GESCHÄFTS BERICHT 2019 - Stiftung Sicherheit im Sport
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INHALT Grußwort des Stiftungsvorstandes 4 Die Position des DOSB 5 Neue Gremienmitglieder 6 Verletzungen im Spitzensport: Kristina Vogel 8 Staunenswertes zu Sportunfällen in Deutschland 10 Sicherheit in Trampolinhallen: Superfly Dortmund 12 DACH-Tagung zur Sportsicherheit in Innsbruck 16 Parlamentarisches Frühstück im Deutschen Bundestag 18 EU Sport Conference in Espoo 20 „Sicherer Sportverein”: der WMTV Solingen 22 Praxishilfe Betriebliche Gesundheitsförderung 24 Projekt: Vereinssport in der Kommune 26 Ein Plädoyer für sichere Sportstätten 30 Drei Fragen an … 32 Operative Zahlen 34 Neues aus dem Team 36 RISIKEN SENKEN – UNFÄLLE VERMEIDEN – Ausblick auf die Stiftungsarbeit 2020 38 LEBENSQUALITÄT ERHALTEN
4 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 5 EDITORIAL STIFTUNG INSIDE Liebe Freundinnen und Freunde der Stiftung Sicherheit im Sport, wieder ein Jahr um?! So denken sicher nicht nur wir, sondern viele andere Menschen auch. Unser Jahr 2019 war voll mit Eindrücken, in- teressanten Begegnungen und unzähligen Gesprächen rund um die Sicherheit und Unfallprävention von Sporttreibenden. In Projekten, die wir mit unseren Partnerorganisationen durchgeführt haben, konnten wir aufzeigen, dass es zahlreiche sinnvolle Präventionsansätze gibt. Andreas Silbersack, DOSB-Vizepräsident für Breitensport und Sportentwicklung und Mitglied im Aufsichtsrat der Stiftung Sicherheit im Sport. Wir sind dankbar und auch stolz, dass es gelungen ist, die Landesregierung Nordrhein-Westfalens von der Be- deutung unseres Themas zu überzeugen und ein zweiein- DIE POSITION DES DOSB halbjähriges Pilotprojekt zu fördern, mit dem die Grundla- gen für eine landesweite Umsetzung von Sportunfallprävention geschaffen werden. ALS PARTNER UND STIFTER Wir freuen uns über die Tatsache, dass unter anderem der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des oder bezahlte Sportler*innen geht, kommen auch Innern, für Bau und Heimat Stephan Mayer als neues Ku- Der DOSB steht mit rund 27 Millionen die zuständigen Bezirksverwaltungen der VBG als ratoriumsmitglied gewonnen werden konnte, und sind Zieladresse in Frage. Falls sich die Kostenfragen Mitgliedschaften und knapp 90.000 guter Hoffnung, dass es langfristig gelingt, die Thematik hierüber nicht abschließend regeln lassen, sollte in der Bundesregierung zu verankern. Vereinen für die Gemeinschaft des ein Anwalt konsultiert werden. Mit Blick auf evtl. organisierten Sports in Deutschland. Rechtsschutz lohnt aber auch hier ein Vorsprechen Wir konnten in Kooperation mit dem Großverein WMTV im Versicherungsbüro des jeweiligen Landessport- Solingen ein exemplarisches Sicherheitskonzept erarbeiten und mehrere kleine Arbeitshilfen für Übungsleiter*innen und Trainer*innen erstellen. Und wir haben intensiv mit dem DIN gemeinsam E r zollt jeder Sportlerin und jedem Sportler An- erkennung und Respekt und fördert die Leis- tungsfähigkeit unserer Athletinnen und Athleten. bundes. Vorgelagert, unmittelbar nach dem Unfall, steht natürlich zunächst die medizinische Versor- gung des Opfers im Blickpunkt. Ist diese geregelt, an Normen gearbeitet, die den Sport sicherer machen. Der DOSB setzt sich für die Interessen des Sports gilt es Beweissicherung zu betreiben und die inter- ein und bringt seine Potenziale in die Gesellschaft nen Verantwortlichkeiten zu klären. Wir konnten unser Team vergrößern und somit mehr Wirkkraft erzielen. ein. Mit Werten des Sports wie Fair Play, Gesund- Und hatten Spaß an der Zusammenarbeit und der guten Atmosphäre. heit, Integration und Inklusion leistet der Sport Wir sind glücklich über das Zusammenwirken zwischen den Beschäftig- einen wertvollen Beitrag für die Gemeinschaft. In Ergänzung der Arbeit der Sport- ten und den ehrenamtlichen Gremienmitgliedern. vereine und -verbände auf dem Zu den erforderlichen Rahmenbedingungen zählt, Feld von Prävention und Prophyla- Wir danken allen Unterstützer*innen und Weggefährt*innen in 2019! dass die Vereinsmitglieder ihren Sport gesund ausüben können und in diesem Zusammenhang xe leistet die Stiftung Sicherheit im Unfälle und Verletzungen so weit wie möglich Sport hier äußerst wertvolle Unter- Ihr Claus Weingärtner & David Schulz vermieden werden. stützung, indem sie zur Entstehung Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Sicherheit im Sport Für die Sportvereine ist die Unfallthematik auch von Sportunfällen und -verletzungen deshalb schwerwiegend, weil mit Unfällen re- forscht, Prävention und Folgen ana- gelmäßig Folgekosten einhergehen, bei denen lysiert und den Informationsaus- die Haftungsfrage zu klären ist. Erster Ansprech- partner hierfür sollten die Versicherungsbüros der tausch zwischen allen im Sportun- Landessportbünde sein. Falls es um verunfallte fallgeschehen Beteiligten fördert. Übungsleiter*innen, versicherte Ehrenamtliche
6 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 7 STIFTUNG INSIDE STIFTUNG INSIDE Wir freuen uns über die kontinuierliche Zusammenarbeit mit unseren NEUE MITSTREITER*INNEN Gremienmitgliedern. Gleichzeitig dürfen wir immer wieder neue Mitglie- IN UNSEREN GREMIEN der begrüßen, die uns mit ihrem Knowhow unterstützen. 2019 haben wir sieben neue Mitstreiter*innen gewinnen können. Neu im Aufsichtsrat Neu im Kuratorium KAI BOCKELMANN DR. BRIGITTE BUHMANN Kai Bockelmann ist Vorsitzender der Geschäftsführung bei Himmelseher Sportversicherung, Köln (Erwin Von 2003 bis 2018 war sie Direktorin der BFU – Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Schweiz. Sie Himmelseher Assekuranz-Vermittlung GmbH & Co. KG), einem der führenden Beratungsunterneh- hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Themen Sicherheit und Unfallprävention im Sport in der men für Sportrisiken und deren Absicherung in Deutschland und Europa. Der Wirtschaftsjurist ist Schweiz große Beachtung und auch Förderung der öffentlichen Hand bekommen. Sogar an Gesetzes- Experte für komplexe (internationale) Haftpflicht- und Sportunfallprogramme und die resultie- vorlagen konnte sie mitarbeiten und so nachhaltig dafür sorgen, dass Staat und Gesellschaft von den renden Schadenfälle sowie die Absicherung von Großveranstaltungen. Darüber hinaus ist er auf Vorteilen und Wirkungen guter Präventionsarbeit profitieren. Insofern ist die BFU mit ihren 80 Jahren Absicherungsprogramme im Amateursport spezialisiert. Kai Bockelmann verfügt über mehr als 20 Erfahrung für uns als im Vergleich sehr junge Stiftung ein gutes Vorbild. So war es für uns ein großer Jahre Berufserfahrung in der Sportversicherung und hat sich schon während seines Studiums mit Gewinn, dass sich Dr. Brigitte Buhmann nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst bereit erklärt hat, in un- Sportrisiken, insbesondere Haftpflichtrisken, auseinandergesetzt. Sportunfallprävention hat in der serem Kuratorium mitzuarbeiten. Sie wurde im Februar 2019 vom Aufsichtsrat in das Kuratorium berufen. Fa. Himmelseher eine jahrzehntelange Tradition. So war es nur folgerichtig, dass sie 2015 als Stifterin zur Gründung der Stiftung Sicherheit im Sport beitrug. DR. STEFAN HUSSY Dr. Stefan Hussy ist seit dem 1. Juli 2019 Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversi- cherung (DGUV) und dort auch für den Geschäftsbereich Prävention zuständig. In seinem beruflichen