – anders als gängige Ansätze bisher –         sind, ob Führung ihnen liegt, und dass sie ihren eigenen
insbesondere auf das Arbeitsumfeld der Führungs-         Ansprüchen nicht gerecht werden (vgl. Grafik 1). Nimmt
kräfte, statt auf deren persönliche Eigenschaften        man hinzu, dass ca. weitere 25 % bei den entsprechen-
oder Kompetenzen. Wer zu stark belastet oder im          den Aussagen zumindest teilweise zustimmten, dass die
Stich gelassen wird, entwickelt Zweifel, ob er in der    Führungsrolle für sie mit Zweifel oder Verunsicherung
Führungsrolle sein kann oder will, und das erschwert     verbunden, dann kann man bei der Hälfte der deutschen
die wirksame Führung.                                    Führungskräfte nicht davon ausgehen, dass sie ihrer
                                                         Verantwortung unbeschwert nachkommen.
CreatingCorporateCulture | 01.2020

    Grafik 1: Skala, Items und relative Häufigkeiten zum Führungszweifel

    Skala Führungsbelastung
                                                                    30,1 %

                                                                                                     69,9 %

      relativ geringe Führungszweifel        relativ hohe Führungszweifel

    Aussagen zum Führungszweifel

    21,4 %                              25,6 %                          23,4 %                          25,6 %

                          78,6 %                             74,4 %                          76,6 %                        74,4 %

        Ich werde meinen                    Ich kann mehr zu                   Ich bin in einer                Ich empfinde
       eigenen Ansprüchen                     einer Gruppe                     Führungsrolle,                 Führungsverant-
      an eine Führungskraft                     beitragen,                  bin aber nicht sicher,               wortung
         oft nicht gerecht                  wenn ich geführt                ob Führung mir liegt                meistens als
                                          werde anstatt dass ich                                                 Belastung
                                               selbst führe

      Ablehnung         Zustimmung

Führungswirkung wird durch Zweifel beeinträchtigt

Dieser Befund stellt ein gravierendes Problem für                           Gewerbe tendenziell höher als im Dienstleistungs-
Unternehmen dar: Führungszweifel gehen mit                                  sektor (35,9 % vs. 27,7 %, vgl. Grafik 2), doch das
geringerer Führungswirkung einher. Die Korrela-                             Problem besteht grundsätzlich in beiden Sektoren.
tion der beiden in der Studie gebildeten Skalen für                         Interessanter sind die Unterschiede beim Alter. Es
Führungszweifel und Führungswirkung – jeweils                               mag naheliegend erscheinen, dass Jüngere mit we-
aus mehreren Items zusammengesetzt und mit                                  niger Erfahrung noch mehr zweifeln (Generation Y
Faktoren- und Konsistenzanalysen überprüft –                                43,8 %; Generation X 33,6 %) als die „alten Hasen“
beträgt r = -0,17 bei einem Signifikanzniveau von                           in der Generation der Baby Boomer (21,1 %).
p ≤ 1 %. Dies ist ein sehr signifikanter, negativer                         Allerdings wäre es gefährlich, die Schlussfolge-
Zusammenhang, den man so interpretieren kann,                               rung zu ziehen, dass sich das Problem mit zu-
dass es bei zweifelnden Führungskräften weniger                             nehmendem Alter oder Berufserfahrung erledigt,
Verbesserungen in der Produktivität und Zufrie-                             denn auch die jüngeren Führungskräfte in der
denheit der Mitarbeitenden gibt.                                            Studie sind keine Anfänger mehr. Vielmehr sollte
                                                                            man sich fragen, ob die jüngeren Generationen
Schaut man genauer in die Daten und sucht nach                              grundsätzlich anders mit der Führungsrolle um-
Faktoren, die zu stärkeren Führungszweifeln bei-                            gehen und andere Bedürfnisse haben, die man
tragen, sieht man zum einen keinen Unterschied                              erfüllen könnte, damit sie nicht zu stark an sich
zwischen Frauen und Männern. Der Anteil der                                 selbst als Führungskräfte zweifeln und damit sie
zweifelnden Führungskräfte ist im produzierenden                            den Unternehmen erhalten bleiben.

2
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          Trügerisch nämlich wäre auch die Vorstellung, es                           geeignete Personen. Und drittens ist es auch keine
          handele sich um einen Ausleseprozess, bei dem nur                          praktikable Lösung, zweifelnde Führungskräfte
          die Führungskräfte übrigbleiben, die voll belast-                          einfach auszutauschen, allein schon weil es viel
          bar und ohne Selbstzweifel sind. Denn erstens gibt                         zu viele sind – ein Drittel aller Führungskräfte in
          es Zweifelnde auf allen Alters-, Erfahrungs- und                           Deutschland – als dass man Ersatz für sie finden
          Hierarchiestufen. Zweitens sind die Zweifel kein                           würde und weil die Ersatzkräfte unter schlechten
          verlässliches Zeichen für mangelnde Führungs-                              Bedingungen bald ebenso zu zweifeln beginnen
          eignung der Personen, sondern oft Ergebnis                                 würden. Das Augenmerk muss demnach mehr auf
          schlechter Führungsbedingungen für durchaus                                die Führungsbedingungen gerichtet werden.

Grafik 2: Vergleich Führungszweifel nach Generationen und Sektoren

Gruppierung

43,8 %                               33,6 %                             21,1 %                     35,9 %                   27,7 %

                       56,2 %                            66,4 %                           78,9 %                   64,1 %                      72,3 %

        Generation Y                        Generation X                      Baby Boomer              Produzierendes         Dienstleistungssektor
      (Jg. 2001-1980)                     (Jg. 1979-1965)                    (Jg. 1964-1946)              Gewerbe

   relativ geringe Führungszweifel       relativ hohe Führungszweifel

          Führungsgift: Keine Klarheit, viel Bürokratie, Zwei-
          fel an den Mitarbeitenden

          Es fällt auf, dass die Gruppe der verunsicherten                           den, dass es doch gerade die Aufgabe der Füh-
          und an sich selbst zweifelnden Führungskräfte                              rungskräfte ist, die Motivation zu steigern. Der
          (mit hohen Werten auf der Skala „Führungsbelas-                            Einwand ist berechtigt, doch diese Situation ist
          tung“) vergleichsweise unter mangelnder Klarheit                           wiederum für die Führungskräfte nicht sehr mo-
          und großer Bürokratie für ihre eigenen Aufgaben                            tivierend und es droht ein Teufelskreis der immer
          leidet, aber auch eine geringere Nähe und des-                             weiter sinkenden Motivation und immer größer
          truktivere Wahrnehmung ihrer Mitarbeitenden                                werdenden Frustration zwischen Führungskräften
          aufweist. Grafik 3 zeigt die Aussagen, bei denen                           und Mitarbeitenden. Die Studie zeigt, dass 44,75
          signifikante Unterschiede in der Zustimmung                                % der stark zweifelnden Führungskräfte eine
          zwischen den Führungskräften mit hohen und                                 negative Wahrnehmung haben gegenüber nur 16,41
          niedrigen Werten auf der Führungszweifel-Skala                             % der weniger zweifelnden Befragten. Gegen den
          gemessen wurden. Diejenigen mit geringen Füh-                              Teufelskreis spricht, dass bei den eher positiven
          rungszweifeln, stimmen deutlich häufiger zu, dass                          Aussagen über die Mitarbeitenden die zweifelnden
          ihre Aufgaben klar sind (87,33 % zu 81,90 %), und                          Führungskräfte sogar häufiger zustimmen als die
          deutlich weniger häufig, dass ihr Arbeitsbereich                           weniger zweifelnden (57,68 % zu 51,68 %). Dieses
          stark formalisiert ist (44,23 % zu 56,30 %).                               scheinbar widersprüchliche Ergebnis spricht für
                                                                                     die Ambivalenz der zweifelnden Führungskräfte, die
          Sehr interessant ist, dass die zweifelnden Füh-                            zur Verunsicherung beiträgt, während die weniger
          rungskräfte eine recht negative Wahrnehmung                                zweifelnden Führungskräfte sich auf eine ein-
          ihrer Mitarbeitenden haben. Wenn sie diese als                             deutig positive Wahrnehmung der Mitarbeitenden
          unmotiviert erleben, dann könnte man ja einwen-                            stützen können.