PETER MÜHLBAUER Werdegang bei verschiedenen Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung lag sein Arbeitsschwer- Peter Mühlbauer ist Geschäftsführer der TÜV SÜD Management Service GmbH in München. Seit an- punkt als promovierter Ingenieur ebenfalls im Bereich Prävention. Die Stiftung Sicherheit im Sport nähernd 25 Jahren war er zuvor bereits in zahlreichen Positionen für den TÜV SÜD tätig. Der TÜV freut sich sehr, einen weiteren ausgewiesenen Präventionsfachmann im Kuratorium zu begrüßen. SÜD steht wie kaum eine andere Institution für das Thema Sicherheit. Peter Mühlbauers Vorgänger Die DGUV – zuständig für die Sicherheit sowohl in Betrieben als auch in Kindertagesstätten, Schulen in der Geschäftsführung, Prof. Dr. Peter Schaff, hat sich schon über viele Jahre für mehr Sicherheit und Hochschulen – ist für die Stiftung ein maßgeblicher Partner. Deshalb ist es besonders wertvoll, dass im Sport eingesetzt. Wir sind sehr froh, dass Peter Mühlbauer dieses Engagement nun fortsetzt und die DGUV auch weiterhin auf Geschäftsführungsebene im Kuratorium vertreten ist. den Aufsichtsrat mit seinem Knowhow und seinen hervorragenden Netzwerken unterstützt. STEPHAN MAYER Stephan Mayer, MdB, ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat. Der Volljurist zog 2002 in den Deutschen Bundestag ein. Neben vielen anderen Mit- ANDREAS SILBERSACK gliedschaften und Ämtern war Stephan Mayer jahrelang ordentliches Mitglied im Sportausschuss Der DOSB ist in unserem Aufsichtsrat vertreten durch Andreas Silbersack, DOSB-Vizepräsident des Deutschen Bundestages und ist ein ausgewiesener Experte für Sportpolitik. 2018 wurde Stephan Breitensport und Sportentwicklung. Der Rechtsanwalt ist daneben Ehrenpräsident des LSB Sach- Mayer zum Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat sen-Anhalt und Vizepräsident von Special Olympics Deutschland. Für Andreas Silbersack ist klar: ernannt. Mayer ist seit 2019 Mitglied unseres Kuratoriums und bringt Erfahrung aus annähernd zwei Gerade im gesundheitsorientierten Breitensport muss besonderer Wert darauf gelegt werden, Jahrzehnten Bundespolitik in unsere Stiftungsarbeit. dass die Sportler*innen sich nicht verletzen. Im Aufsichtsrat bildet Andreas Silbersack eine maß- gebliche Brücke zum organisierten Sport in Deutschland. RALPH TIESLER Ralph Tiesler ist Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaft in Bonn. Er ist ausgewiesener Experte für Krisenmanagement und leitete viele Jahre lang zunächst die Abteilung für Krisenmanagement im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), dessen Vizepräsident er später wurde. Ab 2015 verlagerte sich sein Schwerpunkt auf die Koordinierung der Geflüchteten, zuerst in München, später in Berlin. Anschließend war er zwei Jahre lang Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg. Seit September 2018 ist er an das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) berufen. Ralph Tiesler liegt es sehr am Herzen, das Thema Sportunfallpräven- tion, das vom BISp in den letzten Jahrzehnten maßgeblich mitgestaltet wurde, durch seine Mitarbeit im Kuratorium der Stiftung weiter voranzubringen und die Brücke zur Forschung im Spitzensport zu bilden.
8 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 9 VERLETZUNGEN IM SPITZENSPORT VERHALTENSWEISEN ANERZIEHEN Bahnradfahren ist ein riskanter Sport. Die Fahrer*innen sind ungeheuer schnell und bremsen mit ihrem gan- zen Körper. Da braucht es Regeln, geschriebene, die einerseits helfen, Unfälle zu vermeiden, andererseits Klarheit in Haftungsfragen bringen. Seit ihrem Un- fall ist Kristina Vogel Mitglied in der Athleten- und Bahnkommission des Weltradsportverbandes (UCI). Hier werden beispielsweise Bahnpläne für den Weltcupbetrieb aufgestellt. Vogel stellt aber weite- re Überlegungen an. Sie hat beobachtet, „dass in dem halben Jahr nach dem Unfall alle unheimlich nervös waren“ – das hat sich wieder normalisiert. Ihrer Meinung nach fehlt es einerseits an Sensibili- tät: „Extra Qualifikationen für Trainer, Bahntrainer, Verantwortliche, um deren Verantwortlichkeiten zu schärfen.“ Klar, alle sind Menschen und machen Fehler. Aber gegenseitige Rücksichtnahme könne man durchaus antrainieren. Den Schulterblick etwa, der ein Automatismus sein sollte. „Ich selbst war immer die Vorsichtige. Aber ich hatte einen Blick dafür, wo und wie schnell meine Gegnerin ist, das DIE REGELN AUFSCHREIBEN war meine Taktik.“ Daneben wünscht sie sich fes- te Regeln und eine feste Systematik: Mehr Personal etwa, oder akustische Hinweise. „Letztlich ist das auch eine Kostenfrage. Wer ist dafür verantwortlich: Was wäre gewesen wenn. Eine Frage, die sich die ehe- Der Verein? Der Verband?“ Ein ungeliebtes Thema. malige Bahnradfahrerin Kristina Vogel oft stellt. Ihre Niemand sieht die Notwendigkeit für mehr Personal – aber man muss investieren, sonst ist es zu spät. Karriere als bis dato erfolgreichste Bahnradsportlerin nahm durch einen schweren Unfall ein jähes Ende. INKLUSION VON ANDEREN 2019, ein Jahr nach ihrem folgenreichen Unfall. A m 26. Juni 2018 veränderte sich ihr Leben. Kris- tina Vogel hatte zusammen mit der vierfachen Junioren-Weltmeisterin Pauline Grabosch trainiert. Kristina Vogel zieht als Kommunalpolitikerin in den Stadtrat Erfurt ein. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Soziales, Arbeitsmarkt und Gleichstellung sowie im Als Grabosch von der Bahn fuhr, beschleunigte Ausschuss für Ordnung, Sicherheit, Ortsteile und Vogel und kollidierte mit einem holländischen Juni- Ehrenamt. Kein Sport, denn der ist in Erfurt Teil orfahrer, der plötzlich auf die Bahn gefahren war. des Wirtschaftsausschusses. Ihr Thema ist Inklusion. Beim Sturz wurde Vogels Rückenmark am siebten „Wir müssen Anerkennung und Wertschätzung von Brustwirbel durchtrennt. Seither ist sie querschnitts- Andersartigen in die Mitte unserer Gesellschaft las- gelähmt. Was genau passiert ist, ist immer noch sen“, sagt sie. „Ich habe eine Stimme bekommen, nicht vollständig geklärt. Die Staatsanwaltschaft er- und ich muss meine Stimme nutzen.“ Die politische mittelt noch immer. Arbeit war zu Beginn nicht gerade ein Lebenstraum. Kristina Vogel wurde gefragt und überlegte. Als Wäre der Unfall vermeidbar gewesen? „Ja“, sagt Bundespolizistin, Ex-Sportlerin im Rollstuhl und Er- Kristina Vogel, „mit vielen kleinen Stellschrau- furterin wollte sie ihrer Stadt etwas zurückgeben ben.“ Wenn Bahnbetrieb ist, gebe es viele klei- und entschied sich für ein „ja“. „Gesunder Men- ne, ungeschriebene Regeln, erklärt sie. Jede*r schenverstand trägt“, findet sie, „Bauch und Kopf Bahnradfahrer*in und jede*r Trainer*in kenne sie. zusammen.“ Darum ist vieles noch immer unklar: „Warum ist der andere auf die Bahn aufgefahren und hat es nicht Dass die Politik ganz schön weit weg besser gewusst? Warum haben die Trainer nichts vom Sport ist, lässt sie schmunzeln: KRISTINA VOGEL IST DEM gesagt? Warum war kein Personal da?“ Es sei nicht immer jemand da – aber dann müssen die anderen „Athleten sind problemorientiert, die SPORT TREU GEBLIEBEN: besser aufpassen, so die ungeschriebene Regel. „Ich Politik ist das nicht. Stets Kompro- hab vorher geguckt, es war alles frei“ – ein Schulter- misse zu finden, dauert. Ich werde ALS EXPERTIN, POLITIKEN blick, der schon dem Nachwuchs in Fleisch und Blut übergegangen sein sollte. wirklich entschleunigt!“ RIN UND GASTREDNERIN.
10 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 11 WAS SIE SCHON IMMER ÜBER SPORTVERLETZUNGEN WISSEN WOLLTEN … ERFASSUNG VON SPORTVER- LETZUNGEN AUCH IM SPITZENSPORT KAUM UMGESETZT … und uns schon häufig gefragt haben. Ein paar staunenswerte, Obwohl der Bund jedes Jahr den Spitzensport mit merkwürdige oder nicht zu beantwortende Fragen haben wir Ihnen hier dreistelligen Millionenbeträgen fördert, gibt es auch aufgeführt. Für weitere Fragen stehen wir gerne zur Verfügung! bei diesen – besonders gut betreuten und unter- suchten – Athlet*innen kaum belastbare Zahlen zu Sportverletzungen und Sportschäden sowie de- ren Auswirkungen. So kann auch nicht einge- schätzt werden, wie viele Medaillen auf- grund von Sportverletzungen nicht Der größte Risikofaktor für eine Sport- gewonnen werden. verletzung ist eine frühere Sportverlet- zung – frei nach dem Motto „Nach der Verletzung ist vor der Verletzung“. Das Verletzungsrisiko ist bei den „Pro- fis“ wesentlich höher als im Freizeit- und Die Profis haben zwar wesentlich höhere Breitensport. Untersuchungen der Ver- Verletzungsquoten, absolut betrachtet waltungsberufsgenossenschaft (VBG) fallen „ihre“ paar tausend Verletzun- zeigen, dass Fußballer, Handballer, gen im Vergleich zu den hochgerechnet Basketballer und Eishockeyspieler der ersten beiden Männerligen sich durch- In Deutschland werden pro Jahr 80.000 mehr als zwei Millionen Sportverletzun- schnittlich 2,5-mal pro Saison verletzen. Kreuzbandrisse von Sportler*innen ope- gen pro Jahr in Deutschland kaum ins „IN DER SCHWEIZ STEHEN FÜR SPORT- riert – etwa 4-5 Prozent aller Verletzun- Gewicht. UNFALLPRÄVENTION ETWA ZWEI SFR gen im Sport sind Kreuzbandrisse. (CA. 1,87 EUR) PRO EINWOHNER JEDES JAHR ZUR VERFÜGUNG.“ Aktuell wird in Deutschland nur ein Bruchteil dieser Summe investiert. Deutschland ist hier im Vergleich noch ein Entwicklungsland. NEUE SPORTANGEBOTE In den letzten Jahren schießen beispielsweise Trampol- inhallen wie „Pilze aus dem Boden“. Die Betreiber dieses Selbst bei Präventionskursen, die von VORSCHRIFT ODER FREIWILLIGKEIT erfolgreichen Geschäftsmodells bieten vor allem Kindern den gesetzlichen Krankenkassen ge- Unter Fachleuten in der Sportunfallprävention wird und Jugendlichen attraktive Möglichkeiten, sich zu bewegen. immer wieder diskutiert, ob man mit Vorschriften die Jedoch ergeben sich aufgrund der besonderen Anforderun- fördert werden, ist die Prävention von Zahl der Sportverletzungen erfolgreich reduziert oder ob gen, die Trampolinhallen an ihre meist jungen Benutzer*innen Sportverletzungen, wie z. B. ein prä- Freiwilligkeit zum Erreichen dieses Ziels führt. Klar ist: Soll stellen, spezifische Unfall- und Verletzungsrisiken. Neben einer ventiv wirksames Aufwärmprogramm, die Situation schnell verändert werden, sind Vorschriften, angemessenen Einweisung sind die Betreiber deshalb auch zur nicht obligatorisch. Dies zeigt den ak- Normen und gegebenenfalls Gesetze ein probates Mittel. Kontrolle der Nutzungsordnung verpflichtet. Viele Betreiber Langfristig jedoch kann die Zahl der Sportverletzungen nur nutzen dafür unter anderem Videoaufnahmen, mit deren Hilfe tuell geringen Stellenwert der Sportun- Großangelegte Studien belegen: nur dann nachhaltig verringert werden, wenn alle handelnden sich bei Unfällen die Ursachen besser feststellen lassen. Und fallprävention in Deutschland. 2 x 15 Minuten präventives Training pro Personen und insbesondere die Sportler*innen die Bedeutung wenn man die Ursachen kennt, lassen sich leichter wirksame der Prävention von Sportverletzungen erkennen und ihr Ver- Woche reichen aus, um das Verletzungs- Präventionsmaßnahmen entwickeln. halten entsprechend anpassen. risiko im Sport deutlich zu senken.
12 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 13 BEST PRACTISE IN DER LUFT KANN MAN NICHT ABBRECHEN In der Tasche führen sie eine gelbe und rote Kar- Das Dortmunder Superfly ist Bran- te mit sich, die sie bei Bedarf mit strenger Miene chenprimus. In wenigen Hallen zücken. Das kennt jedes Kind, das wird beachtet. „Und wenn nicht, droht der Hallenverweis“, so wird Sicherheit so konsequent um- Waldmann. gesetzt und gelebt wie hier. Wie der Spaß trotzdem nicht zu kurz Waldmann zeigt seine Halle und führt durch die technischen Sicherheitsmaßnahmen: „1,5 Meter kommt, erzählte uns Area Manager Fallschutz sind jeweils eingerechnet. Heißt, alle Mirko Waldmann. Kanten, Ecken, Gegenstände in diesem Umkreis sind verkleidet.“ Jeden Tag findet ein Daily Check E in Traumjob. Fliegende Kinder, leuchtende Kin- deraugen, jeden Tag. Mirko Waldmann macht einen zufriedenen Eindruck. Der Fitnessfachwirt statt. Jede*r Mitarbeiter*in muss in der Lage sein, ihn anhand einer Checkliste durchzuführen. Mon- tags gibt es einen längeren Intensivcheck, denn an (IHK) hat seine Superfly Halle im Dortmunder Ge- diesem Tag hat die Halle geschlossen. Einmal im werbegebiet gut im Griff. Waldmann ist Area Mana- Jahr wird die Halle von einem Sachverständigen ger für fünf Superfly Hallen (von 10 bundesweit) und gecheckt. Das sind hohe technische Sicherheitsan- hat besonders in Dortmund die Sicherheitsstandards forderungen, die Mirko Waldmann schlau über die stark hochgefahren – sozusagen als Best Practice für Sozialen Kanäle nach außen streut. Bei fast 77.000 die anderen Standorte des Unternehmens. Zudem Followern allein auf der Dortmunder Facebookseite ist er Mitglied im deutschen DIN-Ausschuss Tram- ist die Reichweite und damit die Durchschlagskraft polinparks. Ein Fachmann also, der die Details kennt für Botschaften enorm: Allein die geposteten Fo- und keine Sicherheitskompromisse eingeht. tos von glücklichen, Salto-schlagenden Menschen zeigen, dass Spaß, Coolness und Sicherheit zusam- Viertel vor neun, Samstagmorgen. Energiegela- mengehen können. Die Bewertungen auf Face- dene Kinder und bettschwere Eltern versammeln book sind überwiegend positiv, und manche Fans sich vor der Halle. Um neun Uhr startet „Kids stellen in ihren Kommentaren die hohe Sicherheit Flight“ für Kinder bis zum achten Lebensjahr. Vor heraus. dem Sturm auf die Trampoline steht allerdings ein verpflichtendes Prozedere. Zunächst müssen die Teilnehmer*innen sich registrieren und die „Aber es gibt auch negative Bewer- Haftungshinweise lesen und akzeptieren. Das ge- tungen. Hintergrund ist oft, dass die schieht elektronisch an Terminals im Eingangsbe- Menschen die eigene Verantwortung reich. Nach dem Umkleiden (inklusive Stopperso- cken) kommen Kinder und Eltern an eine Schleuse. abschieben wollen.“ Hier führt eine Mitarbeiterin alle halbe Stunde eine Sicherheitseinweisung durch. Und weil das trotz aller Mühe langweilig ist – wir denken an überrou- tinierte Flugbegleiter*innen – wird sie von einem kleinen, peppigen Film unterstützt. Erst dann öff- nen sich die Eingänge und die Kids dürfen hüpfen. SCHIEDSRICHTER KENNT JEDER 130 Personen dürfen maximal auf die Fläche. Hier befinden sich bis zu vier Mitarbeiter*innen, die die BETREIBER VON TRAMPOLINHALLEN TUN VIEL, Springenden im Auge behalten. Werden Regeln nicht eingehalten – etwa, wenn jemand eine an- UM DIE SICHERHEIT IHRER BESUCHER*INNEN dere Person wegbounct –, kommt die Pfeife und die Ermahnung zum Einsatz. Eine hübsche Idee: ZU GEWÄHRLEISTEN. Alle Mitarbeiter*innen tragen Referee-Shorts.