                                                                                                                                           3
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Grafik 3: Vergleich Führungszweifel zu Klarheit, Formalisierung, Mitarbeiterwahrnehmung

Aussagen zur Klarheit der eigenen Aufgaben                           Aussagen zur Formalisierung der eigenen Aufgaben

100 %                                                                100 %
               87
                    82
 80 %                                                                  80 %

 60 %                                                                  60 %            56

                                                                                  44
 40 %                                                                  40 %
                                                                                              30
                                                                                                   24      26
                                                                                                                18
 20 %                                                                  20 %
                                   12
                              9                     7
                                               3
  0%                                                                    0%
              Zustimmung     Teils/Teils     Ablehnung                          Zustimmung   Teils/Teils   Ablehnung

Negative Einstellung gegenüber Mitarbeitenden                        Positive Einstellung gegenüber Mitarbeitenden

100 %                                                                 100 %

 80 %                                                                  80 %

                                              55                                       58
 60 %                                                                  60 %       52
                    45
 40 %                                                                  40 %                   36
                                                                                                   31
                             28 28                  28

 20 %          16                                                      20 %                                 12 11

  0%                                                                    0%
              Zustimmung     Teils/Teils     Ablehnung                          Zustimmung   Teils/Teils   Ablehnung

   Geringe Führungszweifel   Hohe Führungszweifel

          In der Studie wurde nicht nur gefragt, wie die             erfahren und „von unten“ wenig Antrieb und Zu-
          Führungskräfte ihre Mitarbeitenden wahrnehmen,             friedenheit wahrnehmen. Dazwischen lässt es sich
          sondern auch, wie sie ihr Unternehmen insgesamt            entsprechend nur schwer wirksam führen. Sehr viel
          empfinden. Es ist interessant, dass die zweifelnden        deutlicher als andere stimmt die Gruppe mit den
          Führungskräfte hierbei keineswegs alles schwarz-           Führungszweifeln der Aussage zu, dass sie „nicht
          sehen, sondern zum Beispiel ein relativ positives          bereit [sind], Führungsverantwortung zu überneh-
          Bild von der gelebten Unternehmenskultur ha-               men, wenn man [ihnen] nicht vertraut“ (geringe
          ben. Und doch entsteht der Eindruck, dass diesen           Führungszweifel: M = 3,16, hohe Führungszweifel:
          Führungskräften ihre Verantwortung schwer fällt,           M = 3,76; M ist der Mittelwert auf einer Skala von 1
          weil sie „von oben“ viel Unsicherheit und Kontrolle        bis 5). Ihr Unternehmen als Ganzes sehen sie dabei

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gar nicht negativ, sondern sogar vergleichswei-       baren Arbeitsumfeld der Führungskräfte liegen.
se positiv. Das bedeutet im Umkehrschluss und in      Damit kann man bereits vorwegnehmen, dass auch
Kombination zu oben angeführten Ergebnissen zur       genau dort die Maßnahmen ansetzen müssen, um
Klarheit, Formalisierung und Mitarbeiterwahrneh-      diese Führungskräfte zu stärken und für sie förder-
mung, dass die Ursachen der Zweifel im unmittel-      liche Führungsbedingungen zu gewährleisten.