14 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 15 EDDIE (22), SUPERVISOR Wir haben hier rund 1.000 Besucher am Tag. Die meisten Gäste sind zwischen 8 und 16 Jahren alt. Sie kommen hierher, um Spaß zu haben. Wir sehen, dass die meis- ten sich wirklich verantwortungsvoll verhalten. Manche vergessen mal die Regeln, merken das aber oft selbst. Weil jeder Gast wiederum ein Vorbild für die anderen Gäste ist, achten wir sehr auf die Einhaltung der Regeln. Wenn es sein muss, setzen wir auch mal die Pfeife ein. Das ist besser als lautes Schreien in der Geräuschkulisse und dient unserer Autorität. Die rote und die gelbe Karte sind meist Deko, aber wir setzen sie trotzdem manchmal ein. Das wird halt schnell von allen verstanden. JUSTIN (21), STUDENT Ich mache viel risikoreichen Sport: Parcours, Snowboard, Freerunning, Motorrad fahren. Dabei habe ich mich bestimmt schon acht-, neunmal heftiger verletzt. Trotzdem ist mir Sicherheit nicht so wichtig – ich weiß aber auch, was ich kann. Hier in der Halle sehe ich ein hohes Maß an Sicherheit: Die Gegenstände sind gut geschützt, die Sicherheitseinweisung war prima, es sind genug Mitarbeiter*innen auf der Fläche, die frühzeitig eingreifen und so ein sicheres Springen ermöglichen. Denn ist man erst einmal in der Luft, lässt sich der Sprung nicht mehr abbrechen. DER FAKTOR MENSCH LESLIE UND EVA (20), STUDENTINNEN Ach ja, die Menschen. Der unsichere Faktor bei Fachwissen über Anatomie haben, so dass sie wis- Wir sind zum ersten Mal in einer Trampolinhalle, und wir haben es uns genau so allen Sicherheitsbemühungen. „Wie kann ich die sen, was das Springen mit dem Körper macht, so- vorgestellt. Hier sind viele Mitarbeiter, die kommen, wenn sie gebraucht werden. Handlungen der Menschen führen?“, fragt sich wie technisches Fachwissen. Aber – anders als im Trotzdem hat man auch eine eigene Verantwortung: Wenn eine Fläche zu voll ist, Mirko Waldmann, „eine Frage, die wir auch im Verein – sind wir passiv. Wir leisten keine aktive verlassen wir sie selbst. Sicherheit ist uns eher nicht so wichtig. Normalerweise ge- DIN Normenausschuss diskutieren.“ Im Superfly Hilfestellung.“ hen wir nur ins Fitnessstudio. Hier finden wir es wichtiger. liegt der Fokus auf den Mitarbeiter*innen. Um ab- schätzen zu können, ob Springende sich aufgrund Das Dortmunder Superfly ist ein Branchenprimus. ihrer körperlichen Voraussetzungen vielleicht ver- „Andere Hallen sind unsicherer, das schadet der letzen könnten, bekommen die Kolleg*innen ein- ganzen Branche“, beobachtet er. Und eins ärgert mal im Jahr eine Trampolinschulung durch eine*n ihn in der Diskussion um die „gefährlichen“ Hallen: Trainer*in des Deutschen Turnerbundes. Fehlt viel- die Gartentrampoline. leicht die Körperspannung bei Sprüngen? Dann erhöht sich das Verletzungsrisiko, und die Person muss intensiver beobachtet werden. Durch die Trampolinhallen seien de- SIEHT GUT AUS: DIE SUPERFLY-UNFALLQUOTE Trampolinhallen sind durchaus risikoreiche Sportstätten. „Sicherheitsluft“ nach oben gibt Wichtig ist aber auch das soziale Agieren der Gäs- ren Verkaufszahlen noch mal gestie- es fast immer. Die Unfallquote im Dortmunder Superfly liegt nach eigenen Angaben bei te. „Wir achten auf die Gruppendynamik. Es darf gen, doch sie seien viel gefährlicher 0,2 Prozent. Am häufigsten knicken die Füße der Springenden um. Auch der Nacken ist keine Knubbelbildung geben. Die Kleidung muss als die gut bewirtschafteten Flächen beim Trampolinspringen verletzungsanfällig, gerade bei Kindern mit ihren vergleichsweise kontrolliert werden, keine Ohrringe. Für musli- schweren Köpfen. Von rund 10 Unfällen muss einer ärztlich behandelt werden. mische Frauen und Mädchen haben wir spezielle etwa eines Superfly. „Fünf Kinder auf Kopftücher, die mit Gummis gehalten werden. Un- einem Sprungtuch – das wäre bei Superfly definiert als Unfall, wenn die Person anschließend nicht mehr weiterspringen kann. sere Mitarbeiter*innen müssen durchsetzungsstark uns undenkbar.“ Menschen, die humpeln, bekommen ein Kühlpack – aber auch das ist im Unfallbogen sein, frei reden können, über Empathie verfügen, schon aufnahmepflichtig.