Engagierte, wirksame Führung
braucht gute Führungsbedingungen

Dass es sich lohnt, die zweifelnden Führungskräfte    denn einige Faktoren betreffen das Unternehmen
dabei zu unterstützen, wieder mit mehr Sicherheit     als Ganzes und liegen eher im Einflussbereich des
und Schwung an ihre Führungsaufgaben heran-           Top-Managements, aber viele Faktoren liegen
zugehen, zeigt das Gesamtbild der Studie. Denn        auch, wie oben bereits angedeutet, im direkten
Führungskräfte in Deutschland führen heute in         Arbeitsumfeld der Führungskräfte selbst.
der Regel sowohl ergebnisorientiert als auch inspi-
rierend. Das bedeutet, dass sie ihre Mitarbeitenden   Im Einzelnen zeigt die Studie klare positive Zu-
nicht nur bei der Erfüllung der Arbeitsaufgaben       sammenhänge (mit einem sehr hohen Signifi-
im engeren Sinne unterstützen, sondern ihnen          kanzniveau von p ≤ 1 %) zwischen den folgenden
auch Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung        Bedingungen und der engagierten Führung, die
und Entwicklung in ihren Tätigkeiten bieten und       wünschenswerte Wirkungen hat:
Vorbilder sein wollen. Diese Kombination wird
als „engagierte“ Führung bezeichnet und die           • Klarheit in der Unternehmensstrategie, den
Studie zeigt, dass sie wirkt. Die Korrelation der       Zielen/Aufgaben der Führungskraft sowie den
beiden in der Studie gebildeten Skalen für „Enga-       operativen Prozessen, aber ohne unnötige
gierte Führung“ und der bereits oben genannten          Bürokratie;
Führungswirkung – jeweils aus mehreren Items          • Gelebte Werte und eine vertrauensvolle,
zusammengesetzt und mit Faktoren- und Kon-              wertschätzende Unternehmenskultur im
sistenzanalysen überprüft – beträgt r = 0,33 bei        Allgemeinen und besonders auch im direkten
einem Signifikanzniveau von p ≤ 1 %. Dies ist ein       Austausch mit Vorgesetzten und Kollegen;
sehr signifikanter, positiver Zusammenhang. Bei       • Ambitionierte Ziele der Führungskräfte für ihre
engagierter Führung sind Mitarbeitende produkti-        eigene Entwicklung bei sowohl starker
ver, zufriedener, kreativer und kollegialer, wäh-       Identifikation mit dem Unternehmen als auch
rend Fehlzeiten und Fluktuation abnehmen.               Erfüllung privater Bedürfnisse;
                                                      • Motivierte und begeisterte Mitarbeitende,
Es ist erfreulich, dass mehr als 80 % der befragten     die auch die Führungskraft in ihrer Rolle
Führungskräfte in der Studie ihren eigenen Füh-         unterstützen.
rungsstil so beschreiben, dass man ihn als „enga-
giert“ bezeichnen kann, und dass im Übrigen auch      Die Studie zeigt auch deutlich, dass „engagierte“
kein Widerspruch zwischen ergebnisorientierter        Führungskräfte, die durch solche günstigen
und inspirierender Führung besteht. Dennoch ist       Bedingungen bestärkt werden, mit hoher Wahr-
die engagierte Führung mit positiven Wirkungen        scheinlichkeit nicht zu der Gruppe der zweifelnden
keine Selbstverständlichkeit, sondern von güns-       Führungskräfte gehören. Vielmehr empfinden sie
tigen Bedingungen abhängig, wie die Studie klar       in besonders hohem Maße Freude, Energie und
zeigt. Solche Bedingungen zu erhalten oder ge-        Wertschätzung, aber auch Konflikt- und Verände-
gebenenfalls noch zu schaffen, ist eine wichtige      rungsbereitschaft.
Aufgabe aller Führungskräfte im Unternehmen,

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Klar, dass noch nichts klar ist:
Ambivalente Haltung zur Digitalisierung

Die Studie will als Führungskräfte-Radar zeigen,                 solchen Punkten meist deutlich über 40 %. Da aber
wie die Verantwortungsträger in der deutschen                    auf der anderen Seite etwa ein Drittel nicht klar
Wirtschaft ihre eigenen Arbeitsbedingungen                       zustimmt (teils/teils), dass die Digitalisierung in
wahrnehmen. Aktuell ist dabei auch von Interesse,                ihren Unternehmen ein entscheidendes Thema ist
wie sie zu Fragen der Digitalen Transformation                   oder das Unternehmen sich bereits auf den Weg in
oder auch der Innovationsfähigkeit ihrer Unter-                  die digitale Zukunft gemacht hat, muss man davon
nehmen stehen. Auffällig in den Ergebnissen der                  ausgehen, dass das Thema in vielen Unternehmen
neuen Studie ist, dass ein großer Anteil der Füh-                noch nicht richtig angekommen ist (vgl. Grafik 4).
rungskräfte bei vielen Themen noch keine klare                   Es entsteht eher der Eindruck, dass die Führungs-
Aussage treffen mag, sondern „teils/teils“ antwor-               kräfte und ihre Unternehmen noch „auf dem Zaun
tet. Es wurde zum Beispiel gefragt, ob Digitalisie-              sitzen“ und abwarten, wie sich das Thema Digitale
rung ein wichtiges strategisches Thema ist, ob es                Transformation entwickelt, dabei jedoch Gefahr
dabei Nachholbedarf gibt und man größere Verän-                  laufen, den Anschluss zu verlieren.
derungen erwartet. Zwar lag die Zustimmung bei

    Grafik 4: Antworten zum Thema Digitalisierung und Innovation

    Der Einsatz privater Geräte der Mitarbeiter bei der Arbeit              44,9                        26,1                29,1
    ist möglich und wünschenswert.
    Es ist bereits gut geregelt, dass digitale Spuren der                   19,9      35,9                        44,2
    Mitarbeiter nicht missbraucht werden
    Wir sehen große Chancen in den neuen Arbeitsformen,                     24,4            30,1                  45,3
    wie Homeoffice, Virtuelle Teams etc.
    Die digitale Transformation erfordert ein anderes                       13,2   31,4                 55,4
    Führungsverhalten in der Zukunft
    Die Führungskräfte im Unternehmen sind gut vorbereitet                  26,8            33,2                    40,0
    auf digitale Innovationen
    Wir sind bei der Digitalisierung zügig unterwegs und                   26,8              32,1                  41,2
    nehmen alle Mitarbeiter mit
    Unser Unternehmen verbindet mit der Digitalisierung                                                                  36,6
                                                                            27,5             35,9
    auch eine andere Unternehmenskultur
    Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen                  17,5     37,3                         45,2
    fördern Innovationen nicht
    Bei innovativen Technologien wie Big Data, KI, 4.0,
                                                                            20,3      32,8                     46,9
    Blockchain etc. sind wir im Rückstand.
    Man muss davon ausgehen, dass wir ganz neue digitale
                                                                            20,5      25,9                 53,5
    Geschäftsmodelle haben werden
    Die stärkere Kundenorientierung wird als Chance der
                                                                            16,9     29,5                  53,6
    Digitalisierung verstanden
    Das Thema Digitalisierung wird bei uns vorwiegend unter
                                                                            25,7            34,3                    40,0
    Kostengesichtspunkten betrachtet
    Durch die Digitalisierung wird sich nichts Grundlegendes
                                                                            32,5                 26,5               41,0
    in meinem Arbeitsbereich verändern
    Mein Arbeitsbereich ist von den Veränderungen durch
                                                                            26,0            29,7                  44,3
    Digitalisierung bereits stark betroffen
    Wir haben beim Thema Digitalisierung noch großen
                                                                            21,7          28,9               49,4
    Nachholbedarf im Unternehmen
    In meinem Unternehmen ist die Digitalisierung ein
                                                                            15,5   23,7             60,7
    wichtiges strategisches Thema

        Ablehnung       Teils/Teils     Zustimmung

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Interessant ist, dass die Führungskräfte mit hohen    kann, warum ihnen Klarheit fehlt und warum sie
Führungszweifeln beim Thema Digitalisierung           etwa bei ihren Mitarbeitenden eine eher ableh-
höhere Zustimmungswerte zu den entsprechenden         nende als unterstützende Haltung bei den nötigen
Aussagen haben. Das bedeutet insgesamt, dass sie      Veränderungen empfinden. So kann dieses Thema
sich schon stärker von der Digitalen Transforma-      bei bereits zweifelnden Führungskräften zusätz-
tion betroffen sehen, was wiederum auch erklären      liche Verunsicherung bringen.