16 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 17 STIFTUNG INSIDE 7. INTERNATIONALE DACH-TAGUNG ZUR SPORTSICHERHEIT IN INNSBRUCK Am 19./20.09.2019 fand wie in jedem Jahr die so genannte DACH-Tagung statt: eine gemeinsame Tagung der Organisationen für Sportunfallpräven- tion aus den Ländern Schweiz, Österreich und Deutschland. 2 019 haben wir uns in Innsbruck getroffen. Un- ser Gastgeber war das österreichische Kuratori- um für Verkehrssicherheit (KFV), zu Gast waren die Die Kolleg*innen haben es mit großem Interesse aufgenommen und intensiv nachgefragt. schweizerische BFU – Beratungsstelle für Unfallver- Traditionell steht bei unseren Nachbarn der Berg- hütung, der Unfallversicherer SUVA, ebenfalls aus sport im Fokus. So auch in diesem Jahr: Die schwei- der Schweiz, aus Österreich Sicheres Vorarlberg zerische BFU stellte uns die hochinteressante Berg- und Sicheres Tirol sowie aus Deutschland die Stif- sport-Studie vor, das KFV präsentierte seine gerade tung Sicherheit im Sport. erst veröffentlichte E-Mountainbike-Studie. In diesem Jahr stellten die Kolleg*innen aus den 2020 rotiert die DACH-Tagung wie- Ländern ihre aktuellen Projekte vor. Wir haben be- sonders unser Kommunenprojekt – in diesem Kreis der nach Deutschland: Im September von Fachleuten das erste Projekt, das sich auf den 2020 wird die Stiftung Sicherheit die Vereinssport in einer Kommune konzentriert – in Gäste aus Österreich und der Schweiz den Mittelpunkt gestellt. in München begrüßen dürfen. STURZRISIKO KANN VERRINGERT WERDEN Bosch eBike Systems machte zum Zeitpunkt unserer DACH-Tagung Halt in Innsbruck. Hier durften die anwesenden Präventionsexpert*innen das ABS-System testen. Das österreichische Kuratorium für Verkehrssicherheit feierte 2019 sein 60-jähriges Bestehen und tourte aus diesem Anlass von April bis Oktober 2019 mit einer Roadshow durch alle österreichischen Landeshauptstädte. Seit der Grün- dung im Jahr 1959 hat das KFV unzählige Aktionen ins Leben gerufen, die einem wichtigen Zweck dienen: möglichst viele Unfälle zu verhindern und die Sicherheit der Menschen in allen Lebensbereichen zu erhöhen. Im September gastierte die Jubiläumstour in Innsbruck, wo gleichzeitig die DACH-Tagung mit Präventionsexpert*innen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich stattfand. Eine perfekte Gelegenheit für Bosch eBike Systems, die anwe- senden Sicherheitsfachleute zu einem ABS-Test im Zentrum von Innsbruck zu bitten. POSITIVES FEEDBACK David Schulz, Vorstand der Stiftung Sicherheit im Sport erklärte sich nach einer kurzen Einführung zum Test bereit und bestätigte: „Durch das ABS ist das Rad bei scharfen Brem- sungen besser beherrschbar und hat somit das Potenzial, das Risiko von Stürzen und Verlet- zungen zu reduzieren. Es verhindert zuverlässig, dass das Hinterrad bei einer Vollbremsung den Kontakt zum Untergrund verliert (s. großes Bild).“ Wie das ABS funktioniert, erklärt Claus Fleischer, Geschäftsleiter von Bosch eBike Systems: „Das ABS reduziert kurzzeitig die Bremskraft am Vorderrad, sodass das Hinterrad schnell wieder über Bodenkontakt verfügt. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass der eBiker sich überschlägt.“ Im September gastierte die Jubiläumstour in Innsbruck, wo gleichzeitig die DACH-Tagung mit Präventionsexpert*innen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich stattfand. Eine perfekte Gelegenheit für Bosch eBike Systems, die anwesenden Sicherheitsfachleute zu ei- nem ABS-Test im Zentrum von Innsbruck zu bitten.
18 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 19 STIFTUNG INSIDE GESPRÄCH MIT ABGEORDNETEN DES BUNDESTAGES Zahlreiche Parlamentarier folgten der Einladung zu unserer Veranstaltung, für die der Parlamentarische Staatssekretär im BMI, Stephan Mayer, die Schirmherr- schaft übernommen hatte. Die deutliche Botschaft der Stiftung: Nur mit klaren Zuständigkeiten ist erfolgreiche Sportunfallprävention möglich. I n welchem politischen Themenfeld und auch in welchem Ministerium kann die Prävention von Sportverletzungen verortet werden? Diese Frage tensport solle im Gesundheitsministerium verortet werden, im Spitzensport solle das BMI die Feder- führung übernehmen. wollte die Stiftung mit den Mitgliedern des Deut- In der abschließenden Diskussionsrunde stellten die schen Bundestags diskutieren. Abgeordneten und ihre Mitarbeiter*innen zahlrei- che Fragen zum Thema, die von den Vertretern der Nach der Begrüßung, die Artur Auernhammer MdB Stiftung beantwortet wurden. stellvertretend für PStS Stephan Mayer vornahm, und einer Einführung durch unseren Kuratoriums- Der Stiftung ist bewusst, dass es vermutlich noch vorsitzenden Franz Müntefering gab Prof. Dr. Sven ein langer Weg ist, bis die Prävention von Sportver- Dieterich für die Stiftung einen Überblick zum For- letzungen in Deutschland einen vergleichbaren po- schungsstand. Seine Erkenntnisse: Neben belast- litischen Stellenwert hat wie in anderen Ländern. baren Zahlen zum Unfallgeschehen fehlt es auch Wir sehen es aber als unseren Auftrag an, das The- an politischen Zuständigkeiten für die Erforschung ma weiter zu bearbeiten und zur politischen Wil- und Prävention von Verletzungen im Sport. lensbildung beizutragen. Dem schlossen sich die Vorstände der Stiftung, David Schulz und Claus Weingärtner, in einem ge- Denn wenn nicht wir – wer sollte meinsamen Statement an: Sie führten den Abge- sich sonst dafür einsetzen? ordneten vor Augen, dass Deutschland vor allem aufgrund der fehlenden Zuständigkeiten – und damit auch fehlenden Haushaltsmittel – im inter- nationalen Vergleich bei diesem wichtigen Thema meilenweit hinterherhinkt. Unser Vorschlag: Die Prävention von Verletzungen im Vereins- und Brei-
20 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 21 STIFTUNG INSIDE STIFTUNG BERICHTET AUF EU-SPORT-KONFERENZ ÜBER SPORTUNFALLPRÄVENTION BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN Es war doch eine recht große Überraschung, als uns im Juli eine E-Mail der Sportabteilung im finnischen Ministerium für Erziehung und Kultur erreichte. Im Na- men der finnischen EU-Ratspräsidentschaft wurde die E Stiftung gebeten, sich mit einem Beitrag an der „EU V Sport Conference – Safeguarding Children in Sport” zu I beteiligen. Die Konferenz fand am 24. September 2019 T in Espoo, Finnland, statt. KONFERENZ UNTER BETEILIGUNG ZAHLREICHER EA C #B WISSENSCHAFTLER*INNEN UND PERSPEKTIVEN D ie Veranstaltung beleuchtete die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen im Sport aus verschie- denen Perspektiven und bot reichlich Gelegenheit für verschiedenen Risiken, die mit sportlicher Aktivität einhergehen. In weiteren Vorträgen am Nachmittag wurde vor allem auf die Themen Mobbing, Belästi- den fachlichen Austausch mit Wissenschaftler*innen gung und Missbrauch im Sport fokussiert. und Praktiker*innen aus unterschiedlichen Berei- chen. Eröffnet wurde die Konferenz vom für Sport Abschließend gab es eine weitere Session zum BERICHT AN DIE EU-KOMMISSION BEZIEHT zuständigen EU-Kommissar Tibor Navracsics sowie Programm Erasmus+. In dieser wurden die Pro- AUCH DAS THEMA SPORTUNFÄLLE MIT EIN Hanna Kosonen, der finnischen Ministerin für Erzie- jekte iProtect und iCoachKids vorgestellt, die im Die finnische EU-Ratspräsidentschaft berichtete hung und Kultur. Beide machten deutlich, wie wich- Rahmen von Erasmus+ gefördert wurden. Hierbei nach Abschluss der Konferenz an die EU-Kom- tig Sport und Bewegung sowohl für die Gesundheit, war aus unserer Perspektive vor allem iCoachKids mission. Dieser Bericht soll auch auf die künftigen als auch für die gute Entwicklung von Heranwach- interessant, denn dieses Angebot richtet sich an Aktivitäten der EU-Kommission im Bereich Sport senden sind. Allerdings verwiesen beide auch auf Trainer*innen und Übungsleiter*innen ohne for- Einfluss nehmen. Die Konferenz hat uns ein wei- Risiken, denen Kinder und Jugendliche im Sport male Qualifikation und vermittelt diesen als digi- teres Mal vor Augen geführt, dass Sportunfallprä- ausgesetzt sind. Hierzu gehören neben Sportunfäl- tale Lernplattform wichtige Kenntnisse, um Kinder vention ein wichtiger Bestandteil von Sport- und len und Sportverletzungen auch die Überbelastung und Jugendliche beim Sporttreiben anzuleiten. In Bewegungsförderung sein muss. Auch auf der durch sportliches Training sowie sexuelle Belästigung Gesprächen mit anderen Teilnehmer*innen wurde europäischen Ebene geht es immer wieder da- und sexuelle Übergriffe. vielfach deutlich, dass die Prävention von Sportver- rum, wie Menschen – insbesondere Kinder und letzungen in den meisten Ländern der Europäischen Jugendliche – zu mehr körperlicher Aktivität moti- Gleich in der ersten Session hielt David Schulz, Vor- Union nach wie vor viel zu wenig Beachtung findet. viert werden können. stand der Stiftung Sicherheit im Sport, einen Vortrag Obwohl auch wir als Stiftung zunächst in Deutsch- mit dem Titel „Verletzung von Kindern im Vereins- land unsere Hausaufgaben machen müssen, bietet sport – Forschung und Prävention“. Die anschlie- der Austausch mit Kolleg*innen aus anderen Län- Alle Konferenzteilnehmer*innen ßenden Vorträge von Sprecher*innen aus Finnland, dern wichtige Impulse für unsere Arbeit zuhause. waren überzeugt, dass ein Mehr Frankreich und der Schweiz drehten sich vor allem Bleibt zu hoffen, dass es gelingt, Sportunfälle und an körperlicher Aktivität immer darum, wie gesundes und sicheres Sporttreiben ihre Auswirkungen künftig auch wieder in den Fo- bei Kindern und Jugendlichen unterstützt werden kus der Europäischen Kommission zu bringen, denn auch mit verstärkter und besserer kann. Einig waren sich alle Vortragenden darin, dass ohne diese Aufmerksamkeit wird es auch in den Prävention von Sportverletzungen körperliche Inaktivität ein weitaus größeres Risiko nächsten Jahren keine Förderprogramme auf der einhergehen sollte. für Gesundheit und Wohlbefinden darstellt als die europäischen Ebene geben.
22 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 23 PROJEKTE VERSPRECHEN AN DIE MITGLIEDER EINHALTEN Bewusst war sich Lukosch immer über den „Der WMTV hat mittlerweile mit über 15 Be- Stellenwert, den Sicherheit für Sportler*innen schäftigten und zahlreichen Übungsleitungen und Mitarbeiter*innen hat: Unfälle und Ver- und Trainer*innen sowie über 3.000 Mitglie- letzungen beim Sport sind zu vermeiden. Und dern eine Größe erreicht, wo wir es uns nicht wenn sie doch vorkommen, müssen die Wege mehr erlauben können, das Thema Arbeitssi- und Ketten stimmen. Gemeinsam mit der Stif- cherheit zu vernachlässigen“, so Andreas Lu- PROJEKTE tung haben Bick und er kritisch auf die Maß- kosch. Der WMTV hat eine starke, gelebte Ver- nahmen ihres Solinger Großvereins geschaut. einsstruktur und einen starken Claim: „Mehr „Wie viele Ersthelfer haben wir? Haben alle als nur ein Verein, nämlich DEIN Verein“. Da- Übungsleiter*innen einen Ersthelferschein? rum sieht er seine Verantwortung auch in der Und wollen wir das zur Pflicht machen, dass Unversehrtheit der Menschen in und um den jede*r Mitarbeiter*in eine Erste-Hilfe-Lizenz Verein. Am Ende des Prozesses hält Andreas Lu- FRÜHZEITIG EINGESTIELT hat?“ Auch Themen wie Brandschutz und Be- schilderung haben sie angepackt. Herausge- kosch ein Zertifikat in der Hand. „Der WMTV hat die Stufe 1 zur Zertifizierung „Sicherer kommen ist ein Sicherheitskonzept, das wie Sportverein“ erreicht“, steht da. Das freut den „Eigentlich ist Sicherheit bei uns schon ein Thema!“ eine To-do-Liste abgearbeitet wird. Geschäftsführer und stellvertretenden Vorsit- Mit Sportunfallprävention beschäf- Mit einem Einrennen offener Türen begann der zenden des Solinger Großvereins. Denn in die- tigen sich die Menschen meist erst, Kontakt mit Andreas Lukosch, dem stellvertre- Viele Ideen zum Thema Sicherheit, die dem sem Zertifikat steckt Herzblut und Vorarbeit. wenn es zu spät ist, wenn der Unfall tenden Vorsitzenden des WMTV. Kein Wunder, Verein wichtig sind, hatte der WMTV bereits Die nächsten zwei Zertifizierungsstufen haben denn der weitere stellvertretende Vorsitzende im Leitbild formuliert. In zwei Sitzungen hat Lukosch und Bick auch schon im Blick: Dann oder die Verletzung schon passiert Marco Bick hat beruflich mit Arbeitssicherheit zu der WMTV dann seine Wünsche und Vorstel- prüft die Stiftung, ob die Anforderungen des sind. Besser, sich als Verein frühzei- tun. So sensibilisiert hat sich der WMTV im Mai lungen dargestellt und niedergeschrieben. Die Sicherheitskonzepts erfüllt sind. tig „sicher“ aufzustellen, bevor etwas 2019 als zukunftsorientierter Sportverein auf Stiftung hat die Entwicklung moderiert und den Weg gemacht, um zusammen mit der Stif- das Konzept um gesetzliche Vorgaben ergänzt, Der WMTV ist der erste Verein, der zusammen passiert. Wie der Prozess laufen kann, tung Sicherheit im Sport ein Sicherheitskonzept die für alle Unternehmer*innen sowie jeden mit der Stiftung ein Sicherheitskonzept erarbei- zeigt der WMTV Solingen 1861 e.V. für den Verein zu entwickeln. Sportverein verpflichtend sind – so kann der tet hat und nun strukturell und geordnet die Verein künftig seinen Aufgaben hinsichtlich Facetten der Sicherheit und Unversehrtheit von Arbeits- und Gesundheitsschutz strukturierter Sportler*innen und Mitarbeitenden angeht. nachkommen. Finanziell unterstützt wurde der Ein Zertifizierungssystem macht die Bemühun- Beratungsprozess vom Landessportbund NRW. gen nach innen und außen sichtbar. Weitere Großvereine sind ebenso eingeladen, mit der Stiftung SiN cherheit im Sport ein individuelles Sicherheitskonzept zu erstellen.