Fazit und Ausblick

Die Studie zeigt, dass ein Großteil der Führungs-     Erfahrung der Personen in Führungspositionen,
kräfte in Deutschland engagiert führt und posi-       sondern in deren Arbeitsumfeld, das heißt in den
tive Wirkungen im eigenen Arbeitsbereich sieht.       strukturellen und informellen Bedingungen ihrer
Jedoch gibt es auch einen bedenklich hohen Anteil     Tätigkeit als Führungskräfte. Deshalb sollten
der Befragten, insbesondere der Jüngeren, die von     seitens der Personalabteilungen in Entwick-
Selbstzweifel in ihrer Führungsrolle geplagt sind     lungsgesprächen die Zweifel thematisiert werden
und nachweislich weniger positive Wirkungen er-       und gegebenenfalls nicht nur mit individuellen
zielen. Die Unternehmen verschenken damit nicht       Schulungen und Coachings der Führungskräfte,
nur unmittelbar ein Leistungspotenzial, sondern       sondern mit Ebenen-übergreifenden Workshops
die daraus resultierende Unzufriedenheit kann dazu    und Weiterbildungsmaßnahmen reagiert werden.
führen, dass eigentlich sehr qualifizierte und mo-
tivierte Personen das Unternehmen verlassen, ob-      Vorbeugend muss darauf geachtet werden, dass
wohl sie unter besseren Bedingungen engagierter,      Führungskräfte einen klaren Auftrag mit jedoch
erfolgreicher und zufriedener hätten sein können.     ausreichenden Spielräumen haben. Klar ist auch,
                                                      dass die Führungskräfte an sich selbst arbeiten
Führungskräfte leisten eine wichtige Arbeit, bei      müssen, insbesondere wenn sie ihre Mitarbeiten-
der sie unterstützt werden müssen. Das Bild der       den allzu negativ sehen. Wer dauerhaft an seiner
Vorgesetzten, die einfach „stark“ zu sein haben       Führungsverantwortung zweifelt, sollte besser
und den Druck von oben und unten aushalten            andere Aufgaben wahrnehmen, doch die positiven
müssen, ist nicht mehr zeitgemäß. Jedes Unter-        Wirkungen engagierter Führung auch für die Füh-
nehmen sollte seine eigene Kultur der Führung in      rungskraft selbst können ein Ansporn sein, sich in
dieser Hinsicht gründlich hinterfragen. Dies ist      dieser Rolle selbst zu verwirklichen.
auch eine Aufgabe für Gesellschafter und Auf-
sichtsräte, die neben den harten Kennzahlen           Bei dem oft noch allzu heroischen Bild von
immer mehr auf die vermeintlich „weichen“, in         „Leadership“ wird zu selten gesehen, dass Füh-
den Konsequenzen aber ebenso harten Faktoren          rungskräfte nicht nur andere motivieren, sondern
wie die Unternehmenskultur und insbesondere die       gleichfalls motivierende und unterstützende Be-
guten Führungsbedingungen achten müssen.              dingungen für ihre Führungsaufgaben brauchen.
                                                      Die Studie hat gezeigt, dass es in dieser Hinsicht
Die Studie gibt wichtige Anhaltspunkte dafür, dass    in Deutschland Anlass zu großer Sorge gibt, weil
die Unterstützung innerhalb des Unternehmens          mindestens ein Drittel der Führungskräfte von
Generationen- und Ebenen-übergreifend gege-           Zweifeln geplagt ist, ob sie (noch) Führungskräf-
ben werden muss, vor allem von Alt zu Jung und        te sein wollen. Dass sie prominenten Vorbildern,
Oben nach Unten, aber jeweils auch in die andere      die einfach aussteigen, nacheifern könnten, ist
Richtung. Zudem liegen die Gründe des Führungs-       ein stark unterschätztes Risiko in der deutschen
zweifels nicht allein in der Belastbarkeit oder der   Unternehmenslandschaft.