24 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 25 PRAXISHILFE BETRIEBLICHE GESUNDHEITSFÖRDERUNG – MIT SICHERHEIT SICHER IM UNTERNEHMEN Voraussetzungen für sichere Bewegungsangebo- Neben dem Sachkapital gehören die te innerhalb der betrieblichen Gesundheitsförde- rung auseinandergesetzt. Alle wichtigen Aspekte, Beschäftigten zu den wichtigen Res- die der Arbeitgeber in punkto Sicherheit für seine sourcen eines jeden Unternehmens. Beschäftigten bei Bewegungsangeboten berück- sichtigen sollte, finden sich in der Broschüre. Das V iele Unternehmen bieten Bewegungsangebote im Rahmen der Betrieblichen Gesundheitsför- derung (BGF) an, haben allerdings keine normierte kompakte Wissen steht als Download oder als Druckversion auf der Website der Stiftung zur Ver- fügung. Sporthalle für die Durchführung zur Verfügung. Darum finden verhaltenspräventive Bewegungsan- BEWEGUNG UND SPORT IM UNTERNEHMEN gebote in betrieblichen Räumlichkeiten wie leer- „Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sowie stehenden Büroräumen, Konferenzräumen, Fluren das Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen sind auch oder auch in Kantinen statt. Das ist alles möglich, aus Wettbewerbsgründen mittlerweile zentrale aber was muss der*die Arbeitgeber*in oder die Be- Managementthemen geworden. Unternehmen ha- triebssportgruppe beachten, damit sich in diesen ben ein Interesse daran, gesunde Verhältnisse zu eher ungewöhnlichen Sporträumlichkeiten keine*r forcieren und präventive Maßnahmen im Rahmen verletzt oder sogar verunfallt? der Verhaltensprävention (etwa zum Stressabbau, zu gesunder Ernährung oder zur Raucherentwöh- Fenster, Lampen, Stühle und Tische, Bilder oder gar nung) durchzuführen. Viele Unternehmen möch- Kunstobjekte sind nur einige Gegenstände, die in ten ihren Beschäftigten zusätzlich gerne Sport- und Unternehmensräumlichkeiten zu finden sind. Sie Bewegungsangebote anbieten, zweifeln aber, ob sind Gefahrenquellen für die Sporttreibenden, da- die verfügbaren Räumlichkeiten sicher und geeig- her ist ein umsichtiges Bewegungsangebot nötig. net sind. Die Broschüre „Praxishilfe Betriebliche Gesund- heitsförderung“ ist zur Sensibilisierung aller Ver- Die Broschüre bietet eine Checkliste für die vor- antwortlichen im Unternehmen entstanden, die handenen Flächen, Beschreibungen der optimalen den Beschäftigten Bewegung anbieten möchten, Bewegungsräume, Ideen für verschiedene Bewe- allerdings nicht die dafür optimalen Räumlichkei- gungs- und Sportarten, aber auch Hinweise zum ten zur Verfügung stellen können. Versicherungsschutz der DGUV und der BGHW bei betrieblichen Angeboten. Auf Wunsch steht die Mit finanzieller Unterstützung der BARMER und Stiftung auch für Beratung zur Verfügung. der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) unter Koordination der Stiftung Sicherheit im Sport hat sich ein Expert*innenteam mit den sicherheit.sport/bgf
26 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 27 PROJEKTE VEREINSSPORT IN DER KOMMUNE – MIT SICHERHEIT VERLETZUNGSFREI WO GESCHEHEN WELCHE UNFÄLLE? Wir nennen es liebevoll „das Kom- Ein wichtiger Meilenstein zu Beginn des Projektes munenprojekt“. Im Mai 2019 startete war die Analyse der Unfallzahlen aus der Datenbank der ARAG-Sportversicherung, der Ruhr-Universität das Projekt. Seit Ende 2019 arbeiten Bochum und der Stiftung Sicherheit im Sport. So wir mit drei Kommunen an sicherem konnten wir die Sportarten identifizieren, in denen Vereinssport. Mitte 2021 werden wir sich prozentual die meisten Unfälle ereignen. An den ersten Stellen stehen Fußball, Handball, Vol- Ergebnisse vorlegen können – und leyball, Gymnastik/Turnen und Basketball. Insge- ein Konzept, wie wir unsere Erkennt- samt werden mit den 16 ausgewählten Sportarten nisse landesweit ausrollen können. rund 87 Prozent aller gemeldeten Verletzungen im Vereinssport in NRW abgebildet. Wir haben Daten, M it dem von der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen geförderten Projekt „Vereinssport in der Kommune – mit Sicherheit Zahlen und Fakten zu Ort bzw. Setting der Verlet- zungen, den Altersklassen, geschlechtsspezifischen Unterschieden und vieles mehr eruiert. verletzungsfrei“ möchte die Stiftung Sicherheit im Sport einen Beitrag leisten, die Anzahl und Schwere Ein Beispiel: Wir haben die prozentuale Verteilung von Sportverletzungen im organisierten, gemein- der Verletzungen auf die Körperregionen beim Fuß- nützigen Sport nachhaltig zu reduzieren. Denn jedes ball untersucht. Mehr als 50 Prozent der Verletzun- Jahr ereignen sich nach unseren Berechnungen rund gen passieren im Bereich der unteren Extremitäten. 150.000 ärztlich zu behandelnde, akute Sportverlet- Ein Ergebnis der Expertenbefragung ist, dass durch zungen – allein im Vereinssport in NRW! ein geeignetes Warm-Up das Verletzungsrisiko um bis zu 60 Prozent reduziert werden kann. Mit diesem Das Modellprojekt läuft insgesamt über zweiein- Wissen können wir gezielt Maßnahmen anstoßen. halb Jahre. Ziel des dreiphasigen Gesamtprojektes ist, dass NRW als erstes Bundesland über ein umfas- Um 2020 mit den Pilotkommunen richtig durch- sendes, kommunal basiertes Konzept zur Sportun- starten zu können, haben wir außerdem mögliche fallprävention im Vereinssport verfügt. Maßnahmen zusammengestellt und evaluiert. Dazu haben wir Studien, Bücher, Fachzeitschriften und Mit der praktischen Umsetzung beginnen wir am „graue Literatur” auf der Suche nach fundierten 1. Januar 2020. Gemeinsam mit den Pilotkommu- Empfehlungen zur Sportunfallprävention gesichtet. nen wollen wir Maßnahmen der Sportunfallpräven- Ein Expert*innengremium, vor allem bestehend aus tion im Vereinssport erarbeiten und realisieren. Auch der Autorenschaft der ausgewählten Literatur, hat Sportangebote von Vereinen im offenen Ganztag, die möglichen Maßnahmen hinsichtlich Effektivität, vereinseigene Fitnessstudios, Kooperationen von Akzeptanz und Umsetzbarkeit bewertet. Um es dem Sportvereinen mit Kitas und ähnliche Vereinsaktivi- Expert*innengremium denkbar einfach zu machen, täten werden in dem Konzept berücksichtigt. Nach haben wir aus über 1.000 Quellen 143 Studien für einem Jahr untersucht die Stiftung Sicherheit im die Bewertung ausgewählt. Interessant ist, dass in Sport die Ergebnisse auch in Richtung einer Dauerin- der wissenschaftlichen Literatur die Verhältnisprä- stallierung: Mittelfristig möchte sie die Erfahrungen vention, also u.a. die Sicherheit der Sportstätten aus Krefeld, Rheine und dem Kreis Lippe NRW-weit kaum aufgegriffen wird. Jedoch haben insbeson- in die Sportvereine bringen. dere Unfallkassen oder Berufsgenossenschaften für uns wertvolle Richtlinien und Vorgaben in diesem Bereich veröffentlicht, die wir in unsere Arbeit ein- beziehen.
28 I Geschäftsbericht Neben unseren Daten liefert die Expert*innen befragung uns eine Reihenfolge der erfolgverspre- chendsten Maßnahmen zur Sportunfallprävention Mit den drei NRW-Modellkommunen Krefeld, Rhei- in der jeweiligen Sportart. Alle Ergebnisse nehmen ne und dem Kreis Lippe erarbeiten wir im nächsten wir 2020 für die weitere Arbeit mit den Kommunen Schritt einen detaillierten, auf die jeweilige Kommu- auf und entwickeln daraus präventive Strategien. ne bezogenen Projektplan. Wir schauen uns die in- Als Grundlage für die weiteren Projektarbeiten ha- dividuellen Gegebenheiten vor Ort genauer an, um ben wir 2019 einen Bericht erstellt, der ausführliche gemeinsam an der Entwicklung und Umsetzung der Informationen zu Sportverletzungen in NRW bein- präventiven Maßnahmen zu arbeiten. Die Maßnah- haltet und vorhandene und bewährte Präventions- men haben zum Beispiel die Sicherheit von Sport- maßnahmen für die häufigsten Unfallsportarten im plätzen und Sporthallen im Blick, aber auch die Fort- Vereinssport aufzeigt. bildung von Trainer*innen und Übungsleiter*innen. Geplant sind auch spielerische Materialien, die den VIELE ERFAHRUNGEN DURCH Übungsleitungen oder auch den Sporttreibenden an DREI MODELLKOMMUNEN die Hand gegeben