                                                                                                           7
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                                           Anhang
                                           Hintergrund und Methode der Studie

                                           Die Daten dieser Studie beziehen sich auf Führungskräfte in Deutsch-
                                           land, die ihren organisationalen Kontext, ihre persönlichen Begleit-
                                           umstände und die Wirksamkeit in ihrer Organisation beurteilt sowie
                                           ihre Einschätzung bezüglich Digitalisierung und Innovation abgegeben
                                           haben. Bei der Studie handelt es sich um den Führungskräfte-Radar
                                           2019 der Bertelsmann Stiftung. Die Durchführung der Befragung wurde
                                           von der IPSOS GmbH im April und Juli 2019 vorgenommen. Der Frage-
                                           bogen wurde vom Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung
                                           (RMI) auf der Grundlage früherer Erhebungen der Bertelsmann Stiftung
                                           weiterentwickelt und zum Beispiel um Fragen zum Thema Digitalisierung
                                           erweitert.

                                           An der Studie haben Führungskräfte aus oberen, mittleren und unteren
                                           Führungsebenen teilgenommen. Die Daten wurden quantitativ vom RMI
                                           ausgewertet mit besonderer Berücksichtigung möglicher Unterschiede
                                           basierend auf Alter, Geschlecht und Führungszweifel. Die ausgewerte-
                                           ten Daten umfassen eine Stichprobengröße von N = 981 Teilnehmenden.
                                           Der Fragebogen umfasste 130 Items, die mittels explorative Faktorana-
                                           lyse in Skalen zusammengefasst wurden. Die Fragen bestanden zum
                                           Großteil aus Aussagen, denen die Befragten auf einer Skala von 1 bis 5
Impressum                                  zustimmen konnten, wobei „1“ keine Zustimmung und „5“ die höchste
                                           Zustimmung darstellt.
© Februar 2020
Bertelsmann Stiftung, Gütersloh            80 % der Befragten sind männlich und der Altersdurchschnitt der
                                           Stichprobe liegt bei 51 Jahren, was für die heutige Führungslandschaft
Bertelsmann Stiftung                       in Deutschland als repräsentativ anzunehmen ist. Die Teilnehmenden
Carl-Bertelsmann-Straße 256                gehören ihrer Organisation im Schnitt 17 Jahre an, haben ihre Position im
33311 Gütersloh                            Mittel 10 Jahre inne und insgesamt durchschnittlich 13 Jahre Führungs-
www.bertelsmann-stiftung.de                erfahrung. Die befragten Führungskräfte arbeiten zu 20 % in Kleinst- und
                                           kleinen Unternehmen, zu 36 % in mittleren Unternehmen sowie zu 44 %
Verantwortlich:                            in Großunternehmen, womit die Studie größere Unternehmen überpro-
Guido Möllering                            portional abbildet. Dabei bekleiden die Befragten zu 10 % die oberste Füh-
Kontakt: guido.moellering@uni-wh.de        rungsebene, zu 47 % sind sie im mittleren Management und zu 43 % in der
Telefon: +49 2303-926-502                  unteren Führungsebene tätig. 60 % der Führungskräfte haben eine direkte
                                           (Linien-)Verantwortung für bis zu 10 Mitarbeitende, bei den anderen 40 %
Sabrina Schuster                           sind es mehr als 10 Mitarbeitende.
Kontakt: sabrina.schuster@uni-wh.de
Telefon: +49 2303-926-502

Martin Spilker
Kontakt: martin.spilker@
bertelsmann-stiftung.de
Telefon: +49 5241 80-40283

Gestaltung: Oliver Helbig
OH Design + Medienproduktion

Bildnachweis: © Antonioguillem
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