werden können. Unsere Quintes- Nach reiflicher Überlegung haben wir uns in Abstim- senz: Wir wollen für jede Sportart einige möglichst mung mit der Staatskanzlei dafür entschieden, nicht einfach umsetzbare Präventionsübungen aus den nur mit einer Kommune zusammenzuarbeiten, son- Expertenrankings 2019 herausfiltern und sie in die dern mit drei sehr verschiedenen. Das sind der Kreis Sportpraxis bringen. Lippe als großer Flächenkreis, die Stadt Krefeld mit ihren städtischen Strukturen und die Stadt Rheine In allen Kommunen planen wir, frühzeitig die nö- im Kreis Steinfurt. Wichtig waren uns die deutlichen tigen Stakeholder ins Boot zu holen. Dabei ist vor strukturellen Unterschiede der drei Kommunen, die allem wichtig, dass die Maßnahmen auch wirk- besondere Herausforderungen mit sich bringen. lich auf dem Sportplatz bzw. in der Sporthalle, Wir erhoffen uns dadurch im Projekt vielseitige Er- also bei den Übungsleitungen, den Trainer*innen fahrungen zu machen, die wir in das Konzept zur und auch den Sporttreibenden ankommen. In Pla- Prävention von Sportverletzungen einfließen lassen nung sind Workshops, in denen die Fachleute aus können und dann dazu beitragen, dass die lan- den Kommunen und externe Vermittler*innen je desweite Umsetzung erfolgreich gestaltet werden nach Sportart gemeinsam dazu beitragen wer- kann. den, dass die Umsetzung praxistauglich gestal- tet werden kann. Die Expert*innen könnten zum Ende des Jahres 2019 fanden die ersten Treffen mit Beispiel Physiotherapeut*innen, Ärzt*innen, den Modellkommunen statt. Vom Auftakt in den Vertreter*innen der Sportverbände, Trainer*innen Kommunen waren wir begeistert: Dort gibt es eine und Übungsleiter*innen sein. In den Workshops große Einsatzbereitschaft, die Anzahl und Schwere werden konkrete Präventionsmaßnahmen erarbei- von Sportverletzungen zu verringern, und man be- tet. Das können etwa spezielle Übungen sein, die schäftigt sich schon länger mit der Thematik. man ins Warm-Up Programm integrieren kann. Bei der Erstellung des Präventionskonzeptes soll die AUSBLICK Umsetzbarkeit in den Vereinen das A und O sein. Wir wünschen uns eine gute Zusammenarbeit mit den jeweiligen Städten und Gemeinden. Gemein- Um die Meinung und Einstellung der Basis einbe- sam werden wir den Vereinssport genau unter die ziehen zu können, erarbeiten wir verschiedene Be- Lupe nehmen und untersuchen, wo sich die Risiken fragungen für Vereinsvorstände, Trainer*innen und für die Sporttreibenden in den Kommunen verber- Sporttreibende. Wir freuen uns auf aussagekräfti- gen und wie wir diese gemeinsam mit den Kommu- ge Ergebnisse der Umfrage, um zu sehen, wo der nen und den Sportvereinen verringern können. Schuh wirklich drückt und was umsetzbar ist. VON DER WISSENSCHAFT ZU PRÄVENTIONSMASSN� NAHMEN IN DER PRAXIS
30 I Geschäftsbericht Geschäftsbericht I 31 HINTERGRUND DIE DEUTSCHE TURNHALLE IST SEIT 100 JAHREN GLEICHGEBLIEBEN Wie sichere Sportstätten aussehen können? Man muss nur die Menschen fragen, sagt Prof. Dr. Robin Kähler. Sportstätten müssen sicher sein. Aber was ist fekt, was die Sicht der Sportler*innen beeinträch- Sicherheit eigentlich genau? tigt, in vielen Hallen ist die Akustik unzumutbar, die Sicherheit ist zum einen etwas ganz Persönliches. sanitären Anlagen sind unhygienisch, es gibt keine Ich fühle mich sicher, wenn die Sportstätte mit ihrer Barrierefreiheit, die Sportgeräte sind veraltet oder, Einrichtung und ihren Geräten auf mich einladend, wie in den meisten Grundschulen, durch die klei- wohltuend und freundlich wirkt. So, dass ich mich nen Schüler*innen kaum verletzungsfrei zu hand- darin auch frei und geschützt fühlen und mich darin haben, die Pflege der Anlage ist nicht sachgerecht bewegen kann, wie ich es mir zutraue. Das setzt, usw. – da gibt es zahlreiche Schäden und technische zum anderen, auch eine objektive, nach bestimm- Probleme, die alle sicherheitsrelevant sind und die ten Kriterien geprüfte bautechnische Sicherheit der Bewegung der Menschen riskant machen. Zunächst Sportstätte voraus. Die Sicherheit von Sportstätten müssen die derzeitigen Sportstätten überhaupt ist daher aus Sicht des Menschen umfassend, dialo- sicher nutzbar sein! Hierfür brauchen wir ein bes- gisch zu sehen. Der Raum wirkt auf die Bewegungs- seres Mängelmanagement. Jede*r Sportlehrer*in, wünsche, -empfindungen und physischen Bewe- jede*r Hausmeister*in und auch die Schüler*innen gungen des Menschen, der Mensch setzt sich auch sollten auf Mängel achten, und die Mängel sollten mit dem Raum über Bewegung auseinander. Das ist von der Kommune oder dem Verein sofort behoben immer auch ein Thema von sich sicher fühlen und werden, nicht erst nach Monaten, wie es in vielen sicherer Umgebung. kommunalen Verwaltungen leider oft die Praxis ist. Wie kann eine subjektive und objektive SicherN Und wie stellen Sie sich die Zukunft der Sport heit gelingen? stätten vor? Das subjektive Sicherheitsgefühl kann ich durch Wir haben in den vergangenen einhundert Jahren vielseitige, auch herausfordernde Bewegungserfah- fast immer nur Sportstätten gebaut, die glatt und rung stärken. Dabei helfen Eltern, Lehrpersonen, klinisch sind. Das halte ich nicht für gesund, weil Vereinsübungsleiter*innen mit ihrer Erfahrung und sie nicht von den menschlichen Bedürfnissen und Umsicht. Es braucht aber auch eine Sportstätte, Erfahrungen ausgehend geplant wurden, sondern die eine positive, sichere Atmosphäre schafft. Die von einer bauphysikalischen Architektur. In Zukunft meisten unserer Sportstätten strahlen genau das sollten wir das Thema Sicherheit von Sportstätten Gegenteil aus, sie wirken unfreundlich, rein funk- vielmehr vom Menschen aus betrachten. Wie kön- tional, ungesund und abweisend auf den Men- nen die Umkleiden sicherer werden, wie komme schen. Die sportlich sehr aktiven Menschen sehen ich an die Haken heran? Sind die Duschen barriere- dies allerdings anders, weil die Sportstätte genau frei? Wie ist es um die Geräteräume bestellt: Gehen ihren sportfunktionalen, wettkampfgerechten Nor- die Tore problemlos auf? Ist der Mattenwagen zu men entspricht. Ich plädiere aber dafür, gerade aus schwer? Ist die Halle hell, gut belüftet, die Akus- Sicherheitsgründen die Sportstätten menschen- tik angenehm, brauchen wir die schweren Geräte freundlicher, kreativer zu bauen und zu gestalten, noch, finden auch die weniger bewegungsbegabten damit sie für alle Menschen geeignet sind. und -freudigen und beeinträchtigten Menschen ge- eignete Geräte und Räume vor? In Neubauten kön- Worauf muss man in Punkto Sicherheit bei Sport nen wir von vornherein ganz andere Bewegungs- stätten besonders achten? möglichkeiten aufzeigen. Die Kinder sollen z. B. Bevor wir in die Zukunft schauen, müssen wir uns auch balancieren, springen, schwingen, mit Bällen, PROF. DR. ROBIN KÄHLER erst einmal den derzeitigen Sanierungszustand der rollen und Ähnlichem aus dem Bereich Zirkusspiele VORSITZENDER DER INTERNATIONALEN VEREINIGUNG meisten unserer kommunalen Sportstätten an- arbeiten können. Das Sicherheitsverständnis muss SPORTSTÄTTEN UND FREIZEITEINRICHTUNGEN (IAKS), DEUTSCHLAND. schauen. Sprungmatten sind zu alt und zu weich viel umfassender werden und sich auch mehr an der und provozieren Verletzungen, Hallenböden ha- Gesundheit des Menschen orientieren. Der Experte für Sportentwicklungsplanung, Sportstättenplanung und Freiraumplanung ist zu- ben Risse, Löcher und Unebenheiten, abgesenk- gleich Mitglied im Sprecherrat der Kommission Sport und Raum in der Deutschen Vereinigung für te Bodenhülsen sind Stolperfallen, der Prallschutz Sportwissenschaft (dvs). Als Hochschullehrer leitete er zuletzt den Arbeitsbereich Sportökonomie/ fehlt oder ist defekt, die Lüftung geht nicht oder Lassen Sie uns neue, wirklich wohl- Sportsoziologie am Institut für Sportwissenschaft der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. schlecht, die Deckenbeleuchtung ist teilweise de- tuend sichere Sporträume bauen.
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